Die Entstehung Eines Nationalen Geldes: Integrationsprozesse Der Deutschen Wahrungen Im 19. Jahrhundert (Schriften Zur Wirtschafts- Und Sozialgeschichte) (German Edition) 3428108132, 9783428108138


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German Pages 585 [586] Year 2002

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Die Entstehung Eines Nationalen Geldes: Integrationsprozesse Der Deutschen Wahrungen Im 19. Jahrhundert (Schriften Zur Wirtschafts- Und Sozialgeschichte) (German Edition)
 3428108132, 9783428108138

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FRANK OTTO

Die Entstehung eines nationalen Geldes

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer

Band 71

Die Entstehung eines nationalen Geldes Integrationsprozesse der deutschen Wahrungen im 19. Jahrhundert

Von Frank Otto

Duncker & Humblot · Berlin

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Fachbereiches Philosophie und Geschichtswissenschaft der Universität Harnburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Otto, Frank: Die Entstehung eines nationalen Geldes : Integrationsprozesse der deutschen Wlihrungen im 19. Jahrhundert I von Frank Otto.Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ; Bd. 71) Zug!.: Hamburg, Univ., HabiL-Sehr., 2001 ISBN 3-428-10813-2

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-10813-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung................ . ................. . ...................... . I. Mark und Euro: Parallelen zweier Währungsunionen?. . . . . . . . . . . . . . . . li. Fragestellungen und Ziele der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wege und Stand der Forschung. Quellenlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gliederung und Vorgehensweise................ . ................. . B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen: Versuche einzelstaatlicher Münzreformen und die Herausbildung des kleindeutschen Währungsraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strukturbedingungen der Münzreform in den Staaten des Deutschen Bundes ....... .. . . .. ... ....... . . . . . . ........ .. . .. . .. . ....... . . .. 1. Die zwingende Notwendigkeit territorialer Konsolidierung und staatlicher Modemisierung: Die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Revolutionskriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnisse im deutschen Geldwesen am Ende der Napoleonischen Kriege. . . . .. . ......... .. .. . .. . ...... . ...... . . . . ... .. .. .... . . . a) Geringer Integrationsgrad der deutschen Währungssysteme . . . . . b) Uneinheitlicher Geldumlauf in den einzelnen Währungsgebieten . c) Zerrüttung des Geldumlaufs............. . . . . ............... . II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen im Rahmen der Homogenisierung des Staatskörpers: Einzelstaatliche Versuche der Münzreform..... . .. . ....... .. ....... . .............. . .... .. . .. ... . .... . 1. Der süddeutsch-mittelstaatliche Weg der Münzreform: Das Beispiel des bayerischen Scheidemünzenwesens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die preußischen Münzreformen: Herstellung des Fundamentes der deutschen Leitwährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Scheidemünzenedikt von 1811 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das "Gesetz über die Münzverfassung in den Preußischen Staaten" von 1821.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Umsetzung des Münzreformgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bilanz der einzelstaatlichen Versuche zur Reform des Münzwesens . a) Vergleich der Ergebnisse der Münzreformbestrebungen in Süddeutschland und in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kriterien zur Kategorisierung der einzelstaatlichen Münzreformen . .. . . ....... . . . .... .. . .. . .. . . .. .. .. .. . . ... ..... . . . . . .. III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes unter preußischer Präponderanz mit den Münzverträgen von München (1837), Dresden (1838) und Wien (1857) . .. . .. ... . ... . ... ... ....... . .. ....

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Inhaltsverzeichnis

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1. Die erste Phase der monetären Integration: Der Zollverein als Antriebskraft zum Abschluß von Münzverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgründe monetärer Integration: Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik . ... . .. ... . . . . .. .. ..... ...... . . b) Integration der Wirtschaftsräume im Deutschen Bund: Überlegungen zur Relevanz ökonomischer Transaktionskosten für den Abschluß der Münzverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die ersten Schritte auf dem Weg zu den Münzverträgen ........ d) Der Münzvertrag von München (1837) . ..................... . 2. Der Dresdner Münzverein (1838) ...... .. ..................... .. 3. Integrationsbemühungen der Talerländer und die weitere Entwicklung im süddeutschen Münzwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bilanz der aus dem Zollverein hervorgegangenen Münzverträge von 1837 und 1838 ....... . ....................................... 5. Der Münzvertrag von Wien (1857): Der preußisch-österreichische Konflikt um die Erweiterung des deutschen Währungsraumes .... .. a) Österreich und die deutschen Zoll- und Münzvereine im Vormärz . . . . .... . .. . . . . ...................................... b) Das Österreichische Projekt einer mitteleuropäischen Zollunion. . c) Die ersten Verhandlungen um einen Münzverein mit Österreich (1854) ............ . .............. .. ....................... d) Die Verhandlungen der Jahre 1856/57 und der Wiener Münzvertrag vom 24. Januar 1857 .................................. . e) Das Scheitern des Wiener Münzvertrages: Die definitive Festigung des kleindeutschen Währungsraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ursachen des Scheiterns: War die Entstehung eines kleindeutschen Währungsraumes eine zwangsläufige Entwicklung? .... ..

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens im Deutschland des 19. Jahrhunderts . . .. ... .. . .. .. . ... . . .. . . . .. . .. . ..... .... . . . 219 I.

Papiergeld- und Banknoten in der präindustriellen Phase ... . ....... .. 1. Vormärzliche Perzeptionsmuster gegenüber papierenen Wertzeichen: Zwischen Mißtrauen und übertriebener Erwartungshaltung ...... ... a) Ursachen der zwiespältigen Perzeption: Die Erfahrung mit dem Papiergeld als staatlichem Finanzierungsmittel in der Krise. Der Fall der preußischen Tresorscheine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ursachen der zwiespältigen Perzeption: Papiergeld und Banknoten in der ökonomischen Diskussion des 19. Jahrhunderts ...... 2. Notenbankprojekte im Vormärz ..... .. ..... . .. ...... . . . . ... .. ... a) Private Notenbankprojekte im vormärzliehen Preußen ... .... ... b) Die Errichtung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (1834) ............ . ... ......... ...... .. .............. . .... c) Rothers Projekt zur Gründung einer Landesbank (1824/25) und die Einziehung der Banknoten in Preußen (1836) .............. II. Einsetzende Industrialisierung und die Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 1. Der wirtschaftliche Hintergrund: Industrialisierung und Währungsverfassung - Finanzierungsinstrumente und wirtschaftliche Entwicklung ..... . ......... .. .. ............... . ............... . .. .... 2. Die Reform des preußischen Notenbankwesens unter dem Druck der unzureichenden Zahlungsmittelversorgung .............. . ..... a) Die Umwandlung der Königlichen zur Preußischen Bank ... .... b) Die Normativbedingungen zur Gründung privater Notenbanken . 3. Grundlinien der Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts . ....................... III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung . . . . 1. Die Gründungswelle privater Notenbanken im Zollverein. . . . . . . . . . a) Gründungsbedingungen privater Notenbanken: Ablehnung in den größeren Staaten und die Auseinandersetzung um die "Bankfreiheit". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründungsbedingungen privater Notenbanken: Die Zulassung in den Kleinstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abgrenzung der Währungsgebiete nach außen und der Versuch einer zwischenstaatlichen Lösung der Banknoten- und Papiergeldfrage ................ .. .............. .... ............. . . . .... a) Der "Preußische Bankkrieg" ......... . . . .............. . . . ... b) Zwischenstaatliche Einigungsversuche über Grundsätze der Papiergeld- und Banknotenemission im Zollverein .......... .. .. . 3. Der Aufstieg der Preußischen Bank zur Zentralbank Kleindeutschlands ... .. .. . .. . ..... ..... . ... . . ... ... . .. ........ .... .... .. .. a) Die Aufhebung des starren Notenkontingentes der Preußischen Bank ............................... ... ............... . . . . b) Die Preußische Bank als de facto-Zentralbank des Zollvereins .. 4. Das deutsche Papiergeld- und Banknotenwesen bis zum Vorabend der Reichsgründung-Grundtendenzen der Entwicklung ....... . . . .

D. Die Vollendung der kleindeutschen Währungsintegration im 19. Jahrhundert mit der Begründung der Reichswährung . ............. . . . .. . . I. Strukturbedingungen der kleindeutschen Währungsvereinheitlichung . . . 1. Integrationskräfte und fortdauernde Verschiedenheit: Das deutsche Geldwesen und die Verflechtung der Wirtschaftsräume des Zollvereins am Vorabend der Reichsgründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das deutsche Münz- und Papiergeldwesen vor der Währungsreform ......... . ............ . . . . . ...... . . .... .. . .. ....... .. b) Die Entwicklung einer integrierten deutschen Volkswirtschaft unter preußischer Präponderanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der preußische Taler als Leitwährung des kleindeutschen Wirtschaftsraumes ... . ................ . .... .. .. . ............. .. 2. Der Diskurs um die Währungsvereinheitlichung: Die Konstruktion der Ideologie des nationalen Geldes . ............................ a) Vormärzliche Diskurse um die Währungsvereinheitlichung und die Forderung nach einer Notenbank für den Zollverein . ..... ..

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255 270 271 281 293 298 300

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8

Inhaltsverzeichnis b) Die ideologische Konstruktion des kleindeutschen Währungsraumes ................ . .............. . . .............. .. ..... c) Die Diskussion um das Währungsmetall des nationalen Geldes .. d) Nationale versus internationale Münzeinheit .................. e) Die Ausweitung des Experten- zum allgemeinen Diskurs und die Auseinandersetzung um die Münzeinheit der Reichswährung II. Die Währungsverfassung des Deutschen Reiches als ein System des Ausgleiches unterschiedlicher Interessen ...... ... ............ ... .. .. 1. Regulierungsversuche des Münz- und Papiergeldwesens im Norddeutschen Bund .... .... . . ... .... .. ... .. . .. . ....... .. . . . .. . . . . 2. Die Begründung der Reichswährung mit den Münzgesetzen von 1871 und 1873 .......................... . . ............. . .. ... a) Die Gesetzgebung zur Münzreform ..... .. ............ . .. .... b) Der Übergang zur Goldwährung: Das Problem der Demonetisierung des Silbers ..................... ... ............. .. .. .. 3. Die Ordnung des Papiergeld- und Banknotenwesens . . . . . .. . ... . .. a) Der volkswirtschaftliche Diskurs über das Papiergeld- und Banknotenwesen .. . .... . .... . .... . .... . . ... .... ... .. ... . .. . b) Die Vorgeschichte des Bankgesetzes . .... . .... . ........ . .. .. . c) Das Bankgesetz vor dem Reichstag ... . . . .. ........... . . .. . .. d) Die Bestimmungen des Bankgesetzes und die Errichtung der Reichsbank............ . .......... . .... ... ... . .... . ... .. ... 4. Charakteristika der reichsdeutschen Währungsreform . . . ...... . .. . .

412 418 426 432 438 438 440 442 455 465 466 474 489 499 516

E. Ergebnisse: Grundlinien des monetären Integrationsprozesses in Deutschland im 19. Jahrhundert. ............... . . ............. ... ... 523 I. Die Entwicklung im Münzwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 II. Die Entwicklung im Papiergeld- und Banknotenwesen . . . . . . . . . . . . . . . 526

F. Quellen- und Literaturverzeichnis . . ........ . .... . . ... ... ... .. .. . ... . 531 I.

Quellen . ... . . .. . . . .. ......... . .... . .. . ..... . .. ...... . ..... . .. ... 1. Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitgenössisches Schrifttum: Stellungnahmen und Pamphlete . . .... Il. Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

531 531 535 538 544

Personen- und Sachwortregister ...... . ... .. .. .... . . .. . .......... . .. . . . .. 576

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abbildung 1 Struktur der Geldmengen in Österreich und im Zollverein, 1856 . Abbildung 2 Entwicklung der Metallgeldmenge in Zollvereins-Deutschland, 1835- 1848 ....... .. ........ . ....... . ......... . ...... . . .... Abbildung 3 Entwicklung der Geldmenge in Deutschland, 1835- 1871 . . . . . . . . Abbildung 4 Entwicklung des deutschen (Zollverein) Nettoinlandsproduktes zu Faktorkosten (in Preisen von 1913), 1840-1871 ....... . ... .. Abbildung 5 Entwicklung (absolut und im gleitenden Durchschnitt) des deutschen Nettosozialproduktes zu Faktorkosten in den 1850er Jahren, in jeweiligen Preisen .. . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .... Abbildung 6 Zusammensetzung der Geldmenge in Deutschland, 1846 und 1870 ............. . . . ............... ... ............... .. ...

170 255 258 259

299 381

Abbildung 7 Banknotenemissionen der Preußischen Bank und aller deutschen Notenbanken ..... . . ................ . . ............... .. . .... 384 Abbildung 8 Entwicklung der Silber-/Goldpreisrelation, 1871-1880 .... . . . ... 462 Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3

Tabelle 4

Tabelle 5 Tabelle 6 Tabelle 7 Tabelle 8

Tabelle 9 Tabelle 10

Umlauf von Bankozetteln und deren Disagio gegenüber der Silberwährung in Österreich, 1800-1811. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index der Marktpreise für landwirtschaftliche Güter in preußischen Provinzen und Städten sowie in Sachsen, 1840-50 .... .. .. Beanspruchung der Österreichischen Nationalbank durch den Staat: Bankschulden, Aufbau eines Barschatzes und Verminderung des Staatspapiergeldes, 1818- 1860. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schätzung des realen Pro-Kopf-Einkommens der Österreichischen Landesteile der Habsburgerrnonarchie in % des deutschen Wertes, 1850-1880 ........ .. ................ .. ................ . ... Struktur der Geldmengen in Österreich und im Zollverein, 18561867 . .... . .... . ... . . .. . .. .. .. . . .. . . . .. .. .. .. . . . . .. . ... . . . . Metalldeckung der umlaufenden Banknoten in Österreich und im Zollverein, 1856-1860 .. . .. . . . . . . . ..... . ..... . .. . ........ . . . Entwicklung des Pfandbriefumlaufs der fünf preußischen Landschaften, 1805-55 . ... ......... . .... .. . .. ............. .. . ... Anteil der Eisenbahn- an den Gesamtinvestitionen, Anteil der preußischen an den gesamtdeutschen Eisenbahninvestitionen, 1841- 1870 ........ . . . ..... . ......... . .. . . ............... . . Weltweite Gold- und Silberförderung im Jahresmittel, 18. und 19. Jahrhundert .... .. ......... . . ...... . . ..... . .. .. ....... . . Geschätzter Geldumlauf in Preußen, 1835- 55 ..... . . .. . ...... . .

39 109

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175 211 212 239

261 269 271

10

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Tabelle 11

Übersicht über die Zettelbankgründungen im Zollverein (außerhalb des preußischen Gebietes), 1847-56 .. . ............... .. .. 300

Tabelle 12

Zusammenfassung der bankpolitischen Forderungen preußischer Handelskammern in den 1850er Jahren ..................... . . 310

Tabelle 13

Durchschnittlicher Notenumlauf und Metallvorrat der Preußischen Bank, 1847-1855 ................................... . . 359

Tabelle 14

Entwicklung des Nettosozialproduktes, der Preise und des Zinsniveaus in Deutschland in der Wirtschaftskrise 1857 .......... . . 369

Tabelle 15

Auswirkungen der Wirtschaftskrise von 1857 auf die Bank für Süddeutschland in Darmstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

Tabelle 16 Tabelle 17

Veränderung des Notenumlaufs und der Metallvorräte der Preußischen Bank in der Wirtschaftskrise von 1857 .......... . ....... 371 Wachstum der Preußischen Bank, 1847-75 .................... 374

Tabelle 18

Zusammensetzung des deutschen Münzumlaufs, 1871. .......... 389

Tabelle 19

Umlauf von Staatspapiergeld in Deutschland, 1872 ............. 390

Tabelle 20

Grundkapital und Notenumlauf der deutschen Notenbanken, 1873 .............. . . .............. . ....................... 391 Handel der Zollvereins-Staaten untereinander, 1866 ..... .. ..... 400 Zusammensetzung der französischen Reparationsleistungen (1871-73) .......... . .............. . ................ . ...... 457

Tabelle 21 Tabelle 22 Tabelle 23 Tabelle 24 Tabelle 25 Tabelle 26 Tabelle 27 Tabelle 28

Zusammensetzung des deutschen Metallgeldbestandes, 1871-78 . 459 Notenkontingent der deutschen Notenbanken laut Bankgesetz von 1875 ........... . ............................... . ...... 500 Überschüsse der Reichsbank für den Reichshaushalt, 1876-1880.. 504 Zahl der Reichsbank-Zweiganstalten und der Reichsbank-Beamten, 1876--1890 ..................... . ................ . ..... 505 Entwicklung des Geschäftsvolumens der Reichsbank-Einlagen, Notenumlauf, Bilanzsumme, 1876- 1914 .. .... . ... . .. . . . . . .. .. 505 Entwicklung der Girokonten der Reichsbank (Giroverkehr der Privaten), 1876--1891 ............... ... ............... . ..... 507

Tabelle 29

Durchschnittliche Deckung der Noten der Reichsbank, 18761880 .............. .. ............... .. .............. ... .... 509

Tabelle 30

Durchschnittliche Deckung der Reichsbank- und Privatnotenbank-Banknoten, 1876- 1890 .. . ......... . .... . .. . ...... . . . ... 509

Verzeichnis der Abkürzungen BArch

Bundesarchiv

BGBL

Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes

BHStA

Bayerisches Hauptstaatsarchiv

CEH

Central European History

EHR

Econornic History Review

fl.

Gulden (Währungseinheit)

GG

Geschichte und Gesellschaft

GS

Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten

GStAPK

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz

HZ

Historische Zeitschrift

JbWG

Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte

JEH

Journal of Econornic History

JfG

Jahrbuch für Geschichte

JfNSt

Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik

JITE

Journal for Institutional and Theoretical Economics. Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Kr.

Kreuzer (Währungseinheit)

M

Mark (Währungseinheit)

MIÖG

Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

Pfg.

Pfennig (Währungseinheit)

RGBL

Reichs-Gesetzblatt

Sgr.

Silbergroschen (Währungseinheit)

Tlr.

Taler (Währungseinheit)

VSWG

Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte

VjVW

Vierteljahrschrift für Volkswirthschaft und Culturgeschichte (ab 1865: Vierteljahrschrift für Volkswirthschaft und Kulturgeschichte)

ZfG

Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

ZfgS

Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

A. Einleitung Ihm sei nicht bange, sprach Goethe im Oktober 1828 zu Eckermann, daß Deutschland nicht eins werde; "unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das ihrige tun. Vor allem aber sey es eins in Liebe unter einander! und immer sey es eins gegen den auswärtigen Feind. Es sey eins", fuhr Goethe in der Aufzählung fort, "daß der deutsche Thaler und Groschen im ganzen Reich gleichen Werth habe [. .. ]." 1 Jene Gemeinsamkeit der Münzen, die Goethe hinsichtlich der Einheit der Deutschen für so wichtig erachtete, daß er sie nach der brüderlichen Liebe und der Wehrhaftigkeit immerhin schon an dritter Stelle nannte, war indessen 1828 kaum mehr als eine Vision besserer Zeiten, denn noch zeigte die Währungsverfassung des Deutschen Bundes ein Bild äußerster Zerklüftung und Vielschichtigkeit: Aufgrund des einzelstaatlichen Münzregals und mangels wirksamer zwischenstaatlicher Absprachen kursierten Münzen der unterschiedlichsten Rechnungsweisen, von höchst verschiedenem Edelmetallgehalt und vielerlei Materialien. Zudem fand sich ungezähltes Geld nicht-deutseher Provenienz und nicht zu vergessen diverses Papiergeld, in den Wirren der Revolutionskriege zur Staatsfinanzierung ausgegeben und mit häufig erheblich vom Nominalwert abweichenden realen Kurs. "In keiner Hinsicht sieht Deutschland verworrener und zerrissener aus und einem Volke weniger gleich", seufzte der Marburger Professor Alexander Lips, "als durch die so ganz grund- und inhaltsleere Verschiedenheit seines Geldes und die so zahllose Mannigfaltigkeit von Maas und Gewicht, welche nicht blos in den sämmtlichen Ländern und Staaten, aus denen es besteht, sondern oft auch in ein und demselben Lande höchst und unendlich verschieden sind, eine Verschiedenheit, die alles vernünftigen Grundes ihres Daseyns ermangelt und Leiden entwickelt, die nicht zu den kleinsten gehören, welche unseren geringen Handel vollends in Fesseln schlagen." 2

1 Goethe, Gespräch mit Eckermann vom 23. Oktober 1828, aus: Johann Peter Eckennann, Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, hgg. von H.H. Houben, Leipzig 16 1918, S. 558. 2 Alexander Lips, Die Deutsche Bundes-Muenze oder über die Einheit der Muenze, des Maases und Gewichte in Deutschland und über ein allgemeines Weltgeld und Weltmaas und überhaupt ein Versuch, die Wünsche des deutschen Volkes in Hinsicht auf diese Gegenstände laut auszusprechen, Marburg 1822, S. 8; zit. nach: Bruno Schultz, Kleine deutsche Geldgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 1976, S. 11.

14

A. Einleitung

Zehn Jahre sollte es nach Goethes Bemerkungen noch dauern, bis sich die Staaten des Deutschen Zollvereins in einem Münzverein zusammenfanden, der freilich nur einen ersten Schritt auf dem Weg zur deutschen Währungsunion bedeutete, denn auch weiterhin gab es (neben einigen anderen Währungen) im Norden den Taler und im Süden den Gulden, herrschte in Österreich die Papierwährung, während sonst im Deutschen Bund in Silber gezahlt wurde, kursierten zahlreiche nicht-deutsehe sowie alte, abgenutzte Münzen und unterschieden sich die Rechnungssysteme der Kleinmünzen von Staat zu Staat. Erst 1876, als das Münzgesetz des neugegründeten Reiches in Kraft und gleichzeitig die Reichsbank ins Leben trat, gewannen Taler und Groschen - bzw. Mark und Pfennig, wie die Währungseinheiten des Reiches hießen - tatsächlich den gleichen Wert im ganzen, inzwischen jedoch kleindeutschen, Reich. Die vorliegende Studie befaßt sich mit dem Zusammenwachsen der deutschen Währungen im 19. Jahrhundert. Am Anfang dieser Entwicklung stand als Hinterlassenschaft des einzelstaatlichen Münzregals und der Verwirrung der territorialen Verhältnisse aufgrund der Napoleonischen Kriege die fundamentale Zerrüttung der Münzsysteme. Die Beseitigung dieses Zustandes wurde - zum Teil schon vor der Beendigung der Befreiungskriege, mit vermehrter Energie dann nach dem Wiener Kongreß - von allen Staaten als notwendig erkannt und, zunächst noch allein, nach der Gründung des Zollvereins dann auf dem Wege der zwischenstaatlichen Vereinbarung angegangen. Trotz der dem Problem zuerkannten Priorität vergingen jedoch noch einmal fast vierzig Jahre nach der Errichtung des Dresdner Münzvereins der Staaten des Zollvereins von 1838, bis 1876 die kleindeutsche Währungsvereinheitlichung rechtlich vollendet werden konnte. Das Ziel der Arbeit ist es, jenen langen und mühsamen Prozeß, beginnend mit den ersten Münzreformbestrebungen in Bayern 1802, bis zur Währungsreform des neugegründeten Deutschen Reiches 1871- 76, nachzuzeichnen und zu analysieren.3 Dieses Unternehmen wurde zu einem Zeitpunkt begonnen, als die Diskussion über die Einführung des Euro - den Beginn der Europäischen Währungsunion - ihren Höhepunkt erreichte. Diese Diskussion wurde in 3 Die Einschätzung Otmar Emmingers: " .. . bei der Entwicklung vom Deutschen Zollverein bis zum einheitlichen Wirtschaftsraum des Deutschen Reiches [waren] die Währungsprobleme relativ unbedeutend ... ; es gab damals eben überall eine metallische (zunächst silberne) Umlaufswährung, so daß sich das Hauptproblem auf die Vereinheitlichung des Münzfußes beschränkte. Welch ein goldenes Zeitalter im Vergleich zu unserer heutigen komplizierten Welt", entbehrt angesichts dieses langen und mühsamen Weges jeder Grundlage. Otmar Emminger, Die Rolle der Währungspolitik in der europäischen Integration, in: Herbert Giersch (Hg.), Integration durch Währungsunion? Symposium des Institutes für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Tübingen 1971, S. 67 ff., S. 70.

I. Mark und Euro: Parallelenzweier Währungsunionen?

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Deutschland hoch emotional vor allem unter dem Gesichtspunkt geführt, daß damit auch das "Ende der D-Mark" verbunden war. Aufgrund der Tragweite dieses Schrittes, und weil er das Schlußkapitel einer Entwicklung bedeutet, die ihren Ausgang mit der Begründung der deutschen Einheitswährung mit dem Namen Mark in den Jahren der Reichsgründung genommen hat, bildeten die in der aktuellen Diskussion aufgeworfenen Fragen über Möglichkeiten und Gefahren einer Währungsvereinheitlichung den Ansatzpunkt dieser Studie.

I. Mark und Euro: Parallelenzweier Währungsunionen? Am 1. Januar 2002 wurde der Euro zum gesetzlichen Zahlungsmittel in Deutschland; damit ging die Geschichte der Mark als Währungseinheit zu Ende. Diese hat im Verlauf der fast genau 130 Jahre seit ihrer Einführung als Geldeinheit des neugegründeten Deutschen Reiches zwar unterschiedliche Formen angenommen: von der Mark, noch ohne spezifizierendes Attribut, als goldener Umlaufswährung, über die Renten- und Reichsmark zur Deutschen bzw. Mark der DDR; dennoch suchten ihre jeweiligen Schöpfer und Namensgeber bewußt die Anlehnung an jene Währung, die Symbol der gewonnenen staatlichen Einheit Deutschlands gewesen ist. Aber auch die Verbindung jener ersten Markwährung mit dem Edelmetall von mythischem Ruf, dem Gold, und damit eine scheinbar unangreifbare Geldwertstabilität, wird dabei eine Rolle gespielt haben, daß bei jeder deutschen Währungsreform am Namen Mark, der ursprünglich eine Gewichtseinheit bezeichnete, festgehalten wurde. Während die anderen Mark-Währungen vom guten Ruf jener ersten ihrer Art zehrten und ihm dennoch nicht gerecht werden konnten, gewann die D-Mark in der Bundesrepublik sogar den Status eines - wenn nicht des entscheidenden - nationalen Symbols.4 Die traditionellen Symbole des deutschen Nationalstaates waren durch den Nationalsozialismus diskreditiert worden oder aufgrund der Existenz zweier Staaten mit einer eigentümlichen Ambivalenz behaftet; so konnte die Währungseinheit zum Substitut werden und das trotz aller Mißbrauchserfahrungen offenbar weitverbreitete Bedürfnis nach identitätsstiftenden nationalen Symbolen befriedigen helfen. Zur Überhöhung der westdeutschen Währung zum Sinnbild der wohlhabenden bundesrepublikanischen Gesellschaft trug jedoch nicht vordringlich der traditionsbehaftete Name bei; dazu konnte es nur kommen, weil sich der Werdegang der D-Mark mit dem "Wirtschaftswunder" verknüpfte: Die Geschichte der D-Mark schien nicht weniger als eine permanente "Erfolgs4 Vgl. Wolfram Bickerich, Die D-Mark. Eine Biographie, Reinbek bei Harnburg 1999, s. 11.

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A. Einleitung

story" von Wohlstand und Stabilität zu sein. Im Vergleich zu anderen Währungen stellte sich die D-Mark geradezu als ein Muster an solider Wertentwicklung dar, sie war ein Geld, durch dessen Verwendung im Ausland der Westdeutsche so etwas wie eine Kompensationsmöglichkeit für das ansonsten verpönte Ausleben nationalen Stolzes gewann. Die "harte D-Mark" hatte sich ganz offensichtlich zu weit mehr als einem Mittel ökonomischer Transaktion entwickelt, sie war ein Objekt geworden, das einen bedeutenden Teil der bundesrepublikanischen Identität ausmachte. 5 Dies wurde ganz besonders in den Wendezeiten der DDR 1990 deutlich, als dem westdeutschen Geld, das für Freiheit und blühende Landschaften sorgen würde, so etwas wie kultische Verehrung entgegengebracht zu werden schien6 : Nach "Wir sind das Volk" und "Wir sind ein Volk" trugen die Plakate, die auf den Demonstrationen gegen den abgewirtschafteten sozialistischen Staat gezeigt wurden, jetzt die Parole: "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr." Neben dem Fortfall der Rechnungseinheit, der aus den genannten Gründen mit großen Emotionen verbunden ist, bringt der Übergang zu einer europäischen Währungsunion aber noch zwei weitere Veränderungen von beträchtlicher Tragweite mit sich: 1. Die Aufgabe der nationalstaatliehen Hoheit über die Geldpolitik, die mit der Übernahme der geldpolitischen Kompetenz durch die Europäische Zentralbank bereits vollzogen ist. (Zumindest weitgehend, da bestimmte Kompetenzen der Geldpolitik weiterhin Regierungssache bleiben, insbesondere der Beschluß über die Erweiterung der Währungsunion um neue Mitglieder.) 2. Von vielleicht ebenso großer Bedeutung, wenn auch weit weniger im Bewußtsein der Öffentlichkeit präsent, ist ein weiterer Einschnitt, für den das "Ende der D-Mark" steht: Mit der Einführung des Euro endet die Kongruenz von politisch-staatlicher und monetärer Einheit, oder anders gesagt: verliert die bislang für selbstverständlich gehaltene Gleichung: ein Nationalstaat =eine Währung ihre Gültigkeit. Zusammengenommen ergeben diese Veränderungen eine tiefe Zäsur in der deutschen Geldgeschichte, siebeenden ein Kapitel, das im 19. Jahrhundert aufgeschlagen wurde. Es ist leicht nachzuvollziehen, daß in dieser Si5 Zur Integrationskraft nationaler Symbole vgl. Alois Friede!, Deutsche Staatssymbole. Herkunft und Bedeutung der politischen Symbolik in Deutschland, Frankfurt a. M./Bonn 1968, bes. S. 11 f. ; Elisabeth Fehrenbach, Über die Bedeutung der politischen Symbole im Nationalstaat, in: HZ 213, 1971, S. 296 ff. 6 Manfred Pohl spricht von der D-Mark als "Göttin", in: Das Symbol für Freiheit und Stabilität. Die D-Mark 1948- 2001, in: Carl-Ludwig Holtfrerich/Harold James/ Manfred Pohl, Requiem auf eine Währung. Die Mark 1873-2001, Stuttgart/München 2001, S. 7 ff., S. 7.

I. Mark und Euro: Parallelenzweier Währungsunionen?

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tuation die Frage nach dem Beginn des Kapitels, nach der Entstehung der Markwährung gestellt wurde7 , um so mehr, als es auf den ersten Blick einige auffällige Parallelen der damaligen zur heutigen Entwicklung gibt: Auch damals fanden sich vorher souveräne Währungsgebiete unter dem Dach eines gemeinsamen Geldes zusammen, nachdem sie zuvor in Währungsverträgen einander schon bedeutend näher gekommen waren: Aus dem Taler und dem Gulden (und noch einigen anderen, kleineren Währungen) wurde die Mark, wenngleich im Falle des Deutschen Reiches die politische Einigung der endgültigen monetären voranging, während in der Europäischen Union von einem gemeinsamen Staatsgebilde allenfalls in Visionen die Rede ist. Ebenso eine Parallele scheint zu sein, daß auch im 19. Jahrhundert die Begründung einer Zentralbank, der Reichsbank, den krönenden Abschluß der Währungsvereinheitlichung bildete. Obwohl von der scheinbaren Parallelität bei näherer Betrachtung letztlich wenig übrig bleibt darin sind sich alle Schriften zum Thema einig -, wirft die Untersuchung der europäischen Währungsintegration doch Fragen auf, deren Aufklärung auch für die Analyse der deutschen Geldgeschichte des vorigen Jahrhunderts von großem Interesse sein muß und die demzufolge auch für diese Arbeit zumindest die Initialzündung bedeuteten: Welche Rolle spielten ökonomische, welche machtpolitische Überlegungen im Kalkül der beteiligten Regierungen? Wurden die Schritte der Währungsvereinheitlichung damals ebenso wie heute mit Transaktionskostenersparnissen - das heißt: wirtschaftlichen Beweggründen - motiviert, und waren solche Ersparnisse auch tatsächlich das Ergebnis der Währungsunion? Wer waren die Gewinner, wer die Verlierer der monetären Integration? Gab es Widerstand dagegen, und 7 Vgl. Swantje Benkelberg, Die Vereinheitlichung der Währungen im Deutschen Reich, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen 49, 1996/1, S. 349 ff.; Peter Bafinger, Braucht die gemeinsame Währung die Politische Union?, in: Internationale Politik 50, 1995, S. 43 ff. ; Karl Häuser, Deutsche Währungsunion nach 1871 -Modell einer Europäischen Währungsunion?, in: Deutsche Bundesbank. Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 10, 20. Februar 1997, S. 4 ff.; Carl-Ludwig Holtfrerich, Did monetary unification precede or follow political unification of Germany in the 19th century?, in: European Econornic Review 37, 1993, S. 518 ff.; ders., The monetary unification process in nineteenth-century Germany: relevance and lessons for Europe today, in: Marcello de Cecco/Alberto Giovannini (Hg.), A European Central Bank? Perspectives on monetary unification after ten years of the EMS, Carnbridge 1989, S. 216 ff.; Harold James, Monetary and fiscal unification in nineteenth-century Germany: what can Kohl learn from Bismarck? Princeton 1997 (Essays in international finance, no. 202); Frank Otto, Die Währungsvereinheitlichung in Deutschland im 19. Jahrhundert - Modell für die Europäische Währungsunion 1999?, in: Historische Mitteilungen 12, 1999, S. 69 ff. ; Theresia Theurl, Eine gemeinsame Währung für Europa. 12 Lehren aus der Geschichte, Innsbruck 1992; Vom Taler zum Euro. Der Deutsche Zollverein als Wegbereiter einer einheitlichen Reichswährung. Ein Vorbild für Europa, hgg. von der Oberfinanzdirektion Harnburg, Harnburg 1996. 2 Otto

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A. Einleitung

wenn ja, wer leistete ihn und warum? Fand sich auch damals eine emotionale Bindung an das althergebrachte Geld, ungeachtet seiner objektiven Qualität (Wertstabilität), und wurde die Währungsunion folglich von manchem eher als Verlust denn als ein Gewinn wahrgenommen?

II. Fragestellungen und Ziele der Arbeit Die Fragen nach eventuellen Parallelen zwischen der deutschen und der europäischen Währungsunion bildeten den Ausgangspunkt der vorliegenden Studie. Der Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Europäischen Währungsunion als einem Element der europäischen Integration entsprang dann die Überlegung, auch die monetäre Integration im 19. Jahrhundert in einem weiteren Rahmen als einen wesentlichen Bestandteil des Entstehungsprozesses der deutschen Volkswirtschaft und darüber hinaus des deutschen Nationalstaates zu untersuchen. Aus dieser Überlegung wiederum ergab sich das Ziel der Arbeit, und zwar anband einer Analyse der Entwicklung der deutschen Währungsverfassungen zu einer Darstellung der ökonomischen und staatlichen Integrationsprozesse Kleindeutschlands im 19. Jahrhundert beizutragen. Es zeigte sich, daß es für ein solches Unternehmen gute Gründe gibt; diese Gründe lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: 1. Die Analyse der deutschen Währungsverfassungen und ihrer Entwicklung im 19. Jahrhundert ist seit langem von der Wirtschaftsgeschichte weitgehend vernachlässigt worden.8 Geld ist nichtsdestoweniger einer der bedeutenden Bestimmungsgründe wirtschaftlicher Abläufe - ein integraler· Teil jener Struktur, die insgesamt "die Wirtschaft" ist. Das allein macht die Untersuchung der Entwicklung von Währungen zu einem relevanten Thema. 9 Darüber hinaus ist jedoch das Verfügungsrecht über die Formge8 Ausnahmen stellen hier vor allem die Untersuchungen Bemd Spreugers dar; vgl. Bemd Sprenger, Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart, Paderbom/München/Wien 1991; ders., Währungswesen und Währungspolitik in Deutschland von 1834 bis 1875, Köln 1981 (Kölner Vorträge und Abhandlungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte - Heft 33); ders., Geldmengenänderungen in Deutschland im Zeitalter der Industrialisierung (1835 bis 1913), Köln 1982 (Kölner Vorträge und Abhandlungen zur Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Heft 36). Insbesondere die letzte Arbeit ist verdienstvoll, weil Spreuger sich dort mit Akribie der mühevollen Arbeit gewidmet hat, die Daten zur Entwicklung der einzelnen Bestandteile der Geldmenge im 19. Jahrhundert zu sammeln. Siehe aber auch Herbert Rittmann, Deutsche Geldgeschichte 1484--1914, München 1975, dessen langer Untersuchungszeitraum (nicht zu vergessen die Einbeziehung aller deutscher Staaten!) allerdings für eingehendere Analysen keinen Raum läßt. 9 Vgl. Franz-Xaver Kaufmann, Kritik des neutralen Geldes, in: GG 25, 1999, S. 226 ff., S. 226: "Geld erscheint den allgemeinen Diskussionen in den Wirt-

II. Fragestellungen und Ziele der Arbeit

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bung der monetären Verfassung (Währungspolitik) und über die Herstellung von Geld (nach den Maßstäben des 19. Jahrhunderts Hauptaufgabe der Geldpolitik) eine grundlegende Politikebene und zentrales Element moderner StaatlichkeiL Durch die Einbeziehung der Währungs- und Geldpolitik in das Untersuchungsfeld der Arbeit können demnach auch Aussagen über Entwicklungen innerhalb einer wichtigen Schnittmenge von "Wirtschaft" und "Herrschaft" (in den Kategorien Max Webers) gemacht werden. Die Geldpolitik durchlief im 19. Jahrhundert dabei zwei wichtige Entwicklungen: Zum einen fand im Zuge des Integrationsprozesses eine Verlagerung der Kompetenzen, auf denen sie beruhte, statt. Zunächst wurden mit den Münzverträgen Bestandteile der geldpolitischen Kompetenz von den Einzelstaaten auf zwischenstaatlich vereinbarte Münzvereine abgetreten. Mit der Währungsreform nach der Reichsgründung gingen dann (nahezu) sämtliche monetären Befugnisse wiederum auf den Nationalstaat über. Zum zweiten aber entwickelte sich mit dem Bedeutungsgewinn der papierenen Zahlungsmittel überhaupt erst so etwas wie eine dezisionistische Geldpolitik, d.h. die Möglichkeit, mittels der Manipulation des Geldumlaufes steuernd in wirtschaftliche Abläufe eingreifen zu können. Beide Entwicklungen sind entscheidende Marksteine auf dem Weg zur modernen Geldpolitik des Nationalstaates; auf sie wird daher an verschiedenen Stellen dieser Arbeit zurückzukommen sein. 2. kann die Analyse der Währungsverfassungen und der Entwicklung der Geldverwendung dazu dienen, Aussagen über gesellschaftliche, ökonomische und staatliche Strukturen und die Prozesse ihrer Veränderung im 19. Jahrhundert zu machen: a) Das Währungssystem einer Gesellschaft ist Ausdruck der in ihr vorherrschenden Wirtschaftsweise; das Maß und die Art der Geldverwendung etwa geben Auskunft über den Grad der zwischenstaatlichen Verflechtung einer Volkswirtschaft und über die Relevanz von Marktmechanismen innerhalb der Volkswirtschaft. Um in diesem Zusammenhang Schumpeter zu zitieren: "Währungspolitik bedeutet mehr als Gestalten, Beeinflussen, Regeln eines Sondergebietes marktwirtschaftlicher Technik. Das oft leidenschaftliche, stets große Interesse, das den praktischen Fragen des Geldwesens und des Geldwertes gilt, erklärt sich ja nur daraus, daß sich im Geldwesen eines Volkes alles spiegelt, was dieses Volk will, erleidet, ist, und daß zugleich vom Geldwesen eines Volkes ein wesentlicher Einfluß auf sein Wirtschaften und sein Schicksal überhaupt ausgeht. Der Zustand des Geldwesens eischafts- und Sozialwissenschaften so selbstverständlich wie die Luft zum Atmen. Diese Vernachlässigung [des Themas Geld in diesen Wissenschaften] sollte verwundern, denn im Gegensatz zur Luft ist das Geld nichts von Natur Gegebenes, sondern ein kollektives Produkt menschlicher Entwicklung, eine historisch wandelbare soziale Tatsache, deren Energie heute alle Vorstellungen übersteigt."

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A. Einleitung

nes Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände." Jede Art von Politik könne so zur Währungspolitik werden, jede Art von Ereignis zum währungspolitischen Ereignis. "Und endlich folgt, daß die letzten Daten dieses sozialen und politischen Geschehens auch die tiefsten Bestimmungsgründe der Währungspolitik und der Geldgeschichte sind: Die geographische und politische Lage eines Volkes; die objektiven und subjektiven Möglichkeiten seiner Wirtschaft; seine soziale Struktur und politische Organisation; seine Einstellung zu wirtschaftlichen Dingen und zur Zukunft; seine Moral und Energie; alles das, was die Worte ,Volksgeist' und , Volkscharakter' decken. Nichts sagt so deutlich, aus welchem Holz ein Volk geschnitzt ist, wie das, was es währungspolitisch tut." 10 b) Die Rationalisierung der Währungsverfassungen - erkennbar z. B. an der abnehmenden Bedeutung des sogenannten "Schlagschatzes" für die Einkünfte eines Staates, der Bereitschaft zum Abschluß von Münzverträgen mit Nachbarstaaten unter Verzicht auf fiskalischen Nutzen der selbständigen Geldproduktion und der Haltung der Regierungen zur Verwendung von Papiergeld - war ein integraler Bestandteil der Entstehung einer modernen Wirtschaftsverfassung. Der Zustand seiner Währungsverfassung läßt demnach wichtige Aussagen über den Grad der Modernität eines Staatswesens zu. 11 c) Auch in den Diskursen, die eine Gesellschaft über Geld führt, offenbaren sich die wirkungsmächtigen geistigen Strömungen einer Zeit. So ist es zum Beispiel aufschlußreich zu untersuchen, wann und unter welchen Umständen sich der nationalistische Vereinheitlichungsdiskurs mit dem Diskurs über die Währungsvereinheitlichung verband und welche Rolle in diesem Zusammenhang die Einbeziehung bzw. der Ausschluß Österreichs in das deutsche Währungsgebiet spielte. Darüber hinaus zeigt sich gerade an der Gestaltung der Reichswährung, wie sehr diskursive Praktiken auf politisches Handeln wirken, es zuweilen gar vorgeben, indem sie bestimmte Handlungsoptionen als in der Natur der Sache liegend - weil im allgemeinen Denken fest verwurzelt - erscheinen lassen, andere hingegen als "undenkbar" - weil aus dem öffentlichen Gespräch verdrängt - ausschließen.

10 Joseph A. Schumpeter, Das Wesen des Geldes, hgg. von Fritz Kar! Mann, Göttingen 1970, S. 1 f. 11 Modemisierung wird in diesem Zusammenhang verstanden als Rationalisierung des Rechts, der Verwaltung und der Wirtschaftsordnung im Sinne Webers; siehe dazu beispielsweise Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, hgg. v. Johannes Winckelmann, Köln/Berlin 1964, S. 255 u. 599; vgl. auch Hans-Ulrich Weh/er, Modemisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975 (Kleine Vandenhoek-Reihe 1047), S. 45; Lutz Raphael, Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 2000 (Europäische Geschichte), S. 37 f.

III. Wege und Stand der Forschung. Quellenlage

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111. Wege und Stand der Forschung. Quellenlage Die traditionelle Abfolge einer Darstellung der ökonomischen Integrationsprozesse in Deutschland im 19. Jahrhundert beginnt mit der Beschreibung der politischen wie ökonomischen Zerrissenheit Deutschlands am Ende des Alten Reiches, schildert dann die erfolgreiche Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 als ersten Schritt - in diesem Zusammenhang finden auch die Münzverträge innerhalb des Zollvereins Erwähnung - und endlich die Gründung des Deutschen Reiches als Vollendung der wirtschaftlichen und politischen Vereinheitlichung. 12 Eine solche Darstellung betrachtet herkömmlicherweise diesen vergleichsweise gradlinigen Integrationsweg als notwendig zur Herausbildung einer industriellen Gesellschaft und damit als in der Logik der wirtschaftlichen Entwicklung liegend; das ist auch der Sinn hinter den viel zitierten Worten John Maynard Keynes', daß das Deutsche Reich "eigentlich auf Kohle und Eisen viel mehr als auf Blut und Eisen aufgebaut gewesen" sei. 13 Bezüglich der Integration im deutschen Währungswesen setzte die voluminöse (und inhaltsreiche) Habilitationsschrift Karl Helfferichs von 1898 über "Die Reform des deutschen Geldwesens nach der Gründung des Reiches"14 einen bedeutenden Markstein dieser Tradition, nach deren Interpretation eine eigentlich absurde, irrationalen, partikularistisch-eifersüchtigen Motiven der Einzelstaaten entstammende monetäre Vielfalt der wirtschaftlichen Entfaltung Deutschlands entgegengestanden habe und von daher die 12 Vgl. etwa die Gedenkschrift zum hundertsten Jahrestag der Errichtung des Deutschen Zollvereins, hgg. im Reichsfinanzrninisterium, Berlin 1934, S. 50: "Das damit [mit der Gründung des Zollvereins 1834] geschaffene einheitliche deutsche Zoll- und Hande1sgebiet, das bereits den größten Teil des heutigen Reichsgebietes umfaßte, bildet den Anfang der politischen Einigung und somit einen wichtigen Grundstein für die Errichtung des Deutschen Reiches." Ähnlich: Gustav Stolper/ Knut Borchardt/Karl Häuser, Deutsche Wirtschaft seit 1870, Tübingen 1964, S. 18; William 0. Henderson, The Zollverein, London 2 1968, S. v, aber auch in jüngerer Zeit Herbert Matis, Deutsch-österreichische Wirtschaftsbeziehungen 1815-1938 aus österreichischer Sicht, in: Robert A. Kann/Friedrich E. Prinz (Hg.), Deutschland und Österreich. Ein bilaterales Geschichtsbuch, Wien/München 1980, S. 370 ff., s. 371. 13 Deutsches Zitat in: I.M. Keynes, Der Friedensvertrag von Versailles, Berlin 1921, S. 21. Vgl. dazu: Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Dritter Band: Von der "Deutschen Doppelrevolution" bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 1849-1914, München 1995, S. 252. 14 Karl Helfferich, Die Reform des deutschen Geldwesens nach der Gründung des Reiches, Band I: Geschichte der deutschen Geldreform, Leipzig 1898; Band II: Beiträge zur Geschichte der deutschen Geldreform, Leipzig 1898. Zum Aktenzugang Helfferichs, der enge Kontakte zur Leitung der Reichsbank hatte, und zur Entstehungsgeschichte der Schrift vgl. lohn G. Williamson, Karl Helfferich. Econornist, Financier, Politician, Princeton N.J. 1971, S. 19 f. u. 26.

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A. Einleitung

Errichtung der Reichswährung die notwendige Vollendung eines unumgänglichen Prozesses gewesen sei. 15 Des weiteren gehört zu dieser Art der Darstellung, aufgrund der Bedeutung Preußens im Prozeß der Wirtschafts- und der Währungsintegration in Deutschland, diesen als einen geraden, von preußischen Staatsmännern energisch, zielgerichtet und vorausschauend beschrittenen Weg von der preußischen Münzreform 1821 bis zur Umgründung der Preußischen Bank zur Reichsbank 1876 zu deuten. Mit der Übernahme dieser Interpretation ist allerdings die Gefahr verbunden, auch das vorherrschende Geschichtsbild der Zeit Helfferichs von der preußischen Berufung zur Einigung Deutschlands zu übernehmen. Dazu, daß derartige Vorstellungen bis heute eine gewisse Rolle spielen, trugen nicht zuletzt drei weitere wichtige Werke der älteren Forschung bei, die in hohem Maße von dieser borossiseben Ideologie geprägt sind: Walther Lotz' "Geschichte und Kritik des deutschen Bankgesetzes", Heinrich v. Posehingers "Bankwesen und Bankpolitik in Preussen" und Friedrich v. Schrötters "Das Preußische Münzwesen 1806 bis 1873". 16 Aufgrund der kundigen Darstellung und der Kenntnis des originalen Quellenbestandes (um dessen Durchsicht sich so gut wie keiner der nachfolgenden Autoren mehr bemühte) erschienen die Ergebnisse der älteren Forschung (und damit auch: ihre ideologischen Vorprägungen) offensichtlich so überzeugend, daß sie zum Teil bis heute wenig hinterfragt überdauerten. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, daß nach den umfassenden Analysen der älteren Forschung das Thema der deutschen Währungsgeschichte im 19. Jahrhundert kaum noch der wissenschaftlichen Beschäftigung für wert befunden wurde und sich dessen Darstellung demgemäß weitgehend auf einige Notizen am Rande in Werken beispielsweise über den Zollverein oder ganz allgemein die Industrialisierung in Deutschland beschränkte. Aufgrund der eher marginalen Position des Themas in der Wirtschaftsgeschichtsschreibung der vergangeneo Jahrzehnte ist auch der Quellenbestand entweder für lange Zeit unbearbeitet geblieben und harrte von daher einer 15 Vgl. etwa A. Sartorius von Waltershausen, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1815-1914, Jena 2 1923, S. 180; Otto Veit, Grundriß der Währungspolitik, Frankfurt a.M. 1961, S. 427, und noch jüngst Alexandros Tserkezis, Die Währungsunionen in Deutschland und in den Vereinigten Staaten: Ein Lehrstück für Europa? Diss. Wirtschaftswiss. Frankfurt a.M. 1997, S. 101. 16 Watther Lotz, Geschichte und Kritik des deutschen Bankgesetzes vom 14. März 1875, Leipzig 1888 (ND Glashütten im Taunus 1976); Friedrich Freiherr von Schrötter, Das Preußische Münzwesen 1806 bis 1873. Münzgeschichtlicher Teil. 1. Folge der münzgeschichtlichen Bände der Acta Borussica, 2 Bde. Berlin 1926 (ND Frankfurt a.M. 1986/87); Heinrich v. Poschinger, Bankwesen und Bankpolitik in Preussen. Erster Band. Von der ältesten Zeit bis zum Jahre 1846, Berlin 1878 (ND Glashütten im Taunus 1971); Zweiter Band. Die Jahre 1846 bis 1857, Berlin 1879 (ND Glashütten im Taunus 1971); Dritter Band. Die Jahre 1858 bis 1870, Berlin 1879 (ND Glashütten im Taunus 1971).

III. Wege und Stand der Forschung. Quellenlage

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"Neuentdeckung", oder aber er ist überhaupt noch nicht gesichtet worden. Unter die erste Kategorie fallen die Bestände zur preußischen Münzreform, zum Zustandekommen der Münzverträge von Dresden und Wien und zur Geschichte der Königlichen/Preußischen Bank, die sich im Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem befinden. Daß diese Bestände seit Schrötters bzw. Helfferichs Tagen nicht mehr herangezogen worden sind, lag sicher auch daran, daß sie sich zu Zeiten der DDR im Besitz des Deutschen Zentralarchivs in Merseburg befanden und insofern bis zur 1994 erneut erfolgten Zusammenführung für westliche Historiker nur schwer zugänglich waren, während die DDR-Geschichtsschreibung wiederum dem Thema nur geringes Interesse entgegenbrachte. 17 Ähnliches gilt für die Akten zur Währungsreform des Reiches, die jetzt in den Händen des Bundesarchivs in Berlin sind. Unter den bisher unbeachteten archivalischen Quellen hingegen finden sich die preußischen Bestände zur Entwicklung des Banknotenwesens nach 1857; dazu gehört aber auch der größte Teil des Materials des Bayerischen Hauptstaatsarchives in München bezüglich der Münzverträge des Zollvereins (insbesondere des Münchener Vertrages von 1837) und der süddeutschen einzelstaatlichen Bemühungen um eine Münzreform. 18 Gleichermaßen wenig Aufmerksamkeit fand eine weitere Gruppe von Quellen: Die Berichte der preußischen (zum Teil auch außer-preußischen) Handelskammern, die seit 1844 im amtlichen Blatt des preußischen Handelsministeriums abgedruckt wurden und die ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Darstellungen zu allen Aspekten der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland (und der ganzen Welt, weil sich auch die Berichte der Handelskonsuln dort finden) und von Stellungnahmen der kaufmännischen Korporationen zur Wirtschaftspolitik sind. 19

17 Zur Preußischen Bank ist gerade erschienen: Jörg Lichter, Preußische Notenbankpolitik in der Formationsphase des Zentralbanksystems 1844 bis 1857, Berlin 1999 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 55), das sich vor allem auf die jetzt wieder allgemein zugänglichen Quellen des Preußischen Geheimen Staatsarchivs stützt. 18 Im Bayerischen Hauptstaatsarchiv sind allerdings bedauerlicherweise bedeutende Teile der Bestände des Finanzministeriums zum Münzwesen im Zweiten Weltkrieg verbrannt (Münzregale, Bde. 5633-5666). 19 Handels-Archiv. Sammlung der neuen auf Handel und Schiffahrt bezüglichen Gesetze und Verordnungen des In- und Auslandes und Statistische Mittheilungen über den Zustand und die Entwickelung des Handels und der Industrie in der Preussischen Monarchie. Nach amtlichen Quellen. Herausgegeben im königlichen Handelsamte zu Berlin, Jahrgang 1844. Erste Hälfte ff.; seit 1856: Preussisches Handelsarchiv. Wochenschrift für Handel, Gewerbe und Verkehrsanstalten. Nach amtlichen Quellen. Mit Genehmigung des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeit herausgegeben, Jahrgang 1856. Zweite Hälfte ff. Enthält: 1. Veröffentlichung von den Handel betreffenden Gesetzestexten aus aller Welt; 2. Statistiken zum Handel aus aller Welt mit Schwerpunkt Preußen; 3. die Jahresberichte der

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A. Einleitung

IV. Gliederung und Vorgehensweise Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei große Abschnitte: Der erste Abschnitt setzt mit einer Darstellung der Strukturbedingungen der Währungsentwicklung am Ende des Alten Reiches ein. Darunter fallen jene Strukturbedingungen von eher allgemeiner Beschaffenheit, die vom Zustand der politisch-ökonomischen Verfassungen vorgegeben waren, als auch solche der speziellen Art, die sich im Münzwesen herausgebildet hatten. Im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen dieses Abschnitts steht die Analyse der Bemühungen um Konsolidierung und Harmonisierung der Münzverfassungen, die das vordringliche Kennzeichen der Währungsgeschichte der ersten Jahrhunderthälfte gewesen sind. Konsolidierung bedeutet in diesem Zusammenhang die Vereinheitlichung der Geldsysteme innerhalb der Einzelstaaten, Harmonisierung hingegen die Bereitschaft zum Abschluß von Münzverträgen mit benachbarten Staaten. Eine solche Politik begründete sich vor allem in der schwierigen Situation der Staaten des Deutschen Bundes nach Beendigung der Napoleonischen Kriege, hervorgerufen durch den Neuzuschnitt der Territorien und das katastrophale finanzielle Kriegserbe, die beide durchgreifende staatliche Reformen dringend notwendig erscheinen ließen. Demzufolge werden die Versuche der innerstaatlichen Konsolidierung der Währungsverfassungen Bayerns und Preußens wie auch die ersten Münzverträge innerhalb des Zollvereins in diesem Abschnitt untersucht. Die weitgehende Beschränkung auf zwei Staaten ist deshalb zu rechtfertigen, weil zum einen beide Staaten jeweils als Beispiel für die Entwicklung im süd- bzw. norddeutschen Raum gelten können, sie dort wirtschaftlich und von der Bevölkerungszahl die stärksten Staaten gewesen sind und weil Preußen als Großmacht und Bayern als Mittelstaat für die unterschiedlichen Möglichkeiten und Anforderungen der Währungs- und Geldpolitik stehen. Zum zweiten zogen die Entscheidungen auf Preußens währungspolitischem Entwicklungsgang größte Auswirkungen für die weitere Geldgeschichte des gesamten kleindeutschen Raumes nach sich; an dieser Stelle sei nur auf die Erhebung des preußischen 1-Talerstücks zur mitteleuropäischen Handelsmünze mit dem Münzvertrag von Wien 1857 und auf die Überleitung der Preußischen Bank in die Reichsbank 1876 verwiesen. Ferner würde eine detaillierte Gesamtdarstellung der (stellenweise sehr komplizierten) deutschen Geldverhältnisse des 19. Jahrhunderts innerhalb eines vertretbaren Umfanges nur oberflächlich durchzuführen sein. Auch in den weiteren Abschnitten stehen Preußen und Bayern im Mittelpunkt der Untersuchung, wobei die Entwicklung in anderen Staaten zur Verdeutlichung und immer dann preußischen Handelskammern, seit 1848 gesetzlich verpflichtend, und die Berichte der preußischen Konsuln im Ausland.

IV. Gliederung und Vorgehensweise

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hinzugezogen wurde, wenn dort signifikant unterschiedliche Prozesse festzustellen waren. Ebenfalls in diesem Hauptteil wird das geldpolitische Element in der Auseinandersetzung zwischen Österreich und Preußen um die Hegemonie im Deutschen Bund thematisiert. Im Zuge des Österreichischen Unternehmens, seit etwa der Jahrhundertmitte auch auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik Preußen entgegenzutreten und zu diesem Zweck vom kleindeutschen Weg des Zollvereins auf den einer mitteleuropäischen Zolleinigung einzuschwenken, kam auch die Geldpolitik als Mittel im Kampf um ökonomische Vorherrschaft zum Einsatz. Der Konflikt fand mit dem Wiener Münzvertrag von 1857 seinen Höhepunkt; die Verhandlungen, die Taktik der Kontrahenten und das im Vertrag festgehaltene Ergebnis zeigen u. a., wie sehr die Verfolgung einer modernen Geldpolitik, um so mehr einer Geldpolitik, die noch dazu als Mittel zur Erreichung außenpolitischer Ziele durch die Ausübung wirtschaftlicher Macht dienen sollte, von ökonomischer Potenz abhängig ist. Darüber hinaus sind die Österreichischen Probleme, sich nach Vertragsabschluß an die vereinbarten Bedingungen zu halten, auch ein Ausweis der Fehleinschätzung dieser Situation seitens der Österreichischen Regierung. Hier ist ferner zu fragen nach den eventuellen Kosten monetärer Integration sowie danach, was dazu führte, daß diese Kosten im Fall des Wiener Münzvereins für Österreich anscheinend untragbar hoch gewesen sind. In diesem Kapitel wird zudem, vor dem Hintergrund der verschiedenartig verlaufenden finanzpolitischen und wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs und des Zollvereins, die daraus folgende unterschiedliche Entwicklung der Währungsverfassungen behandelt werden. Inhalt des zweiten Abschnittes ist die Entwicklung des Papiergeldwesens (Banknoten und Staatspapiergeld). In weiten Teilen der vormärzlichen, präindustriellen Epoche spielte das Papiergeld dabei eine nur geringe Rolle; dies war zum einen der wenig dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet, lag aber auch an den erheblichen Vorbehalten, die in der Bevölkerung gegenüber diesem Zahlungsmittel bestanden, das Goethe nicht zufällig im zweiten Teil des "Faust" als teuflische Erfindung charakterisierte. Der Übergang zur Phase des "Take-offs" der Industrialisierung im Deutschland der 1840er Jahre bedeutete dann jedoch auch für die Währungsgeschichte den Beginn einer neuen Ära; der Aufschwung vor allem des kapitalintensiven Eisenbahnbaus als des wichtigsten deutschen Führungssektors erzwang auch die Entwicklung neuer Finanzierungsinstitutionen. Dem sprunghaft wachsenden Bedarf an Zahlungsmitteln, vor allem seit den 1850er Jahren, in der Phase der Hochindustrialisierung, entsprachen die zahlreichen Noten- bzw. Zettelbankgründungen und die damit einhergehende exponentielle Ausweitung der Menge der papierenen Wertzeichen. Diese Entwicklung bereitete den größeren deutschen Staaten, die einer Ver-

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A. Einleitung

mehrung der Banknoten überwiegend ablehnend gegenüberstanden, eine grundsätzliche, zweifache Herausforderung ihrer bisherigen Geldpolitik: Sie sahen ihr Monopol der Geldausgabe bedroht, weil die Banknotenemissionen der privaten Notenbanken eine immer größere Bedeutung an der gesamten Geldmenge gewannen. Traten die Staaten dieser Entwicklung jedoch mit strengen Restriktionen oder gar einem völligen Verbot privater Notenbanken entgegen, erwuchs aus den daraufhin aus benachbarten Staaten einströmenden papierenen Wertzeichen eine weitere Bedrohung des staatlichen Monopols in der Geldpolitik. Auch dagegen gingen die betroffenen Staaten zunächst vor allem mit Verboten der fremden Geldzeichen vor, analog zu dem Verhalten in der ersten Jahrhunderthälfte, als die Staaten des Deutschen Bundes bemüht waren, den Umlauf fremder Scheidemünzen in ihren Territorien zu unterbinden. Als sich jedoch dieser Versuch zur Abschließung der einzelstaatlichen Währungsgebiete als untauglich erwies, schlug die preußische Regierung einen anderen Kurs ein, indem sie die Begrenzung des Notenausgaberechts der Königlichen/Preußischen Bank aufhob und damit nicht nur dem Mangel an Zahlungsmitteln wirksam abhalf, sondern darüber hinaus den Weg bereitete für die Erhebung ihrer Hauptbank zur (de facto) Zentralbank Zollvereins-Deutschlands, mit bedeutenden geldpolitischen Kompetenzen und Einflußmöglichkeiten auf die Geldpolitik auch der anderen deutschen Staaten. Zu formellen zwischenstaatlichen Vereinbarungen über das Papiergeldwesen, in dem erhebliche und allseitig anerkannte Mißstände herrschten, kam es allerdings vor der politischen Vereinigung nicht; dazu trugen die Bemühungen der Regierungen der größeren Staaten um eine Abschließung ihrer Währungsgebiete, die schon den Abschluß von Münzverträgen erschwert hatten, in hohem Maße bei. Die zentralen Fragen dieses Abschnittes richten sich auf die Auswirkungen der Industrialisierung auf den Zahlungsmittelsektor und die Geldpolitik, auf eventuelle Unterschiede zwischen der Münzpolitik und der Papiergeldpolitik, sie zielen aber auch auf mögliche Konsequenzen der Revolution von 1848 für die Integration im deutschen Währungswesen ab. Der dritte Abschnitt widmet sich dann der Vollendung der deutschen Währungsintegration im 19. Jahrhundert mit der Schaffung einer einheitlichen Reichswährung. Am Anfang dieses Abschnittes steht eine Analyse der Währungsstrukturen, wie sie sich um 1870 darstellten; dazu gehört auch die Untersuchung des erreichten Entwicklungsstadiums im Diskurs über die Währungsvereinheitlichung seit seinen ersten Anfängen im Vormärz. Unter diesem Gesichtspunkt sind die zahlreichen zeitgenössischen Schriften zur Währungsunion bisher noch nicht untersucht worden, die Identität von Nationalstaat und Währungsraum blieb unhinterfragt, als scheinbar natürliche Entwicklung, als Resultat des Zusammenwirkens allein realökonomischer Faktoren allseits akzeptiert. Demgegenüber soll hier nach der diskursiven Vorbereitung einer bestimmten Entwicklung gefragt werden.

IV. Gliederung und Vorgehensweise

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Dieser Untersuchung schließt sich dann die Analyse der Entstehungsgeschichte der die Währungsverfassung konstituierenden Gesetze an, mit denen auf der einen Seite die Mark, als eine auf dem Gold beruhende nationale Währung, auf der anderen Seite die Reichsbank, als Nachfolgeinstitut der Preußischen Bank und zentrale Notenbank des Reiches, ins Leben traten. Die Gründung der Deutschen Reichsbank am 1. Januar 1876 bildet auch den zeitlichen Abschluß der Arbeit: Von diesem Datum an ist die deutsche Währungsgeschichte nicht mehr eine Geschichte der Integration der Währungsverfassungen; mit der Schaffung einer Zentralbank gewann das deutsche Währungswesen im großen und ganzen die Gestalt, die es bis zum Ende des Kaiserreiches, in wesentlichen Teilen sogar bis zur Währungsreform nach der großen Inflation 1923/24 beibehielt. Während der Zeit, in der dieses Buch entstanden ist, hat sich eine gehörige Portion Dankesschuld angesammelt, die es nun abzuleisten gilt. Zunächst einmal also gebührt mein Dank den Angehörigen der Institutionen, die mir das Arbeiten erst möglich machten, indem sie die unentbehrliche Atmosphäre des Interesses, der Diskussion und der Kreativität schufen und mir den Zugang zu notwendigen Materialien eröffneten: An erster Stelle natürlich den Kolleginnen und Kollegen des Historischen Seminars der Universität Hamburg, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der hiesigen Staats- und Universitätsbibliothek, des Preußischen Geheimen Staatsarchivs und des Bundesarchivs in Berlin sowie des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München. Dank für die geduldige und freundliche Begleitung eines ungeduldigen, wenn nicht unleidlichen Historikers und seines Tuns schulde ich meiner Familie, meinen Freunden Dr. Rupert Seuthe, Kathrin Kompisch und Dorothea Siegle, Herrn Prof. Dr. Hans-Bernd Schäfer und vor allem meinem akademischen Lehrer und Mentor, Prof. Dr. Bernd Jürgen Wendt.

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen: Versuche einzelstaatlicher Münzreformen und die Herausbildung des kleindeutschen Währungsraumes I. Strukturbedingungen der Münzreform in den Staaten des Deutschen Bundes Im folgenden wird zu klären sein, welche Strukturbedingungen des Münzwesens im ersten Fünftel des 19. Jahrhunderts bestanden. Dabei sind zunächst die allgemeinen Umstände deutscher Staatlichkeit am Ende des Alten Reiches zu behandeln; daran anschließend wird die Situation im Münzwesen im einzelnen analysiert. Von welchem Punkt, das sind die dieser Vorgehensweise zugrundeliegenden Fragen, starteten die Versuche, Ordnung in die verwirrenden Münzverhältnisse zu bringen, und was hatte diese Verhältnisse hervorgebracht? 1. Die zwingende Notwendigkeit territorialer Konsolidierung und staatlicher Modernisierung: Die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Revolutionskriege

Die Napoleonischen Kriege und die französische Besatzung und deren Folgen sind Ausgangspunkte, von denen aus eine tiefgreifenden Modernisierung der deutschen Staaten im 19. Jahrhundert vollzogen wurde: "Am Anfang war Napoleon", wie Nipperdey es zuspitzend formuliert.' Die Niederlage gegen die Truppen der Französischen Revolution hatte die Schwäche der staatlichen Strukturen im Alten Reich offenbart, das Wirken der Besatzungsarmeen und -adrninistrationen in vielen Landstrichen - insbesondere in Preußen - das Staatsgebiet verstümmelt und die öffentlichen Finanzen zerrüttet, in anderen hingegen - wie Baden oder Bayern - zu einer Ausdehnung der Territorien geführt. Die Erkenntnis dieser fundamentalen Schwäche und der Notwendigkeit institutioneller Anpassung an die Erfordernisse revolutionärer Zeiten sowie der gebietsmäßigen Arrondierung war die zentrale Voraussetzung für die Reformbestrebungen, die das liberale Beamtentum überall in den deutschen Staaten vorantrieb. Die Friedensordnung 1 Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1983, S. 11.

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des Wiener Kongresses führte dann noch einmal zu bedeutenden territorialen Verschiebungen2 und verstärkte damit den Zwang zur Konsolidierung der Staatsgebiete, auch wenn der liberale Reformimpetus in der restaurativen Epoche schnell dahinschwand und ersetzt wurde durch den reaktionären Geist der Epoche Mettemichs. Diejenigen Bestandteile der Politik der Reformära jedoch, die auf eine Stabilisierung und Konsolidierung abzielten, fanden auch in der Restauration ihre Fortsetzung, manche, wie die Münzreform, wurden gar erst zielgerichtet angegangen und vollendet. 3 Die Folgen von Besatzungszeit und Krieg und auch der Art des Friedens konfrontierten namentlich die preußische Regierung nach 1814115 mit organisatorischen Problemen größten Ausmaßes und vielerlei Formen: Neben den zerrütteten wirtschaftlichen Verhältnissen, der beschädigten Währung und der aufgelaufenen immensen staatlichen Schuld mußte der preußische Staat den Zugewinn von bedeutenden Gebietsteilen vor allem im Westen der Monarchie verkraften, die sich in ihren gesellschaftlichen, konfessionellen und ökonomischen Strukturen von den preußischen Kernlanden erheblich unterschieden. Doch auch die bereits länger unter preußischer Herrschaft stehenden Gebiete bildeten - insbesondere in bezug auf ihre wirtschaftlichen Strukturen - kein einheitliches, integriertes Staatsgebilde; und es waren nicht nur die noch bestehenden zahlreichen Binnenzollgrenzen, die solches verhinderten. Die Konsolidierung dieses heterogenen, "anarchisch-irrationalen und zugleich autokratischen" Systems4 zu einem Gebilde einheitlicher Staatlichkeil wurde von den preußischen Regierungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ihre oberste Aufgabe angesehen. Die Vordringlichkeit der territorialen Integration ergab sich für die preußischen Regierungen aus dem für den Gesamtstaat potentiell bedrohlichen Konflikt, der "im Interesse eines inneren Ausgleichs und zur Vermeidung eines innerpreußischen Dualismus zwischen westlichen und östlichen Provinzen abgebaut werden mußte, wenn der Gefahr einer permanenten Infra2 Siemann nennt den Umbruch zwischen 1792 und 1815 in Deutschland gar "territoriale Revolution"; Wolfram Siemann, Vorn Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871 , München 1995, S. 22. 3 Zur Reformtätigkeit in der Epoche der Restauration vgl. Helmut Berding, Zur historischen Einordnung der Reformen im frühen 19. Jahrhundert, in: Hans-Peter Ullrnann/Clernens Zimmermann (Hg.), Restaurationssystem und Reformpolitik. Süddeutschland und Preußen im Vergleich, München 1996, S. 17 ff., S. 17 f. Berding sieht die Periode von 1740 bis 1820 als einen "Reformzeitraurn". 4 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 36. Daß Nipperdey mit dieser Charakterisierung recht hat, zeigt sich schon daran, daß es vor dem Erlaß des Zollgesetzes von 1818 allein in den alten Provinzen Preußens 67 unterschiedliche Binnenzolltarife für fast 3.000 Warenklassen gab, deren Sätze nach 71 amtlich anerkannten Geldsorten zu berechnen waren. Nach: Emil Wolf!, Grundriß der preußischdeutschen socialpolitischen und Volkswirthschafts-Geschichte vorn Ende des dreißigjährigen Krieges bis zur Gegenwart (1648-1898), Berlin 1899, S. 96.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

gestellung des Gesamtstaatsgefüges vorgebeugt werden sollte. Die Überwindung oder zumindest doch Abschwächung der innerstaatlichen Heterogenität erschien somit aus gesamtstaatlichen Erwägungen heraus als unumgängliches Postulat staatlicher Existenzsicherung. "5 Erschwert wurde die Aufgabe der Integration der neuerworbenen Gebiete dadurch, daß das Staatsgefüge im Zuge der Reformgesetzgebung in eine "tiefgreifende Umbruchsphase" eingetreten war, deren organisatorischer Abschluß noch ausstand. 6 Motiv und Antrieb der zur Zeit der französischen Besatzung in Angriff genommenen Reformen waren dabei zunächst "die Steigerung staatlicher Macht und Effizienz im allgemeinen und die Mobilisierung der letzten finanziellen Ressourcen im besonderen [gewesen], um die Forderungen des Siegers Napoleon zu befriedigen, den Staatsbankerott zu verhindem und den ,Befreiungskrieg' vorzubereiten". 7 Um dem angegriffenen Zustand der staatlichen finanziellen Ressourcen Genüge zu tun, mußte diese Konsolidierung nach dem Sieg über Napoleon in Verbindung mit strikter öffentlicher Sparsamkeit und mit stetem Blick auf die Eröffnung neuer Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen ins Werk gesetzt werden. Durch die erheblichen Gebietsgewinne infolge der Säkularisierung (Reichsdeputationshauptschluß 1803) und nach dem Wiener Kongreß standen aber auch die süddeutschen Mittelstaaten vor der Aufgabe, "diese Gebietskonglomerate mit ganz unterschiedlichen Loyalitäten, Verwaltungsund Selbstverwaltungseinrichtungen zu einem einheitlichen Staatswesen zusammenzufügen und in den heterogenen Bevölkerungsteilen ein konsistentes Staatsbewußtsein heranzuziehen. "8 Dies galt zum einen für jene Staaten, die wie Baden durch die territorialen Verschiebungen überhaupt erst zu Mit5 Rüdiger Schütz, Zur Eingliederung der Rheinlande, in: Peter Baumgart (Hg.), Expansion und Integration. Zur Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat, Köln/Wien 1984 (Neue Forschungen zur brandenburg-preußischen Geschichte 5), S. 195 ff., S. 210. Zur Notwendigkeit der Konsolidierung des preußischen Territoriums vgl. auch Wilhelm Treue, Wirtschafts- und Technikgeschichte Preussens, Berlin/New York 1984 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 56), S. 282. 6 Rüdiger Schütz, Preußen und die Rheinlande. Studien zur preußischen Integrationspolitik im Vormärz, Wiesbaden 1979, S. 1. 7 Barbara Vogel, Allgemeine Gewerbefreiheit. Die Reformpolitik des preußischen Staatskanzlers Hardenberg ( 181 0-1820), Göttingen 1983 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 57), S. 31. Zu den Motiven der Preußischen Reformen vgl. auch Reinhart Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution. Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848, Stuttgart 2 1975, S. 167, und Hans-Ulrich Wehler, Diskussionsbeitrag, in: Otto Büsch (Hg.), Das Preussenbild in der Geschichte. Protokoll eines Symposions, Berlin/New York 1980 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 50), S. 214 ff., S. 214.

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telstaaten aufgerückt waren; aber auch Württemberg und Bayern verzeichneten einen erheblichen Gebietszuwachs. Vor allem der 1806 zum Königreich erhobene bayerische Staat unterschied sich deutlich vom alten Kurfürstentum. Der gebotene erste Schritt zur Lösung dieses Problems war der Aufbau einer straff zentralisierten Verwaltung, die "bürokratische Integration"9, in Form der Errichtung eines einheitlichen Steuerwesens und der Verlegung der Zollinien an die äußeren Grenzen des Staates (die Rheinbundstaaten waren die ersten Staaten in Deutschland, die eine solche Modernisierung des Zollwesens vornahmen, Bayern 1807, Württemberg 1808 und Baden 1812, ebenso wie Berg 1812 und Westfalen 1811 10). Auch die in den Jahren 1818 bis 1820 erlassenen Verfassungen der süddeutschen Staaten Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt zielten in hohem Maße auf die Einbindung der neu erworbenen heterogenen Landesteile ab. 11 Eine Sonderstellung unter den Staaten des Deutschen Bundes hinsichtlich der territorialen Neugliederung nahm vor allem Sachsen ein. Während die anderen Staaten, seien es Gegner Napoleons oder dessen mehr oder weniger freiwillige Verbündete im Rheinbund, sich mit dem Problem der Eingliederung von Gebietszuwächsen auseinanderzusetzen hatten, büßte der wirtschaftlich am weitesten entwickelte Staat Deutschlands durch die Vereinbarungen des Wiener Kongresses einen wesentlichen Teil seines Landesterritoriums ein. Sachsen als Mitglied des Rheinbundes und Verbündeter Frankreichs verlor 20.841,86 qkm seines Gebietes mit 767.441 Einwohnern an Preußen (das war ein Gebietsverlust von 58,2%, ein Bevölkerungsverlust von 39,4%). Dazu kamen starke finanzielle Belastungen durch den Krieg (der zudem noch in hohem Maße auf sächsischem Territorium ausgefochten worden war) und durch Kontributionen. 12

8 Wolfgang Hardtwig, Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum, München 3 1993 (Deutsche Geschichte der neuesten Zeit), S. 51. 9 Hardtwig, Vormärz, S. 51. 10 Vgl. Hans Jaeger, Geschichte der Wirtschaftsordnung in Deutschland, Frankfurt a. M. 1988 (edition suhrkamp 1529), S. 42. Zur bayerischen Zollreform vgl. Wolfgang Zorn, Bayerns Gewerbe, Handel und Verkehr (1806-1970), in: Max Spindler (Hg.), Handbuch der bayerischen Geschichte. Vierter Band: Das neue Bayern 1800-1970, München 1974, S. 781 ff., S. 782. 11 Vgl. Winfried Speitkamp, Konstitutionelle Monarchie und politische Kultur in den süddeutschen Staaten 1818-1848, in: VIImann/Zimmermann (Hg.), Restaurationssystem, S. 25 ff., S. 26. 12 Vgl. Hubert Kiesewetter, Industrialisierung und Landwirtschaft. Sachsens Stellung im regionalen Industrialisierungsprozeß Deutschlands im 19. Jahrhundert, Köln/Wien 1988 (Mitteldeutsche Forschungen Bd. 94), S. 41.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

2. Verhältnisse im deutschen Geldwesen am Ende der Napoleonischen Kriege

Die deutschen Währungssysteme befanden sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einem durchgängigen Zustand der Unordnung, der tiefgreifende Reformen dringend notwendig erscheinen ließ. Die Probleme der Währungsverfassungen im Deutschen Bund lassen sich dabei unter drei Kategorien zusammenfassen: 1. Analog der politischen und ökonomischen Situation eines nur geringen Integrationsgrades zeigte sich die Karte der deutschen Währungslandschaft in buntscheckiger Vielfalt. 2. Der Geldumlauf in den einzelnen Währungsgebieten war uneinheitlich, es liefen dort Münzen unterschiedlichster, zum Teil nicht feststellbarer Herkunft und Rechnungseinheit und von höchst verschiedenem Feingehalt (das ist der Edelmetallgehalt einer Münze) um. 3. Ein erheblicher Teil der zirkulierenden Münzen entsprach in ihrem nominalen Wert nicht oder nicht mehr ihrem Metallgehalt Dafür verantwortlich war die Ausbringung der in unruhigen Zeiten regelmäßig zur Staatsfinanzierung geprägten geringhaltigen Münzen und ihr auch nach 1815 immer noch erheblicher Umlauf; es war aber ebenso eine Folge des zum Teil hohen Abnutzungsgrades durch lange Umlaufszeiten oder schlechte Prägetechniken. Diese Probleme betrafen vor allem das Scheidemünzenwesen, dessen Ordnung dann auch das erste Ziel der Währungsreformer gewesen ist. Der Zustand der deutschen Währungssysteme in den letzten Tagen des Alten Reiches und den ersten des Deutschen Bundes soll im folgenden nach diesen drei Kategorien untersucht werden. a) Geringer Integrationsgrad der deutschen Währungssysteme

Die Vielfalt der deutschen Währungssysteme war eine Folge der Konjunktion von territorialer Zersplitterung des Reichs- und später des Bundesgebietes und des seit 1648 offiziellen Rechtes aller Reichsstände (wenn auch formal unter Oberhoheit des Kaisers) zur Prägung eigener Münzen, dem Münzregal. 13 Zwar war durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 die Zahl der Inhaber des Währungsregals drastisch eingeschränkt worden, doch fanden sich nach der Beendigung der Befreiungskriege und dem Wiener Kongreß noch immer 35 Staaten und 4 Freie Städte im Deutschen Bund, zu deren eifersüchtig gehüteten Souveränitätsrechten eben auch die uneingeschränkte Verfügung über die Herstellung eigenen Geldes gehörte. Das einzelstaatliche Verfügungsrecht über die Geldausgabe wurde vor allem deshalb so hartnäckig verteidigt - es spielte, in der Frage des Rechtes zur Emission von Papiergeld bzw. der Privilegierung von Notenbanken, noch 13 Vgl. Dieter Hägermann, Artikel Münzregal, in: Michael North (Hg.), Von Aktie bis Zoll. Ein historisches Lexikon des Geldes, München 1995, S. 267 f.

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mindestens bis in die 1860er Jahre eine entscheidende Rolle im Prozeß der Währungsvereinheitlichung in Deutschland -, weil es in erheblichem Umfang zur Finanzierung des Staatshaushaltes beitragen konnte 14 ; davon machten insbesondere einige der kleineren Staaten dann auch weidlich Gebrauch. Dies geschah im Münzwesen durch die Erhebung einer Art Prägegebühr, des sogenannten Schlagschatzes. A. Sartorius von W altershausen nennt Staaten wie Hildburghausen, Coburg oder Nassau, die zwischen 1820 und 1830 einen Schlagschatz von 21 bis 87% des auszumünzenden Feinsilbers bei Scheidemünzen erhoben haben sollen, d. h. die das Bedürfnis des Verkehrs nach Zahlungsmitteln ausnutzten, um eben diesen Anteil des bei ihren Münzstätten eingelieferten Silbers einzubehalten, "[... ] und man bezeichnete es mit Recht als Falschmünzerei, wenn diese Länder die guten bayerischen Dreier und Sechser aufsammelten, nach ihrem System umprägten und dann die Nachbargebiete mit ihren schlechten Stücken überschwemmten."15 Eine solche Einnahmequelle, auf welche die Landesherren zurückgreifen konnten, ohne gezwungen zu sein, die Zustimmung einer Volksvertretung einzuholen, mußte gerade in Zeiten der Auseinandersetzung um Verfassungen und das Steuerbewilligungsrecht noch an Bedeutung gewinnen.16 Daneben war das Münzrecht aber auch als Kennzeichen der staatlichen Souveränität (F.A. Hayek bezeichnet das Münzregal gar als "ein grundlegendes Element der Regierungsgewalt" 17) mit erheblichem Prestige verbunden und sein Verlust nur schwer zu verschmerzen; dies war nicht nur für die Kleinstaaten im Deutschen Bund ein Motiv, so zäh an ihrem Münzregal festzuhalten, wie noch zu zeigen sein wird. Der Deutsche Bund teilte sich vor dem Abschluß der ersten Münzverträge im Zollverein (1837 und 1838) grob in drei größere Währungsgebiete, die wiederum in vielerlei kleinere Einheiten zerfielen. Im Norden herrschte die Talerrechnung vor. Die bedeutendste Münze Norddeutschlands war der preußische Taler, der verwirrenderweise in der Regel als Reichstaler bezeichnet wurde (und gelegentlich auch heute noch so bezeichnet wird) 18. Der preußische Taler wurde seit der Graumannsehen Münzreform von 1750 14 Vgl. Holtfrerich, Monetary Unification, in: de Cecco/Giovannini (Hg.), European, S. 219. 15 Sartorius v. Waltershausen, Deutsche, S. 29. 16 Vgl. Holtfrerich, Monetary Unification, in: de Cecco/Giovannini (Hg.), European, S. 217, der in diesem Zusammenhang auch auf die wachsende Bedeutung der Zölle als landesherrliche Einnahmequelle verweist. 17 Friedrich A. von Hayek, Entnationalisierung des Geldes. Eine Analyse der Theorie und Praxis konkurrierender Umlaufsrnittel, Tübingen 1977 (Wirtschaftswissenschaftliche und wirtschaftsrechtliche Untersuchungen, 13), S. 8. 18 Der eigentliche, alte, im 19. Jahrhundert nicht mehr geprägte Reichstaler oder Reichs-Speciesthaler wurde im 9-Talerfuß aus der Kölnischen Mark geschlagen, vgl.: Vom Taler zum Euro, S. 3; Hel.fferich, Die Reform 1, S. 6.

3 Otto

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im 14-Talerfuß geprägt. Das bedeutet, daß aus dem Münzgrundgewicht, der Kölnischen Mark aus 233,85 g Silber fein, 14 Talerstücke geschlagen wurden. Seit der Münzreform von 1821 teilte sich der preußische Taler in 30 Silbergroschen zu je 12 Pfennig. Den Taler im 14-Talerfuß unterteilte das Kurfürstentum Hessen (Hessen-Kassel) in 24 Groschen zu je 14 Heller, während er in Ostfriesland in 54 Stüber zerfiel. Daneben fanden sich in Norddeutschland noch der Taler im 12-Talerfuß zu 48 Schilling zu je 12 Pfennig in Mecklenburg-Schwerin und im 13 ~-Talerfuß zu 24 Groschen zu 12 Pfennig in Sachsen, Hannover, Braunschweig, den anhaltinischen und reußische Fürstentümern, im Großherzogtum Sachsen, in Sachsen-CoburgGotha im gothaischen Landesteil, in Sachsen-Coburg-Saalfeld in Saalfeld, in der Grafschaft Schaumburg, in Schaumburg-Lippe und in den Fürstentümern Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen. In diesen Staaten war der Taler allerdings nur die Rechnungseinheit, geprägt wurde nach dem Konventionsfuß, wobei ein Konventionstaler 1 ~ Talern entsprach. Ebenfalls im 13 i-Talerfuß, allerdings zu 36 Manengroschen zu je 8 Pfennig, rechneten die Fürstentümer Lippe, zum Teil Schaumburg-Lippe und Waldeck Pyrmont. Mecklenburg-Strelitz kannte den Taler im 13 ~-Ta­ lerfuß zu 24 Groschen zu je 2 Schilling zu je 12 Pfennig, während im 01denburgischen dieser Taler in 72 Grote zu 5 Schwaren zerfiel. Die Herzogtümer Schleswig und Holstein hatten eine Kombination aus dänischem und überkommenem System, sie rechneten im Rigsbankdaler im 18 Talerfuß zu 96 Rigsbankshilling bzw. 30 Schilling Kurant. 19 Ganz aus diesem System heraus fielen in Norddeutschland die Hamburger und die lübische Mark im 34-Markfuß, die 16 Schilling oder 32 Sechslingen bzw. 64 Dreilingen entsprach. Lübeck prägte seit dem 19. Jahrhundert keine eigenen Münzen mehr, Harnburg seit 1809 nur noch Scheidemünzen und goldene Dukaten, die allerdings nicht ins Münzsystem der Mark paßten. Bremen hatte als Währung den Taler Gold im Pistolenfuß (ca. 11420 Pfund Feingold), wobei ein Taler Gold gleich 72 Grote oder 360 Schware war; Währungsmünzen waren hier auswärtige Pistolen. Goldmünzen im Pistolenfuß prägten aber auch andere Talerländer (etwa Preußen, Hannover und Braunschweig).

i-

In den süddeutschen Ländern, den Königreichen Bayern und Württemberg, den Großherzogtümern Baden und Hessen (Hessen-Darmstadt), den Herzogtümern N assau, Sachsen-Hildburghausen und Sachsen-Meiningen, den Fürstentümern Hollenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen, der Landgrafschaft Hessen-Homburg, in Sachsen-Coburg-Gotha im Landesteil Coburg, in Oldenburg im Bezirk Birkenfeld, im Kurfürstentum Hessen in Oberhessen, Hanau und Fulda sowie in der freien Stadt Frankfurt am Main rechnete man im 24 bzw. 24 i -Guldenfuß, unterteilt in 60 Kreu19

Darstellung der Münzsysteme nach Sprenger, Währungswesen, S. 38-40.

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zer zu 240 Pfennig. Allerdings stimmten auch hier Prägesystem und Rechnungssystem nicht überein; die tatsächlich ausgeprägten Münzen waren Konventions- und später Kronentaler. Der Konventionstaler war durch eine Münzvereinbarung zwischen Kurbayern und Österreich von 1753 geschaffen worden; er wurde im 20-Guldenfuß geprägt, wobei ein Konventionstaler zwei Gulden oder 120 Kreuzern entsprechen sollte.Z0 Schon 1754 kündigte Bayern den Münzvertrag. Dies geschah, weil die bayerischen Kleinkurantmünzen im Durchschnitt wesentlich schlechter ausgebracht worden waren als die österreichischen, bei den Stücken zu 15 und 30 Kreuzern war der 25-Guldenfuß schon erreicht und überschritten worden. Bayern ging dann zur Prägung von Konventionstalern zu 144 Kreuzern über. Der Gulden Konventionsmünze kam daher 1 fl. 12 Kr. Rechnungsmünze gleich, das war der sogenannte rheinische Gulden. Das 20-Kreuzerstück galt demnach in Bayern 24 Kr., weswegen das Ganze 24-Guldenfuß genannt wurde. Bei den Prägungen hielten sich die süddeutschen Stände allerdings an eine Zusage an die Österreichische Kaiserin von 1754, in Schrot und Korn (dem Feingehalt) nicht vom Konventionsfuß abzuweichen. Sie behielten auf den Prägungen sogar meist die Wertzahlen des Konventionsfußes bei, so daß sie das ganze bzw. halbe Kopfstück mit 20 bzw. 10 Kreuzern bezeichneten, obwohl es für sie 24 bzw. 12 Kreuzer galt. 21 Bis etwa 1820 jedoch vertrieben die Kronentaler diese Kurantmünzen nach Konventionsfuß fast vollständig. Der Kronentaler wurde vielfach nach einem uneinheitlichen Münzfuß ausgeprägt22 ; zudem war er als ein Kind des Krieges oftmals herrenlos und war häufig stark unterwertig ausgebracht worden. Das galt vor allem für die Brabanter Kronentaler, die nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg in den habsburgischen Niederlanden geschaffen wurden und deren Umlauf die Münzreformer in Nord- und Süddeutschland noch bis in die l840er Jahre hinein beschäftigen sollte. Der ganze Kronentaler wurde mit 2 fl. 42 Kr. bewertet, das Halbstück mit 81 Kr. Die Münze bürgerte sich in Süddeutschland rasch ein, weil sie nach dem Greshamschen Gesetz das bessere dortige Geld (die Konventionsmünzen) verdrängte. Das Greshamsche Gesetz besagt, daß schlechtes Geld, d. h. abgenutzte oder durch die Prägung überbewertete Münzen, gutes, d. h. in diesem Sinne unterbewertetes, Geld aus der Zirkulation treibt, da diejenigen, die überbewertetes Geld haben, versuchen, es möglichst schnell loszu20 Münzkonvention mit Österreich vom 21.9.1753, abgedruckt in: Alois Schmid (Bearb.), Staatsverträge des Kurlürstentums Bayern 1745-1764, München 1991 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 95). S. 73 ff. 21 Vgl. Rittmann, Deutsche, S. 341. 22 Vgl. Franziska Jungmann-Stadler, Die Anfänge der Bayerischen Hypothekenund Wechsel-Bank, aus den Protokollen der Administration 1835-1850, München 1985, s. 14/15.

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werden, während unterbewertete Münzen gehortet, eingeschmolzen oder ins Ausland exportiert werden, wo ihr Wert höher liegt. 23 Der Kronentaler war schlechtes Geld, weil ihn Österreich zur Mitfinanzierung seiner Kriegsentschädigung überbewertet hatte: "Die unausbleibliche Folge war, daß die Konventionsmünzen verdrängt wurden, denn es war jetzt sinnvoll, sie einzuschmelzen und in Kronentaler umzuprägen (was in Österreich auch in großem Maß geschah, um die Kriegführung im süddeutschen Raum zu finanzieren) oder auszuführen. In Kronentalern wurde der Sold der Koalitionsarmeen bezahlt, Goethe mag sie schon bei Valmy im Beutel getragen haben." 24 Um 1802 war der Kronentaler im Südwesten und Süden des Reiches (außer Österreich) das Kurantgeld, in dem alle Handelszahlungen geleistet wurden. Es dauerte nicht lange, bis die süddeutschen Staaten zur Prägung eigener Münzen im 24 &-Guldenfuß schritten; allerdings geschah dies nur verdeckt, indem offiziell immer noch der Konventionsfuß als Grundlage der Währungen benannt wurde. 25 In Österreich, dem nach Ausdehnung und Bevölkerungszahl größten Währungsgebiet innerhalb des Deutschen Bundes, galt offiziell bis zur Einführung der "Österreichischen Währung" 1858 der Konventionsmünzfuß von 20 Gulden auf die Mark Silber fein. Allerdings herrschte de facto spätestens seit 1802 eine Papierwährung, als der Finanzminister Graf Zichy zur Finanzierung der Staatshaushalte im Zeichen der Kriege gegen Frankreich immer mehr auf das Instrument der Geldschöpfung zu setzen begann. 26 Bereits 1762 allerdings hatte Österreich, angesichts der enormen finanziellen Aufwendungen für den Schlesischen Krieg, die ersten Schritte auf dem im 18. Jahrhundert beinahe mit Notwendigkeit ins Verhängnis der vollkommenen Währungszerrüttung führenden Weg der Staatspapiergeldausgabe unternommen. Diese erste Tranche der sogenannten Bankozettel (benannt nach dem Wiener Stadt-Banco, der staatlichen Notenbank) von 12 Mio. fl. wurde zunächst jedoch als eine Ausweitung des knappen Geldkorsetts vom Markt 23 Die einfachste Formulierung lautet: "Bad money drives good money out of circulation.", Charles P. Kindleberger, Economic Laws and Economic History, Cambridge 1989 (Raffaele Mattioli Lectures), S. 43. Vgl. aber zur unverdienten Ehre des Namensgebers des Gesetzes: Ders., A Financial History of Western Europe, London 1984, S. 56: "Sir Thomas Gresham was a skillful exchange-dealer, a loyal servant of Elizabeth I, a philantropist and a rich man, but he did not discover the instability inherent in having two or more monies." 24 Rittmann, Deutsche, S. 468. 25 Vgl. beispielsweise den Münzverruf der kurfürstlich bayerischen General-Landes-Direction vom 15.10.1802, mit dem Scheidemünzen, die nicht nach Konventionkurs geprägt worden waren, außer Kurs gesetzt wurden. In: BHStA M H 659. Geh. Raths Acten. Scheidemünz-Wesen. Cours Devalvazion. 1802 bis 1803 (Ort der Dokumente aus dem BHStA ist immer München, wenn nicht anders angegeben). 26 Vgl. Richard Gaettens, Inflationen. Das Drama der Geldentwertungen vom Altertum bis zur Gegenwart, München 1955, S. 202.

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gut aufgenommen, was sich am Agio von 1-2% zeigte, das die Zettel gegenüber dem Münzgeld zeitweise erreichten. 27 Auch die zweite Tranche in gleicher Höhe ließ sich noch gut auf dem Markt unterbringen; dies änderte sich nach 1785, als alle Österreichischen Staatshaushalte Defizite aufzuweisen begannen, und erst recht mit dem extremen Anstieg der Staatsschuld seit dem Beginn der Revolutionskriege. Waren bei den ersten Emissionen von Bankozetteln diese noch als eine Art "Kassenstärker" der öffentlichen Hand verwendet worden, d. h. sie wurden in Zeiten geringer finanzieller Anspannung wieder eingezogen und verbrannt, fanden sie seit dem Ende der 1780er Jahre auch Verwendung zur Deckung einer längerfristig unfundierten Schuld. "Der Versuchung, mit Hilfe der Notenpresse das Staatsdefizit abzudecken, konnte die öffentliche Hand nicht widerstehen. " 28 Bei der Ausgabe von 1788 wurde, um die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen, zum ersten Mal dariiber hinaus die Emissionssumme verschwiegen. Das Silber nahm jetzt zunehmendes Agio gegenüber den Zetteln an und wurde - nach dem Greshamschen Gesetz - aus dem Umlauf verdrängt. Zwar gelang es dabei anfangs noch, die versprochene Einlösbarkeit des Papiergeldes in Konventionsmünzen beizubehalten. Bei einem Aufgeld von 8% allerdings gingen den öffentlichen Kassen im März 1797 täglich 130.000 fl. Konventionsmünzen verloren. Dagegen wurde zunächst mit einer Verzögerungstaktik (eingeschränkte Kassenstunden der Einlösungsstellen, Einlösung nur gegen Scheidemünzen etc.) vorgegangen; Anfang April erreichte der tägliche Verlust dennoch 200.000 fl. Daraufhin erfolgte die Aufhebung der staatlichen Einlösungspflicht Gleichzeitig wurde die Annahme von Bankozetteln auch für Private verpflichtend. 1795 griff Österreich zudem zur Ausprägung von 12- und 6-Kreuzerstücken (1799 dann von Kupfermünzen zu 3 und 6 Kreuzern), um dem Mangel an dem immer mehr aus dem Verkehr verschwindenden Silbergeld abzuhelfen. Dies "bedeutete den ersten Einbruch in das System der echten Silberwährung, einerseits deswegen, weil die Ausmünzung von 12- und 6-Kreuzerstücken in der bayerisch-österreichischen Münzkonvention ausdrücklich ausgeschlossen worden war und anderseits deswegen, weil sie nicht nach dem Konventionsmünzfuß [... ]", sondern unterwertig ausgeprägt wurden. Dennoch wurde diesen Münzen wie dem Staatspapiergeld Zwangskurs verliehen, d.h. sie befanden sich zusammen mit den vollwertigen Silbermünzen in einer sogenannten "definitiven" rechtlichen Stellung: " ... wer eine Schuld von 1 fl. C.M. [= Konventionsmünze] zu begleichen hatte und sich dieser Schuld durch Hingabe von 5 27 Gaettens, Inflationen, S. 199. Das Agio war auch eine Folge der Bestimmung, daß ein bestimmter Anteil der Steuern und Abgaben in Bankozetteln zu leisten war. 28 Peter Eigner/Michael Wagner/Andreas Weigl, Finanzplatz. Wien als Geld- und Kapitalmarkt, in: Günther Chaloupek/Peter Eigner/Michael Wagner (Hg.), Wien. Wirtschaftsgeschichte 1740- 1938. Teil 2: Dienstleistungen, Wien 1991 (Geschichte der Stadt Wien Bd. V), S. 909 ff. , S. 933 ff.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

12-Kreuzer-Stücken entledigte, der hatte zirka 42 % an dieser Transaktion verdient, der Gläubiger ebenso viel verloren, denn er war durch den Zwangskurs der Münzen nicht in der Lage, ihre Annahme abzulehnen. Eine immer bedrohlichere Ausmaße annehmende Verdrängung der vollwertigen Silbermünzen aus dem Verkehr war die unmittelbare Folge. "29 1806 mußte der Österreichische Innenminister Graf Zinzendorf resigniert feststellen: "Die Geschichte, die Erfahrung aller Zeiten lehrt, daß die Vollmacht, Papiergeld auszuschneiden, in den Händen der öffentlichen Verwaltung einem Messer in den Händen eines Kindes gleicht; der landverderbliche Mißbrauch desselben läßt sich gar nicht beseitigen. " 30 Der Habsburgerstaat bewegte sich sehenden Auges auf den Bankrott seiner Währung zu, war aber nicht in der Lage, sich diesem entgegenzustemmen: Der Zettelumlauf stieg bis März 1811 auf über eine Milliarde Gulden an, 100 Silbergulden erreichten einen Kurs von 833 gegenüber den Bankozetteln. Mit dem Bankrottpatent vom 25. Februar 1811 wurde dann ein Währungsschnitt vollzogen (der aber nur das Papiergeld betraf, nicht die in ungemessenen Mengen umlaufenden unterwertigen Scheidemünzen). Die Bankozettel wurden im Verhältnis 1:5 gegen sogenannte Einlösungsscheine (die "Wiener Währung") eingetausche 1; mit dieser Enteignung seiner Untertanen im großen Stil verband Kaiser Pranz I. 1816 das feierliche Versprechen, nie mehr Papiergeld mit Zwangskurs auszugeben oder eine Vermehrung des bestehenden Umlaufs durchzuführen. Zudem sollte das bereits zirkulierende Papiergeld allmählich eingezogen werden; für die Einlösung wurde die Nationalbank errichtet. Die geringe Bindungskraft des im Paragraphen 5 des Bankrottpatents auch gesetzlich festgehaltenen Verbotes der Ausgabe neuen Papiergeldes zeigte sich schon 1813, als aufgrund der unabsehbaren Kosten der Befreiungskriege nur ein neuer Name für die alte Methode gefunden wurde: Neben der offiziellen Emission von "Antizipationsscheinen" (Antizipation auf zukünftig zu erwartende Staatseinnahmen) von 45 Mio. fl. wurden insgeheim darüber hinaus weitere 380 Mio. fl. ausgegeben. Der Kurs der Wiener Währung (gegenüber dem Silbergeld) verschlechterte sich daraufhin wieder von 167 (März 1811) auf 430 im Juni 1815?2 29 Othmar Bachmayer, Die Geschichte der Österreichischen Währungspolitik, Wien 1960 (Schriftenreihe der Österreichischen Bankwissenschaftlichen Gesellschaft, Heft 12), S. 89. 30 Zit. nach: Josef Wysocki, Die österreichisch/ungarische Krone im Goldwährungsmechanismus, in: Eckart Sehremmer (Hg.), Geld und Währung vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1993 (VSWG, Beihefte, Nr. 106), S. 143 ff., S. 143. 31 Dazu Gaettens, Inflationen, S. 207/8. 32 Vgl. Bachmayer, Geschichte, S. 96.

I. Strukturbedingungen der Münzreform

39

Tabelle 1

Umlauf von Bankozetteln und deren Disagio gegenüber der Silberwährung in Österreich, 1800-1811 33 Bankozettelurnlauf (Ende des Jahres)

Kurs von 100 fl. C.M. (in Bankozetteln)

1800

200.948.588

115

1801

262.030.092

116

1802

337.172.339

120

1803

339.167.676

133

1804

337.665.610

135

1805

377.126.245

146

1806

449.793.361

175

1807

487.560.915

202

1808

524.239.979

222

1809

650.922.945

315

1810 (Juni)

942.170.786

395

1.060.798.000

833

1811 (März)

Die Noten der Nationalbank- d.h. das gesamte zu diesem Zeitpunkt umlaufende Staatspapiergeld - waren mit dem Patent vom 1. Juni 1816 zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt worden. Ihre Einlösung sollte dadurch gewährleistet werden, daß die Bank sämtliche aufgrund des Friedensvertrages von 1815 eingehenden Zahlungen fremder Mächte und alle disponiblen Münzvorräte der Staatskasse übertragen erhielt; zudem wurde ihr eine besondere Hypothek auf die Bergwerke und deren Ausbeute eingeräumt. Die Einlösung durch die mit solcherart Betriebsmitteln ausgestattete Bank ging freilich nur wenige Wochen glatt vonstatten, bis die Regierung in einer Panikreaktion auf vermeintlich zu große Einlösungen diese zunächst beschränkte und dann bis 1820 ganz einstellte, womit einmal mehr ein Kurssturz des Papiergeldes an der Börse unmittelbar hervorgerufen wurde. 34 Das Österreichische Währungssystem unterschied sich durch sein Papiergeld mit 33 34

Tabelle nach: Bachmayer, Geschichte, S. 93. Dazu Bachmayer, Geschichte, S. 98 ff.

40

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Zwangskurs und das völlige Fehlen umlaufenden Kurants damit fundamental von allen anderen im Deutschen Bund. Und auch wenn der Habsburgerstaat seine Grenzen für den Handelsverkehr weitgehend abschottete, hatte dennoch die Entwicklung des Österreichischen Geldwesens großen Einfluß namentlich auf die benachbarten süddeutschen Staaten, indem einmal das von Papiergeld und schlechten Scheidemünzen verdrängte Silber vor allem dorthin abfloß, und dazu noch in die unmittelbaren Grenzgegenden auch die unterwertigen Österreichischen Scheidemünzen in erheblichen Mengen eindrangen. b) Uneinheitlicher Geldumlauf in den einzelnen Währungsgebieten

Einige Aspekte der Heterogenität des Geldumlaufes in den Währungsgebieten des Deutschen Bundes sind bereits angedeutet worden: Zunächst verlief die Grenze zwischen den Taler- und den Guldenrechnungsgebieten nicht immer entlang der politischen Grenzen. Vielmehr hatte die territoriale Neuordnung von Reichsdeputationshauptschluß und Wiener Kongreß die Situation geschaffen, daß in manchen Staaten, etwa einigen thüringischen Fürstentümern und dem Kurfürstentum Hessen, in den einen Landesteilen nach Talern, in anderen hingegen in Gulden gerechnet wurde. Ebenso angesprochen wurde bereits das Problem, daß in einer ganzen Reihe von Talerstaaten - darunter bedeutenden Mittelstaaten wie Sachsen und Hannover die Rechnungseinheit zwar der Taler im 13 !-Talerfuß war, die tatsächlich ausgeprägten Münzen jedoch dem Konventionsfuß zugehörten. Es verwundert unter diesen Umständen nicht, gerade in Sachsen eines der Länder zu sehen, das von Anfang an zu den treibenden Kräften einer Münzvereinigung gehörte, die weder einen Anschluß an das süddeutsche noch an das norddeutsche System wollten, sondern die Reform mit dem Ziel einer wirklichen Neuordnung forderten 35 (wobei als zusätzliche Motive noch die vergleichsweise starke Orientierung der sächsischen Wirtschaft am Außenhandel, nicht zuletzt aber auch die bedeutende Leipziger Messe, auf der Kaufleute aus allen deutschen Regionen zusammenkamen, zu berücksichtigen sind).

35 Siehe den Antrag Sachsens bei der ersten Sitzung der Dresdner Münzkonferenz auf Einführung eines Dezimal-Münzsystems im Zollverein mit dem französischen Viertelkilogramm als Münzgrundgewicht Verhandlungen der allgemeinen Münzconferenz unter den Staaten des Zoll- und Handels-Vereins im Jahre 1838. Allgemeine Münzconferenz Protokoll I, 23.5.1838, S. 3 und 9, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Finanzministerium Abtheilungen für Handel, Gewerbe und Bauwesen, A X, Nr. 10 Vol. 2. (Ort der Dokumente aus dem GStAPK ist immer Berlin, wenn nicht anders angegeben).

I. Strukturbedingungen der Münzreform

41

Die schon angesprochene territoriale Neuordnung hatte weitere unmittelbare Auswirkungen auf das deutsche Münzwesen: Zunächst ließ die mit dem Reichsdeputationshauptschluß verbundene Reduktion der münzprägenden Stände viele Geldstücke "herrenlos" werden; für ihren Zustand fühlte sich nach dem Verschwinden des prägenden Standes niemand mehr verantwortlich, sie blieben zum Teil lange im Umlauf und nutzten sich dadurch ab? 6 Die Bedeutung dieser Länderverschiebung für das Münzwesen zeigte sich auch daran, daß im Guldengebiet mit Baden der Staat, der 1803 prozentual die größten Gebietsgewinne hatte verzeichnen können, der erst mit dem Reichsdeputationshauptschluß auf einen Schlag zum Mittelstaat von einiger Bedeutung gemacht wurde, wie Sachsen im Talergebiet zur treibenden Kraft von Münzvereinbarungen wurde. 1826 etwa regte Baden am Bundestag die Eröffnung von Verhandlungen über "Wiederherstellung einer geregelten Zustandes im Münzwesen" an. 37 Auch die erste Initiative zur dann mit dem Münchener Münzvertrag erfolgten süddeutschen Münzeinigung ging 1836 von Baden aus. 38 Neben dem Fortfall münzprägender Stände brachte die territoriale Umgestaltung Deutschlands unter französischem Druck auf der anderen Seite neue Staaten hervor, die mit ihrer Entstehung auch das selbstverständliche Souveränitätsrecht der Geldausmünzung beanspruchten. Vor allem der preußische Geldumlauf wurde dann, nach der erneuten Revision der Grenzen nach dem Wiener Kongreß, empfindlich durch die früheren Emissionen des Königreiches Westfalen und des Großherzogtums Warschau, die zu dieser Zeit nicht mehr existierten, gestört. In Westfalen wie auch im 1806 entstandenen Großherzogtum Berg, die beide ab 1810 dem französischen Währungssystem angeschlossen gewesen waren, zeigte die Bestandsaufnahme, welche die jetzt preußischen Herren 1815 vornahmen, deutlich die mit der Eingliederung von zuvor in unterschiedlichsten Herrschaftsverhältnissen befindlichen Gebieten in einen neuen Währungsraum verbundenen Schwierigkeiten: Nach Berichten der Kölner Handelskammer und der Regierung Düsseldorf liefen in der nördlichen preußischen Rheinprovinz gleichzeitig das sogenannte "Edict oder Gesetzmäßige" (i. e. Geld) nach dem 24-Guldenfuß Vgl. Sprenger, Das Geld, S. 156. Vgl. Schreiben des bayerischen Finanzministers Armannsperg an das Innenministerium, 25.4.1827, in: BHStA M H 15346. Geheime Acta. Ministerium des Innem. Münzverein der süddeutschen Staaten, in dem er über die Eröffnung Badens am Bundestag vom September 1826 berichtet. Vgl. Schultz, Kleine, S. 15. 38 1836 legte Baden bei der Generalkonferenz des Zollvereins in München eine Denkschrift vor (verfaßt vom späteren Bevollmächtigten Badens bei den Verhandlungen von 1837 und 1838 und künftigen Finanzminister Franz Anton Regenauer), die für den weiteren Gang der Münzeinigung im Zollverein von einiger Bedeutung war. Promemoria, das Münzwesen betreffend, unterzeichnet Regenauer, 29.7.1836, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2101. 36 37

42

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

aus Berg, dessen Kurantmünzen noch dazu zur Finanzierung des Staatshaushaltes stark unterwertig ausgebracht worden waren 39, sowie Clevisch Geld, Bergisch Kursmäßig, Gemeingeld, Frankfurter Geld (das im 16 ~-Ta­ ler- oder 25 ~-Guldenfuß ausgeprägt war) und französische Francs um. 40 Am Niederrhein fand sich neben französischem und preußischem außerdem holländisches Geld, in der Aachener Gegend rechnete man nach Talern zu 60 Stübern zu 4 Quart oder 16 Hellem. Eigentliche Landesmünze war hier der "Laub- oder Steuertaler" zu 2 Tlr. oder 120 Stübern. Eine wichtige Rolle spielten auf beiden Seiten des Rheins die Konventionstaler, die französischen Laubtaler (das war der Ecu, dessen deutscher Name auf die üppigen Lorbeerzweige anspielte, die das aufgeprägte königliche Lilienwappen umgaben41 ) und die Brabanter Kronentaler. Auch wenn die Situation in anderen Staaten des Deutschen Bundes nach 1815 nicht ganz so schwierig gewesen sein mag, so machen die später überall angestrengten Bemühungen zur Homogenisierung des Geldumlaufes doch deutlich, daß diese aus der territorialen Neuordnung entstandene Uneinheitlichkeit überall als schwerwiegendes Problem der Währungspolitik angesehen wurde. Ein weiterer Grund für die Heterogenität des Geldumlaufs in den einzelnen Währungsgebieten war das Nebeneinander von alten und neuen Münzen; darauf ist schon in anderem Zusammenhang hingewiesen worden. Dieses Problem konnte drei Dimensionen annehmen: Kaum von Bedeutung war der Umlauf älterer Münzen, wenn in der Vergangenheit ein Wechsel im Münzfuß vorgenommen worden war. Eine solche Veränderung hätte sich nur dann als problematisch erweisen können, wenn sie einen Übergang von einer leichteren zu einer schwereren Münze (oder von einem geringeren zu einem höheren Feingehalt) bedeutet hätte; dann wäre das alte Geld als leichteres, von geringerem Edelmetallgehalt, im Umlauf geblieben und hätte das neuere aus diesem verdrängt. "Die Geschichte und die Erfahrung" (um Zinzendorf zu paraphrasieren, dessen pessimistische und altersweise Aussage von 1806 bezüglich des Papiergeldes auch hinsichtlich der Aus39 In einem Gutachten, das der spätere technische Leiter der Münze in Düsseldorf, Noelle, verfaßte, beschrieb er namentlich die Münzpraktiken des Großherzogtums Berg als bloße Finanzspekulation ("Bericht über die Zustände in der französischen Zeit" vom 19.7.1816). Berg hatte zwischen 1801 und 1807 vor allem unterwertige Kurantmünzen in Umlauf gebracht und damit ca. 43.000 Tlr. Gewinn gemacht. Nach: Paul C. Martin, Die Einbeziehung der Rheinlande in den preußischen Währungsraum, in: Rheinische Vierteljahresblätter 32, 1968, S. 482 ff., S. 490. 40 Gutachten der Kölner Handelskammer vom 10.11.1815 und ein Bericht der Düsseldorfer Regierung vom 13.6.1815, nach: Schrötter, Das Preußische 1, S. 171. Vgl. auch Uwe Perlitz, Das Geld-, Bank- und Versicherungswesen in Köln 1700-1815, Berlin 1976 (Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen, Bd. 84), S. 117. 41 Vgl. Vom Taler zum Euro, S. 6.

I. Strukturbedingungen der Münzreform

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gabe von Metallgeld durch den Staat zu verwenden ist) zeigen jedoch, daß ein solcher Übergang von einem leichteren zu einem schwereren Münzfuß nicht vorkommt. 42 Das ergibt sich einmal aus dem eben geschilderten praktischen Problem, daß sich das neue Geld kaum würde halten können; vor allem aber kommt er nicht vor, da eine solche Aufwertung der eigenen Währung ein kostspieliges Unterfangen sein würde, während die tatsächlich immer wieder vorgenommene Abwertung (in diesem Fall: der Übergang zu einem leichteren Fuß) sogar einen Gewinn für die emittierende Institution versprach, weil mehr Münzen aus dem gleichen Münzgrundgewicht geschlagen werden konnten. Die Schwierigkeiten mit dem Umlauf älterer Münzen, deren Nominalwert, nicht jedoch ihr Metallgehalt den neu ausgegebenen entsprach, waren denn auch weniger die Folge von Reformen des Münzfußes; sie ergaben sich vielmehr aus der langen Umlaufszeit der alten Münzen (in Verbindung mit vielfach wenig entwickelter Prägetechnik). Silbermünzen, und noch mehr die aus weicherem Metall geprägten Scheidemünzen, die häufiger zu Zahlungen verwendet werden als beispielsweise die viel wertvolleren Goldmünzen, verlieren nämlich mit der Zeit und dem Wechsel von Hand zu Hand an Gewicht. Die dritte Dimension des Problems der weiterhin umlaufenden alten Münzen - neben deren Ausmünzung in einem anderen Münzfuß und der Abnutzung aufgrund der langen Umlaufsdauer- war der Umlauf von mit Bedacht ausgebrachten geringhaltigen Münzen (Kurant und Scheidemünzen), gewissermaßen der Produkte staatlich betriebener Falschmünzerei, was vor allem in Preußen gravierend war. Dazu später mehr. Die mit dem Umlauf geringhaltiger Münzen verbundenen Probleme verweisen auf den dritten Punkt dieser Darstellung der deutschen Währungsverhältnisse um 1815 und sollen auch dort eingehender behandelt werden; daß allerdings der Umlauf von alten Münzen, die weniger Warenwert hatten als die neuen, aber dennoch das gleiche Nominal trugen - und damit im Verkehr auch nur ungern oder unter Zwang angenommen, dafür um so lieber und schneller ausgegeben wurden - die Uneinheitlichkeit des Geldumlaufes förderte und damit dem möglichst reibungslosen Funktionieren des Geldwesens entgegenstand, sei bereits hier vermerkt. Schließlich trug das fortwährende Eindringen ausländischer Scheidemünzen zur Uneinheitlichkeit des Geldwesens der Staaten des Deutschen Bundes bei. Sie verstärkten vor allem in Süddeutschland noch die hausge42 Vgl. Helfferich, Die Reform 1, S. 4: "Wie überall in ganz Europa, so ist nämlich auch in Deutschland die Entwicklung der Münzsysteme charakterisiert durch die fortgesetzte Verringerung des Feingehaltes der Rechnungsmünzen, sowohl durch absichtliche Münzverschlechterung seitens der Münzherren, als auch durch die natürliche Abnutzung im Umlauf und durch betrügerisches Befeilen und Beschneiden der umlaufenden Münzstücke."

44

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

machte "unsägliche Vielfalt und Verwirrung"43 des dortigen Kleinmünzenwesens. Fremde Münzen (wenn sie nicht das Überbleibsel einer früheren Herrschaft wie in den ehemals französisch besetzten Gebieten waren) drangen einesteils über den kleinen Grenzhandel ein, der eben auch in Scheidemünze abgewickelt wurde. Gefährlicher freilich war die systematische Einbringung zu Spekulationszwecken, die aber nur so erfolgreich (bzw. bedrohlich) sein konnte, weil überall die Regierungen dabei versagten, selbst einen ausreichenden Umlauf an verläßlich werthaitigern Bargeld sicherzustellen. In dem Münzverruf der kurfürstlich bayerischen General-Landes-Direction vom Oktober 1802 ist die Rede von verschiedenen ausländischen "Sechser-Groschen-Vier-Zwei- und Ein-Kreuzer-Stücke[n] aus den benachbarten und entfernten Staaten", die infolge des Krieges in "dießseitige kurfürstliche Lande hereingeschoben, und im Publikum unbedenklich angenommen, und ausgegeben" worden seien. 44 Das Verrufungsedikt weist die Schuld für diesen Übelstand dem "schändlichsten Wucher" der Geldhändler zu; deren Erfolg aber, erfuhr die bayerische Staatsregierung in einem Bericht aus den schwäbischen Landesteilen, war ganz wesentlich eine Folge des Mangels an einheimischem Bargeld: "1. Ist es zwar sehr richtig, ...daß es für einen Staat sehr bedenklich sey, durch Münzverruf die Summe des haaren kursirenden Geldes zu vermindern, solange eine Surrogat [sie] von einheimischer, oder fremder guter Münze ausgemittelt ist, weil durch Verminderung des haaren Geld Vorraths der Umtrieb der Gewerbe, zumal im Kleinen gehemmt wird. 2. Eben so richtig ist es, daß es für den innern Verkehr eines Landes immer noch besser ist, fremde sogar etwas geringhaltige Scheidemünze zu haben, als an diesen ganz oder größtentheils Mangel zu Ieiden."45 Und auch die zahlreichen Beschwerden gegen die (von der mittlerweile königlichen Regierung) wiederholte Verfügung des Verbotes fremder Scheidemünzen von 1806 wiesen auf den großen Mangel an einheimischen Kleinmünzen hin. 46 Aussagen über einen übermäßigen Umlauf an Kleinmünzen und gleichzeitig über den Mangel an derartigen Zahlungsmitteln scheinen nicht mitRittmann, Deutsche, S. 474. Münzverruf durch die Churfürstliche General-Landes-Direction, 15.10.1802, in: BHStA M H 659. Geh. Raths Acten. Scheidemünz-Wesen. Cours Devalvazion. 1802 bis 1803. 45 Ebd.: Vortrag über die Anwendbarkeit des Kurfürstlichen Münz Verrufs vom 15ten Oktob. 1802 auf die schwäbischen Entschädigungslande, Ulm, 1.3.1803. Referent Miller. 46 Königliche Verfügung vom 24.10.1806, in: BHStA M H 681. Geh. Raths Acten. Generalia. Scheidemünz-Weesen. Cours Devalvazion. 1806 bis 1807. Ebd. finden sich auch Klagen über diese Verfügung, u. a. seitens der Landes Direction Schwaben (Ulm, 21.10.1806), der Augsburger Kaufmannschaft (15.11.1806) und der Landes Direction der Provinz Neuburg (Neuburg, 25 .11.1806). 43 44

I. Strukturbedingungen der Münzreform

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einander vereinbar zu sein; der vermeintliche Widerspruch löst sich freilich auf, wenn man sich vor Augen führt, daß es in Wirklichkeit vielmehr zwei unterschiedliche Arten von Geld waren, die hier als Scheidemünzen kursierten: Es gab zu viele Scheidemünzen, die alt und abgenutzt, nach unterschiedlichen Rechnungssystemen und in schlechter Legierung ausgebracht worden waren. Diese Münzen, ob sie bayerischer oder fremder Provenienz waren, störten den Geldumlauf, weil sie nach unterschiedlichstem Kurs zu berechnen waren (so daß sie praktisch nie ihrem Nominalwert entsprachen), sie in ihrer Teilung nicht in das jeweilige Münzsystem paßten (häufig gar in ein ganz anderes Münzsystem gehörten, was schon die Umrechnung ihres nominalen Wertes unendlich kompliziert machte, geschweige denn die Einbeziehung der jeweils zu berechnenden Disagios) und überhaupt jedermann bestrebt sein mußte, diese schlechten Münzen entweder gar nicht zu akzeptieren oder zumindest möglichst schnell unter möglichst kleinem Verlust wieder loszuwerden. Mangel hingegen herrschte an inländischen Scheidemünzen, die sich einfach in das Münzsystem einpaßten und bei denen sich der Verwender auf die Wertbeständigkeit verlassen konnte, darauf, daß er durch das Halten dieser Münzen (außer den entgangenen Zinsen) und ihre Benutzung als Zahlungsmittel keinen Verlust in Kauf nehmen mußte. (Jene Funktion als Wertaufbewahrungsmittel macht neben der Tauschmittelund der Rechenmittelfunktion eine der wesentlichen Eigenschaften des Geldes aus.) Ob allerdings die offiziellen Berichte und Stellungnahmen dem Problem der spekulativen Einfuhr fremder Scheidemünzen die ihr zukommende Bedeutung zumaßen, ob also aus damaliger Sicht damit wirklich ein erhebliches Risiko für die Stabilität der Währungen verbunden war, oder ob die Verfasser sich nicht nur eines weitverbreiteten Topos bedienten, um Forderungen nach einer Liberalisierung der Währungsverfassungen bzw. nach dem Einsatz (aufwendiger) geldpolitischer anstatt (billiger) gesetzgebenscher Maßnahmen entgegnen zu können, ohne sich auf eine grundsätzliche Debatte über die Ziele der Wirtschaftspolitik und darüber, welche Richtung der sozialen und ökonomischen Entwicklung wünschenswert sei, einlassen zu müssen, läßt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Ein Indiz für die Verwendung des Spekulations- bzw. Wucher-Topos im letzteren Sinne mag jedoch der immer wiederkehrende Hinweis auf die Juden sein - und damit die Verbindung mit dem Rekurs auf ein anderes Stereotyp -, welche die Verantwortung trügen für den schädlichen Import fremder Münzen.47 Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Bericht des preußischen Staatsministeriums über die Münzverhältnisse der westlichen Provin47 Nur ein Beispiel von vielen: Befehl des bayerischen Finanzministeriums an sämtliche Staatskassen, 6.11.1823, in: BHStA M H 665. Geh. Raths Acten. Auswechslung von Conventions-Münze in oeffentlichen Cassen. 1823.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

zerr vom Juni 1821, in dem die Ablehnung der sich ausbreitenden kapitalistischen Wirtschaftsweise, Revolutionsfurcht und ein mit beidem zusammenhängender Antijudaismus eine für den Vormärz charakteristische Verbindung eingingen. Dort heißt es, es sei eine der dringendsten Notwendigkeiten, auch in den westlichen Provinzen dem bisherigen Mangel an Scheidemünze endlich und so schleunig als möglich abzuhelfen, da dieser für die ärmeren Volksklassen, besonders für die in jenen Gegenden so zahlreichen Fabrikarbeiter, höchst drückend sei; diesen würden durch das Aufdrängen der schlechtesten Scheidemünzen des Auslandes, "durch deren wucherliches Einbringen sich nur fremde Juden und Banquiers nebst den Fabrik-Inhabern bereichern", 30 bis 40% ihres wohlverdienten Arbeitslohns entzogen. 48 Die gleichen Argumente wurden im übrigen zweieinhalb Jahrzehnte später in der Debatte um die Bankfreiheit erneut von gouvernementaler Seite verwendet, dann um die Forderungen nach einer Liberalisierung des (insbesondere Noten-) Banksektors zurückweisen zu können. Im Diskurs um die Entwicklung der Währungsverfassung, dieser wichtigen Schnittmenge von staatlicher und sozialökonomischer Sphäre, zeigte sich das Muster der gegensätzlichen Interpretation wirtschaftlichen Verhaltens, das ein Kennzeichen der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen im 19. Jahrhundert gewesen ist (in Preußen gilt dies namentlich nach der Erneuerung des gesellschaftlichen "Fundamentalkompromisses" zwischen Monarchie und gutsbesitzendem Adel49 , der in der Reformzeit vorübergehend zerfallen war, mit dem "Allgemeinen Gesetz wegen Anordnung der Provinzialstände" vom Juni 1823). Während für den Importeur fremder Scheidemünzen (oder später Papiergeld bzw. Banknoten) diese eine Ware verkörperten, deren Einfuhr sich aufgrund des spürbaren Mangels an Bargeld lohnte, stellte er aus konservativer Regierungssicht damit ein wesentliches Recht und Souveränitätskennzeichen des Staates in 48 Bericht des preußischen Staatsministeriums (Altenstein, Kircheisen, Bülow, Lottum, Bernstorff, Hake) an den König, 21.6.1821 in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. l. Zur charakteristischen Verbindung von Mißtrauen gegenüber der kapitalistischen Wirtschaftsentwicklung und Revolutionsfurcht vgl. auch die Ausführungen des preußischen Oberpräsidenten v. Lüttwitz "Ueber Verarmung, Armengesetze, Armen-Anstalten und ins Besondere, über Arrnen-Colonien mit vorzüglicher Rücksicht auf Preußen", Breslau 1834, S. 6: In Frankreich wie in Preußen sei "in Folge der Gewerbefreiheit und der Freizügigkeit der Pöbel ... an Zahl ... aus unverschuldet und schuldig Verarmten zu einer furchtbaren Macht" geworden, "die nicht bloß den Thron von Paris, sondern ganz Buropa erschütterte, und ohne Aenderung forthin bedrohen wird." Zit. nach: Wolfgang Dreßen, Gesetz und Gewalt. Berlin 1848. Revolution als Ordnungsmacht, Berlin 1999, S. 43. 49 Vgl. Paul Nolte, Staatsbildung als Gesellschaftsreform. Politische Reformen in Preußen und den süddeutschen Staaten 1800-1820, Frankfurt a. M./New York 1990 (Historische Studien, Bd. 2), S. 105.

I. Strukturbedingungen der Münzreform

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Frage. Befriedigte der Geldimporteur ein bestehendes Bedürfnis, erwirtschaftete auf diese Weise einen legitimen Gewinn und handelte damit aus seiner (liberalen) Sicht als Ausführungsorgan der "invisible band" des Marktmechanismus, mußte dieses Treiben - mit dem noch dazu die Unfähigkeit oder der Unwillen des Staates nachgewiesen wurde, selbst eine "hinlängliche Menge inländischer Gold- und Silbermünzen" zur Verfügung zu stellen50, wie es seine Aufgabe auch aus staatlicher Sicht gewesen wäre - der jeweiligen Regierung als Gefährdung der bestehenden Gesellschaftsordnung erscheinen und damit als Spekulation im Sinne von Wucher in Acht und Bann getan werden. Die Gefahr, die der Sieg der liberalen Interpretation solchen Verhaltens für die konservative Gesellschaftsordnung mit sich bringen würde, hatten schon die Gegner der Französischen Revolution beschworen: "Der Durst des Gewinns wird alle Werkstätten beleben; und wie die Rechtschaffenheit nicht immer der sicherste Weg ist, zum Reichthume zu gelangen, so wird das ganze Publicum, Fremde sowohl als Einheimische, immer durch die geheimen Mittel betrogen werden, welche die List gebrauchen wird, sie zu verblenden und zu verführen ... Jeder Arbeiter wird für seine eigene Rechnung schaffen wollen; die dermaligen Meister werden ihre Läden und Warenzimmer verlassen sehen; der Mangel an Arbeit und die Dürftigkeit, welche daraus folgen, wird diese Menge aus den Werkstätten, wo sie ihren Unterhalt fanden, geflüchteter Gesellen aufrührerisch machen; und diese Leute, die nichts wird im Zaume halten können, werden die größten Verwirrung anrichten. " 51 Die hohe Priorität, welche die Verdrängung der ausländischen Münzen in den Münzreformbemühungen über viele Jahre hatte, zeigt jedoch, daß die mit ihrem Eindringen - auf welchem Weg es auch immer geschah - verbundene Bedrohung für die Exklusivität des staatlichen Münzregals durchaus als reale Gefahr gesehen wurde. Die Umrechnungskurse einer Münztabelle aus Sachsen-Meiningen-Hildburghausen vom Anfang der 1830er Jahre zeigen beispielhaft, daß die dargestellte Heterogenität des Münzwesens der Staaten des Deutschen Bundes vor allem der Wirtschaft in den kleineren unter ihnen, die ja gleichsam nur aus Grenzterritorium bestanden und deren Landesherren nicht annähernd in 50 Gesetz über die Münzverfassung in den Preußischen Staaten, 30.9.1821, Präambel, in: GS 1821, No. 673, S. 159. Zur unzureichenden Geldversorgung in den Staaten Südwestdeutschlands vgl. Willi A. Boelcke, Wirtschaftsgeschichte BadenWürttembergs von den Römern bis heute, Stuttgart 1987, S. 209. 51 Rede des konservativen Generaladvokaten Sequier vom 12. März 1776, aus: Ephemeriden der Menschheit oder Bibliothek der Sittenlehre und Politik, Bd. 2, Leipzig 1778, S. 165- 184, zit. nach: Michael Stürmer, Die Suche nach dem Glück: Staatsvernunft und Utopie, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hgg. v. Kurt G.A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph von Unruh, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, Stuttgart 1983, S. 1 ff., S. 3.

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

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der Lage waren, einen eigenen Münzumlauf aufrechtzuerhalten, weswegen bei ihnen fremde Münzen häufig das gewöhnliche Zahlungsmittel darstellten, ein hohes Maß an Rechenkunst abnötigten. Dort galt ein sogenannter Reichstaler (d.h. ein preußischer Taler im 14-Talerfuß)

= 1 1/7 Meißnische Gulden = 1 115 Fränkische Gulden

= 1 112 Rheinische Gulden = 1 11/21 Markwährungsflorin

= 18 Batzen = 24 Gute Groschen

= 25 115 Leichte Groschen = 32 Markwährungsgroschen

=90 Kreuzer = 288 Leichte Pfennig

= 302 2/5 Pfennig Pfennige. 52 Derartige Zustände mußten jede wirtschaftliche Entwicklung in diesen Staaten durch die immens hohen Transaktionskosten, die mit der Verwendung derartig vieler Münzen verbunden waren (nicht nur die Kosten des Umrechnens fallen darunter, sondern auch die der Feststellung des Feingehaltes, der Überprüfung ihrer Echtheit und der Absicherung gegen eventuelle Kursverluste eines Geldes usw.) geradezu paralysieren. Die Motive der größeren deutschen Staaten, auf dem Wege des Abschlusses von Münzverträgen zu überstaatlichen Regelungen des Geldwesens gelangen zu wollen, lassen sich für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht aus einer zunehmenden Integration von Waren- und Kapitalmärkten erklären; dies wird später noch eingehender zu diskutieren sein. Für die zahlreichen Klein- und Kleinststaaten jedoch bedeutete jede Form des wirtschaftlichen Austausches an sich in den meisten Fällen nichts anderes als Außenhandel zu treiben, weil die dortigen Wirtschaftsräume weder im Umfang noch in der Wirtschaftsleistung sich selbst genügen konnten. Hier waren die durch die geldpolitische Kleinstaaterei hervorgerufenen Kosten ohne Zweifel eine kaum tragbare Belastung - gleiches gilt im übrigen auch für die Behinderungen durch die Zollgrenzen zwischen den deutschen Staaten, die für die größeren, arrondierten Territorien aufgrund des bis weit in die 1840er Jahre hinein sehr geringen zwischenstaatlichen Handels kaum eine Einschränkung 52 Nach: Hermann Kellenbenz, Zahlungsmittel, Maße und Gewichte seit 1800, in: Hermann Aubin/Wolfgang Zorn (Hg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2: Das 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, S. 934 ff., s. 940.

I. Strukturbedingungen der Münzreform

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bedeuteten, während sie in den kleinen Staaten jede Form des wirtschaftlichen Aufblühens zu hindem vermochten. 53 c) Zerrüttung des Geldumlaufs

Die bisher dargestellten Probleme des deutschen Münzwesens - die Vielfalt der Währungssysteme und deren Heterogenität - müssen überwiegend als zwar unzweifelhaft schädlich, dabei jedoch eher lästig oder die wirtschaftliche Entwicklung hemmend denn als wirklich gefährlich für die gesellschaftliche oder politische Stabilität kategorisiert werden. Betroffen waren davon überdies vordringlich eher marginale Wirtschaftszweige, gesellschaftliche Gruppen und Territorien: Dies waren der überregionale Handel, welcher zu der Zeit aber noch keine große Rolle im gesamten Wirtschaftsgeschehen spielte, und Reisende54 (und alle von ihnen lebenden Berufs53 Zwischenstaatliche Handelsströme zu messen, ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgrund fehlenden Zahlenmaterials mit unüberwindlichen Schwierigkeiten behaftet. Dumke versucht eine Schätzung für 1837, die zumindest den geringen Umfang des Handels der norddeutschen mit den süddeutschen Ländern andeutet, Rolf Horst Dumke, Intra-German Trade in 1837 and Regional Economic Development, in: VSWG 64, 1977, S. 468 ff., S. 492/3 und 494-6. Zudem weist Dumke die nur geringe Bedeutung der innerdeutschen Zollgrenzen für die wirtschaftliche Entwicklung nach, indem er nach den Veränderungen in den Handelsströmen durch die Gründung des Zollvereins fragt; ders., Die wirtschaftlichen Folgen des Zollvereins, in: Werner Abelshauser/Dietmar Petzina (Hg.), Deutsche Wirtschaftsgeschichte im lndustriezeitalter. Konjunktur, Krise, Wachstum, Königstein (Taunus) 1981, S. 241 ff., S. 244. Relativ dichte und weitreichende Verflechtungen schon vor der Gründung des Zollvereins und vor dem Eisenbahnbau hingegen nimmt Hermann Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte. Band Il: Vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, München 1981, S. 125, an. So sei beispielsweise steirischer Stahl in Nümberg verarbeitet worden, die Eisenproduktion des Siegerlandes nach Frankfurt und schlesische Kohle bis nach Berlin gelangt, das westfälisches Textilgewerbe habe Wolle aus Sachsen und Schlesien verarbeitet, usw. Von Marktintegration zu sprechen macht allerdings nur Sinn, wenn dieser interregionale Handel auch von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung gewesen ist, wofür sich weder hier noch an anderer Stelle andere als anekdotische Nachweise finden lassen. Siehe dazu den folgenden Abschnitt. 54 Vgl. etwa die Äußerung Johann Ludwig Klübers, eines Heidelberger Hochschullehrers: "Denke man sich hinzu die Münzplackerei der Reisenden [... ]. Reise nur, wer davon durch Erfahrung noch nicht belehrt ist, von Frankfurt am Main nach Wittenberg durch die Gebiete von Frankfurt, Kurhessen, Weimar, Eisenach, Gotha, Preußen (Erfurt), abermals Weimar, Preußen (Naumburg), Königreich Sachsen, wieder Preußen . . . Auf jeder Poststation, in jeder Schenke wird ihn die Münzplage überfallen, am meisten wenn er zu Fuß, oder mit Mieth- oder eigenen Pferden, zumal als Frachtfuhrmann reiset, folglich genöthigt ist, öfter und länger an- und sich aufzuhalten, als bei flüchtigen Reisen mit Extrapost oder Eilwagen." J.L. Klüber, Das Muenzwesen in Teutschland nach seinem jetzigen Zustand mit Grundzuegen zu einem Muenzverein Teutscher Bundesstaaten, Stuttgart/Tübingen 1828, S. 3. Vgl.

4 Ono

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gruppen, vor allem die Gastwirte, deren Kasseninhalte immer wieder gerne als Demonstration der aus heutiger Sicht absurden Vielfalt der verwendeten Münzen herangezogen werden), die in der Voreisenbahnzeit zwar eine prominente, jedoch keinesfalls quantitativ bedeutende Gruppe darstellten. Daneben trafen die mit der Mannigfaltigkeit der Münzsysteme verbundenen Behinderungen der Zahlungsabwicklung in erster Linie die Grenzregionen, insbesondere die zahlreichen Enklaven, und die Kleinstaaten. Ein Problem von einer ganz anderen Größenordnung stellte jedoch der Fall jener umlaufenden Münzen dar, deren Metallgehalt niedriger war als ihr Nominalwert angab, die aber dennoch, weil sie gesetzliches Zahlungsmittel waren, d. h. ihr Kurs vom Gesetzgeber festgelegt worden war, im inländischen Verkehr ebenso viel galten wie die vollhaltigen Münzen. Das gefährdete die Stabilität der Währungen und berührte daneben einen zentralen Gegenstand des Rechtswesens, das Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei diesem Thema von einer Zerrüttung der Geldverhältnisse zu sprechen. Auch wenn die Ursachen dieser Zerrüttung im Kurant- und Scheidemünzenwesen sehr ähnlich gewesen sind, waren ihre Auswirkungen doch spezifisch andere in beiden Bereichen, so daß sie hier getrennt behandelt werden sollen. 1. Die Zerrüttung des Kurantumlaufs: Eine Metallwährung funktioniert dann einwandfrei, wenn die in ihr umlaufenden Hauptmünzen in ihrem Nominalwert dem Edelmetallwert entsprechen; man spricht dann von einem Kurantgeld. 55 Um diese Stabilität zu gewährleisten, müssen aber die umlaufenden Münzen einer stetigen und peniblen Kontrolle unterworfen werden, ob ihr Passiergewicht noch innerhalb einer (sehr eng zu bemessenen) Toledazu auch: Wemer Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im Neunzehnten Jahrhundert, Berlin 2 1909, S. 3- 9, der plastisch die Schwierigkeiten des Reisens in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts beschreibt, die eine Folge der schlechten Straßen und unbequemen Transportmittel, der "unausgesetzten Zoll- und Oktroiplackereien" (S. 6) und der Münzverwirrung gewesen seien: "Und der geplagte Reisende, der mehrere dieser souveränen Reiche durchquerte, hatte nicht nur unausgesetzt sich mit den Zollwächtern herumzuschlagen: was ihn zur Verzweiflung bringen mußte, waren die Plackereien mit den hunderterlei Münzen, die es immerfort zu wechseln galt." Zudem hätten die Reisenden unter der schlechten Unterbringung in dürftigen Rasthäusern zu leiden gehabt (was aber nun eine zeitlose Klage ist). 55 "Jede Münze ist gut, deren Werth dem, was der Stempel verspricht, gemäß ist." Aber: "Die Münze hört auf gut zu seyn, sobald ihr Werth dem Versprechen des Staats in Ansehung ihres Gehalts, den sie haben soll, nicht mehr entspricht." Johann Georg Büsch, Neunter Anhang zu der Abhandlung von den Banken. Ueber Bankgeld, Münze und Münzverwirrung in näherer Rücksicht auf den Lübischen Münzfuß, nebst zwei Anhängen über den Schlagschatz und die Schwierigkeit der Einführung einer allgemeinen Münze (zuerst 1787), in: Ders., Sämtliche Schriften über Banken und Münzwesen, Harnburg 1824 (ND Vaduz 1985), S. 561 ff., S. 576 und 582. Vgl. Eckart Schremmer, Über "stabiles Geld". Eine wirtschaftshistorische Sicht, in: Ders. (Hg.), Geld, S. 9-44, S. 12.

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ranz liegt56, und die ausgebende Institution (der ausgebende Staat) muß sich verpflichten, die Münzen, welche der Prüfung nicht standhalten, einzuziehen und einzuschmelzen. Dieser Pflicht waren die deutschen Staaten im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert allerdings nicht im erforderlichen Maß nachgekommen, so daß eine große Anzahl abgenutzter und geringhaltiger Münzen umlief. Wenn eine Münze vorwiegend als Handelsmünze gebraucht wird, und wenn sie dabei als Ware nach ihrem Metallgehalt bewertet wird (al marco, im Gegensatz zur stückweisen Bewertung al pezzo, als Münze), kompliziert ein solcher Gewichtsverlust zwar die Wertermittlung; dies dürfte ab einem bestimmten Zeitpunkt dazu führen, daß die Annahme derartiger Münzen zu Zahlungszwecken verweigert wird, weil die mit ihrer Verwendung verbundenen Transaktionskosten (hier: die Ermittlung ihrer Werthaltigkeit) die eigentlich durch die Geldverwendung erreichte Ersparnis von Transaktionskosten aufwögen. 57 Ein wirkliches rechtliches Problem tritt allerdings erst dann ein, wenn eine geringhaltige Münze nichtsdestoweniger ihre Funktion als gesetzliches Zahlungsmittel (obligatorisches Geld58) behält. Die Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel zwingt den Gläubiger, vom Schuldner eine Zahlung in dieser Münze zum Nominalkurs zu akzeptieren, was ihm einen entsprechenden Verlust einträgt. Es ist dieser Mechanismus, der Inflationsperioden zu Zeiten macht, in denen sich Schuldner ohne großen Aufwand auf Kosten der Gläubiger eines Teils ihrer Verbindlichkeiten entledigen können. Eine derartige Enteignung der Gläubiger aber wird dem umlaufenden Geld das Vertrauen der Bevölkerung entziehen und damit die entscheidende Geldfunktion in Frage stellen: "Das Vertrauen der Gesellschaft, in der das Geld zirkuliert(e), war und ist entscheidend für die Funktion, welche es einnehmen konnte. Vertrauen in den Wert eines Gegenstandes, einer Münze oder eines Stückes Papier, Vertrauen, dafür einen entsprechenden Gegenwert jetzt oder in Zukunft erhalten zu können, Vertrauen, daß andere Menschen diesem ,Zahlungsmittel' denselben oder zumindest einen annähernd hohen Wert beimessen, wie man es bei der Annahme selbst getan hat - dieses Vertrauen erst macht Geld 56 Das Passiergewicht ist das Gewicht einer Münze, das (unter Einbeziehung des Remediums, der tolerierten Abweichung bei der Herstellung) durch Abnutzung nicht unterschritten werden darf. Im Münzvertrag der Zollvereinsstaaten von 1838 wurde beispielsweise das Remedium der neugeschaffenen Vereinsmünze (des Doppeltalers) auf maximal 3/1000 (Artikel 8), die maximal zu tolerierende Abnutzung auf ein halbes Prozent vom Normalgewicht (Artikel V der Separatartikel) festgelegt. Allgemeine Münzkonvention der zum Zoll- und Handelsverein verbundenen Staaten, 30.7.1838, in: GS 1839, No. 1960, S. 18. 57 Vgl. etwa Rudolf Richter, Institutionen ökonomisch analysiert. Zur jüngeren Entwicklung auf einem Gebiet der Wirtschaftstheorie, Tübingen 1994, S. 38: "Die Verwendung von Geld als indirektem Tauschmittel ist ohne Berücksichtigung von Transaktionskosten wirtschaftlich rational nicht begründbar." 58 Vgl. Veit, Grundriß, S. 81 u. 82. 4*

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tatsächlich zu einem für das Wirtschaftsleben einer Gesellschaft entscheidenden Faktor: ,Geld ist, was Geld gilt.' "59 Der Landesherr, der mit der Aufprägung seines Bildes (bzw. staatlicher Hoheitszeichen, wie etwa Wappen) auf die Münzen den Geldwert persönlich garantierte - diese Gewähr war die eigentliche Begründung des Monopols der Geldausgabe60 und damit auch des dafür erhobenen Preises, der darin bestand, daß der nominelle Wert einer Münze in der Regel ein wenig über dem ihres Warenwertes lag61 -, mißbrauchte seine Autorität, um kurzzeitig eine "Geldillusion" hervorzurufen. Damit aber wurde der Geldwert, der nichts anderes ist als "das Bewußtsein von der Gültigkeit des Wertversprechens, das im Geld verkörpert ist", also ein "Glaube an das Geld"62, nur um so nachhaltiger beschädigt. Unterwertige Kurantmünzen liefen Anfang des 19. Jahrhunderts in den deutschen Staaten aus zwei Gründen in großer Zahl um: Zum einen war dies eine Folge der unzureichenden Kontrolle des Münzumlaufes. Eine vollhaltige Metallwährung aufrechtzuerhalten, erfordert eine ausgereifte Herstellungs- und Prägetechnik (etwa zur Sicherung der einheitlichen Legierung) sowie eine strenge und einheitliche Aufsicht sowohl der Münzherstellung als auch ihres Umlaufes, die aufwendig und damit teuer ist. Beides konnten die meisten deutschen Regierungen insbesondere in den Umbruchszeiten der Napoleonischen Kriege und der staatlichen Neuordnung aus finanziellen wie organisatorischen Gründen nicht gewährleisten. Die abgenutzten Münzen einzuziehen, ohne im Gegenzug neue auszugeben, kam aufgrund des ohnehin permanent spürbaren Mangels an Bargeld dagegen nicht in Frage. Auf diese Weise blieben die Münzen lange im Umlauf, sie nutzten sich durch die häufige Verwendung ab und enthielten so am Ende sehr viel weniger Silber, als ihre Umschrift angab. 59 Markus A. Denzel, "Geld ist, was gilt." Eine Einführung in die Geschichte des Geldes, in: Sozialwissenschaftliche Informationen 26, 1997, S. 82 ff. , S. 82. Vgl. Mitton Friedman/Anna Jacobson Schwartz, A Monetary History of the United States 1867-1960, Princeton 1963 (National Bureau of Economic Research. Studies in Business Cycles), S. 696, die auf das amerikanische Papiergeld bezogen ausführen: "The pieces of green paper have value because everybody thinks they have value, and everybody thinks they have value because in his experience they have had one." 60 Aus der ursprünglichen Aufgabe des Begutachtens von Gewicht und Feingehalt der Materialien, die allgemein als Geld dienten, erwuchs im Mittelalter dann die Theorie des "valor impositus", der (wie Hayek schreibt) "Aberglaube", daß es der Regierungsakt des Prägens sei, der dem Geld überhaupt erst seinen Wert verleihe. Vgl. Hayek, Entnationalisierung, S. 9. 61 Vgl. Eckart Sehremmer/Jochen Streb, Revolution oder Evolution? Der Übergang von den feudalen Münzgeldsystemen zu den Papiergeldsystemen des 20. Jahrhunderts, in: VSWG 86, 1999, S. 457 ff., S. 460. 62 Günter Schmölders, Psychologie des Geldes, München 1982, S. 146.

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Zum zweiten war es in Zeiten akuter staatlicher Finanznot von der Erkenntnis, daß sich das Prägemonopol auch finanziell durch das Einbehalten des Schlagschatzes lukrativ ausbeuten ließ63 , nur noch ein kleiner Schritt zur (kurzfristig) noch weit lohnenderen Einziehung der umlaufenden Münzen und ihrer Wiederausgabe mit geringerem Feingehalt.64 Die Münzverschlechterung war das einzige Mittel, zu einer schnellen und ausgiebigen Vermehrung der Zahlmittel zu gelangen, zumal wenn sich eine Erhöhung der Steuern verbot65 (oder, wie beispielsweise im Falle Preußens zu Zeiten der französischen Besetzung, praktisch nicht möglich war). Im 18. Jahrhundert war es vor allem Friedrich II. von Preußen gewesen, der sich zur Finanzierung des Siebenjährigen Krieges als königlicher Falschmünzer betätigte: Er hat den Gehalt seiner Münzen ständig verschlechtert, Jahreszahlen und Münzzeichen gefälscht, "ja selbst vor dem Ärgsten, der Prägung unterwertigen Geldes unter fremden, insbesondere sächsischen Stempeln nicht zurückgeschreckt. " 66 Zwar wurde 1764 in Preußen die Graumannsehe Münzreform wieder in Kraft gesetzt. (Mit dem Münzedikt vom 14. Juli 1750 war Preußen zur Beseitigung der aus den ersten beiden schlesischen Kriegen entstammenden Münzverwirrungen vom 18- zum 21-Guldenfuß (= 14-Talerfuß), dem nach Friedrichs Münzmeister sogenannten Graumannscben Münzfuß, übergegangen. Der neue preußische Taler bekam die Bezeichnung Reichstaler. 67) Aber auch die in der weiteren Regierungszeit Friedrichs bis 1786 geprägten Münzen waren von schlechter Qualität; 1815 mußte Finanzminister Bülow feststellen, die friderizianischen Münzen seien häufig im Gewicht ungenau, dazu ohne Rand geprägt worden; obendrein hätten sie sich durch häufige Abnutzung und Manipulation "gewinnsüchtiger Leute" (beispielsweise durch Abfeilen) in ihrem Feingewicht stark ver63 Vgl. Josef Kufischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Zweiter Band: Die Neuzeit, Berlin 2 1958, S. 339: "Die zeitgenössische merkantilistische Literatur hielt es für ganz in der Ordnung, wenn der Staat sein Münzrecht unter einem rein fiskalischen Gesichtspunkte behandelte." 64 Vgl. Hayek, Entnationalisierung, S. 10. 65 Vgl. Friedrich Freiherr v. Schrötter, Epochen der Brandenburg-Preussischen Münzpolitik, in: Bank-Archiv. Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen, 4, 1904/05, S. 116 ff., S. 120. 66 Ferdinand Friedensburg, Münzkunde und Geldgeschichte der Einzelstaaten des Mittelalters und der neueren Zeit, Berlin 1926 (ND München 1972), S. 118. Friedrich ließ in den verpachteten sächsischen Münzstätten Taler prägen, die nur noch ein Drittel des vorgeschriebenen Feingehaltes hatten. Nach dem Namen der Pächter Ephraim, Itzig und Ko. schmiedete der Volksmund den Vers: "Von außen schön, von innen schlimm, von außen Friedrich, von innen Ephraim." Max Wirth, Das Geld. Geschichte der Umlaufsmittel von der ältesten Zeit bis in die Gegenwart, Leipzig/Prag 1884, S. 79/80. 67 Zur Graumannsehen Münzreform vgl. Adolf Soetbeer, Litteraturnachweis über Geld- und Münzwesen, insbesondere über den Währungsstreit, 1871-1891, Berlin 1892, S. 19; Rittmann, Deutsche, S. 361- 368.

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ringert. Die Münzen der jetzigen und der vorherigen Regierung hingegen seien sehr sorgfältig ausgeprägt worden (was sich allerdings ausschließlich auf das Kurantgeld bezog). Daher habe sich ein "augenfälliges Mißverhältniß" zwischen den Münzen ausgebildet, weswegen vor allem die ungeränderten Vierzig-Groschen-Stücke von 1764-1786 außer Kurs gesetzt werden müßten und von den staatlichen Kassen nicht mehr ausgegeben werden dürften. Ebenso sollte in der Folge mit den 20-Groschenstücke verfahren werden. 68 2. Die Zerrüttung des Scheidemünzenumlaufs: Der Nennwert der Kurantmünzen einer Metallwährung muß aufgrund ihres Edelmetallgehaltes stets ein relativ hoher sein. Münzen mit niedrigen Nominalen würden sonst für den praktischen Gebrauch zu klein ausgeprägt werden müssen. Dieser hohe Nennwert der Kurantmünzen macht zur Ausgleichung von Bruchteilen der Rechnungsmünze (beispielsweise des Talers) und für den Kleinverkehr die Ausprägung von Scheidemünzen notwendig. Der Warenwert der Scheidemünzen ist im Verhältnis zu dem ihnen hoheitlich zugeordneten Nennwert gering69 ; in der Regel wurden sie aus einer minder feinhaltigen Silberlegierung (Billon), einem weniger wertvollen (Kupfer) oder unedlen Metall (Nickel) hergestellt. Scheidemünzen müssen unterwertig sein, ansonsten würden sie aus dem Verkehr zu verschwinden drohen, sobald der Metallwert der Scheidemünzen im Vergleich zu dem der Währungsmünzen steigt. 70 Die Abhängigkeit ihres Wertes von hoheitlicher Festlegung macht Scheidemünzen besonders anfällig für die Versuche der emittierenden Staaten, durch übermäßige Ausprägung fiskalische Zwecke zu verfolgen (ohne gleich auf Falschmünzerei zurückgreifen zu müssen, wie das beim Kurantgeld notwendig gewesen wäre). Das fiel auch deshalb besonders leicht, weil es keine "natürliche" Obergrenze gab, die den Umlauf von Kleinmünzen beschränkt hätte. Erst mit der Wiener Münzkonvention von 1857 wurde eine absolute Höchstgrenze der in jedem kontrahierenden Staat zulässigen Scheidemünzenmenge festgelegt (zumindest für die Staaten der Talerwährung und der Österreichischen Währung71 ); die entsprechenden Bestimmun68 Memorandum Bülows, 30.12.1815, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 1. 69 Vgl. Schremmer, Über, in: Ders. (Hg.), Geld, S. 12. 70 Vgl. Veit, Grundriß, S. 82. Angeblich heißt die Scheidemünze so, "weil Käufer und Verkäufer ... mit ihr ohne Bruch ,geschieden' werden" sollen. Hans Gebhart, Numismatik und Geldgeschichte, Heidelberg 1949, S. 85. Vgl. dort auch Aussagen zum Wesen der Scheidemünze, insbesondere, daß ihr Sachwert den Nennwert nicht erreichen darf. 71 Im Seperatartikel VIII: Dort wird die Obergrenze des Umlaufes von Scheidemünzen auf ~ Taler bzw. 1 ~ fl. pro Kopf der Bevölkerung festgelegt; die Staaten des süddeutschen Guldenfußes hingegen behielten sich den Abschluß einer gesonderten Vereinbarung vor. Münzvertrag des deutschen Zoll- und Handelsvereins mit

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gen des Dresdner Münzvertrages blieben bei einer sehr allgemeinen Selbstverpflichtung stehen, nicht mehr Scheidemünze in Umlauf zu setzen, als zu Zahlungen zur Ausgleichung und im kleineren Verkehr erforderlich sei (Artikel 12), während die Münchener Münzkonvention (von 1837) der von der Überflutung mit Scheidemünzen in erster Linie betroffenen süddeutschen Staaten zwar eine besondere Übereinkunft über die zukünftig auszuprägenden, jedoch nichts dergleichen hinsichtlich des schwerwiegenderen und akuten Problems der bereits umlaufenden Kleinmünzen enthielt.72 Vor allem Bayern, Württemberg, Baden und das Großherzogtum Hessen hatten zur Unterstützung der Staatsfinanzen zur inflationistischen Kleingeldvermehrung gegriffen und große Mengen Billonmünzen (meist zu 3 und 6 Kreuzern und deren Teilstücke) ausgegeben. 73 Die besondere Lage als Kleinstaat, dessen Territorien zum Teil im Bereich der Talerwährung, zum Teil in dem der Guldenwährung lagen, machte sich das in Münzdingen ohnehin berüchtigte Sachsen-Coburg-Gotha zunutze: Dort wurden Scheidemünzen für beide Währungsgebiete geprägt, mit der deutlich erkennbaren Absicht des Exports in die Nachbarländer. Diese, wie es heißt, schlechtesten Münzen Deutschlands, waren nach dem ausgebenden Landesherrn als "E-Sechser" und "E-Groschen" bekannt (Herzogs Ernst 1., 1806-1826 von Sachsen-Coburg-Saalfeld, bis 1844 zu Coburg und Gotha) und wurden vielerorts verboten, gleichwohl durch besondere Händler und Geldwechsler immer wieder verbreitet.74 Aber auch Preußen hatte namentlich zur Zeit der französischen Besatzung übermäßig viele Scheidemünzen geprägt. Das Problem der Zerrüttung des Scheidemünzenwesens wurde von den Zeitgenossen als dringlichstes angesehen; es war überall der erste Gegenstand, dem sich die Münzreformer zuwandten (in Bayern etwa 1802 mit dem Verruf der nicht nach dem Konventionsfuß geprägten fremden Scheidemünzen, in Preußen 1807 mit dem ersten Reduktionsedikt), wenn auch das Ziel eines geordneten Scheidemünzenwesens auf charakteristisch divergenten Wegen und mit ganz unterschiedlichem Reformeifer (und damit auch mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen) angegangen wurde.

Österreich und Liechtenstein, 24.6.1857, und die Seperatartikel in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2111. 72 Münchener Münzkonvention vom 25.8.1837, in: BHStA M A 25608. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem. Siehe auch die Ausführungsbestimmungen und Erklärungen seitens der Regierungen des Münzvereins zu den die Scheidemünzen betreffenden Punkten der Münchener Münzkonvention, in: BHStA M A 25618. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem. 73 Vgl. Sprenger, Währungswesen, S. 43. 74 Vgl. Rittmann, Deutsche, S. 477.

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II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen im Rahmen der Homogenisierung des Staatskörpers: Einzelstaatliche Versuche der Münzreform Die Mißordnung ihrer Münzsysteme teilten alle Staaten des Deutschen Bundes; allerdings fanden sich in charakteristischer Weise unterschiedliche Ausprägungen dieses Problems in den süd- und in den norddeutschen Staaten (womit hier in erster Linie Preußen gemeint ist). Das lag zum einen an der geographischen Situation: Die benachbarte Lage der deutschen Territorien Österreichs ließ die Staaten des Südens an dessen Währungsschwierigkeiten partizipieren, indem die dortige Papierwährung das Metallgeld ins Ausland vertrieb. Des weiteren war die Ausgangssituation unterschiedlich, weil sich Preußen mit den Folgen der französischen Besatzung auseinanderzusetzen hatte, während die Süddeutschen im Rheinbund zwar von Gnaden Napoleons, nichtsdestoweniger aber territorial unangetastet weiter existierten. Im folgenden sollen deshalb der süddeutsche Weg - dargestellt am Beispiel Bayerns, des größten der dortigen Staaten - und der norddeutsche Weg der Münzreform - den wiederum Preußen exemplifiziert - mit ihren jeweils spezifischen Problemen und Vorgehensweisen erörtert werden.

1. Der süddeutsch-mittelstaatliche Weg der Münzreform: Das Beispiel des bayerischen Scheidemünzenwesens

Das drückendste Währungsproblem der deutschen Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die heillose Desorganisation des Scheidemünzenwesens. Es waren konkret der Umlauf einer Vielzahl von Münzen aus unterschiedlichen Rechnungssystemen sowie das Übermaß der Ausprägung, was diese Unordnung hervorgerufen hatte. Die Heterogenität des Scheidemünzenwesens bedeutete ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung, da sie die Kosten wirtschaftlichen Austausches erhöhte, und sie gefährdete das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, indem sie durch die verwirrende Zahl der Wechselkurse zahllose Betrugsmöglichkeiten eröffnete. Die unverhältnismäßig umfangreiche Zirkulation geringhaltiger Münzen hingegen bedrohte den Kurantumlauf, weil die Scheidemünzen durch ihre große Menge als schlechteres Geld begannen, das vollhaltige Geld aus dem Umlauf zu verdrängen. Die unzureichende Kurantversorgung wiederum verstärkte den Mangel an inländischer Scheidemünze, weil die Scheidemünzen in dieser Situation auch im größeren Handelsverkehr zunehmend Verwendung finden mußten. Dort wurden die Kleinmünzen in Tüten oder Beuteln verpackt, um sie für die Zahlung höherer Summen praktikabel zu machen. Die Beutel wurden in der Regel ungeöffnet von Händler zu Händler weitergegeben, einmal um den Aufwand des sonst jedesmal not-

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wendigen NachzähJens zu vermeiden, aber auch - stellte der preußische Kabinettsminister Lotturn fest, denn dort gab es Probleme von ähnlicher Art - weil man Angst habe, wenn jemand den Beutel öffne, könnten falsche (bzw. alte, geringhaltige) Münzen hineingebracht werden. 75 In Süddeutschland konnte der Versuch zur Herstellung eines geordneten Scheidemünzenwesens dabei schon früher unternommen werden als in Preußen, weil hier die territoriale Souveränität unangetastet blieb und damit nach der Ausschaltung der kleineren münzprägenden Stände 1803 die Staatsregierungen das Münzregal in alleiniger Verantwortung ausübten; den ersten Versuch zur Regelung des Scheidemünzenwesens unternahm die bayerische Staatsregierung (zu diesem Zeitpunkt: kurfürstliche General-Landes-Direction) demzufolge bereits 1802. In Preußen bildete im Gegensatz dazu die Übernahme der Münzpolitik durch die französische Besatzungsmacht ab 1806 für die nächsten Jahre einen nachgerade unüberwindlichen Hinderungsgrund für jede Art der Münzreform. Zum Zeitpunkt des ersten Schrittes seiner Münzreform befand sich Bayern inmitten einer Phase der staatlichen Neuorganisation. Der darin geformte bayerische Staat des 19. Jahrhunderts (1806 zum Königreich erhoben) unterschied sich deutlich vom alten Kurfürstentum, das im wesentlichen das altbayerische Siedlungsgebiet Oberbayerns, Niederbayerns und der Oberpfalz umfaßt hatte und ein fast einheitlich katholisches Land gewesen war. Während der niederrheinische Besitz und die rechtsrheinische Kurpfalz verloren gingen, wurden 1802/3 größere fränkische und ostschwäbische Gebiete dem altbayerischen Staatskern hinzugefügt; 1814 mußten Salzburg, Tirol und der Hauptteil Vorartbergs an Österreich abgegeben werden, 1816 kam dafür noch die neugebildete linksrheinische bayerische Pfalz dazu. "Das neue . . . Bayern, war also ein Drei-, dann ein Vierstämmestaat."76 Angesichts dieser Entwicklung verfolgte Bayern das gleiche Ziel wie alle süddeutschen Staaten des Rheinbundes: "Aus bunt zusammengewürfelten, aus politisch-religiös-ökonomisch-kulturell höchst heterogenen Herrschaftsgebieten wollten sie in möglichst kurzer Zeit einen zentralisierten, bürokratisierten, politisch homogenisierten Einheitsstaat herstellen, der mit der westeuropäischen Entwicklung Schritt halten konnte."77 Der gebotene erste Schritt zur Lösung dieses Problems war der Aufbau einer straff zentralisier75 Lotturn an Finanzminister Maassen, 31.10.1831, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2092. 76 Wolfgang Zorn, Gesellschaft und Staat im Bayern des Vormärz, in: Wemer Conze (Hg.), Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815-1848, Stuttgart 1962, S. 113 ff., S. 113. 77 Hans-Ulrich Weh/er, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modemisierung der Reformära 1700-1815, München 1987, S. 373.

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ten Verwaltung, die "bürokratische Integration"78 , in Form der Errichtung eines einheitlichen Steuerwesens und der Herstellung einer einheitlichen Zollinie um die äußeren Grenzen des Staates. In Verfolgung dieser Politik schaffte Bayern beispielsweise jegliche Binnenzölle ab und verlegte (als erster unter den deutschen Staaten) mit der Zoll- und Mautordnung vom 1. Dezember 1807 seine Zollinie an die äußere Staatsgrenze79 , und es vereinheitlichte sein Staatsrecht für die neuerworbenen Territorien durch die Konstitution vom 25. Mai 1808 und die sie ergänzenden organischen Edikte 1808/09.80 (Indem es dabei die besondere staatliche und rechtliche Tradition der Pfalz im wesentlichen unangetastet ließ, verzichtete Bayern jedoch hinsichtlich eines seiner Gebietsteile auf die "Vorteile einer gleichmäßigen Staatsorganisation". 81 ) Die Regierung Montgelas (1799-1817) sah sich - auch in diesem Punkt mit der preußischen Situation vergleichbar - zudem genötigt, die Arrondierung der Territorien und Vereinheitlichung des Rechtswesens mit einer grundlegenden Reform der Staatsfinanzen zu verbinden, die durch die Schulden der früheren Wittelsbacher, die Übernahme der Verbindlichkeiten der mediatisierten Staaten, Reichsstädte und aufgehobenen Klöster, die Nachfolgelasten der Befreiungskriege, z. B. in Form von Pensionen, die von Napoleon geforderten hohen Zahlungen für Bayreuth und Regensburg 1810, vor allem aber die enormen Kriegs- und Kontributionskosten von 1805 bis 1815 in hohem Maße in Unordnung geraten waren. 82 78 Hardtwig, Vormärz, S. 51. Zur "bürokratischen Integration" in Bayern als "Konzentration der Herrschaftsrechte" vgl. Karl Möckl, Der moderne bayerische Staat. Eine Verfassungsgeschichte vom aufgeklärten Absolutismus bis zum Ende der Reformepoche. Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Kar[ Bosl. Abteilung III: Bayern im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1, München 1979, S. 136. 79 Zollordnung für das Königreich Bayern vom 1.12.1807 (8.3.1808 in Kraft getreten), in: Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Kar[ Bosl. Abteilung III: Bayern im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 3: Rolf Kiesslingl Anton Schmid, unter Mitarbeit v. Werner K. Blessing (Bearb.), Regierungssystem und Finanzverfassung, München 1977, S. 335 f. Zur bayerischen Zollreform vgl. Zorn, Bayerns, in: Spindler (Hg.), Handbuch, S. 782. 80 Vgl. Speitkamp, Konstitutionelle, in: Ullmann/Zimmermann, (Hg.): Restaurationssystem, S. 26. Vgl. zu den Zielsetzungen der bayerischen Verfassung M. Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns. Zweiter Band: Vom Westfälischen Frieden bis zum Tode König Maximilians 1., 3. erw. Auflage München 1928, S. 456: "Eine der leitenden Ideen, von denen die Konstitution [von 1808] wie die konstitutionellen Edikte bestimmt waren, ist das Prinzip der staatlichen Einheit. Dieser Grundzug der Staatsreform ergab sich für Montgelas nicht nur aus der Besonderheit seiner Staatsauffassung, er wurde dem Minister durch die eiserne Notwendigkeit geboten: was Bayern zufiel, waren Trümmer, die Länder Staatssplitter, die Bevölkerungen Stammessplitter, das Ganze mehr ein Bündel einzelner Herrschaftsrechte als ein Staat im modernen Sinne." 81 Zorn, Gesellschaft, in: Conze (Hg.): Staat, S. 124.

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Die bayerische Staatsregierung ging bei ihrem Versuch der Ordnung des Scheidemünzenwesens den für Süddeutschland insgesamt charakteristischen Weg, den Umlauf fremder Kleinmünzen als das wesentliche Problem zu identifizieren, das vordringlicher Lösung harrte, die großen Mengen eigener schlechter (d.h. alter und abgenutzter sowie in geringer Qualität ausgeprägter) Scheidemünzen hingegen weitgehend außer acht zu lassen. Die fremden Münzen sollten aus dem Umlauf getrieben werden, indem ihr Wert auf den Metallwert (soweit feststellbar) bzw. generell stark herabgesetzt wurde oder man die Verwendung dieser Münzen ganz verbot. Unter die Definition der solchermaßen abzuwertenden Münzen fielen dann stets nur die fremden, nicht die eigenen alten und abgenützten Münzen. Mit dem Edikt von 1802 sollten alle ausländischen Scheidemünzen, die nicht nach Konventionskurs geprägt waren, gänzlich außer öffentlichen Kurs gesetzt und verboten werden und durften daher an keiner staatlichen Kasse mehr angenommen werden. Dieses Verbot der Annahme an den staatlichen Kassen war das effektivste Mittel, um den Umlauf von bestimmten Münzen zu beschränken, schließlich war es undurchführbar, den gesamten Zahlungsverkehr umfassend zu überwachen, auch wenn die Denunziation der solcherart definierten Münzvergehen (vor allem des Imports der unter das Verbot fallenden Münzen) seitens der Bevölkerung durch das Aussetzen von hohen Belohnungen gefördert werden sollte. Die Frist, binnen welcher die fremden Scheidemünzen außer Landes zu schaffen waren, lief zum Jahresende aus, danach seien alle ausländischen Scheidemünzen sofort zu konfiszieren. Die Verwendung der fremden Geldsorten sollte mit ihrer Konfiskation, ihr Import und die Verwendung zu spekulativen Zwekken zusätzlich mit einer Geldstrafe (in Höhe des Nominalwertes der konfiszierten Münzen) belegt werden. 83 Auf zahlreiche Klagen aus dem schwäbischen Teil des Landes hin, in dem enge Handelsbeziehungen zu württembergischen Gegenden ein wichtiges Element des Wirtschaftslebens 82 Vgl. Eberhard Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König MaxI. (1799-1825), in: Spindler (Hg.), Handbuch, S. 3 ff., S. 50. Allerdings blieben die Bemühungen um eine Konsolidierung der Staatsfinanzen unter Maximilian Joseph und Ludwig I. weitgehend erfolglos, ja die Staatsschuld stieg nach dem Ende der Koalitionskriege bis 1829 noch weiter an, vgl. Peter Claus Hartmann, Die Schuldenlast Bayerns von Kurfürst Max Emanuel bis König Ludwig 1., in: Andreas Kraus (Hg.), Land und Reich, Stamm und Nation. Probleme und Perspektiven bayerischer Geschichte. Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag, Band II: Frühe Neuzeit, München 1994 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Bd. 79), S. 369 ff., S. 380 f. S.a. Walter Demel, Derbayerische Staatsabsolutismus 1806/081817. Staats- und gesellschaftspolitische Motivationen und Hintergründe der Reformära in der ersten Phase des Königreichs Bayern, München 1983, S. 165-207. 83 Münzverruf, gez. Churfürstl. General-Landes-Direction, 15.10.1802, in: BHStA M H 659. Geh. Raths Acten. Scheidemünz-Wesen. Cours Devalvazion. 1802 bis 1803.

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ausmachten, wurde jedoch für dort auf eine Vollstreckung des Ediktes verzichtet. Diese Ausnahmeregelung wurde allerdings nicht offiziell verkündet, sondern durch den stillschweigenden Verzicht auf die Ausführung des Ediktes vollzogen. 84 Bereits zwei Jahre nach dem Erlaß des Ediktes mußte die Staatsregierung feststellen, daß das Verbot fremder Scheidemünze "nicht mehr mit demjenigen Ernste verfolgt werde, welcher zur Abhaltung eines neuen Einflusses von solchen auswärtigen Scheidemünzen nothwendig ist." Vielmehr scheinen etliche Geldsorten dieser Art wieder in Umlauf gekommen zu sein. Die Landesdirektionen wurden daher ermahnt, das Verbot streng durchzusetzen und die Polizeibehörden anzuweisen, daß dieses Verbot in Ausübung gebracht werden müsse. 85 Kurz darauf wurde auch die Schwaben betreffende Ausnahmeregelung zurückgenommen. Das Schlupfloch für das Eindringen fremden unterwertigen Geldes müsse gestopft werden; die einheitliche Durchsetzung des Verbotes sei der einzige Weg, um den Umlauf der "streunenden" Scheidemünzen einigermaßen zu hemmen, bis alle Kreise in Deutschland die zur Lösung der Unordnung im Münzwesen notwendigen Mittel eingesetzt hätten, so Montgelas. 86 Bereits 1805 schien die bayerische Regierung demnach zu ahnen, daß eine Beseitigung der Münzprobleme endgültig nur im Verbund mit den benachbarten Staaten möglich sein würde; weitergehende Bemühungen, zu derartigen Vereinbarungen zu gelangen, entsprangen dieser Erkenntnis freilich nicht. Im Juli 1806 berichtete das bayerische Außenministerium dem Finanzministerium, daß es im Vorjahr die königliche "Kreis- und Konventsdirectorial Gesandtschaft" in Nürnberg beauftragt habe, sich mit den übrigen "vorderen Kreisen" über den Zustand des Münzwesens in Verbindung zu setzen, mit dem Ziel, zu einem Münz-Probationstag aufzufordern, auf welchem weitere Maßnahmen gegen die Zerrüttung des Münzwesens (vor allem des Scheidemünzenwesens) verabredet werden sollten. Dieser Auftrag sei jedoch ohne Erfolg geblieben, und seitdem hätten sich die Zustände im Münzwesen weiter verschlimmert, insbesondere nach dem Durchzug der Österreichischen Truppen. Die Regierung von Württemberg habe sich deshalb, "in der Überzeugung, daß alle Maßregeln in den einzelnen Landen ohne Wirkung bleiben, so lange nicht mehrere Regierungen benachbarter 84 Die Beschwerden, gesammelt und weitergeleitet von der schwäbischen Landes-Direction, in: Ebd. Zum Verzicht auf den Vollzug des Verbotes siehe: Montgelas an den schwäbischen General-Landes-Commissarius, 15.3.1805, in: BHStA M H 680. Geh. Raths Acten. Generalien. Scheidemünz-Weesen. Cours Devalvazion. 1804 bis 1805. 85 Ebd.: Montgelas an die kurfürstliche Landesdirektion von Bayern, 16.11.1804. 86 Ebd.: Montge1as an den schwäbischen Genera1-Landes-Commissarius, 15.3.1805.

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Reichslande von größerem Umfange über einen einförmigen Plan sich vereinbaren", mit der bayerischen Regierung in Verbindung gesetzt, um gemeinschaftlich zu ergreifende Maßnahmen ausfindig zu machen. Jetzt erwarte die württembergische Regierung eine Anwort. "In der gegenwärtig noch nicht ganz entwickelten politischen Lage", so führte Montgelas aus, "in welcher das südliche Deutschland sich befindet, möchte es schwer sein, ein gemeinschaftliches Zusammenwirken zu Stande zu bringen [.. .]." Es sei indessen möglich, einstweilen in dieser Frage Beratungen zu beginnen und damit vorbereitet zu sein, daß der König von Bayern, wie es nach dem Umfang des bayerischen Staates diesem auch zukomme, die Initiative ergreifen könne und den benachbarten Staaten "seinerzeit" Vorschläge gemacht werden könnten. 87 Wie die vorsichtige Wortwahl des Grafen Montgelas bereits vermuten läßt, ließ Bayern die württembergische Anfrage unbeantwortet, in der (wie die kommenden Jahre zeigen sollten) irrigen Zuversicht, der Aufgabe alleine Herr zu werden, womöglich aber auch in der Hoffnung, daß sich das Problem als weniger schwerwiegend erweisen würde, wenn erst einmal die kriegsbedingte Unruhe vorübergegangen sein würde. Der jahrzehntelang währende bayerische Unwille, das Scheidemünzenwesen zum Gegenstand intergouvernementaler Verhandlungen zu machen, weist insgesamt auf die entscheidende Konstante bayerischer Münzpolitik hin, die im Vorfeld des Münchener Vertrages von 1837 dann besonders deutlich hervortrat: Oberste Priorität war der Erhalt der währungspolitischen Unabhängigkeit; erst wenn die teilweise Aufgabe der Währungshoheit durch zwischenstaatliche Einigung als das einzige Mittel erschien, die geldpolitische Souveränität wenigstens im Grundsatz zu erhalten, zeigte sich die bayerische Regierung bereit, diesen Weg zu gehen. Im Herbst 1806 mußte die bayerische Regierung einräumen, daß die bisherigen Versuche der internen Neuordnung des Scheidemünzenwesens gescheitert waren. Mit der königlichen Verfügung vom 24. Oktober schickte sich die Regierung daraufhin abermals an, die fremden Geldsorten aus dem Umlauf zu drängen. Dazu wurden alle ausländischen Sechser, Fünfer und Dreier (Kreuzer) Stücke abgewertet, die fremden Einer-Stücke blieben verboten, und die königlichen Kassen wurden angewiesen, die abgewerteten Sechser und Dreier (die dann nach Ablauf eines Jahres auch ganz außer Kurs gesetzt werden sollten) nicht mehr anzunehmen. 88 Jene letzte Bestimmung machte das Mißlingen der bayerischen Münzpolitik besonders deutlich, mußte die Regierung doch mit dem Verkünden dieser Maßnahme ein87 Königliches geheimes Ministerial-Department der auswärtigen Verhältnisse (Montgelas) an das geheime Ministerial Finanz Department, 5.7.1806, in: BHStA M H 681. Geh. Raths Acten. Generalia. Scheidemünz-Weesen. Cours Devalvazion. 1806 bis 1807. 88 Ebd.: Königliche Verfügung (Maximilian Joseph), 24.10.1806.

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gestehen, daß sie nicht einmal bei ihren eigenen Kassen in der Lage gewesen war, das Verbot der ausländischen Münzen von 1802 durchzusetzen. Gegen den neuerlichen Versuch der Vertreibung fremder Münzen erhoben zahlreiche Kaufleute bewegte Klagen, derer sich ihre Provinzregierungen (Landes-Directionen) annahmen und aus denen ersichtlich ist, warum das bisherige Verbot nicht durchzusetzen gewesen war: In einer dieser Beschwerden heißt es, daß "bey dem so großen Mangel an inländischen Scheidemünzen die allerhöchste Bestimmung vom 24. October dies Jahres nicht in Vollzug gesezt werden kann, ohne dadurch großen Nachtheil für alle Stände Euer Königlichen Majestät Unterthanen zu erzwecken, welcher Nachtheil wohl auch für manche einzelne gänzlichen Ruin, und für das Allgemeine eine dem Staate schädliche Stellung im Handel und Wandel herbeyführen kann. " 89 Die Einsicht, daß es der Mangel an inländischem barem Geld gewesen war, der das wiederholte Verbot der ausländischen Scheidemünzen unwirksam hatte werden lassen, setzte sich in der Folgezeit dann auch in der bayerischen Regierung durch. Im April 1807 meldete das Finanzministerium, es habe auf den Mangel an inländischen Scheidemünzen mit einer Beschleunigung der Ausprägung reagiert, um die Hauptkassen in den Provinzen mit dem nötigen Bedarf zu versorgen. Da mit diesen Lieferungen auch fernerhin fortgefahren werde, könne die Entschuldigung, daß die Verwendung von alter bayerischer Scheidemünze aufgrund fehlender neuer Münzen notwendig sei, nicht mehr anerkannt werden. Jetzt sei auch der richtige Zeitpunkt gekommen, der Vertreibung der ausländischen Scheidemünzen allgemeine Ausdehnung zu geben. 90 Letzteres bezog sich darauf, daß auf die entsprechenden Proteste des schwäbischen General-LandesKommissariats hin dieser Landesteil erneut in den Genuß einer Ausnahmeregelung gekommen war, die darin bestand, daß die Annahme der devalvierten fremden Scheidemünzen an den staatlichen Kassen dort wieder zugelassen wurde, allerdings zum herabgesetzten Wert (anscheinend hatten jene Münzen wegen des in dieser Provinz besonders spürbaren Scheidemünzenmangels einen bedeutend höheren Kurs erlangt). Sogar die Wiederausgabe der Münzen war bis auf weiteres gestattet worden, wobei eine Verwendung zu wucherischen Zwecken seitens der Beamten streng geahndet werden sollte. 91 89 Ebd.: Schreiben der Landes Direction der Provinz Neuburg (Neuburg, 25.11.1806). 9 Finanzministerium an das Innenministerium, 10.4.1807, in: BHStA M H 682. Geheime Raths Acten. Generalien. Scheidemünz-Weesen. Cours Devalvazion. 1807 bis 1809. 9 1 Ebd.: Verfügung des General-Landes-Commissariats von Schwaben, Ulm, 26.11.1806.

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Ernsthafte Zweifel an der geldpolitischen Kompetenz der bayerischen Regierung mußte die Inkonsequenz in der Durchführung der Verordnung vom Oktober 1806 erwecken. Im April 1807 verfügte die Regierung, nachdem sie die zu diesem Zeitpunkt ausgeprägte Menge bayerischer Scheidemünzen für ausreichend befunden hatte, einen allgemeinen Tarif, zu dem die ausländischen Kleinmünzen an den öffentlichen Kassen künftig anzunehmen waren. Das schwäbische Landeskommissariat faßte diese Verfügung als Bekräftigung der Bestimmungen des Vorjahres auf, wonach ein solcher Tarif nur für eine Übergangszeit bis zum 1. Oktober 1807 gelten sollte, nach welchem Tage die Münzen definitiv außer Kurs gesetzt werden sollten, und verfaßte eine entsprechende öffentliche Ankündigung. Demgegenüber mußte die Staatsregierung jedoch bekanntgeben, daß mit der Feststellung eines Umtauschtarifs der Verrufungstermin des Ediktes vom Oktober aufgehoben worden sei. Der Tarif solle nun solange gelten, "bis nach Herstellung eines völlig hinlänglichen Surrogats an inländischen Scheidemünzen das Nähere darüber von Uns verordnet wird [... ]."92 Im Gegensatz zu dem, was den Ankündigungen vor allem des Finanzministeriums zu entnehmen gewesen war, erwies sich allerdings auch diese Regelung nicht als endgültig; vielmehr mußte Anfang 1809 einmal mehr die Absicht erklärt werden, nun aber "ein für allemal" die fremden Scheidemünzen außer Kurs zu setzen. Das Hauptmünzamt sei angewiesen worden, hinreichende Mengen bayerischer Scheidemünzen zu prägen, so daß ein Mangel nicht eintreten werde. Damit erklärten sich das Innen- und das Außenministerium einverstanden, letzteres wollte jedoch einige Modifikationen angebracht sehen, "welche theils durch den, wie es scheint, noch nicht gehobenen Mangel an inländischen Scheidemünzen in den verschiedenen Kreisen des Reichs, theils durch eine sehr rätbliche Schonung der Unterthanen, besonders von den gewerbetreibenden Klassen, motivirt werden." Von Ausnahmeregelungen wurde diesmal jedoch abgesehen, und mit der Verordnung vom 14. März 1809 setzte die bayerische Regierung alle fremden Scheidemünzen mit Frist bis Ende September gleichen Jahres außer Kurs. 93 Und in der Tat deuten die Berichte der königlichen General-Kommissare aus 1810 darauf hin, daß diese Außerkurssetzung im großen und ganzen die fremden Scheidemünzen vertrieben hat - abgesehen von den unmittelbaren Grenzbezirken und dem Innkreis (in Folge der dortigen Insurrektion); auch 92 Ebd.: Verfügung an alle General-Landes-Cornmissariate, zur allgemeinen Bekanntmachung, 24.4.1807, Ankündigung des Landes-Commissariats Schwaben, Ulm 10.7.1807, und Bekanntmachung an alle General-Landes-Commissariate, 21.8.1807. 93 Ebd.: Finanzministerium an das Innenministerium, 13.1.1809, Innenministerium an Finanzministerium, 22.1.1809, Außenministerium an Finanzministerium, 2.2.1809. Verordnung vom 14.3.1809.

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ein echter Mangel an inländischem Bargeld war anscheinend nicht mehr festzustellen. 94 Erst 1818, nachdem mit dem Ende der Freiheitskriege auch das bayerische Territorium erneut hatte bedeutende Veränderungen hinnehmen müssen, scheint der Umlauf fremder Scheidemünzen in mehreren Grenzkreisen wieder in größerem Maße zugenommen zu haben; das Finanzministerium machte dafür den "Mangel an polizeilichen Einschreitungen" verantwortlich; das Verbot der fremden Münzen müsse den Provinzbehörden wieder in Erinnerung gebracht werden und sei schärfer durchzusetzen. 95 Die fremden Münzen, um die es dabei vornehmlich ging, waren preußischer Herkunft und fanden insbesondere über die neugebildete linksrheinische bayerische Pfalz und den Untermainkreis den Eingang in den bayerischen Geldumlauf. Vier Jahre später verlieh das Ministerium widerwillig dem preußischen Geld (auch Scheidemünzen) einen festen Kurs. Im übrigen aber, wurde betont, sei das Verbot der fremden Scheidemünzen entschieden durchzusetzen.96 Doch noch einmal wiederholte sich der Vorgang der Jahre nach 1806: Wieder nahm der Umlauf an fremden Kleinmünzen stark zu, offensichtlich hatten sich auch die öffentlichen Kassen gezwungen gesehen, diese Münzen zu akzeptieren, und wieder erging eine Verordnung der bayerischen Regierung, mit der dies streng verboten wurde. Auch die Verwendung im privaten Verkehr wurde einmal mehr untersagt, nun allerdings mit einer Ausnahmebestimmung, welche in den Grenzorten im kleinen Verkehr mit den Nachbarstaaten die Verwendung der dorther stammenden Scheidemünzen erlaubte; zudem wurde der Rheinkreis von dem Verbot ausgenommen.97 Das Eindringen preußischen Geldes aber entwickelte sich in der Folge zu einem Problem einer ganz anderen Dimension, das letztlich auch die so beharrlich ihre Münzhoheit verteidigende bayerische Regierung dazu bringen sollte, dem Abschluß eines süddeutschen Münzvereins - und damit der intergouvernementalen Regelung des Münzwesens - zuzustimmen: Vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Übermacht Preußens im Zollverein wurde der Taler zur Leitwährung, die überall im Deutschen Bund Verwen94 Berichte in: BHStA M H 683. Geheime Raths Acten. Generalia. ScheidemünzWesen. Curs-Devalvation. 1810 bis 1826. 95 Ebd.: Das Finanzministerium an das Innenministerium, 2.7.1818. Vgl. die Allerhöchste Verordnung, an die Regierung des Rheinkreises, 12.2.1820 (Abschrift, beiliegend einem Schreiben des Finanzministeriums an das Innenministerium), in: BHStA M H 15346. Geheime Acta. Ministerium des Innem. Münzverein der süddeutschen Staaten. 96 Finanzministerium an Innenministerium, 31.3.1822, in: BHStA M H 683. Geheime Raths Acten. Generalia. Scheidemünz-Wesen. Curs-Devalvation. 1810 bis 1826. 97 Ebd.: Allerhöchste Verordnung, den Kurs der auswärtigen Scheidemünzen in den oberen sieben Kreisen betreffend, 13.4.1826.

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dung zu finden begann und damit die selbständige Entscheidungsmacht in der Geldpolitik der anderen Staaten mehr und mehr einschränkte. Der Fall Bayern zeigt beispielhaft, wie eine Regierung daran scheitern mußte, dem Eindringen der fremden Scheidemünzen Einhalt zu gebieten, wenn sie nicht in der Lage war, die Bereinigung des eigenen Scheidemünzenwesen mit einer ausreichenden Geldversorgung des Verkehrs zu verbinden.98 Die Knappheit der Zahlungsmittel, der die Regierungen Südwestdeutschlands aus der berechtigten Sorge vor einer Entwicklung wie in Österreich auch nicht bereit waren, durch die Ausgabe von Banknoten oder Papiergeld abzuhelfen, offenbart sich daran, daß eine zeitgenössische Schätzung von einem Bargeldumlauf von nur etwas mehr als acht Gulden je Einwohner in Bayern (um 1820) ausging99 ; in ganz Südwestdeutschland liefen 17 Jahre später, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Münchener Münzvertrages, gegen 144 Mio. fl. um (bei 8 Mio. Einwohnern). 100 Die ausreichende Versorgung des Verkehrs mit Zahlungsmitteln scheiterte wohl weniger an mangelnder Einsicht in die notwendigen Maßnahmen zur Neuordnung des eigenen Währungswesens, als vielmehr an den damit verbundenen hohen Kosten für die Einziehung der schlechten Scheide- und Kurantmünzen und der dann notwendigen Ausgabe solcher von höherer Qualität. 101 Es ist zudem wahrscheinlich, daß das Beharren auf einer eigenen einzelstaatlichen Lösung aufgrund der engen Verbindung einiger Grenzbezirke mit den Nachbarstaaten von vornherein ein wenig aussichtsreiches Unterfangen gewesen ist. Über diese Einfallstore fand ein steter Strom fremder Münzen seinen Weg in den bayerischen Geldumlauf, um so mehr, als die fremden Münzen aufgrund des immer wieder auftretenden Bargeldmangels nicht widerwillig, sondern ohne weiteres, zum Teil sogar mit Aufgeld, genommen wurden.

98 Vgl. zu diesem Problem: Frank Otto, Das Scheitern der Münzreformbestrebungen im frühen Königreich Bayern: Probleme des Währungswesens der deutschen Mittelstaaten im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 64, 2001, S. 379 ff., S. 399 f. 99 Bei einer Gesamteinwohnerzahl Bayerns von 3,71 Mio. (1818) sollen etwa 30 Mio. fl. umgelaufen sein; nach: Wolfgang Zorn, Die wirtschaftliche Struktur Bayerns um 1820, in: Dieter Albrecht/Andreas Kraus/Kurt Reindei (Hg.), Festschrift für Max Spindler zum 75. Geburtstag, München 1969, S. 611 ff., S. 618. 100 Vgl. Boelcke, Wirtschaftsgeschichte, S. 209. 1o1 Vgl. Boelcke, Wirtschaftsgeschichte, S. 209.

5 Otto

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

2. Die preußischen Münzreformen: Herstellung des Fundamentes der deutschen Leitwährung

In Preußen wurde, im Gegensatz zu den süddeutschen Staaten, der Versuch unternommen, die Neuordnung des Scheidemünzenwesens durch die Verbindung unterschiedlicher Maßnahmen von mehreren Seiten anzugehen. Im Süden lag der Schwerpunkt der Münzpolitik auf der Austreibung der fremden Scheidemünzen und der Sicherung gegen erneutes Einfließen, vordringlich durch Devalvierungen und Umlaufsverbote; andere Mittel hingegen fanden kaum Anwendung. In Preußen jedoch war es notwendig - angesichts der komplexeren Ausgangsverhältnisse -, eine neue Teilung des Talers und damit ein neues, einheitliches Rechnungssystem einzuführen, in diese Münzverfassung die hinzugekommenen Landesteile einzufügen und für die Verdrängung der fremden und die Einziehung der alten Münzen zu sorgen. Der erste Schritt war auch hier eine Reform des Scheidemünzenwesens; diese aber mündete in eine umfassende Reform der Währung, deren endgültige Durchsetzung sich dann über drei Jahrzehnte hinzog. a) Das Scheidemünzenedikt von 1811

Die Zerrüttung des preußischen Scheidemünzenwesens nahm ihren Ausgang in der Regierungszeit Friedrichs II.: Mit dem Edikt vom 29. März 1764 war Preußen nach dem Siebenjährigen Krieg zum Graumannsehen Münzfuß zurückgekehrt. Alle Silbermünzen bis hinab zum Zwölfteltaler bzw. 2-Groschentück galten in diesem System als vollwertiges Kurantgeld des 14-Talerfußes. Die Groschen dagegen, von denen 24 auf einen Taler gehen sollten, wurden unterwertig ausgeprägt. Als problematisch erwies sich, daß diese Münze nicht als Scheidemünze definiert war, d. h. ihre Annahme im Verkehr war nicht begrenzt, und sie war auch nicht bei den staatlichen Kassen in vollwertiges Kurantgeld umtauschbar. "Diese Vorschriften bürgerrechtlichen Charakters waren keineswegs nur als vorübergehend gedacht, sondern wurden als dauerhaft sowie offenkundig schicksalsbedingt und dem Münzsystem immanent in das ,Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten' von 1794 aufgenommen [. .. ]." 102 Diese "Groschen Nominalmünze" (weil sie die Münzeinheit Groschen im Nominal darstellte) war schon seit 1750 in großer Zahl stark unterwertig geprägt worden. Die finanziellen Lasten der Revolutionskriege und der Besatzung beschleunigten dann die Prägung dieser Münzen noch. Zudem wurden sie massenhaft gefälscht. Unter den 1807 geschätzten 46 Mio. umlaufenden Groschen- und Dreikreuzerstücken sollen 1,15 Mio. gefälschte gewesen sein.103 102

Rittmann, Deutsche, S. 511.

II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen

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Im Dezember 1806 nahmen die Franzosen die durch den Krieg unterbrochene Münzprägung in Berlin wieder auf. "Ebenso wie Friedrich d. Gr. 1757 in Dresden mit Gepräge Augusts III. und nach sächsischem Münzfuß als Verwalter Sachsens Münzen schlug, wogegen nichts zu sagen war, verfuhren jetzt die Franzosen in Berlin. Und wenn es nicht richtig war, daß sie sich dafür der Stempel mit älteren Jahreszahlen bedienten, so war man in Preußen doch ganz außerstande, sich über eine Unrichtigkeit zu beklagen, die man selbst bis 1806 ausgeübt hatte." 104 Auch die Franzosen prägten, wie schon zuvor die preußische Regierung, zu viele Scheidemünzen im Verhältnis zum Kurantgeld aus. Analog zu der Situation in den süddeutschen Staaten verdrängten daraufhin auch in Preußen die Scheidemünzen die Kurantwährung aus dem Umlauf (und damit die Edelmetallvorräte aus dem Lande). Schon 1807 diskutierte die preußische Regierung als Reaktion eine Reduktion der Scheidemünzen auf ihren Metallwert 105 ; aber erst als sich die Ereignisse im folgenden Jahr zu überschlagen begannen, wurde diese Maßnahme wirklich durchgeführt: Im Februar 1808 mußte nämlich nach der starken Abwertung der preußischen Scheidemünze in Westfalen die Berliner Prägung ganz eingestellt werden; durch die Herabsetzung des Wertes um ein Drittel war die Ausprägung dieser Münzen kein lohnenswertes Geschäft mehr. Im April 1808 kam es in Berlin zu Unruhen, insbesondere, weil die Bäcker die Brotpreise stark erhöhten, wohl da sie Akzise und Holz in Kurant bezahlen mußten, aber nur Scheidemünzen einnahmen. Der französische Gouverneur Marschall Victor befahl daher den französischen Kassen, Scheidemünzen zum reduzierten Kurs von 66 ~ % anzunehmen, wodurch der Kurs wieder den Sachwert erreichen sollte. Den Verlust der französischen Kassen mußte der preußische Staat ersetzen; er wurde mit Zustimmung des Freiherrn vom Stein der Kontribution zugeschlagen. Die preußische Regierung folgte notgedrungen dem französischen Vorgehen und 103 Vgl. Rittmann, Deutsche, S. 517. Zum Problem der Staatsfinanzierung mittels der Geldverschlechterung während der Regierungszeit Friedrichs s. a. Peter Elastenbrei, Der König und das Geld. Studien zur Finanzpolitik Friedrichs II. von Preußen, in: FBPG 6, 1996, S. 55 ff. 104 Schrötter, Preußisches 1, S. 1. 105 Vgl. die Kabinettsorder an den Minister Frhr. v. Schrötter über Reduktion der Scheidemünzen, Memel 24.2.1807, abgedruckt in: Schrötter, Preußisches 2, S. 313: "Ich vernehme, daß Kaiser Napoleon in Berlin Scheidemünze unter preußischem Stempel prägen lassen soll. Wenn bei der von den Franzosen in ein System gebrachten Kunst, die von ihnen besetzten Länder rein auszusaugen, ohnehin schon sehr zu besorgen war, daß alles gute Geld und Silberkurant aus dem Lande geschafft werden würde, so ist bei der Scheidemünz-Ausprägung in den Händen Napoleons nichts gewisser, als daß binnen kurzer Frist das Land von allen edlen Metallen ganz ausgeplündert werden würde, wofern nicht in Zeiten wirksame Maßregeln dagegen ergriffen werden. Ich sehe die einzige Rettung nur in der Reduktion der Scheidemünze auf ihren wahren Wert."

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

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setzte am 4. Mai 1808 die schlechten der Scheidemünzen (im wesentlichen die Groschen) auf zwei Drittel ihres Wertes herab. "Wie es dann meist bei Münzreduktionen zu geschehen pflegt: der erwartete Preisfall der Lebensmittel trat nicht oder doch lange nicht in der erwarteten Weise ein, die Polizei konnte die Taxen nicht durchsetzen; das konnte auch nicht anders sein, denn die Reduktion, die schon vorher im Verkehr stattgefunden hatte, war ja nur legalisiert worden. Ja, die Preise stiegen vielmehr um weitere 50%." 106 Im Mai erreichte das Disagio der Scheidemünze gar 72%. Schrötter vermutet, daß der Markt die Devalvierung nur als ersten Schritt auf einer Abwertungsspirale interpretierte und die Furcht vor weiteren Reduktionen durch vorweggenommene Kursverluste umsetzte. Die Stabilisierung des Kurses der Scheidemünzen konnte demnach nur gelingen, wenn die dazu eingeleiteten Maßregeln vom Publikum als endgültig angesehen würden; dazu mußte die preußische Regierung freilich glaubhaft vermitteln, daß sie festen Willens war, die Konsolidierung des Scheidemünzenwesens ernst zu nehmen und entschlossen voranzutreiben. Die Antwort auf diese Anforderungen war das "Edickt in Betreff der Einschmelzung und Umprägung der Scheidemünze in Courant" vom 13. Dezember 1811. 107 Rittmann bemerkt zur Bedeutung des Ediktes, man dürfe es "ohne Zögern in den größeren Rahmen der Stein-Hardenbergsehen Reformen stellen. " 108 Mit ihm schuf die preußische Regierung zumindest die rechtlichen Voraussetzungen für eine vollkommene Neuordnung des Scheidemünzenwesens und darüber hinaus eine Säule der preußischen Währungsverfassung, die dann mit der Münzreform zehn Jahre später vollendet wurde. Die tatsächliche Umsetzung der rechtlichen Normen zog sich jedoch bis in die 1830er Jahre hin. Das Edikt von 1811 verkündete: "Sämmtliche noch coursierende und schon bisher auf zwei Drittel ihres Nominalwerthes reduzierte Scheidemünze soll, sobald als möglich eingeschmolzen, affiniert und in vollwichtiges Courant umgewandelt werden, damit sie demnächst ganz aus dem Umlauf verschwinde." Vom 15. Januar 1812 sollte dies wöchentlich mit Scheidemünzen von 60.000 Tlr. Realwert geschehen. Für die Übergangszeit wurde der Groschen noch einmal im Wert herabgesetzt (jetzt auf vier Siebtel seines Nominalwertes). Mit dem Tag der Publikation konnten zudem Zahlungen an den königlichen Kassen auch in Scheidemünze geleistet werden, zum Kurs von 175 für 100 Tlr. Kurant bei sogenannter Nominal- oder schlechter Münze, zu 116 ~ zu 100 in sogenannter reduzierter oder guter (Scheide-) Münze; dies sollte bis zur erfolgten Einschmelzung der reduzierSchrötter, Preußisches 1, S. 12. Edickt in Betreff der Einschmelzung und Umprägung der Scheidemünze in Courant, 13.12.1811, in: GS 1811, No. 66, S. 373. 108 Rittmann, Deutsche, S. 519. 106 107

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ten Scheidemünzen gelten. Bezüglich der neu auszuprägenden Scheidemünzen galt sogar ein unbegrenzter Annahmezwang für die staatlichen Kassen. Dies war, so der Generalmünzdirektor Goedeking, ein sicheres und einfaches Mittel, die richtige Menge Scheidemünzen im Kurs zu halten: "Hat der Unterthan zu viel, so giebt er sie statt Courant hin, hat er Mangel, so sucht er sie wieder zu bekommen, und die Kassen haben Gelegenheit genug, sie wieder abzusetzen." 109 Im Privatverkehr hingegen durfte niemand gezwungen werden, eine Summe, die in Kurant ausgedrückt werden konnte, in Ausgleichsmünzen anzunehmen. Für die Zukunft versprach das Edikt, daß Scheidemünzen fortan nur noch in solcher Menge geprägt werden sollten, als zum Ausgleich des kleinsten Kurants unbedingt notwendig sei. Scheidemünzen durften nicht als Zahlungsmittel statt Kurant gebraucht werden und alle Verträge waren in Gold oder Kurant zu verfassen. Der Taler sollte künftig statt in 24 in 30 Teile zerfallen und der dreißigste Teil des Talers wieder in 10 Pfennige. Von dieser dezimalen Teilung ist Preußen 1821 allerdings wieder abgerückt, als mit dem Münzreformgesetz bestimmt wurde, daß die Teilungsmünze des Talers, der Silbergroschen, in 12 Pfennige zerfallen sollte. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Rechtsvorschriften des Edikts zeigten sich binnen kurzem im wieder sinkenden Kurs der Scheidemünzen gegenüber dem Kurant. Eine von Hardenberg mit der Untersuchung der Gründe für die Kursentwicklung der reduzierten Münzen beauftragte Kommission unter der Leitung des Generalmünzdirektors sah die Ursachen "in dem unverdienten Mißtrauen" des Publikums "gegen die Operationen der Regierung des Staates" und in der "Leichtgläubigkeit und Gehörens jedes Geredes der wucherischen Spekulanten", die sich, weil die Reduktion einen großen Teil ihrer Gewinnmöglichkeiten genommen habe, in den noch "übrigen [Spekulationen] herum tummeln". Außerdem könnten die Münzstätten die Umprägung unmöglich so schnell vollziehen, als es "das Verlangen der zuströmenden Scheidemünzelieferer" sei; deshalb habe sich die Münze genötigt gesehen, Scheine auszustellen, in denen sie bekannte, für die eingelieferten Scheidemünzen erst nach Ablauf von 20 Wochen Kurant ausgeben zu können; diese Münzscheine erlitten bereits Kursverluste, wenn sie zum Kauf angeboten würden. Darüber hinaus deutete die Kommission an, daß wichtige Bestimmungen des Edikts von "Mitgliedern des Staats" nicht genau befolgt würden, was sich wohl darauf bezog, daß an manchen öffentlichen Kassen ein anderer als der gesetzliche Kurs für die eingelieferten Scheidemünzen berechnet wurde. Die Scheidemünzen drängten auf den Markt, das Kurantgeld hingegen werde zurückgehalten, hieß es 109 Promemoria des Generalmünzdirektors Goedeking für den Staatskanzler über die Beseitigung der Scheidemünze, 17.3.1811, abgedruckt in: Schrötter, Preußisches 2, s. 319- 323, s. 320.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

weiter. "Es erscheint insofern rathsam, einen Theil der Scheidemünzen vom Markt zu entfernen." Dies müsse jedoch vorsichtig und unbemerkt geschehen, damit nicht noch mehr Scheidemünzen auf den Markt strömten. 110

b) Das "Gesetz über die Münzverfassung in den Preußischen Staaten" von 1821 Das Scheidemünzenedikt war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Münzordnung. Gleichwohl hatte es sich zum einen als nicht ausreichend wirksam erwiesen, um die Misere des Kleinmünzenwesens ganz und gar auszuräumen. Darüber hinaus hatten sich die Bedingungen der Münzreform nach der Beendigung der Befreiungskriege geändert: Der Zugewinn großer, dichtbevölkerter und wirtschaftlich stellenweise hoch entwickelter Territorien und die Zerrüttung der Staatsfinanzen, mit diesen beiden Hinterlassenschaften der Befreiungskriege mußte sich Preußen nach deren siegreichem Abschluß auseinanderzusetzen. Die damit erforderliche territoriale und finanzielle Konsolidierung hatte gleichzeitig großen Einfluß auf den weiteren Verlauf der Münzreform. Die Gebietserwerbungen von 1814 und 1815 stellten den preußischen Staat, der weiterhin mit den Folgen der Napoleonischen Kriegen zu kämpfen hatte, vor die enorm komplexe Anforderung, die neu hinzugekommenen Territorien in ein Staatsgefüge zu integrieren, das sich im Zuge der Reformgesetzgebung in einer tiefgreifenden, noch nicht zum Abschluß gekommenen Umbruchsphase befand. Die Aufgabe wurde dadurch zusätzlich erschwert, daß die Gebietserwerbungen im Westen nicht nur von den übrigen preußischen Territorien durch die Besitzungen von Hannover und Hessen getrennt waren, sondern vor allem, "weil Preußen mit den westHilisehen und rheinischen Landesteilen Gebiete übernahm, die sich in administrativer, rechtlicher, Wirtschafts- und sozialstruktureHer Hinsicht und ebenso auch in ihrer konfessionellen Zusammensetzung grundlegend von den altpreußischen Landesteilen unterschieden." 111 (1815 bestand das neue Preußen aus 117 unterschiedlichen Gebietsteilen, die bis dahin verschiedenen Territorialstaaten zugehört hatten, mit jeweils differierenden Verwaltungs- und Finanzeinrichtungen112). Es ist weiter oben schon gezeigt worden, daß die Inte110 Memorandum, unterzeichnet: Rosenstiel, Beguelin, Bülow, Goedeking, Hippe!, 11.2.1812, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 1. 111 Rüdiger Schütz, Preußen und die Rheinlande. Studien zur preußischen Integrationspolitik im Vormärz, Wiesbaden 1979, S. 1. 112 Vgl. Eckart Schremmer, Steuern und Staatsfinanzen während der Industrialisierung Europas. England, Frankreich, Preußen und das Deutsche Reich 1800-1914, Berlin/Heidelberg 1994, S. 119.

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gration der neuerworbenen, insbesondere der westlichen Gebiete von den preußischen Regierungen als wichtigste und für das Überleben des Staates notwendige Aufgabe aller Politik angesehen wurde. Den finanzpolitischen Beitrag (und gleiches läßt sich auch für die Münzpolitik sagen) zur Homogenisierung der Staatsverwaltung beschrieb Finanzminister Bülow 1817: "Die Erfahrung hat überall bewiesen, daß Provinzen, die nach verschiedenen Gesetzen regiert werden, leicht von dem Mutterstaate getrennt werden konnten, und daß dagegen Gleichartigkeit der Verfassungen und Gesetze die Vaterlandsliebe vermehrt und ausdauert. [. . .] Einheit in den Grundsätzen der Besteuerung des Verkehrs jeder Art ist also ein wesentliches Erfordernis für den Staat. Durch sie wird die Verwaltung erst zu einem vollendeten Ganzen [... ] .'.I 13 Die Zerrüttung der preußischen Staatsfinanzen läßt sich ablesen an der Entwicklung der Staatsschuld während der Napoleonischen Kriege: Die Verbindlichkeiten Preußens waren von 48,1 Mio. Tlr. in 1794 auf 287,6 Mio. Tlr. 1815 angewachsen. 114 Die Zahlen sind freilich insofern mit einiger Vorsicht zu betrachten, als die preußische Regierung bemüht war, die genaue Höhe ihrer Schulden zu verschleiern. So wurden 1815 in die Verbindlichkeiten mehr als 50 Mio. Tlr. noch nicht ausgegebene Staatsschuldscheine eingerechnet, um eine Reserve für unvorhergesehene Forderungen zu haben. "Man wollte dadurch den Weg zu einer landständischen Verfassung mit Schuldengenehmigungsrecht durch das Parlament vermeiden." 115 (1821 betrug die offiziell ausgewiesene Staatsschuld 217 Mio. Tlr., womit der Höchststand erreicht war1 16). Die Schuldenlast zu verringern und dabei die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung zu vermeiden, wie es mit dem Staatsschuldengesetz vom 17. Januar 1820, dem sogenannten "Dritten Verfassungsversprechen", das jede staatliche Neuverschuldung an die Zustimmung künftiger Reichsstände gebunden hatte 117, zugesagt wor113 Immediatbericht Bülows an König Friedrich Wilhelm III., 11.1.1817, in: H. Oncken/F.E.M. Saemisch (Hg.), Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins. Akten der Staaten des Deutschen Bundes und der europäischen Mächte, bearb. von W. v. Eisenhart Rothe/A. Ritthaler, Bd. I, Berlin 1934, S. 35 ff., S. 37. 114 Zahlen nach: Schremmer, Steuern, S. 117. 115 Friedrich-Wilhelm Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2: Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert, Paderborn 1996, S. 272. 116 Nach: Eckart Schremmer, Finanzreform und Staatshaushalt in Preußen nach 1820. Einige Beurteilungen, in: Ullmann/Zimmermann (Hg.), Restaurationssystem, s. 111 ff., s. 134/5. 117 Barbara Vogel, Staatsfinanzen und Gesellschaftsreform in Preußen, in: Helmut Berding (Hg.), Privatkapital, Staatsfinanzen und Reformpolitik im Deutschland der napoleonischen Zeit, Ostfildern 1981, S. 37 ff., S. 50; vgl. auch Manfred Botzenhart, Deutsche Verfassungsgeschichte 1806--1949, Stuttgart/Berlin/Köln 1993, s. 18.

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den war, bildete im reaktionären Klima insbesondere der Nach-HardenbergZeit das zentrale Motiv der Finanzpolitik. Die Mittel dazu waren vornehmlich die größtmögliche Sparsamkeit als oberstes Gebot staatlichen Handeins und die Gewinnung nicht-preußischer Gelder durch die Aufnahme ausländischer Anleihen über die Königliche Seehandlung unter Christian Rother, dem "Hüter des Staatschuldenwesens". 118 Die Wirksamkeit beider Grundsätze - dem Willen zur Integration der einverleibten Gebiete und damit der Vereinheitlichung des gesamten Staatswesens und zur finanziellen Konsolidierung (die sich im übrigen als die entscheidenden Motive nicht nur bei der Reform der Währung, sondern im gleichen Maß auch bei dem anderen großen wirtschaftspolitische Reformprojekt der Zeit, dem preußischen Zollgesetz von 1818, nachweisen lassen119) - wurde in der preußischen Münzpolitik in den westlichen Provinzen unmittelbar nach deren Übernahme deutlich, und zwar in den Tarifierungen der dort umlaufenden Münzsorten gegenüber dem preußischen Geld von 1814 und 1815 (d.h. der Festlegung, zu welchem Kurs die öffentlichen Kassen die Münzen annehmen sollten). Preußische Politik bei der Tarifierung fremder Währungen im eigenen Land war es, diese unter ihren Schmelzwert zu setzen, zunächst, um bei der Umprägung die Münzkosten zu erlösen und vielleicht noch einen Gewinn zu erzielen. Neben diesen fiskalischen Motiven war beabsichtigt, mit der Unterbewertung der fremden die Herrschaft der eigenen Münzen zu erhalten und das fremde Geld einzuziehen. In den Tarifen von 1814 und 1815 wurden die fremden Sorten auf Anordnung des preußischen Finanzministers Bülow infolge dieser Politik stark herabgesetzt, um "die Einwohner zur Anschaffung preußischen Geldes zu veranlassen und so allmählich die anderen Münzen zu verdrängen." 120 Praktisch bedeutete diese Form der Überbewertung des preußischen Geldes, das zu jenem Zeitpunkt in den Westprovinzen noch so gut wie gar nicht umlief121 , jedoch vor allem eine Erhöhung der Steuersumme beim Bezahlen in nicht-preußischer Währung. 122 118 Zum Vorgehen Rothers bei der Aufnahme von Anleihen auf dem Frankfurter und Londoner Markt (1817, 1818 und 1822) siehe Richard Ehrenberg, Grosse Vermögen. Ihre Entstehung und ihre Bedeutung. Erster Band: Die Fugger-Rothschild-Krupp, Jena 3 1925, S. 87- 93, und Wolfgang Radtke, Die preußische Seehandlung zwischen Staat und Wirtschaft in der Frühphase der Industrialisierung, Berlin 1981 (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 30), S. 60. 119 V gl. Treue, Wirtschafts- und Technikgeschichte, S. 291: "Die Väter des Zollgesetzes [von 1818] hatten allein die Absicht, die Einnahmen des Staates zu verbessern, sie den Ausgaben anzunähern, vielleicht die Staatsschuld zu verringern und zugleich die Integration der neuen Provinzen zu erleichtern." Ebenso Hans-Werner Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, Göttingen 1984, S. 20. 120 Schrötter, Preußisches 1, S. 174.

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Gegen diese Vorgehensweise erhob sich in den betroffenen Provinzen sogleich scharfer Protest. In einem Gutachten versuchte der Aachener Gouvernementsrat Jacobi, dem Finanzministerium in Berlin nachzuweisen, daß, wenn tatsächlich der Tarif von 1815 allgemein verbindlich würde, wie Bülow wollte, alle französischen Konventionsmünzen und Kronentaler "blitzschnell" aus der Zirkulation verschwinden würden und Geldmangel eintreten müsse. Ähnliche Befürchtungen äußerten die Handelskammern in Köln und Aachen, die sogar von einer Einführung der preußischen Sorten ganz abrieten. 123 Die Proteste hielten Bülow indes nicht von einer Fortführung der einmal in die Wege geleiteten Politik ab, die sich im Tarif vom Februar 1816 niederschlug, der einen einheitlichen Kurs des preußischen Geldes für alle westlichen Gebiete erzwingen sollte. 124 Die Furcht vor einem allgemeinen Geldmangel versuchte Bülow mit dem Verweis auf die fortwährende Neuprägung preußischen Kurants durch die Münzstätten in Berlin und Breslau zu zerstreuen; dieses Kurant komme ebenso den westlichen Provinzen zugute; außerdem werde es bald auch am Rhein eine oder mehrere Münzstätten geben. 125 Schrötter gibt demgegenüber zu bedenken, daß die Münzstätten in Berlin und Breslau auch die neugebildeten östlichen Provinzen Posen, Sachsen und Neuvorpommern mit Geld zu versorgen hatten, daß zudem am Rhein nicht mehrere, sondern nur eine Münzstätte errichtet wurde und diese auch nur langsam in Betrieb kam; so habe es von vomherein gewiß sein müssen, daß es im Westen an neuem Geld weiterhin mangeln würde und dessen hohe Tarifierung gegen fremdes allein es nicht häufiger machen konnte. 126 Trotz der- zumindest nach außen präsentierten -Selbstsicherheit Bülows, daß mit der Tarifierung keine gravierenden Nachteile für die westlichen Provinzen zu befürchten seien, sah er sich schon wenige Monate nach ihrer Veröffentlichung gezwungen, den Einwendungen der Provinzregierungen durch eine vorläufige Stomierung und die Wiederein12 1 Vgl. den Bericht der Trierer Regierung über die Münztarifierung, 8.5.1816, abgedruckt in Schrötter, Preußisches 2, S. 327 f. "Die Einwohner haben sich nun 20 Jahre an den französischen Münzfuß gewöhnt; Preußisch Kurant zirkuliert nicht." 122 Vgl. Clemens Wischermann, Preußischer Staat und westfälische Unternehmer zwischen Spätmerkantilismus und Liberalismus, Köln/Weimar/Wien 1992 (Münstersche Historische Forschungen Bd. 2), S. 325. 123 Gutachten Jacobi, Essen, 11.6.1815; Gutachten der Handelskammer Köln, 10.11.1815; Gutachten der Handelskammer Aachen, 15.10.1815, alle in: GStAPK I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 32, Nr. 17, Bd. l. 124 Verordnung wegen Annahme der in den Königlich-Preußischen Provinzen zwischen der Eibe, Weser, Maas, dem Rhein, der Mosel und Saar umlaufenden fremden Geldsorten, bei sämmtlichen Königlichen Kassen, 28.2.1816, in: GS 1816, No. 344, S. 113. 125 Bülow an Erdmannsdorf, 24. März 1816, in: GStAPK I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 32, Nr. 17, Bd. l. 126 Schrötter, Preußisches 1, S. 183.

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setzung des Tarifs von 1814 für ein Jahr entgegenzukommen. Die Annahme französischen Geldes an den öffentlichen Kassen blieb für dieses Jahr erlaubt; mit Beginn des Jahres 1817 müsse jedoch die Rechnung in französischem Geld ganz aufhören: "Der Mangel an preußischem Gelde in den Rheinprovinzen kann keinen Grund abgeben, die französische Rechnungsart noch beizubehalten, da es den Kontribuenten nicht verwehrt wird, ihre Abgaben in den coursirenden Münzsorten nach dem bestimmten Werthe nach dem Tarife vom 28. Febr. c.[1816] abzutragen, und im gleichen Verhältniß die Ausgaben geleistet werden können [... ]. Ich werde mich daher auf keine Einwendungen weiter einlassen und erkläre alle in dieser Beziehung gemachten Anfragen und Vorstellungen für abgemacht." 127 Daß mit dem von Bülow aufgezeigten Ausweg aus dem Mangel an preußischem Geld nicht nur eine Erhöhung der Steuersumme verbunden war (durch die Unterbewertung der französischen Münzen), sondern auch noch eine Minderausgabe für das Schatzministerium, das so entsprechend weniger teures Silberkurant prägen lassen mußte, war aus der Sicht des preußischen Finanzministers zweifellos eine gern in Kauf genommene Nebenwirkung. Die augenfälligen Schwierigkeiten der Münzpolitik vor allem in den westlichen Provinzen zeigten, daß eine umfassende Münzreform für den preußischen Gesamtstaat dringend notwendig war. Die angestrebte Homogenisierung des Staatskörpers war im Währungswesen durch die einfache Tarifierung der dort noch umlaufenden nicht-preußischen Münzen offensichtlich nicht zu erreichen. Vielmehr bedeutete diese Politik eine faktische Anerkennung des Status quo der Heterogenität des Geldumlaufs und lief damit dem Gebot der Integration der neuerworbenen Gebietsteile entgegen128, auch wenn sie vergleichsweise bequem und vor allem preisgünstig war. Das Finanzministerium reagierte 1817 auf diese Zwangslage mit der Vorlage des ersten Entwurfes einer preußischen Münzverfassung. Deren Grundlage sollte der preußische Taler sein, im gesamten Staatsgebiet einheitlich unterteilt in 30 Silbergroschen zu je 12 Pfennig. 129 Im April des folgenden Jahres nahm die zuständige Kommission des Staatsrates in einem langen Gutachten Stellung zu dem Gesetzentwurf. 130 Sie bestärkte darin die Ministerialbehörde in dem Eindruck, daß ein "allgemeines, klares und ein127 Verfügung des Finanzministers Graf v. Bülow an die Regierungen zu Aachen, Düsseldorf, Koblenz, Köln und Trier über die Anwendung des Münztarifs vom 28. Februar 1816, Berlin 31.10.1816, in: GStAPK I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 32, Nr. 17, Bd. 1. 128 Vgl. das Schreiben des Innenministers Schuckmann an Bülow, 25.4.1817, ebd., in dem er die dringende Notwendigkeit betonte, in den neuen Westprovinzen zu einer Vereinheitlichung des Münzfußes zu kommen. 129 Gesetzentwurf über die Münzreform und Begleitschreiben Bülows an den König Friedrich Wilhelm III., 18.6.1817, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28; Bd. 1.

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faches" Münzgesetz notwendig sei. Die Kommission begründete das von ihr festgestellte Erfordernis durch den Zustand, in den das preußische Münzwesen geraten sei: "Ein großer Theil des in den alten Provinzen des Staates umlaufenden Geldes besteht dermalen noch in der im Jahre 1808 auf zwei Dritttheile, und weiter durch das Edikt vom 13. Dezember 1811 auf vier Siebentheile ihres Nennwerths herabgesetzten Scheidemünze." (S. 3). Genauere Zahlen zum Geldumlauf ließen sich jedoch kaum machen. Zwar enthalte die umlaufende Scheidemünze seit ihrer Abwertung "sehr reichlich den Werth an Silber"; schon in 27 ~ Talern in Groschenstücken sei so viel Silber, wie in 28 Talern gesetzlich enthalten sein solle (so daß die Scheidemünze ihrem inneren Gehalt nach fast 1 ~ % besser sei als ganz vollwertige Talerstücke). "Dennoch ist die alte Scheidemünze eine höchst unbequeme Münzsorte. Denn bei Zahlungen im Ganzen ist der Umlauf in verschloßeneo Beuteln und Tüten wegen der häufigen und leichten Verfälschungen sehr mißlich, das Auszählen aber sehr beschwerlich. Zahlungen im Einzelnen nach gesetzlichem Kurantwerthe sind damit theils schwer, theils gar nicht zu machen. Man braucht drei verschiedne Stücke, in Brandenburg und Pommern einen Groschen, einen Sechspfennig und einen Dreier, und in Schlesien einen Böhmen, einen Zwei-Gröschelen und einen Gröschel, um damit einen Groschen oder einen Böhmen in Kurantwerth darzustellen; und in Preußen ist man gänzlich außer Stande, ein einzelnes Düttchen in Kurantwerth mittels der dortigen Scheidemünzen zu zahlen. Daher ist man in allen Theilen der alten Provinzen genöthigt, eine doppelte Rechnung, in Kurant und in Scheidemünze zu führen." (S. 5). Auch das Kurantgeld der alten Provinzen sei in vielerlei Hinsicht mangelhaft; besonders zwei Mängel bedürften dringend der Abhilfe: Zum einen das differierende Gewicht und der unterschiedliche Feingehalt der einzelnen Münzen, dann aber auch die teilweise erhebliche Abnutzung der umlaufenden Kurantstücke. "Zu diesen Schwierigkeiten, welche schon in den alten Provinzen des Staats Abhülfe von Seiten der Regierung erfordern, treten nun noch die besandem und äußerst mannigfaltigen Verhältnisse der wieder erlangten und neu erworbenen Länder hinzu." (S. 8). Besonders hob die Kommission das Herzogtum Sachsen hervor, in dem gesetzlich zwar der Konventionsfuß gelte (20 Tlr. sächsisches Kurant= 21 Tlr. preußisches Kurant); die vollhaltigen Konventionsspeciestaler seien jedoch - in Sachsen wie in ganz Deutschland - größtenteils aus dem Umlauf verschwunden. Stattdessen laufe in ganz Süddeutschland vorwiegend österreichisches Silbergeld (20- und 10-Kreuzerstücke) um, das die Österreichische Papiergeld130 Ebd.: Gutachten der Abteilungen des Staatsraths für die Finanzen, den Handel und das Innere über den unterm 18. Junius 1817 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über das Münzwesen, 7.4.1818 (gedruckte Abschrift, nur zum Gebrauch der Mitglieder des Staatsrats; 51 Quartseiten).

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wirtschaft aus dem Lande vertrieben habe, und dieses Geld sei nicht ganz vollhaltig. Zu den Rheinprovinzen hieß es, daß diese eigentlich gar kein festes Zahlungsmittel hätten: "Die Zahlung daselbst geschieht in der Regel in fremden Geldsorten, Kronenthalem, Laubthalem, Fünf-Prankenstücken und Konventionsgelde." Die Wechselkurse unter diesen Münzen schwankten sehr. "Da die Königlichen Kassen in ihren Einnahmen dieser Unsicherheit nicht ausgesetzt werden konnten, und das fremde Geld nur nach Tarifen annehmen, wobei bloß auf den innem Silbergehalt desselben und selbst auf die darauf zu verwendenden Umprägungskosten gerücksichtigt worden ist: so bildet sich ein doppelter Werth des umlaufenden Geldes, nämlich ein Werth für die Kassen, und ein Werth für den gemeinen Verkehr, wodurch Klagen über indirekte Erhöhung der Auflagen und Versuchungen zur Agiotage erzeugt werden." Diese Umstände machten es dringend notwendig, für Sachsen wie vor allem für die Rheinprovinzen "ein inländisches festes Geld zu schaffen, und die schwankenden fremden Zahlungsmittel zu verdrängen." (S. 9). Auch wenn der preußische Taler "unläugbar eine unvollkommene Münze" sei, dem es zweifellos zum Vorteil gereichen würde, feiner und in höherem Wert ausgeprägt zu werden, weil er sich dann weniger schnell abnutzen würde und damit auch dem Umlauf falscher Münzen zu hindem sei; "[w]enn es indessen hiernach bei einer ganz neuen Einrichtung des Münzwesens wohl zu beraten wäre, ob man nicht für die größte Preußische Silbermünze ein feineres Metall und einen höhem Werth annehmen sollte: so sind die unterzeichneten Abtheilungen doch mit dem vorliegenden Berichte der Ministerialbehörde dahin einverstanden, daß es jetzt, wo eine so große Anzahl von Preußischen Thalerstücken bereits im Umlaufe, allgemein bekannt und gern genommen ist, wohl rätblich sei, keine Änderung in dem Gewichte und Feingehalte derselben vorzunehmen." Zuerst müßten die dringendsten Verbesserungen vorgenommen werden: "Das Land wird nach allen bisherigen Erfahrungen sehr zufrieden damit sein, wenn es dahin kommt, daß alle größeren Zahlungen in der Regel in Thalerstücken gemacht werden [... ]." (S. 12 ff.). Ebenso wie in der Frage des Feingehaltes der zukünftigen Hauptmünze wählte die Kommission in der Unterteilung des Kurants weniger den bestmöglichen Weg, als den der am wenigsten problematischen Verwirklichung (bzw. des geringsten Widerstandes): "Die unterzeichneten Abtheilungen haben die große Bequemlichkeit nicht verkannt, welche die zehnteilige Rechnung gewährt [die mit dem Edikt von 1811 eingeführt worden war]. Die Mehrheit derselben hat jedoch diese Bequemlichkeit nicht so hoch angeschlagen, um sie überwiegend über die doppelte Unbequemlichkeit zu finden, daß die Zehntheilung weder dem gewöhnlichen Bedürfnisse im gemeinen Verkehr, noch der Gewohnheit der Völker entspricht." (S. 20). (Dies spielte auf die einfachere Teilbarkeit einer Münze im Duodezimalsystem an - die 12 läßt sich in fünf ganze Teile

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zerlegen, die 10 nur in drei -, weswegen die meisten der älteren Münzsysteme die Zwölfteilung kennen.) Auch verkannten die "unterzeichneten Abteilungen" den Vorteil einer in großen wie kleinen Münzen einheitlichen Rechnungsart nicht, wagten jedoch andererseits nicht, die als am besten geeignet angesehene Einteilung des Talers in 30 Sgr. zu 12 Pfg. auch für die rheinischen Provinzen vorzuschlagen. Zwar hätten dort die Unternehmer aus dem Schwanken der Währungskurse den Vorteil gezogen, ihre Arbeiter immer in der am niedrigsten bewerteten Münze auszuzahlen ("den wahren Silberwerth des Lohns durch den hohen Nominalwerth, in welchem sie diese fremden Münzsorten ausgaben, das ist durch eigenmächtige Verringerung des Münzfußes herabzusetzen"). Dies sei zwar ein Mißbrauch: "Die Mehrheit [der Abteilungen] glaubt aber dennoch zuviel zu wagen, wenn sie den rheinischen Fabriken unter ihren jetzigen Umständen eine neue Veranlassung zur Beschwerde giebt [indem sie durch eine Münzreform den Nominalwert gleich dem realen Wert setzen würde], und sie trauet sich nicht, der auch zum Vortrage gekommenen Ansicht zu überlassen, daß der Fabrikunternehmer Einfluß genug auf seine Arbeiter habe, um nach einer neuen Münzeintheilung bestimmte Lohnsätze bei denselben einzuführen." (S. 23). Deshalb waren die Vorschläge des Gutachtens: 1. Die Einführung von einheitlichen Gold- und Kurantmünzen im preußischen Staat. 2. Größte und auch dem ganzen Staat gemeinsame Scheidemünze sollte der dreißigste Teil des Talers sein; die kleineren Scheidemünzen (in der Regel Kupfer) "werden nach der üblichen Rechnung des Landes verschieden seyn können"; der Versuch der Herstellung möglichst weitgehender Einförmigkeit solle jedoch gemacht werden. "Diese Vorschläge vereinigen die wesentlichsten Vonheile einer gleichförmigen allgemeinen Landesmünze mit dem besonderen Interesse der Provinzen; indem sie die, nach der Ansicht der Mehrheit nicht zu vermeidende, Verschiedenheit der Eintheilungen und Rechnungsarten blos auf die kleine Scheidemünze zurückbringen, welche, solange der Preußische Staat besteht, in seinen verschiedenen Provinzen verschiedener gewesen ist, als sie es für die Zukunft hiernach seyn wird." (S. 24). Der Staatsrat beriet über die Vorschläge der von ihm eingesetzten Kommission am 28. April und 5. Mai 1818. Die Teilung des Talers in 30 Silbergroschen fand die Zustimmung der Mehrheit (23 gegen 11 Stimmen), ebenso die unterschiedliche Teilung des Groschens im Osten und im Westen (29 zu 15 Stimmen). Am 17. Juli billigte das Gremium einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf, der dem König am 24. vorgelegt wurde. 131 Beim König fand das Gesetzgebungsverfahren dann jedoch erst einmal sein Ende; wie Friedrich Wilhelm III. schon im Mai gegenüber Schatzminister Lotturn angedeutet hatte, war er nicht bereit, der Vorlage in 13 1

Ebd.: Protokolle des Staatsrates und Gesetzentwurf.

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dieser Form zuzustimmen. Aus dem Memorandum Lotturns ist zu erkennen, daß der König offenbar bezweifelte, daß ausreichend Silber würde beschafft werden können, um die alte Scheidemünze auf einmal einzulösen, und daß er gegen die Zweiteilung der neuen Rechnungsart war. 132 Während der König so den Erlaß einer neuen Münzverfassung blockierte, wurde die Situation im Münzwesen vor allem der Westprovinzen unhaltbar; zahlreiche Brandbriefe der dortigen Regierungen wiesen auf den drückenden Mangel in der Scheidemünzenversorgung hin. Selbst Spielmarken und alte Knöpfe seien Anfang 1821 als Ausgleichszahlungsmittel im Westen umgelaufen, berichtete der westfälische Oberpräsident Vincke. 133 Auch die Staatsregierung schloß sich dem Warnruf aus den Provinzen an und versuchte, den König von der Dringlichkeit des Bedürfnisses zu überzeugen. 134 Auf der anderen Seite lehnte das preußische Finanzministerium die neuerliche Suspendierung des Tarifs von 1816 (wodurch die fremden Münzen in größerem Maße im Umlauf hätten gehalten werden können) schon seit 1819 mit dem Hinweis ab, es sei in unmittelbarer Zukunft mit einem gänzlich neuen Tarif zu rechnen. 135 Erst Ende Juni 1821 stimmte das Staatsministerium der vom König geforderten Einführung der einheitlichen Teilung des Talers für alle Provinzen des Reiches zu; das Ministerium äußerte die Meinung, daß die Gründe, die für eine Teilung in 300 Pfg. im Westen gesprochen hätten, nicht mehr so schwerwiegend seien, um den Unterschied zwischen dem östlichen und westlichen Landesteil rechtfertigen zu können. "Dagegen ist es nun der dringendsten Nothwendigkeit, auch in den westlichen Provinzen dem bisherigen Mangel an Scheide-Münze endlich und so schleunig als möglich abzuhelfen, welcher für die aermeren Volks-Klassen besonders die in jenen Ebd.: Memorandum des Schatzministers (Lottum), 28 5.1818. Vgl. Paul C. Martin, Rahmenordnung und Geldwirtschaft der Frühindustrialisierung, in: Hermann Kellenbenz (Hg.), Öffentliche Finanzen und privates Kapital im späten Mittelalter und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1971 (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Bd. 16), S. 87 ff., S. 91. 134 Extrakt aus dem Bericht Vinckes (Oberpräsident der Provinz Westfalen), Münster, 4.10.1820; Schreiben v. Ingersleben (Oberpräsident der Provinz Niederrhein) an das Schatz-Ministerium, Koblenz 5. 9.1820; Memorandum des Handelsministers (Kühn), des Innenministers (Schuckmann) und des Schatzministers (Lottum), 14.12.1820; Memorandum Lottums, 23.1.1821; Brief Vinckes an den König, Münster 25.1.1821; Memorandum Lottums, 20.4.1821; Schreiben Lotturns an Staatskanzler Hardenberg, 8.5.1821, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 1. 135 Schreiben der Regierung zu Münster (Vincke) an den Finanzminister, Münster 4.8.1819; Antwortschreiben des Finanzministeriums (Klewiz), 19.8.1819; Schreiben der Regierung in Münster (Vincke) an den Finanzminister, Münster 31.5.1820; Antwortschreiben des Finanzministers (Klewiz) an die Regierung in Münster, 10.6.1820, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2087. 132

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Gegenden so zahlreichen Fabrik-Arbeiter höchst drückend ist [. .. ]." Der König möge der Einbringung der neuen Scheidemünzen im Westen jetzt seine Zustimmung geben, auch ohne vorher den Staatsrat damit zu befassen, da dieser bereits für den Sommer geschlossen sei und damit eine nicht hinnehmbare Verzögerung eintreten würde. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß die Minister zu diesem Zeitpunkt, nachdem das Gesetz mehr als drei Jahre blockiert worden war, weil Staatsministerium und König in dieser Frage zu keiner gemeinsamen Ansicht hatten finden können, auf eine nicht mehr hinzunehmende Verzögerung durch die Einschaltung des Staatsrates verwiesen, um ein an sich normwidriges Gesetzgebungsverfahren zu begründen. Andererseits dokumentiert dieses Vorgehen aber auch, wie dringend dem Staatsministerium das Problem des Scheidemünzenmangels mittlerweile erschien. 136 Am 17. September 1821 konnte die Gesetzesvorlage in der letztgültigen Fassung dem König vorgelegt werden; am 30. September erfolgte dann endlich die Unterzeichnung. Die mit dem Gesetz vom 30. September 1821 bestimmte preußische Münzverfassung 137 teilte sich in 22 Abschnitte. Der Friedrichsdor (auch in doppelten und halben Stücken geprägt) hatte weiter Bestand als preußische Goldmünze, 35 sollten eine Mark wiegen und 260 Grän feines Gold enthalten. Silbermünze blieb der Preußische Taler (die Bezeichnung "Reichstaler", 1750 mit der Graumannsehen Münzreform eingeführt, wurde damit offiziell aufgegeben, obschon sie aus alter Gewohnheit weiterhin Verwendung fand). Die bisherigen Kleinkurantstücke bis herab zum Zwölftel sollten im Umlauf bleiben, künftig aber außer Talern nur noch Sechstelstücke geprägt werden; die alten 115- und 1115-Talerstücke waren nach und nach einzuziehen. Kern der Reform war der Abschnitt 7: "Künftig wird der Preußische Thaler in Unseren sämmtlichen Staaten in dreißig Silbergroschen getheilt. Es sollen deshalb Silbergroschen in Billon ausgeprägt, dieselben aber nur als Scheidemünze zur Ausgleichung, besonders im kleinen Verkehr, gebraucht werden. Zahlungen, die mit ganzen, mit Drittel- und Sechstelthaierstücken geleistet werden können, ist Niemand verpflichtet, in Silbergroschen anzunehmen; dagegen darf die Annahme derselben, von den öffentlichen Kassen und Anstalten eben so wenig, als im Privatverkehr, geweigert werden, in so fern die zu leistende Zahlung weniger, als ein Sechstel-Thaler beträgt, oder weniger als ein Sechstelstück zur Ausgleichung der Summe erforderlich ist." Letzteres bedeutete einen Rückschritt gegenüber der schärferen Regelung von 1811 und damit eine Abschwächung der Schutzmittel gegenüber einer übermäßigen Ausbringung von Scheidemün136 Das Staatsministerium an den König, 21.6.1821, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 1. 137 Gesetz über die Münzverfassung in den Preußischen Staaten, 30.9.1821, in: GS 1821, No. 673, S. 159.

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zen durch den Staat, indem die öffentlichen Kassen nun nicht mehr Scheidemünzen jeder Summe in Kurant umtauschen mußten. Es wurde versprochen, von den Scheidemünzen (neben dem Silbergroschen noch 6-Pfennigstücke in Billon und Kupfermünzen zu 4, 3, 2 und 1 Pfg.) nur soviel auszuprägen, wie zum Ausgleichen im kleinen Verkehr notwendig sei. Die alten Scheidemünzen waren einzuziehen und umzuprägen. Sobald an neuer Scheidemünze genug geprägt war, sollten die einzelnen Provinzen von ihren zum Teil noch eigentümlichen Rechnungssystemen auf die Rechnung des Talers zu 30 Sgr. zu 12 Pfg. übergehen. 138 Trotz der langen Planungszeit wies das Reformgesetz einige offensichtliche Schwächen auf; darauf hatte schon das Gutachten der Kommission des Staatsrats von 1818 hingewiesen, allerdings verbunden mit dem Argument, daß eine mit Fehlern behaftete Reform immerhin um Vieles besser sei als überhaupt keine. Dennoch sah die preußische Regierung sich bewogen, die Schwachstellen der Münzverfassung zu rechtfertigen, weswegen Hardenberg Rother (aus dem für die Münzpolitik zuständigen Ministerium des Schatzes) und dieser wiederum Johann Gottfried Hoffmann, Professor für Staatswissenschaften in Berlin und langjähriger Direktor des preußischen statistischen Büros, beauftragte, eine anonyme Kritik "Bemerkungen über das preussische Münzwesen" zu überprüfen und zu widerlegen. 139 Hoffmann stellte einen unumstritten positiven Punkt an den Beginn seiner Ausführungen, den er auch gebührend lobte und der in der Tat einen wichtigen Schritt zur Modernisierung der Münzverfassung bedeutete: Festzustellen sei, so Hoffmann, "[... ] daß Finanz-Rücksichten die preußische Regierung nicht hindern, ihren Münzen diejenige Vollkommenheit zu geben, welche nach richtigen Begriffen von der Natur und dem Zwecke des Münzwesens gefordert werden kann. Die Münze selbst als Einnahme-Quelle, als sogenanntes nutzbares Regal zu betrachten, dürfte heutigen Tages wohl kein Staatswirth, hoffentlich also auch kein preußischer, räthlich finden." Zweck des staatlichen Münzens sei hingegen, "dem Empfänger einer Quantität edlen Metalls das eigene Nachwiegen und Probiren zu ersparen, indem ihm durch den landesherrlichen Stempel Gewähr geleistet wird, daß er einen bestimmten Feingehalt und ein bestimmtes Gewicht in einer gewissen Anzahl mit diesem Stempel geprägter Geld-Stücke würklich erhalte." Nach Hoffmanns Überzeugung entsagte der preußische Staat mit seiner Münzverfassung von 1821 dem Streben nach Gewinn als wesentlichem Motiv des 138 Zum Vergleich der Münzverfassung mit dem Edikt von 1811 s. a. Rittmann, Deutsche, S. 521. 139 Erläuterungen über das preußische Münzwesen, als Hülfsmittel zur Beurtheilung des Gesetzes vom 30. September 1822 [sie: 1821), o.D. (verfaßt von J.G. Hoffmann, an den Staatskanzler Hardenberg, handschriftlich, nach dem Begleitschreiben vom 27.4.1822, 57 Seiten), in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 2.

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Münzregals und akzeptierte seine Verantwortung für eine ausreichende und stetige Versorgung mit garantiert werthaltigen Zahlungsmitteln (womit die Aufrechterhaltung des Geldwertes auch Eingang in den Katalog der Staatsziele fand). Dies entsprach den einleitenden Worten des Münzgesetzes, das erlassen wurde "[i]n der Absicht, eine gleichförmige feste Währung in Gold und Silber in Unseren sämmtlichen Staaten einzuführen, [... ] und durch Ausprägung einer hinlänglichen Menge inländischer Gold- und Silbermünzen den Umlauf fremder Münzen sowohl, als der alten schon herabgesetzten inländischen Scheidemünze allmählig ganz entbehrlich zu machen [... ]." 140 An diesem Punkt dürfte sich nun allerdings auch keine Kritik entzündet haben; im folgenden widmete Hoffmann sich dann den "unläugbaren Mängeln" des Münzgesetzes, die er zwar eingestehe; der Versuch der Verbesserung hätte seines Erachtens jedoch nur noch größere Übel verursacht. Bezüglich des beanstandeten Festhaltens Preußens am Friedrichsdor als Goldmünze schrieb Hoffmann, daß es schon sehr gute Gründe geben müsse, eine derartig lange Zeit bestehende und in Norddeutschland weit verbreitete Münze aufzugeben. Der einzige Vorwurf, den man Preußen (und den anderen deutschen Staaten) begründet machen könne, sei der, daß die deutschen Pistolen (wie die norddeutsche Version des Louisdor bzw. der Doublone bezeichnet wurde) mit dem Silbergeld der deutschen Länder in keinem übersichtlichen Verhältnis stünden. Das niedrige Feingewicht des Talers wiederum rechtfertigte er mit dem massenhaft umlaufenden schlechten Silber. Kein Land sei so voll von schlechtem Silber wie Deutschland, ausgenommen vielleicht die Türkei, und dieses Übel sei viel älter als der Graumannsehe Münzfuß. In seiner 1838 erschienenen "Lehre vom Gelde" nennt Hoffmann zwei weitere Gründe, die 1750 für die Wahl des 14-Talerfußes gesprochen hatten, aber auch Beweggründe für das Aufrechterhalten dieses eher leichten Münzgewichtes 1821 gewesen sind: Zum einen sollte durch das Ausprägen in einem geringfügig niedrigeren als dem Konventionsfuß das Ausströmen des preußischen Talers verhindert werden - auch hier geht es wieder um das Wirken des Greshamschen Gesetzes, nach dem leichteres das schwerere Geld aus dem Umlauf drängt. Ein weiterer, unvorhergesehener Vorteil des 14-Talerfußes für Preußen sei dadurch entstanden, daß im kleinen Verkehr auf preußischem Gebiet für einen Groschen dasselbe zu kaufen gewesen sei, was im benachbarten Ausland mit einem Groschen im Zwanzig-Guldenfuß bezahlt werden mußte; "der brandenburgische Fabrikunternehmer erhielt daher die gleichen Dienste für einen Lohn, welcher nur 20/21 des140 Gesetz über die Münzverfassung in den Preußischen Staaten, 30.9.1821, in: GS 1821, No. 673, S. 159, Präambel.

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sen war, den sein Nachbar in Sachsen mit der gleichen Anzahl Groschen bezahlen mußte, und konnte also unter übrigens gleichen Umständen wohlfeiler verkaufen, weil er niedrigeren Arbeitslohn zahlte. " 141 Es sollte sich in den kommenden Jahren zeigen, daß die Entscheidung für den leichten 14Talerfuß bezüglich der Entwicklung des Münzwesens in den norddeutschen Staaten von einiger Bedeutung gewesen ist, weil mit ihm der preußische Taler die Taler der Nachbarländer, die nach geringfügig schwererem Fuß ausgeprägt wurden (namentlich die groben Münzen des 13 ~-Talerfußes etwa des Königreiches Sachsen), aus dem Umlauf drängte. Dies war eine zentrale Ursache dafür, daß der 14-Talerfuß zum allgemeinen Münzfuß des Nordens werden konnte - und damit der preußische Taler zu dessen Leitwährung. Auf diesen Punkt wird an anderer Stelle noch einmal zurückzukommen sein. Zuletzt konterte Hoffmann in seinem Gutachten das Argument, Preußen hätte sich dem Konventionsfuß anschließen sollen: "Preußen konnte gar keine Ursache haben, gegenwärtig statt des Graumannsehen Fußes den Konventionsfuß in seinem Silberkurant anzunehmen. Man gefällt sich oft in der Vorstellung, den Konventionsfuß als einen allgemeinen deutschen Fuß darzustellen; nimmt es auch wohl Preußen gewissermaßen übel, daß es ein abgesondertes selbstständiges Münzwesen hat, und sich nicht diesem angeblich gemeinsamen Konventionsfuße anschließt. Gleichwohl sind es sehr wenige Länder in Deutschland, in welchen wirklich die gemeinsame Landeswährung der Konventionsfuß ist. [. .. ] Preußen hat niemals irgend einem deutschen Reichsstande die Anmuthung gemacht, sein Münzwesen nach dem preußischen einzurichten: es darf aber auch erwarten, daß unter diesen Umständen billige und unterrichtete Männer es keiner Abtrünnigkeit von einer allgemeinen deutschen Angelegenheit zeihen, wenn es keine Verbindlichkeit anerkennt, einen Münzfuß anzunehmen, der ohne seine Beistimmung entstanden, und selbst in dem größten Theile der Länder, wo man das grobe Kurant darnach geprägt, nicht im Verkehre gebräuchlich ist." 142 c) Die Umsetzung des Münzreformgesetzes

Die eine Seite der Vereinheitlichung des Münzwesens stellte die Austreibung der fremden Münzen durch gesetzgebensehe Maßnahmen dar. Die preußische Regierung begann aber darüber hinaus schon 1818 mit der Einziehung der eigenen alten Scheidemünzen. Die umlaufende Menge dieser Münzen war dabei allerdings unbekannt. Zwar wußte das Staatsministerium, 141 J.G. Hoffmann, Die Lehre vom Geld als Anleitung zu gründlichen Urtheilen über das Geldwesen. Mit besonderer Beziehung auf den preußischen Staat, Berlin 1838, S. 64 und 67. 142 Hervorhebungen im Original.

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daß bis 1807 für ca. 50 Mio. Taler Gutegroschen, Sechser und Düttchen und von den Franzosen dann noch für 3 Mio. geprägt worden, nicht aber, wie viele davon in fremden Münzstätten eingeschmolzen oder verloren gegangen waren. Am 26. Juni 1818 beschloß das Ministerium, mit der Einziehung der Düttchen zu beginnen; geplant war, 60-80.000 Tlr. wöchentlich einzuziehen.143 Die Münzstätten waren von der eingehenden Menge allerdings bald völlig überfordert; im Januar und Februar häuften sich die Berichte des Finanzministeriums, daß die Einziehung der Scheidemünzen so rasch vor sich gehe, daß die Münze nicht mehr mit dem Umprägen hinterherkomme. Klewiz wies das Schatzministerium barsch an, es solle die Münze gefälligst in Stand setzen, schneller umzuprägen. 144 Diesem Ansinnen war das Schatzministerium jedoch nicht in der Lage nachzukommen, denn die alten Scheidemünzen konnten so lange nicht in neue umgeprägt werden, bis sie gesetzlich definiert würden, was dann ja erst mehr als zwei Jahre später geschah. Vorläufig behalfen sich die Münzstätten, indem sie in Kurant umprägten; aufgrund des niedrigen Edelmetallgehaltes der eingezogenen Münzen hätte dazu jedoch weiteres Silber hinzugekauft werden müssen; eben dies schlug Lotturn, dessen Schatzministerium als für die Münze verantwortliche Stelle sich von allen Seiten Angriffen ausgesetzt sah, 1822 dann auch vor. Er bat um die Gewährung eines Vorschusses von 500.000 Tlr. aus dem Staatsschatz, weil die immer noch große Zahl umlaufender alter Scheidemünzen die Verbreitung der neuen Silbergroschen gefährde.145 Über diese Frage entspann sich in der Folge eine heftige interministerielle Auseinandersetzung; am Ende allerdings wurde der Lotturnsehe Plan, wie kaum anders zu erwarten, aufgrund der hohen Kosten abgelehnt. Nachdem das Gesetz zur Münzreform lange Jahre der endgültigen Verabschiedung geharrt und die Unsicherheit über den künftigen Rechtszustand im preußischen Münzwesen alle weitergehenden Anordnungen blockiert hatte, sollte die neue Münzverfassung nach ihrem Erlaß nun schnell und nachhaltig durchgeführt werden. Dennoch bereiteten die postulierte ausreichende Versorgung mit Kurant und die Vereinheitlichung der Scheidemünzen noch jahrelang die größten Probleme. 146 Die Schwierigkeiten traten dabei einmal mehr vor allem in den Westprovinzen auf, wo der wachsende Geldbedarf aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und die von Berlin aus gesteuerte Geldpolitik zunehmend in Gegensatz zueinander gerieten. Vgl. Schrötter, Preußisches I, S. 96. Mehrere Berichte des Finanzministeriums; Finanzminister (Klewiz) an das Ministerium des Schatzes und des Staatskreditwesens, 26.2.1819, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzrninisterium, I A, Nr. 2087. 145 Schreiben Lotturns an den König, 20.3.1822, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 2. 146 Vgl. Wischennann, Preußischer, S. 326. 143

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Noch im Oktober 1821 wurden die Bedingungen des lange angekündigten neuen Tarifs, nach dem die fremden in Preußen umlaufenden Scheidemünzen gegenüber dem preußischen Geld eingeschätzt wurden 147 (und der allein im Westen 70 Arten alter Kupfermünzen registrierte), bekanntgemacht; Gesetzeskraft erhielt der Tarif im November. 148 In einem zweiten Schritt, der sich auf die Kurantmünzen bezog, wurde ebenfalls bereits im Oktober die Annahme von fremdem Kurantgeld an den staatlichen Kassen untersagt. 149 In der Begründung der Kabinettsorder hieß es, das Verbot sei jetzt durchzuführen, weil seit dem Erlaß des Tarifs von 1816 in den betreffenden Provinzen ausreichend preußisches Kurantgeld in Umlauf gebracht und dadurch der größte Teil der einst umlaufenden ausländischen Münzsorten verdrängt worden sei. In der Tat hatte die Düsseldorfer Münze in ihren ersten drei Betriebsjahren Kurantprägungen in besonders großer Menge zu verzeichnen; 1817 waren es 338.000 Tlr., 1818 2,004 Mio. und 1819 2,286 Mio. Allerdings entstammten diese abnorm hohen Zahlen Umprägungen aus Zahlungen der französischen Kriegsentschädigung sowie aus Beständen der die privaten Ansprüche an Frankreich regelnden General-LiquidationsKommission in Aachen; dazu kamen noch Anteile aus den Silberlieferungen des Bankhauses N. M. Rothschild (London) für die preußische Staatsanleihe von 1818. Ohne diese Sondereinflüsse ging im "Normalgeschäft" der Neu- und Umprägung (der alten Landessilbermünzen) die Summe der Ausmünzungen sofort auf einen Bruchteil zurück: Die Gesamtprägung der Düsseldorfer Münze betrug von 1817 bis 1819 4,63 Mio. Tlr. (das sind 1,543 Mio. Tlr. im Jahresmittel), von 1820 bis 1830 2,4 Mio. Tlr. (Jahresdurchschnitt etwa 219.000 Tlr.) und von 1831 bis 1844 insgesamt nur noch knapp 930.000 Tlr. (bloße 66.357 Tlr. im Schnitt). 150 Diese Entwicklung stellte auch die zuversichtliche Diagnose der Regierung in Frage, sie habe Kurant in ausreichender Menge herstellen lassen. Sobald die Expansion des Münzumlaufes wieder nur über den Erwerb von Silber auf dem Markt bewerkstelligt werden konnte, somit bei allgemein steigendem Silberpreis er147 Vergleichungs-Tabelle des Werths nachbenannter fremder Geld-Sorten gegen Preußisches Geld, nach dem neuen Münz-Edict vom 30sten September v. J. zur Belehrung des Publikums, 15.10.1821 , ergänzt durch die Werth-Vergleichungs-Tabellen der neuen Silber-Groschen und Kupfermünzen gegen die jetzt noch umlaufende Schlesische, Preußische und Posener, auch Brandenburgische Scheide-Münze, 15.11.1821, in: GStAPK I. HA Rep. 77 Ministerium des Innem, Tit. 32, Nr. 22. 148 Bekanntmachung wegen und mit der Vergleichungstabelle des Werths mehrerer fremder Geldsorten gegen Preußisches Geld, d. 15ten Oktober 1821, 27.11.1821, in: GS 1821 , No. 685, S. 190. 149 Allerhöchste Kabinetsorder wegen Annahme fremder Münzen an den Staatskassen, 25.10.1821, in: GS 1821 , No. 678, S. 184. 150 Angaben zu den Ausmünzungen der Düsse1dorfer Münze nach: Paul C. Martin, Monetäre Probleme der Frühindustrialisierung am Beispiel der Rheinprovinz (1816-1848), in: JfNSt 181, 1967/68, S. 117 ff., S. 126 ff. und 132 f.

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neut zum Verlustgeschäft wurde 151 , kam die preußische Regierung ihrer selbst auferlegten Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahlungsmittelversorgung augenscheinlich nur noch in ungenügendem Maße nach. Anfang Dezember 1821 wies Finanzminister Klewiz sämtliche preußischen Provinzregierungen an, bereits zum Beginn des kommenden Jahres die Rechnung an den öffentlichen Kassen auf die im Münzgesetz festgelegte umzustellen (1 Tlr. = 30 Sgr. = 360 Pfg.). Zwar seien noch nicht überall ausreichend neue Scheidemünzen vorhanden, doch werde sich dies rasch ändern. 152 In seiner optimistischen Prognose verließ sich Klewiz auf die Ankündigung des Schatzministeriums, daß die besonders unterversorgten westlichen Provinzen in nächster Zeit vorzugsweise mit Silbergroschen und Kupfermünzen versehen werden sollten. 153 Im folgenden Jahr wurde die Politik der innerpreußischen Währungsvereinheitlichung weiter vorangetrieben, etwa durch die Anordnung, vorübergehend einen Teil der Gehälter und Pensionen bis zu einem Zehntel in Silbergroschen auszuzahlen, um somit die Verbreitung der neuen Scheidemünze (und Rechnungsweise) zu befördern. 154 Auf die wiederholten Klagen Vinckes hin, betreffend die Schwierigkeiten bei der Einführung der neuen Scheidemünzen in Westfalen, stellte das Staatsministerium fest, dies sei eine Folge der immer noch beträchtlichen Verwendung alter und fremder Scheidemünzen in der Provinz. Deshalb wurde den Gewerbetreibenden des westlichen Teils der Monarchie sowie allen denjenigen, die ihre Waren allgemein zugänglich anboten, befohlen, ihre Preise nur noch in der neuen Rechnung auszuzeichnen. Gleiches galt für alle "öffentlichen Verhandlungen", d.h. Börsengeschäfte und dergleichen. Die alten Rechnungsweisen sollten in der Folge solcher Anordnungen aus dem öffentlichen Bild und damit aus dem allgemeinen Bewußtsein verschwinden. Die alten Landes-Scheidemünzen sowie das alte Kurant, das nicht mit der neuen Rechnung übereinstimmte, sollten für eine Frist von sechs Monaten weiterhin von den öffentlichen Kassen angenommen werden; die fremden Scheidemünzen waren (ebenfalls innerhalb von sechs Monaten) außer Kurs zu setzen. Die Einbringung fremder Scheidemünzen 151 Zur Entwicklung der Weltsilberproduktion und der Silberpreise vgl. Adolf Soetbeer, Materialien zur Erläuterung und Beurtheilung der wirthschaftlichen Edelmetallverhältnisse und der Währungsfrage, hgg. vom Vorstand des Vereins zur Wahrung der wirthschaftlichen Interessen von Handel und Gewerbe, Berlin 1885, S. 7, und Michael North, Das Geld und seine Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1994, S. 144 u. 148. 152 Zirkular des Finanzministers Klewiz an sämtliche preußischen Regierungen, 5.12.1821, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2088. 153 Schreiben Lotturns an den General-Münz-Direktion, 24.10.1821, in: GStAPK I. HA Rep. 77 Ministerium des Innem, Tit. 32, Nr. 22. 154 Ebd.: Zirkular des Schatzministers Lotturn an sämtliche preußischen Regierungen, 13.3.1822.

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wurde ab sofort bei Strafe der Konfiskation und dazu einer Geldstrafe in Höhe des doppelten Nennwertes der importierten Münzen verboten. 155 1823 wurden diese Bestimmungen zur Austreibung der fremden Scheidemünzen dann noch einmal verschärft; per Kabinettsorder vom 22. Juni wurden die fremden Kleinmünzen binnen einer Frist von 6 Monaten ganz außer Kurs gesetzt und die Annahme solcher Münzen nach diesem Zeitpunkt für den ganzen Verkehr (und nicht nur, wie seit 1822, an den Staatskassen) verboten. Abermals bekräftigt wurden die Strafbestimmungen des Vorjahres bezüglich des Importes fremder Scheidemünze sowie die Anweisung an alle Gewerbetreibenden zur Preisauszeichnung ausschließlich in der neuen Rechnung. Zudem wurden die Regierungen erneut darauf verpflichtet, in den "öffentlichen Verhandlungen" der Provinzialbehörden (Verwaltungsund Justizbehörden, Notare, Auktionskommissare, in den öffentlichen Kurszetteln usw .) streng die neue Rechnung durchzusetzen. 156 Daß eine solche Mahnung an staatliche Institutionen eineinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten der Münzverfassung wiederum nötig gewesen zu sein scheint, zeigt, daß die überkommenen Rechnungsweisen in weiten Teilen Preußens noch tief verwurzelt gewesen sind; ähnliches war auch in Bayern wiederholt deutlich geworden. Es verweist jedoch auch darauf, daß im Gegensatz zu den diversen Ankündigungen preußischer Minister noch lange nicht ausreichende Mengen neuer Scheidemünzen umliefen, als daß sich der Verkehr in den Provinzen schon an die neue Rechnung hätte gewöhnen können. Außerdem deutet das andauernde Weiterbestehen einer veralteten Rechnungsweise auf die ungemein starke Bindungskraft monetärer Traditionen hin; ein weiteres Beispiel dafür ist später das zähe Festhalten am 3-Markstück im Deutschen Reich (das dem alten Taler entsprach, aber nicht mehr ins neue dezimale System hineinpaßte) oder aber heutzutage die immer noch verwendete Bezeichnung Groschen für den zehnten Teil der Währungseinheit (mehr als hundert Jahre, nachdem diese Einteilung mit dem Übergang zur Mark offiziell zu bestehen aufgehört hat). Wirklich verwundem kann dieses Beharren andererseits nicht, stellt doch das Geld das bei weitem am häufigsten verwendete Zahlenmaß dar, das Rechnen in seinen Einheiten gehört zu den alltäglichen Handlungen und wird dadurch zur fest verwachsenen Routine. 157 Untersuchungen über die Geldverwendung in den ländlichen Gebie155 Protokoll der Verhandlung des Königlichen Staatsministeriums vom 3.4.1822, No. 11, in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des StaatsKanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 2. 156 Allerhöchste Kabinettsorder daß die neue Scheidemünze allgemein in Gebrauch kommen und die fremden Silber- und Kupfer-Scheidemünzen nicht blos außer Kurs gesetzt, sondern auch ihre Einbringung verboten seyn soll, 22.6.1823, in: GS 1823, No. 808, S. 127. 157 Elisabeth Nau, Epochen der Geldgeschichte, Stuttgart 1972, S. 55, spricht gar von einem "metrologischen Trägheitsgesetz", das man angesichts der Beständigkeit

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ten Frankreichs im 19. Jahrhundert legen im übrigen nahe, daß sich die hinsichtlich Preußens gewonnenen Erkenntnisse zumindest für Kontinentaleuropa verallgemeinern lassen. In Frankreich fanden noch lange nach der Einführung der allgemein gültigen Francs-Währung (28. März 1803) die alten Münzen und Rechnungsweisen trotz wiederholten Verbotes in vielen Fällen weiterhin Verwendung, und zwar bis ins 20. Jahrhundert hinein. Sogar Münzen aus römischer Zeit sollen aufpoliert wieder in Umlauf gebracht worden sein. Auch in Frankreich deutet die Verwendung anderer als der offiziellen Münzen auf deren zu geringen Umlauf und einen Mangel an kursierendem Geld insgesamt hin. Anscheinend ging dieser Mangel soweit, daß weite Teile der ländlichen Bevölkerung so gut wie überhaupt nie mit Geld in Berührung gekommen sind. 158 Es war im übrigen nicht zuletzt die nach Beendigung der Kontinentalsperre in hohem Maße positive britische Handelsbilanz gegenüber dem Kontinent, die Edelmetalle abfließen ließ und damit zur Knappheit der Edelmetalle (und auf diese Weise der Münzen) dort beitrug. 159 Die gesetzlichen Verbote fremder Münzen und Rechnungsarten und jene Maßnahmen, die den neuen preußischen Scheidemünzen verstärkt Umlauf verschaffen sollten, zeigten sich zu bestimmten Zeiten als wenig wirkungsvoll. So scheint es der neuen Münzverfassung in den ersten Jahren ihres Bestehens an Publizität gemangelt zu haben, und zwar vor allem in den Kreisen des Kleinhandels, für den die einschneidenden Reformen des Scheidemünzenwesens von besonderer Bedeutung waren. Im Frühjahr 1822 berichtete beispielsweise der Polizeidirektor des Bezirkes Potsdam seiner Regierung, daß das neue Münzgesetz den dortigen Kleingewerbetreibenden ("vornehmlich den kleinen Krämern und Hökern") unbekannt sei. Sie akzeptierten zwar den neuen Silbergroschen ohne weiteres, wenn sie ihn aber bei Wechslern und Bankiers in Kurant eintauschten (insbesondere um Zahlungen an den Staat zu leisten, dessen Kassen nun ja nicht mehr Scheidemünzen in jeder Höhe annahmen), würden diese ihre Unwissenheit ausnutzen und ein Agio von 16 bis 20% verlangen. 160 Auf Berichte dieser Art reagierte die Staatsregierung umgehend mit einem Rekurs auf die Bestimvon Idealmaßen und Grundgewichten der europäischen Währungen formulieren könne. 158 Vgl. Eugen Weber, Peasants into Frenchmen. The Modemization of Rural France 1870---1914, Stanford (Cal.) 1976, S. 33 ff. 159 Wemer Sombart, der damit allerdings die Notwendigkeit von Schutzzöllen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland nachweisen wollte, spricht von einem "Zustand der Anämie", in den die kontinentale Wirtschaft durch die passive Handelsbilanz gegenüber England und die "förmliche Blutentziehungen" des damit verbundenen Bargeldverlustes geraten sei. Allein in den Jahren 1821122 habe die Bank von England aus dem europäischen Festland 80 Mio. f. Bargeld ausgeführt. Sombart, Deutsche, S. 84.

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mungen des Ediktes von 1811; wieder wurden die königlichen Kassen angewiesen, auch in größeren Summen Scheidemünzen statt Kurant zu akzeptieren.161 Zudem wurde den Regierungen der Bezirke in den östlichen Provinzen der Monarchie aufgetragen, daß zukünftig nicht nur die alten Münzen bei Zahlungen an den Staat angenommen werden, sondern darüber hinaus die staatlichen Kassen gegen Einzahlung der alten Münzen Kurant ausgeben sollten. Dies sollte einem zügigeren Einziehen der alten Münzen dienen, was wiederum die Verbreitung der neuen Silbergroschen zu fördern angelegt war. 162 Allerdings wirkten sich diese Maßnahmen anders aus als erwartet: Durch die Anweisung, daß alle öffentlichen Kassen bis auf weiteres jede ihnen angebotene Summe bei Einzahlungen und Erhebungen in Silbergroschen annehmen mußten, sammelten sich dort große Mengen dieser Münzen an, während im allgemeinen Verkehr Mangel herrschte. Dies habe so geschehen können, stellten Schatz- und Finanzministerium fest, weil bestimmte Geschäftstreibende die eingenommenen Silbergroschen gesammelt hätten und bei den öffentlichen Kassen für sämtliche Abgaben verwendeten. Deshalb sollten die Ober-Präsidenten jetzt die Kassen wieder anweisen, keine größeren Summen in Scheidemünze mehr zu akzeptieren. 163 Ein zweiter Grund für die nur stockend sich allgemein durchsetzende Münzreform war die geographische Lage mancher preußischer Bezirke, deren Gebiete in unmittelbarer Grenznähe lagen oder gar von denen anderer Staaten umschlossen waren, wenn mit den benachbarten Staaten ein reger Grenzverkehr herrschte und dort ein anderes Währungssystem bestand.164 Diese Situation veranlaßte beispielsweise die Erfurter Handelschaft 1826 zu einer Petition an den König (das Gebiet des Bezirkes Erfurt war bis auf eine schmale Landbrücke ganz von den thüringischen Staaten umschlos160 Bericht des Bezirks-Polizei-Direktors von Potsdam, Hesche, 5.3.1822, an die Regierung zu Potsdam, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2089. 161 Ebd.: Protokoll der Verhandlungen im Königlichen Staatsministerium, 27.3.1822 (Abschrift). 162 Zirkular des Schatzministers (Lottum) und des Finanzministers (Klewiz), an die Regierungen Königsberg, Gumbinnen, Danzig, Marienwerder, Liegnitz, Oppeln, Breslau, Frankfurt (Oder), Potsdam, Stettin und Cöslin, 12.1.1824, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2090. 163 Zirkular, Motz und Lotturn an alle Ober-Präsidenten, 8.10.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 77 Ministerium des Innem, Tit. 32, Nr. 22. 164 Vgl. dazu beispielsweise den Bericht der Regierungen Merseburg, I 0.11.1828, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2091, den Beschluß des Staatsministeriums, 18. 11.1829, bezüglich der Verwendung sächsischer Münzen in den ehemals sächsischen Gebieten, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 27017, oder den Bericht des Ober-Präsidenten der Rheinprovinz, v. Ingersleben, an Lottum, Koblenz 26.11.1829, über die Verwendung fremder (vor allem hessischer) Scheidemünzen im Bezirk Trier, ebd.

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sen). Darin stellten die Kaufleute des Bezirkes ihre Situation dar: Bei Erlaß des Münzgesetzes habe man aufgrund der besonderen Lage darum gebeten, daß im Erfurter Gebiet ausländische Scheidemünzen weiter Verwendung finden dürften; dies sei ihnen abschlägig beschieden worden. Gleich nach dem Erlaß des Gesetzes, während dieses am schärfsten ausgeübt worden sei, seien in der Tat wie erwartet große Probleme aufgetreten, "da jedoch bald darauf eine mildere Handhabung des Gesetzes eintrat, so kam unser Verkehr mit dem Auslande wieder in das alte Gleich." Die jetzt erlassenen einschneidenden Bestimmungen enthielten hingegen Maßregeln, "die unseren guten Ruf im In- und Auslande vernichten müßten, und die wir verdient zu haben uns nicht bewußt sind." Deshalb bitte man darum, daß fremde Scheidemünzen im Bezirk Erfurt weiter akzeptiert werden dürften, "in diesem kleinen Bezirk", der für die übrigen Teile Preußens doch ganz ohne Bedeutung sei. 165 Die von den Erfurter Kaufleuten geschilderten Ereignisse verweisen auf ein im Sinne der Rechtssicherheit höchst problematisches Vorgehen der preußischen Regierung in der Münzreform: Zuerst wurde das Gesetz mit weitgehenden Bestimmungen erlassen, die tief in das wirtschaftliche Leben eindrangen, und die buchstabengetreue Durchführung streng überwacht. Weil sich daraus aber vielerorts erhebliche Probleme ergaben (wie sich an den zahlreichen Beschwerden und Anträgen auf Ausnahmegenehmigung deutlich zeigte), wurde das Gesetz zwar nicht verändert, aber nicht mehr vergleichbar kompromißlos durchgesetzt. Nach einigen Jahren erwies sich dann, daß dadurch die alten und fremden Münzen und die alte Rechnungsweise wieder verstärkt Verwendung fanden bzw. nicht geringer wurden, so daß die Bestimmungen des Gesetzes noch verschärft und seitens der Exekutive mit aller Härte durchgesetzt wurden. Die weniger strenge Umsetzung der Bestimmungen des Münzgesetzes wurde von den Provinzregierungen in der Hauptsache dafür verantwortlich gemacht, daß sich der Verkehr weiterhin an die alten und gewohnten Rechnungsweisen hielt und nach wie vor fremde Scheidemünzen nach Preußen einströmen konnten. Diese Interpretation kam der Sicht der Staatsregierung entgegen, nach der sie überall für einen ausreichenden Umlauf an Zahlungsmitteln gesorgt habe und deshalb zur weiteren Konsolidierung der preußischen Münzverfassung die Ausweitung der strafrechtlichen Maßregeln genügen würde. 166 In diesem Sinne bat etwa Oberpräsident Vincke für WestEbd.: Petition der Erfurter Handelschaft an den preußischen König, 24.6.1826. Vgl. das Schreiben Lotturns an Finanzminister Motz, 13.1.1829, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2091: Die von den preußischen Regierungen eingeholten Berichte über den Umlauf der neuen Scheidemünze hätten ergeben, daß in sämtlichen Regierungs-Departments "der zur Ausgleichung im Verkehr erforderliche Bedarf an Silbergroschen vorhanden ist." Gleichzeitig aber würden die Regierungen Potsdam und Merseburg melden, daß in ihren Bezirken nicht nur noch immer große Mengen fremder Scheidemünze umliefen, sondern daß diese zur 165

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falen darum, die ohnehin geplanten Strafbestimmungen auch bei der Verwendung der alten Landes-Scheidemünze bald umzusetzen, "da die tägliche Erfahrung lehrt, daß, ohne besondere Strafbestimmungen, das in Folge der allerhöchsten Cabinets-Order vom 12. Juny 1824 nur im Allgemeinen erlassene Verbot des ferneren Gebrauchs der alten Landes-Scheidemünzen im Verkehr ohne Wirkung bleibt." 167 Diesem Ersuchen folgte das Staatsministerium gerne: Noch Ende Oktober 1826 beschloß es unter Verweis auf die Mitteilung Vinckes, daß die Geldagiotage in den westlichen Provinzen weiterhin vorzufinden sei und vornehmlich zum Nachteil der ärmeren Volksschichten betrieben werde, die Strafvorschriften bezüglich des Importes von fremden Scheidemünzen auch auf deren Verwendung auszudehnen. Zudem wurde eine letzte Frist von drei Monaten zum Umtausch der alten LandesScheidemünzen gesetzt und polizeiliche Bestrafung angedroht, wenn in Handel und Verkehr eine andere Rechnung als die preußische angewendet würde. 168 P.C. Martin stellt fest, daß diese deutliche Maßnahme, die Rheinlande in den preußischen Währungsraum zu integrieren, von "unmittelbarem Erfolg" begleitet gewesen sein müsse, da keine weiteren administeriellen Maßnahmen mehr erfolgten. 169 Er bezieht damit klare Gegenposition zu R.H. Tilly, der die Versorgung des Rheinlandes mit Metallwährung bis in die 1860er Jahre als weit entfernt von "stable, uniform and quantitatively sufficient" (wie es das Münzgesetz forderte) bezeichnet. 170 Tilly findet für seine Bewertung überzeugende Indizien: Da seien zum einen die zahlreichen Beschwerden von Kaufleuten über den Mangel an Metallgeld, der das Geschäft behindere. Dann belege aber auch die Dominanz des "Trucksystems" die unzureichende Geldversorgung: Weil Scheidemünzen fehlten, habe die Bezahlung der Arbeitnehmer in Naturalien oder in bei örtlichen Kaufleuten einzulösenden Gutscheinen Überhand genommen. Noch 1845, nennt Tilly Grundlage der Rechnung diene und den Taler in 24 oder 48 Teile dividiere, so daß der Silbergroschen nur 9 Pfg. wert sei. Diesen Mißständen lägen die allgemein bekannten Ursachen zugrunde: die Weigerung, sich an die neue Talerrechnung zu gewöhnen und in Merseburg der starke Verkehr mit umgebenden Ländern, die eine andere als die preußische Rechnung hätten. Als Gegenmaßnahme sollten die auf die Einbringung fremder Scheidemünze stehenden Strafen auch auf deren Verwendung im gemeinen Verkehr ausgedehnt werden. 167 Schreiben Vinckes an Lottum, Münster 30.8.1826, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 27017. 168 Ebd.: Beschluß des Staatsrninisteriums, 31.10.1826. Veröffentlicht als: Allerhöchste Kabinetsorder wegen wirksamerer Verbreitung der durch das Gesetz vom 30sten September 1821 eingeführten neuen Scheidemünze in die Westlichen Provinzen der Monarchie, 25.11.1826, in: GS 1826, No. 1037, S. 115. 169 Martin, Die Einbeziehung, S. 483. 170 Richard H. Tilly, Financial Institutions and Industrialization in the Rhineland 1815- 1870, Madison, Wisc./London 1966, S. 19.

II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen

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ein Beispiel, hätten 42 der 68 Produzenten in Solingen eigene Lebensmittelläden besessen, 8 daneben eigene Kneipen gehabt. 171 Zum dritten spreche die weitverbreitete Verwendung ausländischer Münzen für die inadäquate Versorgung mit preußischen Zahlungsmitteln. Gegen Tilly wendet Martin ein, daß dieser einmal zur Bewertung der Effekte der Zahlungsmittelversorgung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Maßstäbe moderner nationalökonomischer Theorie heranziehe, was nicht unbedingt zulässig sei. Der implizite Vorwurf verliere jedoch vor allem an Gewicht, wenn man gegen Tilly feststellen müsse, "daß das preußische Münzsystem im Rheinland durchaus homogen gewesen ist, d.h. in sich geschlossen war, und auch eine hohe Stabilität aufwies." 172 Es seien nämlich nach 1827 keine Klagen über instabile Münzverhältnisse zu hören gewesen, ebensowenig könne man Anzeichen für eventuell destabilisierende Einflüsse des Geldwesens auf die rheinische Wirtschaft (wie z. B. eine Inflation) finden. Auch sei der Münzumlauf überwiegend preußisch gewesen, bis auf die Jahre 1840-42, als die rheinische Wirtschaft besonders große Absatzerfolge in den westlichen Nachbarländern gehabt habe, so daß außergewöhnlich viel vollwertiges fremdes Geld ins Land geströmt sei. Ähnlich urteilt auch Schrötter, der beste Kenner der preußischen Münzgeschichte: Zwar sei die Verdrängung der französischen Münzen aus den westlichen Provinzen nur allmählich und nicht ohne Kampf gelungen; dabei sei es auch immer wieder einmal zum Mangel an preußischem Kurant gekommen. Dennoch könne man feststellen, "daß mit dem Jahre 1830 das preußische Scheidemünzwesen in der ganzen Monarchie geordnet war und seitdem in mustergültiger Weise verwaltet wurde." 173 Ob die Versorgung des Rheinlandes mit Metallgeld tatsächlich inadäquat war, wird sich eindeutig nicht mehr klären lassen; dafür fehlen schlicht die Zahlen, sowohl was die Wirtschaftsleistung angeht, als auch die dazu in Beziehung zu setzenden Angaben über die Entwicklung der Geldmenge. Die von beiden Seiten vorgebrachten Indizien lassen sich jedoch durchaus überprüfen. Inwiefern die zu klein geschnittene Konfektionsgröße des Bargeldkleides die wirtschaftliche Entwicklung vor allem der Westprovinzen des preußischen Staates behindert oder das Ausgreifen der Industrialisierung dort verzögert habe, soll aber hier ausdrücklich nicht zu beantworten versucht werden.174 Um eine derartig weitreichende Bewertung vornehmen zu können, müßten Ausmaß und Wirkung der gesamten Geldmenge be17 1 172

173

Tilly, Financial, S. 23. Martin, Die Einbeziehung, S. 484. Schrötter, Preußisches 1, S. 202 und 113.

Auch Tilly hat zwischenzeitlich seine ursprüngliche Aussage aufgrund der schwierigen Datensituation deutlich abgemildert; vgl. Richard H. Tilly, Finanzielle Aspekte der preußischen Industrialisierung 1815-1870, in: Wolfram Fischer (Hg.), 174

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

kannt sein. Genauere Angaben lassen sich für den Vormärz jedoch noch nicht einmal hinsichtlich des einheimischen Metallgeldes machen, geschweige denn ließe sich die Größe der anderen Komponenten der Geldmenge auch nur näherungsweise bestimmen (etwa des fremden Metallgeldes, der umlaufenden Papiergeldmenge, aber auch der unterschiedlichen Geldsubstitute, wie etwa des Wechsels). Festzuhalten hingegen ist, daß ein etwaiger Mangel an Bargeld zweifellos nicht zu vernachlässigende Auswirkungen auf bestimmte gesellschaftliche Schichten gehabt hätte: Dies galt bei einem Mangel an Scheidemünze für das Kleingewerbe und alle Lohnabhängigen; für diese Gruppen waren Scheidemünzen praktisch das einzige Zahlungsmittel (aufgrund des hohen Nominals der Kurantmünzen: Mitte der 1830er Jahre betrugt der durchschnittliche wöchentliche Verdienst eines preußischen Arbeiters rund 1,5 Tlr. 175 ). Jede Knappheit an preußischen Scheidemünzen verteuerte dieses Geld, was häufig dazu führte, daß die Löhne in einer anderen Münzsorte ausbezahlt wurden. Zwar entsprach der Nominalwert dieser fremden Münzen in der Regel dem der preußischen, nichtsdestoweniger aber wurden sie bei der Weitergabe nur mit einem Disagio akzeptiert. Auf diesem Wege führte der Mangel an Scheidemünze häufig genug - aufgrund der nur schwachen Position der Arbeitnehmer im Bereich der sich neu entwickelnden Industrie gegenüber ihren Fabrikherren waren sie kaum je in der Lage, eine Kompensation in Form einer Lohnerhöhung durchzusetzen - zu spürbaren Lohneinbußen, mit entsprechenden Folgen auch auf den kleinen Handel, dessen Kunden weniger Kaufkraft zu ihrer Verfügung hatten. Eine Knappheit (und damit Verteuerung) des Kurantgeldes indessen traf alle diejenigen, die gegenüber dem Staat, der seit 1821 Scheidemünze nur noch in geringem Umfang annahm, zu Zahlungen verpflichtet waren. Ein weiteres Phänomen des Mangels an Kurantgeld konnten die Effekte auf das Scheidemünzenwesen sein: Fehlte es an Kurantmünzen, fanden auch im Großhandel verstärkt Kleinmünzen (in Tüten oder Beuteln zu größeren Beträgen zusammengefaßt) Verwendung; damit aber mangelte es dort an Scheidemünzen, wo sie eigentlich umlaufen sollten, im kleineren Verkehr. Was nun die klagenden Berichte der Zeit anging, daß zu wenig Münzen umliefen, so sind diese zu zahlreich und von zu vielen Stellen (übrigens aus den östlichen und westlichen Provinzen gleichermaßen) überliefert und reichen, anders als Martin dies behauptet, über das Jahr 1827 hinaus, als daß sie nicht zumindest auf einen subjektiv als ernst wahrgenommenen Zahlungsmittelmangel hindeuten würden. Bei den von kaufmännischer Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Probleme der frühen Industrialisierung, Berlin 1968, S. 477 ff., S. 483 f. 175 Einkommen je Erwerbstätiger in den Städten in Deutschland um 1835; nach: Henning, Handbuch, S. 739.

li. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen

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Seite erhobenen Forderungen nach einer umfangreicheren Ausprägung ist freilich in Betracht zu ziehen, daß aus der Sicht der einzelnen Kaufleute eine überreichliche Geldversorgung durchaus wünschenswert sein konnte, während dies keinesfalls im Interesse des Staates (oder der Gesamtwirtschaft) lag. Den Klagen der Kaufleute schlossen sich allerdings in vielen Fällen die in dieser Hinsicht unverdächtigen Provinzregierungen an 176, ja es gab sogar Zeiten, zu denen Minister der Staatsregierung sich gezwungen sahen, einen allgemeinen Mangel an Bargeld zu konzedieren. So waren 1830 Finanzminister Motz und Schatzminister Lotturn einhellig der Meinung, daß in der Tat Bargeldmangel herrsche und dieser im Handel und Verkehr Verlegenheit verursache; allerdings sei die zur Abhilfe notwendige Ausprägung von Silbergeld wegen des hohen Silberpreises ohne bedeutenden Verlust für den Staat nicht zu bewerkstelligen. 177 Auch die seitens der preußischen Regierung wiederholt ergriffenen Maßnahmen gegen den Umlauf ausländischer oder alter, außer Kurs gesetzter Münzen deuten auf eine echte Nachfrage nach Geld hin, die das vom staatlichen Monopolisten der Bargeldproduktion bereitgestellte Angebot merklich überstieg. Die massenhafte Verwendung der fremden Münzen, die mit vielerlei Schwierigkeiten verbunden war - in der Feststellung ihres Wertes (und ihrer Echtheit) und in der Umrechnung in das einheimische Währungssystem -, wäre anders gar nicht plausibel zu erklären. Die zusammengetragenen Indizien ergeben am Ende ein recht deutliches Bild eines zumindest periodisch und an bestimmten Orten wiederkehrenden Mangels an Kurant- und Scheidegeld, der eine Folge des Unwillens der Regierung war, Verluste in Kauf zu nehmen, die mit der Herstellung eines ausreichenden Umlaufes von Silbergeld verbunden gewesen wären. 178 Ein weiterer Grund des Bargeldmangels war aber das Abfließen von preußischem Geld in benachbarte Staaten; so ergab sich etwa ein Problem mit den (oben bereits vorgestellten) "herrenlosen" Brabanter Kronentalem, weil das preußische Kurant in Frankfurt am Main und in den oberen Rheingegenden sehr gesucht war und dorthin strömte, während die Kronentaler 176 Vgl. Bericht der Regierung Stralsund von 1829, der Regierungen Königsberg, Stralsund und Erfurt von 1830, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2091, und die Schreiben Lotturns an Maassen vom 31.10.1831, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2092, und vom 14.7.1834 (letzteres über Mangel an Silbergeld im Bezirk Düsseldorf), in: GStAPK I. Rep. 120 Ministerium des Innem. Gewerbe, Handel und Bauwesen, A X, Nr. 11. 177 Lotturn an Motz, 30.6.1830, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2092. 178 Vgl. North, Das Geld, S. 172; Eberhard Gothein, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Cöln vom Untergange der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des Deutschen Reiches. Die Stadt Cöln im ersten Jahrhundert unter Preußischer Herrschaft 1815 bis 1915, hgg. von der Stadt Cöln. Erster Band, I. Teil, Köln 1916, S. 417.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

dort einen vergleichsweise niedrigen Wert hatten. Agioteure (unter ihnen auch Fabrikherren) haben dies anscheinend ausgenutzt, um Brabanter Kronentaler aufzukaufen und diese, die nach dem Tarif von 1821 einen offiziellen Kurs von 15 Sgr. 2 Pfg. hatten, dann in Preußen zu 17 Sgr. 5 Pfg. erheblich teurer wieder auszugeben. Damit schadeten sie nach Auffassung der Staatsregierung nicht nur den ärmeren Schichten und namentlich den Fabrikarbeitern bei Lohnzahlungen, sondern riefen darüber hinaus in diesen Gebieten einen spürbaren Mangel an Kurant hervor. 179 Dagegen versuchte die Regierung anzugehen, indem sie zum einen die Annahme dieser Münzen an den staatlichen Kassen wieder für zulässig erklärte - sie durften aber nicht wieder ausgegeben werden - und zum zweiten, indem sie die Ausgabe der Kronentaler zu einem höheren als dem bestimmten Kurs bei Strafe untersagte (wobei der größere kaufmännische Verkehr von diesem Verbot ausgenommen wurde). 180 Wenn Schrötter davon spricht, daß das preußische Scheidemünzwesen 1830 in der ganzen Monarchie geordnet gewesen sei, so ist ihm nichtsdestoweniger zumindest in rechtlicher Sicht zuzustimmen. 1829 wurde der letzte Schritt zur Angleichung des Münzrechtes der westlichen und der östlichen Gebietsteile unternommen. Nachdem aus den Regierungsbezirken des östlichen Provinzen immer stärker Beschwerden laut wurden über den dortigen Umlauf fremder Scheidemünzen, dehnte die Kabinettsorder vom 25. November 1829 die für den Westen geltenden Verbote und Strafbestimmungen auch auf den Osten aus.181 Bitten um dauerhafte Ausnahmeregelungen, die einige Grenzbezirke durch die 1830er Jahre hindurch vorbrachten, wurden danach stets mit einem knappen Verweis auf die bestehenden rechtlichen Bestimmungen abgelehnt. 182 Allerdings begannen sich im Verlauf dieses Jahrzehnts die rechtlichen Grundlagen des preußischen Münzwesens dann auch schon wieder zu verändern, als mit der Entstehung des 179 Vgl. Beschluß des Staatsministeriums, 26.4.1828, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 27017. 180 Allerhöchste Kabinettsorder, die Beseitigung der wucherischen Agitotage mit den Brabanter Kronenthaiern in den westlichen Provinzen betreffend, 10.5.1828, in: GS 1828, No. 1148, S. 69. 181 Allerhöchste Kabinettsorder über die Anwendung der Allerhöchsten Order vom 25. November 1826 wegen Verbreitung der neuen Scheidemünze in die westlichen Provinzen der Monarchie, auf die östlichen Provinzen, 30.11.1829, in: GS 1830, No. 1224, S. 3. · 182 Vgl. z. B. den Bericht des Finanzministers (Maassen), des Ministers des Innem für Handel und Gewerbe (Schuckmann) und des Ministers des Innem und der Polizei (v. Brenn) an den König, 10.9.1833, über eine Petition aus dem Kreis Saarlouis, daß dort von dem Verbot der Rechnung in anderer als preußischer Währung abgesehen werde, und die Begründung der Ablehnung dieses Ansinnens, m: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2093, Blatt 11-13.

II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen

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Münzvereins Preußen im Verbund mit den anderen Zollvereinsstaaten zu überstaatlichen Regelungen des Münzwesens schritt. 3. Bilanz der einzelstaatlichen Versuche zur Reform des Münzwesens

Preußen wie auch die süddeutschen Staaten (hier gezeigt am Beispiel Bayerns) verfolgten mit ihren Versuchen der Neuordnung des Münzwesens grundsätzlich die gleichen Ziele: Es ging ihnen zunächst einmal im Zuge der territorialen und rechtlichen Konsolidierung um eine Vereinheitlichung der bis dahin disparaten Währungsverhältnisse als Teil der Homogenisierungspolitik des gesamten Staatswesens. Zu diesem Zweck sollte ein einheitlicher Münzumlauf hergestellt werden, der aus einheimischen Stücken einer Rechnungsweise bestand und aus dem alle fremden und alten, nach anderer Rechnung lautenden Münzen vertrieben worden waren. Zum zweiten sollten die aus dem 18. Jahrhundert und vor allem der Zeit der Napoleonischen Kriege noch umlaufenden niederwertigen Münzen eingezogen und in neue vollwertige Kurantmünzen bzw. ein gerade ausreichendes Kontingent an Scheidemünzen umgeprägt werden. Vor allem die Beseitigung des Übermaßes an unterwertigen Kleinmünzen, das den Umlauf des Kurants bedrohte, wurde als unerläßlich zur Realisierung dieses Zieles angesehen. Wie sind, gemessen an diesen selbsterstellten Zielen, die Ergebnisse der Münzreformbestrebungen zu bewerten? Für Preußen ist an einigen Stellen eine solche Kritik schon ansatzweise vorgenommen worden; dies soll jetzt unter Einbeziehung der bayerischen Geschehnisse in der Zusammenschau weiter getrieben werden. Daneben ist aber auch nach denjenigen Auswirkungen der Münzpolitik zu fragen, die von den Reformern nicht intendiert worden sind, die aber dennoch für die weitere Entwicklung des Geldwesens in Deutschland entscheidende Grundsteine legten. a) Vergleich der Ergebnisse der Münzreformbestrebungen in Süddeutschland und in Preußen

Zunächst einmal ist es auffällig, daß in Preußen die Homogenisierung des Geldumlaufes in viel höherem Maße gelang als in den süddeutschen Ländern. Zwar schlug auch hier die Währungspolitik fehl, gemessen an ihrem eigenen Anspruch, einen hinlänglichen und stabilen Kurant- und Scheidemünzenumlauf herzustellen. Einer in diesem Sinne erfolgreicheren Politik stand im Wege, daß die beiden Leitsätze: territoriale Vereinheitlichung auf der einen, finanzielle Konsolidierung auf der anderen Seite, miteinander konkurrierten. Aufgrund der Struktur der Gebietsgewinne war eine einheitliche Währung für Preußen nur als (zu einem wesentlichen Teil) Neuschöpfung

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

denkbar, die wiederum aufwendig und sehr teuer war. Dennoch kam Preußen dem Ziel, die Grenzen des Staatsgebietes mit denen des Währungsgebietes in Kongruenz zu bringen und eine einheitliche Währung zu erschaffen, viel näher als irgend ein anderer großer Staat des Deutschen Bundes. Das war vor allem eine Folge des konsequenteren Angehens der Münzreformen in Preußen. Während im Süden die Politik sich weitgehend auf Verbote und Devalvierungen der fremden Scheidemünzen beschränkte, ging die preußische Währungspolitik nach dem Scheitern des in seiner Wirkungsweise ähnlich begrenzten Edikts von 1811 mit einem Programm auf mehreren Ebenen gegen die Unordnung im Münzwesen vor: Nicht nur wurden die fremden Scheidemünzen verboten und (wenn auch im Laufe von Jahrzehnten und auch nicht überall) aus dem Lande gedrängt, daneben wurden auch die eigenen alten und abgenutzten Scheidemünzen bis 1830 vollständig aus dem Verkehr genommen. Vor allem aber nahmen die Reformer auch die Neuordnung des Kurantmünzwesens in Angriff. Es zeigte sich deutlich, daß ohne einen geordneten und hinreichenden Kurantumlauf die Knappheit an Scheidemünzen nicht zu beheben war, weil die dringend benötigten Kleinmünzen bei fehlendem Kurant immer wieder in erheblicher Menge als ein Substitut für größere Zahlungsmittel im Handel verwendet wurden und damit den Scheidemünzenmangel vergrößerten. Von ausschlaggebender Bedeutung für die im Vergleich mit Süddeutschland effiziente preußische Währungspolitik war daneben die unterschiedliche Größe der Staatsgebiete. In dem großen preußischen Territorium machten die Grenzbezirke einen kleineren Teil des Staatsgebiets aus, als das bei den kleineren Staaten des deutschen Südwestens der Fall war; in diesen Grenzbezirken zirkulierte fast notwendigerweise auch das Geld der benachbarten Staaten. Dazu kam noch für die süddeutschen Staaten das Problem der Österreichischen Kleinmünzen, die von der dortigen Papiergeldwährung vertrieben wurden und in Massen in das Gebiet des 24 -Guldenfußes flossen. Daß in Preußen die Münzreform vergleichsweise sehr viel weiter getrieben worden war und damit - trotz aller immer noch andauernden Schwierigkeiten- zu Beginn der 1830er Jahre die dortige Währung als für die Verhältnisse des Deutschen Bundes gefestigt gelten kann, muß als ein gewisses Präjudiz für die weitere Entwicklung der Integration der Währungssysteme in Deutschland gelten: Innerhalb des Zollvereins, der die institutionellen Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Zusammenwachsen der deutschen Wirtschaftsräume schuf, standen sich bei den Verhandlungen hinsichtlich der Erweiterung der Zollvereinbarungen um einen Münzverein ein heterogenes Gebiet mit unfertigen Münzverfassungen in Süddeutschland und ein großer Block mit einem weitgehend einheitlichen Währungssystem in Preußen gegenüber. Dazu kam, daß Preußen alle Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Hegemonie im Zollverein mitbrachte, was seine Position bei der Frage, welches Münzsystem die Grundlage einer Währungsvereinheitlichung bilden sollte, nur noch verstärkte.

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II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen

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b) Kriterien zur Kategorisierung der einzelstaatlichen Münzreformen

1. Die Münzrefonnen waren einzelstaatlich-partikularistische Versuche der Homogenisierung der Währungen: Die Münzrefonnbestrebungen in den untersuchten Staaten richteten sich auf die Herstellung eines einheitlichen Münzumlaufs und eines einheitlichen Währungsgebietes, das mit den Staatsgrenzen übereinstimmen sollte. Zu diesem Zweck wurden überall größte Anstrengungen unternommen, sowohl den Umlauf fremder Münzen im eigenen Land als auch das Abfließen eigener Münzen ins Ausland zu verhindern. Insofern waren die Münzrefonnen partikularistisch in ihrer Ausrichtung und in ihrem Ergebnis. 2. Die preußische Münzrefonn zeigte ein Doppelgesicht Zum einen stellte sie einen bedeutenden Schritt der Modernisierung der Währungsverfassung dar (Modernisierung hier verstanden als Rationalisierung des Rechts, der Verwaltung und der Wirtschaftsordnung im Sinne Webers 183). Mit dem Edikt von 1811 und dem Münzgesetz von 1821 wurde die Währungspolitik strengen gesetzlichen Regeln unterworfen, die auf eine Stabilität der Währung abzielten. Damit wurde Abschied genommen vom absolutistischen Konzept der Geldpolitik als Ausfluß des herrscherliehen Münzregals, dessen wesentliche Aufgabe das Erzielen von Einnahmen für die Kasse des Landesherrn war. Diese Feststellung gilt nicht im gleichen Maße für das Papiergeld; dort bildete der mit der Ausgabe papierner Wertzeichen in Fonn von Banknoten oder Staatspapiergeld verbundene Gewinn für die Staatskassen noch lange (wie sich an der Diskussion um die Gewinnabführung der Europäischen Zentralbank zeigt, bis heute) ein wichtiges Entscheidungsmoment bei der Frage nach der Art der Geldpolitik. Zwar war auch die Umsetzung der preußischen Münzrefonn nicht frei von kameralistischen Erwägungen in dem Sinne, daß versucht wurde, die anfallenden Kosten bei der Neuorganisation der Währung möglichst gering zu halten und sogar bei der Scheidemünzenherstellung einen Gewinn zu erwirtschaften; dadurch wurde die Umsetzung der Währungsverfassung ein ums andere Mal erheblich erschwert. Grundsätzlich spielten jedoch Gewinnerwartungen des Staates keine Rolle bei der Konzeption der Währungspolitik. Neben der Abkehr vom fiskalischen Prinzip der Münzherstellung ging Preußen mit seiner Münzverfassung eine Selbstverpflichtung zur ausreichenden Versorgung des inländischen Verkehrs mit Zahlungsmitteln ein; auch dies war ein wichtiger Schritt, gerichtet auf die Entstehung einer regelgebundenen Geldpolitik, die unabhängig war von den Tagesbedürfnissen des Monarchen und seiner Regierung. Ein solcher Schritt war mit den süddeutschen Refonnbestrebungen noch nicht verbunden; hier kam es erst mit dem Abschluß der Münzver183 Dazu: Weber, Wirtschaft, S. 255, 599; vgl. auch Wehler, Modemisierungstheorie, S. 45 .

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träge zu gesetzlichen (wenn auch häufig wirkungslosen) Regelungen der Geldpolitik Im Verbund mit den unzweifelhaften Modernisierungstendenzen finden sich in der Realisierung der preußischen Münzreform jedoch zur gleichen Zeit ausgesprochen konservative Züge. Während das "Schlüsselwort" der Reformzeit noch die "Entfesselung" aller (vor allem wirtschaftlicher) Kräfte gewesen war 184, angesichts der unmittelbaren Existenzbedrohung des Staatswesens, hatten sich nun die Gewichte verschoben: Mit der Verkündung der Gewerbefreiheit beispielsweise hatte die preußische Regierung eine neue wirtschaftspolitische Konzeption verfolgt, die auf gesamtwirtschaftliches Wachsturn und eine Modernisierung des Wirtschaftssystems abzielte; die Äußerungen der Verantwortlichen zur Münzpolitik hingegen zeugen von einem tief verwurzelten Argwohn gegenüber den Kräften dieser Veränderungen. Es wird deutlich, daß die kleine Gruppe innerhalb der preußischen Administration, die in der Reformzeit noch wichtige Gesetze der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Liberalisierung gegen den Widerstand der überwiegend konservativ und restaurativ eingestellten öffentlichen Meinung in Gesellschaft und Bürokratie hatte durchsetzen können 185 , ihres Einflusses spätestens zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Münzgesetzes verlustig gegangen war. Die Minister der 1820er Jahre, wie etwa Lotturn und Klewiz, mißtrauten vielmehr dem profitorientierten Handeln der kapitalistischen Unternehmer (Fabrikanten und Bankiers), wenn diese sich beispielsweise günstige Wechselkurse zunutze machten und fremdes Geld einführten und zur Zahlung verwendeten. In den Augen der Regierung beutete solches Tun die ärmeren Schichten aus, stachelte sie so revolutionär auf und widersprach damit dem wichtigsten konservativen Ziel der Konsolidierung von Staat und traditionaler Gesellschaft. Noch in einem weiteren Punkt waren die Reformen der Münzsysteme im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts deutlich erkennbar gegen eine Liberalisierung der Wirtschaftsverfassungen gerichtet: Die Münzreformen waren insofern ein Bestandteil der Strategie der "defensiven Modernisierung'" 86, als den Regierungen der Staaten des Deutschen Bundes an einer Neuordnung der Währungsverfassungen angesichts der dort herrschenden Zustände sehr wohl gelegen war, sie dabei aber unter keinen Umständen die alleinige staatliche Kompetenz in der Geldpolitik aus der Hand geben wollten. Diese Gefahr schien jedoch vom Tun der Geldhändler auszugehen: Sie importierten fremdes und führten einheimisches Geld aus, womit die Kontrolle über 184 Barbara Vogel, Einleitung. Die preußischen Reformen als Gegenstand und Problem der Forschung, in: Dies. (Hg.), Preußische Reformen 1807-1820, Königstein Ts. 1980 (Neue Wissenschaftliche Bibliothek 96), S. 1 ff., S. 10. l85 Vgl. Vogel, Allgemeine, S. 224. 186 Wehler, Diskussionsbeitrag, in: Büsch (Hg.), Das Preussenbild, S. 214.

II. Die Konsolidierung der Währungsverfassungen

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die Art der verwendeten Zahlungsmittel und deren Umlaufmenge verloren ging. Dieser letzte Punkt trifft auch voll auf die süddeutschen Münzreformen zu, die ansonsten im Ton und in der Zielrichtung der Politik weniger explizit anti-liberal waren als die preußischen (erkennbar etwa an der größeren Bereitschaft, auf Handelsinteressen einzugehen und Ausnahmebestimmungen in der Münzgesetzgebung zuzulassen). 3. Trotz ihrer unverkennbaren Modemisierungstendenzen waren die Konzeptionen der Währungspolitik im ersten Drittel des 19 Jahrhunderts noch stark von einer merkantilistischen ldeologie 187 geprägt. Deutlich wird dies daran, daß ein zentrales Motiv sämtlicher Münzreformen das Verhindem eines Edelmetallabflusses ins Ausland gewesen ist; auf eben dieses Ziel richtete sich auch ein wesentlicher Teil der geldpolitischen Maßnahmen der Zeit (Ausfuhrverbote, das niedrige Feingewicht des preußischen Talers). So bemerkte 1817 eine Kommission des preußischen Staatsrates, wie wichtig die Erhebung von Schutzzöllen auf ausländische Industrieprodukte durch das geplante Zollgesetz sei: "Wollen wir nun auch noch Geld für fremde Industrie außer Landes senden [neben den hohen Importen an Kolonialwaren, Wein, Fabrikationsstoffen etc.], was wir ehedem nicht taten, dann möchte wohl die allmähliche Auspumpung des baren Geldes aus dem Staate schwerlich zu verhüten, an Sammlung eines Schatzes, der uns mehr als irgendeinem anderen Staate nötig ist, nicht mehr zu denken und am Ende Papiergeld mit allen seinen unseligen Folgen bestimmt sein, um uns aus der Täuschung zu wecken [. .. ]." 188 Ebenso weist der Wille zur Herstellung eines einheitlichen und nach außen abgegrenzten Währungsraumes auf das Weiterwirken merkantilistischer Vorstellungen in den Planungen der Münzreformer hin. 189 Die merkantilistische Tendenz der Münzreformen wiederum verstärkte deren partikularistischen Zug, indem sie den Erhalt des Edelmetallumlaufs im eigenen Lande auf Kosten einer möglichen Ausweitung des Kapital- und Handelsverkehrs mit den Nachbarn betrieb. 187 Dazu: Hartmut Harnisch, Kapitalistische Agrarreform und Industrielle Revolution. Agrarhistorische Untersuchungen über das ostelbische Preußen zwischen Spätfeudalismus und bürgerlich-demokratischer Revolution von 1848/49 unter besonderer Berücksichtigung der Provinz Brandenburg, Weimar 1984, S. 48; Karl Heinrich Kaujhold, Deutschland 1650-1850, in: Handbuch der Europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 4: Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, hgg. v. Ilja Mieck, Stuttgart 1993, S. 523 ff., S. 580; Jaeger, Geschichte, S. 21. 188 Gutachten der Kommission des Staatsrats zur Prüfung der Beschwerden der Fabrikanten, Berlin, 3.4.1817, in: Oncken/Saemisch (Hg), Vorgeschichte 1, S. 46 ff., S. 53. 189 Vgl. zur Bedeutung des einheitlichen Wirtschaftsgebietes für die merkantilistische Theorie: Helga Schultz, Handwerker, Kaufleute, Bankiers. Wirtschaftsgeschichte Europas 1500-1800, Frankfurt a.M. 1997 (Europäische Geschichte), s. 168.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

111. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes unter preußischer Präponderanz mit den Münzverträgen von München (1837), Dresden (1838) und Wien (1857) Auf die Periode der einzelstaatlichen Versuche zur Reform des Münzwesens, die sich über das erste Drittel des 19. Jahrhunderts erstreckte, folgte eine Phase, in der sich die Staaten des Deutschen Bundes in ihrem Münzwesen durch den Abschluß mehrerer Münzverträge - am bedeutendsten waren die von München 1837, von Dresden 1838 und von Wien 1857 - annäherten. Diese Phase fiel nicht zufällig zusammen mit der Begründung und dem Ausbau des Zollvereins, innerhalb dessen sich eine deutsche Volkswirtschaft zu entwickeln begann. Der folgende Abschnitt setzt sich mit dieser Entwicklung auseinander. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst die Frage nach den grundsätzlichen Bestimmungsgründen monetärer Integration; um diese Frage zu beantworten, wurde auf die Erkenntnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie, genauer: der Neuen Institutionenökonomik zurückgegriffen, die zumindest für die Analyse von Währungsunionen der jüngsten Zeit das passende Instrumentarium bereithält. Anschließend soll versucht werden, diese allgemeinen Einsichten konkret auf die monetären Integrationsprozesse in Deutschland im 19. Jahrhundert anzuwenden.

1. Die erste Phase der monetären Integration: Der Zollverein als Antriebskraft zum Abschluß von Münzverträgen Es bietet sich an, die Gründe für den Übergang von der einzelstaatlichen, geradezu - wie gezeigt worden ist - partikularistischen und noch vom Geist des Merkantilismus bestimmten Reform des Geldwesens zu einem intergouvernementalen Vorgehen in dem durch die sich intensivierende wirtschaftliche Verflechtung anwachsenden Druck auf eine Vereinheitlichung der Währungen im Deutschen Bund, vor allem aber im Zollverein zu suchen. Schließlich scheint doch monetäre Integration kein Selbstzweck zu sein, sondern vor allem "ein Instrument zur Erhöhung der sozialen Wohlfahrt"190, indem sie Hemmnisse für wirtschaftliche Transaktionen beseitigt. Allerdings ist die monetäre Integration im Vergleich mit der Beseitigung sonstiger Austauschbarrieren (wie etwa von Zollgrenzen) aufwendig und teuer: "Ein Zollverein bedurfte bei aller Zerfahrenheit der bestehenden Verhältnisse zu seiner Durchführung nur etwas guten Willens, aber keiner Opfer, er konnte keinem Staat einen Schaden zufügen, der nicht durch seine Auflösung wieder hätte behoben werden können. Dagegen konnten die Übelstände des deutschen Münzwesens nur durch einen großen Kostenauf190

Theuerl, Eine, S. 23.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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wand beseitigt werden, und die Abstellung dieser Mißstände war ihrerseits die erste Vorbedingung für die Herstellung eines einheitlichen Münzumlaufs. Denn eine Münz-Gemeinschaft zwischen souveränen Staaten kann ohne Nachteil für den einen oder andern der Kontrahenten nur auf Grundlage gleicher Solidität des Münzwesens in den einzelnen Gebieten zustande kommen." 191 Um die Gründe für den Abschluß der Münzverträge zu ermitteln, ist also einmal zu fragen, welcher Art die anscheinend hohen Kosten sind, die ein solcher Prozeß mit sich bringt, ebenso wie danach, warum diese Kosten in Kauf genommen wurden, d.h. im Umkehrschluß nach den (erwarteten und den dann realisierten) Erträgen der monetären Integration. a) Entstehungsgründe monetärer Integration: Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik

Die Frage nach den Kosten, welche die Begründung und Benutzung von Institutionen verursacht (Transaktionskosten), ist das zentrale Thema der Neuen Institutionenökonomik, des Zweiges der theoretischen Wirtschaftswissenschaften, der sich der ökonomischen Analyse des institutionellen Rahmens der Wirtschaft widmet. 192 Transaktionskosten werden dort definiert als "[. . .] die Kosten der Betreibung eines Wirtschaftssystems .. . Dazu gehören die Kosten der Bereitstellung, Nutzung, Aufrechterhaltung und Umorganisation von Institutionen. [... ] Transaktionskosten sind keine quan191 Helfferich, Die Reform 1, S. 9. Auf die hohen Hürden, die zur Schaffung eines "öffentlichen Gutes", d.h. in diesem Fall eines vereinheitlichten Geldumlaufes, zwischen selbständigen Staaten überwunden werden müssen, verweist auch die "Public-Choice-Theorie", insbesondere aufgrund des "Freerider-Problems", der Gefahr, daß ein Staat vom Nutzen solcher Vereinbarungen profitiert, ohne sich indessen an den Kosten zu beteiligen. Vgl. Bruno S. Frey, The Public Choice View of International Political Economy, in: Roland Vaubel/Thomas D. Willet (Hg.), The Political Economy of International Organizations. A Public Choice Approach, Boulder/San Francisco/Oxford 1991. S. 7 ff., S. 10: "In order to find a set of rules that the participants are willing to accept in a state of (partial) uncertainty about the future (i. e., beyond the veil of ignorance) the actors must believe that obeying the rules will be advantageaus to them. The agreement must Iead to a beneficial change according to the expectations of all actors (Pareto-superiority) because only under these conditions will there be voluntary cooperation - that is, unanimity among the participants. These conditions are not easily set up and maintained in the international system." 192 Zur Verwendung des Transaktionskostenmodells in der Wirtschaftsgeschichte vgl. Douglass C. North, Theorie des institutionellen Wandels. Eine neue Sicht der Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1988 (Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften, Bd. 56). North (S. VII) verweist auf die Transaktionskosten, die aufgrund von Spezialisierung und Arbeitsteilung, den Schlüsselelementen klassischer Wirtschaftsmodelle, entstehen und die "auch Bestandteil der Institutionen, welche die Struktur politisch-wirtschaftlicher Systeme bestimmen" sind, bislang aber keine Berücksichtigung fanden.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

tite negligeable - weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne. Transaktionskasten umfassen in modernen Marktwirtschaften einige 70-80% des Nettosozialproduktes, nicht zu sprechen von den enormen Einrichtungskosten (,set-up costs') neuer institutioneller Arrangements oder Organisationen. " 193 Grundsätzlich lassen sich Transaktionskosten unterschieden in: a) feste Transaktionskosten, das sind spezifische Investitionen oder "versunkene Kosten" (sunk costs), die bei der Errichtung bzw. der Bereitstellung eines institutionellen Arrangements entstehen, und b) variable Transaktionskosten, die auf der Anzahl bzw. dem Wertumfang der Transaktionen basieren. Feste Transaktionskosten der Betreibung bzw. Neueinrichtung monetärer Systeme sind beispielsweise die Aufwendungen zur Herstellung der Geldeinheiten; die variablen Transaktionskosten bei der Verwendung von Geld hingegen liegen etwa im Erfordernis der Überprüfung seiner Werthaltigkeit oder aber in Gebühren, die beim notwendigen Wechseln in eine andere Währung anfallen. Die konkrete Frage nach Kosten und Nutzen monetärer Integration warf angesichts der Turbulenzen im Währungssystem von Bretton Woods Anfang der 1960er Jahre R.A. Mundeil auf, indem er Überlegungen bezüglich der optimalen Größe eines Währungsraumes anstellte 194 (für diesen Ansatz ist er 1999 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet worden). Mundeil bemerkt, daß die mit einer Währungsvereinheitlichung zu erreichenden Einsparungen bei den Transaktionskosten in bestimmten Fällen durch die dabei entstehenden politischen Kosten, die er hauptsächlich in der preisgegebenen Fähigkeit sieht, über Veränderungen der Wechselkurse exogene Nachfrageschocks auszugleichen, aufgewogen oder übertroffen werden. Mundeil favorisiert für derartige Fälle ein System freier gegenüber einem mit festen Wechselkursen. Zwar muß diese "Optimum-Currency-Area-Theorie" einigen Modifikationen unterworfen werden, um sie auf die Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert anwenden zu können; da sich die Münzvereine von 1837/38 und 1857 aber durchaus als monetäre Regime mit festen Wechselkursen beschreiben lassen, spricht nichts dagegen, die Theorie als Instrument der Analyse auch historischer Entwicklungen einzusetzen. 1. Die potentiellen wirtschaftlichen Nutzeneffekte monetärer Integration: Monetäre Integration kann zu einem Zuwachs an wirtschaftlicher Effizienz führen. Dies geschieht durch den Fortfall von Transaktionskosten, zum einen solcher, die aufgrund der Notwendigkeit des Geldwechselns entstehen195, dann aber auch durch die Beseitigung des Risikos, das mit der Un193 Richter, Institutionen, S. 5. Vgl. Ders./Eirik Furubotn, Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, Tübingen 1996, Kapitell. 194 Robert A. Mundell, A Theory of Optimum Currency Areas, in: American Economic Review 51, 1961, S. 657 ff.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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sicherheit über die zukünftige Entwicklung der Wechselkurse verbunden ist. 196 Weil das Währungsregal in die Sphäre der staatlichen Hoheit fiel, konnten die Kosten des zwischenstaatlichen Zahlungsverkehrs, die zur Kategorie der variablen Transaktionskosten zählen, im hier betrachteten Zeitraum nur durch intergouvernementale Verabredungen über Harmonisierungen im Münzwesen gesenkt werden. 2. Die möglichen Kosten monetärer Integration: Der Nutzen monetärer Vereinheitlichung entsteht vor allem im mikroökonomischen Bereich, die Profiteure sind also jene Wirtschaftssubjekte, die am zwischenstaatlichen Austausch teilhaben. Die Kosten von Währungsunionen hingegen fallen eher auf der makroökonomischen Ebene, der Steuerungsebene der Wirtschaft, an und sind infolgedessen zum größten Teil vom Staat zu tragen. Dabei sind die mit der Neueinrichtung eines Geldsystems aufgrund einer Währungsunion anfallenden spezifischen Investitionen beträchtlich, wie es das Beispiel Euro zeigt: Neue Umlaufsmittel müssen hergestellt und in den Verkehr gebracht, die alten eingezogen werden, Preise sind neu auszuzeichnen, Konten umzustellen usw. In einem Edelmetall-Währungssystem, wie es in Deutschland im 19. Jahrhundert bestand, ist insbesondere der staatliche Anteil an den Einrichtungskosten sehr hoch anzusetzen, da die Herstellung der Geldeinheiten (Münzen) teuer ist. Zur Analyse der Währungsvereinheitlichung im 19. Jahrhundert läßt sich nach dem Gesagten der Transaktionskostenansatz in zweifacher Weise operationalisieren: Zunächst kann er der ex-ante-Analyse dienen, was in diesem Falle heißt, daß durch ihn mögliche Intentionen der Währungspolitik (d.h. der Währungspolitiker) untersucht werden. Lagen mithin, so ist hier zu fragen, potentielle Einsparungen an währungsspezifischen Transaktionskosten in der Absicht der handelnden Regierungen, als sie an den Abschluß von Münzverträgen gingen? Zum zweiten kann dieser Ansatz aber auch in der ex-post-Analyse Verwendung finden, d.h. zur Untersuchung der Frage, ob die Auswirkungen der Währungsvereinheitlichung eine Verringerung der 195 Vgl. für Deutschland im frühen 19. Jahrhundert Knut Borchardt, Währung und Wirtschaft, in: Deutsche Bundesbank (Hg.), Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876---1975, Frankfurt a. M. 1976, S. 3 ff., S. 4: "Leute, die sich auskannten, konnten viel Geld sparen oder - als Geldwechsler - viel verdienen. Die anderen mußten beim häufigen Geldwechsel für größere Bequemlichkeit entsprechende Kosten in Kauf nehmen." 196 "The benefit of a common currency isthat of a common medium of exchange among countries, i. e. a lowering of transaction costs." Marcello de Cecco/Alberto Giovannini, Does Europe need its own central bank?, in: Dies. (Hg.), A European, S. 1 ff., S. 6; vgl. Paul de Grauwe, The Economics of Monetary Integration, Oxford 3 1997, S. 52, und Koichi Hamada, On the Political Economy of Monetary Integration: A Public Economics Approach, in: Robert Z. Aliber (Hg.), The Political Economy of Monetary Reform, London/Basingstoke 1977, S. 13 ff., S. 15.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Transaktionskosten bei der Geldverwendung mit sich brachten. Das wiederum erlaubte Aussagen über den Grad der Behinderung, die die Heterogenität der deutschen Währungen der wirtschaftlichen Entwicklung bereitete. Der Umfang der durch Münzvereinbarungen möglicherweise fortfallenden Transaktionskosten hängt von der Häufigkeit und dem Wert wirtschaftlicher Transaktionen (Handel und Kapitalverkehr) zwischen unterschiedlichen Währungsräumen ab. 197 Dabei müssen die potentiell einzusparenden variablen Kosten groß genug sein, um die immensen festen Kosten, die monetäre Integration mit sich bringt, zu rechtfertigen. Die Erklärungsreichweite des Transaktionskostenansatzes für beide Zwecke hinsichtlich des Zustandekommens der Münzverträge in Zollverein und Deutschem Bund ist deshalb in hohem Maße vom Grad der dort vorzufindenden wirtschaftlichen Verflechtung abhängig: Je geringer dieser Grad, desto geringer war das Einsparungspotential bei den währungsspezifischen Transaktionskosten, und desto geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß es wirtschaftliche Gründe gewesen sind, die den Anstoß zur monetären Integration in Deutschland gaben. Ein weitere Möglichkeit der Operationalisierbarkeit des Transaktionskostenansatzes im Zusammenhang dieser Studie bietet das Optimum-Currency-Area-Modell. Es sind indessen nicht die beschriebenen wirtschaftlichen Aufwendungen monetärer Vereinheitlichung, auf die dieses Modell abzielt; vielmehr wird dort versucht, zusätzlich mögliche politische Kosten darzustellen. Allerdings ist diese Theorie in erster Linie auf die Situation moderner Volkswirtschaften des 20. Jahrhunderts zugeschnitten, namentlich auf die Fähigkeit der Regierungen, eine eigenständige Geldpolitik hinsichtlich der Manipulation des Wechselkurses zu betreiben 198 , was in einem Edelmetallwährungssystem von vomherein nur sehr eingeschränkt möglich ist. Wenn es also heißt: "The costs of a monetary union derive from the fact that when a country relinquishes its national currency, it also relinquishes an instrument of economic policy, i. e. it loses the ability to conduct a national monetary policy" 199, läßt sich diese Aussage nur sehr bedingt auf die Verhältnisse des 19. Jahrhunderts anwenden. Eine Anwendungsmöglichkeit des Modells ergibt sich aber dann, wenn der Verlust der geldpoliti197 Vgl. Gertrud Rosa Traud, Optimale Währungsräume und die europäische Integration, Wiesbaden 1996, S. 117: "Die Höhe der Transaktionskostenersparnis hängt von verschiedenen Faktoren ab: Von entscheidender Bedeutung sind die Art und Dauer der internationalen Transaktionen, das Volumen der Güter- und Kapitalbewegungen sowie die Effizienz der Devisenmärkte." 198 Die Kosten monetärer Unionen seien "[ ... ] those of unemployment and inflation, caused by country-specific shocks that are not offset by movements of factors across the frontiers, nor by exchange rate changes." de Cecco/Giovannini, Does, in: Dies. (Hg.), A European, S. 6. Vgl. Traud, Optimale, S. 74. 199 de Grauwe, The Economics, S. 5.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

105

sehen Unabhängigkeit weniger gemessen wird als: Beschränkung der Fähigkeit von Regierungen, mit exogenen Nachfrageschocks umzugehen, sondern vielmehr die Übergabe eines bis zur monetären Vereinheitlichung souveränen Politikfeldes in die gemeinsame Kompetenz mehrerer Staaten als politische Kosten (= Einbuße an Souveränität) interpretiert wird. Diese politischen Kosten müssen um so höher eingeschätzt werden, wenn in die Betrachtung einbezogen wird, wie viel den Regierungen der Staaten des Deutschen Bundes an eben jener Währungssouveränität gelegen war, daß sie ein wichtiger Faktor der (Selbst-) Definition von eigenständiger Staatlichkeit war und ist und daß der Willen, sie aufrechtzuerhalten, eine wesentliche Triebkraft der Münzreformen gewesen ist, wie sich im vorigen Kapitel gezeigt hat. b) Integration der Wirtschaftsräume im Deutschen Bund: Überlegungen zur Relevanz ökonomischer Transaktionskosten für den Abschluß der Münzverträge

Die Erklärungsreichweite des Transaktionskostenansatzes für die Währungsintegration in Deutschland im 19. Jahrhundert hängt wesentlich vom Grad der wirtschaftlichen Integration ab (vor allem von den Handelsverflechtungen200), der zum Zeitpunkt der Anbahnung der Münzverträge erreicht wurde; dieser Punkt ist schon ausgeführt worden. Nun scheinen allerdings die wirtschaftlichen Verhältnisse im Deutschen Bund um 1815 auf den ersten Blick besonders in einer Hinsicht denen im Währungswesen sehr ähnlich gewesen zu sein; auch hier drängt sich der Eindruck auf, es habe nur einen geringen Grad der Verflechtung der einzelnen Wirtschaftsräume miteinander gegeben: "Im Jahre 1815 gab es auf dem Gebiete des heutigen Reiches eine einheitliche, auch nur locker gefügte Volkswirtschaft keineswegs; keine gemeinsame Zollinie, kein zusammenhängendes Straßennetz, kein deutsches Geld, keine gemeinsamen Steuern und öffentliche Ausgaben für das Ganze, kein übereinstimmendes privates und soziales Recht, keine durchgreifende arbeitsteilige Produktionsgliederung nach örtlich natürlichen oder geschichtlich vorgegebenen Vorbedingungen."201 Die von Sartorius v. Waltershausen hier vermittelten Impressionen der wirtschaftlichen Struktur in den ersten Jahren des Deutschen Bundes zu überprüfen, d.h. in diesem Falle: die Intensität der wirtschaftlichen Verflechtungen für eine Zeit zu be200 Zur Handelsintegration als wesentliche Voraussetzung monetärer Integration vgl. Alexandre Lamfalussy, Monetary and Fiscal Integration, in: Fritz Machlup (Hg.), Economic Integration. Worldwide, Regional, Sectoral. Proceedings of the Fourth Congress of the International Econornic Association held in Budapest, Hungary, London/Basingstoke 1976, S. 218 ff., S. 225. 2 0 1 Sartorius v. Waltershausen, Deutsche, S. 5.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

stimmen, in der so gut wie keine Aufzeichnungen über den Umfang von Waren- und Kapitalströmen zwischen den Wirtschaftsräumen entstanden sind, ist ein schwieriges Unterfangen. Ganz unbefriedigend ist der Versuch einer rein formalistischen Bestimmung des Integrationsgrades der deutschen Wirtschaftsräume, wie H. James sie versucht, der schon für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts "a substantial measure of integration in goods, capital, and Iabor markets" feststellt. Beispielsweise habe der Zollverein einen einheitlichen Gütermarkt geschaffen und der Deutsche Bund einen einheitlichen Arbeitsmarkt durch die Herstellung der Bewegungsfreiheit.202 Letzteres ist sogar sachlich falsch, weil mit dem Artikel 19 der Bundesakte, auf den James hier anspielt, nur die sogenannte Nachzugsteuer (eine Abgabe, die Auswanderern von ihrem Heimatstaat auferlegt wurde) fortfiel; eine wirkliche Freizügigkeit des Faktors Arbeit wurde hingegen bis zur Gründung des Norddeutschen Bundes nicht erreicht. Bestenfalls schufen jene Maßnahmen die rechtlichen Grundlagen, auf denen sich später integrierte Märkte haben bilden können. Eine derartige Überbewertung der formalen Integration folgt letztlich der Legende, die Heinrich von Treitschke zur Mythisierung des Zollvereins als natürlichem ersten Schritt zur deutschen Reichseinigung in die Welt gesetzt hat ("Aus dem dunstigen Nebel des Deutschen Bundes traten schon erkennbar die Umrisse jenes Kleindeutschlands hervor, das dereinst den Ruhm und die Macht des heiligen römischen Reichs überbieten sollte."), von den langen Schlangen hoch beladener Wagen, die in der Silvesternacht 1833/34 "umringt von fröhlich lärmenden Volkshaufen" an den innerdeutschen Grenzen warteten, daß endlich der Schlagbaum sich öffnen und den Weg zu einer deutschen Volkswirtschaft freigeben möge?03 Dumke hat mit seiner Untersuchung der Auswirkungen des Zollvereins auf die innerdeutschen Handelsströme derartige Vorstellungen allerdings schon vor über zwanzig Jahren als (wenn auch farbige, nichtsdestoweniger jedoch zweckgerichtete) Fabel entlarvt.204 202 James, Monetary, S. 3. Eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung des Zollvereins sieht auch Bodo von Borries, Deutschlands Außenhandel 1836 bis 1856. Eine statistische Untersuchung zur Frühindustrialisierung, Stuttgart 1970 (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Bd. 13), S. 1. 203 Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Vierter Teil: Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III., Düsseldorf 1981 (= 6. Aufl. 1913), S 379. Überdeutlich wurde diese Anschauung zum hundertjährigen Jubiläum des Zollvereins formuliert: "Das damit [mit der Gründung des Zollvereins 1834] geschaffene einheitliche deutsche Zoll- und Handelsgebiet, das bereits den größten Teil des heutigen Reichsgebietes umfaßte, bildet den Anfang der politischen Einigung und somit einen wichtigen Grundstein für die Errichtung des Deutschen Reiches." Gedenkschrift, S. 5. Im gleichen Tenor beispielsweise Stolper/Borchardtl Häuser, Deutsche, S. 18. 204 Vgl. Dumke, Intra-German und ders. , Die wirtschaftlichen. Zweckgerichtet ist diese Art der Darstellung, weil mit ihr die These von der "deutschen Berufung"

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

107

Trotz der schwierigen und unbefriedigenden Materiallage ist es notwendig, sich der Frage nach der Intensität der wirtschaftlichen Verflechtungen in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zu stellen und zumindest den Versuch zu wagen, die Tendenzen der Entwicklung zu bestimmen und nachzuzeichen. Derartige Aussagen hinsichtlich der Integration der Wirtschaftsräume im Deutschen Bund und ihrer Entwicklung sind im Zusammenhang dieser Arbeit unabdingbar, um Wesen und Bedeutung der Währungsvereinheitlichung jener Zeit einschätzen zu können. Insbesondere geht es um Erkenntnisse darüber, ob die Annäherung im Münzwesen als eine Folge enger werdender ökonomischer Interdependenzen gesehen werden muß (und damit: wie groß das Gewicht wirtschaftlicher Faktoren für die Regierungen war, die sich um eine Vereinheitlichung der Währungssysteme bemühten), und darüber, ob die Heterogenität der Münzverfassungen der wirtschaftlichen Integration im Weg gestanden hat, indem sie den grenzüberschreitenden Handel und Kapitalverkehr u. a. durch die Notwendigkeit des Geldwechselns verteuerte. Dem Problem der fehlenden Angaben zur Quantität von Güter- und Kapitalverkehr soll im folgenden durch den Versuch begegnet werden, eine Analyse der Art (Qualität) von Produktion und Kapitalmarkt vorzunehmen, die zumindest über das Potential gesamtwirtschaftlicher Integration Auskunft geben dürfte. Über das Bestehen einer integrierten Volkswirtschaft (Binnenmarkt) in Frankreich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts äußert sich P. Leon skeptisch: "Der Binnenmarkt stellt sich zu Beginn unserer Periode [um 1800] indessen keineswegs als eine feste Größe dar, und wenn wir das Frankreich der Jahre 1820--1830 betrachten, so können wir ernsthaft an der Existenz eines kohärenten Ganzen zweifeln. Wie in der Vergangenheit zerfiel das Land aufgrund der Unzulänglichkeit des Transportwesens in eine Vielzahl lokaler Märkte, die alle ein Eigenleben führten und aus dem allgemeinen Wirtschaftsrhythmus herausfielen." 205 Wenn dies für Frankreich galt, dessen formaler ökonomischer Integrationsgrad in dieser Periode sehr viel größer war als der deutsche (mit einer einheitlichen nationalen Währung und ohne Zollgrenzen zwischen den Regionen), und das sich zudem in allen wirtschaftlichen Belangen und vor allem in der Verkehrsinfrastruktur als sehr viel weiter entwickelt darstellte, Preußens (und damit auch der Notwendigkeit einer kleindeutschen Reichseinigung) nachgewiesen werden sollte. Vgl. aber Matis, Deutsch-österreichische, in: Kann/ Prinz (Hg.), Deutschland, S. 371, der immer noch so argumentiert: "Die Wirtschaftsinteressen waren damit die Wegbereiter des nationalen Zusammenschlusses, den die liberalen Kräfte in der Zeit der Freiheitskriege vergeblich angestrebt hatten." 205 Pierre Uon, Die Entfaltung des nationalen Marktes, in: Fernand Braudel/Ernest Labrousse (Hg.), Wirtschaft und Gesellschaft in Frankreich im Zeitalter der Industrialisierung. 1789-1880. Band 1, Frankfurt a.M. 1986, S. 207 ff., S. 211.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

ist für das Gebiet des Deutschen Bundes, das in 39 eigenständige politische Einheiten zerfiel, der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß auch hier - und wahrscheinlich in noch höherem Maße - eher von einem Nebeneinander von im wesentlichen unverbundenen Wirtschaftsräumen als von einem Markt und einer Volkswirtschaft die Rede sein muß. Die unterschiedlichen Preise für Güter aller Art an verschiedenen Plätzen in Deutschland sind ein entscheidendes erstes Indiz dafür, daß diese Vermutung richtig ist: "The law of one price states that in one market there is one price", schreibt C.P. Kindleberger, und damit gilt im Umkehrschluß, daß dort, wo unterschiedliche Preise für gleiche Güter nebeneinander bestehen, nicht von einem Markt die Rede sein kann?06 Die Untersuchung der Marktpreise für landwirtschaftliche Güter deutet an, daß in der Tat vor der Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland nur eine sehr geringfügige räumliche und marktmäßige Integration bestanden hat (siehe Tab. 2). Wie läßt sich nun der Begriff "Integration" zweckmäßig für eine wirtschaftshistorische Untersuchung operationalisieren? R. Fremdling und G. Hohorst definieren wirtschaftliche Integration als einen "Zeit beanspruchende[n] Prozeß, der eine wachsende Intensität wirtschaftlicher Interdependenz zwischen räumlich entfernten Individuen hervorbringt." Mögliche Integrationskräfte seien dabei das Bevölkerungswachstum (einschließlich Urbanisierung) und die Entwicklung eines Transportsystems (wahrscheinlich verbunden mit sinkenden Transportkosten). "Ein dritter Faktor könnte in einer auf Markt und Handel bezogenen Umorientierung der Verhaltensweise vom Subsistenzziel zum modernen, auf Nutzenmaximierung gerichteten zentralen Impetus des Wirtschafrens erblickt werden."207 F.-W. Henning zielt in eine ähnliche Richtung, wenn er vier Bereiche nennt, in denen im Deutschland des 19. Jahrhunderts materielle ökonomische Integration stattgefunden habe: 1. Der "örtliche Bereich", damit ist die zunehmende Marktverbindung der privaten Haushalte und die wachsende Spezialisierung der Wirtschaftsunternehmen gemeint sowie ein zurückgehender Grad der Selbstversorgung. 2. Wirtschaftliche Verflechtungen innerhalb einer Region: Diese seien abhängig von der Entwicklung der Verkehrsverhältnisse (Chausseebau, Eisenbahnen). 3. Die Verdichtung interregionaler Beziehungen, die zwar zum Teil schon über Jahrhunderte gewachsen seien, aber durch die Industrialisierung neue Impulse bekommen hätten. Die Verbreiterung der Produktion habe die Notwendigkeit zum intensiveren WarenausKindleberger, Economic, S. 67. Rainer Fremdling/Gerd Hohorst, Marktintegration der preußischen Wirtschaft im 19 Jahrhundert - Skizze eines Forschungsansatzes zur Fluktuation der Roggenpreise zwischen 1821 und 1865, in: Rainer Fremdling/Richard H. Tilly (Hg.), Industrialisierung und Raum. Studien zur regionalen Differenzierung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1979 (Historisch-sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 7), S. 56 ff., S. 58 f. 206 207

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Tabelle 2

Index der Marktpreise für landwirtschaftliche Güter in preußischen Provinzen und Städten sowie in Sachsen, 1840-50 (1840 jeweils =100)208

R

Rheinland w K

R

Pommern w K

Aachen R

w

Sachsen K

100 100 100

R

w

K

1840 100 100 100

100 100 100

1841

85

90

88

113

93 113

83

83

89

1842

95 105

85

125

95 118

88

98

69

102 101 108

1843 116 100

98

124

77

113

105

84

78

130 100 122

1844

74

61

93

83

88

84 100

104

9

79

88

84

73

107

76

96

79

1845 107

92

99

129

84 119

105

100 100 100 80

90

75

1846 158 129 164

174 113 201

146 116 143

145 117 111

1847 171

217 146 276

163 147 140

201

155 185

167 188

1848

83

88 106

96

87 157

80

85

87

82

92

90

1849

70

81

99

88

86 127

65

70

68

68

88

84

1850

75

77

87

103

85 144

74

75

60

79

83

95

R =Roggen. W= Weizen. K = Kartoffeln.

tausch geboten, der Transport sich verbilligt; eine Schlüsselrolle sei hier der Eisenbahn zugefallen. Henning bekräftigt damit die in der Forschung einmütig hervorgehobene Bedeutung der Eisenbahn für die wirtschaftliche Integration in Deutschland. Deren Einfluß war aber erst seit den 1840er Jahren zu spüren. Die wichtigsten Entscheidungen zur formellen (institutionellen) Integration des deutschen Wirtschaftsraumes hingegen (die Gründung des Zollvereins 1834, durch den die Handelsbarrieren zwischen großen Teilen der Staaten des Deutschen Bundes fielen, die Errichtung eines Münzvereins 1838) wurden bereits in den 1830er Jahren getroffen; es ist deshalb zu fragen, ob in den genannten Bereichen auch schon im Voreisenbahn-Zeit208 Angaben nach: Jürgen Bergmann, Ökonomische Voraussetzungen der Revolution von 1848. Zur Krise von 1845 bis 1848 in Deutschland, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), 200 Jahre amerikanische Revolution und moderne Revolutionsforschung, Göttingen 1976 (GG, Sonderheft 2), S. 254 ff., S. 264.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

alter Integrationswirkungen zu verzeichnen gewesen sind. 4. Und schließlich sieht Henning einen vierten Bereich der Integration: Die gleichzeitige Ausweitung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Regionen außerhalb des Deutschen Bundes.Z09 Die materielle ökonomische Integration der Wirtschaftsräume im Deutschen Bund im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts soll im folgenden auf den vier vorgeschlagenen Ebenen detailliert untersucht werden. 1. Zur Frage des marktorientierten Wirtschaftens: Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein ist die Landwirtschaft der nach allen Kriterien wichtigste deutsche Wirtschaftszweig210; um 1825 waren beispielsweise 59% aller Beschäftigten im primären Wirtschaftssektor tätig2 ll, der Anteil an der Wertschöpfung lag noch darüber. Deshalb ist vor allem nach der Marktorientierung der Landwirtschaft zu fragen, um ein Urteil darüber zu erlauben, in welchem Maß die Produktion zum Verkauf (Marktorientierung) die Herstellung für den Eigenverbrauch (Subsistenz) als vorherrschendes Kennzeichen wirtschaftlichen Agierens schon im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts abgelöst hat.

Die Landwirtschaft stand zum Zeitpunkt der Gründung des Deutschen Bundes in einer Umbruchsphase von der "kommerzialisierten zur kapitalistischen" Wirtschaftsweise212 , wobei die regionalen Unterschiede noch sehr groß waren. In fortgeschrittenen Gegenden wie etwa Westfalen lag die 209 Friedrich-Wilhelm Henning, Die wirtschaftliche Integration Deutschlands im 19. Jahrhundert. Die Bedeutung Preußens für die Entstehung der deutschen Volkswirtschaft, in: Oswald Hauser (Hg.), Preußen, Europa und das Reich, Köln/Wien 1987 (Neue Forschungen zur brandenburg-preußischen Geschichte, Bd. 7), S. 295 ff., S. 302 f. 210 Vgl. bezüglich dieser Aussage für Württemberg: Boelcke, Wirtschaftsgeschichte, S. 214, für Bayern: Hans Mauersberg, Bayerische Entwicklungspolitik 1818-1923. Die etatmäßigen bayerischen Industrie- und Kulturfonds, München 1987, S. 7, für Preußen: Wolfgang J. Mommsen, Das Ringen um den nationalen Staat. Die Gründung und der innere Ausbau des Deutschen Reiches unter Otto von Bismarck 1850 bis 1890, Frankfurt a. M./Berlin 1993 (Propyläen Geschichte Deutschlands, 7. Band), S. 24, und für Deutschland und Österreich insgesamt: Hans Kembauerl Eduard März, Das Wirtschaftswachstum in Deutschland und Österreich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg - eine vergleichende Darstellung, in: Wilhelm Heinz Schröder/Reinhard Spree (Hg.), Historische Konjunkturforschung, Stuttgart 1980 (Historisch-sozialwissenschaftliche Forschungen, Bd. 11), S. 47 ff., S. 47. 211 Friedrich-Wilhelm Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, 8. durchges.u. erg. Auf!. Paderbom/München/Wien/Zürich 1993, S. 20. 212 Hanna Schiss/er, Preußische Agrargesellschaft im Wandel. Wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Transformationsprozesse von 1763 bis 1847, Göttingen 1978 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 33), S. 13. Damit ist die Umstellung von den traditionalen Bewirtschaftungsmethoden auf eine rationell betriebene, profitorientierte kapitalistische Landwirtschaft gemeint, ausgelöst durch

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Marktquote (das ist der für den Verkauf bestimmte Anteil des gesamten Outputs) der Getreideproduktion bei über 75% (Zahlen allerdings erst für 1860)213 ; dies dürfte, zumal dreißig Jahre zuvor, in den minder dicht besiedelten und weniger mit städtischen Siedlungsformen durchsetzten Gebieten jedoch deutlich anders ausgesehen haben. Auf ein West-Ost-Gefälle bezüglich der Einordnung landwirtschaftlicher Gebiete in Marktstrukturen deutet etwa der noch zur Jahrhundertmitte in Ostpreußen nahezu 90% erreichende Anteil der Naturalien an der Entlohnung der Landarbeiter hin? 14 Für das späte 18. Jahrhundert rechnet Henning bei einem norddeutschen Hof mit einem Eigenverbrauch von etwa 35% der Getreideernte, einer Verwendung von rund einem Viertel zur Wiederaussaat und einem Fünftel, um die Abgaben gegenüber dem feudalherrlich Berechtigten zu leisten; dies würde auf eine Marktquote (bei Getreide) von rund 20% hinweisen. 215 Insgesamt ist von der Forschung gleichwohl eine Intensivierung der Marktorientierung der Landwirtschaft für das erste Drittel des 19. Jahrhunderts (und ebenso der Gesamtwirtschaft, auch wenn selbst der gewerbliche Bereich noch eine hohe Subsistenzrate aufwies216 und vom lokalen Handwerk dominiert wurde217 ) konstatiert worden, allerdings von einem niedrigen Niveau ausgehend?18 Ein Faktor, der dabei neben der durch Bevölkerungswachstum und Urbanisierung ausgelösten Nachfragesteigerung in beträchtlichem Maße zu den Kommerzialisierungsschub der günstigen Agrarkonjunktur seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges. 2 13 Marktquote und Eigenverbrauch eines "typischen münsterländischen Hofes" (Hof. Nr. 1) und eines "Spitzenbetriebes" (Hof Nr. 2) um 1860 (Getreideanbau): Marktquote bei Getreide, Hof Nr. 1 = 76,92%, Hof Nr. 2 = 81,67%; Geldeinnahmen durch Verkauf von Getreide in preußischen Tlr., Hof Nr. 1= 333,33, Hof Nr. 2 = 326,67. Nach: Michael Kopsidis, Marktintegration und Entwicklung der westfalischen Landwirtschaft 1780-1880. Marktorientierte ökonomische Entwicklung eines bäuerlich strukturierten Agrarsektors, Münster 1996 (Münsteraner Beiträge zur Cliometrie und quantitativen Wirtschaftsgeschichte Bd. 3), S. 476. 214 Nipperdey nennt für 1849 ein Verhältnis von Natural- zu Geldlohn von 89,2 : 10,8 in Ostpreußen, von 76,2 : 23,8 in Brandenburg und von 35,6 : 64,4 für die Provinz Sachsen. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 166. Vgl. dazu: Max Weber, Entwicklungstendenzen in der Lage der ostelbischen Landarbeiter, in: Ders., Gesammelte Aufsätze zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Tübingen 1924, S. 470 ff., insbes. S. 473, 478, 484. Vgl. auch Francis L. Carsten, Geschichte der preußischen Junker, Frankfurt a. M. 1988 (edition suhrkamp 1273), S. 136; Schissler, Preußische, S. 179. 215 Waren- und Geldströme eines norddeutschen Bauernhofes von 15 bis 20 ha um 1750 (Modellhof nach zahlreichen Einzelberechnungen). Friedrich-Wilhelm Henning, Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in Deutschland. Bd. 2: 17501976, Paderborn 1978, S. 108. 216 Vgl. etwa Sombart, Deutsche, S. 30. 217 Vgl. Henning, Industrialisierung, S. 96 f. 218 Vgl. zur hohen Subsistenzrate der ländlichen Bevölkerung bezüglich der Produktion von Textilien im frühen 19. Jahrhundert: Andre Steiner, Überlegungen zur

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diesem beginnenden Übergang der Landwirtschaft von der vorwiegenden Subsistenz- zur marktorientierten Geldwirtschaft beitrug, war die Umwandlung von Diensten und Naturalabgaben in Geldleistungen durch die Ablösung der feudalen Lasten in der sogenannten "Bauernbefreiung". Die Entschädigung der Obereigentümer erfolgte - auch im Osten, wo zur Ablösung der grundherrliehen Lasten große Landbewegungen stattfanden- ganz überwiegend in Geld. Dieser Weg der Entfeudalisierung brachte "namentlich für die mittleren und kleineren Bauern überhaupt erst den Zwang zur Beteiligung am Marktgeschehen mit allen Folgen wirtschaftlicher und mentaler Art [ ... ]"219 mit sich. Darüber hinaus ist die Bedeutung der durch die Ablösung in Gang gesetzten Kapitalströme (die Schätzung geht von einem Gesamtvolumen der Ablösungszahlungen von 11 bis 12 Mrd. Mark innerhalb von 43 Jahren aus220) nicht nur für die Entstehung eines landwirtschaftlichen Kreditwesens221 , sondern für die Entwicklung eines Kapitalmarktes überhaupt in Rechnung zu stellen. 2. Die wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb einer Region: Die Rolle der Region im Prozeß der Industrialisierung ist in letzter Zeit in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses gerückt. 222 Dabei wird in bezug auf Deutschland in der Regel von Wirtschaftsregionen ausgegangen, die in ihrer Größe den Mittelstaaten entsprachen (oder eines Teils eines größeren Staates oder mehreren kleinen Staaten zusammen).Z23 Ein solches Gebiet als einheitliche (integrierte) Wirtschaftsregion zu betrachten, setzt jedoch vor allen Dingen das Bestehen einer ausgebauten Verkehrsinfrastruktur voraus. Derartig leistungsfähige Transportverbindungen waren im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in den deutschen Staaten freilich nur vereinzelt vorzufinden. Für die Vor-Eisenbahn-Zeit muß man deshalb wohl von einer sehr Monetarisierung des Konsums in Deutschland im 19. Jahrhundert am Beispiel der Kleidung, in: VSWG 86, 1999, S. 477 ff., besonders S. 482 u. 485 f. 2 19 Christo! Dipper, Die Bauernbefreiung in Deutschland 1790--1850, Stuttgart/ Berlin/Köln/Mainz 1980, S. 120. 220 Henning, Industrialisierung, S. 190. Vgl. Dipper, Bauembefreiung, S. 120 f. 221 Vgl. dazu Reinhard Rürup, Deutschland im 19. Jahrhundert 1815-1871, 2. durchges. u. bibliogr. ergänzte Aufl., Göttingen 1992 (Deutsche Geschichte Bd. 8), S. 45- 50; Maria Blömer, Die Entwicklung des Agrarkredits in der preußischen Provinz Westfalen im 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1990 (Schriftenreihe des Instituts für bankhistorische Forschungen Bd. 16). 222 "Die industrielle Revolution war, so läßt sich sagen, im Westen wie auch im Osten ein lndustrialisierungsprozeß der Regionen. Die industrielle Revolution ist ein regionales Problem." Sidney Pollard, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Region und Industrialisierung. Studien zur Rolle der Region in der Wirtschaftsgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte, Göttingen 1980 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 42), S. 11 ff., S. 12. 223 Vgl. Kiesewetter, Industrialisierung, S. 7; dort wird von einer Größe der Regionen von mindestens 5.000 qkrn ausgegangen.

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viel kleinräumigeren Wirtschaftsstruktur ausgehen: Erst die Eisenbahn schuf seit den 1840er Jahren die Möglichkeit, größere Gütermengen schnell über eine längere Strecke zu befördern; erst mit der Eisenbahn sanken die Frachttarife auf ein Maß, das den Transport vieler Waren überhaupt erst lohnenswert machte224 ; erst nach der Errichtung von Eisenbahnstrecken läßt sich daher mit Recht von Wirtschaftsräumen in der Größe einer Region sprechen. Die Validität dieser Hypothese bestätigt sich vor allem dann, wenn man der durch die Eisenbahn erschlossenen Volkswirtschaft des späteren 19. Jahrhundert die Verkehrsverhältnisse der Zeit vor der Eisenbahn und die dadurch der wirtschaftlichen Entwicklung auferlegten Beschränkungen gegenübergestellt.225 Für den Nürnberger Raum beispielsweise hat F. Voigt untersucht, wie wirtschaftliche Entwicklung durch den Eisenbahnbau beeinflußt wurde. In der Ausgangslage, d.h. also vor Entstehung eines Eisenbahnnetzes, hätten danach alle Städte und Märkte wie auch Dörfer, die nicht unmittelbar am schiffbaren Main, am Ludwigkanal oder an den großen Fernstraßen lagen, nahezu die gleiche wirtschaftliche Struktur gehabt, d. h. ungefähr die gleiche landwirtschaftliche Produktionsweise, eine ähnliche Anzahl und Verteilung der Handwerker und dazu verstreut Manufakturen und Hausge224 Vgl. Fritz Voigt, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Verkehrssystems, Berlin 1960 (Verkehrswissenschaftliche Forschungen, Bd. 1), S. 203: Die Reise von Leipzig nach Frankfurt dauerte um 178011825 "bei sehr dünnem und unregelmäßigem Verkehr" sieben Tage, von Harnburg nach Leipzig fünf Tage (durchschnittliche Reisegeschwindigkeit 6 bis 9 km/h). Die "Kommunionpost" Bremen - Harnburg fuhr zweimal wöchentlich (bespannt mit sechs Pferden) und brauchte 15 Stunden. Sogar die Schnellposten Frankfurt-Halle brauchten 35 Stunden (Reisegeschwindigkeit 11 km/h). Zum Vergleich die Leistungen der Eisenbahnverbindungen: Auf der Strecke Hamburg-Berlin wurde bereits 1850 eine planmäßige Geschwindigkeit von 40 km/h mit zehn Wagen vorgesehen (das durchschnittliche Ladegewicht eines Güterwagens betrugt schon zu dieser Zeit 5 bis 7 t). Zur Beschleunigung des Transportes trat dessen Verbilligung: Bei schweren Massengütern betrugen die Tarife bereits 1850-60 auf einigen Bahnen nur noch 1112 bis 1/29 des früheren Transportpreises. 225 "Die Bedeutung der Eisenbahnen für die Herstellung eines einheitlichen deutschen Binnenmarktes und darüber hinaus eines europäischen Marktes läßt sich schwerlich überschätzen." Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Zweiter Band: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen "Deutschen Doppelrevolution" 1815- 1845/49, München 1987, S. 37. Knut Borchardt allerdings sieht als Grund für die Integration in Deutschland im 19. Jahrhundert weniger das Sinken der Transportkosten, als vielmehr eine "Veränderung von Verhaltensweisen", d. h. die Durchsetzung der Marktgesellschaft Sein Befund über die nur geringe Integration in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts indessen stimmt mit dem hier getroffenen überein; vgl. Knut Borchardt, Integration in wirtschaftshistorischer Perspektive, in: Erich Schneider (Hg.), Weltwirtschaftliche Probleme der Gegenwart. Verhandlungen auf der Tagung des Vereins für Socialpolitik Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften im Ostseebad Travemünde 1964, Berlin 1965 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F. Band 35), S. 388 ff., S. 399 ff.

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werbetreibende. In den an den großen Verkehrsstraßen gelegenen Orten hätten sich zwar mehr Fernhändler und Herbergen gefunden, vorzugsweise aber sei für den Eigenbedarf der Angehörigen der Gemeinde oder der näheren Umgebung produziert worden. In der Mitte dieser kleinen, voneinander vergleichsweise unabhängigen Wirtschaftsräume mit ähnlicher Wirtschaftsstruktur habe sich jeweils eine kleinere Stadt oder ein Markt befunden, die etwa 14-20 km voneinander entfernt lagen. Die Verkehrsverbindung zu den Städten/Märkten sei durch einen "verhältnismäßig lebhaften" Fuhrwerksverkehr gewährleistet worden. Auf der für Nümberg besonders wichtigen Fernverkehrsstraße nach Südosten seien z. B. im Monatsdurchschnitt des Jahres 1803 40 Wagen mit zusammen 2.315 bayerischen Zentnern= 130 t Ladung gefahren. Diese Zahlen korrespondieren laut Voigt mit den Angaben zum Transport auf der Handelsstraße Nürnberg-Leipzig ("einer der wichtigsten Handelsstraßen Deutschlands"), auf der beispielsweise im Jahr 1834 insgesamt nach Nürnberg ca. 1.600 t, aus Nürnberg heraus etwa 2.150 t Güter transportiert worden seien. Die Jahresleistung der Transporte auf der Straße war damit nicht größer, als was später zwei Güterzüge auf der Eisenbahn beförderten. 226 Auch die Untersuchungen zu anderen Gebieten Deutschlands bestätigen diese Ergebnisse des nur geringen Handelsverkehrs zwischen den einzelnen Wirtschaftsräumen, deren Größe zudem weit unter dem angegebenen Maß für eine Wirtschaftsregion lag. So wurde z. B. der Eisen- und Stahlbedarf des Remscheider Gebietes (der Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts bei ca. 6.000 t pro Jahr lag) mit Pferdewagen aus dem etwa 200 km entfernten Siegerland gedeckt. Deren mögliche höchste Tagesleistung lag bei 30 bis 40 km, die maximale Tragfähigkeit bei 0,5 t. Die zur Produktion notwendige Steinkohle (um 1820 fast 70.000 t jährlich) wurde mit Tragtieren herangebracht, die jeweils etwa 150 kg tragen konnten.Z27 Daraus folgt: 226 Fritz Voigt, Die gestaltende Kraft der Verkehrsmittel in wirtschaftlichen Wachstumsprozessen. Untersuchung der langfristigen Auswirkungen von Eisenbahn und Kraftwagen in einem Wirtschaftsraum ohne besondere Standortvorteile, Bielefeld 1959, S. 9 ff. und 27. 227 Elfriede Rehbein/Joachim Lindow/Kurt Wegner/Heinz Wehner, Deutsche Eisenbahnen 1835-1985, Berlin (Ost) 1985, S. 9. Vgl. auch Hans-Wemer Hahn, Die Industrielle Revolution in Deutschland, München 1998 (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 49), S. 4. Die historische Wirtschaftsraumforschung bekräftigt diese Einzelergebnisse und hebt sie ins Generelle, indem sie eine Theorie der Integration von Wirtschaftsräumen entwickelt. Danach habe es vor der Einführung der Eisenbahn eine "mittlere Transportkostengrenze" gegeben, die in Abhängigkeit von natürlichen Gegebenheiten auf dem Landweg zwischen 20 und maximal 60 km lag. "Die daraus resultierenden Wirtschaftsräume hatten jeweils ein Zentrum und waren nicht unmittelbar benachbart, d.h. dazwischen lagen Zonen ohne besondere wirtschaftliche Aktivität (,Grenzsaum')." Produzierte ein Raum Güter für den Export und entstanden dazu auch die entsprechenden Transportmöglichkeiten, entwickelte sich

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Die Kategorie der Region in der bislang üblichen Definition eignet sich nicht zur Untersuchung der wirtschaftlichen Entwicklung im prä-industriellen Deutschland, dessen ökonomische Strukturen vielmehr von kleinen, weitgehend unverbundenen Wirtschaftsräumen geprägt waren. 3. Interregionale Beziehungen und 4. Der Handel mit Staaten außerhalb des deutschen Bundes: Mehr noch als der Warenaustausch innerhalb einer Region ist der zwischen verschiedenen Regionen und gar Ländern abhängig von den Transportmöglichkeiten und den Transportkosten. Für den - wie oben festgestellt im Volumen wie im Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung relativ unbedeutenden - interregionalen Warenverkehr war dabei die Orientierung an traditionellen und durch politische Vorgaben mitbestimmten Handelswegen kennzeichnend; diese Verflechtungen wirkten der Entstehung eines integrierten nationalen deutschen Marktes entgegen?28 T. Ohnishi belegt dies in seiner Untersuchung der Vorgeschichte des Zollvereins, wenn er die Angaben des preußischen Handelsministeriums über die Haupthandelspartner Preußens von 1823 wiedergibt. 229 Die Befunde zeigen ein insgesamt deutliches Bild: Bis hinein in die 1840er Jahre waren die Wirtschaftsräume innerhalb des Deutschen Bundes nur in sehr geringem Maße miteinander verbunden. Die Produzenten in den eine Vernetzung mit Nachbarräumen, d.h. mehrere Räume bildeten einen integrierten Wirtschaftsraum. Vgl. Oskar Schwarzer/Markus A. Denzel, Wirtschaftsräume und die Entstehung von Grenzen. Versuch eines historisch-systematischen Ansatzes, in: Sozialwissenschaftliche Informationen 20, 1991, S. 172 ff., S. 172; Oskar Schwarzer, Das System des internationalen Zahlungsverkehrs, in: Jürgen Schneider/ Oskar Schwarzer/Friedrich Zellfelder (Hg), Währungen der Welt I. Europäische und nordamerikanische Devisenkurse 1777-1914, Teilband I, Stuttgart 1991 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 44, I), S. 1 ff., S. 6 f. 228 Vgl. Wolfgang Zorn, Binnenwirtschaftliche Verflechtungen um 1800, in: Friedrich Lütge (Hg.), Die wirtschaftliche Situation in Deutschland und Österreich um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, Stuttgart 1964 (Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 6), S. 99 ff., S. 108. Vgl. auch Henning, Die wirtschaftliche, in: Hauser (Hg.), Preußen, S. 295 ff., S. 304. Zu Württemberg siehe Volker Hentschel, Nachbarn und Weltmarkt, in: Otto Borst (Hg.), Wege in die Welt. Die Industrie im deutschen Südwesten seit Ausgang des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1989, S. 215 ff., S. 216, der eine Umfrage von 1832 bei 330 württembergischen Gewerbebetreiben nach ihren hauptsächlichen Absatzgebieten wiedergibt. 229 Takeo Ohnishi, Zolltarifpolitik Preußens bis zur Gründung des Deutschen Zollvereins. Ein Beitrag zur Finanz- und Außenhandelspolitik Preußens, Göttingen 1973, S. 140/233. Quelle: GStAPK, Rep. 151 III 5738, fol. 10; es handelt sich hier um die einzige amtliche Feststellung zum Umfang des preußischen Außenhandels vor Gründung des Zollvereins. Ohnishis Zahlen korrelieren in der Größenordnung mit denen, die Martin Kutz, Deutschlands Außenhandel von der Französischen Revolution bis zur Gründung des Zollvereins. Eine statistische Strukturuntersuchung zur vorindustriellen Zeit, Wiesbaden 1974 (VSWG, Beihefte, Nr. 61), S. 343, Tabellen 70-72, über den Handel mit Österreich nennt (auch wenn diese statistischen Angaben laut Verfasser möglicherweise mit schweren Fehlern behaftet sind).

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kleinen einzelnen Räumen waren vordringlich auf diese selbst konzentriert, mit einem immer noch hohen (wenn auch schrumpfenden) Anteil der Subsistenz. 230 Interregionaler Austausch beschränkte sich auf den insgesamt bedeutungslosen Teil hochwertiger Güter, bei deren Preis die Transportkosten aufgrunddes hohen Gesamtpreises eine vergleichsweise geringe Rolle spielten. Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, daß die geringe Verflechtung der Wirtschaftsräume weniger eine Folge der politischen Zersplitterung im Deutschen Bund gewesen ist. Die bis heute kolportierte Vorstellung: "Nach Gründen für den Entwicklungsrückstand Deutschlands braucht man nicht lange zu suchen. Deutschland war sehr heterogen und sowohl politisch als auch sozial und religiös vielfach gespalten [... ] Wirtschaftlich bedeutete die Zersplitterung die Aufspaltung eines an sich großen Binnenmarktes in viele kleine Segmente, die sich durch Zollgrenzen abschirmten"231 , greift zu kurz. Dies belegt nicht nur der Vergleich mit dem ebenfalls "an sich großen Binnenmarkt" Frankreichs, wo es ebenso wie in Deutschland die Schwierigkeiten der Güterbeförderung (unzureichende Transportmittel und Verkehrswege) waren, die den interregionalen Austausch langsam, beschwerlich, unzuverlässig und wenig leistungsfähig machten und damit weitgehend verhinderten?32 Zweifellos trugen die politischen Verhältnisse dazu bei, jedoch zeigt das auffällig geringe Wachsturn des innerdeutschen Handels nach der Gründung des Zollvereins, daß dieser Negativbeitrag nicht zu hoch eingeschätzt werden sollte. Borchardt erteilt der institutionalistischen (d. h. politische Entscheidungen überbetonenden) Richtung der Wirtschaftsgeschichtsschreibung dann auch (an anderer Stelle) mit Recht eine deutliche Absage: "Vielfach wird behauptet, mit dem Deutschen Zollverein habe 1834 die deutsche Volkswirtschaft ihren Anfang genommen. Wenn man sich weniger von den Gesichtspunkten der institutionellen Integration als von den Krite-

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23 Kindleberger beschreibt den geringen Integrationsgrad der Regionen im Deutschen Bund: "[ ... ] cut off from the rest of the world, trading little with outside, individuals living for the most part where they were bom [. . .]." Charles P. Kindleberger, Centralization versus Pluralism. A Historical Examination of Political-Economic Struggles and Swings within Some Leading Nations, Kopenhagen 1996, s. 36. 231 Christoph Buchheim, Industrielle Revolutionen. Langfristige Wirtschaftsentwicklung in Großbritannien, Europa und Übersee, München 1994, S. 99. Ebenso Knut Borchardt, Die Industrielle Revolution in Deutschland 1750-1914, in: Ders./ Carlo M. Cipolla (Hg.), Europäische Wirtschaftsgeschichte, Bd. 4: Die Entwicklung der industriellen Gesellschaften, Stuttgart/New York 1985, S. 135 ff., S. 141 f., Theodore S. Hamerow, Restoration, Revolution, Reaction. Economics and Politics in Germany 1815-1871, Princeton 1958, S. 7, Hahn, Industrielle, S. 4, Henderson, Zollverein, S. 10. 232 Zu den Gründen des geringen Grades wirtschaftlicher Entwicklung sind u. a. noch Probleme der Kreditbeschaffung, geringe soziale Mobilität, niedrige Massenkaufkraft und die erst partiell beseitigte feudale Agrarverfassung zu zählen. Vgl. Hahn, Geschichte, S. 17.

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rien der funktionalen Integration leiten läßt, so haben die übergreifende Industrialisierung und die revolutionäre Entwicklung des Eisenbahnnetzes ein größeres Gewicht gehabt, als die fortschreitende Beseitigung von Binnenzöllen. "233 Auch auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Heterogenität der Währungen in Deutschland und der dortigen wirtschaftlichen Entwicklung kann nach der Untersuchung des Integrationsgrades der Wirtschaftsräume jetzt eine Antwort gegeben werden: In der Forschung werden Uneinheitlichkeit und mangelnde Integration der Währungen des Deutschen Bundes oft als wichtige Ursache seines wirtschaftlichen Zurückbleibens herausgehoben. Die Vielfalt und Kleinräumigkeit der Währungssysteme werden als geradezu absurd bezeichnet; Deutschland habe sich durch diese mittelalterlichen Zustände gegenüber seinen westeuropäischen Nachbarn als ein Entwicklungsland deklassiert?34 Dem war freilich nicht so; vielmehr entsprach der Zustand der Währungsverfassungen in Deutschland in diesem Punkte der ökonomischen Verflechtung der dortigen Wirtschaftsräume bis in die 1840er Jahre hinein genau. Eine Währungsvereinheitlichung in diesem Stadium (beispielsweise anläßlich der Gründung des Deutschen Bundes, wie sie von dem preußisch-österreichischen Entwurf zur Bundesakte vom 6. November 1814 in Aussicht gestellt worden war235 ) hätte demgemäß nur sehr geringe Einsparungen an währungsspezifischen Transaktionskosten produziert und folglich zu diesem Zeitpunkt auch kaum Impulse zur Entstehung einer deutschen Volkswirtschaft oder für wirtschaftliches Wachsturn bringen können. Obendrein geht diese Einschätzung von einer impliziten Voraussetzung aus, die zwar heutige Vorstellungen vom "natürlichen" Wesen einer Währungsverfassung wiedergeben, die aber zumindest für das erste Drittel des 19. Jahrhunderts unangebracht ist, daß nämlich Nationalstaats- und Währungsgebiet übereinstimmen müßten; die Entstehung dieser Ideologie (der "Erfindung der nationalen Währung") im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird an anderer Stelle ausführlich behandelt werden. 233 Knut Borchardt, Wirtschaftliches Wachstum und Wechsellagen 1800-1914, in: Aubin/Zom (Hg.), Handbuch, S. 198-275, S. 232. Vgl. Hagen Schulze, Der Weg zum Nationalstaat. Die deutsche Nationalbewegung vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung, München 4 1994 (Deutsche Geschichte der neuesten Zeit), S. 97: "Aber der [durch den Zollverein] neugeschaffene preußisch-deutsche Wirtschaftsraum krankte an den altmodischen, langsamen und unzuverlässigen Verkehrsmitteln; mit Flußkähnen und Pferdefuhrwerken blieb der Güteraustausch schwerfällig und ineffektiv, mochten Chausseen und Kanäle seit der napoleonischen Ära auch stark verbessert worden sein. [... ] Die Eisenbahn stellte den Markt des Zollvereins überhaupt erst her - solange es wegen der unzureichenden Verkehrsverhältnisse regional beschränkte Wirtschaftsinseln gegeben hatte, hatten sich Angebot, Nachfrage und Preise recht unterschiedlich ausbilden können." 234 Vgl. etwa Veit, Grundriß, S. 427, Tserkezis, Die Währungsunionen, S. 101. 235 Vgl. Treue, Wirtschafts- und Technikgeschichte, S. 286.

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Die Ergebnisse der Untersuchung zum Grad der Integration der Wirtschaftsräume legen nahe, die Bedeutung handelspolitischer Faktoren im Kalkül der an den Münzverträgen beteiligten Regierungen nicht zu überschätzen; sie vermitteln vielmehr den Anschein, daß - wie es sich auch beim Zollverein gezeigt hat (hinter dem vor allem fiskalische Motive standen236, auf preußischer Seite aber auch das Ansinnen nach einer ungehinderten Landverbindung der westlichen und östlichen Landesteile237 ) - die Münzvereine Abkömmlinge ganz anderer politischer Konzepte gewesen sind, die nicht auf die Erhöhung wirtschaftlicher Effizienz durch die Einsparung von Transaktionskosten abzielten. Die Leitfrage der nun folgenden Analyse der einzelnen Schritte auf diesem Weg der Vereinheitlichung im Währungswesen muß daher sein, welche Motive es waren, die statt dessen die betreffenden Regierungen zum Abschluß der Münzvereine bewogen.

c) Die ersten Schritte auf dem Weg zu den Münzverträgen Von einem der ersten Versuche, auf zwischenstaatlicher Ebene zu einer gemeinsamen Neuordnung des Münzwesens zu gelangen, ist schon berichtet worden: 1806 wandte sich die Regierung Württembergs mit dem Vorschlag an Bayern, gemeinsame Maßregeln der süddeutschen Staaten zu verabreden, um gegen die Zerrüttung des Scheidemünzenwesens vorgehen zu können. Bayern jedoch hatte sich diesem Ansinnen gegenüber verschlossen gezeigt. 238 Gleichermaßen scheiterte der preußisch-österreichische Entwurf zur Bundesakte vom 6. November 1814 (die "12 Artikel"), der auch die Möglichkeit einer gesamtdeutschen Einigung über Zölle und Münzen andeutete, am sofort erhobenen, energischen Einspruch Bayerns. 239 Die Bun236 Vgl. etwa Richard H. Tilly, Vorn Zollverein zum Industriestaat. Die wirtschaftlich-soziale Entwicklung Deutschlands 1834 bis 1914, München 1990 (Deutsche Geschichte der neuesten Zeit), S. 41. 237 Vgl. etwa Hans-Wemer Hahn, Hegemonie und Integration. Voraussetzungen und Folgen der preußischen Führungsrolle im Deutschen Zollverein, in: Helmut Berding (Hg.), Wirtschaftliche und politische Integration in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen 1984 (GG, Sonderheft 10), S. 45 ff., S. 46; siehe auch Henning, Die wirtschaftliche, in: Hauser (Hg.), Preußen, S. 297. Zur Entwicklung der Historiographie zum Deutschen Zollverein vgl. Helmut Berding, Die Entstehung des Deutschen Zollvereins als Problern der historischen Forschung, in: Ders./Kurt Düwell/Lothar Gall/Wolfgang J. Mornrnsen/Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Vorn Staat des Ancien Regime zum modernen Parteienstaat Festschrift für Theodor Schieder zu seinem 70. Geburtstag, München/Wien 1978, S. 225 ff., S. 226 ff. 238 Vgl. Königliches geheimes Ministerial-Departrnent der auswärtigen Verhältnisse (Montgelas) an das geheime Ministerial Finanz Departrnent, 5.7.1806, in: BHStA M H 681. Geh. Raths Acten. Generalia. Scheidernünz-Weesen. Cours Devalvazion. 1806 bis 1807. 239 Vgl. Treue, Wirtschafts- und Technikgeschichte, S. 286.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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desakte beließ es aufgrund solcher Widerstände gegen ein klares Bekenntnis zur Aufgabe von Souveränitätsrechten bei der milden (und dann auch wirkungslosen) Mahnung, die Mitglieder des Deutschen Bundes sollten sich um die Erleichterung des zwischenstaatlichen "Handels und Verkehrs" bemühen. 240 In den 1820er Jahren gab es einige wenige weitere Versuche interessierter Staaten, im Rahmen des Deutschen Bundes zu Münzvereinbarungen zu kommen, etwa 1821 seitens der fürstlich waldeckseben Regierung und des hessischen Hofrates Murhard, die der Bundesversammlung Denkschriften zur deutschen Münzeinheit zukommen ließen; das aber blieb ohne Folgen. 241 Waldeck reagierte mit seinem Vorstoß auf die typischen Probleme im Währungswesen der deutschen Kleinstaaten, die von der Heterogenität der Münz- und Rechnungssysteme besonders betroffen waren: Dort herrschte mit dem 13 ~-Talerfuß ein geringfügig schwererer Fuß als beim großen Nachbarn Preußen, weswegen der preußische Taler den waldeckseben zu verdrängen drohte. Zudem war das Staatsgebiet des Fürstentums zu klein, als daß es einen sich selbst genügenden Wirtschaftsraum hätte darstellen können, so daß dort eine Unzahl verschiedenster Münzen der Nachbarstaaten durch den grenzüberschreitenden Handel einflossen. Dazu kam noch eine seit dem 18. Jahrhundert prekäre Finanzlage, die Waldeck schon frühzeitig den Anschluß an das Ertrag versprechende preußische Zollgebiet suchen ließ. Auch im Münzwesen lehnte es sich angesichts dieser Situation bald an Preußen an und übernahm 1834 als erster deutscher Bundesstaat das preußische Silbergroschennominal.242 Diesen Weg des Anschlusses und der Übernahme der Institutionen des größeren Staates legte Preußen seinen kleineren Nachbarn im übrigen auch nahe: " ...bei einer solchen Verteilung der Souveränität unter vielen Staaten von sehr ungleichem Umfange, wie sie in Deutschland stattfindet, [können] Posten, Münzen, wissenschaftliche Anstalten und überhaupt die wichtigsten gesellschaftlichen Institute nur dadurch zweckmäßig bestehen . .. , daß Staaten von geringerem Umfange das Verhältnis ihrer Bedürfnisse und Kräfte richtig erkennend sich freiwillig demjenigen anschließen, was benachbarte größere Staaten in dieser Rücksicht zunächst für ihr eigenes Bedürfnis eingerichtet haben [... ]", wies das preußische Außenministerium beispielsweise schon 1819 die anhaltinischen Landesregierungen an. 243 240 Bundesakte vom 8. Juni 1815, Art. 19, in: Ernst Rudolf Huber (Hg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 1, Verfassungsdokumente 18031850, Stuttgart 1961, S. 75 ff. 241 Vgl. Schutz, Kleine, S. 15. 242 Vgl. Niklot Klüssendorf, Papiergeld und Staatsschulden im Fürstentum Waldeck (1848-1890), Marburg 1984, S. 15. 243 Das preußische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten an die drei anhaltinischen Landesregierungen, Berlin, 23.12.1819, in: Oncken/Saemisch (Hg), Vorgeschichte 1, S. 125 ff., S. 128.

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1826 schlug dann Baden eine Münzkonvention der süddeutschen Staaten und Frankfurts vor, drang damit jedoch ebenfalls nicht durch. Dabei mag auch der weiter schwelende Streit mit Bayern um die Kurpfalz (die "Landbrücke" zur Rheinpfalz), der in einigen Fällen der Herausbildung einer einheitlichen süddeutschen Position entgegenstand, eine Rolle gespielt haben.Z44 Erst mit den beginnenden Verhandlungen um den Abschluß von Handelsverträgen zwischen den Staaten des Deutschen Bundes wurden auch die Bemühungen um die Vereinbarung von Münzabkommen intensiviert. Es waren vor allem zwei Ursachen, die eine solche Verbindung der Währungspolitik mit der Handelspolitik geboten scheinen ließen: 1. Der Charakter der vormärzliehen Zollvereine, die primär auf die Erstellung einer gemeinsamen Zollverwaltung abzielten. 2. Das Vordringen des preußischen Talers in die anderen Währungsgebiete. Zum einen lag die Verbindung der Währungs- mit der Handelspolitik in der Natur der Handelsverträge, die in den späten 1820er und frühen 1830er Jahren abgeschlossen wurden, begründet. Diese zielten weniger auf Erleichterungen des Handels durch die Verringerung von Handelshemmnissen ab (also beispielsweise durch Zollsenkungen), als vielmehr auf die Einrichtung einer gemeinsamen Zollverwaltung unter den Vertragsstaaten. Es ist bereits gezeigt worden, daß die Voraussetzungen für eine engere wirtschaftliche Integration durch intensivierte Handelsverflechtungen zwischen den deutschen Staaten bis zur Entwicklung eines Eisenbahnsystems kaum gegeben waren. Daß es dennoch zur Gründung von mehreren Zoll- und Handelsvereinen und schließlich des verbindenden Deutschen Zollvereins von 1834 kam, hatte denn auch andere als originär handelspolitische Ursachen. Preußen gab mit der Neugestaltung seines Zollwesens dazu den entscheidenden Anstoß. Im Zuge der Integrationspolitik zur Eingliederung der neuen Territorien in das preußische Staatsgebiet, aber auch aus fiskalischen Gründen245 , weil 244 Vgl. Wolf D. Gruner, Die deutschen Einzelstaaten und der Deutsche Bund. Zum Problem der ,nationalen' Integration in der Frühgeschichte des Deutschen Bundes am Beispiel Bayerns und der süddeutschen Staaten, in: Andreas Kraus (Hg.), Land und Reich, Stamm und Nation. Probleme und Perspektiven bayerischer Geschichte. Festgabe für Max Spindler zum 90. Geburtstag, Band III: Vom Vormärz bis zur Gegenwart, München 1984 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte, Band 80), S. 19 ff., S. 28. 245 Zu den fiskalischen Motiven für das preußische Zollgesetz vgl. Ohnishi, Zolltarifpolitik, S. 227; James J. Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches. Deutschland seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges bis zur gescheiterten Revolution 1763 bis 1850, Berlin 1994 (Propyläen Geschichte Deutschlands, Bd. 6), S. 400. Fiskalische und integrationspolitische Motive sehen Treue, Wirtschafts- und Technikgeschichte, S. 291; Hahn, Geschichte, S. 20.

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das neue System erhöhte Einnahmen versprach (die wiederum unabhängig von der Bewilligung durch ein Parlament sein würden), vereinheitlichte Preußen mit dem Gesetz vom 26. Mai 1818 sein Zollwesen. Sämtliche Binnenzollinien wurden abgeschafft und ersetzt durch eine äußere Zollgrenze mit einem moderaten gestaffelten Tarif auf eingeführte Waren; dieses Zollgesetz diente dann als "wichtigster Kristallisationskem"246, um den herum sich die Entwicklung zum Zollverein von 1834 vollzog. Obwohl die preußischen Einfuhrzölle fiskalische Zwecke zu erfüllen hatten und weniger dem Schutz der einheimischen Wirtschaft dienen sollten247 (das Zollgesetz war noch geprägt vom liberal-freihändlerischen Geist der Reformbürokratie 248 ), wurde die neugestaltete Zollpolitik von den Nachbarstaaten Preußens als Behinderung, von einigen Enklaven und Klein- und Mittelstaaten gar als Bedrohung der selbständigen Existenz angesehen?49 Nachdem sich das Vorgehen gegen die preußische Handelspolitik im Rahmen des Bundestages als unergiebig erwiesen hatte und Preußen gar durch den Abschluß des preußisch-hessischen Zollvereins 1828 sein Zollsystem auszuweiten begann, gründeten die betroffenen Staaten mit offen gegen Preußen zielender Absicht einen eigenen Zollverbund, den Mitteldeutschen Handelsverein (März 1828). Die preußische Regierung hatte sich noch in den ersten Jahren nach dem Erlaß des Zollgesetzes gegenüber den Wünschen anderer deutscher Staaten hinsichtlich einer handelsvertragliehen Einigung nur wenig interessiert gezeigt, entsprechende Ansinnen Nassaus, Weimars und Bayerns fanden keine Erwiderung250 ; allein die Enklaven auf preußischem Gebiet wurden unter heftigen Druck gesetzt, sich dem preußischen Zollgebiet anzuschließen. 251 Hahn, Hegemonie, in: Berding (Hg.), Wirtschaftliche, S. 47. Die moderaten Außenzölle setzte die preußische Bürokratie sogar gegen den heftigen Protest der preußischen Wirtschaftskreise durch; vgl. dazu Kurt Hans Graf, Die zollpolitischen Zielsetzungen im Wandel der Geschichte, Diss. Wiso. St. Gallen, Wintertbur 1970, S. 141. 248 Vgl. Wilhelm Treue, Wirtschaftszustände und Wirtschaftspolitik in Preußen 1815-1825, Stuttgart 1937 (VSWG, Beiheft 31), S. 145. 249 "Schon der liberale Tarif von 1818 wurde im Ausland teilweise als eine masslose, unerträgliche Anmassung gesehen, die man nicht dulden könne. Die deutschen Nachbarn klagten über ihn kaum weniger, als einst über die Grenzbewachung durch die französischen Regiebeamten von 1766 an." Gustav Schmoller, Das preussische Handels- und Zollgesetz vom 26. Mai 1818 im Zusammenhang mit der Geschichte der Zeit, ihrer Kämpfe und Ideen. Rede zur Gedächtnisfeier des Stifters der Berliner Universität König Friedrich Wilhelm III. in der Aula derselben am 3. August 1898 gehalten. Berlin 1898, S. 36. 250 Vgl. M. Doeberl, Entwicklungsgeschichte Bayerns. Dritter Band: Vom Regierungsantritt König Ludwigs I. bis zum Tode König Ludwigs II., mit einem Ausblick auf die innere Entwicklung Bayerns unter dem Prinzregenten Luitpold, hgg. von Max Spindler, München 1931 , S. 85. 246

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Es war vor allem Motz (Finanzminister seit 1825), der dem preußischen Vorgehen eine andere Richtung verlieh und gemeinsam mit Außenminister Bernstorff und dessen Mitarbeiter Eichhorn eine neue Strategie entwarf, die preußische Außenwirtschaftspolitik zu einem aktiven Instrument der Machtentfaltung im Deutschen Bund zu verwandeln.Z52 Auf der Grundlage der durch Motz' Wirken wesentlich verbesserten Situation der Staatsfinanzen konnte Preußen jetzt mit verlockenden finanziellen Angeboten für den Beitritt zu seinem Zollsystem werben. Den ersten Erfolg erzielte diese Politik durch den Abschluß des preußisch-hessischen Zollvereins mit dem Großherzogtum Hessen: Preußen verzichtete im Vertrag vom 14. Februar 1828 auf eine "juristisch fixierte Unterordnung des politisch und wirtschaftlich ungleich schwächeren Partners" durch eine gleichberechtigte Zollverwaltung. "Diese Rücksichtnahme auf die empfindlichen Souveränitätsinteressen des kleineren Staates eröffnete der preußischen Zollpolitik in Deutschland bald völlig neue Möglichkeiten. " 253 Die süddeutschen Staaten bemühten sich durch die Errichtung eines eigenen Zollvereins darum, eine Gegenposition gegenüber dem preußischen Bedeutungszuwachs und dem sich damit abzeichnenden Machtverlust im Einflußgefüge des Deutschen Bundes aufzubauen. Nachdem sich die Verhandlungen jedoch über Jahre ergebnislos hingezogen hatten, gelang im Juli 1828 allein der zollpolitische Zusammenschluß der beiden süddeutschen Königreiche Bayern und Württemberg. 254 Der bayerisch-württembergische Zollverein trat gleich nach seiner Gründung in Verhandlungen mit seinem preußisch-hessischen Pendent über den Abschluß eines Handelsvertrages ein. Der im gleichen Jahr zustande gekommene Mitteldeutsche Handelsverein hingegen versuchte, die von Seiten Österreichs, aber auch Englands und Frankreichs geförderte Rolle eines ,,Sperriegels"255 gegen die preußische zollpolitische Expansion zu spielen. Dem Mitteldeutschen Handelsverein, durch den die westlichen Provinzen Preußens drohten, wirtschaftlich vom 251 Vgl. Lawrence J. Baack, Christian Bernstorff and Prussia. Diplomacy andReform Conservatism 1818-1832, New Brunswick (N.J.) 1980, S. 113. 252 Vgl. dazu das sogenannte Motz-Memoire: Memoire über die hohe Wichtigkeit der von Preußen mit Bayern, Württemberg und Großherzogtum Hessen abgeschlossenen Zoll- und Handelsverträge in kommerzieller, finanzieller, politischer und militärisch-strategischer Beziehung, zur Motivierung der allerhöchsten Ratifikation unterlegt, Berlin, Juni 1829, in: H. Oncken!F.E.M. Saemisch (Hg.), Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins. Akten der Staaten des Deutschen Bundes und der europäischen Mächte, bearb. von W. v. Eisenhart Rothel A. Ritthaler, Bd. III, Berlin 1934, S. 525 ff. 25 3 Hahn, Geschichte, S. 46. 254 Zu den süddeutschen Zollvereinsplänen vgl. Hubert Kiesewetter, Industrielle Revolution in Deutschland 1815- 1914, Frankfurt a. M. 1989 (edition suhrkamp 1539), s. 43 f. 255 Hahn, Geschichte, S. 52.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Osten abgeschlossen zu werden (aufgrund der Teilnahme Hannovers und Hessen-Kassels, deren Gebiet zwischen den beiden Teilen der preußischen Monarchie lag), begegnete Preußen nun allerdings nicht mehr mit einer lokkenden Politik des finanziellen Entgegenkommens, sondern mit einem "Feldzug zur Vernichtung dieses Antivereins"256, der insbesondere angesichts der unterschiedlichen Interessen der Vereinsmitglieder, aber auch wegen des Entzuges der französischen Unterstützung nach der Julirevolution 1830 schnell zum Erfolg führte (Beitritt Kurhessens zum preußisch-hessischen Zollverein 1831). Die meisten der nun für sich dastehenden preußenfeindlichen Staaten waren daraufhin nicht mehr willens und in der Lage, sich den Angeboten zu einem Anschluß an den preußisch-hessischen Zollverbund zu entziehen, zumal dieser finanziell sehr einträglich zu werden versprach. Mit dem Zollvertrag vom 11. Mai 1833 (Preußen, Baden, Hessen, Bayern, Württemberg und Sachsen mit dem thüringischen Zoll- und Handelsverein) konnte deshalb der Deutsche Zollverein begründet werden, der dann am 1. Januar 1834 ins Leben trat. An der hier kurz umrissenen Entwicklung der deutschen Zoll- bzw. Handelsvereine zeigt sich, daß diese Verbünde im wesentlichen Instrumente der Machtausübung257 , bzw. der Entgegnung einer solchen Politik, und fiskalischer Interessen waren; aus diesem Grund zielten sie auch nicht allein (nicht einmal vordringlich) auf die Erleichterung des zwischenstaatlichen Handels ab, sondern vor allem auf die Errichtung einer gemeinsamen Zollverwaltung, die einen solchen Zollverbund durch die institutionelle Verbindung wesentlich fester zu schmieden versprach als ein bloßer Handelsvertrag. Gemeinsame administrative Organe der Zollverwaltung bedeuteten darüber hinaus Einfluß auf die assoziierten Staaten in einem zentralen Bereich der Finanzpolitik (die Zolleinnahmen machten im Durchschnitt 10% der einzelstaatlichen Budgets aus258). Eine gemeinschaftliche Verwaltung des Zollwesens aber wurde durch die Verwendung unterschiedlicher WähKiesewetter, Industrielle, S. 46. Vgl. Hubert Kiesewetter, Preußens Strategien gegenüber Vorläufern des Deutschen Zollvereins 1815-1834, in: Hans Pohl (Hg.), Die Auswirkungen von Zöllen und anderen Handelshemmnissen auf Wirtschaft und Gesellschaft vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Stuttgart 1987 (VSWG, Beihefte, Nr. 80), S. 140 ff., S. 172 f.: "Die machtpolitische Strategie erweist sich als das konsistenteste Element der preußischen Politik zwischen 1815 und 1834 bei der Errichtung des Deutschen Zollvereins [. . .] Die preußische Zollvereinspolitik läßt sich - auch nach 1834 - ohne dieses machtpolitische Motiv weder verstehen noch erklären. Die preußischen Gebietsansprüche auf dem Wiener Kongreß, das preußische Zollgesetz, die Enklavenpolitik, die Zoll- und Handelspolitik, alle sind verwoben mit dem machtpolitischen Dominanzstreben einer europäischen Großmacht. Es ist schwer vorstellbar, daß Preußen auch den kleinsten Bundesstaaten finanzielle Zugeständnisse gemacht hätte, wenn damit nicht eine Ausweitung seiner machtpolitischen Sphäre einhergegangen wäre." 258 Hahn, Hegemonie, in: Herding (Hg.), Wirtschaftliche, S. 56. 256 257

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rungen empfindlich gestört, weil sie die Berechnung der den einzelnen Staaten jeweils zustehenden Anteile an den Zolleinnahmen erschwerte.259 Deshalb wurde in die Beratungen über den Abschluß dieser Vereine immer auch gleich die Frage nach einer Münzeinigung aufgenommen. So zeigte die im allgemeinen Münzabmachungen gegenüber wenig aufgeschlossene preußische Bürokratie bei den Verhandlungen um den Anschluß von Hessen-Darmstadt an das preußische Zollgebiet "großes Interesse" an einer durch das Großherzogtum angedeuteten Übernahme des 14-Talerfußes.260 Zwar wurde die anvisierte Übernahme nicht vereinbart, doch kamen die Festlegung eines Wechselkurses zwischen preußischem Geld und dem des 24-Guldenfußes und die Bestimmung, daß die Zollabgaben im Großherzogtum auch in preußischem Geld entrichtet werden konnten261 , dem sehr nahe und bedeuteten de facto, daß der preußische Taler in Hessen-Darmstadt zum gesetzlichen Zahlungsmittel wurde. Auch der zwischen dem preußischhessischen und dem bayerisch-württembergischen Zollverein abgeschlossene Handelsvertrag von 1829 enthielt die Verpflichtung, binnen eines Jahres Verhandlungen über ein gleiches Münzsystem aufzunehmen262, ebenso wie der Einhecker Vertrag über den Zusammenschluß des Mitteldeutschen Handelsvereins (vom 27. März 1830)?63 Zuletzt fand sich auch im konstituierenden Vertrag des Deutschen Zollvereins von 1834 der Hinweis, daß 259 Zur Bedeutung der Verteilung der Zolleinnahmen unter den Staaten der Zollvereine für die Initiativen zur Währungsvereinheitlichung vgl. Richard H. Tilly, Die deutsche Industrialisierung, in: Roy Porter/Mikulas Teich (Hg.), Die Industrielle Revolution in England, Deutschland, Italien, Berlin 1998, S. 59 ff., S. 67; William 0. Henderson, Die Rolle Preußens bei der wirtschaftlichen Einigung Deutschlands, in: Manfred Schlenke (Hg.), Preußen. Beiträge zu einer politischen Kultur, Reinbek 1981 (Preußen. Versuch einer Bilanz, Bd. 2), S. 197 ff., S. 207; ders., Zollverein, S. 140. 260 Vgl. Hans-Wemer Hahn, Wirtschaftliche Integration im 19. Jahrhundert. Die hessischen Staaten und der Deutsche Zollverein, Göttingen 1982 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 52), S. 82. 261 Geheimer Zusatzvertrag [zum preußisch-hessischen Zollverein) vom 14. Februar 1828, in: H. Oncken/F.E.M. Saemisch (Hg.), Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins. Akten der Staaten des Deutschen Bundes und der europäischen Mächte, bearb. von W. v. Eisenhart Rothe/A. Ritthaler, Bd. II, Berlin 1934, S. 207 ff., S. 207 (Artikel 1): "Für die Eingangs-, Ausgangs- und Durchgangsabgaben im Großherzogtum Hessen ... sollen die Tarifbestimmungen für die westlichen königlich preußischen Provinzen als Grundlage dienen. Die preußischen Tarife über diese Abgaben werden im Großherzogtum Hessen zwiefach, nämlich im preußischen Gelde und im 24 Fl.-Fuß, den preußischen Taler zu 105 Kr. rheinländisch gerechnet, verkündigt, und es steht in der Wahl des Steuerpflichtigen, danach die Zahlung in preußischen oder in Münzsorten des 24 Fl.-Fußes zu leisten. Statt des Goldanteils kann solche auch in Silber mit einem Aufgeld von 13 ~ Prozent oder auch mit 9 Fl. 54 Kr. für den ganzen und mit 4 Fl. 57 Kr. für den halben Friedrichsdor geschehen." 262 Vgl. Schultz, Kleine, S. 15.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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die vertragschließenden Regierungen dahin wirken wollten, "daß in ihren Landen ein gleiches Münz-, Maß- und Gewichtssystem allgemein in Anwendung komme und hierüber sofort besondere Unterhandlungen einleiten lassen. " 264 Vorläufig sollten schon alle Gold- und Silberkurantmünzen nach einem einheitlichen Tarif von den Zollstellen angenommen werden, wobei der preußische Taler auf 1 Gulden 45 Kreuzer gesetzt war (1 Tlr. = 1 ~ fl.). Der zweite Grund, neben der eben geschilderten Natur der vormärzliehen Zollvereine, der die süddeutschen Staaten dazu trieb, Vereinbarungen über das Münzwesen ins Visier zu nehmen, war das Eindringen des preußischen Talers in die dortigen Währungsgebiete. Es hat sich gezeigt, daß für die süddeutschen Regierungen, insbesondere für die des Königreiches Bayern, der Erhalt der münzpolitischen Selbständigkeit ein vordringliches Motiv der Münzreformversuche gewesen ist. Die Eigenständigkeit der Währungspolitik wurde dabei offensichtlich für so bedeutend gehalten, daß Bayern sogar eher Einschränkungen in der Wirksamkeit der Münzgesetze in Kauf zu nehmen bereit war, als daß die beispielsweise von Württemberg oder von Baden (noch 1826) vorgetragenen Angebote zum koordinierten Vorgehen der süddeutschen Staaten akzeptiert werden konnten. Dieses Motiv mußte um so stärker wirksam werden, als der preußische Taler nach der dortigen Münzreform in die anderen deutschen Währungsgebiete vorzudringen begann, denn der Taler war nicht nur irgendeine Münze einer anderen Rechnungsweise, er war die Münze eines Bundesstaates, der gezeigt hatte, daß er wirtschaftspolitische Mittel einzusetzen bereit war, um machtpolitische Ziele zu erreichen. Damit aber störte sein Vordringen nicht nur die Bestrebungen zur Harmonisierung und Konsolidierung der Staatswesen, er schien auch die politische Autonomie der Mittelstaaten zu bedrohen. Für das Vordringen des preußischen Talers gab es zwei Gründe: Nicht nur wurde er in diesem (mit Ausnahme Österreichs) bevölkerungsreichsten Staat des Deutschen Bundes in vergleichsweise großen Stückzahlen hergestellt, sondern er wurde dazu noch als der geringwertigste aller Taler ausgebracht und drängte daher nach dem Greshamschen Gesetz alle höherwertigen Talertypen zurück. 265 Zunächst einmal begann schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts der preußische Taler in den Staaten des 13 ~ - Talerfußes neben den dort einheimischen Münzen Verwendung zu finden und sie schließlich ganz aus dem Umlauf zu vertreiben. Beispielhaft steht der Fall Sachsens für diese Entwicklung: Schon seit den Befreiungskriegen nahm dort die umlaufende Menge preußischen Geldes (Kurant- und Scheidemünzen) immer mehr zu, so daß sie mit der Zeit im gewöhnlichen Verkehr das 263 Der Einhecker Vertrag vom 27. März 1830, Artikel 35, in: Oncken/Saemisch (Hg.), Vorgeschichte 3, S. 150 ff. 264 GS 1833, No. 21 , Artikel 14. 2 65 Vgl. Vom Taler zum Euro, S. 10.

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ausschließliche Zahlungsmittel bildeten. Der tatsächliche Münzfuß Sachsens war daher der 14-Talerfuß. Aber auch aus dem größeren Handels- und Wechselverkehr waren die gröberen Konventionsmünzen so weit verschwunden, daß von den sächsischen Münzen fast nichts mehr als 2-Groschen- und Groschenstücke zirkulierten und die Speziestaler und Gulden sowie die ihnen gleichgestellten Österreichischen 10- und 20-Kreuzerstücke, von denen sehr viele im Lande umliefen, nur gegen Agio zu haben waren. 266 Hannover ging 1834, nachdem auch in seinem Gebiet das Geld des 14Talerfußes zum eigentlichen Umlaufsmittel geworden war, sogar offiziell zum preußischen Münzfuß über. 267 Der Fall Hannover, das dem preußischen handelspolitischen Expansionsstreben besonders hartnäckig trotzte, erst 1854 dem Zollverein beitrat und das dennoch als erster größerer Staat den preußischen Münzfuß übernahm, zeigt, welche normative Kraft die durch Preußen geschaffenen währungspolitischen Fakten in den 1830er Jahren bereits gewonnen hatten. 268 Aber auch in die süddeutschen Staaten des Konventionsfußes flossen preußische Kurant- und Scheidemünzen ein. In anderem Zusammenhang ist bereits darauf hingewiesen worden, daß Bayern darauf zunächst mit einem strengen Zirkulationsverbot reagierte; 1820 wurden die preußischen Münzen sogar für den Rheinkreis, der aufgrund seiner Grenzlage in den Genuß besonderer Ausnahmegenehmigungen gekommen war, ausdrücklich von der Annahme an den öffentlichen Kassen ausgeschlossen, weil sie zu den "fragwürdigsten Münzen" gehören sollten. 269 Nachdem 1822 den preußischen Münzen dann kurzzeitig sogar Kurs verliehen worden war, wiederholte die bayerische Regierung 1826 einmal mehr das generelle Verbot fremder Scheidemünzen und bekräftigte es 1827; doch 1834 mußte Finanzminister Wirschinger feststellen, daß das "verderbliche Eindringen des preußischen Courants und einer Masse von fremden geringVgl. Rittmann, Deutsche, S. 548. Vgl. Martin, Rahmenordnung, in: Kellenbenz (Hg.), Öffentliche, S. 94 f. Auch in Braunschweig und Kurhessen (in beiden Übernahme des 14-Talerfußes 1834), den thüringischen Staaten und Anhalt und ersetzte der preußische Taler schon vor 1838 zum großen Teil die Landeswährungen. 268 Noch 1832 stellte der preußische Finanzminister Maassen fest, daß Sachsen bekanntgegeben habe, den 21-Guldenfuß (= 14-Talerfuß) einzuführen; mit Hannover jedoch, "welches bisher eine sehr entschiedene Abneigung gegen das Preußische Zoll- und Handelssystem zu Tage gelegt hat", in Verhandlungen über eine Angleichung des Münzsystems einzutreten, hielt er zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht geraten. Schreiben Maassens an Lottum, 16.4.1832, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2100. 269 Allerhöchste Verordnung, an die Regierung des Rheinkreises, 12.2.1820 (Abschrift, beiliegend einem Schreiben des Finanzministeriums an das Innenministerium), in: BHStA M H 15346. Geheime Acta. Ministerium des Innem. Münzverein der süddeutschen Staaten. 2 66

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haltigen Scheidemünzen immer weiter um sich [. .. ]" greife. Deshalb seien die in den Zollvereins-Verträgen angekündigten Verhandlungen über die Abstellung der Mißstände des Münzwesens und die Herstellung eines einheitlichen Münzsystems so bald wie möglich aufzunehmen. Da aber die Aussagen der preußischen Regierung nicht den Eindruck hinterließen, daß sie bald zu solchen Verhandlungen einladen werde, sollten sich die Staaten des Konventionsfußes darauf vorbereiten, zu einem eigenen Übereinkommen zu gelangen?70 Die begründete Sorge, daß die Kombination von Handelsfreiheit (durch den Zollverein) mit der alle anderen Vereinsstaaten überragenden Bevölkerungszahl Preußens, die mit einer entsprechenden Geldmenge korrespondierte, und schließlich mit der erwiesenen Anfälligkeit der süddeutschen Währungsgebiete gegen das Einströmen fremden Geldes einen Prozeß einleiten würde, der die eigene Währungshoheit bedrohte, brachte die bayerische Regierung von ihrer eher lauwarmen Haltung gegenüber Münzverträgen der Staaten des Konventionsfußes dazu, solche Vereinbarungen zu forcieren. Zuvor hatte die bayerische Regierung 1826/27 und 1829/30 derartige Bestrebungen zwar generell begrüßt, auch entsprechende Vorschläge in der Sache gemacht, dann freilich nicht energisch genug verfolgt, so daß die Initiativen im Sande verlaufen waren. 271 Verträge der süddeutschen Staaten aber waren (wie sich in der Frage des Zollvereins gezeigt hatte) überhaupt nur dann möglich, wenn Bayern als der größte Staat des Guldenraumes die treibende Kraft war. Die preußische handelspolitische Strategie der Ära Motz, zu der auch die Aufnahme von Verhandlungen über Münzverträge gehörte, erwies sich als überaus erfolgreich: Der Einsatz flexibler taktischer Mittel vom großzügigen finanziellen Entgegenkommen bis hin zu unverhüllten Drohungen und Strafmaßnahmen etwa gegenüber den Enklaven (beispielsweise der VerleEbd.: Der Finanzminister (Wirschinger) an das Innenministerium, 30.12.1834. Vgl. die Behandlung, welche die bayerische Regierung dem badischen Antrag am Bundestag vom September 1826, mit den süddeutschen Staaten (Württemberg, Hessen-Darmstadt, Nassau, Frankfurt und Bayern) über eine "Wiederherstellung eines geregelten Zustandes im Münzwesen" in Verhandlungen zu treten, angedeihen ließ: Die hessischen Staaten hatten ihre Zustimmung erklärt, an Verhandlungen über eine Münzkonvention teilzunehmen; auch Württemberg zeigte Bereitschaft dazu, allerdings unter der Voraussetzung, daß sich die beiden königlichen Regierungen (also Württemberg und Bayern) zuerst über die Grundsätze einer solchen Konvention verständigen sollten. Eine solche Regelung hielt der bayerische Finanzminister Armansperg auch für Bayern als Bedürfnis der Zeit unverkennbar. Der Finanzminister an das Innenministerium, 25.4.1827, ebd. Dort finden sich in der Sache noch mehrere Schreiben des Finanzministeriums an das Innenministerium (29.8.1827, 28.9.1827, 27.11.1827, 22.3.1828, 16.10.1828). Obwohl alle bayerischen Ministerien grundsätzlich eine solche Konvention befürworten, wartete die bayerische Regierung anscheinend auf weitere Initiativen von Seiten der anderen Staaten; da diese sich aber nicht regten, wurde der Antrag nicht weiter verfolgt. 270 271

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gung von Handelswegen), ermöglichte das Zustandekommen des Deutschen Zollvereins, mit dem sich die preußische Machtposition im Deutschen Bund ganz im Sinne des Erfinders der Strategie zu stärken begann, der sich aber auch durch seine finanzielle Einträglichkeit für alle Beteiligten zu einem zunehmend schwerer zu lösenden Band entwickelte, das die Interessen der Vereinsstaaten häufig ganz gegen ihren Willen an die Preußens fesselte. 272 Motz jedoch erlebte die Realisierung des von ihm entwickelten Programms in der Form des Deutschen Zollvereins nicht mehr mit; sein früher Tod (1830) und die darauf folgende Dominanz der Hochkonservativen in der preußischen Regierung (verkörpert durch die ultrakonservativen Minister Ancillon und Wittgenstein273 ) hatten auf das weitere Vorgehen in der Frage der Münzverträge entscheidenden Einfluß. Das preußische Interesse an Währungsvereinbarungen begann einer zunehmenden Gleichgültigkeit zu weichen, Handels- und Währungspolitik zielten infolgedessen nurmehr auf das Vermeiden kurzfristiger finanzieller Nachteile für Preußen ab. 274 Dabei zog sich Preußen auf eine Position zurück, die in der Handelspolitik gegenüber den benachbarten Kleinstaaten bereits zur Anwendung gekommen war275 und die sich infolge der einseitigen Übernahme des 14-Talerfußes durch andere Staaten in den Augen der preußischen Regierung als tragfähig erwiesen hatte, zur Grundlage einer Münzeinigung im Zollverein zu dienen: "Als Norm" sei bei den Verhandlungen um ein gemeinsames Münzsystem am preußischen 14-Taler-/21-Guldenfuß festzuhalten; die deutschen Staaten (außer Österreich) würden ohnehin früher oder später gezwungen sein, zu diesem Münzfuß überzugehen.Z76

272 Zu Motz' Absichten vgl. Memoire über die hohe Wichtigkeit der von Preußen mit Bayern, Württemberg und Großherzogtum Hessen abgeschlossenen Zoll- und Handelsverträge in kommerzieller, finanzieller, politischer und militärisch-strategischer Beziehung, zur Molivierung der allerhöchsten Ratifikation unterlegt, Berlin, Juni 1829, in: Oncken/Saemisch (Hg), Vorgeschichte 3, S. 525 ff. 273 Zu dem Tod Motz' kam noch der Rücktritt des reformkonservativen Außenministers Bemstorff 1832; beide Ereignisse kennzeichneten die politische Wende innerhalb der preußischen Regierung. Vgl. Hans-Joachim Schoeps, Preußen. Geschichte eines Staates, Berlin 1997, S. 163. 274 Vgl. Hahn, Hegemonie, in: Berding (Hg.), Wirtschaftliche, S. 54: "Die ,Zollvereinspartei' um Motz und Eichhorn war stets bereit gewesen, für die politischen Vorteile auch finanzielle Einbußen des preußischen Staates in Kauf zu nehmen. Dagegen werteten die Hochkonservativen den Zollverein nicht als machtpolitische, sondern in erster Linie als finanz- und handelspolitische Angelegenheit." 275 Siehe oben; vgl.: Das preußische Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten an die drei anhaltinischen Landesregierungen, Berlin, 23.12.1819, in: Oncken/ Saemisch (Hg), Vorgeschichte 1, S. 125 ff. 276 Vgl. Schreiben Lotturns an den Finanzminister Maassen, 31.3.1832, und Schreiben Maassens an Lottum, 16.4.1832, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2100.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Allerdings war im Außenministerium klar, daß Preußen über diesen Grundsatz hinaus vorbereitet sein mußte, für den Fall, daß bei den Verhandlungen um den Zollverein "von irgend einer Seite" Abmachungen über ein einheitliches Münz-, Maß- und Gewichtssystem vorgeschlagen würden. Preußen müsse zu einer baldigen Erklärung seiner dies betreffenden Ansichten kommen, schrieb Eichhorn, zumal sich Preußen als den "bewegenden Mittelpunkt" des Zollvereins betrachte und es daher angemessen sei, wenn es selbst mit entsprechenden Vorschläge hervortrete. 277 Zur Beratung der Frage, welche Position Preußen bei Verhandlungen um eine Münzvereinheitlichung im Zollverein einnehmen sollte, setzte das Staatsministerium dann 1833 eine Kommission ein, unter dem Vorsitz des Geheimrates J. G. Hoffmann, der bereits an den Vorarbeiten zum Münzgesetz von 1821 bedeutenden Anteil gehabt hatte. Die erste Sitzung der Kommission fand erst im Juli 1834 statt (aufgrund der langen Materialsammelphase278 ), ihren Bericht, ein Gutachten von 116 Folioseiten, übergab sie ein Jahr später, am 18. Juli 1835?79 Im ersten Teil des Berichtes wurden ausführlich die bestehenden Münzverhältnisse in Deutschland dargestellt. Dem schloß sich eine Diskussion der mit der Aufrechterhaltung des 14-Talerfußes verbundenen Probleme an; insbesondere das Abfließen der neugeprägten Taler in den Export und die Abnutzung der weiterhin umlaufenden älteren Stücke sah die Kommission als die "Achillesferse" der Silberwährung an. Die Geldmenge würde nur durch die ständige kostspielige Neuprägung von Talermünzen gehalten werden können. Das Hauptmittel, um bei steigenden Silberpreisen den Schaden möglichst gering zu halten, sei, Kleinkurant zu prägen, und zwar mit einem geringeren Feingehalt als die groben Kurantmünzen. Schließlich untersuchte das Gutachten die Vorschläge für einen Münzverein der Zollvereinsstaaten: In diesem Zusammenhang warnte die Kommission davor zu glauben, die gleichförmige Prägung in allen Staaten und die gemeinsame Überwachung durch Münzwardeine würde ein stabiles gemeinschaftliches Münzsystem bedeuten. Wie wenig eine solche Überwachung bewirken könne, zeige sich an dem Schaden, den der Umlauf fremder Pistolen (Goldmünzen) in Preußen trotz entsprechender Vereinbarungen mit den benachbarten Staaten verursacht habe. Deshalb müsse die Prägung durch die Einzelstaaten aufhören und ganz einer Zentralbehörde des Zollvereins un277 Ebd.: Schreiben Eichhorns (Außenmininisterium) an den Finanzminister Maassen, 17.11.1832. 278 Vgl. Schrötter, Preußisches 2, S. 7. 279 Gutachten über die Bedingungen einer Verständigung der Zollvereinsstaaten über ein gemeinschaftliches Münzsystem, unterzeichnet von der damit beauftragten Kommission Hoffmann, Michaelis, Adelung, 15.6.1835, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2100, Blatt 111-227.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

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terstellt werden. Unter ihr habe nur eine Münzstätte im Norden, die Berliner und eine im Süden zu prägen. Das landesherrliche Recht der Oberaufsicht solle die Regierung innehaben, in deren Gebiet die Münzstätte liege, nur Anordnung und Leitung des Geschäftsbetriebes würden dann der Zentralmünzbehörde unterstehen. Das sei so zwar 1873 eingeführt worden, bemerkt Schrötter zu diesem Vorschlag, "aber wir können uns nur wundern, daß die Kommission geglaubt hat, es werde sich damals erreichen lassen, daß zwei oder drei deutsche Königreiche auf Münzhoheit und Münzregal ohne weiteres verzichten würden. Zwar ließen die preußischen Minister eine Diskussion und Empfehlung dieses Vorschlags bei der Zollkonferenz später zu, aber gewiß nur unter stärkster Anzweifelung seiner Durchführbarkeit. " 28 Kaum realistischer erscheint der Vorschlag, daß innerhalb einer Frist von einigen Jahren sämtliche umlaufenden Münzen eingezogen werden sollten, um durch ein Zollvereinsgeld ersetzt zu werden.

°

Im Anschluß sprach sich die Kommission für den preußischen Taler als die am besten in den Status einer Zollvereinsmünze zu erhebende große Silbermünze aus (was bei einer preußischen Münzkommission unter dem Vorsitz Hoffmanns, der schon 1822 keinen Grund gesehen hatte, weswegen Preußen sich dem Konventionsfuß anschließen sollte281 , nicht recht zu verwundern vermag). Der Kronentaler als gemeinsame Münze scheide nämlich von vornherein aus, weil sein Münzfuß zu ungewiß und darüber hinaus gegen den Konventions- und den preußischen Taler nur schwer berechenbar sei (gegen den Kronentaler Badens, der als einziger mit einem festen Münzfuß von 24 6/11 Gulden angegeben worden war, waren der Konventionstaler 2 5/11 und der preußische Taler 1 58/77 wert). Eine Übereinstimmung zwischen Taler und Gulden könne, so die Kommission, entweder im Verhältnis 4:7 oder 5:9 bewirkt werden. Dabei sei das Verhältnis 5:9 als unkomplizierter vorzuziehen, weil dann drei Kreuzer in der 30-Teilung des Talers zehn, in der 24-Teilung acht Pfennig wert seien, man mit fünf Stück Vereinsgeld zu 36 Kr. drei Gulden bezahle, während man mit dem Verhältnis 4:7 oder dem 24 i-Guldenfuß kein kleineres Verhältnis habe als 35 Kr. = 8 Groschen. Dies lief letztlich darauf hinaus, den süddeutschen Gulden geringfügig niedriger gegenüber dem Taler zu bewerten, als es zu diesem Zeitpunkt geschah (108 Kr. bzw. 1~ Gulden für einen Taler gegenüber dem bestehenden Kurs von 105 Kr. bzw. 1~ Gulden). Die Kommission wich also in ihren Vorschlägen von der bisherigen Linie der preußischen Münzpolitik ab, wonach der preußische Taler gegenüber den Nachbarwährungen Schrötter, Preußisches 2, S. 14. Siehe oben; vgl. J. G. Hoffmann, Erläuterungen über das preußische Münzwesen, als Hülfsmittel zur Beurtheilung des Gesetzes vom 30. September 1822 [sie: 1821], o.D. [1822], in: GStAPK I. HA Rep. 74 N Acta der geheimen Registratur des Staats-Kanzlers, Tit. 34, Nr. 28, Bd. 2. 2 80 281

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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einen niedrigeren Wert einzunehmen habe, um den Export der Kurantmünzen zu verhindern. Die Hauptvereinsmünze sollte der Dritteltaler (= 36Kreuzerstück) mit einem Feingehalt von 14 217 Lot werden. Dieser Feingehalt hätte über dem der preußischen Taler gelegen (der 12 Lot betrug) und damit, um den Umlauf der neuen Münzen zu sichern, die Einziehung des preußischen Kurants notwendig gemacht. Nur ganz am Rande war es Hoffmann gestattet, den in seinen Augen dringend notwendigen Übergang zur Goldwährung zu behandeln; die Kommission folgte ihm zwar in dem Urteil, daß die Goldwährung grundsätzlich erstrebenswert sei, an ihre Einführung sei unter den derzeitigen Umständen aber nicht zu denken. Die aus Hoffmanns Sicht wünschenswerten Voraussetzungen für die Erstellung eines gemeinsamen Münzsystems wurden in seiner 1838 erschienenen "Lehre vom Gelde" noch deutlicher herausgearbeitet: Zunächst erschien ihm ein Goldwährungssystem, nach dem Vorbild des britischen unterlegt mit stark unterwertigen silbernen Scheidemünzen, so daß kein Silber ins Ausland abfließen könne, der Silberwährung bei weitem überlegen. "Aber der Vortheil, dass Gold mit verhältnismässig sehr viel geringeren Kosten, als Silber, zu Münzen verarbeitet werden kann, entscheidet allerdings für seinen Gebrauch als Maass aller Werthe und als Werkzeug, um Macht zu kaufen im Grosshandel zu übertragen, mit Gründen, welche bisher nur in Grossbrittanien [sie] ihre vollständige Würdigung und richtige Anwendung gefunden haben. Eine gleiche Anerkennung wird indessen früh oder spät überall widerfahren müssen, wo das Münzwesen dauerhaft geordnet werden soll (. .. ]."282 Auch sei der Wertverlust der umlaufenden Münzen durch Abnutzung beim Gold sehr viel geringer, weil Goldmünzen seltener von Hand zu Hand gingen. Skeptisch äußerte sich Hoffmann zu den Aussichten eines gemeinsamen Münzfußes der deutschen Bundesstaaten (als einer der Hauptverantwortlichen für die preußische Münzpolitik im Jahr des Abschlusses des Dresdner Münzvertrages der Zollvereinsstaaten!). Er griff wiederum das Argument des Kommissionsberichtes vom Vorjahr auf, daß nur eine gemeinsame Münzverwaltung dafür sorgen könne, ein gemeinschaftliches Geld in Umlauf zu bringen und zu halten. Ansonsten bestehe die Gefahr, daß neben den vollwertigen auch niedriger ausgeprägte (bzw. alte und abgenutzte) Münzen umliefen; diese würden die guten verdrängen, die aufgrund des höheren Silbergehalts eingeschmolzen würden. Erkennbar wird, daß Hoffmann der Wirksamkeit von Vereinbarungen eines Münzvertrages mißtraute und daher für die Vereinheitlichung des Münzwesens einen ähnlichen Weg wie bei der Zolleinigung präferierte, indem nämlich Preußen Fakten schuf, mit denen es kraft seiner politischen und ökonomischen Potenz die weitere 282

9*

Hoffmann, Die Lehre, S. 94.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Entwicklung bestimmen konnte: Preußen solle erst sein eigenes Münzwesen in der von Hoffmann vorgeschlagenen Weise ändern, dann würden sich dem andere Staaten bald von allein (und, muß man wohl ergänzen: nach preußischen Bedingungen) anschließen. Bis dahin sei die "strenge Sonderung der verschiedenen Münzsysteme ... in der That viel wohlthätiger, selbst für den nachbarlichen Verkehr, als eine Nachsicht, welche dieselben unhaltbar macht; denn nur auf den Grund eines haltbaren Münzsystems kann ein dauerhafter Münzverein abgeschlossen werden. Der Handelsstand und die Geschäfts- und Gewerbs-Leute überhaupt würden längst zu einer richtigen Würdigung der Münzverhältnisse gelangt sein, wenn sie nicht immerfort durch Anordnungen und Schriften in dem Wahne bestärkt worden wären, als ob noch im Zwanzig- und Vierundzwanzig-Guldenfusse wirklich gezahlt werde, und es nur auf ferneres Festhalten desselben ankomme, während die Valuta, worin sie wirklich einnahmen und ausgaben, beträchtlich niedriger stand, und die Wiederherstellung jener Münzfüsse bereits unausführbar geworden war." (S. 159). Im preußischen Staatsministerium waren die Vorschläge des Kommissionsberichtes umstritten. Insbesondere in der Frage, ob Preußen dem Übergang zu einer feineren Legierung der neu zu schaffenden Vereinsmünze zustimmen könne, gingen die Auffassungen weit auseinander. Für das Außenministerium votierte Eichhorn dahingehend, eine Umprägung in die 14 217lötige Feinheit "nicht durchaus als ein Hinderniß der Annahme des Vorschlages der Commission hinsichtlich des Feingehalts der Vereins-Silbermünzen" zu betrachten. "In der That läßt es sich nicht verkennen, daß, wenn gleich die Preußischen Thaler sich in dem größten Theile von Deutschland dem Verkehr nachweislich von selbst aufgedrungen haben, dieß doch weit mehr dem Mangel an anderem Gelde, als ihrer Beliebtheit zuzuschreiben ist; daß im Gegentheile ihr starker Kupferzusatz unserem Münzsysteme im Auslande fast allgemein zum Vorwurfe gemacht wird; und daß es überhaupt weit eher gelingen dürfte, diesseitigen Vorschlägen Eingang zu verschaffen, wenn dabei auch Preußen sich bereit zeigt, durch Annahme einer feineren Ausprägung Wünschen zu genügen, welche nach demjenigen, was in dem Commissions-Berichte über die Vorzüge des feinhaltigeren Silbergeldes angeführt ist, nicht in bloßen Vorortheilen zu beruhen scheinen, als wenn es durchaus bei seinem jetzigen Schrote und Korn stehenbleiben, und die vorübergehenden . . . Nachtheile, welche bei einer Münz-Veränderung unvermeidlich sind, lediglich den anderen Vereinsstaaten anmuthen will." 283 In dieser Äußerung ist noch ein Nachklingen der handelspolitischen Strategie zu vernehmen, die zum Zollverein geführt 283 Votum des Außenministeriums bezüglich des Kommissionsberichtes, unterzeichnet Eichhorn, 28.1.1836, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2100.

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hatte und die langfristige preußische Positionsverbesserungen mit kurzfristigen Zugeständnissen zu erkaufen bereit gewesen war (Eichhorn hatte an der Formulierung dieser Strategie maßgeblichen Anteil gehabt). Grundsätzlich stimmten Alvensleben für das Finanzministerium und Lotturn für das Ministerium des Schatzes der Ansicht zu, daß eine feinere Legierung wünschenswert sei; doch erfordere dies die Einziehung und Neuprägung der vorhandenen preußischen Taler, und das sei nicht in wenigen Jahren zu bewerkstelligen?84 Unisono hielten die anderen beteiligten Beamten die mit einer Umprägung verbundenen Kosten für untragbar hoch; Handelsminister Rother rechnete (indem er die seit 1764 produzierten Stücke einbezog, die zum großen Teil noch umliefen) mit einer Gesamtmenge von 163 Mio. Tlr., die umzuprägen sein würden, was bei geschätzten Umprägekosten von 5% Aufwendungen von über 8 Mio. Tlr. für den preußischen Staat bedeutet hätte?85 Es drängt sich bei diesen Zahlen aufgrund ihrer Dimensionen allerdings der Eindruck auf, Rother habe bei seinen Berechnungen mit Absicht zu hoch gegriffen, um die Unmöglichkeit des Projektes drastisch herauszustellen. Ebenfalls auf Ablehnung stießen die Vorschläge der Kommission bezüglich der Einheit der Zollvereinsmünze. Rother und Friese (Präsident der Hauptbank) hielten den Dritteltaler als Münzeinheit für die Bedürfnisse des Handels für viel zu klein; zudem würden die Süddeutschen nicht vom Gulden als Rechnungsmünze lassen wollen. 286 Lotturn schlug als Vereinsmünze daraufhin den (dann auch realisierten) Doppeltaler vor. Alle Gutachter waren sich darin einig, daß der 14-Talerfuß unbedingt beibehalten werden mußte und, da der süddeutsche 24 ~-Guldenfuß dazu nur schwerlich passe, daß die süddeutschen Länder zur Annahme des preußischen Münzfußes gebracht werden sollten. Als zu erkennen war, daß weder inhaltlich noch in der Frage der formalen Behandlung ein Einverständnis zwischen den Ministerien zu erzielen war287 , wurde die Angelegenheit einer Kommission von Sachverständigen zur weiteren Behandlung überwiesen; "die Natur dieses technischen Gegenstandes" mache ein solches Vorgehen notwendig. 288 Indem das von den süddeutschen Staaten als besonders dringlich angesehene Thema der Münzeinigung an eine Kommission ohne politische Verantwortlichkeit und ohne genauere Instruktionen seitens des Staatsministeriums ver284 Ebd.: Alvensleben an Lotturn und Ancillon, 10.8.1835; Lotturn an Alvensleben, 20.9.1835. 285 Ebd.: Votum Rothers, 10.2.1836. 286 Ebd.: Memorandum Frieses über den Kommissionsbericht, 14.3.1836, Schreiben an Rother. 287 Vgl. Schreiben Eichhorns an Lottum, Rother und Alvensleben, 28.6.1836, ebd. 2 88 Ebd.: Protokoll der Verhandlung des königlichen Staatsministeriums vom 31.5.1836.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

wiesen wurde, machte die preußische Regierung freilich deutlich, daß aus ihrer Sicht das Problem nicht als eines von höchster Priorität einzuschätzen war. Hoffmann, darüber enttäuscht, daß die Arbeit seiner Kommission nur wenig Resonanz gefunden hatte, faßte die Diskussion treffend zusammen: "Alle sehnen sich nach Bessrem: aber wenn Preußen selbst die Nothwendigkeit, Bessres herbeizuführen, doch nicht so tief fühlt, daß es sich zu gründlichen Heilmitteln entschließen kann, so fehlt es an einer kräftigen und wirksamen Initiative."289 Bei diesem unentschiedenen Stand der Dinge konnte die preußische Regierung jedoch in Anbetracht der für den Juli 1836 terminierten Generalkonferenz des Zollvereins nicht verbleiben; als einer der zur Beratung anstehenden Punkte war nämlich auf Druck der süddeutschen Staaten die Münzeinigung auf die Tagesordnung gesetzt worden. Nicht zuletzt beriefen sie sich dabei auf den Artikel 14 des Zollvereinsvertrages, dem ja auch Preußen zugestimmt hatte, nach dem "sofort" besondere Unterhandlungen über die Einführung eines gleichen Münz-, Maß- und Gewichtssystem einzuleiten waren. Die Instruktionen, welche die preußische Regierung ihrem Unterhändler Kühne mitgab, enthielten allerdings angesichts des nur geringen Interesses an einer solchen Übereinkunft und der Uneinigkeit der Ministerien über den weiter zu verfolgenden Kurs kaum mehr als die Anweisung, nicht von selbst mit Vorschlägen in der Münzsache hervorzutreten, sondern nur die preußischen Bedenken gegen die Propositionen der anderen Vereinsstaaten geltend zu machen, wenn sie den preußischen Vorstellungen zuwiderliefen; zudem sollte Kühne "versuchsweise und im allgemeinen" zu erfahren suchen, was die anderen Regierungen gegen die Einführung des preußischen Talers als Grundlage eines gemeinsamen Münzsystems einzuwenden hätten?90 Am 2. August konnte Kühne nach Berlin berichten291 , daß am gleichen Tage die Münzfrage auf der Konferenz zur Sprache gekommen sei; dabei hätten die Bevollmächtigten von Baden und Bayern Memoranden vorgelegt, in denen sie die Positionen ihrer jeweiligen Regierungen in bezug auf die Vereinheitlichung des Münzsystems im Zollverein deutlich machten. "Ich habe mich bei der Discussion, meiner Instruction gemäß, meist nur darauf beschränkt, die Bedenklichkeiten hervorzuheben, die den abgegebenen Vorschlägen entgegenstanden." Dies sei im bayerischen Fall einfach gewesen, da dessen Vorschlag, als Vereinsgeld I-Guldenmünzen im 24 i-Guldenfuß zu prägen, für die Talerländer schlicht nicht annehmbar sei, denn diese Münzen würden einem in der Umrechnung nicht Ebd.: Memorandum Hoffmann, 6.6.1836 (Hervorhebungen im Original). Ebd.: Protokoll der Verhandlung des königlichen Staatsministeriums vom 31.5.1836. 291 Bericht Kühnes an Alvensleben, München 2.8.1836, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2101. 289

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handhabbaren Wert von 17 Sgr. 1 517 Pfg. entsprochen haben. In der generellen Begründung seines Vorschlages und der Notwendigkeit baldigen Handeins allerdings entsprach das bayerische Memorandum den Vorstellungen auch vieler Talerländer: Obwohl der Zollvereinsvertrag die Absichtserklärung enthalte, zu einer Einigung über das Münzwesen zu gelangen, sei in dieser Hinsicht noch nichts geschehen, hieß es da. "Auf der anderen Seite zeigen sich im bestehenden Münzwesen Übelstände, die dringend einer Abhülfe erfordern. Es sollen nun zwey Punkte hervorgehoben werden: auf der einen Seite das unvermeidliche Einströmen anderer als der Landes-Münzen in die verschiedenen Vereins-Staaten auf dem Wege des freien Verkehrs und der Zollentrichtung, auf der anderen die Beschränkung der Annahme derselben sowohl in Rücksicht auf bestimmte Kassen, als bestimmte Abgaben; sodann das Ausprägen geringhaltiger Scheide-Münzen, das schon länger Gegenstand der Berathung und der Klagen geworden ist." Bei einer Regelung im Zollverein werde es aber nicht zu einer Ersetzung der bestehenden Münzfüße durch einen neuen kommen. Das sei zum einen viel zu teuer, weil alle umlaufenden Münzen umgeprägt werden müßten; zum zweiten hätten sich mit dem 14-Talerfuß und der Entstehung des 24 4-Guldenfußes im Süden bereits zwei Hauptmünzfüße herausgebildet, die in einem durchaus berechenbaren Verhältnis zueinander stünden. Ebensowenig sei an eine Substituierung der Gulden- durch die Talerrechnung oder andersherum gedacht.292 Viel größere Schwierigkeiten hatte Kühne in der Auseinandersetzung mit den badischen Vorschlägen. Diese beruhten nach Kühnes Informationen auf einer Schrift des Münchener Professors Hermann vom vorigen Jahr. "Dieser Aufsatz ist unzweifelhaft das Bedeutendste, was in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts über das deutsche Münzwesen und über dessen Vereinheitlichung publiziert worden ist", meint Schrötter dazu; "er überragt auch die Hoffmannsehen Schriften besonders dadurch, daß er auf dem Boden des Erreichbaren bleibt und in geradezu prophetischer Weise die Vorschläge macht, die endlich im Wiener Münzvertrag die Münzeinheit, wenn auch nicht vollendeten, so doch bis auf einige Reste herbeiführten."293 Das badische Memorandum stellte erst einmal fest, daß es im wesentlichen mit den 292 Promemoria, das Münzwesen betreffend, unterzeichnet L. v. Dresch (bayerischer Bevollmächtigter auf der Generalkonferenz der Zollvereinsstaaten), München, 26.7.1836, in: BHStA M A 25605. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem. 293 Schrötter, Preußisches 2, S. 29. Vgl. F.B. W. Hermann, Über die gegenwärtigen Zustände des Münzwesens in Deutschland und die neuesten Vorschläge zur Abstellung seiner Gebrechen, Archiv für politische Ökonomie, I, Heidelberg 1835; hier nach: W.M. Frhr. v. Bissing, Der Deutsche Zollverein und die monetären Probleme, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 79, 1959, S. 199 ff., S. 201.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

bayerischen Vorschlägen übereinstimmte. Das galt zunächst für den Plan, im Süden den 24 i-Guldenfuß mit Gulden- und Kreuzerrechnung und im Norden den 14-Talerfuß auch künftig beizubehalten, beide in ihren jeweiligen Gebieten allgemein zu verbreiten und gesetzlich feststellen zu lassen. Bezüglich der Hauptvereinsmünzen hingegen regte Baden (das betonte, besonders auf eine Münzeinigung gedrängt zu haben) an, in sämtlichen Zollvereinsstaaten 1- und 2-Talermünzen zu prägen, und zwar in 14 2/5-lötigem Korn. Die Prägung 12-lötiger Kronentaler und Taler solle aufhören, diese Münzen aber weiter an den Staatskassen und im Privatverkehr zugelassen bleiben. Nach einer angemessenen Frist, fuhr das Memorandum fort, sollten in jedem Vereinsstaat nur noch dessen eigene Scheidemünzen (und die der unmittelbar angrenzenden Nachbarn) gesetzliche Zahlungsmittel sein, aber allein bei Zahlung von Werten, die kleiner seien als die kleinste grobe Münze (= Kurantmünze). Die größeren Scheidemünzen sollten überall mit gleichem Feingehalt hergestellt werden, während die Art und Weise der Prägung der kleinsten Scheidemünzen Sache der ausgebenden Länder bleiben würde. 294 Kühne regte in seinem Bericht an, daß sich die preußische Regierung mit diesen Vorschlägen Badens befassen möge. Das einzige, was er dem Antrag entgegenzusetzen gehabt habe, sei der Verweis auf den höheren Feingehalt der neu zu prägenden Münzen gegenüber dem bestehenden Taler gewesen; allerdings stimme das badische Memorandum (auch darin) insgesamt weitgehend mit dem der Münzkommission in Preußen überein. Bei Erörterung dieses Punktes habe er gemäß der Instruktionen den Vorschlag gemacht, die Frage an eine Kommission von Sachverständigen weiterzuverweisen. Dem sei von drei süddeutschen Staaten entgegengehalten worden, daß ein solches Gremium ohne genaue Handlungsanweisungen zu keinem Ergebnis kommen könne; er solle zu diesem Punkt deshalb dringend neue Instruktionen aus Berlin einholen, damit man noch auf der laufenden Konferenz weiter beraten könne. Kühne bat daher, wenigstens zu der Erklärung ermächtigt zu werden, "daß unsere Regierung durch unbedingtes Festhalten an der 12-löthigen Ausprägung der als Vereinsmünze anzunehmenden Thalerstücke, der gewünschten Vereinigung in den Weg zu treten nicht gemeint sei." Immerhin werde durch eine solche Erklärung der Anschein vermieden, eine Einigung scheitere an der intransingenten Position Preußens. Das Haupthindernis für eine Einigung lag nach Kühnes Auffassung aber nicht in Preußen oder in den süddeutschen Staaten, sondern im Königreich Sachsen, das seinen 20-Gulden-Münz- und Rechnungsfuß insgesamt zugunsten des 14-Taler- oder 24 Guldenfußes aufgeben

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294 Promemoria, das Münzwesen betreffend, unterzeichnet Regenauer (badischer Bevollmächtigter auf der Konferenz), München, 29.7.1836, in: BHStA M A 25605. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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müsse; der sächsische Bevollmächtigte habe seinem Vorschlag zur Vertagung denn auch zugestimmt. Bezüglich der Anfrage seines Delegierten beschloß das preußische Staatsministerium am 16. August 1836, daß Kühne den anderen Kommissaren auf nichtoffiziellem Wege von der Unmöglichkeit des preußischen Abgehens von der 12-lötigen Legierung Mitteilung zu machen habe. Die geforderte Erklärung abzugeben wurde er nicht ermächtigt. 295 Die Konferenz wurde daraufhin zwar noch einmal aufgenommen, es war aber klar, daß nach der preußischen Erklärung eine Einigung gegenwärtig nicht möglich war. 296 Auf den badischen Antrag, sich schon jetzt wenigstens hinsichtlich der Hauptgrundsätze einer Verständigung über das Münzwesen zu einigen, dem Württemberg, das Großherzogtum Hessen, Nassau und einige thüringische Staaten zustimmten, antwortete der preußische Delegierte, daß seine Regierung in der Ermittlung der dazu notwendigen Schritte sehr weit fortgeschritten sei und beabsichtige, den anderen Staaten die preußischen Vorschläge schon bald auf diplomatischem Weg zukommen zu lassen. Bei Verhandlungen über die Münzfrage komme es darauf an, sie einer besonderen Kommission von Sachverständigen zu überweisen. Dieser Ansicht schlossen sich auch Sachsen, das Kurfürstentum Hessen und Frankfurt an. Baden und Bayern hingegen erklärten, daß sie in einer Überweisung der Münzfrage an eine Kommission von Technikern, ohne daß die Hauptgrundsätze zuvor geklärt seien, keinen erfolgversprechenden Weg sehen könnten. 297 Damit war die Konferenz in der Frage der Münzeinigung gescheitert. Anscheinend kam diese (Nicht-) Lösung der preußischen Regierung gerade recht; das Außenministerium jedenfalls, das vorher in jener Sache die bewegende Kraft innerhalb der preußischen Bürokratie gewesen war, hielt in der Folgezeit eine ganze Anzahl von Anfragen des Finanzministeriums, wie weit die Überlegungen zu einem Münzverein gediehen seien, für nicht einmal mehr der Beantwortung wert. 298 Der bayerische Finanzminister berichtete zwei Wochen nach deren Ende seinem König von der gescheiterten Konferenz und den daraus zu ziehenden Konsequenzen: Man habe sich auf der Generalkonferenz an den königlichen Auftrag gehalten, stets im Einverständnis mit Preußen zu handeln; 295 Beschluß des Staatsrninisteriums, 16.8.1836, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2101. 296 Ebd.: Besonderes Protokoll (der Zollvereinskonferenz), das Münzwesen betreffend, München 19.8.1836. 297 Besonderes Protokoll (der Zollvereinskonferenz). Das Münzwesen betreffend, S. 3, München, 6.9.1836, in: BHStA M A 25605. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem. 298 Schreiben des Finanzministeriums vom 16.1., 11.2., 6.3. und 15.4.1837; in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2101.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

doch hätten sich in der Münzfrage bayerische und preußische Interessen getrennt. "Dabey zeigte sich unverkennbar die Absicht Preußens, seyn Münzsystem zu dem des ganzen Zoll-Vereins zu machen." Daher beharre Preußen auch auf einer gesonderten Münzkonferenz: Es hoffe, daß ein anderer Zeitpunkt und eine andere Konferenzstadt als München diesem Vorhaben dienlich sein würden. Deshalb sei es auch die Aufgabe Bayerns gewesen, die Sache jetzt zur Sprache zu bringen, um, wenn schon nicht die Zustimmung Preußen gewonnen werden konnte, so doch die Staaten des Guldensystems durch feste Erklärungen zu binden und so zu verhüten, daß Bayern am Ende Preußen allein gegenüberstehen würde. Die süddeutschen Staaten seien aber übereingekommen, sich vor einer allgemeinen Zollvereinskonferenz zur Münzfrage über die Grundlagen einer solchen Vereinbarung auszusprechen. Diese Grundlagen wiederum sollten sein: 1. Der bisherige Kronentaler- oder 24 ~-Guldenfuß sowie Gulden- und Kreuzerrechnung waren beizubehalten. 2. Teilstücke des Gulden sollten überall 15- und 30-Kreuzermünzen sein. 3. Würde Preußen sich nicht bereit finden, diese Münzen in die Valvationstabelle (Festlegung der Wechselkurse zur Berechnung der Verteilung der Zollerträge) aufzunehmen, so sollten im Gegenzug auch die preußischen~- und ~-Taler aus der Valvationstabelle der süddeutschen Staaten herausfallen. 4. Sollte Preußen sich nicht bereit erklären, den Kronentalern in seinem Gebiet allgemeinen Umlauf zu gewähren, so wollten sich die Guldenländer entsprechende Maßregeln bezüglich des preußischen Talers vorbehalten. 5. Schließlich seien Scheidemünzen überall nur noch nach Bedarf zu prägen.Z99 Diese Äußerungen machten die Motive der bayerischen Regierung, eine vertragliche Einigung über das Münzwesen voranzutreiben, noch einmal deutlich: Sollte es nicht zu einer bindenden Abmachung kommen, so die Furcht der bayerischen Seite, würde Preußen versuchen, die süddeutschen Staaten voneinander zu isolieren und jeden einzelnen zur Annahme seiner Bedingungen zu zwingen; dem würden sich die im Vergleich mit dem übermächtigen nördlichen Nachbarn in allen Beziehungen unterlegenen Staaten des Südens nicht verweigern können. Damit aber müßte Bayern jede Möglichkeit verlieren, auf die Form der letztlich als unumgänglich angesehenen Münzeinigung Einfluß zu nehmen. d) Der Münzvertrag von München (1837)

Die Staaten des Guldenraumes teilten die bayerische Sicht der Dinge bezüglich der Gefahren für ihre geldpolitische Souveränität, die auf sie wegen des zu erwartenden und in mancher Hinsicht schon realisierten preußischen Vorgehens zukommen würden; über die Grundlagen einer Separatvereinba299 Antrag des Finanzministeriums an den König, 19.9.1836, in: BHStA M A 25605. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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rung der süddeutschen Zollvereinsstaaten waren sie sich schnell einig geworden. Dennoch bedurfte es noch eines weiteren Anstoßes, bevor dann die Münchener Münzkonferenz zusammentreten konnte. Diesen Anstoß gab Baden mit der Herabsetzung der Teilstücke des Kronentalers (viertel und halbe Kronentaler), die als besonders stark abgenutzt galten. Am 6. April 1837 setzte Baden zunächst den Kurswert der Viertel von 4~ Kreuzern (ein Kronentaler = 2 fl. 42 Kr. = 162 Kr.) auf 39 Kr. herab. Dieser Kurs wurde jedoch nur den besseren unter den Viertel-Kronentalerstücken verliehen, die noch stärker abgenutzten wurden an den staatlichen Kassen nur mehr nach Gewicht angenommen. Drei Wochen später setzte Baden mit Verordnung vom 29. April 1837 dann auch noch die halben Kronentaler von 1 fl. 21 Kr. auf 1 fl. 20 Kr. (von 81 auf 80 Kr.) herab; der Einlösungswert nach Gewicht für nicht kursfähige Stücke (d. h. besonders stark abgenützte oder beschnittene) wurde jetzt auf 1 fl. 24 Kr. bestimmt. Baden führte die Devalvierung ohne jede Vorwarnung durch worin sich im übrigen zeigte, wie fragil die Fundamente der währungspolitischen Zusammenarbeit der Staaten des Guldenraumes trotz überwiegend übereinstimmender Interessen angesichts der heiklen Situation des dortigen Münzwesens und dem daraus entstehenden Handlungszwang noch waren -, so daß die Viertel in Massen in die benachbarten Staaten strömten, wo sie noch den früheren Wert von 4~ Kr. darstellten.300 Es machte sogar das Gerücht die Runde, daß Baden, das ohnehin unter den süddeutschen Staaten am ehesten den preußischen Interessen zuneigte, die Abwertung auf Veranlassung Preußens durchgeführt habe, um dem preußischen Kleinkurant und den Silbergroschen Umlauf in Süddeutschland zu verschaffen. 301 Das Abströmen der devalvierten Stücke in die benachbarten Staaten ließ denen gar keine andere Wahl, als die Teilstücke des Kronentalers ebenfalls abzuwerten (in Bayern beispielsweise Abwertung der Viertel am 26. April, der Halben am 4. Mai). Ob nun an dem Gerücht, der Abwertungswettlauf sei von Baden auf preußischen Wunsch gestartet worden, um dessen Münzen vermehrt Umlauf zu verschaffen, etwas dran war oder nicht (nachweisen läßt es sich zumindest nicht): In der Tat drohten mit den Herabsetzungen gleich zwei Münzwertstufen zwischen den großen Kronentalern und den geringwertigen Sechskreuzerstücken aus dem süddeutschen Verkehr zu verschwinden, und diese Zwischenstufen hätten bei gegebenem Stand der Dinge nur die preußischen Münzen ausfüllen können. In dringlichem Ton schrieben deshalb der bayerische Außen- und der Finanzminister ihrem König, daß Bayern unverzüglich die Initiative ergreifen und zu einer Münzkonferenz der süddeutschen Staaten einladen müsse, damit nicht durch die "beklaVgl. Rittmann, Deutsche, S. 533. Vgl. den Artikel der "Neuen Würzburger Zeitung" vom 28.4.1837; nach: Schrötter, Preußisches 2, S. 36 ff. 300 301

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

genswerthen Anordnungen" wegen Außerkurssetzung bisher üblicher Teilmünzen "dem Handel und Wandel noch tiefere Wunden geschlagen werden, und in Folge dieser bereits in mehreren Staaten geschehenen Schritte neue Inconsequenzen und Nachtheile erzeugt werden, - damit nicht insbesondere unter solchen Umständen einem fremden Münzfuße - der Eingang eröffnet, oder am Ende selbst dem Papiergeld eine in den Folgen nicht zu berechnende Bedeutung gegeben werde. " 302 Umgehend nahm die bayerische Regierung Kontakt mit den anderen Guldenstaaten auf; die Ergebnisse der ersten Fühlungnahmen waren allerdings angesichts der preußischen politischen und ökonomischen Stärke, die vor allem dessen unmittelbare Nachbarn fürchteten, wenig ermutigend. Außenminister Gise faßte in einem Bericht vom 20. Mai die Resultate der bisherigen Gespräche zusammen: Er habe die deutliche Tendenz zu spüren bekommen, den Talerfuß über den ganzen Zollverein zu verbreiten. Dem neigten sogar Staaten zu, die wie Frankfurt zu Süddeutschland gehörten und in Handel und Verkehr vorwiegend auf den Süden ausgerichtet seien. Einig seien sich die Guldenländern darin, daß bei der umfangreicheren Bevölkerungszahl der norddeutschen Länder und ihrer größeren Ausdehnung dem Eindringen des Talers im Süden um so mehr Vorschub geleistet würde, als man bei Zollzahlungen den preußischen Taler vertragsgemäß nicht abweisen dürfe. Um den 24 ~-Guldenfuß zu erhalten, der so eng mit Verkehr, Handel und Leben im Süden verwachsen sei, hielt Gise den Anzeichen der Resignation kämpferisch entgegen, müsse man deshalb den Guldenfuß überall dort, wo er bestehe, vor jeder Beeinträchtigung zu schützen suchen und die preußischen Teilmünzen unter allen Umständen vom Umlauf in Süddeutschland fernhalten. 303 Ende Mai trugen dann die bayerischen diplomatischen Bemühungen doch Früchte, indem die Staaten des Kronentalerfußes ihre Bereitschaft erklärten, sich schon im Juni in München zu einer Münzkonferenz zu versammeln. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, daß die bayerischen Ministerien sich im Gegensatz zu den von ihnen befragten Münzsachverständigen gegen eine förmliche Tarifierung der preußischen Münzen zum Zwecke ihrer Abwertung erklärten (die preußischen Münzen waren nach bayerischer Auffassung nicht vollwichtig). Ein solches Ansinnen hielten Außen- und Finanzministerium für gefährlich, weil es die Einheit des Zollvereins stören und angesichts des großen Einflusses Preußens die Isolierung Bayerns im Zollverein bedeuten könne. Damit, daß es in dieser Frage eine zurückhaltende Position einnahm, konnte Bayern die Befürchtungen der Preußen benachbarten Staaten vor eventuellen Sanktionen 302 Antrag des Außenministers (v. Gise) und des Finanzministers (Wirschinger) an den König, 1.5.1837, in: BHStA M A 25605. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem (Hervorhebung im Original). 303 Ebd.: Antrag des Außenministers an den König, 20.5.1837.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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zerstreuen, allerdings in der Hoffnung, daß die Tarifierung der Taler dennoch zur Sprache kommen werde, ohne daß Bayern die Initiative dazu ergreifen müsse (und sich so als Gegner Preußens zu exponieren gehabt hätte). 304 Nachdem die grundsätzliche Frage einmal positiv geklärt war, ob es ratsam sei, sich ohne oder gar gegen Preußen in einem süddeutschen Münzverein zusammenzufinden, konnte die eigentliche Münzkonferenz innerhalb kurzer Zeit zu einer Einigung gelangen, die im wesentlichen aus den schon im Anschluß an die Zollvereinskonferenz vom vorigen Jahr gemeinsam festgelegten Punkten bestand. In neun Sitzungen, in der Zeit vom 1. Juni bis zum 10. August 1837, handelten die Bevollmächtigten der größeren Staaten des Kronentalerfußes (Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau und Frankfurt) den Münchener Münzvertrag aus, der dann am 22. August endgültig unterzeichnet wurde, nachdem sich die Gesandten dafür die ausdrückliche Genehmigung ihrer Regierungen eingeholt hatten. 305 Die kleineren Staaten Süddeutschlands waren mit Absicht nicht zu der Konferenz eingeladen worden, um nicht durch eventuell von dieser Seite ausgehende Sonderwünsche die als so dringend angesehene Einigung zu verzögern. Die Kleinstaaten traten später dem Vertrag bei und wurden so vor vollendete Tatsachen gestellt. 306 Die erklärte Absicht des Vertrages307 (bestehend aus der eigentlichen Konvention und der "Besonderen Uebereinkunft, die Scheidemünze betreffend") war zum einen die Substituierung der viertel und halben Kronentaler, dann aber auch die Annäherung an den 14-Talerfuß des Nordens. Dabei sollte das "für alle süd- und norddeutschen Staaten des Zollvereins beabsichtigte Uebereinkommen" durch die Konvention "in keiner Weise erschwert oder entfernt" werden (Artikel I). Der bestehende Kronentalerfuß (24 ~ -Guldenfuß) wurde mit dem Vertrag bestätigt, er mußte von allen kon304 Antrag des Außenministers (Gise) und des Finanzministers (Wirschinger) an den König, 31.5.1837, in: BHStA M A 25606. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem. Vgl. auch die ergänzenden Bemerkungen zu den Instruktionen des bayerischen Bevollmächtigten auf der Münzkonferenz, Weigand, die das Finanzministerium verfaßte: Es sei nicht im bayerischen Interesse, Preußen mit einer Forderung nach Tarifierung seiner Münzen schroff entgegenzutreten. "Es ist mit Verläßlichkeit vorauszusehen, daß diese Tarifirung von irgend einem der hier anwesenden Bevollmächtigten werde zur Sprache gebracht werden, und welches auch in dieser Hinsicht die bayerischen Interessen seyn mögen, so liegt doch aus obigem Grunde keine Nothwendigkeit vor in dieser Frage die Initiative zu ergreifen." Finanzminister an Weigand, 1.6.1837, ebd. 305 Ebd.: Sitzungsprotokolle. 306 Vgl. Sprenger, Währungswesen, S. 44. 307 Vertragstext abgedruckt in: Walter Grasser, Deutsche Münzgesetze 18711971, München 1971, S. 389 ff.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

trahierenden Staaten angenommen und gerrau eingehalten werden (Art. II). Es wurde ein gemeinsames Münzgrundgewicht festgestellt (die auch in Preußen verwendete Kölner Mark mit 233,855 g Silber); in der Feinheit der Legierung wurde die alte Lot- und Gränteilung zugunsten einer Dezimalteilung aufgegeben (Silbergehalt der Hauptmünzen 9/10, Kupfergehalt 1/10; Art. V). Diese Hauptmünzen waren das 1-Guldenstück zu 60 Kreuzern und der halbe Gulden zu 30 Kreuzern (Art. IV), wobei die ganzen Kronentaler ihren Wert von 2 fl. 42 Kr. beibehielten. Die neu auszuprägenden Kurantmünzen, gleich welcher Provenienz, sollten in allen Vertragsstaaten Kurs haben und zu diesem Zweck äußerlich einheitlich gestaltet sein. Die Prägekontingente wurden untereinander abgesprochen und waren auf den jeweiligen Anteil der Zolleinnahmen aus dem Zollverein abgestimmt. Die Prägungen der Vereinsstaaten sollten dabei der gegenseitigen Kontrolle unterliegen (Art. XII). In der Zusatzübereinkunft wurde bezüglich der Scheidemünzen vereinbart, daß gemeinschaftlich nur die Stücke zu 3 und 6 Kr. im Umlauf sein durften, während die Vertragsstaaten frei waren, die Kreuzerstücke in Kupfer oder Billon herzustellen; darüber wurde ebenso wie über die Teilstücke der Kreuzer nichts vereinbart. In der Folgezeit fielen sie deshalb auch unterschiedlich aus und wurden unterschiedlich bezeichnet. 308 Für die 3- und 6-Kreuzerstücke wurde der 27-Guldenfuß vereinbart (sie waren also unterwertige Scheidemünzen); ihre Gestalt wurde ebenfalls vereinheitlicht. Die alten 6- und 3-Kreuzerstücke blieben im Kurs, aber nur im Ausgabeland, und jeder Staat war verpflichtet, diese alten wie auch die neuen Billonscheidemünzen auf Verlangen in Kurant umzuwechseln, wenn sie in Summen von 100 fl. oder mehr präsentiert würden (Besondere Uebereinkunft, Art. V). Der größte Mangel der Münchener Münzkonvention von 1837 sei gewesen, meinte Helfferich später, "daß sie nur für die Zukunft ein leidlich geordnetes Prägesystem schuf, ohne jedoch mit dem vorhandenen, durch frühere Sünden verdorbenen Münzumlauf aufzuräumen. " 309 Diese Kritik, die sich auf das Weitergelten der Kronentaler, aber auch der wesentlich problematischeren alten Scheidemünzen bezog, wird allgemein in der Bewertung der Münchener Münzkonvention geteilt. 310 Trotz dieses sicher schwerwiegenden Defektes darf der Stellenwert des Vertrages für die weitere Entwicklung des Münzwesens in Deutschland allerdings nicht zu gering eingeschätzt werden: Zum einen bedeutete die vertragliche Festlegung bestimmter Grundsätze der Geldpolitik im Gegensatz zu früheren Münzverträgen eine Zäsur zwischen "mittelalterlichem und modernem Münzwesen in Deutschland"311 , eine Rationalisierung, die Preußen bereits mit seiner 308

309 3 10

Vgl. Rittmann, Deutsche, S. 536. Helfferich, Die Reform 1, S. 10. V gl. Sprenger, Währungswesen, S. 46; Schultz, Kleine, S. 17.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Münzverfassung durchgemacht hatte. Zum zweiten schuf die Konvention einen annähernd einheitlichen Währungsraum mit vertraglich festgelegten Grundsätzen der Ausprägung und einer gegenseitig anerkannten Hauptmünze, der Preußen und den Talerländern als Verhandlungspartner mit einem bedeutenden Eigengewicht entgegentreten konnte, damit erst den Boden für den Dresdner Münzverein von 1838 bereitete312 und der immerhin so überlebensfähig war, daß er bis zur Vereinigung der Währungssysteme im Deutschen Reich bestehen blieb (und seine Vitalität durch den Abschluß einiger weiterer Münzkonventionen unter den Guldenländern in den folgenden Jahren dokumentierte). Preußen nahm das Zusammenkommen der Süddeutschen in einem eigenen Münzverein als das wahr, was insbesondere von bayerischer Seite damit auch beabsichtigt worden ist: den Ausbau einer Widerstandslinie gegen das preußische Hegemonialstreben im Zollverein. Nachdem sich die preußische Regierung in den drei Jahren seit der Begründung des Zollvereins darauf beschränkt hatte, den dringenden Wünschen des Südens nach einer Münzeinigung hinhaltend und ausweichend zu begegnen, reagierte sie auf den Beginn der Münchener Konferenz sehr schnell und ließ den verhandelnden Mächten ein Positionspapier zukommen, in der Absicht, den Guldenstaaten die preußische Haltung hinsichtlich einer eigenständigen Münzeinigung unmißverständlich deutlich zu machen und auf diese Weise davor zu warnen, die preußischen Vorstellungen in der süddeutschen Münzkonvention nicht angemessen zu berücksichtigen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es in der Tat so gewesen, wie Schrötter schreibt (auch wenn er den Zustand des preußischen Münzwesens idealisiert, indem er die rechtliche Situation gegenüber dem tatsächlich Erreichten überbewertet): "Wir werden uns dabei immer vor Augen halten müssen . .. , daß Preußen mit seinem Münzwesen zufrieden war, der Süden mit dem seinigen nicht, daß Preußen genug eigenes zuverlässiges Kurant hatte, der Süden nicht, daß das Scheidemünzwesen Preußens vorzüglich geregelt war, der Süden unter der übergroßen Last seiner Scheidemünzen seufzte. Preußen konnte warten, der Süden nicht." 313 Dadurch daß Preußen diese Taktik jedoch überstrapazierte und damit die süddeutschen Staaten in einen eigenständigen Lösungsversuch gleichsam hineintrieb, hatte es sich selbst eines gehörigen Maßes an Einfluß auf die währungspolitische Entwicklung im Guldenraum beraubt, die es jetzt im nachhinein wiederzuerlangen versuchte. In dem nach München versandten Memorandum314 (die Konferenz widmete der Besprechung der preußischen Vorschläge eine eigene Sitzung315) 3 11 312 313

Veit, Grundriß, S. 437. Rittmann, Deutsche, S. 534. Schrötter, Preußische 2, S. 43.

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

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führte Preußen zunächst die Gründe dafür an, warum es sich für die Erhebung des 14-Talerfußes zum gemeinsamen Münzfuß ausgesprochen hatte: nicht weil dies der preußische Münzfuß sei, sondern weil nach ihm der größte Teil der Bevölkerung des Zollvereins rechne, weil nach ihm am meisten und am nachhaltigsten geprägt worden sei und weil er sich über die Grenzen des Zollvereins hinaus ausgedehnt habe. Im Zollverein seien von 1816 bis 1833 nach Konventionsfuß 16.554.064 Tlr. (16% der Gesamtprägernenge im Zollverein), nach Kronentalerfuß 9.073.044 Tlr. (9%) und nach 14-Talerfuß 78.600.938 Tlr. (75%) geprägt worden; hiervon seien die Konventionsmünzen ganz, die Kronentaler zum Teil nach anderen Ländern gegangen. Der 14-Talerfuß würde sich zudem der Rechnung nach Gulden und Kreuzern sehr gut anpassen, wenn man den Taler 1i Gulden oder 90 Kreuzer gelten lasse, statt bisher 1~ fl. oder 105 Kr. Weil jedoch davon auszugehen war, daß die süddeutschen Staaten einer Übernahme des preußischen zum Münzfuß des Zollvereins so einfach nicht zustimmen würden, erklärte Preußen sich bereit, den badischen Vorschlag zur Prägung von Doppeltalern als Vereinsmünze zu unterstützen. Wollten die süddeutschen Staaten am 24 i-Guldenfuß festhalten, stellte Preußen folgende Bedingungen: 1. Es sollte nach 14-Taler- und 24i-Guldenfuß gemünzt werden, wobei 1 Gulden = 60 Kreuzer, 1 Kr. = 4 Heller zu sein hatte. 2. Der Doppeltaler würde dann Gulden gelten, er sollte bei allen Kassen und im Verkehr gültige Vereinsmünze werden und ~ Mark Feinsilber enthalten. Dies widersprach der von den Süddeutschen angenommenen Dezimalteilung des Feingehaltes, die Preußen nicht annehmbar erschien, weil sie zum einen mit einem viel höheren Silbergehalt des Kurants verbunden war (90 gegenüber 75% beim nach dem Münzgesetz von 1821 geprägten preußischen Kurant), wohl aber auch, weil eine Dezimalteilung im Feingehalt unter Umständen ein Präjudiz für die Einführung einer solchen Teilung auch in der Rechnungsweise hätte bedeuten können, während die Münzverfassung von 1821 den Silbergroschen in 12 Pfennig zerteilt hatte. 3. Zu überlegen sei, so der dritte Vorschlag des Promemorias, ob nicht auch der 12-1ötige Taler Vereinsmünze werden könne. 4. Alles andere Kurant dürfe nur nach 14-Taleroder 24 i-Guldenfuß geprägt werden. 5. Die Teilnehmerstaaten eines solchen Münzvereins müßten auf die Einhaltung bestimmter Prägequoten verpflichtet werden, und 6. sollten Sachverständige über die Angleichung des Prägewesens beraten.

3i

314 "Promemoria über die Annahme eines gleichen Münzsystem im Zollvereine", 15.6.1837, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2101 und BHStA M A 25610. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußern. 315 Besonderes Protocoll, abgehalten über die Besprechung des Königlich Preussischen Promemorias die Annahme eines gleichen Münz-Systems im Zoll-Vereine betreffend, München, 22.8.1837, in: BHStA M A 25606. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußern.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Die bayerische Regierung konnte sich mit der Antwort auf die preußischen Vorschläge, nun, nachdem die Münchner Konferenz sich rasch hatte einigen können und dabei weitestgehend den bayerischen Vorstellungen entsprochen wurde, ihrerseits einige Zeit lassen. Ende Oktober ließ der bayerische Außenminister Preußen die Äußerung seiner Zufriedenheit zukommen, daß auch Preußen mittlerweile das Weiterbestehen des Kronentalerfußes zur Grundlage einer Einigung über das Münzwesen im Zollverein machen wolle. Noch einmal bekräftigte er, daß eine Übernahme des 14-Talerfußes für die Guldenstaaten nicht in Frage komme. Die Einführung einer anderen als der gewohnten Rechnungsart sei nämlich mit erheblichen Problemen behaftet. "Diese Schwierigkeiten sind um so größer, ja sie werden zur Unmöglichkeit, wo der gesetzlich bestehende Münzfuß das rechtliche Maß aller Steuer-, Grundbarkeits- und Privat-Vermögens [sie] bildet." Besonders anerkennenswert sei, daß Preußen diese Schwierigkeiten eingesehen habe und nicht etwa das numerische Übergewicht seiner Bevölkerung unter den Zollvereinsstaaten und damit im Geldverkehr des Zollvereins ausnutzen wolle, um auf eine Übernahme seines Münzfußes auch im Süden zu dringen. Die Vereinbarung über die Schaffung einer gemeinsamen Vereinsmünze sei natürlich einer Konferenz aller Zollvereinsstaaten vorbehalten. Jedoch müsse eine zollvereinsweite Regelung auf den Grundlagen der süddeutschen Münzkonvention getroffen werden, d.h. unter Anerkennung des Weiterbesteheus des 24 ~-Guldenfußes? 16 2. Der Dresdner Münzverein (1838)

Die Propositionen der süddeutschen Staaten und Preußens hatten das Terrain bereitet für eine Münzvereinbarung des gesamten Zollvereins; wie diese Vereinbarung aussehen konnte, stand im wesentlichen bereits vor Beginn der Verhandlungen fest, weil beide Seiten ihre essentiellen Punkte unmißverständlich deutlich gemacht hatten. Der einladenden Regierung Sachsens gelang es jedoch, mit ihren Vorschlägen zur vollständigen Neuordnung eines einheitlichen Münzwesens im Zollverein, das an die Stelle des 14-Taler- und des 24 ~-Guldenfußes treten sollte, eine Handlungsalternative aufzuzeigen und damit die anderen Staaten immerhin in einen Rechtfertigungszwang zu bringen? 17 Sachsen erklärte, den Konventionsfuß aufgeben zu 316 Schreiben Gises an den außerordentlichen preußischen Gesandten in München, Graf Doehnhoff, 21.10.1837 (Abschrift), in: BHStA M A 25610. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem. 317 Vorläufige Erklärung der königlich sächsischen Regierung in Beziehung auf die über das Münzwesen, Seiten der königlich preussischen und der süddeutschen Regierungen gemachten Eröffnungen, mit Hinblick auf die bevorstehende Münzconferenz, Dresden 8.3.1838, (gedruckt), in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2102.

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wollen. Zur Absicht, zwei Münzsysteme aufrecht zu erhalten, führte das Schreiben aus, daß die von den Süddeutschen gescheuten Schwierigkeiten beim Übergang zu einem anderen System nur zu rechtfertigen seien, wenn durch das neue "die Vorteile eines den Anforderungen der Wissenschaft und Erfahrung vollkommen entsprechenden für den Zahlungsgebrauch wie für die Rechnung gleich bequemen und der möglichsten geographischen Ausbreitung sich erfreuenden Münzsystem erlangt werden." Diese Vorteile biete aber nur das dezimale System, welches Sachsen bei den folgenden Verhandlungen nahezu allein vertrat. Nur Kurhessen unterstützte schon 1838 den sächsischen Vorschlag, weil sein Währungsgebiet in eine nördliche Taler- und eine südliche Guldenregion geteilt war? 18 Wenn aber der 14-Talerfuß und der 24i -Guldenfuß bestehen blieben, so wollte Sachsen spätestens 1841 den preußischen Fuß (und statt der Dresdener (233,5804 g) die Kölner Mark als Grundgewicht) einführen. In Verbindung mit diesen Bemerkungen lud die sächsische Regierung die anderen Staaten des Zollvereins ein, unmittelbar vor der für Juni ebenfalls in Dresden geplanten General-Zollkonferenz zur längst fälligen Münzkonferenz zusammenzutreten. Preußen antwortete - wie wohl auch nicht anders zu erwarten gewesen war - auf die mit der Einladung verbundenen Vorschläge Sachsens rundheraus ablehnend: Weder die Einführung des Dezimalsystems, noch auch nur die Übernahme des französischen Münzgrundgewichtes (250 g) seien für Preußen akzeptabel. 319 Die preußischen Grundsätze bei den bevorstehenden Verhandlungen waren auf einer Konferenz des Außen- und des Finanzministeriums am 25. April festgelegt worden (Teilnehmer: Alvensleben, die Geheimen Legationsräte Eichhorn und Michaelis, die Geheimen Ober-Finanzräte Pommer-Esche und Adelung, der Generalmünzdirektor Goedeking und der Hauptmünzwardein Kandelhardt); Pommer-Esche wurde zum preußischen Verhandlungsführer in Dresden ernannt. Die ihm mitgegebenen Grundsätze waren 320 : 1. Vereinsmünze sollte der Doppeltaler werden. Beim Feingehalt dieser Münzen sei man bereit, den süddeutschen Wünschen zu entsprechen. Sollten die süddeutschen Staaten jedoch 1-Talermünzen als Vereinsmünzen wollen, so könnten diese nur 12-lötig geprägt werden, wenn ein allgemeiner Umlauf gewünscht werde, weil Preußen nicht zugemutet werden könne, ein und dieselbe Münze mit zweierlei Feingehalt auszuprägen. 2. Außer bei den Zollkassen sei fremdes Landeskurant nicht zu akzeptieren, fremde Scheidemünzen sollten überhaupt nicht angenommen werden Vgl. Hahn, Wirtschaftliche, S. 397 fn. Lotturn und Alvensleben an den sächsischen Minister Zeschau, 23.5.1838, (Abschrift) in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2102. 320 Ebd.: Promemoria. Resurne der in der Conferenz vom 25ten April verhandelten Gegenstände die Münzvereins-Angelegenheit betreffend, 28.4.1838, gez. Adelung. 318

319

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müssen. Eichhorns Position, der den süddeutschen Staaten in der Frage der Annahme der Kronentaler in Preußen so weit wie möglich entgegenkommen wollte, da die Bildung von separaten Münzvereinigungen innerhalb des Zollvereins zu vermeiden sei, konnte sich damit nicht durchsetzen; Lotturn und Alvensleben erklärten die Ausschließung der Kronentaler aus dem preußischen Umlauf für eine Grundbedingung der Münzeinigung. 321 3. Goldmünzen anderer Vereinsstaaten sollten nur Ware sein und nicht zum Kurantwert der eigenen Landesgoldmünzen benutzt werden. 4. Kein Staat sollte seine Kurant- und Scheidemünzen im Nennwert herabsetzen dürfen, sondern alle müßten die abgenutzten Münzen einziehen. Pommer-Esche sollte auf Anträge, die seinen Instruktionen zuwiderliefen, nicht eingehen. Über neue Gesichtspunkte durfte er zwar mitreden, verbindliche Erklärungen aber erst auf Anfrage in Berlin abgegeben. Auch in Bayern widmeten sich Außen- und Finanzministerium der Erarbeitung einer Verhandlungsstrategie für die Münzkonferenz. Für Bayern bestehe zwecks Erhaltung des süddeutschen Münzvereins das Interesse, berichteten die beiden Verantwortlichen dem König, daß alle Staaten der süddeutschen Münzkonvention möglichst die gleichen Bevollmächtigten nach Dresden entsendeten, wie im letzten Jahr nach München, damit dort auch die gleichen Standpunkte vertreten würden. Der entscheidende Verhandlungspunkt in Dresden werde die Frage einer Zollvereinsmünze sein. Dabei müsse gewährleistet werden, daß diese Verhandlung vollkommen von der Zollvereins-Konferenz getrennt werde, um Bayern nicht in der Münzsache zu Konzessionen zu nötigen. Den preußischen Absichten gegenüber ließen die Minister ein tiefes Mißtrauen erkennen: "Es wird ... das erste und vorzüglichste Augenmerk darauf zu richten seyn, die Bestimmungen der Conventionen vom 25. August [1837] in ihrer vollen und unverletzten Wirksamkeit zu erhalten. Die Wichtigkeit dieser Bestimmungen für die Selbständigkeit der Münzverhältnisse unter den süddeutschen Staaten ist ohnehin außer Zweifel. Jemehr [sie] dieselben aber der Ausdehnung des Vierzehn-Thalerfußes und seiner Theilstücke über alle Staaten des Zollvereins hemmend entgegentreten, jemehr ist zu erwarten, daß alles angewendet werden wird, um die Ergebnisse der süddeutschen Münzeinigung in ihren Wirkungen erfolglos zu machen." In diesem Sinne sei es von Nachteil, daß die Münzkonferenz in Dresden zu einem Zeitpunkt beginne, zu dem es noch nicht möglich gewesen sei, in allen süddeutschen Staaten die Ausmünzungen der Gulden so zu fördern, wie es in Bayern geschehen sei. Deshalb seien die Staaten der Münchener Konvention noch nicht mit so vielseitigen Interessen an das Münzsystem von 1837 gebunden, als wenn dieses bereits vollständig ins Leben getreten wäre. Auch gegenüber der vermeintlich kompro321 Ebd.: Eichhorn an Lotturn und Alvensleben, 4.2.1838; Lotturn und Alvensleben an das Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, 28.2.1838.

10*

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mißfördernden Position des einladenden Sachsen hielten Gise und Wirschinger Argwohn für angebracht: Anders als bei sachgemäßer und leidenschaftsloser Einschätzung der Lage zu erwarten gewesen wäre, nehme die sächsische Regierung nämlich keine vermittelnde Haltung zwischen dem 14-Taler- und dem 24 !-Guldenfuß-System ein. "Weit entfernt davon hat sie es sich im Gegentheil zur Aufgabe gemacht, den preussischen Interessen in weit ausgedehnterer Weise das Wort zu reden, als dieses von Preußen selbst geschehen ist." Zu erkennen sei die Rolle, die Sachsen spiele, an dessen Vorschlag, künftig dem preußischen Taler mit allen seinen Teilstükken als Vereinsmünze im ganzen Zollverein Kurs zu geben. "Würde dieß der Fall seyn, so würde es von den norddeutschen Staaten nur zeitweiser Opfer bedürfen, um die süddeutschen Guldenstücke einzuziehen, umzuschmelzen, den ganzen Süden mit Norddeutschem Gelde zu überschwemmen und selbst das Gulden-Rechnungs-System ganz umzuwerfen." Offenbar habe sich die sächsischen Regierung zur Verfechterin der preußischen Interessen machen lassen, weil ihr eigenes Münzsystem der Übermacht des preußischen unterlegen sei. Es sei die Absicht der bayerischen Regierung gewesen, so die Minister weiter, noch vor Beginn der Dresdner Konferenz unter den süddeutschen Staaten eine einige Haltung herzustellen; dazu hätten sich deren Bevollmächtigten auf dem Weg nach Dresden in Frankfurt oder Darmstadt treffen sollen. Diese Einladung hätte aber von einem anderen Staat als Bayern ausgehen müssen, um den Eindruck zu vermeiden, Bayern wolle gegen die norddeutschen Staaten Opposition machen. Es habe sich aber gezeigt, daß von den kleineren Staaten des Münzvereins niemand den preußischen Interessen entgegenzutreten wage. Bei dieser Lage der Dinge bleibe nicht anderes übrig, als die sächsischen Vorschläge rundheraus abzulehnen und sich für die preußischen (aus dem Promemoria vom 15. Juni 1837) auszusprechen, soweit sich diese mit der Aufrechterhaltung des Guldensystems vereinbaren ließen, namentlich wenn es um die Einführung des Doppeltalers als Vereinsmünze gehe. Die Grundsätze der bayerischen Verhandlungsführung in Dresden müßten nun sein: 1. Die Herstellung der Übereinstimmung der Münzsysteme des Zollvereins dürfe nur bezüglich des Münzfußes angestrebt werden. Die Münchener Münzkonvention habe aber mit dem 24 ~­ Guldenfuß bereits einen Münzfuß festgelegt, der mit dem 14-Talerfuß "ganz identisch ist". 2. Ein dem süddeutschen System analoger Kontrollmechanismus für die einzelstaatlichen Ausprägungen müsse geschaffen werden. 3. Die Staaten des Münzvereins seien zu verpflichten, die älteren, ungleichartigen oder abgenützten Stücke einzuziehen und einzuschmelzen und durch bessere zu ersetzen. 4. Alle Scheidemünzen sollten dem preußischen Vorschlag gemäß Sache der ausgebenden Länder bleiben. 5. Es müsse darauf beharrt werden, daß, wenn den älteren preußischen Talern Kurs in den süddeutschen Ländern gegeben werde, auch Preußen den Kronentalern in

Ill. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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den nördlichen Ländern den Umlauf zu gestatten habe. 6. Als Vereinsmünze wolle man das 2 fl. 20 Kr. oder 1 j-Talerstück; im äußersten Falle sei man jedoch bereit (wofür die Minister die königliche Bewilligung erbaten und erhielten), auch dem 2-Talerstück (3 fl. 30 Kr.) zuzustimmen, wenn nämlich von diesem Zugeständnis der ganze Vertrag abhängig gemacht werde. Dann müsse Bayern allerdings darauf bestehen, daß die Ausprägung der Taler- und 2-Talerstücke im Norden nach dem gleichen Feingehalt vorgenommen werde, wie ihn die südlichen Staaten hätten. In diesem Punkt werde sich auch zeigen, ob unter den süddeutschen Staaten eine gänzliche Übereinstimmung der Ansichten bestehe. Baden, Hessen-Darmstadt und Nassau seien nämlich für das 2-Talerstück, während Frankfurt, Württemberg und Bayern die 1 j-Talermünze favorisierten. Unterschiedlich seien die Ansichten auch bezüglich des Umlaufes der Teilstücke des preußischen Talers: Darmstadt, Nassau und bis zu einem gewissen Grade auch Württemberg seien dafür, diese zu gestatten, während Frankfurt, Baden und Bayern dies ablehnten. 322 Anfang Mai betonte Wirschinger noch einmal, daß der Bevollmächtigte auf der Dresdner Münzkonferenz an den Grundsätzen der Münchener Konvention "unerschütterlich" festhalten müsse. Vor allem dürfe er das Prinzip der Reziprozität nicht verlassen, in bezug auf den Umlauf des preußischen 1-Talerstückes im Süden und der Kronentaler im Norden. Wenn Preußen auf der Nichtannahme der Kronentaler bestehe, solle der Bevollmächtigte darauf hinwirken, daß diese Frage ganz aus dem Vertrag ausgeklammert bleibe, so daß Bayern völlig freie Hand im Umgang mit dem preußischen Taler habe. Dem von Preußen vorgeschlagenen 15-lötigen Feingehalt der Vereinsmünze hingegen werde Bayern nicht entgegenstehen, wenn sich eine entschiedene Mehrheit dafür aussprechen sollte. Weiterhin sei der Bevollmächtigte in der Frage der Vereinsmünze auf ein taktisches Vorgehen festzulegen: Bei den gegebenen Mehrheitsverhältnissen sei davon auszugehen, daß sich die Mehrheit für den Doppeltaler als Vereinsmünze erklären werde. "Der Bevollmächtigte wäre daher anzuweisen, bey dem Beginn der Verhandlungen die Vorzüge der 20 fl. 20 kr. [= 1 j Taler] Stücke zu entwikkeln, im Laufe derselben aber das Zugeständniß zu einer Münzsorte von 30 fl. 30 kr. [= 2 Tlr.] allerdings zu erklären, dieses Zugeständniß jedoch auf geeignete Weise als einen Beweis der Nachgiebigkeit und des VereinsSinnes Bayerns geltend zu machen. "323 322 Antrag des Außenministers (Gise) und des Finanzministers (Wirschinger) beim König, 8.4.1838, in: BHStA M A 25633. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem (Hervorhebungen im Original). 323 Der Finanzminister (Wirschinger) an das Außenministerium., 4.5.1838, in: BHStA M A 25605. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußem (Hervorhebungen im Original).

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In der ersten Sitzung der Dresdner Münzkonferenz am 23. Mai 1838 erneuerte und präzisierte Sachsen seinen Vorschlag bezüglich einer Reform des Münzwesens im Zollverein auf der Grundlage des Dezimalsystems324 : Danach sollte der preußische Dritteltaler in Dezimalteilung zur einheitlichen Münze Zollvereins-Deutschlands gemacht werden; diese Hauptmünze sollte deutsche Mark (oder Neugulden) genannt werden, ihre Unterteilungen As und Einer; Münzgrundgewicht sollte das halbe Zollpfund (250 g) sein. Diesem Vorschlag ist im Lichte der ;späteren Schaffung einer Reichswährung auf sehr ähnlicher Basis (allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß es sich 1871173 um eine Goldwährung handelte) viel Aufmerksamkeit zugekommen. Für den Fortgang der Verhandlungen allerdings spielte er keine Rolle, vielmehr traf er in allen Aspekten auf die nahezu einhellige Ablehnung der anderen Zollvereinsstaaten. Wenn etwa Rittmann also von einem "reizvollen Vorschlag" spricht, der aber "angesichts des konservativen Denkens der damaligen Zeit" verfrüht gewesen see25 , und damit Sachsen in die Rolle eines ungehörten Propheten erhebt, ist dem entgegenzuhalten, daß Sachsen mit diesem Vorstoß ebenso materielle Interessen verband - wie die anderen Konferenzteilnehmer mit ihren Verhandlungspositionen auch - und weniger als uneigennütziger Vorkämpfer der deutschen Währungseinheit zu verstehen ist. Sachsen fiel die Propagierung des Planes zur gänzlichen Neuschaffung einer Einheitswährung deshalb vergleichsweise leicht, weil es im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten mit dem Konventionsfuß ein Münzsystem hatte, das sich weder in das süddeutsche Gulden- noch in das norddeutsche Talersystem einfügte und in dem schon seit längerer Zeit keine Münzen mehr geprägt wurden, so daß Sachsen in jedem Fall ein neues Münzsystem hätte annehmen müssen. Dazu kam, daß Sachsen aufgrund seiner geographischen Lage mit dem Verlust einiger Stammlande an Preußen nach dem Wiener Kongreß, dann aber auch, weil es der wirtschaftlich am weitesten entwickelte Staat des Deutschen Bundes war326, mehr vom Außenhandel abhängig war als andere und damit auch stärker belastet wurde durch das Weiterbestehen unterschiedlicher Währungen bei seinen Nachbarn. Auch der Vorschlag Sachsens, dann doch zumindest das halbe Zollpfund als Münzgrundgewicht einzuführen, 324 Verhandlungen der allgemeinen Münzconferenz unter den Staaten des Zollund Handels-Vereins im Jahre 1838, Dresden (gedruckt). Allgemeine Münzconferenz Protokoll I, 23.5.1838 S. 1- 13, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Finanzministerium Abtheilungen für Handel, Gewerbe und Bauwesen, A X, Nr. 10 Vol. 2. 325 Rittmann, Deutsche, S. 539; ähnlich beispielsweise Schultz, Kleine, S. 18. 326 Vgl. Holtfrerich, The monetary, in: de Cecco/Giovannini (Hg.), A European, S. 220. Zudem sei auf die Leipziger Messe als möglichen Beweggrund für das sächsische Vorgehen verwiesen, weil gerade das Zusammenkommen von Kaufleuten aus zahlreichen Ländern auf einer solchen Veranstaltung auch das Einströmen vieler unterschiedlicher Geldsorten mit sich brachte.

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wurde abgelehnt. Sachsen führte zur Begründung an, daß das französische dezimale System fast überall in Gebrauch sei; die Bevollmächtigten Preußens, Bayerns, Württembergs, Badens, Nassaus und Frankfurts jedoch sahen mit einer solchen Veränderung des Münzgrundgewichtes den Anschein einer Münzverschlechterung gegeben, der unbedingt zu vermeiden sei (bei unverändertem Wertverhältnis zwischen Taler und Gulden hätte sich ein Fuß von 15 Talern oder 26 ~ Gulden auf 250 g Feinsilber ergeben, wenn man diese Taler und Gulden den bisherigen möglichst gleichwertig machen wollte, d. h. es hätten mehr Münzen aus dem Grundgewicht geschlagen werden können und sich damit das Feingewicht der einzelnen Münze verringert). Zur Grundlage der weiteren Verhandlungen wurde das preußische Promemoria vom 15. Juni 1837 genommen, insbesondere das darin ventilierte Konzept vom Weiterbestehen des Guldenfußes im Süden und des Talerfußes im Norden, das durch seinen Kompromißcharakter sowohl den preußischen wie auch den süddeutschen Interessen nicht zuwiderlief. Ebenso fand der preußische Vorschlag Zustimmung, das 2-Talerstück als Vereinsmünze einzuführen; Pommer-Esche gestand für Preußen dabei - getreu der ihm mitgegebenen Instruktionen - die Feinheit dieser Münze von 9110 zu (Allgemeine Münzconferenz Protokoll II, 25.5.1838). Die Schaffung einer Vereinsmünze war die wichtigste Neuerung des Dresdner Münzvertrages; ironischerweise erwies sich jedoch gerade der dafür ausgewählte Doppeltaler, das kleinste gemeinsame Vielfache des Gulden- und des Talersystems, als weitgehend ungeeignet: "Wenn aber damals und später behauptet worden ist, die Doppeltaler hätten ihren Zweck verfehlt, so wird sich schwer etwas dagegen sagen lassen. Denn vermittelndes Glied zwischen dem nordischen und südlichen Münzsystem sind sie nicht geworden, im kleinen Verkehr sah man sie selten. Gewiß eigneten sie sich als Depot- und Transportmünze ... besser als die Taler, so daß sie die Ausfuhr dieser Hauptmünze Deutschlands verhinderten, aber diese Aufgaben hätten ebenso und noch besser geeichte Silberbarren geleistet."327 Vor allem das Volumen des sogenannten "Champagnertalers" (weil das Wertäquivalent des Doppeltalers eine Flasche Champagner war) mit einem Durchmesser von 41 mrn und einem Gewicht von 37,1 g, machte dessen Verwendung zu unbequem und stand somit seiner Ausbreitung im Zahlungsverkehr entgegen. Umstritten war dagegen die badische Forderung, der sich Frankfurt anschloß, die Zahl der auszuprägenden Doppeltaler in den ersten Jahren auf 6 Mio. Stück zu erhöhen. Dem stellte sich Preußen entgegen, das auf einer Quote von 2 Mio. Stück für die Jahre 1839-41 beharrte; danach sollten immer in vier Jahren 2 Mio. Stück geprägt werden, und zwar anteilig nach 327

Schrötter, Preußisches 2, S. 58.

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der Bevölkerungszahl jedes Staates (Protokoll V, 11.6.1838). Trotz dieses Interludiums, mit dem Preußen einmal mehr gezeigt hatte, daß sein vordringliches Interesse darauf gerichtet war, Veränderungen seines eigenen, mit viel Mühe erbauten Münzsystems abzuwehren, schien die Konferenz auf ein schnelles einvernehmliches Ende hinauszulaufen. Die Geheimen Räte Kühne und Michaelis konnten in Berlin bereits daran gehen, einen Entwurf der Münzkonvention aufzusetzen 328 , der später dann auch mit nur wenigen Änderungen auf der Konferenz angenommen wurde. Zuvor kam es jedoch in der Frage der Annahme der Kronentaler in Preußen und der gegenseitigen Akzeptanz des Länderkurants zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den süddeutschen Staaten und Preußen, an denen die Konferenz sogar zu scheitern drohte. Der Konflikt entzündete sich an der bayerischen Forderung nach voller Zulassung der Kronentaler und Gulden auch im Norden; dieser Forderung schlossen sich die anderen Süddeutschen an (Protokoll VI, 12.6.1838, Protokoll VII, 15. und 16.6.1838, und Protokoll VIII, 2., 13., 14. und 21.7.1838). Auf die preußische Ablehnung dieses Ansinnens hin erklärte der Bevollmächtigte Hessen-Darmstadts, die beiden Münzsysteme dürften doch keinen "Vernichtungskrieg" gegeneinander führen. Das geschehe aber, wenn ein Staat die Münzen eines anderen einschmelze (was sich auf Preußens Verhalten gegenüber den Kronentalern bezog). Die preußischen Taler müßten zu den Kronentalern und süddeutschen Gulden in festem Verhältnis von 4 Tlr. = 7 fl. stehen. Nassau fügte hinzu, daß ohne Kassenkurs die süddeutschen Münzen im Norden den Charakter einer Ware mit stets schwankendem Wert innehätten (Protokoll VI, 12.6.1838, S. 92). Preußen hielt dem entgegen, daß es einer Annahme des fremden Landeskurants an seinen staatlichen Kassen keinesfalls zustimmen könne, weil "auf der einen Seite davon ausgegangen werde, daß die gegenseitige Zulassung sich nicht auf eine bloße Duldung zu beschränken, sondern auch auf die Verpflichtung zur Annahme bei den öffentlichen Kassen und im gemeinen Verkehr zu erstrecken habe, während auf der anderen Seite eine so ausgedehnte Zulassung um so weniger für thunlich erachtet werde, als bei solchen Münzen, die in die Münzeinteilung und Rechnungsweise eines Landes nicht hineinpassen, selbst die allgemeine Duldung nicht ohne Bedenken erscheine." (Protokoll VIII, 2., 13., 14. und 21.7.1838, S. 123). Um aber den angedeuteten "Vernichtungskrieg" nicht aufkommen zu lassen, schlug Pommer-Esche vor, daß es jeder Regierung überlassen bleiben sollte, ob sie die Kurantmünzen anderer Vereinsstaaten bei den Staatskassen und für den gewerblichen und Handelsverkehr der eigenen Landesmünze gleichstelle. 328 Entwurf von Michaelis mit Verbesserungen/Erweiterungen von Kühne; handschriftlich, undatiert. Datierung erfolgt nach beiliegendem Schreiben Kühnes und Michaelis vom 9.7. und Kühnes vom 10.7.1838, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2102.

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Über diese Frage seien zudem weitergehende Verhandlungen aufzunehmen; bis zu deren Abschluß solle sich jeder Teilnehmer am Münzverein verpflichten, die Annahme und Wiederausgabe der Landeskurantmünzen im allgemeinen Verkehr seines Landes nicht zu verbieten und sie nicht - im allgemeinen Umlauf oder wenn sie denn bei den öffentlichen Kassen angenommen werden sollten - auf einen geringeren als den nach den (Zoll-) Valvationstabellen bestimmten Wert herabzusetzen. Auf diese Formel konnten sich die Konferenzteilnehmer dann auch einigen. Allerdings stellte Preußen selbst diese Einigung noch einmal in Frage, als es kurz vor Ende der Verhandlungen mit einem neuen Vorschlag hervortrat, der vollkommen überraschend kam, weil er der bisherigen preußischen Verhandlungslinie ganz entgegengesetzt war. Im Bericht der bayerischen Regierung329 heißt es dazu, daß Preußen jetzt, da die Unterzeichnung des Münzvertrages in greifbare Nähe gerückt sei, den Antrag gestellt habe, sein grobes Kurant in Süddeutschland zuzulassen und ihm Kurs zu geben. Damit aber würden die Bestimmungen der Münchener Konvention praktisch aufgehoben. Der Antrag sei jedoch so geschickt verlaßt, daß Bayern ihm nicht direkt entgegentreten könne, ohne als Verantwortlicher eines eventuellen Scheiteros der Konferenz angesehen zu werden. Deshalb, schlugen die Minister vor, solle der Bevollmächtigte erklären, daß dieser Antrag eine wesentliche Veränderung der bis dato erreichten Vertragssubstanz bedeuten würde, der längere neue Beratungen erfordere. Ihn erwarteten aber bereits jetzt dringende Dienstgeschäfte in München, so daß er es gerade noch bewerkstelligen könne zu bleiben, wenn der Vertrag sogleich unterzeichnet würde; ansonsten müsse er abreisen. Es sei zu erwarten, daß diese bestimmte Erklärung ausreichen würde, um eine Unterzeichnung der Konvention herbeizuführen. "Sollte dem nicht also seyn, so würde daraus gefolgert werden müssen, daß Preußen und den norddeutschen Staaten mit dem Abschluß einer Convention über eine grobe Vereinsmünze nicht Ernst, sondern vielmehr lediglich dabey beabsichtigt sey, dem Thaiergeide das Uebergewicht in Deutschland zu verschaffen. Unter solchen Voraussetzungen würde es besser seyn, bey den Bestimmungen der Separat-Artikel vom 25. August 1837, welche das Guldensystem schützen, stehen zu bleiben", mit anderen Worten: auf eine Vereinsmünze zu verzichten. Es läßt sich aus den Quellen nicht mehr rekonstruieren, warum Pommer-Esche mit diesem Antrag in letzter Minute, von dem er dann angesichts des bayerischen Widerstandes schnell wieder abrückte, ein Scheitern der Konferenz in Kauf nahm. Die Vermutung der bayerischen Regierung, es sei Preußen überhaupt nur um die Erweiterung seines Münzsystem auf den Süden gegangen, ist einerseits 329 Antrag des Außenministers (Gise) und des Finanzministers (Wirschinger) an den König, 25.7.1838, in: BHStA M A 25634. Acta des Staats-Ministeriums des k. Hauses und des Aeußern.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

angesichts der Störversuche gegenüber den Münchener Verhandlungen vom vorigen Jahr und des aktuellen Verhaltens des preußischen Emissärs einleuchtend. Anderseits stehen dem Verdacht, daß Preußen tatsächlich bereits zu diesem Zeitpunkt eine machtpolitisch motivierte Geldpolitik gegenüber den süddeutschen Staaten des Zollvereins betrieben habe, indem es den Export seiner Währung unterstützte, die vielfältigen Bemühungen Berlins entgegen, das eigene Kurant im Lande zu halten. Ferner würde eine derartige wirtschaftspolitische Strategie nicht der mittlerweile hochkonservativen Ausrichtung der preußischen Regierung entsprochen haben, die auch im Hinblick auf den Zollverein auf außenpolitischen Machtgewinn abzielende zusätzliche finanzielle Belastungen scheute, und die Förderung der Verwendung des preußischen Kurants in Süddeutschland hätte aufwendige Neuprägungen von erheblichen Mengen Talern bedeutet. 330 Nachdem Preußen von seinem störenden Antrag eilends wieder Abstand genommen hatte, konnte am 30. Juli 1838 der Dresdner Vertrag dann von allen Mitgliedsstaaten des Zollvereins unterzeichnet werden? 31 In seinen 18 Artikeln waren die Grundlagen des deutschen Münzwesens niedergelegt, die im wesentlichen über die Erweiterung des Münzvereins um Österreich 1857 hinaus bis zur Reichsgründung gültig blieben. Zunächst legte der Vertrag die Kölner Mark von 233,855 g Silber als allgemein verbindliches Münzgrundgewicht fest. Auf dieser Grundlage sollte es im Münzverein zwei Münzsysteme geben, den 14-Talerfuß mit Groschen und den 24 i-Guldenfuß mit Kreuzern als Teilungsmünzen; alle Staaten hatten sich dem einen oder dem anderen System anzuschließen. Diejenigen Länder, die wie Sachsen oder Gotha mit dem Konventionsfuß noch eine andere gesetzliche Währung hatten, mußten bis spätestens 1. Januar 1841 eines der beiden genannten Systeme einführen. Die unterzeichnenden Staaten verpflichteten sich, bei Kurantausmünzungen ihren jeweiligen Münzfuß gerrau einzuhalten und nicht "unter dem Vorwande eines sogenannten Remediums" den Feingehalt oder das Münzgewicht zu verringern (Art. 5). Mit dieser wichtigen Bestimmung übten die Vertragsstaaten offiziell Verzicht auf den Schlagschatz, der noch wenige Jahre zuvor einen wichtigen Bestandteil der herrschaftlichen Einnahmen ausgemacht hatte, der jedoch aufgrund des finanziellen Erfolges des Zollvereins an Bedeutung verloren hatte und so Ieich330 V gl. die Bemerkungen Hoffmanns über den auf andere Länder ausgeweiteten Umlauf des preußischen Talers: "Diese Verbreitung des preussischen Silbergeldes konnte niemals in den Absichten der preussischen Regierung liegen, welche schon längst nur mit Verlusten vollhaltiges Silbergeld prägen, und daher durchaus kein Interesse haben konnte, mehr als den Bedarf des eigenen Staats zu münzen." Hoffmann, Die Lehre, S. 152. 331 Allgemeine Münzkonvention der zum Zoll- und Handelsverein verbundenen Staaten, 30.7.1838, in: GS 1839, No. 1960, S. 18. Abgedruckt in: Grasser, Deutsche, S. 397-403.

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ten Herzens aufgegeben werden konnte. 332 Als Vereinsmünze wurde der Doppeltaler (= 3~ Gulden) geschaffen, der in allen Vereinsstaaten unbeschränkte Gültigkeit, gleich den eigenen Landesmünzen, haben sollte; die Ausprägungen der Vereinsmünzen, die nach dem Maßstab der Bevölkerungszahl den einzelnen Vertragsstaaten aufgegeben waren, unterlagen der gegenseitigen Kontrolle, nicht jedoch die Herstellung des Landeskurants, wie es der Münchener Vertrag noch vorgesehen hatte. Der Vertrag enthielt sodann die Verpflichtung, daß kein Staat sein Kurant im Nominalwert herabsetzen und auch eine Außerkurssetzung nur nach vorheriger Ankündigung und einer bestimmten Einlösungsfrist vornehmen durfte. Darüber hinaus mußte jeder Vertragsteilnehmer dafür Sorge tragen, sein Landeskurant und die von ihm geprägten Vereinsmünzen einzuziehen und einzuschmelzen, wenn sie sich über einen gewissen Grad hinaus abgenutzt hatten. Nur vage waren die Bestimmungen hinsichtlich der Scheidemünzen: Jedem Staat blieb es selbst überlassen, welche und wie viele Scheidemünzen er produzierte, so lange er dabei nicht mehr Kleinmünzen in Umlauf setzte, als ihm zum Zwecke der Zahlungen im kleinen Verkehr und zur Ausgleichung notwendig erschienen. Außerdem verpflichteten sich die Vereinsstaaten, "nach Thunlichkeit" darauf hinzuwirken, daß die im Umlauf befindliche Überzahl an Scheidemünzen reduziert werde. (Art. 12). Nur in bezug auf die Silberscheidemünzen (also etwa den Silbergroschen) enthielt der Vertrag genauere Bestimmungen, indem er hier die gleichen Normen im Hinblick auf das Verbot der Herabsetzung des Nennwertes und der Außerkurssetzung aufstellte wie beim Kurant. Für Silberscheidemünzen galt zudem, daß die öffentlichen Kassen diese gegen grobe Münzen umwechseln mußten, wenn der Einreichende eine Summe von mindestens hundert Talern oder Gulden präsentierte. 3. Integrationsbemühungen der Talerländer und die weitere Entwicklung im süddeutschen Münzwesen

Die Zweifel an der bayerischen Interpretation des preußischen Verhaltens als ein Versuch, seine Währung im ganzen Zollverein zu verankern, um dadurch Einfluß auf einen wichtigen Politikbereich zu erlangen, erhärten sich, betrachtet man das Vorgehen Preußens auf der sich unmittelbar an das Ende der Dresdner Verhandlungen anschließenden Konferenz der Talerländer?33 332 Vgl. Holtfrerich, The monetary, in: de Cecco/Giovannini (Hg.), A European, S. 236. Siehe auch: Borchardt, Währung, in: Deutsche Bundesbank (Hg.), Währung, S. 4. 333 Teilnehmer: Preußen, Sachsen, Kurhessen, Weimar, Coburg-Gotha, Altenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß ältere Linie, ReußSchleiz, Reuß-Lobenstein-Ebersdorf.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Denn hier zeigte Preußen einmal mehr, daß ihm vordringlich an einer Abwehr jedweder Veränderung seines Währungssystems lag, die möglicherweise mit dem Eingehen von Münzverträgen verbunden sein konnte. Zwar zeigte sich Preußen dazu bereit, die Übernahme seines Münzfußes durch andere Staaten zu akzeptieren. Ein solcher "Anschluß" jedoch hätte nach preußischer Version keine Verpflichtungen mit sich gebracht, da jeder Staat auch weiterhin für seine Geldpolitik und damit die Herstellung und den Erhalt eines eigenen Geldumlaufes verantwortlich sein würde. Bei der Konferenz der Talerländer ging es um die Frage, ob man sich auf eine gleichförmige Unterteilung des Talers einigen könne. Die sächsischen Vorstellungen lauteten dahingehend, bei der dortigen Einführung des 14-Talerfußes die Einteilung des Talers in 24 Gute Groschen zu je 12 Pfennig beizubehalten. Es wurde aber auch vorgeschlagen, den Groschen in zehn Teile statt in zwölf zerfallen zu lassen, um somit einen Schritt in Richtung der Einführung des Dezimalsystems zu machen. Preußen jedoch lehnte es strikt ab, an seinem Scheidemünzenwesen irgend etwas zu ändern. Man könne zwar dem Wunsch nur zustimmen, sich nicht allein auf einen einheitlichen Münzfuß, sondern auch auf ein gemeinsames Münzsystem zu einigen, ließ sich Pommer-Esche vernehmen; namentlich die allseitige Einführung des preußischen Rechnungssystems von 1821 sei erstrebenswert. Sollte aber der Antrag lauten, den Silbergroschen in 10 statt in 12 Pfennige einzuteilen, würde Preußen dem nicht zustimmen können. Der Unterteilung des Silbergroschen komme aber auch keine so große Bedeutung zu; wichtiger sei, sich auf die Unterteilung des Talers in 30 Silbergroschen zu einigen, vor allem, weil der Umlauf der Pfennige sich im wesentlichen auf die ausgebenden Staaten beschränke? 34 Die gegenseitige Zulassung der Scheidemünzen der Talerstaaten kam für Preußen ebensowenig in Frage; nur in bezug auf die thüringischen Staaten, deren Gebiete und Bevölkerungszahlen sehr klein waren und die noch dazu in engen wirtschaftlichen Beziehungen mit preußischen Randgebieten standen (etwa dem Bezirk Erfurt), sei eine derartige Zulassung in Betracht zu ziehen (Besondere Münzconferenz zwischen den norddeutschen Staaten, Protokoll II, 14.7.1838). Die Hauptforderung der anderen Staaten an Preußen war aber, daß ihr neues Kurant nach 14-Talerfuß dort wie Landesgeld behandelt werden sollte. Eine solche allgemeine Zulassung der anderen Taler allerdings war Preußen keineswegs bereit zuzugestehen (Protokoll III, 30.7 .1838). Alvensleben begründete diese Haltung später: "Meine Ansicht hierüber geht un334 Verhandlungen der besonderen Münz Conferenz zwischen den norddeutschen (nach Thaiern rechnenden) Staaten. Besondere Münzconferenz zwischen den norddeutschen Staaten, Protokoll I, 18.6.1838, S. 1 und 6, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Finanzministerium Abtheilungen für Handel, Gewerbe und Bauwesen, A X, Nr. 10 Vol. II.

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ausgesetzt dahin, daß wir in unserem Interesse einer solchen Vereinigung mit den Nachbarstaaten nicht bedürfen [... ]." Vielmehr führe eine derartige Vereinigung in Preußen zu Münzverwirrungen. Solche Münzverwirrungen könnten dadurch entstehen, daß, während jetzt jeder Steuereinnehmer das Landesgeld kenne, er hinfort sich auf die Münzen von zehn anderen Herren werde verstehen und immer prüfen müssen, ob nicht auch Münzen noch anderer Staaten darunter seien. Und wenn man auch nicht annehmen wolle, daß der Münzfuß mit Absicht verschlechtert werden würde, so sei es für kleine Münzstätten doch nicht leicht, immer mit gleicher Genauigkeit zu arbeiten. Preußen bedürfe der Annahme fremder Münzen außerdem nicht, weil es einen hinlänglichen Vorrat vollwertiger Kurantmünzen besitze. 335 Auf diese Weise kam statt des angestrebten Münzvertrages nach dem Vorbild der Münchener Konvention nur die Vereinbarung einer protokollarischen Notiz zustande, mit der Verabredungen allein über die äußere Form der Münzen, die zulässigen Abweichungen davon und die Legierung (12-lötig bei allen Talerstücken, 8~-lötig bei allen Kurantteilstücken des Talers (Sechstel, Drittel und Zweidrittel)) getroffen wurden. 336 Auf der letzten Sitzung der Konferenz faßte der Vertreter Kurhessens noch einmal zusammen, warum zum gegebenen Zeitpunkt eine besondere Vereinigung der Talerstaaten noch nicht möglich sei: Zunächst scheitere die gleiche Einteilung des Talers in Groschen an Sachsens Widerspruch; dann lehne Preußen die unbeschränkte Annahme des Kurants anderer Staaten an seinen Kassen ab; drittens verweigere sich Preußen auch der berechtigten Forderung nach Festlegung einer Abnutzungsgrenze des Kurants. Der Grund dafür dürfte der immer noch große Anteil von Geldstücken aus dem vorigen Jahrhundert an der preußischen Gesamtzirkulation gewesen sein (Protokoll III, 30.7.1838). Erst im Verlauf der 1840er Jahre erlaubte sich die preußische Regierung, von ihrer harten Haltung gegenüber der Zulassung des vereinständischen Kurants außerhalb der Zollkassen allmählich abzurücken. Am 20. November 1845 wurde den öffentlichen Kassen seitens der Staatsministeriums erlaubt (nicht jedoch befohlen!), die neuen Taler der Münzvereinsstaaten anzunehmen, doch sollte darüber keine öffentliche Bekanntmachung erfolgen. 337 Nicht eher als 1853 wurden die preußischen Kassen zur Annahme 335 Memorandum, unterzeichnet von Alvensleben und Kühne, an Lottum, 16.2.1839, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2103. 336 Besondere protokollarische Uebereinkunft zu der allgemeinen Münzconvention vom heutigen Tage, 30.7.1838, S. 37 f. in: GStAPK I. HA Rep. 120 Finanzministerium Abtheilungen für Handel, Gewerbe und Bauwesen, A X, Nr. 10 Vol. 2. 337 In: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2106. Noch 1842 war die Zulassung der fremden Taler an sämtlichen öffentlichen Kassen in Preußen als unmöglich bezeichnet worden; vgl. Thile an Alvensleben, 2.3.1842, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2105.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

aller nach dem 14-Talerfuß geprägten Taler verpflichtet. Das Kleinkurant blieb von der Annahme allerdings weiterhin ausgeschlossen. Die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der Vereinsmünze brachte zu Beginn der 1840er Jahre die Staaten des süddeutschen Münzvereins dazu, sich über eine weitere Ausbildung des gemeinsamen Guldensystems auszutauschen. 1841 regte Hessen-Darmstadt die Aufnahme des 2-Guldenstückes in das süddeutsche Münzsystem an. Die bisherige Ausprägung von 3 ~-Gul­ denstücken (= 2-Taler-Vereinsmünzen) sei zur Herstellung einer ausreichenden Geldmenge erfolglos geblieben, da diese Münzen zumeist sogleich nach Norden abgeflossen seien. Der Süden habe nur die Prägekosten ohne einen Nutzen gehabt. Die sowieso anstehenden Verhandlungen über das auszuprägende Münzquantum sollten daher genutzt werden, um sich über die Einführung des 2-Guldenstückes zu beraten. Dem stimmte die bayerische Regierung zu. 338 Aufgrund der hessischen Anregungen bat Bayern die anderen süddeutschen Zollvereinsstaaten um Äußerungen zu einem qualitativen Ausbau der Münchener Münzkonvention. Außenminister Gise faßte die aus den bayerischen und sonstigen Vorschlägen erwachsenen Punkte zusammen, die auf einer weiteren Münzkonferenz zu besprechen seien: Alle Regierungen hätten die Notwendigkeit der Einziehung und Umprägung der noch umlaufenden Kronentaler anerkannt. Ebenfalls Einigkeit herrsche bei dem Wunsch, 2-Guldenstücke auszuprägen. Auch die Einziehung der alten und abgenutzten Scheidemünzen würden alle als unumgänglich ansehen. Über diese Punkte solle nun eine weitere Münzkonferenz abgehalten werden, zur Vervollständigung des süddeutschen Münzvereins, der "die süddeutschen Staaten vor der Uebermacht des Thalersystems gerettet" habe. 339 Ungeachtet dieser von Gise festgestellten Übereinstimmungen konnte er aber erst im Januar 1845 seinem König berichten, daß alle süddeutschen Staaten den bayerischen Propositionen für die Konferenz zugestimmt hätten; bis dahin hatte sich namentlich Württemberg gegen Verabredungen über die Einziehung der Kronentaler gesperrt. Anläßlich der ersten Sitzung der Konferenz (22. Februar 1845), die abermals in München stattfand, legte die bayerische Regierung einen Vertragsentwurf vor, in dem noch einmal die Vorschläge Gises von 1844 kompiliert waren. 340 Danach sollten von denjenigen Kronentalem, die sich noch im 338 Schreiben des großherzoglich hessischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten (v. Breidenbach) an das bayerische Außenministerium, Darmstadt, 25.10.1841 ; Bayerisches Außenministerium an das großherzogliche hessische Außenministerium, 6.5.1842, in: BHStA M A 25615. Acta des Ministeriums des Koeniglichen Hauses und des Aeussern. 339 Ebd.: Antrag des Außenministers (Gise) an den König, 19.1.1844. 340 Entwurf einer Vereinbarung unter den Regierungen des süddeutschen Münzvereins behufs der weiteren Ausbildung und Vervollständigung des süddeutschen

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Umlauf befanden, aber nicht mehr mit dem derzeitigen Münzsystem übereinstimmten, innerhalb von sechs Jahren mindestens 12 Mio. fl. eingezogen und durch Münzen des Guldensystems ersetzt werden. Von der im Vorjahr angekündigten Einziehung aller noch umlaufenden Kronentaler fremden oder alten Gepräges (es handelte sich dabei laut einer den Vorschlägen beiliegenden Aufstellung um mehr als 166 Mio. fl. , wovon nur rund 30 Mio. süddeutschen Gepräges, der Rest österreichischer Herkunft oder Brabanter Kronentaler waren) war demnach die eher bescheidene Summe von 12 Mio. als Kompromiß übrig geblieben, angesichts dessen sich freilich die Frage aufdrängt, warum für eine solche kaum spürbare Maßnahme eigens eine Konferenz hatte anberaumt werden müssen. Neun Jahre nach der Begründung der süddeutschen Münzkonvention machten die Kronentaler offenkundig noch einen so großen Anteil an der im Guldenraum umlaufenden Geldmenge aus, daß die Einziehung und Umprägung eines bedeutenderen Betrages mit einem nicht tragbaren Aufwand verbunden gewesen wäre. Eine ebenfalls sehr "weiche" Formulierung wählte der bayerische Vorschlag bezüglich der Außerkurssetzung der alten Scheidemünzen: "Sämtliche kontrahirende Regierungen machen sich verbindlich", hieß es dort im Artikel 12, "eine den Scheidemünzen-Verhältnissen ihres Landes entsprechende Summe in abgenützten und kursunfähigen Scheidemünzen alljährlich aufzubringen und einzuschmelzen [. .. ]". Wie schon in den Vereinbarungen von 1837 und 1838 sollte demnach die Bestimmung der einzuziehenden Menge dem Gutdünken der einzelnen Regierungen überlassen bleiben. Die wichtigste Bestimmung enthielt der fünfte Artikel der Propositionen, daß nämlich neben die 1837 vereinbarten ganzen und halben Guldenstücke das 2-Guldenstück als größte grobe Münze treten sollte. Dieser Vorschlag zielte zum einen auf die Vervollständigung des süddeutschen Münzsystems ab, indem damit eine Handelsmünze konzipiert wurde, welche sich in die Guldenrechnung erheblich besser einpaßte und viel unkomplizierter in der Verwendung war als die Dresdner Vereinsmünze von 3& Gulden. Zum zweiten bedeutete die Herstellung einer solchen Münze aber auch den Versuch einer Abgrenzung gegenüber dem Talerraum, indem es den Doppeltaler als Vereinsmünze zurückwies (der ja gerade im Hinblick auf die Einpassung sowohl in die Taler- als auch in die Guldenrechnung bestimmt worden war) und an dessen Stelle eine Münze setzte, die in der Talerrechnung praktisch nicht verwendet werden konnte, kam doch ihr Wert von 2 Gulden dem von 1,14 Talern gleich. Die damit verbundene und offen ausgesprochene Absicht der Süddeutschen war es, die neuerliche Prägung einer Münze zu vermeiden, die aus dem Süden aufgrund der passiven Handelsbilanz in den Talerraum abfließen würde. Implizit war das 2-Guldenstück jedoch auch gemeint als Münzwesens.o.D., in: BHStA M A 25616. Acta des Ministeriums des Koeniglichen Hauses und des Aeussem.

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Feldzeichen der süddeutschen Widerständigkeit gegenüber der währungspolitischen Hegemonie Preußens im Münzverein und als Signal, daß der Süden die Autonomie seines Guldensystems verteidigen würde und den preußischen Taler als gemeinsame Münze nicht kampflos zu übernehmen bereit war. Genau so ist die süddeutsche Münzkonvention von 1845 von Preußen auch verstanden worden. 341 Bayern war allerdings nicht bloß an einer Mobilisierung der süddeutschen Solidarität gegenüber der preußischen Vormacht in der Währungspolitik gelegen. Vielmehr verteidigte der größte Staat des Guldenraumes seine Unabhängigkeit auch gegenüber den anderen Süddeutschen. Dies zeigt ein Streitpunkt während der Verhandlungen, an dem die ganze Konferenz zu scheitern drohte und der nach der ausgesprochen konsensorientierten bayerischen Verhandlungsführung einigermaßen unerwartet auf der Tagesordnung erschien. Dabei ging es um die Prägung des Reverses (Münzrückseite) der neuen 2-Guldenstücke. Bayern beharrte auf ausdrücklichen Befehl seines Königs darauf, dem Revers das Landeswappen aufzuprägen 342, während die anderen Staaten sich für eine einheitliche und gleichförmige Prägung mit dem Eichenkranz für den ganzen süddeutschen Münzverein aussprachen. 343 Der Finanzminister fand beim König sogar mit dem Antrag Gehör, nicht nur den Passus der Ausprägung von 2-Guldenstücken, sondern auch den Vertrag bezüglich der Einziehung der Kronentaler fallen zu lassen, falls die anderen Regierungen nicht der bayerischen Position nachgeben würden. Zudem griff Ludwig I. die vermittelnde Haltung seines Außenministers scharf an. Dieser antwortete, daß es ihm persönlich gleichgültig sei, welches Revers die Münzen trügen; seine Aufgabe sei ausschließlich der Vollzug der königlichen Befehle. In Verfolgung dieser Aufgabe habe er es jedoch als seine Pflicht angesehen, eine Isolierung Bayerns unter den Staaten des süddeutschen Münzvereins zu vermeiden, um nicht den bayerischen Einfluß zu gefährden. 344 Württemberg versuchte in der Sache zu vermitteln, indem es 341 Vgl. Thile und FlottweH an das Außenministerium, 14.4.1846: Aus den Verhandlungen der Süddeutschen sei nicht viel herausgekommen, weil es eindeutig das vordringliche Ziel der bayerischen Regierung gewesen sei, "eine nähere Vereinigung zwischen den süd- und norddeutschen Staaten des Zollvereins in Beziehung auf die Münz-Verhältnisse zu verhindem und einer bessern Uebereinstimmung der gegenseitigen Münzsorten entgegenzuwirken". In: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2107. 342 Vgl. handschriftliche Notiz des Königs auf dem Antrag des Außenministers (Gise) und des Finanzministers (Graf Seinsheim) vom 5.3.1845, in: BHStA M A 25616. Acta des Ministeriums des Koeniglichen Hauses und des Aeussem. 343 Ebd.: V. Protocoll über die Verhandlungen der zur Conferenz in Münzangelegenheiten ernannten Bevollmächtigten und technischen Commissarien der Staaten des süddeutschen Münzvereins, München, 12.3.1845. 344 Ebd.: Antrag Seinsheim vom 13.3.1845; handschriftliche Notiz des Königs vom 14.3.1845; Schreiben Gises vom 15.3.1845.

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eine Gleichförmigkeit des Reverses vorschlug, wenn alle Vereinsstaaten ihr Landeswappen aufprägten, was wiederum Baden als dem Münzvertrag von 1837 widersprechend ablehnte. Badischer Kompromißvorschlag war, Bayern allein abweichend von der generellen Regelung die Aufprägung des Landeswappens zu erlauben (VI. Protocoll vom 19.3.1845). Mit seiner hartnäckig verfolgten Haltung gelang es dem Gastgeberland schließlich, sich in allen Punkten durchzusetzen: Das Avers (Vorderseite) der neuen Münzen sollte das Bildnis des Landesherm, das Revers das Landeswappen zeigen. Zudem wurde in der "Convention zur weiteren Ausbildung und Vervollständigung des süddeutschen Münzwesens" vom 27. März 1845 die allmähliche Einziehung der Kronentaler und deren Ersetzung durch Guldenmünzen sowie die Außerkurssetzung und Einschmelzung der alten Scheidemünzen nach Maßgabe der jeweiligen Regierungen beschlossen. 345 Bayern hielt auch späterhin zäh an seiner und der süddeutschen währungspolitischen Eigenständigkeit fest. Sogar als im nationalen Elan der Revolution von 1848/49 Baden vorschlug, die Einziehung und die Umprägung der Kronentaler zu sistieren und statt der Durchführung der Münchener und Dresdner Konventionen gleich ein einheitliches gesamtdeutsches Münzsystem einzuführen, sperrte sich Bayern. Schließlich habe keiner der süddeutschen Staaten Grund, sich über die Ergebnisse der Münchener Konvention zu beklagen, bedeutete von der Pfordten dem württembergischen Gesandten in München. Eine deutsche Münzeinheit hingegen befinde sich noch im Zustand eines Projektes. Es würde den süddeutschen Staaten schweren Schaden zufügen, wenn sie ohne äußeren Anlaß die Durchführung der Münzverträge sistierten, während die Staaten des 14-Talerfußes in der Durchführung ihres Münzsystems beharrlich fortführen. 346 Auch die Erwartung, daß der 24 ~ -Guldenfuß letzten Endes der Konkurrenz des Österreichischen 20- und des preußischen 21-Guldenfußes würde weichen müssen, und der aus diesem Grund ausgesprochenen Empfehlung, auf eine weitere Substituierung der Kronentaler durch Guldenmünzen zu verzichten, trat Bayern entgegen. Der süddeutsche Münzverein habe sich als so wertvoll erwiesen, daß die bayerische Regierung alles tun werde, was in ihrer Macht stehe, um diesen 345 Ebd.: Convention zur weiteren Ausbildung und Vervollständigung des süddeutschen Münzwesens, 27.3.1845. 34 6 Das Ministerium des Koeniglichen Hauses und des Aeussern (v.d. Pfordten) an den württembergischen Gesandten in München, 30.5.1849, in: BHStA M H 15333/2. Acten des k. Staats-Ministeriums des Königl. Hauses und des Aeußern. Münzwesen. 1848-1865. Vgl. die hinsichtlich einer Münzvereinheitlichung skeptischen Ausführungen Pfordtens vom 5.5.1849 (Denkschrift über die Neuordnung Deutschlands), abgedruckt in: Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Karl Bosl. Abteilung III: Bayern im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2: Rolf Kiessling/Anton Schmid, unter Mitarbeit v. Werner K. Blessing (Bearb.), Diebayerische Staatlichkeit, München 1976, S. 338 ff., S. 341. II Otto

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

durchzusetzen und beizubehalten. Was die Entwicklung des süddeutschen Fußes in der Konkurrenz mit den anderen deutschen Münzfüßen angehe, so gelte das "Zeugniß der Geschichte", daß man sich weit häufiger für eine Verringerung als für eine Erhöhung des Münzgehaltes entschieden habe, so daß eher ein Verschwinden des 20-Guldenfußes wahrscheinlich sei. Bezüglich des eigentlichen Konfliktes des süddeutschen mit dem 14-Talerfuß, sei sehr wohl eine Münzeinigung denkbar, in der beide Systeme nebeneinander bestehen könnten; zudem sei gerade im Hinblick auf diesen Konflikt alles zu vermeiden, was den süddeutschen Fuß irgendwie schwäche. 347 Auch die partikularistischen unter den süddeutschen Staaten hatten an einer weiteren Entwicklung teil, die auf eine Vereinheitlichung zumindest eines wichtigen Bereiches des deutschen Geldwesens abzielte: Am 21. Oktober 1845 schlossen die Teilnehmerstaaten des Dresdner Münzvertrages das sogenannte Münzkartell zum Schutz ihrer Münzen, ihres Papiergeldes sowie ihrer Staatsschuldscheine ab. 348 In dem Kartell wurde vereinbart, die Verletzung der Münzhoheit eines anderen Vertragsstaates durch Fälschung von Münzen oder Papiergeld wie die der eigenen zu behandeln und die bei einem Münzvergehen Festgenommenen dem verletzten Staat oder ihrem Heimatstaat auszuliefern. Bemerkenswert ist, daß sich Österreich bereits mit dem Abschluß des Handelsvertrages vom 19. Februar 1853 dem Münzkartell mit seinen strafrechtlichen Bestimmungen anschloß, während es erst 1857 den Zugang zum Münzsystem des Zollvereins fand. 349 Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, wie ernst die deutschen Staaten das Münzregal nahmen, daß sie keine Verletzung ihrer währungspolitischen Souveränität hinzunehmen bereit waren, und sei es um den Preis der Aufgabe anderer wichtiger Politikziele (im konkreten Fall der uneingeschränkten münzpolitischen Unabhängigkeit).

4. Bilanz der aus dem Zollverein hervorgegangenen Münzverträge von 1837 und 1838 1. Die Münzvereine von 1837 und 1838 schufen keine einheitliche Währung; sie reduzierten jedoch die Zahl der Münzsysteme im Zollverein, hielten deren vorgeschriebene Ordnung vertraglich fest und stellten ein System fester Wechselkurse mit einer gemeinsamen Handelsmünze her. Zunächst ist bei der Beurteilung der Münzvereine von München und Dresden nicht zu vergessen, daß es im Deutschen Bund auch nach dem Ab347 Das Ministerium des Koeniglichen Hauses und des Aeussem (v.d. Pfordten) an die badische Regierung, 23.11.1849, in: BHStA M H 15333/2. Acten des k. Staats-Ministeriums des König!. Hauses und des Aeußem. Münzwesen. 1848-1865 348 Vgl. auch Klüssendorf, Papiergeld, S. 16. 349 Vgl. Rittmann, Deutsche, S. 544.

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schluß der Münzverträge weiterhin nicht nur die zwei dort definierten Münzsysteme des Talers und des süddeutschen Guldens gab, sondern daß davon unberührt auch der Österreichische Gulden, die Hamburger und die lübische Mark, der Riksbanktaler in Schleswig und Holstein, die Taler beider Mecklenburg und der Bremer Goldtaler weiter Bestand hatten. Zudem nahmen auch bei den Teilnehmerstaaten der Münzvereine die Rechnungssysteme unterhalb des Kleinkurants ganz verschiedene Formen an. Die Münzvereine verstärkten demnach die Tendenz der Angleichung der Geldverfassungen im Bund, die bereits der Reichsdeputationshauptschluß durch die Reduktion der münzprägenden Stände in Gang gesetzt hatte, sie konstituierten aber noch lange keine wirkliche Homogenität der Währungsverfassungen. Die gemeinsame Handelsmünze, die im 2-Taler-/3~-Guldenstück mit dem Vertrag von Dresden entstand, hätte zu einer wirklichen Keimzelle der Münzeinheit Zollvereinsdeutschlands werden können. Weil jedoch das vordringliche Interesse der kontrahierenden Mächte auf den Erhalt der bestehenden Münzsysteme gerichtet war und deshalb eine Vereinsmünze abgelehnt wurde, die das Landeskurant hätte verdrängen können, wurden dem Doppeltaler Eigenschaften zugewiesen, die ihn für den allgemeinen Gebrauch unpraktisch werden ließen. Aus diesem Grunde spielte er bei der weiteren monetären Integration keine Rolle. Vielmehr bereiteten die Münzverträge den Boden für den Bedeutungszuwachs des 1-Talerstückes des 14-Talerfußes, d.h. des preußischen Talers. Die Staaten Norddeutschlands erkannten das 1-Talerstück als verbindliche Grundlage ihrer Landeswährungen an, im Süden erhielt der Taler durch die Münzverträge festen Kurs, für den gesamten Zollverein war er aufgrund der umfangreicheren Prägemenge, die wiederum eine Folge der in seinem Gebiet versammelten größeren Bevölkerungszahl war, zur Leitwährung prädestiniert.350 Wenn sich die bislang eher potentielle Wirtschaftskraft Preußens entfalten sollte, wenn die formelle Integration des kleindeutschen Wirtschaftsraumes durch Ströme von Waren und Kapital sich realisierte, würde es kaum mehr zu verhindem sein, daß die preußischen Taler in Massen in allen Territorien des Zollvereins Verwendung fänden. Diese Entwicklung begann sich schon 1838 deutlich abzuzeichnen. In jenem Jahr machten beispielsweise in den badischen Staatskassen die preußischen Taler schon gut ein Fünftel des Bargeldbestandes aus. 351 2. Mit den Münzverträgen wurde der Übergang von der bimetallischen Parallelwährung zur monometallischen Silberwährung festgeschrieben. Vgl. auch Theuerl, Eine, S. 111. Im Gesamtbestand von 1.838.844 fl. waren preußische Taler im Wert von 381.032 fl. enthalten. Nach: Martin, Rahmenordnung, in: Kellenbenz (Hg.), Öffentliche, S. 102. 350

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Es ist aufschlußreich, daß weder der Münchener noch der Dresdner Münzvertrag Bestimmungen über Goldmünzen enthielten; immerhin hatten doch in etlichen Teilnehmerstaaten Goldmünzen einen festen Kurs gegenüber dem Silber, in Preußen beispielsweise war mit der Münzreform von 1821 noch einmal ausdrücklich an der Parallelwährung festgehalten worden, und auch an Empfehlungen wie denen Hoffmanns über die Vorteile einer Goldwährung gegenüber der Silberwährung (vor allem aber einer Handelsgoldmünze) fehlte es nicht. Die Nichterwähnung lag zum einen daran, daß diejenigen Staaten außerhalb Preußens, in denen eigene Goldmünzen eine Rolle spielten (Hannover, Braunschweig und Bremen), zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Zollverein gehörten und deswegen auch nicht an den Dresdner Verhandlungen teilnahmen.352 Dennoch ist die Prägung von Vereinsgoldmünzen auf Vorschlag Kurhessens zur Sprache gebracht worden, allerdings wurde das Thema vertagt und nicht wieder aufgenommen (Allgemeine Münzconferenz Protokoll III, 28.5.1838, S. 55). Von größerem Gewicht war jedoch, daß sich seit Anfang der 1830er Jahre die Goldwährung für Preußen weitgehend diskreditiert hatte und dort wie auch in anderen Staaten der Übergang von der Parallel- zur reinen Silberwährung wenn nicht de jure, so doch de facto eingeleitet worden war. In Mißkredit war die Goldwährung in Preußen aufgrund der dort einströmenden fremden Pistolen (aus Sachsen, Schwerin, Dänemark, Braunschweig, vor allem aber aus Hannover) geraten. 1828 hatte eine Untersuchung dieser Goldstücke ergeben, daß sie nicht mehr den Friedrichsdor gleichwertig ausgemünzt worden waren. Die leichteren fremden Münzen begannen deshalb, das preußische Gold aus dem Umlauf zu verdrängen. Das vor allem von Motz geforderte Gegenmittel war die Aufbebung der Zwangsgoldzahlungen, d. h. der gesetzlichen Bestimmung, eine vorgeschriebene Quote der Abgaben an den Staat in Gold zu entrichten353 , um somit die staatlichen Kassen von der Annahme unterwichtiger Goldmünzen zu entlasten. Vollzogen wurde diese Maßnahme mit der Kabinettsorder vom 21. November 1831, die sämtliche Goldzahlungen bei den öffentlichen Kassen auch in Silber vorzunehmen erlaubte, und zwar zum Kurs von 5~ Talern Silber für den Friedrichsdor?54 Um diesen Kurs der Friedrichsdor zu stabilisieren, wurde die Goldprägung seit 1840 auf Umprägungen fremder Münzen beschränkt, so daß trotz dann sinkender Goldpreise sich der Bestand an Friedrichsdor nicht vermehrte. Zudem wurden die einkommenden 352 353

s. 20.

Vgl. Rittmann, Deutsche, S. 538. Vgl. Schrötter, Preußisches 1, S. 371. Siehe auch Sprenger, Währungswesen,

354 Allerhöchste Kabinettsorder, wonach bei Zahlungen an die Staatskassen in Silbergelde, auch Friedrichsd'or zum Kurse von 5 2/3 Rthlr. angenommen werden solle, 23.11.1831, in: GS 1831, No. 1327, S. 254.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

165

Friedrichsdor zum großen Teil im Staatsschatz deponiert und nicht wieder ausgegeben? 55 Diese Vorkehrungen liefen auf eine weitgehende Demonetisierung des Goldes hinaus; dementsprechend ist auch von der "Verkrüppelung" des goldenen Teiles am Währungssystem gesprochen worden. 356 Die Münzverträge zeigen durch ihre Nichterwähnung der Goldmünzen, daß neben Preußen auch die anderen Vereinsstaaten auf die überall in vergleichbarem Maße auftretenden Probleme mit dem festen Willen reagierten, zur reinen Silberwährung überzugehen. 3. Die erste Phase der monetären Integration stellte entscheidende Weichen für die Entstehung eines kleindeutschen Währungsraumes ohne Österreich. Der Motor dieser ersten Phase der monetären Integration in Deutschland, die in zwischenstaatlichen Münzverträgen ihren Ausdruck fand, war der Zollverein; das prägte den weiteren Prozeß. Denn im Zollverein war Preußen in allen Belangen die stärkste Macht, und auch wenn seine geldpolitische Strategie defensiv, vor allem auf den Schutz der eigenen Währung ausgerichtet erschien, zeigte sich doch die gesamte Entwicklung in hohem Maße auf Preußen ausgerichtet: Die süddeutschen Staaten ergriffen die Initiative zu einer Münzvereinbarung, zunächst im Rahmen des gesamten Zollvereins, dann, als Preußen sich diesem Begehren gegenüber verschlossen zeigte, im Guldenraum, weil sie die Auswirkungen der preußischen Münzreform zu spüren bekamen bzw. sich der Gefahren für ihre währungspolitische Souveränität bewußt wurden, die ihnen aus der Verbindung von wirtschaftlicher, politischer und monetärer Präponderanz Preußens erwachsen konnten. Bayern strebte dann die schnelle vertragliche Festigung des Kronentalerfußes an, da es ein ähnliches preußisches Vorgehen wie bei der Gründung des Zollvereins befürchtete, indem die Süddeutschen getrennt voneinander durch eine Mischung aus Drohungen und verlockenden Zugeständnissen gefügig gemacht würden, den 14-Talerfuß als allgemeine Währung zu akzeptieren. Schließlich blieb den Zollvereinsstaaten - Taler- wie Guldenländern - wenig mehr übrig, als die preußischen Bedingungen des Münzvertrages hinzunehmen, auch wenn damit dem Taler der Weg zur Leitwährung im Norden und im Süden geebnet wurde. Preußen dominierte den Zollverein, der Zollverein wiederum gab die entscheidenden Impulse für die ersten Schritte der monetären Integration; deshalb war Preußen auch das bestimmende Moment dieser ersten Phase der monetären Integration in Deutschland. Vgl. Schrötter, Preußisches I, S. 397. Vgl. Helfferich, Die Reform I, S. 18. Sprenger, Das Geld, S. 161, sieht aber die weniger einprägsame, jedoch ohne Zweifel korrektere Kennzeichnung als "Silberwährung mit ergänzendem, geringen Goldverkehr" als passender an. 355 356

166

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Österreich hingegen verschloß sich zu diesem vorentscheidenden Zeitpunkt der Integrationsentwicklung. So wie die Habsburgermonarchie bei der handelspolitischen Vereinigung durch den Zollverein außen vor blieb, trotz der wiederholten Mahnungen Mettemichs, daß dieses Fernbleiben Auswirkungen haben würde auf die Stellung Österreichs im Deutschen Bund357 , hielten die Österreicher auch eine Teilnahme an den Münzvereinen angesichts der verbesserten Situation der Silberreserven und des Staatskredits, mit der sich die Aussicht auf eine eigenständige Etablierung einer Metallumlaufswährung zu eröffnen schien, für unnötig.358 Zu diesem Zeitpunkt aber klaffte die Schere der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen Zollvereinsdeutschland und Habsburgermonarchie noch nicht so weit auseinander, wie dann im späteren Verlauf des 19. Jahrhunderts durch die raschere Industrialisierung im Zollverein; ein Zusammenschluß des Territoriums des 20-Guldenfußes mit den Währungsgebieten der nordwestlichen Nachbarn zu einem den gesamten Deutschen Bund umfassenden Münzverein wäre wahrscheinlich mit sehr viel geringeren Kosten verbunden gewesen, als es dann 1857 der Fall war, als Österreich um beinahe jeden Preis den Anschluß an den Dresdner Münzverein suchte (zu einer eingehenden Diskussion der wirtschaftlichen und politischen Kosten eines Währungszu357 Mettemich an Kaiser Franz I. von Österreich, Wien, den 11.6.1831: "Ew. Majestät sind die Bestrebungen bekannt, welche seit drei Jahren von Preußen angewendet werden, diesen Zweck [die Angliederung der übrigen deutschen Staaten an sein Zollsystem] in Deutschland zu erreichen, und es ist der Weisheit Ew. Majestät nicht entgangen, daß diese Frage auch ihre ernste politische Seite hat, denn diejenigen Staaten, welche durch materielle Interessen miteinander verknüpft sind, und in denen gleiche Zoll- und Handelsgesetzgebung besteht und gleiches Gewerbegesetz notwendige Folge wird, haben auch gewichtiges Motiv, sich in politischen Fragen nicht voneinander zu trennen, und der Einfluß desjenigen Staates, welcher sich zum Vorbild und zum Mittelpunkt solchen gemeinsamen Interesses macht, muß sich immer mehr und mehr vergrößern, je größer die Anzahl der kleineren Staaten ist, die sich teils in ihren wahren Interessen, teils im eingebildeten Vorteile an demselben anschließen. Daß hierdurch der erste Keim zu einem Bund im Bunde gegeben werde, läßt sich nicht verkennen, und daß, wenn dieser preußisch-deutsche Handelsund Zollverein sich fortwährend vergrößert, am Ende des Resultat einer solchen Absonderung Österreichs von den deutschen Handelsinteressen kein anderes sein könnte, als daß Österreich mit seinem Zollsystem, als in sich abgeschlossener Staat den übrigen deutschen Regierungen in der Handelsfrage feindlich gegenüberstehend und von ihnen als Ausland betrachtet werden wird." In: Oncken/Saemisch (Hg), Vorgeschichte 3, S. 164 f. Vgl. Klaus Koch, Österreich und der Deutsche Zollverein (1848-1871), in: Adam Wandruzka/Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgerrnonarchie 1848-1918. Band VI: Die Habsburgerrnonarchie im System der internationalen Beziehungen, 1. Teilband, Wien 1989, S. 537 ff., S. 538; Adolf Beer, Die Österreichische Handelspolitik im neunzehnten Jahrhundert, Wien 1891 (ND Wien 1972), S. 59 u. 70171 ; Hahn, Geschichte, S. 129 f. 358 Vgl. Günther Probszt, Österreichische Münz- und Geldgeschichte. Von den Anfängen bis 1918, Graz 1973, S. 532.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

167

sammenschlusses zwischen Gebieten unterschiedlicher Entwicklungsstufen siehe den folgenden Abschnitt, der sich mit dem Wiener Münzvertrag von 1857 beschäftigt). Das habsburgische Festhalten an einer Wirtschaftspolitik der Autarkie und des Prohibitivzollsystems in der ersten Jahrhunderthälfte verstärkte somit die Tendenz zur Herausbildung eines kleindeutschen, auf Preußen ausgerichteten Wirtschafts- und Währungsraumes. 4. Die Erträge der institutionenökonomischen Analyse der vormärzliehen Münzvereine lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: a) Daß der Dresdner Münzverein zustande kam, läßt sich nicht mit einer erheblichen Ersparnis wirtschaftlicher Transaktionskosten im Kalkül der politisch Verantwortlichen erklären; dazu wäre ein Handels- und Integrationsniveau im Zollverein von bedeutend größeren Ausmaßen notwendig gewesen. Es sind demnach in erster Linie politische Gründe gewesen, die die Regierungen der Einzelstaaten an den Verhandlungstisch trieben. b) Auch die ergebnisorientierte Betrachtung läßt keinen anderen Schluß zu: Die geringe Verflechtung der Wirtschaftsräume im Deutschen Bund und Zollverein ließ (zumindest bis in die 1840er Jahre) keine nennenswerten Einsparungen an währungsspezifischen Transaktionskosten entstehen. Für derartige Einsparungen hätte die Zahl der Tauschakte zwischen den einzelnen Währungsräumen größer sein müssen, als sie es tatsächlich war. Damit steht auch fest, daß die Uneinheitlichkeit der deutschen Währungen - abgesehen von den oben bereits aufgeführten Ausnahmen vor allem der Kleioststaaten - nicht als ein schwerwiegender Hinderungsgrund wirtschaftlicher Entwicklung vor dem Einsetzen der Industrialisierung wirkte. c) Sehr wohl aber läßt sich mit Hilfe des Transaktionskostenmodells erklären, warum die Münzvereine auf diese spezifische Weise zustande kamen, indem mit ihnen nämlich vor allem die bestehenden Münzsysteme der Staaten mit dem größten politischen Gewicht zur Grundlage der zukünftigen Entwicklung gemacht wurden. Preußen fürchtete um seine Investitionen in die eigene Münzreform, wollte aber zugleich die politischen Erträge realisieren, die aus einer engeren Anhindung der anderen Mitglieder des Münzvereins (Zollvereins) resultierten. Das Scheitern der einzelstaatlichen Münzreformen im Süden hingegen zeigte, daß für Staaten dieser Größenordnung die "set-up-costs" eines neuen monetären Arrangements nicht durch Einsparungen bei währungsspezifischen (variablen) Transaktionskosten kompensiert werden konnten; dies schien nur möglich, wenn eine Lösung im Verbund gesucht wurde. Als zusätzlicher Antrieb fungierte die Sorge um die währungspolitische Souveränität, die durch die preußische Großmachtstellung gefährdet schien. Aus dieser Situation entstand zunächst der Münchner Vertrag, der im Süden nachholte, was Preußen mit seinem Münzgesetz von 1821 geschaffen hatte: die Definition einer (weitgehend) einheitlichen Währung und ihres Raumes. Im Dresdner Verein trafen dann

168

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

die unterschiedlichen Beweggründe aufeinander; daraus ergab sich eine Regelung des Münzwesens im Zollverein, die einerseits am bestehenden Zustand möglichst geringe Änderungen vorsah - namentlich die Einführung einer gemeinsamen Vereinsmünze, noch dazu einer, die kaum Eingang in den Geldumlauf der Einzelstaaten fand -, und die einige der wirklich wichtigen und heiklen (weil in ihren Auswirkungen teuren) Punkte aussparte vor allem eine durchgreifende Reform und Annäherung des Scheidemünzenwesens. 5. Der Münzvertrag von Wien (1857): Der preußisch-österreichische Konflikt um die Erweiterung des deutschen Währungsraumes

Die vormärzliehen Bemühungen um eine Homogenisierung der deutschen Währungsverfassungen richteten sich ausschließlich auf den Abschluß von Münzverträgen im Zollverein bzw. in Teilen davon. Die zweite Großmacht des Deutschen Bundes, Österreich, schloß sich durch ihre handelspolitische Autarkie von dieser Entwicklung aus. Das änderte sich erst, als in den 1850er Jahren der Konflikt um die Führungsrolle im Bund zwischen Österreich und Preußen voll entbrannte und dieser Konflikt zu wesentlichen Teilen im Bereich der Wirtschaftspolitik geführt wurde. Auch die Währungspolitik wurde damit zum Kampfplatz in dieser Auseinandersetzung; davon handelt das nun folgende Kapitel. a) Österreich und die deutschen Zoll- und Münzvereine im Vormärz

Die Habsburgermonarchie zeigte sich während des Vormärz gegenüber den zollpolitischen Vereinigungsbestrebungen der anderen deutschen Staaten im großen und ganzen indifferent: Zwar unterstützte Wien (wie auch Frankreich und Großbritannien) den gegen Preußen gerichteten Mitteldeutschen Handelsverein, jedoch blieb der Beistand halbherzig und trug folgerichtig auch keine Früchte, weil Österreich das zu einem solchen Zweck allein wirksame Mittel einer Zolleinigung mit seinen deutschen Nachbarn nicht ernsthaft in Erwägung zog.359 Zwar warnte Metternich wiederholt davor, daß Österreich aus der Zolleinigung Deutschlands unter preußischer Führung eine Gefahr für seine hegemoniale Stellung im Deutschen Bund erwachsen würde, und verband dies mit der Mahnung, eine aktivere Rolle in der Handelspolitik einzunehmen. Jedoch trafen seine Appelle auf die Besorgnis der Hofkammer, geteilt von Kaiser Ferdinand I. und den Österreichischen Produzentenkreisen, daß eine solche Abkehr vom Prohibitivzollsy359

Vgl. dazu etwa Henning, Industrialisierung, S. 90.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

169

stem für Österreich mit großen Opfern verknüpft sein würde, die mögliche Vorteile aufwögen, und konnten sie nicht überwinden? 60 Immerhin fand Mettemich in dem 1840 ernannten Leiter der Hofkammer, Carl Friedrich Kübeck zu Kübau, einen Verbündeten, doch auch diesem gelang es in den folgenden Jahren nicht, sich über den heftigen Widerstand gegen eine handelspolitische Öffnung Österreichs hinwegzusetzen (die von Kübeck initiierten Versuche des Überganges zur Schutzzollpolitik scheiterten 1841 und 1844). 361 So verharrte die Habsburgermonarchie in ihrer selbstgewählten handelspolitischen Isolation, in der sich die Stände des Reiches offensichtlich recht bequem eingerichtet hatten. Die Abschottung der Grenzen gegen so gut wie jede Wareneinfuhr bereitete den Produzenten ein Biotop, in dem sie vor den Unbilden des auswärtigen Wettbewerbs behütet waren und für dessen Erhalt sie bei Bedarf einen Sturm von Petitionen entfesselten. Auch in der mehrheitlich reformorientierten Hofkammer, zu dieser Zeit für die Finanzverwaltung zuständig, bestanden erhebliche Bedenken, die sich vor allem auf den mit der Einführung eines Schutzzollsystems gekoppelten Fortfall der Binnenzollgrenze zwischen den Österreichischen und den ungarischen Landesteilen und die damit zu erwartende Verminderung der Zolleinnahmen bezogen. Zur strategischen Unbeweglichkeit Österreichs in der Wirtschaftspolitik trug darüber hinaus die Paralyse der Staatsführung ihren Teil bei, verursacht durch die Schwäche des Kaisers Franz I. (seit 1835) und die Uneinigkeit der Staatskonferenz, dem faktischen Machtzentrum, in der sich Mettemich und Franz Anton Graf Kolowrat und die wechselnden Hoffraktionen gegenseitig blockierten. Im Zentrum der habsburgischen Macht, schreibt Nipperdey, hatte sich Anarchie ausgebreitet. 362 Ebensowenig wie in der Zollpolitik bemühte sich Habsburg in der Währungspolitik, am Integrationsprozeß seiner nordwestlichen Nachbarn teilzuhaben. Neben der auf Autarkie gerichteten Außenwirtschaftspolitik lag das auch an einem spezifischen Problem der Österreichischen Geldentwicklung, das eine Kompatibilität zu den Währungsverfassungen der deutschen Münzvereine erschwerte: Während das Geld der Münzvereinsstaaten vollwertiges Metall-, d.h. Silbergeld war, bis hinunter zum Kleinkurant, bestand eine solche rein metallene Umlaufswährung in Österreich nicht; vielmehr machte das Papiergeld in Form von Noten der staatlichen Nationalbank den 360 Vgl. Beer, Die Österreichische, S. 56-61; Koch, Österreich, in: Wandruzka/ Urbanitsch (Hg.): Die Habsburgerrnonarchie, S. 538. 36! Vgl. Hahn, Geschichte, S. 131. 362 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800- 1866, S. 339. Vgl. zur Paralyse der Österreichischen Staatsführung im Vormärz auch: Rudolf Hake, Österreich, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte Bd. 2, S. 345 ff., S. 348 f., und Sheehan, Ausklang, s. 583.

170

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen Österreich

90 •

Silberkurant-und Scheidemünzen

0 Banknoten der Nationalbank

760

Zollverein 110



Metallgeld

0 0

Banknoten Staatspapiergeld

Abbildung 1: Struktur der Geldmengen in Österreich und im Zollverein (alle Angaben in Mio. M), 1856363

wesentlichen Teil des Geldumlaufes aus, neben einer großen Zahl von stark unterwertigen Scheidemünzen für den kleineren Verkehr. Gesetzlich herrschte in Österreich dessenungeachtet bis 1858 der Konventionsmünzfuß (20-Guldenfuß). Zwar hatte die Nationalbank nach dem Bankrottpatent von 1811 und der Wiederaufnahme der Silberzahlung für die Einlösungsscheine (welche die abgewerteten Bancozettel ersetzten) mit großem Erfolg gearbeitet und die Summe des Staatspapiergeldes gegen Null zurückgeführt. Eine ausreichende Silberdeckung für ihre Banknoten hatte sie gleichwohl nicht schaffen können, dazu wurden ihre Dienste weiterhin in viel zu hohem Maße zur Ausgleichung der desolaten Lage der staatlichen Kassen benutzt. Diese Überdehnung des Leistungsvermögens der Bank führte dazu, daß auch in den 363 Zahlen für Österreich nach: Theuerl, Eine, S. 167, für den Zollverein nach Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 122 f./1361142. Weitere Angaben s. u. Tabellen 5 und 6.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

171

"guten" Jahren des Österreichischen Finanzwesens - d.h. innenpolitisch ruhigen und außenpolitisch friedlichen Zeiten - die Nationalbank nicht einmal annähernd die geforderte, wenn auch nicht de jure festgeschriebene Silberdeckung ihrer Noten von mindestens einem Drittel erreichen konnte, obgleich 1841 mit dem neuen Patent die Bank gesetzlich darauf festgelegt wurde, ihre Noten jederzeit gegen Bargeld einzutauschen. "Wenn die Nationalbank trotzdem ihrer Einlösungspflicht bis zum Jahre 1848 nachkommen konnte, so lag das vor allem daran, daß die Bankausweise geheimgehalten wurden" 364, das Publikum also vorsätzlich über die mangelnde Barzahlungsfähigkeit der Bank im Unklaren gelassen wurde, um den Glauben an den realen Gegenwert des ausgegebenen Papiers nicht zu untergraben. Damit aber war zu erwarten, daß das Österreichische Geldwesen in weniger ruhigen Zeiten einmal mehr - wie schon zu Zeiten der Napoleonischen Kriege - in eine prekäre Lage geraten würde. Und so war es eben nicht der Fall, wie behauptet worden ist, daß die Österreichischen Finanzen und sein Geldwesen bis 1847 in vorbildliche Ordnung gebracht wurden und der dann folgende Zusammenbruch ausschließlich eine Folge der revolutionären Unruhen war365 ; vielmehr war die Konsolidierung und Modemisierung der Finanzverfassung weitgehend versäumt worden. Über die fortwährende Beanspruchung der Nationalbank durch den Staat gibt die folgende Tabelle Auskunft: Deutlich ist zu erkennen, in welchem Umfang sich der Staat zur Finanzierung seiner Haushalte der Kreditierung durch die Nationalbank bediente und daß der Bankschatz viel zu knapp bemessen blieb, um dem Run auf die Einlösungskassen irrfolge einer politischen Krise auch nur für wenige Monate standzuhalten. Zum ersten Mal wurden die Zahlen der Bank in den Revolutionsunruhen von 1848 veröffentlicht, als Akt der höchsten Not, um mit Hilfe von geschönten Angaben über die Höhe der Bardeckung (die in Wirklichkeit im wesentlichen aus staatlichen Kassenanweisungen bestand) das Publikum zu beruhigen.366 Trotzdem setzte ein Run auf die Bankschalter ein, woraufhin die Bareinlösung am 12. Juni 1848 suspendiert werden mußte. Innerhalb von drei Monaten (Anfang März bis Ende Mai 1848) waren die Barfonds der Nationalbank von 65 auf 21 Mio. fl. und damit auf weniger als ein Drittel zusammengeschrumpft. 367 Zusätzlich wurde 1849 zum ersten Mal seit dreiunddreißig Jahren neues Staatspapiergeld ausgegeben. Gleichzeitig erhielten die Noten der Nationalbank und das Staatspapiergeld auch im allgemeinen Verkehr uneingeschränkten Zwangskurs und wurden mit AnnahmeBachmayer, Die Geschichte, S. 102. So etwa von: Probszt, Österreichische, S. 531 f. 366 Vgl. Bachmayer, Die Geschichte, S. 103. 367 (J.R.A.) Helferich, Die Österreichische Valuta seit dem Jahre 1848, in: ZfgS 11, 1855, s. 259 ff., s. 313. 364 365

172

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Tabelle 3 Beanspruchung der Österreichischen Nationalbank durch den Staat: Bankschulden, Aufbau eines Barschatzes und Verminderung des Staatspapiergeldes, in Mio. fl. (1818-1860) 367• Ende des Jahres

Staatliche Schulden bei der Nationalbankaus WWEinlösung*

Weitere staatliche Bankschuld**

Bankschatz der Nationalbank

1818

-

-

19,2

26,7

498,71199,4

1819

-

0,3

33,1

43,8

498,71199,4

1820

8,0

0,0

29,4

51,9

413,11165,2

1821

36,5

0,3

18,4

34,8

329,7/131,9

1822

57,0

1,6

19,1

48,3

269,71107,9

1823

57,0

0,2

15,5

51,0

209,7/83,9

1824

57,0

3,1

22,1

68,1

169,7/67,9

Umlauf von Banknotender Nationalbank

Umlauf von Staatspapiergeld (nominal bzw. zum offiziellen Kurs)***

1825

57,0

17,8

19,0

82,1

149,7/59,9

1826

62,0

19,9

14,8

82,3

119,7/47,9

1827

70,0

17,0

20,1

87,4

99,7/39,9

1828

76,0

20,0

22,3

95,7

79,7/31,9

1829

82,0

21,9

21,9

107,6

69,7/27,9

1830

86,0

21,8

17,6

112,0

49,7119,9

1831

90,0

22,0

12,8

123,9

49,7/19,9

1832

92,0

20,2

22,6

119,9

49,7119,9

1833

94,0

10,0

31,8

125,1

49,7119,9

1834

96,0

18,0

39,1

135,8

49,7119,9

1835

98,0

30,3

34,7

151,2

39,7115,9

1836

98,0

30,2

25,3

153,8

39,7/15,9

1837

98,2

30,7

31,8

146,2

29,7111,9

1838

99,2

34,7

30,1

166,9

29,7111 ,9

1839

100,2

33,3

23,4

166,6

19,717,9

1840

96,0

32,0

15,5

167,1

19,717,9

1841

97,0

33,6

39,9

166,6

12,2/4,9

1842

97,0

23,5

58,2

173,4

...

1843

93,1

20,0

67,6

179,4

...

367 • Nach: Harm-Hinrich Brandt, Der Österreichische Neoabsolutismus: Staatsfinanzen und Politik 1848-1860, 2 Bde., Göttingen 1978, S. 1071, Tabelle 34.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

173

Tabelle 3 (Fortsetzung) Ende des Jahres

Staatliche Schulden bei der Nationalbankaus WWEinlösung*

Weitere staatliche Bankschuld**

Bankschatz der Nationalbank

Umlauf von Banknotender Nationalbank

Umlauf von Staatspapiergeld (nominal bzw. zum offiziellen Kurs)***

1844

91,3

20,0

88,9

197,8

1845

88,0

20,0

95,2

214,8

1846

86,1

20,5

86,9

213,7

... ... ...

1847

85,7

45,0

70,2

219,0

.. .

1848

80,4

98,9

30,4

223,0

.. .

1849

77,8

111,2

30,1

250,5

71,1

1850

75,2

75,2

32,3

255,4

116,6

1851

72,5

49,2

42,8

215,6

167,1

1852

69,7

61,0

43,2

194,9

155,8

1853

66,7

55,0

44,9

188,3

148,3

1854

63,6

230,6

45,2

383,5

1855

60,5

192,7

49,4

377,9

1856

57,1

155,6

87,2

380,2

1857

53,7

150,1

98,0

383,5

1858

50,9

145,8

98,6

370,0

1859

46,9

299,0

76,4

444,5

1860

43,0

302,4

84,9

452,2

*

WW (d.i. Wiener Währung)-Einlösung = Einlösung der seit 1811 zur Finanzierung der Napoleonischen Kriege ausgegebenen Einlösungs- und Antizipationsscheine, auf Konventionsmünze lautend. Der Kurs war seit 1816 durch den Einlösungssatz der Nationalbank faktisch fixiert auf 100 fl. in Noten der Nationalbank = 250 fl. WW. Die übrige staatliche Schuld war bis 1847 vollständig, bis 1851 zum Teil ** als diskontierte Kassenanweisungen im Wechselportefeuille der Nationalbank verborgen (und diente damit der Banknotendeckung). *** Bis 1841 ist hier der Umlauf an Wiener Währung (nominal und zum Kurswert 100:250) ausgewiesen, 1849- 53 der Umlauf von Kassenanweisungen und Schatzscheinen mit Zwangskurs, ausgenommen die Lombardo-Venetien-Tresorscheine.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

zwang ausgestattet, d.h., das Papiergeld wurde zur gesetzlichen Währung erklärt. Das noch in Österreich verbliebene Silbergeld floh angesichts dieser Entwicklung trotz des strengen Verbotes aus dem Land, und an den Börsen entstand das sogenannte "Silberagio", das den unterwertigen Kurs des Österreichischen Papiergeldes gegenüber dem Edelmetall anzeigte und das erst 1878 ganz verschwand. 368 J.R.A. Helferich beschreibt die weiteren Folgen des Zusammenbruchs der Österreichischen Währung: Das Verschwinden sämtlichen Silbergeldes führte neben dem Kursverlust des Papiergeldes auch zu einem extremen ScheidemünzenmangeL Deshalb schritt die Österreichische Regierung zur Ausgabe von Münzscheinen im Nennwert von sechs und zehn Kreuzern am 20. Juni bzw. 5. August 1849. Der Scheidemünzenmangel war derartig groß, daß unter anderem im Verkehr die 1-Guldenscheine der Nationalbank in vier Teile zerschnitten und so in Umlauf gebracht wurden, was die Nationalbank sogar ausdrücklich anerkannte. Zudem gaben zahlreiche Private (vor allem Wirte und Gewerbetreibende) und Gemeindekörperschaften selbstgemachte Marken und Geldzeichen aller Art aus. Das Zerschneiden der neuen 1- und 2-Guldenoten wurde dann allerdings im September 1849 verboten, die Privatgeldzeichenausgabe schon im Mai des Jahres. Zudem versuchte die Regierung, dem Mangel zu begegnen, indem sie Scheidemünzen stark unterwertig ausprägen ließ, um sie im Verkehr zu halten; sogar die zu 44% untergewichtigen Münzen enthielten dafür offensichtlich noch zu viel Edelmetall und verschwanden aus dem Umlauf- d.h. sie wurden eingeschmolzen oder exportiert -, erst die zu 68 % unterwertigen Scheidemünzen konnten sich in der Zirkulation halten. 369 Obendrein wurde der Österreichische Staatshaushalt seit 1848 wiederholt mit außergewöhnlichen Ausgaben belastet, insbesondere durch die immer weiter ansteigenden militärischen Aufwendungen. Den erfolgreichen Bemühungen um Vergrößerung der laufenden Einnahmen zum Trotz, ergab dies Jahr für Jahr einen enormen Fehlbetrag, der die Finanzverwaltung in vielen Fällen auf die Währungsreserven zurückgreifen ließ, was die Versuche zu deren Stabilisierung regelmäßig scheitern ließ?70 Diese Konstellation errichtete hohe Hürden für eine eventuelle Integration der Habsburgermonarchie in die deutschen Münzvereine. 37 1 368 Vgl. Wysocki, Die österreichisch/ungarische, in: Sehremmer (Hg.), Geld, S. 144. 369 (J.R.A.) Helferich, Die Österreichische Valuta seit dem Jahre 1848, in: ZfgS 12, 1856, s. 401 ff., s. 409. 370 Alois Gratz, Die Österreichische Finanzpolitik von 1848 bis 1948, in: Hans Mayer (Hg.), Hundert Jahre österreichischer Wirtschaftsentwicklung 1848-1948, Wien 1949, S. 222 ff., S. 247.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Ein weitere, dritte Entwicklung begann seit der Jahrhundertmitte einer Integration der deutschen Wirtschafts- und Währungsräume unter Einschluß Österreichs entgegenzuwirken: Mit der in den Staaten des Zollvereins einsetzenden raschen Industrialisierung vergrößerte sich der wirtschaftliche Abstand zwischen den nordwestlichen Territorien des Deutschen Bundes und dem Habsburgerstaat. 372 Diese Diskrepanz war zwar schon im Vormärz vorhanden gewesen (wobei allerdings die zum Deutschen Bund gehörenden Österreichischen Landesteile nur wenig hinter dem Zollverein zurückstanden), aber erst mit der Dynamik des Industrialisierungsprozesses wurde der Unterschied deutlich spürbar, zum einen durch den jetzt entstehenden Binnenmarkt des Zollvereins, der die wirtschaftlichen Interessen der Regierungen und der am wirtschaftlichen Aufschwung partizipierenden bürgerlichen Schichten in zunehmendem Maße an den Führungsstaat des Zollvereins, an Preußen, band, und damit von vomherein die Österreichische Position gegenüber Preußen schwächte. Eine Politik gegen Preußen (und die preußischen Regierungen zumindest seit dem Kabinett Manteuffel von 1849 ließen keinen Zweifel daran, daß eine Annäherung an Österreich seitens eines Zollvereinsmitgliedes von ihnen als feindseliger Schritt gesehen wurde) war in dieser Konstellation mit der Gefahr folgenschwerer materieller Einbußen verbunden?73 Zum zweiten aber verstärkten die Österreichischen Produzen371 Vgl. zum Problem der einer handelspolitischen Integration Österreichs mit dem Zollverein entgegenstehenden Papiergeldverhältnisse Österreichs: Wilhelm Oechelhaeuser, Der Fortbestand des Zollvereins und die Handelseinigung mit Oesterreich, Frankfurt a.M. 1851, S. v (Oechelhaeuser sah das Problem allerdings nur als eine "Zeitfrage" an); K.H. Rau, Über die Krisis des Zollvereins im Sommer 1852, Heidelberg 1852, S. 39. 372 Tabelle 4 Schätzung des realen Pro-Kopf-Einkommens der Österreichischen Landesteile der Habsburgermonarchie in% des deutschen Wertes, 1850-1880

1850

1860

1870

1880

74

67

61

60

Nach: Kernbauer/März, Das Wirtschaftswachstum, in: Schröder/Spree (Hg.), Historische, S. 50. Die Zahlen für das gesamte Habsburgerreich sind aufgrund der Vielfalt und des ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungszustandes noch sehr viel schwerer zu schätzen, liegen aber mit Sicherheit deutlich unter den nur auf Österreich bezogenen. Vgl. David F. Good, The Economic Rise of the Habsburg Empire, 1750-1914, Berkeley/Los Angeles/London 1984, S. 242; Nachum Th. Gross, Die Stellung der Habsburgennonarchie in der Weltwirtschaft, in: Alois Brusatti (Hg.), Die Habsburgennonarchie 1848-1918, Bd. 1: Die wirtschaftliche Entwicklung, Wien 1973, S. 1 ff., S. 5. 373 Vgl. dazu etwa die beiden bei Helmut Böhme (Hg.), Vor 1866. Aktenstücke zur Wirtschaftspolitik der deutschen Mittelstaaten, Frankfurt a. M. 1966 (Hamburger Studien zur neueren Geschichte, Band 7), abgedruckten Stellungnahmen aus Sach-

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

ten ihren Widerstand gegen eine handelspolitische Annäherung an den Zollverein, denn die Industrielle Revolution und ihre Schwester, die Transportrevolution (deren Trägerin die Eisenbahn war), verstärkten das Leistungsvermögen der Mitbewerber im Nordwesten, rückten sie gleichzeitig näher heran und ließen sie damit erst zu wirklich bedrohlichen Konkurrenten werden. b) Das Österreichische Projekt einer mitteleuropäischen Zollunion

Auf die Herausforderung des Nationalstaatskonzeptes der Faulskirehe antworteten die beiden deutschen Großmächte im Frühjahr 1849 ihrerseits mit der Entwicklung von Projekten, welche die Forderungen der Nationalbewegung aufnahmen und gleichzeitig entschärfen sollten, indem sie eine Vereinigung der deutschen Staaten jeweils unter ihrer Führung und damit den Erhalt der eigenen Vormachtstellung vorsahen. 374 Beide Pläne implizierten mit der Erhöhung der eigenen Position die Verdrängung der jeweils anderen Großmacht aus der bis dahin dualen Spitze des Deutschen Bundes. Preußischerseits plante Außenminister Joseph Maria v. Radowitz in Anlehnung an das Projekt Heinrich v. Gagems vom "engeren und weiteren Bund" die Begründung einer Union, mit der die deutsche Einheit auf dem Weg eines zweistufigen föderativen Zusammenschlusses erreicht werden sollte: Preußen und die Klein- und Mittelstaaten sollten sich zu einem Bundesstaat verbinden, der dann ein Bündnis mit Österreich zu einem Deutschen Reich eingehen würde. 375 Zwar gediehen diese Pläne so weit zur Ausführung, daß am 20. März 1850 ein in den nicht-österreichischen Territorien gewähltes Unionsparlament in Erfurt zusammentreten konnte und eine Unionsverfassung vereinbarte (über den währungspolitischen Aspekt sen bzw. Württemberg, in denen 1851/52 eindringlich vor den Gefahren bei einem Auseinanderbrechen des Zollvereins gewarnt wurde: Bericht der württembergischen "Central-Stelle für Gewerbe und Handel" an das Königliche Finanz-Ministerium betreffend die Entwürfe von Staatsverträgen mit dem Österreichischen Kaiserstaate in Zoll- und Handelssachen, 17.12.1851, S. 17 ff.; Erlaß des sächsischen Ministerpräsidenten Ferdinand Graf von Beust an den Gesandten von Koenneritz in Wien, 19.10.1852, S. 39 ff. 374 Vgl. Anselm Doering-Manteuffel, Der Ordnungszwang des Staatensystems: Zu den Mitteleuropa-Konzepten in der österreichisch-preußischen Rivalität 1849- 1851, in: Adolf M. Birke/Günther Heydemann (Hg.), Die Herausforderung des europäischen Staatensystems. Nationale Ideologie und staatliches Interesse zwischen Restauration und Imperialismus, Göttingen/Zürich 1989 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 23), S. 119 ff. , S. 119 f. 375 Denkschrift der preußischen Regierung, die Union des deutschen Bundesstaats mit Österreich betreffend, 9.5.1849, und Preußischer Vorschlag betreffend die Grundlinie einer Unionsakte, 9.5.1849, beide in: Huber (Hg.), Dokumente, S. 420 ff. bzw. 425 f. Zum Unionsplan vgl. auch: Mommsen, Das Ringen, S. 75 ff.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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der preußischen Unionspläne wird an anderer Stelle zu reden sein). Österreich zwang Preußen jedoch unter massivem diplomatischem Druck, von dem Konzept Radowitz' Abstand zu nehmen; in der Punktation von Olmütz vom 29. November 1850 mußte Preußen einer eigenständigen deutschen Politik dann förmlich abschwören. 376 Nach der Niederschlagung der 1848er Revolution veränderte sich die Österreichische Deutschlandpolitik prinzipiell. Mit der Berufung Felix Fürst Schwarzenbergs zum Ministerpräsidenten fand eine "entschlossene Hinwendung zur Wiederherstellung der Monarchie als eines zentralistisch geführten Gesamtstaates [statt]. Dies bedeutete zugleich den Beginn einer aktiven großösterreichischen Politik [... ]."377 Ziele dieser Politik waren die Entmachtung Preußens und die Etablierung Großösterreichs als Führungsmacht eines österreichisch-deutsch bestimmten Mitteleuropas. 378 Als Mittel zum Zweck machte sich Schwarzenberg die Pläne seines Handelsministers Karl Ludwig Freiherr v. Bruck zunutze, der die Herstellung einer mitteleuropäischen Zollunion des Habsburgerstaates mit dem Zollverein anstrebte. Bruck publizierte seine "visionäre Konzeption" 379 einer siebzig Millionen Menschen umfassenden Wirtschaftsunion in der Mitte Europas, eines von Wien aus geleiteten Großraumes von der Adria bis Ostpreußen und von Lernberg bis Bremen, zum ersten Mal in einem anonymen Zeitungsartikel am 26. Oktober 1849380 ; die erste große Denkschrift zum Thema übergaben 376 Übereinkunft zwischen Österreich und Preußen, 29.11.1850 (Olmützer Punktation), in: Huber (Hg.), Dokumente, S. 449 f. 377 Helmut Böhme, Deutschlands Weg zur Großmacht. Studien zum Verhältnis von Wirtschaft und Staat während der Reichsgründungszeit 1848-1881, Köln/Berlin 1966, S. 12; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 646, spricht von einer "neuen imperialen Machtpolitik" Österreichs, welche die alte Gleichgewichtspolitik abgelöst habe. Vgl. auch Helmut Böhme, Politik und Ökonomie in der Reichsgründungs- und späten Bismarckzeit, in: Michael Stürmer (Hg.), Das kaiserliche Deutschland. Politik und Gesellschaft 1870-1918, Düsseldorf 1970, S. 26 ff., S. 31. 378 Zu den Zielen Schwarzenbergs vgl. Herbert Matis, Österreichs Wirtschaft 1848-1913. Konjunkturelle Dynamik und gesellschaftlicher Wandel im Zeitalter Franz Josephs I., Berlin 1972, S. 86. Zur Formulierung des Mitteleuropaprojektes siehe Stefan Lippert, Felix Fürst zu Schwarzenberg. Eine politische Biographie, Stuttgart 1998 (HMRG, Beiheft 21), S. 269- 283. 379 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3, S. 288. 380 "Durch das handelspolitische Zusammenfassen Mitteleuropas wird Österreich vermöge seiner zentralen Lage zum Westen und Osten, zum Süden und Norden und der freien Entwicklung seiner Natur- und Geisteskräfte notwendig der Mittel- und Schwerpunkt des großen Weltverkehrs, und die weiteren Folgen davon für die politische Gestaltung sind unschwer zu übersehen. Also man schrecke auf dieser ruhmreichen Bahn kleinlicher Rücksichten halber nicht vor dem entscheidenden Schritt zurück; er muß getan werden, das heischt das Naturgesetz der Entwicklung. Wohlan denn, vorwärts!" Vorschläge zur Anbahnung der österreichisch-deutschen Zoll- und Handelseinigung, Bruck (anonym), in der amtlichen "Wiener Zeitung" vom

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Schwarzenberg und Bruck Ende Januar 1850 den deutschen Regierungen. Die Schrift forderte die Zolleinigung Deutschlands und Österreichs im Sinne eines nationalen Schutzzollsystems?81 Österreich flankierte den Zollunions-Plan mit weiteren Maßnahmen zur Schmälerung der preußischen Position im Deutschen Bund; Schwarzenbergs Politik zielte dabei darauf ab, die traditionelle Vorrechtsstellung und das Vertragsrecht Preußens bei Verhandlungen über Beitritte zum Zollverein zu bestreiten. Außerdem wurde die Kompetenz der neu eingerichteten Bundeskommission (der Österreich die Frage der Zolleinigung überwies) gegen Preußen verteidigt und die Bedeutung Gesamt-Österreichs als eines wichtigen Teiles des Bundes herausgestellt. 382 Die preußische Regierung lehnte es ab, die Zolleinigung in der Bundeskommission zu verhandeln - wie sie im übrigen dem ganzen Organ mit unverhohlener Mißbilligung gegenüberstand -, sah sich jedoch genötigt, Ende Februar 1850 ihre grundsätzliche Zustimmung zu bilateralen Verhandlungen mit Österreich über Verkehrserleichterungen, nicht jedoch über Tariffragen, zu erklären. Die Regierung in Wien hingegen machte dem preußischen Emissär Rudolph Delbrück deutlich, daß sie nur auf der Basis einer Zolleinigung zu verhandeln bereit war und daß sie die Mittelstaaten zu den Erörterungen mit hinzuziehen wollte. Die von beiden Seiten angewandten Taktiken verdeutlichten sich schon in diesem frühen Stadium der Diskussionen: Preußen war es daran gelegen, "das Projekt durch eine dilatorische Behandlung zu torpedieren, ohne dabei aber einen sofortigen Widerstand gegen die großdeutschen Tendenzen zu verraten", um nicht die nationale Stimmung und die tendenziell österreichfreundlichen süddeutschen Staaten gegen sich aufzubringen. So lautete auch die Antwort des preußischen Außenministers Schleinitz auf die Zolleinigungsdenkschrift, es bestehe die Notwendigkeit der weiteren "Prüfung und Erwägung" der Vorschläge? 83 Österreich hingegen mußte verhindern, daß auf den bevorstehenden Konfe26.10.1849, abgedruckt in: Die Denkschriften des k.k. Österreichischen Handels-Ministeriums vom 30. December 1850 und 30. Mai 1850 und die Depesche des k.k. Österreichischen Minister des Aeußern vom 21. Juli 1850 in Betreff der österreichisch-deutschen Zoll- und Handelseinigung, Leipzig 1850, S. 15 ff., S. 19. Vgl. Adam Wandruszka, Großdeutsche und kleindeutsche Ideologie 1840-1871, in: Kann/Prinz (Hg.), Deutschland, S. 110 ff., S. 129. 381 Siehe Denkschrift des kaiserl. Österreichischen Handelsministers über die Anbahnung der österreichisch-deutschen Zoll- und Handelseinigung, 30.12.1849, unterz. Bruck; Denkschrift des kaiserlich-österreichischen Handelsministers über Zollverfassung und Handelspolitik der zollvereinten Staaten von Oesterreich und Deutschland, 30.5.1850, in: Denkschriften, S. 1 ff. bzw. S. 25 ff. 382 Siehe den Brief Schwarzenbergs an Kübeck, den Österreichischen Vertreter bei der Bundeszentralkommission, vom 26.1.1850, nach: Beer, Die Österreichische, S. 90. 383 Böhme, Deutschlands, S. 24.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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renzen die Verlängerung der bald ablaufenden Zollvereinsverträge zustande kam, bevor nicht die deutsch-österreichische Zolleinigung festgeschrieben worden war. Daher sollten insbesondere die Österreich politisch nahestehenden Mittelstaaten bewogen werden, seine Position zu unterstützen. Notfalls sollte den süddeutschen Staaten für den Fall eines Auseinanderbrechens des Zollverein ein Zollverbund mit Österreich vorgeschlagen werden. Aber auch eine direkte Verständigung mit Preußen war nach Brucks Vorstellungen ein möglicher Weg, der beschreitbar sein würde, wenn man Preußen nur alle Vorteile darlegte, die es aus einer Zolleinigung erwarten könne.384 Allerdings fanden die Österreichischen Vorschläge lediglich eine recht laue Aufnahme in den meisten deutschen Mittelstaaten, nur HessenDarmstadt, Württemberg und Frankfurt stimmten ihnen zu; in Österreich selbst hingegen stießen die Pläne auf den Widerstand der Schutzzöllnerischen Industriellen.385 Auf der Kasseler Generalkonferenz des Zollvereins im Juli 1850 übernahmen es die Vertreter Bayerns und Sachsens, die Österreichischen Vorschläge vorzubringen. Allerdings sprachen sie sich nicht für eine Erörterung derselben aus, sondern allein für eine Diskussion darüber, ob die Aufnahme von Verhandlungen mit Österreich wünschenswert sei. Das Kalkül Delbrücks, der Preußen auf der Konferenz vertrat, war es, die Zusage zu den Österreichischen Plänen an die auch von Österreich als notwendig angezeigte Zolltarifreform zu binden, da diese erwartungsgemäß langwierige Verhandlungen erfordern würde. Zur Unterstützung dieses Vorschlages schlug Preußen den Abschluß eines Handelsvertrages mit Österreich vor: "Delbrück wußte, daß dieser Alternativvorschlag zur Zollunion auch in Württemberg und Bayern schon diskutiert worden war. Und Preußen hatte Erfolg. Trotz der sehr energischen Gegenwehr Österreichs gelang es, den überwiegenden Teil der Zollvereinsmitglieder für eine Vertagung der Bruckschen Pläne zu gewinnen."386 Wie festgefügt die Position Preußens im Zollverein war und als wie bedeutend und beständig die Abhängigkeit vom größten Vereinsstaat auch von den anderen Staaten wahrgenommen wurde387 , zeigte sich sogar während der Dresdner Konferenz des Deutschen Bundes (1850/51), auf der Preußen nach dem endgültigen Scheitern seiner Unionspolitik demütigende Bedingungen für die Restituierung des Bundes hinnehmen mußte, Österreich hingegen diplomatisch zu triumphieren schien. Die Österreichische Delegation konnte von dort bezüglich der Zollunionspläne nur wenig Positives nach 384

Vgl. Bruck an Schwarzenberg, 16.6.1850, nach: Beer, Die Österreichische,

385

Vgl. Böhme, Deutschlands, S. 24. Böhme, Deutschlands, S. 31. Zu diesem Punkt vgl. Hahn, Geschichte, S. 144.

s. 96 f. 386 387 12*

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Wien berichten: Nur Österreich selbst wolle die Zolleinigung wirklich, Sachsen und die süddeutschen Staaten hätten nichts dagegen, "sofern sie ein Mittel zur Erlangung einer größeren Unabhängigkeit von Preußen oder zur Erweiterung ihres Marktes sei, nie werden sie jedoch energisch für dieselbe eintreten; sie werden sie nur wollen, wenn Preußen sich nicht dagegen erklärt." Den norddeutschen Zollvereinsmitgliedern hingegen sei die Frage gleichgültig, sie würden sich nach Preußen richten, die außerhalb des Zollvereins stehenden norddeutschen Staaten seien gar entschiedene Gegner der Zolleinigung. Die ganze Verhandlung drehe sich daher einzig um Preußen und dessen Entschluß. Der "Knotenpunkt" liege nicht am Tagungsort in Dresden, sondern in Berlin. Preußen aber halte die Einigung momentan nicht für möglich; es kritisiere den neuen Österreichischen Tarif, der nur ein erster Schritt fort vom Prohibitivsystem sei, außerdem sei nach preußischer Auffassung die Österreichische Zollverwaltung zu ineffizient und schlecht vorbereitet für eine Vereinigung, und Habsburg könne auf das Tabakmonopol nicht verzichten, das wiederum der Zollverein nicht einführen wolle. Dazu kämen die Valutaverhältnisse. "Endlich, und dies ist das wichtigste Bedenken, fürchte Preußen durch den Eintritt Österreichs in den Zollverein für seine Hegemonie [... ]."388 Schon im folgenden Jahr gewann Preußen die Initiative in der Außenwirtschaftspolitik durch den überraschenden Abschluß eines Handelsvertrages mit Hannover (7. September 1851) zurück. Vermittels dieses Vertrages, mit dem Hannover erhebliche Vorteile eingeräumt wurden, erhielt Preußen auch ohne den Zollverein ein lebensfähiges Zollgebiet mit einer Landbrücke zwischen seinen westlichen und östlichen Gebietsteilen und machte darüber hinaus die süd- und mitteldeutschen Staaten in ihrem Zugang zu Nord- und Ostsee von Preußen abhängig. 389 Im Gegenzug unternahm Österreich einen neuerlichen Vorstoß in Richtung Zollunion, diesmal aber richtete sich der Vorschlag allein an die Mittelstaaten, d.h. Preußen sollte aus dem neu zu gründenden Verein ausgeschlossen bleiben. Indes: "Durch den Septembervertrag fühlte Preußen sich stark genug, um die ,Epoche des Zuwartens' abzubrechen und sofort zum Gegenschlag auszuholen" 390, und kündigte fristgerecht die Zollvereinsverträge. Daraufhin bat Österreich die Zollvereinsmitglieder für eine Konferenz zur Beratung über eine Zollunion zu sich nach Wien. Diese Konferenz, zu der auch Preußen eingeladen war, das aber die Teilnahme abgelehnt hatte, traf sich am 4. Januar 1852, um 388 Bericht Hocks (technischer Beirat des Grafen Buol, des Österreichischen Kommissars bei den Dresdner Verhandlungen 1850/51) über die Stimmung in Deutschland, 25.1.1851, in: Beer, Die Österreichische, S. 99. 389 Zur Bedeutung des Vertragsabschlusses mit Hannover als Druckmittel gegen die süd- und mitteldeutschen Staaten vgl. Kiesewetter, Industrielle, S. 66. 390 Böhme, Deutschlands, S. 37.

Ill. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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über die Tarifrevision und ein mögliches Unionsgesetz zu beraten. Trotz der abgehaltenen 54 Sitzungen kamen die Unterhändler aufgrund der unterschiedlichen Positionen der Zollvereinsmitglieder und der preußischen Drohungen zu keinem Ergebnis. Zudem machte Preußen verlockende Gegenvorschläge: Es lud die Zollvereinsmitglieder nach Berlin zu Verhandlungen über die Erneuerung der Verträge ein, außerdem wurde ein Handelsvertrag mit Österreich "auf breitester Basis" in Aussicht gestellt. 391 Es hatte sich erwiesen, daß aufgrund der Furcht vor Preußen und vor dem Zerbrechen des Zollvereins auf Seiten der deutschen Staaten die weitgefaßten handelspolitischen Pläne Österreichs in absehbarer Zeit ohne wirkliche Chance zur Ausführung waren. "Die mittelstaatlichen Regierungen suchten zwar bei Österreich einen politischen Rückhalt gegen Preußen, fochten dabei aber in erster Linie für die eigenen Interessen und ließen sich nicht einfach ins Schlepptau der Wiener Politik nehmen. Das Hauptziel der Mittelstaaten bestand darin, Selbständigkeit und bundespolitischen Einfluß durch engere interne Kooperation sowohl gegenüber Preußen als auch gegenüber Österreich zu behaupten." (Dies war die sogenannte "Triasstrategie"). Gezwungenermaßen tendierten die deutschen Staaten dabei aber eher zu einer Anlehnung an Preußen: "Zwei Jahrzehnte Zollverein hatten Verflechtungen entstehen lassen, die den Handlungsspielraum der kleineren und mittleren Vereinsstaaten immer mehr einengten."392 In der Erkenntnis dieser grundsätzlichen Schwäche der eigenen Position (und auf russisches Drängen hin) fand sich die Österreichische Regierung Buol-Schauenstein (Nachfolger des 1852 verstorbenen Schwarzenberg) Ende 1852 schließlich doch zu bilateralen handelspolitischen Gesprächen mit Preußen bereit, um überhaupt eine Annäherung an den Zollverein erreichen zu können. Das Ergebnis dieser Gespräche, die für Österreich Bruck und Delbrück für Preußen führten, war der Handelsvertrag des Zollvereins mit Österreich vom 12. Februar 1853: Mit ihm wurde gegenseitige Meistbegünstigung vereinbart und ein System von Präferenzzöllen an die Stelle der bestehenden Einfuhrverbote und Prohibitivzölle gesetzt. Der Vertrag hob darüber hinaus die Zölle auf viele Rohstoffe, Nahrungsmittel und Güter geringeren Wertes auf. Schließlich verhieß der Artikel 25, daß spätestens 1860 Verhandlungen um eine große Zollunion aufzunehmen waren. "Aber ein fundamentaler Gegensatz bestand vom ersten Augenblick an zwischen den Erwartungen und Absichten, welche Preußen und Österreich mit diesen Abmachungen verknüpften: Das Ziel der preußischen Unterhändler war, für diesmal Österreich mit einem Versprechen zu befriedigen, dessen Einhaltung sie sich in einer günstigeren politischen Konstellation in den nächsten Jahren und besonders im Jahre 1860 bestimmt zu entziehen gedachten. Bruck und das Österreichische 391 392

Vgl. Böhme, Deutschlands, S. 37. Hahn, Geschichte, S. 146 und 147.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Kabinett dagegen nahmen das preußische Zugeständnis ernst. " 393 Delbrück zitiert in seinen Erinnerungen ein Memorandum aus dem Jahr 1864, in dem er die Zwangssituation beschrieb, in der sich Preußen aufgrund des vereinten mittelstaatlichen und Österreichischen Drucks befunden hatte, gleichzeitig jedoch den Ausweg aufzeigte, den Preußen durch seine Interpretation des Artikels 25 des Februarvertrages zu nehmen gedachte: "Im Jahre 1853 war der Abschluß eines Vertrages mit Österreich eine unbedingte handelspolitische Notwendigkeit für Preußen. Ohne diesen Abschluß war Hannover am Vertrage vom 7. September 1851 nicht festzuhalten, und ohne das Festhalten Hannovers an diesem Vertrage war die Verbindung zwischen dem östlichen und dem westlichen Teile Preußens verloren. Baron Bruck erzwang bei dieser Lage der Sache eine der jetzigen [1864] Forderung Österreichs entsprechende Zusage. Er machte kein Hehl daraus, daß sich Österreich mit seinem Anspruch auf die Zolleinigung nicht für eine zwölfjährige Periode durch den damaligen Vertrag könne abfinden lassen, vielmehr dessen Geltendmachung nach Ablauf von sechs Jahren vorbehalten müsse. In Preußen tröstete man sich damit, daß die gegebene Zusage zu nichts verpflichtete, als zu Unterhandlungen, und daß man Herrn von Bruck im Laufe der Verhandlungen zu erkennen gegeben hatte, es werde nach den wesentlichen Staatsinteressen Preußens ein Zollvereinigungsvertrag mit dem Österreichischen Gesamtstaate voraussichtlich in Preußen schwerlich Anklang finden. Zu der Verhandlung über die Zolleinigung ist es nicht gekommen. [... ] Nichtsdestoweniger hat die Verpflichtung zu jener Verhandlung schwer auf der handelspolitischen Aktion Preußens gelastet. "394 Nach dem Abschluß des Februarvertrages wurden dann im April des seihen Jahres auch die Zollvereinsverträge auf der bisherigen Rechtsgrundlage verlängert. Österreich versuchte dessenungeachtet in der Folge weiter, das Projekt der Zollunion voranzutreiben - der Weg dahin sollte über Zollsenkungen und längerfristig die Ausschaltung der preußischen Machtposition im Zollverein und im Bund verlaufen. "Es sollte sich jedoch zeigen, daß Preußen auf diesem Weg der Zollsatzunterbietung den längeren Atem 393 Eugen Franz, Der Entscheidungskampf um die wirtschaftspolitische Führung Deutschlands (1856-1867), München 1933, S. 4. Zur Österreichischen Interpretation des Februarvertrages als Vorstufe des Österreichischen Beitritts zum Zollverein siehe etwa das Protokoll II der Ministerkonferenz, Wien, 13.9.1853, in: Die Protokolle des Österreichischen Ministerrates 1848-1867. III. Abteilung: Das Ministerium Buol-Schauenstein. Band 2, 15. März 1853 - 9. Oktober 1853, bearb. v. Waltraud Heindl, Wien 1979, S. 328 ff.. Vgl. zur ganz unterschiedlichen Interpretation des Artikels 25 seitens Österreichs und Preußens auch Beer, Die Österreichische, S. 175; Böhme, Deutschlands, S. 48; William 0. Henderson, Cobden-Vertrag und handelspolitischer Liberalismus, in: Hans Pohl (Hg.), Die Auswirkungen, S. 221 ff., s. 222. 394 Rudolph von Delbrück, Lebenserinnerungen 1817-1867, Bd. 2, Leipzig 1905, s. 321.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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hatte." 395 Um den Österreichischen "Stufenplan" zu durchkreuzen, beschloß die preußische Regierung in einer ersten Reaktion auf das Österreichische Vorgehen deshalb die Einsetzung einer Tarifvorbereitungskommission zur Erstellung neuer Zollermäßigungen, denen Österreich nicht würde folgen können. 396 Der Februarvertrag VISierte in seinem neunzehnten Artikel neben der Zoll- auch eine Münzeinigung zwischen Zollverein und Österreich an. Österreich mußte an dieser Annäherung aber auch darum gelegen sein, weil sie eine unabdingbare Voraussetzung dafür war, daß sich aus dem Handelsvertrag tatsächlich die Perspektive einer weitergehenden Zollunion abzeichnen konnte, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen ergab sich für Österreich die Notwendigkeit, seine Währungsverhältnisse nach dem Vorbild der Staaten des Zollvereins wieder auf die solide Basis des Edelmetalls zu stellen, weil in der gegebenen Situation der Papiergeldwährung die in Silber zu entrichtenden Zölle bei der Ausfuhr nach Österreich wegen des Silberagios wie ein zusätzlicher Schutzzoll wirkten.397 "Der Februarvertrag konnte nur dann allgemeines Vertrauen beim Zollverein erwecken, wenn Österreich seine verfahrenen Währungsverhältnisse verbesserte. "398 Zum zweiten war die Errichtung einer vollständigen Zollunion zwischen zwei Währungsräumen, von denen einer Silber, der andere Staatspapiergeld zur Grundlage seiner Währung hatte, schlechterdings unmöglich. Schon zu Zeiten der Österreichischen handelspolitischen Abschottung gegenüber dem Zollverein hatte sich gezeigt, welche Auswirkungen diese Situation auf die Staaten des 24 ~-Guldenfußes gehabt hatte, indem sich dort erhebliche Mengen österreichischer Münzen sammelten und die einheimischen Währungsverhältnisse in größte Unordnung brachten. Eine Öffnung der Grenzen für den Warenverkehr würde bei weiter bestehender Papiergeldwährung mit Zwangskurs und Silberagio in Österreich sämtliches Edelmetall von dort vertreiben und nach Norden und Westen fließen lassen, sogar ganz niederwertige Kleinmünzen, derer sich die Staaten der Münzvereine gerade mit viel Mühe zu entledigen suchten. 399 Böhme, Deutschlands, S. 55. Zum weiteren Verlauf siehe: Franz, Der Entscheidungskampf, S. 7 ff.; Böhme, Deutschlands, S. 54 ff. 397 Vgl. den Jahresbericht der Handelskammer Kottbus von 1853: "Der Stand der Österreichischen Valuta verbietet den dortigen Konsumenten zur Zeit fast jeden bedeutenden Ankauf im Zollvereine, weil die Waren, die durch den Unterschied von 25% herbeigeführte Preissteigerung in der Regel nicht tragen können." Zit. nach Karl Helfferich, Die Folgen des deutsch-österreichischen Münz-Vereins von 1857. Ein Beitrag zur Geld- und Währungs-Theorie, Straßburg 1894 (Abhandlungen aus dem staatswissenschaftliehen Seminar zu Strassburg, Heft XII), S. 6. In ähnlicher Weise klagten auch etliche andere Handelskammern. 398 Schrötter, Preußisches 2, S. 109. 3 95

396

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

c) Die ersten Verhandlungen um einen Münzverein mit Österreich (1854)

Die große Bedeutung, die Bruck einer währungspolitischen Annäherung an den Zollverein zumaß, offenbarte sich in den energischen Bemühungen, den Zwangskurs des Österreichischen Papiergeldes zu beseitigen und die Konvertibilität der Nationalbanknoten wiederherzustellen. Nachdem das Silberagio von September 1852 bis September 1853 von 25 auf nur noch 8% zurückgegangen war400, wurde in einem ersten Schritt durch Übereinkommen der Regierung mit der Nationalbank vom 23. Februar 1854 der Gesamtumlauf an Staatspapiergeld der Bank übertragen, die dafür Banknoten in gleicher Höhe ausgab. Das Ziel des währungspolitischen Konzeptes Brucks war es dabei, die Wiederaufnahme der Noteneinlösung durch die Nationalbank nicht durch eine Verringerung des umlaufenden Papiergeldes, sondern durch eine Stärkung des Metallschatzes zu erreichen. 401 Um die 3 99 Vgl. den Antrag des bayerischen Außenministeriums, des Finanzministeriums und des Handelsministeriums an den König vom 26.5.1858, in: BHStA M H 15336. Acten des k. Staats-Ministeriums des König!. Hauses und des Aeußern. Verhandlungen der süddeutschen Münzconferenz in München im Jahre 1858, in dem Bezug genommen wird auf das Einströmen der jüngst abgewerteten Österreichischen 10und 20-Kreuzerstücke nach Süddeutschland, was Bayern und den anderen Staaten der Münchener Konvention schwerwiegende Nachteile im Geldverkehr bereite (zu dieser Frage traf sich noch 1858 eine Konferenz der Konventionsstaaten, die entsprechende Mittel beschloß; zu dieser Konferenz vgl. BHStA M H 15337. Acten des k. Staats-Ministeriums des König!. Hauses und des Aeußern. Verhandlungen der süddeutschen Münzconferenz in München i.J. 1858). Zu der erheblichen Besorgnis der süddeutschen Staaten bezüglich der Auswirkungen der Österreichischen Münzpolitik, die geradezu eine Furcht vor dem Beitritt Österreichs zum Münzverein erkennen lassen (und das in Bayern, das sich sonst so häufig als Sachwalter des Österreichischen Interesses gegenüber Preußen sah!), siehe auch den Bericht des bayerischen Außenministers, des Finanzministers und des Handelsministers an den König vom 11.5.1854, in: BHStA M H 15333/2. Acten des k. Staats-Ministeriums des König!. Hauses und des Aeußern. Münzwesen. 1848-1865. Ähnliche Beschwerden lassen sich auch aus anderen Österreich benachbarten Gebieten nachweisen; so klagte die Handelskammer von Görlitz 1853: "Neben dem fortdauernd schwankenden und niedrigen Course des Österreichischen Papiergeldes und neben dem noch immer bemerkbaren Mangel an Österreichischen grösseren Silbermünzen, hat besonders die in den ersten Monaten des vorigen Jahres stattgefundene Ueberschwemmung unserer Gegend mit den in ihrem Courswerthe herabgesetzten Österreichischen Sechskreuzerstücken aus den Jahren 1848 und 1849 auf den Verkehr unserer Gegend nachtheiligen Einfluss gehabt, und selbst nicht unbedeutende Verluste herbeigeführt." Jahresbericht der Handelskammer für die Stadt und den Kreis Görlitz für das Jahr 1852, in: Handels-Archiv 1853. Zweite Hälfte, S. 142 ff., S. 151. 400 (J.R.A.) Helferich, Die Österreichische Valuta seit dem Jahre 1848, in: ZfgS 12, 1856, S. 401 ff., S. 418. 401 Vgl. Reinhard Kamitz, Die Österreichische Geld- und Währungspolitik von 1848 bis 1948, in: Mayer (Hg.), Hundert, S. 127 ff., S. 134.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Wiederaufnahme der Bareinlösung durch die Bank und die Abtragung der Staatsschuld an die Bank von (Ende 1854) 294 Mio. fl. zu ermöglichen, wurde im Juni 1854 die Auflage einer "freiwilligen" Anleihe von 300 bis 500 Mio. fl. angeordnet (das sogenannte Nationalanlehen). 402 Diese Anleihe kam aber durch den Keimkrieg nicht dem beabsichtigten Zweck zugute. Die Mobilisierung für die in diesem Konflikt betriebene Politik der bewaffneten Neutralität war für Österreich ungemein kostspielig und verzögerte die eingeleitete Währungssanierung; das hatte entsprechende Auswirkungen auch auf die Gespräche um einen Beitritt Österreichs zum Münzverein. Ursprünglich sollte die allgemeine Münzkonferenz über die Erweiterung des Münzvereins bereits Ende 1853 oder Anfang 1854 stattfinden; zuvor allerdings waren Vorgespräche zwischen den wichtigsten Teilnehmern geplant: Nach der Idee Brucks sollten mit Österreich, Preußen, Bayern, Hannover und Parma oder Modena neben den beiden Großmächten jeweils ein Vertreter des 24 ~-Guldenfußes, der Nordseestaaten und des metrischen Währungssystems in vorbereitende Verhandlungen eintreten, um der allgemeinen Konferenz dann schon ein weitgehend fertiges Ergebnis präsentieren zu können und so die dortigen Diskussionen abzukürzen. Das entsprach in etwa dem süddeutschen Vorgehen, das zur Münchener Münzkonvention geführt hatte. Frankfurt wurde auf seinen besonderen Wunsch hin ebenfalls die Teilnahme gestattet. 403 Diesen Planungen zum Trotz führte der preußische Ministerpräsident Manteuffel die durch den Keimkrieg eingetretene "ungewisse Zukunft" der Österreichischen Valutaverhältnisse als einen Grund dafür an, vorderhand bindende Verpflichtungen einer Münzkonferenz zu vermeiden. Wenn Österreich jedoch auf derartigen Verhandlungen bestehe, könne man sich dem freilich nicht entziehen; "allein es wird dies nur mit besonderer Vorsicht geschehen dürfen und nach sorgsamer Erwägung und Feststellung derjenigen Gesichtspunkte, an welchen diesseits festgehal402 Aufschlußreich sind die Tagebuchaufzeichnungen Kübecks über das Gebaren der Österreichischen Finanzverwaltung bei der Unterbringung des Nationalanlehens auf dem Markt: "Man hat die Anleihe unter dem Namen ,Nazionalanleihe' als eine freiwillige, patriotische ausposaunt und die Subskripzionen in diesem Sinne lobpreisend verkündet. Es ist nicht ein Mensch in Österreich, dem nicht die Versprechungen, Drohungen und Pressungen bekannt wären, durch welche die Subskripzionen erwirkt wurden." Zudem verschweige die Finanzverwaltung die tatsächliche Höhe der Subskriptionen, die Größe des Defizits und die Ausgabe ungedeckter Banknoten; über letztere würde sogar der größte Teil der Direktoren der Nationalbank im Unklaren gelassen. Tagebucheintrag Dienstag, 10.10.1854, in: Friedrich Walter (Hg.), Aus dem Nachlaß des Freiherrn Carl Friedrich Kübeck von Kübau. Tagebücher, Briefe, Aktenstücke (1841-1855), Graz/Köln 1960, S. 156. 403 Schreiben des Österreichischen Ministerpräsidenten Buol an die preußische Regierung, 20.10.1853; Zustimmung Bodelschwinghs (preußischer Außenminister), Schreiben an Ministerpräsident Manteuffel, 3.11.1853, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2114.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

ten werden muß, um auch für die Zukunft freie Hand zu behalten. " 404 Handelsminister Heydt indessen sah das beschworene Risiko nicht: Wenn man sich die Grundzüge des Dresdner Münzvertrages vor Augen halte - und ein Münzvertrag mit Österreich sei nur eine Erweiterung desselben -, "so wird man vielleicht Motive für die Behauptung finden, daß weitergehende Bestimmungen ohne Gefahr getroffen werden könnten, schwerlich aber dafür, daß solche Bestimmungen, wenn sie getroffen werden sollten, bei analoger Anwendung auf Oesterreich, so weit gingen, um eine Gefahr für Preußen zur Folge zu haben." Nicht zu leugnen und "handgreiflich" seien hingegen die Vorteile eines solchen Vertrages für Preußens Verkehrsbeziehungen mit Österreich.405 Dennoch trug die abwartende Haltung Preußens mit dazu bei, daß der Beginn der Vorverhandlungen sich verzögerte; Österreich erließ die Einladungen erst Anfang Oktober 1854 auf den 15. Oktober, auf preußischen Wunsch wurden sie dann noch einmal um einen Monat verschoben. Manteuffels Äußerungen hatten schon gezeigt, daß zumindest ein Teil der preußischen Regierung sich nur gezwungenermaßen bereit fand, mit Österreich über einen Beitritt zum Münzverein zu verhandeln (und zwar die Mehrheit der Regierung, denn Heydts eher optimistische Haltung entsprach zwar der des rheinischen Wirtschaftsbürgertums, dem er entstammte und das sich von einer engeren wirtschaftlichen Beziehung mit Österreich Vorteile für den Handel versprach406, weniger jedoch dem Denken seiner Kabinettskollegen, die die Bedeutung der Münzkonferenz eher unter den Vorzeichen des preußisch-österreichischen Konfliktes um die Hegemonie im Deutschen Bund sahen). Wenn der Beitritt aber schon nicht zu umgehen war, so mußte Preußen doch versuchen, zumindest eine Gefährdung seines Währungssystems in jedem Fall abzuwehren. Daß dies die Haltung des bestimmenden Elementes der preußischen Regierung war, der sich schließlich auch Heydt anschloß, bezeugen die Instruktionen, welche das Kabinett den preußischen Beauftragten bei der Münzkonferenz mitgab. Diese waren von den Beauftragten selbst bereits Ende 1853 in der Erwartung eines früheren Konferenztermins ausgearbeitet worden407 und wurden im November 1854 von den zuständigen Ministern bestätigt, verbunden mit der Maßgabe, daß 404 Manteuffel an Heydt und Bodelschwingh, 20.1.1854, in: GStAPK I HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2108. 405 Ebd.: Votum Heydts, 4.2.1854. 406 Vgl. beispielsweise den Jahresbericht der königlichen Handelskammer zu Köln für 1854, in: Handels-Archiv 1855. Erste Hälfte, S. 189 ff., S. 190 ff. oder den Jahresbericht der Handelskammer für Aachen und Burscheid für 1855, in: Preussisches Handelsarchiv 1856. Erste Hälfte, S. 237 ff., S. 241. 407 Protokoll einer Konferenz bezüglich der preußischen Verhandlungspositionen bei der Münzkonferenz in Wien, 17.12.1853, unterzeichnet Adelung (Schatz- und Münzverwaltung), Seydel (Finanzministerium), Kandelhardt (Generalmünzwardein), in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2114.

Ill. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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die preußischen Delegierten nicht mit eigenen Vorschlägen hervortreten, sondern sich nach dem Muster der Münzkonferenzen der 1830er Jahre darauf beschränken sollten, auf die Vorschläge der anderen Teilnehmer zu reagieren.408 An den Instruktionen ist durch die sich schließlich über drei Jahre hinziehenden Wiener Verhandlungen "mit erstaunlicher Zähigkeit"409 festgehalten worden; ebenso bemerkenswert ist, in welch hohem Maße Preußen es durchsetzen konnte, die innerhalb seiner Administration gefaßten Beschlüsse zum Inhalt des Münzvertrages von 1857 werden zu lassen. Bezüglich eines von Österreich zu erwartenden Vorschlages zur Einführung einer gemeinsamen 9oldmünze des Münzvereins war die preußische Verhandlungspositionen eindeutig: Dies sei insofern bestimmt abzulehnen, als damit die Errichtung einer Goldwährung intendiert sei; Anträge zur Einführung einer gleichwertigen (Handels-) Goldmünze in den verschiedenen Währungssystemen hingegen sollten nicht unbedingt sofort zurückgewiesen werden; strikt abzulehnen seien aber wiederum Vorschläge, die die Verbreitung einer solchen Goldmünze durch Festsetzung eines Kassenkurses oder Bestimmung als gesetzliches Zahlungsmittel zu befördern angetan waren. Entschieden abzulehnen seien auch hinsichtlich der Verhandlungen über die Silbermünzen alle Vorschläge, die Preußen eine wesentliche Änderung seines Münzsystems abverlangten; Preußen solle vielmehr die Aufnahme Österreichs in den 21-Guldenfuß (= 14-Talerfuß) zu gleichen Bedingungen wie im Münzverein von 1838 vorschlagen. Letzteres war im übrigen eine Entwicklung, der sich Bayern mit aller Kraft widersetzen wollte, fürchtete es doch, daß in diesem Fall das Österreichische Münzsystem dem norddeutschen so ähnlich würde, daß Österreich in Zukunft in Münzfragen auch dessen Positionen vertreten müsse, wodurch der 24 !-Guldenfuß isoliert und ihm aufgrund des wirtschaftlichen Übergewichtes des Talergebietes auf der einen und dem großen Bedarf des Habsburgerreiches nach Bargeld auf der anderen Seite unaufhörlich Kurant entzogen würde. 410 Vereinsmünze sollte nach preußischen Vorstellungen das 2-Talerstück bleiben. Die gegenseitige Zulassung der anderen Kurantmünzen im allgemeinen Verkehr (mit Ausschluß der Annahme bei den öffentlichen Kassen) war Preußen jetzt bereit zuzugestehen; allerdings sei sie an die Bedingung österreichischer Garantien zu knüpfen, dahingehend daß den Zollvereinsstaaten dadurch keine 408 Beschluß der Kommission zur Beratung der preußischen Verhandlungsposition, 7 .11.1854. (Teilnehmer: Die Minister Manteuffel, Bodelschwingh und Heydt; dazu noch die leitenden Beamten der vertretenen Ministerien Oesterreich, Philipsbom, Seydel und Delbrück). In: GStAPK I HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2108. 409 Schrötter, Preußisches 2, S. 120. 410 Bericht des bayerischen Außenministers, des Finanzministers und des Handelsministers an den König, 11.5.1854, in: BHStA M H 15333/2. Acten des k. Staats-Ministeriums des König!. Hauses und des Aeußem. Münzwesen. 1848-1865.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Nachteile entstünden, daß in Österreich keine vollwertigen Hauptmünzen, sondern nur stark unterwertige und abgenutzte Teilmünzen kursierten. Einer etwaigen Annäherung an das Frankensystem beispielsweise durch die Ausprägung von 2 fl. 20 Kr. Stücken im 24 ~- oder 2-Guldenstücken im 21-Guldenfuß müsse entgegengewirkt werden, eventuell sogar mit der Drohung, für diesen Fall die gegenseitige Zulassung von Kurantmünzen in Frage zu stellen. Schließlich werde man sich der Forderung nach Annahme einer 9110-feinen Legierung der Vereinsmünzen nicht entziehen können, selbst wenn das 1-Talerstück Vereinsmünze werden sollte. Damit dürfe aber keinesfalls die Verpflichtung für Preußen verbunden sein, die 12-lötigen Taler einzuziehen. Immerhin zeigte sich Preußen aber bereit, die Einführung des Zollpfundes als Münzgrundgewicht zu konzedieren. Bezüglich der Scheidemünzen sollten weiterhin die entsprechenden Bestimmungen von 1838 gelten; es dürfe außerdem niemand gezwungen werden, eine Zahlung, deren Wert sich in einer groben Münze ausdrücken lasse, in Scheidemünzen anzunehmen. Österreich müsse sich darüber hinaus verpflichten, künftig die Silber-Scheidemünzen gleich den preußischen auszubringen. Schließlich mußte der geplante Münzvertrag nach preußischer Auffassung auch Bestimmungen über das Papiergeld enthalten, und zwar daß solches und Banknoten nur in der Währung des ausgebenden Landes erscheinen durften. Ansonsten müsse jeder Staat vollkommen frei sein, über die Behandlung fremder papierener Wertzeichen in seinem Währungsgebiet zu entscheiden. Die Bestimmungen hinsichtlich des Papiergeldes zielten auf eine Entwicklung in jenem Zahlungsmittelsegment ab, welche zu diesem Zeitpunkt auf ihren Höhepunkt zusteuerte und das Geldwesen in den deutschen Staaten in höchste Unordnung gebracht hatte: den sogenannten "Bankenkrieg", d.h. die Gründung zahlreicher privater Notenbanken in den Preußen benachbarten Gebieten, die Massen von teilweise sehr zweifelhaften Talerscheinen ausgaben, die auf den Umlauf in Preußen abzielten, und die Gegenmaßnahmen, die Preußen, Bayern und andere Staaten zur Abwehr derartiger Vorgänge ergriffen. 411 Bereits die preußischen Verhandlungsgrundlagen muteten in weiten Teilen wie eine bewußte Provokation Österreichs an, zielten sie doch darauf ab, jeden Vorschlag im Österreichischen Interesse von vornherein zurückzuweisen. Darüber hinaus erklärten sie spezifisch preußische Positionen, die entweder für Österreich aufgrund der Situation seines Geldwesens oder aber für die süddeutschen Staaten unannehmbar erscheinen mußten, zur nicht verhandelbaren Bedingung des Münzvertrages. Prinzipiell schienen diese Propositionen nur Raum für zwei Verhandlungsergebnisse zu lassen: Entweder mußte die Konferenz an der Starrheit der preußischen Haltung schei411 Siehe dazu unten Kapitel III.2 a) in Abschnitt C: Der "Preußische Bankkrieg".

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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tern, oder dem süddeutschen Gulden würde durch das Anwachsen des 14-Talerfuß-Gebietes auf mittlere Sicht die Existenzgrundlage entzogen. In jedem Fall würde das preußische Währungssystem weitgehend unangetastet weiterbestehen können und darüber hinaus der Vertrag daraufhin angelegt sein, den preußischen Taler in die Stellung einer unangefochtenen Leitwährung entweder des kleindeutschen (= bestehender Münzverein) oder eines großdeutschen Währungsraumes (unter Einbeziehung Österreichs) zu erheben. Anfang Oktober 1854 erklärte Manteuffel, daß die Österreichische Einladung zu den Münzverhandlungen jetzt ergangen sei; da sich sämtliche Zollvereinsstaaten mit dem auch von Preußen gutgeheißenen Prozedere einverstanden erklärt hätten, "wird man sich diesseits nicht entziehen können, der Einladung zu folgen. " 412 Widerwillig nur wurden also die preußischen Emissäre entsandt, und am 18. November konnte der Österreichische Finanzminister Baumgartner die Konferenz schließlich eröffnen. Allerdings wollte Österreich nicht sogleich mit den offiziellen Verhandlungen beginnen, sondern vorher zunächst eine "freie Besprechung" abhalten, wohl um eventuell bestehende Unterschiede in den Positionen der Vertreter der Staaten des Münzvereins aufzuspüren, die dann im eigenen Sinne für die Verbandlungen ausgenutzt werden konnten. Dieses Ansinnen lehnte der preußische Delegationsleiter Seydel jedoch ab, insbesondere weil Österreich nicht bereit gewesen sei, über einige Andeutungen bezüglich seiner Verhandlungspositionen hinauszugehen; erst nach längerer Gegenwehr habe sich Baumgartner bereitgefunden, die Propositionen insgesamt vorzulegen.4 13 Seydel wußte offensichtlich, daß Österreich vor allem einen auf die Einführung der Goldwährung abzielenden Vorschlag zu machen gedachte; damit aber würde es auf den einmütigen Widerstand der Münzvereinsstaaten treffen, die seit vielen Jahren mit der mühevollen Herstellung und Bewahrung einer silbernen Umlaufswährung beschäftigt und keinesfalls bereit waren, die damit verbundenen hohen Aufwendungen nur mit Rücksicht auf den Österreichischen Beitritt zum Münzverein praktisch als verloren zu erklären. Wenn aber Österreich vor dem Beginn der eigentlichen Konferenz schon in anderen Punkten mit einigen der Konferenzteilnehmer zur Übereinstimmung würde gelangen können, weil es selbst die jeweiligen Gesprächsgegenstände und damit über den Zeitpunkt der Thematisierung der kontroversen Frage des Währungsmetalls bestimmen würde, mußte es Seydel sehr viel schwerer fallen, eine geschlossene Front des Münzvereins gegenüber Österreich zu errichten, und das wiederum hätte die preußische Stellung geschwächt. 412 Manteuffel an Heydt und Bodelschwingh, 3.10.1854, in: GStAPK I HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2108. 413 Ebd.: Bericht Seydels an Manteuffel (über die Verhandlungen in Wien), Wien 19.11.1854.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Am 20. November verteilte der Österreichische Kommissar, Ministerialrat Brentano, die Propositionen seiner Regierung. Und tatsächlich richtete sich wie von Preußen erwartet der Hauptvorschlag auf die Einführung einer Vereinsgoldmünze: Die Münze sollte das Äquivalent einer Mark Feinsilber sein, d.h. im 14-Talerfuß ein 14-Talerstück und im 20- und 24 ~-Guldenfuß ein 20- bzw. ein 24 ~-Guldenstück; sie sollte 9/10 Gold und 1/10 Kupfer enthalten. Das Wertverhältnis von Gold zu Silber sollte bei diesen Gold- und den (nicht zu verändernden) Silberkurantmünzen auf 15 ~ zu 1 festgelegt werden, so wie es in Frankreich der Fall war. 414 Wenn die bestehenden Silberkurantmünzen verschlechtert würden (ihr Kurs gemessen in Gold sänke), sollte ihre Annahme in den anderen deutschen Staaten nicht verlangt werden dürfen. "Die Propositionen wollten also scheinbar nicht die Goldwährung, sondern, da sie das Wertverhältnis fixierten, die Doppelwährung", schreibt Schrötter, "in der Tat erstrebten sie die Goldwährung. Österreich schien anzunehmen oder tat wenigstens so, als sei die Fixierung des Wertverhältnisses durchführbar. Wenn dies aber nicht der Fall war, so gab es zwei Möglichkeiten: Entweder es stieg der Wert des Goldes gegen das Silber; dann verlor man es, wenn man weiter nur 15 ~ Silbereinheiten für eine Goldeinheit gab, das Gold ging dahin, wo es etwa 15 ~ Silbereinheiten galt. Dieser Fall wurde damals für ausgeschlossen gehalten. Oder der Goldwert sank, worauf die meisten gefaßt waren; dann mußte, um das Wertverhältnis und das Silber zu behalten, der Silbermünzfuß verringert werden. Tat man es nicht, so geriet man in den Zustand Frankreichs, konnte nur Gold ausmünzen und hatte Goldwährung. Verbilligte man aber den Fuß der Silbermünzen, so wurden diese nach den Österreichischen Propositionen zur Scheidemünze und man hatte auch die Goldwährung. Ein Staat brauchte also nur den offiziellen Silbermünzfuß etwas zu verbilligen, wenn er zur Goldwährung übergehen wollte. Österreich aber, das gar keine Münzen nach 20-Guldenfuß mehr hatte, brauchte die vorhandenen gar nicht zu ändern, sondern nur für zureichende neue goldene zu sorgen. So erkennen wir bündig und klar, was die Propositionen bezweckten: die Einführung der Goldwährung in Österreich."415 Seydel erfaßte sogleich, worauf die Österreichischen Pläne abzielten. Am 21. November berichtete er nach Berlin, daß die Vorschläge die allgemeine Einführung der Goldwährung bezweckten; zwar werde diese nur für Österreich in Aussicht genommen, die vorgeschlagene feste Tarifierung des Goldes zum Silber bedeute aber in Wirklichkeit die Einführung eines allgemeinen Goldwährungssystems für den Münzverein. Österreich wolle die Goldwährung, weil es nicht in der Lage sei, die Kosten für die Herstellung einer 414 Propositionen in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2114, Blatt 40-42. 415 Schrötter, Preußisches 2, S. 122.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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Metallwährung in Silber aufzubringen, denn die Umprägung allein des silbernen Bankschatzes in einen neuen Münzfuß würde wegen der nötigen Affinierung mehrere Jahre brauchen. Wenn die Bank ihn aber in Gold umsetze, könnten schnell etwa 130 Mio. Gulden in Gold dem Verkehr übergeben werden; dann sei auch das in Privatbesitz befindliche Silber als Scheidemünze hinreichend. Andererseits wolle Österreich die Kosten der Umprägung der vorhandenen Silbergulden sparen und rege daher die Errichtung einer Doppelwährung an.416 Alle anderen Konferenzteilnehmer lehnten mit Preußen zusammen diese Österreichischen Vorschläge strikt ab, während Österreich nicht davon abrücken wollte. Mitte Januar 1855 wies Heydt Seydel in Wien an, daß eine eingehende Verhandlung aller Vorschläge der Münzkonferenz (außer einer Einführung der Goldwährung) erst dann würde erfolgen können, "wenn Gesterreich zur Beibehaltung der Silberwährung entschlossen ist und diesen Entschluß bestimmt zu erkennen gegeben hat." Auf diese Position verständigten sich dann auch die Vertreter der Staaten des Münzvereins. 417 Am 5. Februar beantragte der Delegierte Frankfurts aufgrund der Aussichtslosigkeit weiterer Verhandlungen auf der bestehenden Basis die Vertagung der Konferenz bis zum 16. April; dem stimmten die anderen zu. 418 Da weitere Sitzungen nicht mehr zustande kamen, bedeutete die Vertagung faktisch den Abbruch des ersten Verhandlungsversuches zu einer Münzeinigung zwischen dem Zollverein und Österreich. Seydel hat in seinem Bericht den entscheidenden Grund genannt, der Österreich dazu bewog, die Einführung einer Goldwährung als Grundlage für den erweiterten Münzverein anzuregen: Die Herstellung zunächst der vollen Konvertibilität der Noten der Nationalbank, dann aber in noch höherem Maße einer wirklichen metallischen Umlaufswährung wäre in Gold zu diesem Zeitpunkt sehr viel günstiger gewesen als in Silber. Daß der Goldpreis seit einigen Jahren zu sinken begann, war insbesondere eine Folge der gewaltigen Goldfunde in Kalifomien und Australien4 19, später aber auch der steigenden Silbemachfrage vor allem in lndien. 420 Auch die 416 Bericht Seydels an Manteuffel, Wien 21.11.1854, in: GStAPK I HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2108. 4 17 Ebd.: Votum Heydts, 13.l.1855; Bericht Seydels an Manteuffel, Wien 6.2.1855. 418 Vgl. 13tes Protokoll der Conferenz über eine allgemeine Münz-Convention, 5.2.1855, ebd. 419 Die Schätzungen über die Bedeutung der Goldfunde in Kalifomien und Australien nach 1848 reichen von der Annahme, daß in den 10 Jahren nach 1848 mehr Gold produziert worden sei, als in den 365 Jahren seit 1492, bis zu Berechnung des schwedischen Ökonomen Knut Wicksells, daß in den 25 Jahren nach 1851 so viel Gold produziert worden sei, wie in den vorangegangenen 250 Jahren; vgl. Kindleberger, Economic, S. 49. Zu den Auswirkungen dieser Liquidisierung der monetären Systeme der Welt s. u., Kapitel 11.1 im Abschnitt C.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Vermutung Helfferichs freilich, der neben dem finanziellen noch ein politisches Motiv für Österreich eine Rolle spielen sieht, daß Österreich nämlich auf diese Weise verhindem wollte, daß der silberne preußische Taler zur Vereinsmünze und damit zur allseits anerkannten Leitwährung des Münzvereins würde, ist aufgrund der Vorgeschichte der Auseinandersetzung um Unionsplan und Mitteleuropakonzept, welche die beiden deutschen Großmächte an den Rand eines Krieges geführt hatte, nicht von der Hand zu weisen. 421 Die Hypothese jedoch, Preußen habe allein aus "starrem Konservatismus" die Hinwendung zur Goldwährung schon zu diesem Zeitpunkt verhindert422, verkennt den machtpolitischen Charakter, den die Frage der Erweiterung des Münzvereins um Österreich und die Bedingungen dieser Erweiterung mittlerweile angenommen hatte. Die Instruktionen der preußischen Konferenzdelegierten und ihre Verhandlungsführung 1854 machen deutlich, daß Preußen die Proposition der Goldwährung als Österreichischen Angriff auf die eigene Vorrangstellung im Münzverein (und damit letztlich im Zollverein) ansah, der am besten abzuwehren sei, indem man die Hürden für einen Beitritt Österreich so hoch setzte, daß dieser zu kostspielig werden würde. 423 Und auch Österreich unterwarf sein währungspolitisches Vorgehen in hohem Maße übergeordneten außenpolitischen Zielen424 ; daß die Verhandlungen um den Münzvertrag ein Kampfplatz in der großen Auseinandersetzung um die Hegemonie im Deutschen Bund waren, offenbarte sich in der Folge noch plastischer, als die Konferenz 1856 wieder aufgenommen wurde.

420 Die aufgrund des Sepoy-Aufstandes in Indien (1857) entstandenen hohen Kriegs- und Kriegsfolgekosten mußte Großbritannien in diesem "klassischen Land der Silberwährung und der Silberhortung" in Silber aufbringen; zum zweiten zwang der nordamerikanische Bürgerkrieg die Staaten Europas, Baumwolle vor allem in den Silberländern Ägypten und Indien zu kaufen. Rittmann, Deutsche, S. 743. Vgl. auch Karl Helfferich (Hg.), Ausgewählte Reden und Aufsätze über Geld- und Bankwesen von Ludwig Bamberger, Berlin 1900 (Schriften des Vereins zum Schutz der deutschen Goldwährung, Bd. 1), S. 16 (Vorwort). 421 Vgl. Helfferich, Die Folgen, S. 9. 422 So aufgestellt von August Loehr, Österreichische Geldgeschichte, Wien 1946 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 4), s. 59. 423 Vgl. Holtfrerich, The monetary, in: de Cecco/Giovannini (Hg.), A European, s. 222 f. 424 Vgl. Herbert Matis, Leitlinien der Österreichischen Wirtschaftspolitik 18481918, in: Brusatti (Hg.), Die Habsburgerrnonarchie, S. 29 ff., S. 32: "Das Primat der Außenpolitik blieb dabei auch für die Gestaltung der Wirtschaftspolitik bestimmend." Siehe auch Borchardt, Währung, in: Deutsche Bundesbank (Hg.), Währung, S. 4: Mit den Verhandlungen um den Münzvertrag von Wien "geriet die Währungsfrage in das große politische Ringen der beiden Führungsmächte um die Vorherrschaft in Deutschland."

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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d) Die Verhandlungen der Jahre 1856157 und der Wiener Münzvertrag vom 24. Januar 1857

Im März 1855 wurde mit Bruck der Initiator der außenwirtschaftliehen Neuorientierung Österreichs Finanzminister; dadurch gewann auch das Österreichische Vorhaben, dem Münzverein beizutreten, eine neue Dynamik. Bruck war bereit, für diesen Beitritt auch erhebliche Opfer für seine Seite in Kauf zu nehmen, weil er in ihm einen wesentlichen Schritt zur Verwirklichung seines Zollunionsplanes sah, der Österreich dem Zollverein ein gutes Stück annähern würde. Dieses höhere Ziel im Blick, gab Österreich sogar bisher für nicht verhandelbar erklärte Grundprinzipien auf, in erster Linie die Forderung nach der Einführung einer Goldwährung, die es Preußen bislang so einfach gemacht hatte, eine Übereinkunft zu verhindem.425 Im November informierte der preußische Finanzminister Bodelschwingh seinen Ministerpräsidenten, daß ihm der Österreichische Emissär Brentano im Namen Brucks dargelegt habe, seine Regierung sei jetzt bereit, die Verhandlungen um die Münzkonvention wieder aufzunehmen, und zwar mit der Absicht, die Silberwährung als Grundlage des Vertrages anzuerkennen. Darüber hinaus sei Österreich willens, vom bestehenden 20-Guldenfuß abzugehen und einen Münzfuß anzunehmen, der den Anschluß an den Münzvertrag von 1838 gestatte. 426 Zudem sank seit Mitte 1855 das Silberagio gegenüber dem Österreichischen Papiergeld, und die Exporte des Zollvereins nach Österreich vermehrten sich. Damit wurde die handelspolitische Annäherung aus der Sicht der Zollvereinsstaaten attraktiver, was den Bruckschen Plänen die Unterstützung der veröffentlichten Meinung in Deutschland zukommen ließ. Die Kehrseite dieser Entwicklung zeigte sich allerdings in den sinkenden Ausfuhren der wichtigsten Industrien des Kaiserstaates (Wolle, Seide, Eisen, Leinen) in den Zollverein; im eigenen Land wurde die Stimmung immer kritischer gegenüber der Zolleinigung und ihrem Spiritus rector Bruck.427

425 Delbrück schrieb dazu: "Österreich betrachtete die Münzeinigung mit Deutschland als einen Schritt zur Zoll- und Handelseinigung, als ein Stück seiner deutschen Politik. Baron Bruck, seit dem März 1855 österreichischer Finanzminister, hatte daher den aussichtslosen Vorschlag seines Vorgängers aufgegeben; schon bei der Einladung zur Wiederaufnahme der Verhandlungen war erklärt, daß Österreich die Silberwährung beibehalten und den 21-Guldenfuß einzuführen beabsichtige, dagegen die allgemeine Einführung der 1110 Legierung und die Annahme einer Handels-Goldmünze beanspruche." Delbrück, Lebenserinnerungen, S. 37. Vgl. Theuerl, Eine, S. 153. 42 6 Bodelschwingh an Manteuffel, 9.11.1855, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2109. Siehe auch Bruck an Bodelschwingh, Wien, 29.6.1855, ebd. 427 Vgl. Franz, Der Entscheidungskampf, S. 9 f. 13 Otto

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Parallel zu jenen Entwicklungen trieb Bruck die Vergrößerung des Bankschatzes der Nationalbank mit Hochdruck voran, um mit der Herstellung der Konvertibilität auch dieses wichtige Hindernis der Münzeinigung auszuräumen. Durch Übereinkommen mit der Bank vom 18. Oktober 1855 wurden dieser Staatsgüter im Wert von 156 Mio. fl. zur Deckung der Staatsschuld übergeben, deren Erträge sie verwenden, die sie aber auch verkaufen konnte. Um eine leichtere Realisierbarkeit der Domänen zu gewährleisten (und von den Erfolgen des Credit Mobilier in Paris beeindruckt), wurde bereits am 12. Oktober eine Hypothekenabteilung der Nationalbank errichtet. Durch die Gründung dieser Abteilung sollte gleichzeitig die Vermehrung der metallischen Deckung der Bank in die Wege geleitet werden. Weiterhin gab die Nationalbank neue Aktien aus, die zum Teil in Silber eingezahlt werden mußten; mit den übrigen Erlösen wurde Silber zugekauft Als Erfolg dieser Aktivitäten wuchs der Bankschatz auf nahezu 100 Mio. fl. Ende 1857 an, so daß die Regierung nicht nur die Einlösung der Noten im Münzvertrag von 1857 grundsätzlich zugestehen konnte, sondern sich obendrein auf einen festen Termin (Ende 1858) für die Herstellung der vollen Konvertibilität verpflichtete. 428 Die Verhandlungen um die Münzkonvention von Wien begannen am 9. Januar 1856; in 41 Sitzungen zogen sie sich bis zum Beginn des folgenden Jahres hin, als der Vertrag am 24. Januar 1857 durch die Staaten des Zollvereins, Österreich und Liechtenstein unterzeichnet werden konnte. Der Standpunkt, mit dem Preußen in die Verhandlungen eintrat, hatte sich bereits 1854 offenbart: Wie schon zwanzig Jahre zuvor war es ein Hauptziel, sich etwaiger Verpflichtungen zur Veränderung des bestehenden Münzwesens zu erwehren, die möglicherweise aus dem Vertrag erwachsen konnten. Das zweite Hauptziel war die Bewahrung der eigenen Präponderanz in den wirtschaftspolitischen Strukturen des Zollvereins. Das bedeutete in diesem Fall die Sicherung der Leitwährungsstellung des preußischen Talers. Auch hier war wie in Dresden die preußische Politik also auf Abwehr und Bewahrung - mithin auf Reaktion - ausgerichtet, sie hatte keine eigenen offensiven Ziele. Die defensive preußische Haltung gegenüber der Österreichischen Münzeinigungsinitiative konvergierte im übrigen mit der der süddeutschen Staaten, wie sich an den Konferenzvorbereitungen in Bayern zeigte. Im Mai 1854 hatten sich dort die Ministerien des Äußeren, der Finanzen und des Handels über die Aussichten einer Münzeinigung des Zollvereins mit Österreich ausgetauscht, obwohl aus damaliger Sicht eine solche Einigung für die nächste Zeit unwahrscheinlich erschien. Dennoch wurden die zu erwartenden Bedingungen und die daraufhin einzunehmende Haltung Bayerns 428

Dazu: Kamitz, Die österreichische, in: Mayer (Hg.), Hundert, S. 134 f.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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diskutiert: "Offenbar kann niemals davon ausgegangen werden, daß der Norden Deutschlands das dort eingebürgerte Thalersystem aufgeben, und sich entweder einem der süddeutschen Guldensysteme oder einem dritten neuen System anschließen werde. Ein gemeinschaftlicher Münzfuß für ganz Deutschland wäre also nur durch Annahme des Thalerfußes zu erzielen, wozu aber auf Seite Süddeutschlands ebensowenig Geneigtheit besteht." Auch ein gemeinschaftliches System Süddeutschlands (d. h. unter Einschluß Österreichs) sei nicht in Aussicht. Zwar befinde sich das Österreichische Münzwesen in einer höchst prekären Lage und der 20-Guldenfuß sei nicht aufrechtzuerhalten; doch müsse ein plötzlicher Übergang zum 24 ~-Gulden­ fuß eine "heftige Zerrüttung aller Geld- und Werthverhältnisse" nach sich ziehen, so daß kaum zu erwarten sei, daß die Österreichische Regierung zu einer derartigen Maßregel greifen werde. "Am allerwenigsten würde dieß aber den Interessen Bayerns und der übrigen süddeutschen Münzvereinsstaaten entsprechen, weil alsdann diese Staaten unfehlbar in die Verwicklungen der oesterreichischen Geldverhältnisse hineingerissen, ja von denselben bei ihren beschränkten Mitteln und ihrem täglichen Verkehr mit anderen Münzsystemen noch stärker hineingesetzt würden, als es jetzt in den oesterreichischen Grenzländern der Fall ist." Alle Bestrebungen hinsichtlich eines gemeinschaftlichen deutschen Münzwesens könnten also nur darauf gerichtet sein, "eine gemeinsame Grundlage für die drei verschiedenen Münzfüße", wie sie im Zollverein bereits seit 1838 bestehe, anzunehmen und dann eine oder mehrere Kurantmünzen ausfindig zu machen, welche jedem der drei Münzfüße gleichmäßig entsprächen. Zu diesem Zweck aber müsse Österreich den 21-Guldenfuß annehmen. So wünschenswert eine bessere Münzordnung in Deutschland auch sei, verbinde sich dieser zweite Schritt für die Staaten des 24 ~-Guldenfußes jedoch mit erheblichen Gefahren; Süddeutschland könne damit nur verlieren und würde seinen Münzfuß in erhebliche Bedrängnis bringen. Nehme Österreich nämlich den 21-Guldenfuß an, werde sein Münzsystem dem norddeutschen so ähnlich, daß es in Zukunft in Münzfragen auch dessen Positionen vertreten müsse, "so nach der 24 ~ fl. Fuß gänzlich isolirt steht, während gleichzeitig einerseits das industrielle und gewerbliche Uebergewicht des Thalergebietes, andererseits der ungeheure Haarbedarf der oesterreichischen Länder den südwestlichen deutschen Staaten fortwährend einen großen Theil ihrer groben Münzsorten entziehen, und sie dadurch von den beiden anderen Münzsystemen immer abhängiger machen wird." Zwar könne die bayerische Regierung Verhandlungen um eine Münzvereinbarung nicht verhindern, doch liege es nach dem soeben Ausgeführten keinesfalls in ihrem Interesse, darauf zu dringen. 429 Obwohl Bayern sich in den Verhandlungen um den Februarver429 Bericht des bayerischen Außenministers, des Finanzministers und des Handelsministers an den König, 11.5.1854, in: BHStA M H 15333/2. Acten des k.

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trag von 1853 als eifrigster Sachwalter der Österreichischen Interessen im Zollverein gezeigt hatte, stand es dem Beitritt Österreichs zum Münzverein demnach wie Preußen ablehnend gegenüber, aus der Furcht heraus, die süddeutsch-mittelstaatlichen Interessen gegen die beiden deutschen Großmächte nicht mehr zur Geltung bringen zu können. Weniger starr in den konkreten Vorstellungen, welche Vorschläge partout abzulehnen seien, flexibler, aber fest ausgerichtet an dem übergeordneten Ziel, die Tür zur Handelseinigung mit dem Zollverein durch den Abschluß einer Münzkonvention aufzustoßen, ging der Gastgeber in die Verhandlungen. Über Brucks Vorgehensweise, die Front der Münzvereinsstaaten aufzubrechen, indem er einzelnen Emissären bestimmte Versprechungen machte, aber auch über seinen Eindruck, daß die Flexibilität der Österreichischen Position einer Unsicherheit über den einzuschlagenden Weg der Münzreform im eigenen Land entsprungen sei, informierte Seydel Berlin Ende Februar. In seinem Schreiben berichtete er über ein persönliches und vertrauliches Gespräch, das Finanzminister Bruck mit ihm geführt hatte: Bruck habe darin zwei Österreichische Positionen als nicht verhandelbar hingestellt: 1. werde Österreich das Talerstück als Vereinsmünze akzeptieren, auf die Ausprägung eines 2-Guldenstückes aber nicht verzichten; 2. sollten die Vereins-Handelsgoldmünzen 35 bzw. 70 auf ein Pfund fein ausgeprägt werden; zudem wolle Österreich auch künftig neben den Vereinsgoldmünzen Dukaten prägen. Bruck habe danach über die politische Bedeutung gesprochen, die der Münzvertrag für die Wiederannäherung Österreichs und Preußens habe, und Seydel gefragt, ob Preußen bereit sei, die Österreichischen Vorschläge anzunehmen. Er habe geantwortet, so Seydel, daß er - ohne seine Regierung erst fragen zu müssen - schon jetzt sagen könne, daß Preußen die Vorschläge allesamt ablehnen werde. Daraufhin Bruck: Falls der Versuch scheitere, mit dem Zollverein zu einer Einigung zu gelangen, werde Österreich sich "in weiteren Kreisen" nach anderen Münzverbündeten umsehen (womit wohl Frankreich gemeint war). Im Anschluß daran habe Bruck die Bevollmächtigten der Verhandlungen einzeln zu sich eingeladen und anscheinend allen jeweils spezifische Konzessionen angeboten. Diese "theatralische" Vorgehensweise habe das Ziel gehabt, Preußen zu isolieren. Offenbar stehe Bruck unter dem Einfluß der Berichte Brentanos (des Österreichischen Bevollmächtigten bei den Verhandlungen), der alles auf persönliche Motive reduziere, und der der Auffassung sei, Seydel selbst (und weniger die preußische Regierung) sei einem Vertragsabschluß gegenüber abgeneigt und habe die anderen Bevollmächtigten in diese Richtung beeinflußt. Dann habe Bruck viel vom Entgegenkommen der Österreichischen Regierung gesprochen und endlich gesagt, er werde an Deutschland Staats-Ministeriums des Königl. Hauses und des Aeußem. Münzwesen. 1848- 1865 (siehe oben).

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appellieren, man solle Deutschland entscheiden lassen, ob die vorgebrachten Gründe ausreichten, um die Verhandlungen scheitern zu lassen. Allein Hannover habe sich davon gänzlich unbeeindruckt gezeigt und bleibe mit allen Beziehungen bei Preußen, sogar um den Preis, sich von den übrigen Münzverbündeten zu trennen. Allerdings seien heute (das Gespräch fand am Vortag statt) trotz der feierlichen Art, mit der Bruck ihm gegenüber die Entschiedenheit des Österreichischen Standpunktes in dieser Frage beteuert habe, von Österreich auf der Konferenz schon wieder Abänderungen präsentiert worden; dies zeige die schwankende Haltung, die Österreich bezüglich der zukünftigen Ordnung seines Münzsystems einnehme.430 Die Einigung zum ersten Punkt des Münzvertrages ging trotz der schwierigen Ausgangslage rasch vor sich: In der Frage des zu wählenden Münzgrundgewichtes sprachen sich fast alle Teilnehmer außer Preußen für das Zollpfund aus. Eine Konzession in diesem Punkt hatten die Instruktionen der preußischen Delegierten von 1854 bereits vorgesehen, und so stimmte Seydel dieser Veränderung schließlich zu, wenn auch unter der Bedingung, daß die alten preußischen Taler den neuen gleichgestellt würden.4 3 1 Mit der Veränderung des Münzgrundgewichtes änderte sich auch der Münzfuß bei den Staaten des Münzvereins: der Übergang von der Kölnischen Mark (233,85 g) zum Zollpfund (500 g) und damit vom 14- zum 30-Taler- bzw. vom 24 i-Gulden- zum 52 ~-Guldenfuß brachte eine leichte Verschlechterung des Feingehaltes der Kurantmünzen mit sich. Der Silbergehalt des Talers verringerte sich von 16,704 g auf 16,667 g, der des süddeutschen Gulden von 9,544 g auf 9,524 g. Viel bedeutender aber war, daß der Münzvertrag damit zugleich eine dritte deutsche Währung neu einführte, den Österreichischen Gulden im 45-Guldenfuß. 432 430 Bericht Seydels an Manteuffel, Wien 27.2.1856, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A X, Nr. 21 Vol. 2. 431 Diskussion auf der ersten und dritten Sitzung der Konferenz, siehe: Protokoll der auf dem Handels- und Zollvertrage vom 19. Februar 1853 beruhenden Conferenz über eine allgemeine Münz-Convention. 1. Protokoll, 9.1.1856, S. 1-4, und 3. Protokoll vom 14.1.1856, S. 17-22. Sowohl Heydt (an Bodelschwingh, 21.1.1856) als auch Manteuffel (an Heydt und Bodelschwingh, 17 .1.1856) waren jedoch gegen diese Konzession, weil sie befürchteten, daß die damit einhergehende Verschlechterung des Münzfußes ausreichen würde, um die neugeprägten, nicht abgenutzten preußischen Münzen des 14-Talerfußes aus dem Umlauf zu drängen. Erst nach einer neuerlichen internen Besprechung Mitte März erklärten sich auch Ministerpräsident und Handelsminister zu dieser Konzession bereit, vgl. Protokoll einer Konferenz über die Münzverhandlungen, Berlin 18.3.1856, unterzeichnet Philipsbom, Seydel, Delbrück. Alles in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2109. Dort finden sich auch die Protokolle 1- 23 der Münzkonferenz; Protokolle 24-32 in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2110; Protokolle 33-41 sowie die Vertragsentwürfe in GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2111.

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Ebenfalls recht schnell vonstatten ging die Einigung über die das Scheidemünzenwesen betreffenden Bestimmungen. Bereits am 30. Januar präzisierte Österreich die Grundlagen einer allgemeinen neuen Scheidemünzenpolitik, denen auch Preußen zustimmte: Danach sollte es jeder Regierung überlassen bleiben, fremde Scheidemünzen so zu behandeln, wie es ihr angemessen schien. Die silbernen Scheidemünzen dürften nicht geringer als nach 34 ~-Talerfuß ausgebracht werden, die Prägung je Kopf der Bevölkerung zwei Drittel Tlr. (das sind 20 Sgr., 1 fl. österreichischer bzw. 1 ~ fl. süddeutscher Währung) nicht überschreiten. Die Zahlkraft der Scheidemünzen (d.h. der Annahmezwang im allgemeinen Verkehr) sollte auf den Betrag der kleinsten Kurantmünze beschränkt und jeder Staat verpflichtet werden, auf Verlangen seine Silberscheidemünze in Beträgen von mindestens 10 Talern, seine Kupfermünze in solchem von mindestens 5 Tlr. in Kurant einzuwechseln (6. Protokoll vom 30.1.1856). Allerdings widersprachen Hannover und Sachsen einer Bemessung der Quantität nach der Einwohnerzahl: Ein industrialisiertes Land benötige mehr Scheidemünzen als ein landwirtschaftlich bestimmtes; so werde in Sachsen, auch wenn es das Land mit der höchsten Scheidemünzenquote sei, beständig über eine zu geringe Versorgung geklagt. Deshalb sei eine Beschränkung der Scheidemünzenprägung allein durch die Einlösbarkeit der Scheidemünzen an den Wechselkassen sicherzustellen (8. und 9. Protokoll vom 8., 11. und 15.2.1856). Dem schloß sich Bayern an, das sich allerdings kaum auf eine Benachteiligung aufgrund seiner fortgeschrittenen Industrialisierung berufen konnte. Vielmehr zeigte der bayerische Bericht über das dortige Scheidemünzenwesen (einen solchen Bericht hatten auf Antrag Preußens alle Konferenzteilnehmer vorzulegen), indem er nämlich auf konkrete Angaben verzichten mußte, daß sich das System der Kleinmünzen in Süddeutschland noch immer in einem Zustand der heillosen Unordnung befand und eine Beschränkung der Scheidemünzenmenge nach dem von Österreich vorgeschlagenen Schlüssel in absehbarer Zeit kaum zu realisieren sein würde. Nachdem allerdings ein Gutachten der technischen Beiräte sich der österreichisch/preußischen Forderung angeschlossen hatte, verzichteten Sachsen, Hannover und Bayern auf ihr Ansinnen (Gutachten vom 22. März, 21. Protokoll vom 11.4.1856). Österreich hatte, wie gezeigt, schon im Vorfeld der Verhandlungen die Forderung nach der Errichtung einer Goldwährung aufgegeben, um nicht von vomherein jede Aussicht auf einen Erfolg der Konferenz zunichte zu machen. Damit aber gab sich Preußen noch nicht zufrieden: Es verlangte von den anderen Staaten die Zustimmung zu einer ganzen Reihe von Ga432 Der Münzvertrag des deutschen Zoll- und Handelsvereins mit Österreich und Liechtenstein, Wien, 24.1.1857, Artikel 1 bis 3, abgedruckt in: Grasser, Deutsche, s. 403 ff.

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rantien für die Silberwährung, die jede Möglichkeit der Etablierung einer Goldwährung, etwa indem den vereinständischen Handelsgoldmünzen ein fester Kurs verliehen oder auch nur ihre Annahme an den staatlichen Kassen der Vereinsländer verbindlich gemacht würde (wie Österreich dies, in einer Art Festhalten an einem Rudiment des ursprünglichen Ansinnens, noch bis Ende März forderte), mit absoluter Sicherheit verhinderten. Das Verhalten seiner Delegation in der Diskussion um die Handelsgoldmünze drängt den Verdacht auf, daß Preußen in dem Wunsch nach Sicherung der Silberwährung soweit ging, die Schaffung einer unbrauchbaren Münze zu verfolgen, die sich in kein Kurantsystem einpaßte und auch zu den bestehenden Goldmünzen in keinem berechenbaren Verhältnis stand. Ähnlich wie im Fall des Doppeltalers als gemeinsamer Münze des Dresdner Münzvereins sollte wohl mit Absicht eine kaum lebensfähige Münze mit geringer Durchsetzungskraft kreiert werden. Ein weiterer Punkt, der die Erörterungen um die Schaffung einer gemeinsamen Handelsgoldmünze in die Länge zog, war die Frage nach deren Größe und Feingehalt. Schließlich stimmte die Konferenz ganz im preußischen Sinne den vorgeschlagenen Garantien zum Schutz der Silberwährung zu und einigte sich auf die Herstellung einer Handelsgoldmünze mit dem Namen Krone (und ihres Halbstückes), 50 auf ein Pfund Gold fein, mit 900 Teilen Gold zu 100 Teilen Kupfer. 433 Zum am heißesten umkämpften Thema der Konferenz entwickelte sich die Herstellung einer gemeinsamen Vereinsmünze in Verbindung mit der von Österreich gewünschten Ausprägung von 2-Guldenstücken "österreichischer Währung" (im 45-Guldenfuß). Diese Münze wollte Österreich anfangs als Vereinsmünze durchsetzen; nachdem sich herausstellte, daß dies gegen den preußischen Widerstand nicht möglich war, beabsichtigte es immer noch, den Doppelgulden wenigstens als eigene Standardmünze einzuführen: "Diese Münze war nämlich nichts anderes als der auf den Wert und die Legierung des 5-Frankstücks gebrachte alte Konventionstaler. Es handelte sich für Österreich darum, diese in seinen italienischen Provinzen gültige Münze allgemein zu machen. "434 Zudem unterstützte Österreich jetzt in einer unzweifelhaft anti-barussischen Wendung das Festhalten am Doppeltaler als Vereinsmünze; es selbst könne sich nämlich nicht verpflichten, Taler zu prägen (6. Protokoll vom 30.1.1856). Daraufhin erklärte Seydel, daß die Verhandlungen damit an einem kritischen Punkt angelangt seien. Eine Vereinsmünze, die nur als Wertaufbewahrungsmittel und für den Groß433 Zur Diskussion der Handelsgoldmünze siehe das 4. und 6. Protokoll der Münzkonferenz vom 21.1. bzw. 30.1.1857, Münzvertrag Art. 18. Zu den Garantien zum Schutz der Silberwährung siehe vor allem das 12. Protokoll vom 27.2.1856; im Münzvertrag Art. 18 sowie in den nicht veröffentlichten "Separat-Artikeln zu dem Münzvertrage vom heutigen Tage" Artikel IX, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2111. 434 Schrötter, Preußisches 2, S. 166.

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handel zu gebrauchen sei - welchen Dienst Barren ebenso würden leisten können - reiche nicht aus; dagegen müsse dem allgemeinen Verlangen nach einer gemeinsamen Münze Genüge getan werden, die auch im Binnenverkehr leicht Verwendung finde. Diesen Zweck aber könne allein der Taler erfüllen; ihm dürfe man nicht eine zweifelhafte oder nur geduldete Stellung zuweisen. Vielmehr müsse er auch allseits geprägt werden, sonst würde er in die Staaten fließen, die ihn zwar zuließen, aber nicht prägten, während die ihn prägenden Staaten dafür die unbeliebten Doppeltaler oder die (im Norden) ganz unbrauchbaren 2- und 1-Guldenstücke erhielten (7. Protokoll, 4.2.1856; weitere Verhandlungen in dieser Sache im 10. und im 15. Protokoll vom 18.2. bzw. 26.3.1856). "Vorteile habe Preußen durch die Erhebung des Talers zur Vereinsmünze durchaus nicht", versuchte Seydel den anderen Delegierten darzulegen. "Im Gegenteil verzichte es damit auf seine günstige Stellung, indem es nicht mehr so leicht und sicher wie bisher äußere Einflüsse von seinem Münzsysteme abwehren und den nötigen Bestand an Thaiern für den eigenen Binnenverkehr gewährleisten könne." 435 Nachdem sich alle anderen Staaten diesen preußischen Argumenten angeschlossen hatten, erklärte auch Österreich sein Einverständnis, eine Prägequote für 1-Talerstücke zu übernehmen. Allerdings müsse es darauf beharren, Doppelgulden und Maria-Theresien-Taler zu prägen. Vor allem den Doppelgulden aber wollte Preußen weder für Österreich noch für Süddeutschland zulassen. 436 Die preußische Regierung befürchtete, daß durch die große Menge der neu auszuprägenden Österreichischen Silbermünzen (immerhin mußte dort eine Metallumlaufswährung neu geschaffen werden) das 1-Talerstück aus seinem Umlauf im Zollverein verdrängt werden könnte. Dies bezog sich wohl vor allem auf den Umlauf in den süddeutschen Staaten; aber auch die eventuell damit entstehende Notwendigkeit, dem Doppelgulden in Norddeutschland Kurantstatus zu verleihen, als Ersatz für die nach Österreich abfließenden groben Silbermünzen des 14-Talerfußes - womit einmal mehr die geldpolitische Souveränität bedroht schien -, sah Preußen als denkbares Gefahrenszenario an. Um das Vereinigungswerk nicht zu gefährden, schlugen die Kommissare Bayerns, Sachsens, Hannovers und Frankfurts daraufhin vor, daß Österreich die Prägemenge der 2-Guldenstücke, die im Hinblick auf seine italienischen Provinzen nötig seien, auf ein Viertel seiner Kurantprägungen zu beschränken habe, den Rest sollten dann Vereinsmünzen ausmachen. Dies reiche aus, damit Österreich den aus seinem Handel mit dem Zollverein entstehen435 Protokoll der auf dem Handels- und Zollvertrage vom 19. Februar 1853 beruhenden Conferenz über eine allgemeine Münz-Convention. 20. Protokoll, 9.4.1856, 5.183- 209, S. 192, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 2109. 436 Ebd.: Protokoll einer Konferenz über die Münzverhandlungen, Berlin 18.3.1856, unterzeichnet Philipsborn, Seydel, Delbrück.

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den Zahlungsverkehr in Vereinsgeld abwickeln könne, und trage hierdurch den preußischen Befürchtungen Rechnung (Protokolle 21 und 22, vom 11. bzw. 14.4.1856). Über diesen Vermittlungsvorschlag entspann sich innerhalb der preußischen Regierung eine Kontroverse zwischen Handels- und Finanzminister: Heydt hielt die Ausprägung in der vorgeschlagenen Weise für ungefährlich, deshalb seien Österreich die 2-Guldenstücke zuzugestehen, allerdings unter der Bedingung, daß die süddeutschen Länder auf ihre Prägung dieser Stücke verzichteten. Bodelschwingh indessen wandte sich gegen Heydts Konzessionsbereitschaft "Nach unserer Ansicht würde die beabsichtigte Münzeinigung den Grundsätzen eines geordneten Münzwesens und damit dem Interesse Preußens nur dann vollständig entsprechen, wenn in dem Vereinsgebiete nur eine grobe Hauptmünze, die Vereinsmünze, geprägt werden dürfte." Dieses Ziel sei aber nicht zu erreichen, weil man den süddeutschen Staaten schlecht die Prägung des Guldens untersagen könne. Um so nötiger sei es, wenigstens darauf zu dringen, daß in den Guldenstaaten neben den Gulden und den Vereinsmünzen nicht noch andere grobe Silbermünzen geprägt würden. Daß man dieses Verlangen billigerweise nicht gegen Österreich und die süddeutschen Staaten erheben könne, sei bisher in Preußen nicht geäußert worden; im Gegenteil sei man hier überzeugt, daß der Taler auch für Österreich sehr wohl die Funktion einer groben Hauptmünze erfüllen könne. Bei der großen Menge an unterschiedlichen Kurantmünzen, welche in dem künftigen Vereinsgebiet umlaufen würden, sei deren Vermehrung in hohem Grade unerwünscht. Dies müßte jedoch bei Annahme des Vermittlungsangebotes die Folge sein.437 Ministerpräsident Manteuffel lud die beiden Ministerien am 24. Mai zur Klärung dieser Differenzen zu einem Vermittlungsgespräch. Darin einigte man sich schließlich doch noch darauf, dem Vermittlungsvorschlag beizutreten, allerdings nur dann, wenn Österreich die Ausprägung der Doppelgulden nicht zur Ausprägung von Vereinsmünzen insgesamt, sondern nur zur Ausprägung von 1-Talermünzen ins Verhältnis setze.438 Eben diesem Angebot (und damit implizit auch der alleinigen Erhebung des 1-Talerstückes zur Vereinsmünze) stimmte Österreich am 25. Juni zu; im Gegenzug räumte Preußen dann auch den süddeutschen Staaten eine Prägequote von Doppelgulden ein, nachdem der bayerische Außenminister dies als einen Ehrenpunkt seines Landes und die Billigung des 1-Talerstückes als ein Preußen gebrachtes Opfer dargestellt hatte. 439 Ganz zum Schluß der Verhandlungen kam noch die Frage nach Vereinbarungen betreffend die Ausgabe von papiernen Wertzeichen auf den Tisch. 437 Votum Heydt und Bodelschwingh an Manteuffel, 17.5.1856, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A X, Nr. 21 Vol. 2. 43 8 Ebd.: Schreiben Manteuffels an Seydel, 26.5.1856. 439 Ebd.: v. d. Pfordten an den preußischen Gesandten, München, 22.5.1856.

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Preußen hatte sich bei diesem Thema bis dahin merklich in Zurückhaltung geübt, vor allem weil just zur selben Zeit die Erweiterung der Bankordnung (Aufhebung des Notenkontingentes der Preußischen Bank) und die Mittel zur Abwehr fremder Banknoten dort noch kontrovers diskutiert wurden (s. u. zu diesem Komplex). Allein zu dem Vorschlag, daß der Vertrag das Verbot der Ausgabe von Papiergeld mit Zwangskurs enthalten solle, wenn dieses nicht jederzeit gegen Silber eintauschbar sei, ließ sich der preußische Vertreter bewegen. Diese Bestimmung war so allgemein gehalten und entsprach zugleich den allenthalben vorhandenen Ansichten über die richtigen Grundlagen des Papiergeldwesens, daß sie sich als allseitig zustimmungsfähig darstellte. Damit schien der ganze Vertrag unter Dach und Fach zu sein. Dem widersprach jedoch Ende Dezember Hessen-Darmstadt: Das Thema Papiergeld sei bisher nicht ausreichend behandelt worden. Schrötter vermutet, daß die großherzogliche Regierung die hergestellte Einigung durchbrach, weil sie übermäßig viele Banknoten ausgegeben hatte und nun habe fürchten müssen, diese (zumindest zum Teil) zu hohen Kosten wieder einziehen zu müssen. Er zitiert zur Illustration der öffentlichen Meinung über die hessisch-darmstädtischen Emissionspolitik den Kladderadatschkalender von 1855, wo es hieß: "Barer Unsinn ist mir immer noch lieber als - hessische Kassenanweisungen. " 440 Zu überzeugen vermag diese Mutmaßung jedoch nicht, schließlich bezogen sich die auf der Münzkonferenz bis dato behandelten Propositionen ausschließlich auf Staatspapiergeld mit Zwangskurs, was die Banknoten der Darmstädter Bank (um die es hier ging) nicht betroffen hätte. Schrötter folgt allerdings mit seinem Argument dem preußischen Kommissar auf der Münzkonferenz, Seydel, der, offensichtlich (und verständlich) entnervt von dem Versuch, den Abschluß des gesamten Vertrages in Frage zu stellen, den hessischen Vertreter frontal anging: Die hessische Erklärung sei eine "unzweifelhafte und authentische Kundgebung der Ansichten und Grundsätze, welche die grassherzoglich hessische Regierung in Bezug auf die Emission und Sicherstellung des Papiergeldes für sich als maassgebend betrachte, insbesondere, insofeme darin offen die Absicht kundgegeben worden sei, das von dieser Regierung ausgegebene, in grossem Betrage in den Nachbarländern umlaufende Papiergeld in ungewöhnlichen, den Credit eines solchen Papiergeldes gefährdenden Zeiten wesentlich sich selbst zu überlassen und das einzige sichere Mittel zur Aufrechterhaltung des Gleichwerthes derselben mit dem Metallgelde ihrerseits nicht in Anwendung zu bringen." (Protokoll 37, 29.12.1857, S. 510). Delbrück hingegen, der in Preußens Administration die bestimmende Kraft der Münzeinigung wie auch der Außenwirtschaftspolitik insgesamt war (als zuständiger Referent im Handelsministerium), teilt eine andere Vermutung über die Gründe mit, die Hessen zu seinem Vorgehen führten: "Der Freiherr von 440

Schrötter, Preußisches 2, S. 195.

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Dalwigk und die hinter ihm stehende Darmstädter Bank sahen in der Ablehnung ein Mittel, um die von Preußen und anderen Staaten erlassenen und noch weiter drohenden Verbote des Umlaufs fremder Geldzeichen zum Gegenstande der Verhandlungen zu machen und hofften, für diese Absicht in den kleineren Vereinsstaaten Verbündete und in Österreich keinen Gegner zu finden.''441 Delbrück sah also die Ursachen der hessischen Politik in dem zu dieser Zeit zwischen den Zollvereinsstaaten tobenden "Bankenkrieg" (und vieles spricht dafür, daß er damit recht hatte). Dabei ging es vor allem um die Frage, ob Preußen seine Grenzen für den Umlauf fremder papierener Wertzeichen öffnen sollte, die von staatlich konzessionierten Notenbanken oder den Regierungen einiger kleinerer Länder in großer Menge ausgegeben worden waren, um in benachbarten Staaten zu kursieren. Diese Papiergelder (bzw. die Besteuerung der Notenbankgewinne) hatten sich zu einem wichtigen Bestandteil der Staatshaushalte jener Länder entwickelt und waren durch die scharfe Abgrenzungspolitik vor allem Preußens in ihrem auswärtigen Umlauf in höchstem Maße gefährdet. Allerdings fand Hessen-Darmstadt entgegen seinem Kalkül keine Unterstützung für diese Obstruktionspolitik. Vielmehr sah es sich dem gemeinsamen Druck Österreichs und Preußens ausgesetzt, daß der Vertrag auch ohne das Großherzogtum abgeschlossen würde; Sachsen öffnete dazu den Weg, indem es erklärte, den Münzverein von 1838 zu kündigen, was wiederum den Ausschluß Hessens aus der Konvention ermöglicht hätte (Protokoll 38, 7.1.1857). Am 15. Januar 1857 schließlich stellte Preußen den Antrag, dem alle außer dem Großherzogtum selbst zustimmten, den Vertrag auf jeden Fall am 24. Januar zu unterzeichnen; wenn es dabei nicht mittue, werde der Vertrag eben ohne Hessen abgeschlossen (Protokoll 39, 15.1.1857). Dieser Drohung hatte Hessen-Darmstadt nichts mehr entgegenzusetzen, so daß der Vertrag tatsächlich am 24. Januar 1857 unterzeichnet werden konnte. e) Das Scheitern des Wiener Münzvertrages: Die definitive Festigung des kleindeutschen Währungsraumes

Das Zustandekommen des Wiener Münzvertrages von 1857 wird von manchem als "der größte Erfolg, den Österreichs großdeutsche Politik überhaupt erreicht hat"442, angesehen. Zwar hatte sich inhaltlich Preußen weitgehend durchsetzen können, Bruck, dem "Vater des Münzvertrages"443 , war es jedoch gelungen, Österreich vertraglich eng an das Wirtschaftsgebiet des Zollvereins zu binden. Es schien, als sei der Weg offen für die Entstehung 441 442 443

Delbrück, Lebenserinnerungen, S. 40. Helfferich, Die Reform 1, S. 22. Rittmann, Deutsche, S. 716.

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eines großdeutschen Währungsraumes. Die Staatskrise jedoch, in die das Habsburgerreich mit dem italienischen Krieg 1859 hineingezogen wurde, und die damit wieder einmal verbundene Krise auch der staatlichen Finanzen, verhinderte schon kurze Zeit nach dem Vertragsschluß, daß der neue Münzverein in seiner um Österreich erweiterten Form überhaupt je wirklich in Kraft trat und seine Artikel mit Leben gefüllt werden konnten. Zunächst zeigte sich jedoch, daß Bruck mit dem neuen Währungssystem die Ressourcen seines Landes auch ohne die finanziellen Sonderlasten eines Krieges stark beanspruchte.444 Vor allem in zwei Bereichen verlangte die mit dem Wiener Münzvertrag notwendig gewordene Währungsreform (Einführung der sogenannten "Österreichischen Währung" auf der Grundlage des Münzvertrages durch kaiserliche Patente vom 19. September 1857 und 27. April 1858 zum 1. November 1858) Österreich Opfer ab: 1. Der Übergang vom 20- zum 45-Guldenfuß brachte eine materielle Änderung des Münzfußes im Verhältnis 100:105 mit sich, während die Umstellung auf das Zollpfund als Münzgrundgewicht in den Staaten des (früheren) 24 ~-Gulden- und 14-Talerfußes aufgrund der nur geringfügigen Modifikation durch eine bloße Umrechnung zu bewerkstelligen war (dort galten die alten Münzen ja auch weiter). Dies wiederum bedeutete eine Aufwertung von 5% gegenüber den Währungen des Zollvereins. Damit einher ging zum einen die Verteuerung des Exportes österreichischer Waren in den Zollverein, dann aber auch eine reale Senkung der Zollsätze in gleicher Höhe, weil Österreich gemäß dem Februarvertrag verpflichtet war, die bestehenden Zollsätze gegenüber dem Zollverein nominell beizubehalten.445 Beide Entwicklungen waren dazu angelegt, die Position der ohnehin weniger wettbewerbsfähigen Österreichischen Produzenten im Vergleich zu ihren nordwestlichen Konkurrenten zu schwächen. Im Binnenverhältnis wollte Bruck die Umstellung erleichtern, indem zwar alle auf Silber lautenden Zahlungsverpflichtungen im Verhältnis 100: 105 umgerechnet werden sollten; "alle übrigen Zahlungen, so namentlich die staatlichen Steuern, alle öffentlichen und privaten Löhne, Gehälter, Mieten etc. sollten numerisch gleich bleiben, d.h. eine leichte Abwertung erfahren. Die Ministerkonferenz machte dem Finanzminister jedoch schon frühzeitig klar, daß ein solches Vorgehen rechtlich unhaltbar sei und daß alle Verpflichtungen umgerechnet werden müßten ... Damit wurde freilich ein unermeßlicher organisatorischer und administrativer Aufwand in allen Bereichen hervorgerufen, und dies alles für den Vorteil, im Außenverhältnis 3 fl . mit 2 Tlr. gleichstellen zu können. " 446 444 445 446

Vgl. Franz, Entscheidungskampf, S. 9110. Vgl. Brandt, Der österreichische, S. 432 fn. Brandt, Der österreichische, S. 724.

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2. Eher noch schwerer wog die Belastung, die aus der Verpflichtung erwuchs, für die Nationalbank einen ausreichenden Silberschatz aufzubauen, der die Einführung der vollen Konvertibilität bis spätestens zum 1. Januar 1859 ermöglichen würde. Ende 1858 belief sich der Bankschatz auf 98,6 Mio. fl., während immer noch Banknoten der Nationalbank im Wert von 370 Mio. fl. kursierten (siehe oben, Tabelle 4). Deshalb war anfangs geplant, aus einer "reichlich gezwungenen" Interpretation447 des Artikels 22 des Münzvertrages scheinbar legitimiert (die Bestimmungen dieses Artikels bezogen sich nämlich nur auf künftig auszugebendes Papiergeld oder Banknoten), die kleineren Noten alter Währung (bis 10 fl. Nennwert) im Umlauf zu lassen und nur die neuen, größeren Noten der Dritteldeckung und Einlösungspflicht zu unterwerfen. Dennoch führte die Aufnahme der Bareinlösung - auch infolge der ungeschickt formulierten Durchführungsbestimmungen - am 6. September 1858 sogleich zu Silberabflüssen größeren Umfanges. Bruck versuchte dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem er die Erlöse aus dem Verkauf der Südbahn in Höhe von 20 Mio. fl. der Bank zufließen ließ. Zumindest bis zum April 1859 konnte so die Konvertibilität aufrechterhalten werden; diese knapp acht Monate sollten indessen der einzige Zeitraum bleiben, in dem der Wiener Münzvertrag in bezug auf Österreich Bestand hatte. Am 18. April 1859 nämlich wurde mit dem Beginn des Krieges gegen Frankreich und Piemont die Einstellung der Barzahlung gesetzlich verfügt und den umlaufenden Noten in offener Verletzung des Wiener Vertrages Zwangskurs verliehen (wogegen allerdings bemerkenswerterweise keiner der Vertragspartner Einspruch erhob448 ). Gleichzeitig legte Österreich zur Finanzierung des Krieges eine neue Anleihe von 200 Mio. fl. auf, die jedoch nicht auf dem Markt untergebracht werden konnte, so daß die Nationalbank dem Staat Vorschüsse darauf leisten mußte; zu diesem Zweck wurden nur durch die Anleihe gedeckte 5-Guldenscheine für mehr als 133 Mio. fl. ausgegeben. Außerdem mußte die Bank je zwei erst später fällige Raten der verkauften Südbahn und der lombardischen Bahnen durch die Ausgabe von Noten in Höhe von 27 Mio. übernehmen. Heimlich entlieh Bruck darüber hinaus noch 20 Mio. fl. in Silber aus dem Barschatz der Bank gegen Verpfändung von Obligationen. Infolge dieser Erschütterungen der Österreichischen Währung schnellte das Silberagio, das 1858 so gut wie verschwunden war, auf einen Höchststand von 53 %, das durchschnittliche Niveau im selben Jahr betrug über 22%.449 Das Vertrauen in Geld und Finanzen Österreichs verfiel umso mehr, als die Bedienung der Nationalanleihe Brandt, Der österreichische, S. 735 f. Vgl. Helfferich, Die Folgen, S. 21. 449 Vgl. Kamitz, Die österreichische, in: Mayer (Hg.), Hundert, S. 136, und Bachmayer, Geschichte, S. 138. 447

448

206

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

von 1854 suspendiert und die Zahlung der Zinsen in der Folge statt wie vorgesehen in Silber durch Papier mit einem Aufgeld geleistet wurde. Der katastrophalen Situation der staatlichen Finanzen und der demütigenden Niederlage im italienischen Krieg zum Trotz versuchte Bruck bereits im Herbst 1859 unmittelbar nach dem Friedensschluß (Vorfriede von Villafranca vom 11. Juli, Friede von Zürich vom 10. November), die andauernde Defizitfinanzierung und die mit der Lösung dieses Problems eng verbundene Währungssanierung abermals anzugehen. Das Mittel zum Zweck sollte dabei die Auflage einer großen Anleihe von 300 Mio. fl. im In- und Ausland sein. Bruck erhielt schließlich die kaiserliche Ermächtigung für eine Anleihe von 200 Mio. fl., doch auch diese Summe erwies sich angesichts des offensichtlich dauerhaften Vertrauensverlustes in die Österreichische Fähigkeit, derartige Kredite auch vertragsgemäß bedienen zu können, als zu hoch angesetzt: Gerade 55,7 Mio. fl. wurden im Inland, gar nur 4,3 Mio. im Ausland gezeichnet, wobei unter den inländischen Zeichnern sogar noch die Eisenbahnverwaltungen den Löwenanteil ausmachten, auf die Bruck direkt Einfluß nehmen konnte. 450 Ungeachtet der besonders hohen Verzinsung sowie zusätzlicher vertrauensbildender Maßnahmen, wie etwa der Wiederaufnahme der Silberverzinsung der Nationalanleihe, dem Erlaß eines neuen, liberalen Gewerbegesetzes und der Reform der Rechtsstellung der Juden, scheiterte Bruck, und diesmal verband sich der Mißerfolg seiner Finanzpolitik in tragischer Weise mit der persönlichen Niederlage, zumal zum politischen Fehlschlag auch noch der Vorwurf der Bestechlichkeit sich gesellte. Am 22. April 1860 erhielt der Finanzminister seine Entlassung; noch am selben Tag beging er Selbstmord. Allerdings zerbrach angesichts des Ruins der Staatsfinanzen nicht nur Brucks Politik, sondern das gesamte neo-absolutistische Regime Österreichs, das Kaiser Pranz Joseph nach dem Tode Schwarzenbergs in einer "etatistischen Gegenrevolution"451 installiert hatte, erwies sich als unhaltbar. Mit dem kaiserlichen Dekret vom 20. Oktober 1860 wurde infolgedessen der Übergang zur konstitutionellen Monarchie in die Wege geleitet, indem einem erweiterten Reichsrat Mitbestimmungsrechte in der Gesetzgebung eingeräumt wurden. Unter die so neu definierte Gesetzgebungskompetenz fielen auch das Münz-, Geld und das Kreditwesen sowie die Grundsätze des Notenbankwesens. 452 Auch der Nachfolger Brucks als Finanzminister, v. Plener, versuchte sich an der notwendigen Reform der Währung und der Staatsfinanzen; freilich wich er in einem wesentlichen Punkt von der Politik seines Vorgängers ab, indem er nicht ausschließlich die Vergrößerung des Bankschatzes zur WieVgl. Brandt, Der österreichische, S. 891. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 677. 452 Vgl. Eduard März/Karl Socher, Währung und Banken in Cisleithanien, in: Brusatti (Hg.), Die Habsburgermonachie, S. 323 ff., S. 327. 450 451

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

207

derherstellung der Konvertibilität, sondern darüber hinaus auch eine sukzessive Verringerung des Banknotenumlaufes anstrebte. Dabei war die AusgangsJage für eine Sanierung der Währung eher noch schwieriger als diejenige, welche Bruck nach den Belastungen der Revolutionsjahre und den ungenügenden Konsolidierungsanstrengungen konservativer Finanzpolitik unter den Ministern Krauß und Baumgartner und Hofkammer- bzw. Reichsratspräsident Kübeck vorgefunden hatte. Im November 1860 entwickelte Plener vor dem Kaiser und der Ministerkonferenz ein außerordentlich düsteres Bild der Österreichischen Finanzlage: "Die Agiobewegung in der Papiergeldnotierung nahm angesichts der drohenden Kriegsgefahr in Italien und der zerrütteten Verhältnisse in Ungarn Ausmaße an, die sogar die Scheidemünze in den Sog der Spekulation zog. Nach dem Vorgang von 1849 mußte Plener vorschlagen, Münzscheine auszugeben. Ferner zwang ihn die Silberknappheit in den staatlichen Kassen, gesetzliche Vorbereitungen zu treffen, um die nächsten Zinszahlungen für die Nationalanleihe in Papiergeld (mit Aufgeld) leisten zu können. Schließlich kündigte er an, daß die Silberzahlung des Armee- und Zivilbedarfes in Venetien demnächst eingestellt werden müßte; zu diesem Zweck sei auch im italienischen Reichsteil der Zwangsumlauf des Papiergeldes durchzusetzen."453 In den folgenden Jahren wurde in Österreich über den richtigen Weg zur Reform des Geldwesens intensiv diskutiert. Die Diskussion verlief im wesentlichen zwischen den Befürwortern und Gegnern einer Bankakte für die Nationalbank, die in ihren Bestimmungen mit denen der Peelschen Bankakte von 1844 in England übereinstimmen sollte. Die Gefolgsleute der Peelschen Bankakte bzw. der sogenannten Currency-Theorie, auf der sie beruhte, um den Nationalökonomen Carl v. Meyer, forderten die prinzipielle gesetzliche Festlegung der Bank auf eine vollständige Deckung ihrer Noten durch Edelmetall. Davon auszunehmen sei allenfalls (auch dies analog zur Situation der Bank of England) ein festgelegtes Kontingent fiduziärer (d.h. ungedeckter) Noten, das nicht überschritten werden durfte. Die Österreichischen Gegner der Peelschen Bankakte, die Anhänger der Banking-Schule, die eine Flexibilisierung des Banknotenumlaufs durch die Anpassung an den Verlauf der gesamtwirtschaftlichen Aktivität befürworteten, indem die Deckung der Noten vor allem auf Handelswechseln beruhen sollte, sahen die Ursachen für die Probleme der Nationalbank nicht in deren gesetzlicher Grundlage, die darum zu verschärfen wäre, sondern vielmehr in den staatlichen Rückgriffen auf ihre Reserven in Krisenzeiten. Neben dem Direktorium der Nationalbank unterstützte vor allem Adolph Wagner publizistisch diese Auffassung.454 Brandt, Der österreichische, S. 973. Vgl. Adolph Wagner, Die Geld- und Credittheorie der Peel'schen Bankakte, Wien 1862, insbesondere S. 6 f. u. 317 f. Zur Bewertung der Österreichischen Bank453

454

208

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

Während der erste Gesetzentwurf zur Österreichischen Bankakte, den Plener im März 1862 dem Abgeordnetenhaus vorlegte, stark von der Currency-Theorie geprägt war und aufgrund der vorgesehenen Einziehung erheblicher Mengen von Banknoten auf scharfen Protest stieß, ging der Entwurf vom Dezember auf die geäußerte Kritik ein und sah eine vergleichsweise nur geringfügige Einziehung vor. Darüber hinaus sollten die Banknoten der Nationalbank zukünftig in Höhe von 200 Mio. fl. mit Wechseln, der Rest hingegen durch Silber gedeckt sein; der zweite (und verwirklichte) Entwurf stellte also eine Mischung aus (eigentlich miteinander unvereinbaren) Currency- und Banking-Grundsätzen dar. 455 Mit der Bankakte vom 27. Dezember 1862456 wurde zudem die uneingeschränkte Verpflichtung der Bank zur Noteneinlösung verkündet, die 1867 in Kraft treten sollte. Mit dieser Ankündigung begann das Silberagio zu sinken, es verschwand bis zum März 1866 fast ganz, gleichzeitig aber trat parallel zur Verringerung des Notenbestandes eine Rezession auf, was wiederum zu heftigen Protesten der gesamten Geschäftswelt gegen die Währungsreform führte, die das ganze Reformwerk noch einmal in Frage stellten. 457 Auch die Plenersche Finanz- und Währungsreform sollte sich jedoch als vergeblich erweisen, bevor sie noch ihre volle Wirksamkeit erlangen konnte. Denn der Krieg gegen Preußen nötigte die Österreichische Finanzpolitik wieder einmal dazu, auf die Reserven der Nationalbank zurückzugreifen, indem die Regierung erneut die Silbereinlösung suspendierte (die noch nicht einmal in Kraft getreten war), den umlaufenden Noten Zwangskurs verlieh und sich einen Zwangskredit bei der Bank einholte. 458 Allerakte ("verderbliche Fessel künstlicher Zentralisation") aus der Sicht eines Anhängers der Bankfreiheits-Bewegung vgl. Otto Michaelis, Die Österreichische Bankakte, in: VjVW Bd. 3, 1863, S. 86 ff., Zitat S. 86. 455 Darstellung nach: Joachim Liese/Max-Stephan Schulze, Geldpolitik und Konjunktur in Österreich: Die "Plener'sche Stagnation" 1862 bis 1866, in: VSWG 80, 1993, S. 510 ff., S. 514-518. 456 Gesetz vom 27. Dezember 1862, giltig für das ganze Reich, in Betreff der Abschliessung eines Uebereinkommens mit der Österreichischen Nationalbank, und: V ebereinkommen zwischen der Staatsverwaltung und der Bank, 10.1.1863, abgedruckt in: VjVW 1. Bd. 1863, S. 225 ff. 457 Vgl. Kamitz, Die österreichische, in: Mayer (Hg.), Hundert, S. 140. Ob die Rezession durch die Deflationspolitik verursacht wurde, ist weiterhin umstritten, vgl. Liese/Schulze, Geldpolitik. 458 Zur Währungspolitik 1866 vgl. Bachmayer, Geschichte, S. 109 f. Schon 1865 war im Ministerrat der Plan aufgekommen, die Bank um einen Zuschuß zum staatlichen Budget zu ersuchen (und damit die Bankakte in einem wesentlichen Punkt zu suspendieren), um den Betrag einer angestrebten Auslandsanleihe möglichst gering zu halten. Dem war der Finanzminister Graf Larisch-Moennich jedoch noch entschieden entgegengetreten: Die Herstellung der Valuta [d.h. der Konvertibilität] sei die "dringendste Notwendigkeit", er sei der Überzeugung, "daß die Bank unter keinem Umstande zur Erweiterung der Rückzahlungstermine sich herbeilassen werde,

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

209

dings schien die folgende Niederlage dann die Chance zu einer unabhängigen, vollständigen Neuordnung des Österreichischen Währungswesens zu eröffnen: Denn als das triumphierende Preußen den unterlegenen Gegner zwang, aus dem Münzverein auszuscheiden, enthob es auf diese Weise Österreich auch der Bindung an das Silber, die eine wirkliche Konsolidierung der Währung ein ums andere Mal verhindert hatte. Mit dem Reichsgesetzblatt Nr. 122 vom 13. Juni 1867 setzte Österreich den Münzvertrag von 1857 mit Ablauf des Jahres 1867 außer Kraft und wandte sich nun, "von Revanchegedanken bestimmt" 459, Frankreich zu. Zwar scheiterte der Beitritt zur Lateinischen Münzunion am Widerspruch Ungarns, doch Österreich begann seit 1869 goldene Großguldenmünzen zu prägen und erhebliche Teile des Barvorrats der Nationalbank in Gold umzuwechseln. 1879 unternahm Österreich-Ungarn dann mit der Einstellung der Prägung von Silbermünzen auf private Rechnung den ersten Schritt zur Umsetzung der großen Währungs- bzw. Valutareform, deren Höhepunkt die Umstellung der Währungseinheit von Gulden auf Kronen im Jahr 1900 war. 460 Die als Abschluß vorgesehene Einlösungspflicht der Banknoten konnte jedoch aus innenpolitischen Gründen weder 1901 noch 1903 zum Gesetz erhoben werden: "Österreich-Ungarn hat somit seine große Valuta- und Währungsreform niemals de jure abgeschlossen."461

und dies von Seiten der Regierung nur durch einen Akt der Gewalt bewirkt werden könne, wodurch jedoch der Staatskredit in einer Weise erschüttert werden würde, daß gewiß nicht eine Million vom Auslande zu bekommen wäre. Nur das von einigen Tagesblättern kolportierte Gerücht, daß die Regierung beabsichtige, an der Bankakte zu rütteln, habe schon eine Steigerung des Agios hervorgerufen [... ]." Aus dieser Aussage wird auch die jederzeit prekäre Situation des Österreichischen Währungswesens deutlich: Trotz der angestrengten Versuche, die Konvertibilität herzustellen, brauchte es nicht mehr als einiger Gerüchte, um den Kurs der Nationalbanknoten zu gefährden. Protokoll des Ministerrates, Wien, 26.8.1865, in: Die Protokolle des Österreichischen Ministerrates 1848-1867. IV. Abteilung: Das Ministerium Belcredi. Band 1, 29. Juli 1865 - 26. März 1866, bearb. v. Horst BrettnerMessler, Wien 1971, S. 20 ff., S. 23. 459 Gustav Otruba, Die Einführung des Goldstandards in Österreich-Ungarn und seine Auswirkungen auf die Preis- und Lohnentwicklung, in: Hermann Kellenbenz (Hg.), Weltwirtschaftliche und währungspolitische Probleme seit dem Ausgang des Mittelalters, Stuttgart/New York 1981 , S. 123 ff., S. 124. 460 Zur Einführung der Kronenwährung in Österreich vgl. Eduard März, Österreichische Industrie- und Bankpolitik in der Zeit Franz Joseph I. Am Beispiel der k. k. priv. Österreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, Wien/Frankfurt/Zürich 1968, S. 249- 260. 461 Otruba, Die Einführung, in: Kellenbenz (Hg.), Weltwirtschaftliche, S. 123. 14 Otto

210

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

f) Ursachen des Scheiterns: War die Entstehung eines kleindeutschen Währungsraumes eine zwangsläufige Entwicklung?

Im Münzvertrag von Wien hatte sich die preußische Position sehr weitgehend durchgesetzt. Insbesondere die Erhebung der 1-Talermünze zum gemeinsamen Zahlungsmittel des ganzen Münzvereins ist als Ausdruck des "totalen Sieges" für Preußen bezeichnet worden.462 Es scheint zudem in der Logik der Entwicklung gelegen zu haben, daß es Österreich nicht gelang, diesem Vertrag, der in wesentlichen Teilen den Bedürfnissen seines Geldwesens widersprach, umzusetzen; der Eindruck drängt sich auf, daß der Wiener Münzvertrag die Gründe seines Scheiteros bereits bei seinem Abschluß in sich trug. Dies wiederum würde auf eine Art Notwendigkeit der Entstehung eines kleindeutschen Währungsraumes unter den damals bestehenden Bedingungen hindeuten. Im folgenden sollen zur Beantwortung dieser Frage noch einmal die Gründe des Scheiteros des um Österreich erweiterten Münzvereins untersucht werden. Die Konstituierung eines Währungsraumes unter Einschluß Österreichs scheiterte nicht allein an den Unbilden der politischen Großwetterlage, die Österreich fortwährend in kriegerische Auseinandersetzungen hineinzwang und so eine Konsolidierung der Staatsfinanzen vereitelte. Nachstehend sollen vor allem drei weitere Problemkreise beleuchtet werden, die einer Kompatibilität der Währungen des Zollvereins und Österreichs entgegenstanden: 1. Zunächst unterschieden sich die Geldmengen beider Währungsgebiete grundsätzlich in ihrer Struktur. Über die Gründe hierfür ist bereits einiges ausgeführt worden. 2. Auch die wirtschaftliche Struktur unterschied sich zwischen Zollverein und Österreich in hohem Maße, und diese Unterschiede wuchsen seit den 1850er Jahren zunächst rasch an. Die verschiedenartige ökonomische Struktur - insbesondere bezüglich des Industrialisierungsgrades - jedoch brachte auch unterschiedliche Anforderungen mit sich, die jeweils seitens der Wirtschaft an das Währungssystem gestellt wurden. 3. Ein weiterer Grund ist sicher das preußische Bestreben, im Zuge der Auseinandersetzung um die Hegemonie im Deutschen Bund eine Annäherung Österreichs an den Zollverein zu verhindern. Allerdings steht dieser Punkt seit der Reichsgründung im Mittelpunkt des Forscherinteresses und ist infolgedessen bereits von anderer Seite in aller Ausführlichkeit erörtert worden (man denke nur an die Flut von Literatur zum preußisch-französischen Handelsvertrag von 1862). Deshalb kann das Thema hier in aller Kürze abgehandelt werden. 1. Zur Entwicklung der Geldmengenstruktur in Österreich und im Zollverein in der Zeit der Geltung des Wiener Münzvertrages lassen sich folgende Angaben machen463 , zunächst zum Anteil der metallenen und der papierenen Zahlungsmittel am jeweiligen Gesamtumlauf: 462

Holtfrerich, The monetary, in: de Cecco/Giovannini (Hg.), A European, S. 224.

211

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes Tabelle 5 Struktur der Geldmengen in Österreich und im Zollverein, 1856-1867, in Mio. Mark

Österreich Silberkurant und Scheidemünzen

Noten der Nationalbank

90 97 97 85 90 96 100 103 104 110 100 103

760 766 778 934 950 938 854 794 752 702 568 494

1856 1857 1858 1859 1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867

Zollvereins-Deutschland Staatspapiergeld

432 602

Metallgeld

Banknoten

Staatspapiergeld

1.167 1.175 1.189 1.258 1.326 1.380 1.405 1.400 1.401 1.399 1.472 1.561

246 302 320 319 377 431 491 526 528 575 553 626

110 107 105 105 104 103 102 102 105 108 139 156

Hier gilt: 1 Taler = 3 Mark; 3 Gulden österreichischer Währung

= 2 Taler =

6 Mark.

463 Zahlen für Österreich nach: Theuerl, Eine, S. 167, für den Zollverein nach Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 122 f./1361142. Zu diesen Zahlen sind einige Erklärungen notwendig, denn sie sind nicht unumstritten: Für Österreich wurde mangels anderer Daten auf Theuerls Angaben zurückgegriffen, auch wenn diese, wie die Verfasserin selbst anführt, nur auf Schätzungen beruhen (allerdings stimmen zumindest in den Größenordnungen, in einigen Fällen auch genau, die Zahlen Brandts zum Notenumlauf in Österreich mit denen Theuerls überein, was für ihre Korrektheit spricht; vgl. Brandt, Der österreichische, S. 1071). Theuerls Zahlen zu den Zollvereinsstaaten hingegen sind die Hoffmanns (vgl. Walther G. Hoffmann, Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, Berlin/ Heidelberg/New York 1965 (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft), S. 751; die gleichen Zahlen verwendet auch Reinhard Spree, Die Wachstumszyklen der deutschen Wirtschaft von 1840 bis 1880, Berlin 1977 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 29), S. 374). Für diesen Bereich sind jedoch die sehr sorgfältig ausgeführten und dokumentierten Berechnungen Sprengers, die bislang auch von keiner Seite angezweifelt wurden, denen Theuerls vorzuziehen. Tilly wiederum gibt (allerdings für das Jahr 1855) Zahlen an, die auf einen sehr viel geringeren Metallgeldumlauf in den Staaten des Zollvereins hindeuten würden (630 Mio. Mark), nimmt damit aber isolierte Position ein; v~l. Richard H. Tilly, Banken und Industrialisierung in Deutschland 1815-1870: Ein Uberblick, in: Ders., Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung. Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1980, S. 29 ff., S. 43. 14*

212

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen Tabelle 6

Metalldeckung der umlaufenden Banknoten in Österreich und im Zollverein, 1856-1860, in Mio. Mark464 Zollvereins-Deutschland

Österreich Bankschatz

Notenumlauf

Deckungsgrad Papiergeld in%

Metallgeldreserven der Notenbanken

Notenumlauf

Staatspapiergeld

Deckungsgrad Papiergeld* in%

1856

174,4

760

22,9

120

246

110

33,7

1857

196,0

766

25,5

168

302

107

41,0

1858

197,2

778

25,3

179

320

105

42,1

1859

152,8

934

16,3

216

319

105

50,9

1860

169,8

950

17,8

271

377

104

56,3

* Papiergeld hier: Banknoten und Staatspapiergeld; zur Begründung siehe unten.

Des weiteren zeigen sich Strukturunterschiede bezüglich der Metalldekkung der umlaufenden Banknoten. In der obigen Tabelle werden für das Gebiet des Zollvereins Banknoten und Staatspapiergeld getrennt ausgewiesen. Sie werden jedoch für die Rubrik "Deckungsgrad Papiergeld" zusammengezählt, auch wenn Staatspapiergeld strenggenommen nicht durch eine Metallreserve gedeckt wird, weil es in der Regel auch nicht einlösbar ist, und weil diejenigen Stellen, die eine Deckung ihrer Noten vorhalten müssen, die Notenbanken, nicht mit den Ausgabestellen des Staatspapiergeldes, den Regierungen, übereinstimmen. Dieses Vorgehen läßt sich hier jedoch dadurch rechtfertigen, daß in Österreich zu dieser Zeit die Noten der Nationalbank zugleich auch die Funktion eines Staatspapiergeldes ausübten (und somit, anders als im Zollverein, die ausgebende Institution sich auch um eine Deckung sämtlicher papierener Zahlungsmittel zu sorgen hatte), und nur durch eine Zusammenfassung beider Zahlungsmittelarten so eine Vergleichbarkeit hergestellt werden kann. Die quantitative Analyse macht deutlich, daß grundsätzliche Unterschiede in der Struktur der Geldmengen zwischen beiden Währungsgebieten bestanden: a) Zum einen überwog zum Zeitpunkt des Abschlusses des Wiener Vertrages das Papier- das Metallgeld in Österreich etwa um den Faktor 8, wäh464 Angaben zum Bankschatz für Österreich nach: Brandt, der österreichische, S. 1071; zur Menge der dort umlaufenden Noten nach: Theurl, Eine, S. 167. Angaben zum Zollverein nach Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 122 f./136/142.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

213

rend im Zollverein zum gleichen Zeitpunkt Banknoten und Staatspapiergeld zusammen nur ein reichliches Viertel des gesamten Geldbestandes ausmachten. Dazu kam, daß nahezu über den ganzen Zeitraum das Papiergeld in Österreich Zwangskurs hatte, d.h. einen von der Regierung festgelegten, gesetzlichen Wert gegenüber dem Silber im Binnenverkehr besaß, der aber vom Wert im Ausland abwich (er war höher). Damit jedoch wurde das noch in Österreich kursierende Edelmetall aus dem dortigen Umlauf verdrängt, denn es lohnte sich in dieser Situation, Silber zu exportieren und mit einem Aufgeld (dem Silberagio) in Banknoten der Nationalbank umzuwechseln. Die Geschichte der Österreichischen Vereinsmünzen veranschaulicht diese Entwicklung: Obwohl Österreich - mit Ausnahme der Zeit zwischen dem 6. September 1858 und dem 21. April 1859 - im Prinzip eine Papierwährung hatte, prägte es doch eine große Zahl Vereinstaler: 31.060.321 in 1-Talerstücken, daneben noch 55.528 in Doppeltalern. Diese wurden jedoch vom schlechten Papiergeld außer Landes getrieben, so daß sich beim Ausscheiden Österreichs aus dem Münzvertrag 1867 dort praktisch keine Taler mehr im Umlauf befanden. Sogar die Österreichischen Kurantmünzen (Gulden-, Doppelgulden- und Viertelguldenmünzen) strömten, obwohl dort nicht gesetzliches Zahlungsmittel, nach Süddeutschland, wo sie stellenweise noch nicht einmal von den öffentlichen Kassen zurückgewiesen wurden. Bis 1873 sammelte sich so österreichisches Silberkurant im Wert von etwa 130 Mio. Tlr. im deutschen Umlauf an. 465 Solange das Silberagio bestand, konnte sich Metallgeld in Österreich nicht halten (wenn man einmal die Möglichkeit eines streng durchgeführten Edelmetallausfuhrverbotes außer acht läßt, das allerdings den Intentionen der Österreichischen Außenwirtschaftspolitik der Zeit, die ja gerade eine Öffnung zum Zollverein durchzusetzen versuchte, diametral entgegengesetzt gewesen wäre). Um das Silberagio aber verschwinden zu lassen, mußte die Einlösbarkeit der Banknoten zum pari-Kurs gewährleistet sein, und dem standen die strukturellen Schwierigkeiten der Österreichischen Finanzpolitik entgegen, die in Zeiten außenpolitischer Unruhe immer wieder gezwungen war, auf den eben mit großer Mühe zusammengetragenen Bankschatz zurückzugreifen. Um eine Angleichung der Währungsverhältnisse mit dem Zollverein herbeizuführen, wäre demnach eine grundlegende Reform der Staatsfinanzen notwendig gewesen. Das wiederholte Scheitern des Versuches, die Einlösungspflicht der Noten der Nationalbank durchzusetzen, zuletzt noch 1901 und

465 Vgl. Helfferich, Die Folgen, S. 22 f. Siehe zum Problem der nach Süddeutschland strömenden Österreichischen l- und 2-Guldenstücke und der Frage, ob diese an den öffentlichen Kassen angenommen werden dürften, die Verhandlungen der süddeutschen Münzkonferenz von 1858 in München, in: BHStA MH 15337. Acten des k. Staats-Ministeriums des König!. Hauses und des Aeußem. Verhandlungen der süddeutschen Münzconferenz in München i.J. 1858.

214

B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

1903, zeigt jedoch, daß die Kraft des Österreichischen (bzw. österreichischungarischen) Staates dazu offenbar nicht ausreichte. Ein denkbarer Ausweg aus diesem Problem (allerdings wohl nur aus heutiger Sicht) wäre die Durchführung einer reinen Papierwährung gewesen. Auf diese Weise hätte Österreich möglicherweise seine Währungsverhältnisse im Innem bereinigen können. Andererseits hätte der Verzicht auf eine metallene Umlaufswährung aber den Abschluß eines Münzvereins unmöglich gemacht, denn es ist kaum vorstellbar, daß sich auch nur einer der deutschen Staaten bereit erklärt hätte, österreichischem Papiergeld einen festen Kurs gegenüber seinem Silber zu geben (und gerade darin, in der Festlegung eines Kursverhältnisses, lag neben der Schaffung einer gemeinsamen Vereinsmünze ja der Sinn eines solchen Vereins). Außenwirtschaftliche Annäherung an den Zollverein und Binnenkonsolidierung der Währung waren für Österreich mithin aufgrund der effektiv vorherrschenden Papierwährung konfligierende Politikziele. Dennoch entsprangen beide einer vordringlich außenpolitischen Motivation, was ihre Verknüpfung notwendig machte; gerade diese Verbindung stand aber der Verwirklichung der Ziele entgegen. b) In welcher Höhe Banknoten durch Edelmetall gedeckt sein müssen, das von der ausgebenden Bank als Reserve vorzuhalten ist, war eine heftig (wenn nicht sogar die am heftigsten) umstrittene Frage der Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts und ein immer wieder aufgeworfenes, entscheidendes Problem bei der Schaffung einer Papiergeldverfassung. Weil diese Diskussion an anderer Stelle thematisiert werden wird, soll hier nur darauf verwiesen werden, daß sich im 19. Jahrhundert so etwas wie eine allgemein akzeptierte Regel, wie hoch genau die Metallreserven einer Notenbank zu sein hatten, nicht entwickelte, mit Ausnahme des Leitsatzes der CurrencySchule, die grundsätzlich eine vollständige Bardeckung der Noten forderte. Es schälte sich jedoch eine Art Faustregel heraus, die den meisten Notenbankgesetzen in Deutschland zugrunde gelegt wurde, nach der mindestens für ein Drittel der ausgegebenen Noten Silber in den Kassen der Bank vorrätig zu halten war (während der weitere Notenumlauf durch echte Handelswechsel gedeckt werden sollte). Dies war etwa die Reserveregelung der Preußischen Bank, die für viele Notenbankgründungen als Vorbild diente, und dann auch ihrer Nachfolgerin, der Reichsbank. Unwidersprochene Grundlage dieser Faustregel - wie auch aller anderen normativen Festlegungen - war, daß eine Notenbank jederzeit in der Lage sein mußte, die ihr präsentierten Noten gegen Bargeld einzuwechseln. Und aus diesem Grund erhält auch der festgestellte Unterschied im Deckungsgrad der Banknoten zwischen Zollverein und Österreich, daß nämlich die Nationalbank nie in der Lage war, derart ausreichende Barvorräte anzulegen, seine prinzipielle Signifikanz: Im Zollverein liefen Banknoten nur als eine Anweisung auf Geld, d. h. auf Bargeld um; diesen Charakter eines Geldsubstituts jedoch

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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verloren die Noten, wenn der Inhaber sie nicht jederzeit gegen Geld umtauschen konnte. Vielmehr wurden sie selbst zu einem Geld, das jedoch des Stoffwertes ermangelte, weshalb ihm die ausgebende Stelle einen Zwangskurs verleihen mußte. Dies jedoch konstituierte eine grundsätzlich unterschiedliche Währungsverfassung gegenüber der Metallumlaufswährung. 2. Da der Wiener Münzvertrag in der von Österreich angestrebten Form nie wirklich in Kraft getreten ist, dürfte es kaum möglich sein, die möglichen Kosten zu bestimmen, welche die Bemühungen um die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen und ein Vollzug des Vertrages der Österreichischen Wirtschaft aufgebürdet hätten. Die heftige Reaktion der dortigen Produzenten auf die Schritte der Währungsintegration stützt jedoch die Annahme, daß schon die Kosten der vergeblichen Versuche von der Wirtschaft selber als unerträglich hoch angesehen wurden. Anfang 1850 war Bruck noch durchaus optimistisch bezüglich der Aufnahme, die seine Pläne zur wirtschaftspolitischen Annäherung an Deutschland in der Regierung und bei den einheimischen Produzenten finden würden: "Die innige Vereinigung Deutschlands und Österreichs", die "eine der Lebensfragen des Kaiserreiches" sei, treffe gerade jetzt auf besonders günstige Umstände, da sogar die Industriellen die Notwendigkeit einer Angleichung der beiden Wirtschaftsgebiete einsehen würden und auch das Kabinett in der Sache einig sei. 466 Allerdings formierten sich ganz im Gegensatz zu Brucks Zuversicht noch im gleichen Jahr die Österreichischen produzierenden Gewerbe zur Verteidigung der Prohibitivzölle, von denen sie sich auch weiterhin Schutz gegenüber der scheinbar übermächtigen Konkurrenz aus dem Norden versprachen. Zwar verstummte dieser Protest nach dem Erlaß des ersten nachmärzlichen Tarifs 1851 vorübergehend, weil in ihm den Schutzinteressen sehr weitgehend Rechnung getragen worden war und darüber hinaus die faktisch bestehende Papierwährung in der Art eines zusätzlichen Schutzzolls wirkte. Nach 1854, als das Silberagio sank, damit seine schirmende Funktion zu verlieren begann und immer mehr Importe aus dem Zollverein angezogen wurden, flammte er jedoch erneut auf und richtete sich nun direkt gegen die währungspolitischen Pläne der Annäherung an den Zollverein. Dieser Protest entwickelte sich zum politisch gefährlichen, stabilitätsbedrohenden Massenphänomen, als die Österreichische Wirtschaft 1857 schwer vom ersten Konjunktureinbruch mit weltweiten Auswirkungen getroffen wurde467 und sich kurze Zeit darauf die Aufwen466 Bruck an Kübeck, 28.1.1850, abgedruckt in: Beer, Die Österreichische, S. 522 ff., S. 524. 467 Zur Bedeutung der Wirtschaftskrise für das Anwachsen der Opposition (innerund außerhalb der Regierung) gegen die Währungspolitik Brucks und zu dessen zunehmender Isolation siehe: Franz, Entscheidungskampf, S. 11 f.; Brandt, Der österreichische, S. 412; Böhme, Deutschlands, S. 83.

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

dungen der Währungsumstellungen für den Münzverein bemerkbar machten.468 Auch regierungsintern geriet Bruck 1858 unter wachsenden Druck, der vor allem vom Reichsrat ausging, wo die Gesetzesvorlage zur Konsolidierung der Währung im Frühjahr 1858 scharf bekämpft wurde. Und auch die entsprechenden Pläne Pleners stießen dort vier Jahre später auf eine so entschlossene Opposition, daß sie in der zweiten Vorlage einen Gutteil ihrer deflatorischen Maßnahmen nicht mehr enthielten. Es ist durchaus nachzuvollziehen, warum die Österreichischen Produzenten die aus ihrer Sicht mit einer Angleichung ihres Währungssystems an das des Zollvereins verbundenen Nachteile ablehnten: Sie fürchteten, daß mit dem Übergang zur Silberwährung ein Schutzmechanismus vor der weiterentwickelten deutschen Konkurrenz fortfallen würde. Zudem artikulierten sie die Sorge vor einer deflationären Geldpolitik, die aus der Sicht eines großen Teils der Österreichischen Öffentlichkeit in beträchtlichem Maße zur fortdauernden Rezession beitrug. Gesamtwirtschaftlich gesehen ist jedoch allemal in Rechnung zu stellen, daß gerade das Festhalten des Gewerbes an wettbewerbsverhindernden Mechanismen die Entstehung von Kosten bedeutet haben kann, indem damit Effizienzgewinne (und damit Vorteile in der Ressourcenallokation und daraus folgend wiederum Wohlfahrtsgewinne) unterbunden wurden. Die Stärke des Protestes und die Unterstützung, die er in Teilen der politischen Klasse fand, zeigen nichtsdestoweniger, daß die mit einer Überwindung des gewerblichen Widerstandes verbundenen politischen Kosten (= Gefährdung der politischen Stabilität) ausreichend groß waren, um die Realisierung der Wohlfahrtsgewinne sowie der politischen Erträge (=Zuwachs der Österreichischen Machtposition im Deutschen Bund) zumindest erheblich zu erschweren, wenn nicht sogar zu unterbinden. 3. 1862 schloß Preußen einen Handelsvertrag mit Frankreich ab, der Österreichs Position eines dem Zollverein in besonderer Weise assoziierten Staates direkt angriff, indem er gegenseitige Meistbegünstigung begründete, die auch Österreich mit dem Februarvertrag hatte erreichen können. Delbrück räumte in seinen Erinnerungen unumwunden ein, daß sich eine Stoßrichtung des preußisch-französischen Vertrages gegen die Österreichischen Ambitionen zur wirtschaftspolitischen Annäherung an den Zollverein richtete: "Wir wollten durch diese Verhandlungen für unsere Einfuhren nach Frankreich die Gleichstellung mit den britischen und belgiseben und für unseren Zolltarif die längst ersehnte Reform erreichen. Beide Zwecke hatten ihren Wert an sich, sie würden sich uns aufgedrängt haben, auch wenn unser handelspolitisches Verhältnis zu Österreich noch ebenso nichtssagend gewesen wäre, wie es bis zum Jahre 1849 war. Freilich ließen wir uns bei 468 Vor allem seit der Wirtschaftskrise 1857 beschritten die betroffenen Wirtschaftszweige bzw. Verbände den Weg der Petition direkt an den Kaiser, zum Teil mit spektakulären Massenpetitionen; vgl. Brandt, Der österreichische, S. 418 ff.

III. Die Konstituierung des kleindeutschen Währungsraumes

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der Verfolgung dieser Zwecke durch unser Verhältnis zu Österreich nur insoweit beengen, als der Wortlaut der Verträge oder unser Interesse solches erheischten. Wir wußten recht gut, daß ein Vertrag mit Frankreich die deutsch-österreichische Zolleinigung in eine nicht absehbare Feme rücken, der sogenannten Parifizierung der Tarife schwer zu überwindende Hindernisse bereiten und überhaupt die weitere Ausbildung des Februar-Vertrages erschweren würde, aber wir wollten keine deutsch-österreichische Zolleinigung, wir wollten keine Parifizierung der Tarife, wir wollten, wenigstens soweit es auf mich ankam, nur eine beschränkte Ausbildung des Februar-Vertrages."469 In den folgenden Jahren zwang Preußen die großenteils zögernden, wenn nicht ganz auf Seiten Österreichs stehenden Zollvereinsstaaten dazu, einer Reorganisation des Zollvereins unter nun auch der Form nach preußischer Hegemonie und damit letztlich dem Ende der Mitteleuropa-Ambitionen Österreichs zuzustimmen. Der Handelsvertrag mit Frankreich erwies sich dabei als außenpolitisches Kampfmittel, das die preußische Regierung getreu den von Bismarck 1862 niedergelegten Vorstellungen470 verwandte, um eine Neuordnung Deutschlands im eigenen Sinne - und damit ohne die Konkurrenz Österreichs - zu erreichen.471 Während sich Preußen in den 1850er Jahren immer noch zu Zugeständnissen gegenüber Österreich gezwungen gesehen hatte und, um seine Stellung im Bund und im Zollverein zu wahren, kaum mehr als eine Politik der Obstruktion betreiben konnte, ergriff Bismarck nun, angesichts der innen- wie außenpolitischen Schwäche der anderen Großmacht nach dem unglücklichen Ende des italienischen Krieges, 472 die Initiative. Schon im vergangenen Jahrzehnt war es Österreich schwergefallen, die einzelnen Stufen zur Verwirklichung des Mitteleuropaplans gegen den preußischen Widerstand zu nehmen, und das in einer Zeit zumindest diplomatischer Stärke. Nun war die Schwäche der HabsburDelbrück, Lebenserinnerungen, S. 216. Vgl. vor allem das im Memorandum vom 25.12.1862 niedergelegte sog. "Dezemberprogramm" Bismarcks, in: Bismarck. Die gesammelten Werke, Bd. 4: Politische Schriften 1862 bis 1864, bearb. v. Friedrich Thimme, Berlin 2 1927, S. 29 ff. (= Bismarck, GW 4). Dort legte Bismarck eine konzentrierte Fassung seiner außenpolitischen Vorstellungen dar, die auf eine Neuorganisation Deutschlands unter preußischer Führung auf Basis des Zollvereins abzielten. Vgl. Lothar Galt: Bismarck. Der weiße Revolutionär, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1980, S. 318. 471 Zum Kampf um den preußisch-französischen Handelsvertrag bis zur vertraglichen Feststellung der Österreichischen Niederlage in der Auseinandersetzung um die wirtschaftspolitische Hegemonie mit dem preußisch-österreichischen Handelsvertrag von 1865 siehe: Böhme, Deutschlands, S. 100-182; Franz, Der Entscheidungskampf; Hahn, Geschichte, S. 167-179; Henderson, Cobden-Vertrag, in: Hans Pohl (Hg.), Die Auswirkungen, S. 235-242; Kiesewetter, Industrielle, S. 67 f. 472 Zur Schwäche Österreichs nach dem italienischen Krieg vgl. Hahn, Wirtschaftliche, S. 277. 4 69

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B. Die Entwicklung im deutschen Münzwesen

germonarchie in allen Bereichen offensichtlich, und so wurde die Österreichische Position auch in den bestehenden Vertragswerken, dem Februarund dem Münzvertrag, unhaltbar. Mußte der Wiener Münzvertrag nun scheitern? Zumindest ex post betrachtet deutet alles darauf hin, daß Bruck mit dem Eingehen auf die von Preußen gestellten Bedingungen seinem Staat von vornherein Kosten aufbürdete, die dieser nie hätte tragen können. Um auf die am Anfang des Kapitels gemachten Ausführungen zu rekurrieren: Die "set-up-costs" des neuen monetären Arrangements waren zu hoch, als daß die damit verbundenen Gewinne an ökonomischer Effizienz (die allerdings auch kaum eine Rolle spielten im Kalkül der Verantwortlichen), vor allem aber im Status gegenüber der wirtschaftspolitischen Führungsmacht Preußen sie hätten aufwiegen können. Das großdeutsche Währungsgebiet war mithin für Österreich keine "Optimum-Currency-Area". Im Gegensatz dazu war der Vertrag von Wien für die Zollvereinsstaaten kaum mit Kosten verbunden, Preußen konnte sogar noch in schwieriger Zeit politische Erträge (i. e. einen Imagegewinn) realisieren, weil es dem Wunsch der Süddeutschen nach engerer Verbindung mit Österreich scheinbar entgegenkam. Bruck nahm diese Kosten in Kauf (manche wird er wohl nicht vorhergesehen haben), im Hinblick auf das große Ziel, daß Österreich nicht den Anschluß an die Entwicklung des Zollvereins verlieren und damit gegenüber Preußen zu einer zweitklassigen Macht herabsinken und aus Deutschland herausgedrängt werden möge. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, fehlte es Österreich indessen zu jener Zeit an Ressourcen, sowohl was sein System der staatlichen Finanzen betraf, als auch an realen ökonomischen Ressourcen, die seine Wirtschaft wettbewerbsfahiger gemacht hätten; nur so hätte sich auch im gewerblichen Mittelstand eine unterstützende Basis für die Währungsvereinheitlichung entwickeln können, wie sie in den Staaten des Zollvereins selbstverständlich war und sich seit den 1850er Jahren immer lauter und häufiger in der Öffentlichkeit vernehmen ließ. "Österreichs politisches Höhenstreben", läßt sich folglich mit Engelberg auch hinsichtlich der Bemühungen um einen Anschluß an den Prozeß der Währungsvereinheitlichung in Deutschland feststellen, "scheiterte an seiner ökonomischen Atemnot."473

473 Ernst Engelberg, Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer, Berlin 1998, S. 396.

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens im Deutschland des 19. Jahrhunderts In der deutschen Geldgeschichte des 19. Jahrhunderts treten drei Entwicklungen auf den ersten Blick hervor: 1. Die Schaffung einer einheitlichen Reichswährung. 2. Damit verbunden der Eintritt in den internationalen Goldstandard. 3. Der Bedeutungsgewinn papierener Wertzeichen gegenüber dem Münzgeld. Diese letzte Entwicklung wird von Teilen der Forschung für die bedeutendste gehalten 1 ; das ist insofern plausibel, als sie für den durch die Industrialisierung - und damit die fundamentalste Veränderung der deutschen Gesellschaft in der Neuzeit2 - ausgelösten Wandel in der Währungsverfassung steht. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens in Deutschland ist der Gegenstand des nun folgenden Kapitels; dabei wird es um drei Leitthemen gehen: Eben jene durch die Industrialisierung induzierten Veränderungen im Papiergeldwesen, die Auseinandersetzung um die staatliche Währungshoheit auch in diesem Zahlungsmittelsegment und schließlich die Herausbildung eines deutschen Notenbanksystems mit der Preußischen Bank als Zentrum.

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase Erst im Verlauf der Industrialisierung entwickelten sich die stoffwertlosen Geldzeichen zum wichtigen Zahlungsmittel in den deutschen Währungsräumen. In der Epoche der Restauration und im Vormärz hingegen nahmen sie, abgesehen von Österreich, eine vergleichsweise nur untergeordnete Bedeutung ein. Ein entscheidender Grund dafür wird in den später folgenden Ausführungen über die Auswirkungen der Industrialisierung auf die Währungen noch genauer untersucht werden; an dieser Stelle sei das Argument deshalb nur angedeutet: Das durch die Währungsreformen auf einzelstaatlicher wie auf intergouvernementaler Ebene geschneiderte Geldkleid der EdelmetallUmlaufswährungen war zwar eng bemessen, doch im großen und ganzen 1 Vgl. etwa Karl Erich Born, Die Entwicklung der Banknote vom "Zettel" zum gesetzlichen Zahlungsmittel, Mainz 1972, S. 4. 2 Vgl. Eric J. Hobsbawm, Europäische Revolutionen, Zürich 1962, S. 59: "[ ...] die industrielle Revolution war vermutlich das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte seit der Entwicklung der Landwirtschaft und der Städte." Nipperdey spricht von der Heraufkunft der Industriegesellschaft als der "Schicksalslinie des 19. Jahrhunderts"; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 60.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

genügte es den Erfordernissen einer nur wenig entwickelten und langsam wachsenden, vom agrarischen Sektor dominierten Wirtschaft. Als alleinige Begründung für die geringe Bedeutung papierener Zahlungsmittel reicht diese Antwort jedoch nicht aus; schließlich zeigt etwa die Österreichische Geldgeschichte, daß sich auch unter den Bedingungen wirtschaftlicher Rückständigkeit bei bestimmten Voraussetzungen (dazu gehörte vor allem ein unzureichend entwickeltes System der Staatsfinanzierung) eine Währungsverfassung herausbilden kann, deren Geldmenge vor allem aus Staatspapiergeld mit Zwangskurs besteht. Zudem hatten die Staaten des Zollvereins in den Münzverträgen des lukrativen Schlagschatzes weitgehend entsagt, so daß in der schwierigen finanziellen Situation nach den Revolutionskriegen dessen Kompensation durch die Ausgabe von Papiergeld oder die Besteuerung von Notenbanken ein durchaus denkbares Hilfsmittel hätte sein können. Dennoch investierte die Mehrzahl der Staaten des Deutschen Bundes beträchtliche Energien und Mittel in die Schaffung geordneter Edelmetall-Währungssysteme, während die Menge des ausgegebenen Staatspapiergeldes gering blieb und 1846, nachdem im Vormärz ganze sieben Zettelbanken zugelassen worden waren, im Gebiet des Dresdner Münzvereins nur etwa sechs Mio. Tlr. an Banknoten umliefen (in Preußen überhaupt keine)? Um die Gründe für diese Entwicklung soll es im weiteren gehen. Wenn dabei von papierenen Zahlungsmitteln die Rede ist, so liegen dessen unterschiedlichen Spielarten folgende Definitionen zugrunde: 1. Banknoten (auch Zettel genannt). Diese Form des Papiergeldes wurde von privaten oder halbstaatlichen (Noten- bzw. Zettel-) Banken emittiert. Banknoten waren auf Verlangen des Einreichenden jederzeit in gültige Währungsmünzen umzutauschen; deshalb mußte ein erheblicher Teil der Banknoten durch Münzen oder Edelmetallbarren, die von den Einlösungskassen vorrätig zu halten waren, gedeckt sein.

2. Staatspapiergeld. Dieses Papiergeld war im Gegensatz zu Banknoten in der Regel ungedeckt, d.h. es bestand kein Einspruch auf Umtausch in Münzgeld. Man konnte mit Staatspapiergeld aber Zahlungen an den Staat vornehmen, weil dieser sein Papier an Geldes statt annahm. "Solange der Staat das Vertrauen der Bevölkerung besaß, konnte er sich durch die Aus3 1846 gab es in Deutschland (ohne Österreich) folgende Zettelbanken: Die Königliche Bank in Berlin (gegründet 1765), daneben gab es in Preußen mit dem Cassen-Verein zu Berlin und der Ritterschaftlichen Privatbank in Stettin (beide 1824) zwei Privatzettelbanken. Im Kurfürstentum Hessen bestand seit 1721 die Leih- und Commerzbank, in Braunschweig das Herzogliche Leihhaus (1765), in Sachsen der Leipziger Kassen-Verein (1824) und in Lübeck die Privat-Darlehensbank (1820). Bedeutende Gründungen des Vormärz waren allein die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank in München (1834), mit einem Notenausgaberecht von anfangs 8 Mio. (später 12 Mio. fl.), und die Leipziger Bank (1838). Vgl. Sprenger, Währungswesen, S. 65 f.

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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gabe von Staatspapiergeld zinslosen Kredit verschaffen. In gewisser Weise glich Staatspapiergeld deshalb einer staatlichen Schuldverschreibung, mit der alle Zahlungen an den Staat geleistet werden konnten." Diese Funktion war insofern von Bedeutung, als sich dem emittierenden Staat damit eine Möglichkeit der Finanzierung eröffnete, ohne eine Anleihe begeben zu müssen und damit ohne auf die Zustimmung einer bestehenden oder für diesen Fall einzuberufenden Volksvertretungen angewiesen zu sein. 3. Privatpapiergeld, ein von Privatpersonen bzw. Körperschaften (etwa von Eisenbahngesellschaften) emittiertes Papiergeld, das nicht zum Staatspapiergeld oder zu den Banknoten gerechnet werden kann. Privatpapiergeld gab es gedeckt und ungedeckt, es spielte jedoch eine völlig untergeordnete Rolle und kann deshalb in der Folge auch unberücksichtigt bleiben. 4 1. Vormärzliche Perzeptionsmuster gegenüber papierenen Wertzeichen: Zwischen Mißtrauen und übertriebener Erwartungshaltung

Viele Zeitgenossen des Vormärz begegneten dem Papiergeld mit tiefsitzendem Mißtrauen und Zweifel an seiner Werthaltigkeit: "Gott schütze unsem König und sein königliches Haus! I Er bewahre unser Land vor Krieg, Seuchen und Miswachs I Er erhalte uns die sparsamen Gold- und Silberstücke, I welche uns der Krieg und die Teuerungsjahre übrig gelassen haben! - I Er verderbe in unserm von der Papierpest noch freyen glücklichen Lande I allen Samen, aus dem dieses tausendjährig wuchernde Unkraut kommt! - I damit nicht unter ihm die edle Frucht ersticke, I aus der allein gesunde, stärkende Nahrung fließt", heißt es beispielsweise in dem 1822 anonym erschienenen Buch "Ein Blick in die Geschichte der Zettelbanken in Europa und auf die Errichtung einer Nationalbank in Bayem". 5 Ohnehin scheint in Bayern der Argwohn gegenüber papierenen Wertzeichen aufgrund der Nähe zu Österreich besonders tief verwurzelt gewesen zu sein; dafür geben die Aufzeichnungen des Freiherrn von Eichthal, mit 3.357.500 fl. Einlage Höchstbeteiligter am Gründungskapital der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (und ihr erster Direktor) eine Erklärung: "Es herrscht in ganz Bayern ein großer, beinahe unüberwindlicher Widerwille gegen alles Papiergeld, man kann in diesem Lande nicht vergessen, welche ungeheure Summen durch seine vom ästreich in Massen emittierten Bankzettel und seinen Finanzoperationen überhaupt eingebüßt wurden. Die reichsten Familien in Bayern hauptsächlich in Franken wurden hierdurch gänzlich zu Grunde gerichtet ... Hieraus kann man sich den panischen Schrekken erklären, der alle Gemüther ergriff, als in Bayern zum ersten Male von 4 5

Vgl. Sprenger, Währungswesen, S. 63. Von dort stammt auch das Zitat. Zit. nach: Albert Pick, Papiergeld, Braunschweig 1967, S. 130.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

einer Bank die Rede war, die . . . auch das Recht haben sollte, Banknoten ... in Umlauf zu setzen."6 Dieses Mißtrauen war allerdings nicht auf Bayern beschränkt, und es soll anderswo sogar soweit gegangen sein, daß beim letzten Postkutschenüberfall in Deutschland, der sich 1826 im Harz ereignete, von den Räubern nur das gemünzte Geld, nicht aber das Papiergeld als zur Beute würdig gefunden und mitgenommen wurde. 7 Auf der anderen Seite bedeutete die Verwendung von Wertzeichen aus Papier gerade für den größeren Handel eine erhebliche Erleichterung (im Wortsinne) der Zahlungsmodalitäten gegenüber dem Edelmetall. Goldmünzen waren nur spärlich vorhanden, und Silbergeld erreichte bei größeren Summen schnell ein "untragbares" Gewicht (eine Zahlung von 1.000 Tlr., in Vereinstalern geleistet, wog immerhin 18,55 kg), so daß die knappen Scheine in kaufmännischen Kreisen häufig nur gegen ein Aufgeld zu bekommen waren. Daneben verbanden sich auch zum Teil maßlos überzogene Erwartungen mit der Ausgabe von Banknoten, hinsichtlich ihrer positiven makroökonomischen Wirkungen; dies war wohl ein Residuum jener Anschauungen des Merkantilismus, die eine erhöhte Geldmenge mit volkswirtschaftlichem Wohlstand gleichsetzten (sogenannter Monetarismus): "Will Deutschland Freiheit und Politik, Kultur und Zivilisation, Wohlstand und Volksmacht, will es die gründliche Heilung des Proletariats und die Lösung so vieler anderer heiß debattierter Tagesfragen; will es Kolonien und Flotten und als Nation wieder auf die Völkerbühne treten; will es eine Münze und einen zweiten Zollverband", hieß es ganz ohne Ironie in einem 1845 anonym erschienenen Pamphlet, "so erfülle es vorab die Bedingung, welche allein zu diesem Ziele führen kann. Es schaffe sich, was außer Großbritannien kein Land besitzt, einen Nationalkredit, kurz, es gründe eine Nationalbank, die gleich dem Granitfels im Meere, in Friedens- und in Kriegszeiten der Industrie, dem Handel und Gewerbe in allen Gauen fördernd und unerschütterlich zur Seite steht. " 8 6 Privatarchiv der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, S. von Eichthai "Notizen" v. 23.2.1843. Zit. nach Hans-Ulrich Gutschmidt, Der Aufbau und die Entwicklung des Notenbankwesens in Bayern (1834-1881) unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse, Diss. Wiso. Köln 1969, S. 84. 7 Nach: Perlitz, Das Geldwesen, S. 119. Vgl. auch Manfred Pohl, Die Entwicklung des deutschen Bankwesens zwischen 1848 und 1870, in: Deutsche Bankengeschichte Band 2, Frankfurt a. M. 1982, S. 143 ff., S. 154. Sprenger zitiert den Eintrag im "Conversationslexikon von Brockhaus", Ausgabe 1820: "Papiermünze, gewöhnlich, wiewohl unrichtig, Papiergeld genannt, sind Papierzettel, versehen mit dem Charakter der Münze, d. h. mit der Eigenschaft von allgemeinen Tausch- und Werth-Ausgleichsmitteln. Papiergeld ist in vieler Ohren ein so furchtbarer Ton, dass sie schon bei dem blassen Namen derselben erschrecken." Sprenger, Währungswesen, S. 64. 8 Das Bedürfnis einer Deutschen Bank in volkswirtschaftlicher Beziehung, Berlin 1845, S. 17. Zit. nach: Sven Helander, Theorie und Politik der Zentralnotenbanken

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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Friedrich List hielt die Etablierung von Notenbanken für das zweckmäßige Mittel, um den Eisenbahnbau voranzutreiben. In einer Eingabe an die sächsische Regierung von 1833, in der er die Ausgabe von Banknoten in Sachsen zur Kapitalmobilisierung forderte, beschrieb List auch die Wirkungsweise papierener Wertzeichen: "Daß man, indem man Kanäle und Eisenbahnen baut, kein Geld, sondern nur überflüssiges Getreide verbraucht, zeigt sich hier, wo die Wertausgleichungen größtenteils in Papier gemacht werden [gemeint sind die USA], ganz klar. Ein Bauer nimmt ein Anlehen bei der Bank, das er in Noten bezieht und womit er seine Aktien bezahlt. Die Noten wandern sofort in die Hände des Kontraktars und hierauf in die Hände der Arbeiter, die sie dem Bauer wiederbringen, um sich dafür Lebensmittel zu kaufen; dieser aber gibt sie ohne weiteren Verzug der Bank zurück, um seine Schuld abzulösen. Hier hatte der bloße Kredit der Bank das Wunder gewirkt, Holz, Steine und Eisen zu einer produktiven Maschine zusammenzufügen und das Getreide des Bauern in eine Dividende bringende Anleihe zu verwandeln . .. " "Ich wiederhole hier, daß alle deutschen Staaten, indem sie den Kompanien die Privilegien erteilen, zum Belauf ihrer Auslagen Banknoten auszugeben und dagegen Hypotheken in die Kasse zu legen, die Mittel geben können, Eisenbahnen anzulegen, soviel sie deren bedürfen."9 Zudem richteten sich, insbesondere in den Notzeiten der Revolutionskriege, die Hoffnungen mancher Staatsmänner auf die Begründung einer notenausgebenden Bank, die dabei helfen sollte, die katastrophale Situation der Staatsfinanzen zu verbessern. Beispielhaft dafür ist der Plan Hardenbergs von 1809 zur Errichtung einer Nationalbank in Berlin, die daran mitwirken sollte, die von Frankreich geforderte Kontribution von 30 Mio. Tlr. aufzubringen; ein Zufluß an Edelmetallen in solcher Höhe sei nämlich weder aus dem Handel noch durch eine Anleihe aus dem Ausland zu erwarten. 10 Diese gespaltene Perzeption von Papiergeld und Banknoten als Wundermittel oder Wurzel allen Übels entsprach der Uneinigkeit der Volkswirtin ihrer Entwicklung. Erste Hälfte: Theorie der Zentralisation im Notenbankwesen, Jena 1916, S. 3. 9 Friedrich List, Über ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, in: Friedrich List. Schriften/Reden/Briefe, hgg. von Erwin v. Beckerath/Karl Goeser/Friedrich Lenz/Wilhelm Notz/Edgar Salin/Artur Sommer. Bd. III: Schriften zum Verkehrswesen. Erster Teil: Einleitung und Text, hgg. von Erwin v. Beckerath/Otto Stühler, Aalen 1971, S. 153 ff., S. 168 u. 170. 10 Vorschläge zur Errichtung einer Nationalbank in Berlin, nicht unterzeichnet (Hardenberg) 23.3.1809, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26889. Vgl. dazu Ernst Klein, Von der Reform zur Restauration. Finanzpolitik und Reformgesetzgebung des preußischen Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, Berlin 1965, S. 22- 29.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

schaftslehre über deren Natur; dazu weiter unten mehr. Vor allem aber speiste sie sich aus den Erfahrungen der vergangeneu Jahrzehnte, die "eine Periode großzügiger, kühner Experimente . . . mit dem vom Staate emittierten Papiergelde" 11 gewesen waren, die allerdings sämtlich in spektakulären Kursverlusten, Inflationen und nicht selten im Totalverlust vieler Sparguthaben geendet hatten. a) Ursachen der zwiespältigen Perzeption: Die Erfahrung mit dem Papiergeld als staatlichem Finanzierungsmittel in der Krise. Der Fall der preußischen Tresorscheine

Die Zerrüttung des Währungssystems infolge der unmäßigen Ausgabe von Papiergeld soll hier nicht anband des berühmtesten Beispieles, des "Systeme Law" (nach John Law) in Frankreich mit der Notenemission der Banque Royale und deren spektakulärem Zusammenbruch 1720 12 dargestellt werden (auch wenn dies ein faszinierendes Exempel der Gefahren ist, die vom Einsatz der Geldpolitik als Mittel der Wirtschaftspolitik drohen). Die Österreichische Entwicklung soll hier ebenfalls nicht noch einmal aufgegriffen werden; dazu ist an anderer Stelle schon einiges ausgeführt worden. Vielmehr soll die Entwicklung in Preußen kurz nachgezeichnet werden. Das bietet sich schon deshalb an, weil das preußische Staatspapiergeld (unter dem Namen Tresorscheine und später Kassenanweisungen) bis in die 1840er Jahre hinein wahrscheinlich deutlich mehr als ein Drittel des gesamten, in den Staaten des Deutschen Bundes (ohne Österreich) umlaufenden Staatspapiergeldes ausmachte.13 Neben der veranschaulichenden Dramatik der Ereignisse in Preußen ist die Geschichte des dortigen Staatspapiergeldes aber noch aus einem anderen Grund von zentraler Bedeutung: In den 1830er Jahren unterband die preußische Regierung die Emission von Banknoten, um den Umlauf des eigenen Staatspapiergeldes nicht zu stören 14 ; das Kulischer, Allgemeine, S. 524. Zu John Law und der "South Sea Bubble" vgl. etwa North, Das Geld, S. 129. 13 Exakte Aussagen zur Papiergeldmenge in Deutschland lassen sich für die Zeit vor 1840 kaum machen. Die preußischen Zahlen hingegen sind genau bekannt: Anfang 1820 liefen dort Tresorscheine für 5.925.425 Mio. Tlr. und Sächsische Kassenbillets für 1.300.122 Mio. Tlr. (= insgesamt 7.225.547 Mio. Tlr.) um (für die von Sachsen an Preußen abgetretenen Gebiete hatte Preußen Anfang 1816 sächsische 1-Taler-Kassenbillets für 1.750.000 Tlr. übernommen). Alle Tresor-Talerscheine und Kassenbillets wurden 1824/25 vernichtet und durch Kassenanweisungen für 11.242.347 Mio. Tlr. ersetzt. 1827 wurden weitere 6 Mio., 1836 dann noch einmal 5,5 Mio. Tlr. an Kassenanweisungen ausgegeben, wofür die Königliche Bank ihr besonderes Papiergeld einziehen mußte, und 1837 erhielt die Bank weitere 3 Mio., so daß jetzt 25.742.347 Tlr. in Kassenanweisungen umliefen. Die Emission von 1827 soll übrigens der Anlaß für Goethes Darstellungen im zweiten Teil des "Faust" gewesen sein. Vgl. Schrötter, Preußisches 1, S. 393. 11

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I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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aber blieb für die weitere Entwicklung des Notenbankwesens in Preußen, insbesondere die der Königlichen Bank, aus der 1846 die Preußische Bank wurde, die wiederum 1876 sich zur Reichsbank wandelte, nicht ohne Folgen. Die Ausgabe von Staatspapiergeld zur Deckung der außerordentlichen finanziellen Belastungen der Revolutionszeit nahm ihren Ausgang in Frankreich, wo bereits im Dezember 1789 die erste Tranche der späterhin berüchtigten Assignaten (deren Umlauf 1796 schließlich 45 Mrd. Francs erreichte), anfangs noch als verzinsliche Schatzanweisungen, emittiert wurde. Mit der Ausweitung der Revolutionskriege fand sie auch in vielen deutschen Staaten Anwendung. Zur ersten Herstellung von Papiergeld, das allerdings zunächst in die staatlichen Tresore wanderte, in Preußen kam es 1804. Erst 1806 wurden diese Tresorscheine als Mittel der Staatsfinanzierung15 ausgegeben und parallel dazu dem Metallgeld gleichgestellt, d.h. sie konnten jederzeit und ohne Aufgeld an den Kassen der Königlichen Bank in Silber eingelöst werden; als weitere Maßnahme der Kurssicherung der Tresorscheine mußte zudem ein Viertel der Zahlungen an den Staat in ihnen vorgenommen werden. Mit dem Einmarsch der Franzosen in Berlin allerdings stellte die Haupt-Realisationskasse ihre Einlösungszahlungen bereits am 25. Oktober 1806 ein. Auch wenn die französische Besatzungsmacht anfangs im eigenen Interesse den Kurs der Tresorscheine zu stützen versuchte, sank dieser immer stärker, so daß schließlich die französischen Behörden und die preußischen Kassen die Annahme ablehnten. Als der Kurs der Scheine in Berlin Anfang 1808 auf 23% ihres Nominalwertes fiel, wurde die Annahmepflicht auch offiziell widerrufen. Schon im Juni 1807 war der Zwangskurs der Scheine aufgehoben worden. "Damit aber die Tresorscheine nicht ganz unbrauchbar würden, sollten sie von den Staatskassen nach dem Kurse zu Berlin, Breslau, Stettin, Manenwerder und Königsberg, der alle zwei Wochen zu verkünden war, angenommen werden [... ]. Damit hatten die Tresorscheine den Charakter des Papiergeldes verloren, sie waren ganz dem Kredit, dem Vertrauen auf den Staat preisgegeben. Natürlich waren wegen des Unglücks, der Verarmung des Staates, der geringen Hoffnung auf dessen baldige Erstarkung die Aussichten der Tresorscheine trübe." 16 Der Kurs der Tresorscheine erholte sich erst wieder, als am 11. Vgl. North, Das Geld, S. 157. Vgl. zum Einsatz der Tresorscheine als Mittel der Staatsfinanzierung: Hanna Schissler, Preußische Finanzpolitik nach 1807. Die Bedeutung der Staatsverschuldung als Faktor der Modemisierung des preußischen Finanzsystems, in: GG 8, 1982, S. 367 ff., S. 372 f.; Alexander von Witzleben, Staatsfinanznot und sozialer Wandel. Eine finanzsoziologische Analyse der preußischen Reformzeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts, Wiesbaden 1985 (Studien zur modernen Geschichte, Bd. 32), s. 99 f. l6 Schrötter, Preußisches I, S. 16. 14

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

Februar 1809 erneut ihre Einlösung durch die Staatskassen verlügt wurde. Die Tresorscheine stiegen daraufbin sofort in Königsberg auf 80, in Berlin auf 78. Der französisch-österreichische Krieg drückte den Kurs im Mai zwar abermals auf 46 und tiefer, er erholte sich nach dem Frieden jedoch wieder auf 72. Aufgrund des weiterhin hohen Finanzierungsbedarfes wurden ab Dezember 1809 dann 1-Talerscheine (zwei Millionen Stück) ausgegeben, mit der Begründung, die Bevölkerung solle sich durch den kleinen Nennwert besser als bisher an die Verwendung der Tresorscheine gewöhnen. Wiederum mußte ein Viertel aller Abgaben in solchen Scheinen geleistet werden. Auch rein äußerlich ließ das Papiergeld die verzweifelte Notlage der preußischen Finanzen erkennen (was das in sie gesetzte Vertrauen der Bevölkerung sicher nicht verstärkt hat): Die primitiv wirkenden I-Taler-Tresorscheine wurden bald beliebte Vorlagen für Fälscher. 17 Bis Oktober 1810 waren mehr als eine Million Stück ausgegeben, wovon 336.188 umliefen; Ende 1812 waren an Tresor- und Talerscheinen 731.625 Tlr. in Umlauf gebracht. Nach der Eröffnung des Krieges gegen Napoleon wurden für mehr als acht Mio. Tlr. Tresorscheine emittiert, die bis dahin in den staatlichen Kassen gelegen hatten und jetzt mit einem Stempelaufdruck versehen und als Steueranweisungen ausgegeben wurden 18 , wodurch der Kurs des Papiergeldes im März auf 47, auf 35 im Juli 1813 fiel (die preußischen Beamten mußten allerdings hinnehmen, daß ein Viertel ihres Gehaltes in gestempelten Scheinen zum Nennwert gezahlt wurde). Aufgrund der Kursverluste erhielten die Scheine erneut Zwangskurs, mit der Androhung einer Strafe von 500 bis 1.000 Talern oder sechs bis zwölf Monaten Gefängnis bei Verweigerung der Annahme. 1814 und 1815 wurden die Tresor- und Talerscheine bis auf 6 Mio. Tlr. eingezogen, woraufbin ihr Kurs auf 85 bis 90 stieg. Am 1. März 1815 konnte im Anschluß daran den staatlichen Kassen befohlen werden, sie zum pari-Kurs auszugeben und anzunehmen. Um die Nachfrage nach den Tresorscheinen zu heben und somit auch deren Kurs zu stabilisieren, hatte ab dann nicht mehr nur ein Viertel, sondern die Hälfte der Zahlungen an die königlichen Kassen mit diesem Papiergeld zu geschehen. 19 Vgl. Pick, Papiergeld, S. 146. Zur Befriedigung der Forderungen der französischen Armeen wurden zu diesem Zeitpunkt schnell große Mengen an Zahlungsmitteln benötigt. Die am 24. Mai 1812 ausgeschriebene Vermögen- und Einkommensteuer ebnete dafür den Weg: Neben der Anfertigung von sogenannten Vermögensteueranweisungen auf 5.000, 4.000, 3.000, 2.000, 1.000 und 500 Tlr., wurden Tresorscheine zu 250, 100, 50 und 5 Tlr. Nennwert, die noch in den Kassen vorrätig waren, als Anweisungen auf die durch die neue Steuer zu erwartenden Einnahmen gestempelt; zur Kurspflege erhielt jeder Inhaber solchen Papiers das Recht, es bei der Vermögen- und Einkommensteuer als bares Geld anzugeben. Vgl. C.J. Bergius, Geschichte des Preussischen Papiergeldes, in: ZfgS 26, 1870, S. 225 ff., S. 227. 17

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I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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Durch die Landung Napoleons in Frankreich ging der Kurs der Tresorscheine noch einmal auf 62 zurück, bevor er bis September 1815 wieder auf 94 bis 95 ansteigen konnte. So konnte am Ende in Preußen zwar ein Währungsschnitt, wie ihn die Habsburgermonarchie hatte vornehmen müssen, vermieden werden; und doch hatten alle diejenigen, die vom preußischen Staat zwischen 1806 und 1815 Zahlungen zum Nominalkurs anzunehmen gezwungen waren, aber die Scheine nur zum erheblich niedrigeren realen Kurs wieder anbringen konnten, schwerwiegende Vermögensnachteile hinnehmen müssen. Angesichts dieser Verluste war es nicht verwunderlich, daß dem Zahlungsinstrument Papiergeld nach der Beendigung der Kriegswirren große Vorbehalte entgegenstanden. b) Ursachen der zwiespältigen Perzeption: Papiergeld und Banknoten in der ökonomischen Diskussion des 19. Jahrhunderts

Der ökonomische Charakter und die Funktion des Papiergeldes waren Gegenstand ausgedehnter und kontroverser wirtschaftswissenschaftlicher Debatten des 18. und des 19. Jahrhunderts (schon John Law war ja nicht nur - unglücklicher - Praktiker des Papiergeldwesens, sondern auch ein bedeutender Geldtheoretiker des Merkantilismus). Das legt die Frage nahe, ob sich das weitverbreitete Mißtrauen gegenüber papierenen Wertzeichen im 19. Jahrhundert möglicherweise nicht allein aus der schlechten Erfahrung der zurückliegenden Jahre, sondern auch aus dieser theoretischen Umstrittenheit der neuartigen Zahlungsmittelform speiste - während andersherum ganz gewiß davon auszugehen ist, daß sich die theoretische Strittigkeit zu einem Gutteil aus der Katastrophe der Papiergeldsysteme vor allem der Revolutionszeit ableitete. Sicher darf die Bedeutung der Perzeption von Theorien nicht gegenüber der täglichen Wahmehmung von Realitäten überbewertet werden. Dennoch sollten zum einen solche Einflußwege nicht von vomherein ausgeschlossen werden; zum anderen würde eine Vernachlässigung der wirtschaftswissenschaftlichen Erörterung des Themas weder deren Umfang noch ihrer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Nationalökonomie gerecht. Hatte - so muß die Frage demnach lauten - der volkswirtschaftliche Diskurs des 18. und 19. Jahrhunderts über den Charakter des Papiergeldes Einfluß auf dessen Verwendung? Gab es eine Art von "Trickle-down-Effekt", aufgrund dessen der akademische und publizistische Dissens in die Masse der Bevölkerung durchsickerte und das dort aufgrund der Erfahrung mit der Assignaten-Wirtschaft vieler Länder weitverbreitete Mißtrauen gegenüber 19

15*

Zur Geschichte der preußischen Tresorscheine vgl. auch Schultz, Kleine, S. 26.

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der Zahlkraft und der Werthaltigkeit eines bedruckten Stückes Papier beeinflußte? Zumindest ein Einflußkanal läßt sich nachweisen: Anders als heute, in Zeiten der spezialisierten (und mathematisierten) Volkswirtschaftslehre, waren die Sujets der ökonomisch-wissenschaftlichen Debatte im Vormärz auch ein Thema des allgemeinen Diskurses der Gebildeten; mangels Institutionalisierung des Faches an den Universitäten richteten sich auch die meisten der Veröffentlichungen eher an den gebildeten Laien bzw. an den praktisch Tätigen (den Kaufmann), als an den Wissenschaftler. Besonders deutlich wurde dies in Großbritannien, in der Diskussion um die Reorganisation der Bank of England: Dort trafen die Beiträge großer Ökonomen (etwa David Ricardos, der allerdings als enorm erfolgreicher Spekulant auch einen praktischen Erfahrungshorizont vorweisen konnte) auf die von Bankern und Kaufleuten und wurden ausführlich in den Organen der Presse diskutiert. Daß in der Tat das ökonomische Denken der Zeit in bezug auf das Geld in den gebildeten Schichten rezipiert worden ist, zeigt sich an den zahlreichen Niederschlägen, die gerade die Frage nach dem Wesen des Papiergeldes in der Literatur gefunden hat, in Großbritannien beispielsweise durch die Karikatur des berühmtesten Bullionisten, Lord Overstone (s. u.), durch Dickens' Mr. Dombey in "Dealings with the Firm of Dombey and Son". 20 Das bekannteste Beispiel in Deutschland hingegen ist die Erlösung des Kaisers aus seinen finanziellen Bedrängnissen durch Mephistopheles mittels der Erfindung des Papiergeldes im zweiten Teil des "Faust"; diese Szene ist wohl durch Goethes Erlebnisse mit dem Verfall der französischen Assignaten in den Revolutionskriegen, ebenso aber durch die Emission einer neuen Tranche von preußischen Kassenanweisungen im Jahr 1827 inspiriert worden. Es ist durchaus wahrscheinlich, daß Goethe damit eine tiefsitzende, mißtrauische Grundstimmung des deutschen Bildungsbürgertums gegenüber finanziellen Innovationen aufnahm und wiedergab, sie im Gegenzug freilich auch verstärkte, indem er dem Papiergeld den Charakter eines "Teufelswerkes" zuwies, das zwar modern sei und zu einer kurzzeitigen wirtschaftlichen Belebung führen könne, andererseits jedoch allen Kenntnissen des gesunden Menschenverstandes Hohn spreche. Hier sind die im Zusammenhang dieser Arbeit interessanten ökonomischen Diskurse über Wertzeichen aus Papier in aller Kürze nachgezeichnet, zunächst der einfluß- und folgenreichste: die Debatte um die Currency- und die Banking-Theorie in Großbritannien, die (am Österreichischen Beispiel ist dies schon gezeigt worden) in allen Staaten der sich industrialisierenden Welt nachvollzogen wurde. Die Auswirkungen jener Diskussion um die notwendige Deckung der Banknotenausgabe in Deutschland sowie die Besonderheiten des deutschen Diskurses bilden dann den zweiten Punkt der Darstellung. zo Vgl. Kindleberger, Financial, S. 33.

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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1. Die bedeutendste Debatte hinsichtlich der papierenen Wertzeichen im 19. Jahrhundert drehte sich um die möglichen inflatorischen Wirkungen von Banknoten und um deren Deckung; dies war die englische Auseinandersetzung um die Currency- und die Banking-Theorie. Ausgelöst wurde die Debatte durch die Suspendierung der Goldeinlösung seitens der Bank of England 1797 und die folgende Abwertung ihrer Noten an den ausländischen Börsen (in Großbritannien selbst hatten die Noten bis 1819 Zwangskurs). 1810 sagten die Vertreter der Bank vor dem angesichts dieser Entwicklung eingesetzten BuHion Committee des Unterhauses über die Gründe der Abwertung aus, daß ihr Vorgehen im Krieg, die Banknotenmenge auszuweiten, nicht dafür verantwortlich zu machen sei. Es habe keine inflatorischen Folgen, die Banknotenausgabe auszuweiten, solange die Noten von einer Expansion des Handels benötigt würden; dies wiederum sei durch eine Deckung mit echten Handelswechseln sicherzustellen (das ist die sogenannte "real bills"-Doktrin). Die Mehrheit des Komitees indessen folgte dieser Erklärung nicht und schrieb die Entwertung der Banknoten der Ausweitung ihrer Emission zu. Die "real bills"-Doktrin sei gefährlich, da im Zusammenhang mit dem Handelsaufschwung steigende Preise zu einer Erweiterung der Notenausgabe führen und somit weiter die Preise nach oben treiben helfen könnten. Klassischer Ausdruck dieser Schule sind der "Bullion Report" des Komitees und Ricardos "The High Price of Bullion" (1811).21

Ricardo wies auf die Geldmenge als Maßstab der Wertbestimmung des Geldes hin (dies ist die sogenannte "einfache Quantitätstheorie"). Er stellte fest, daß zwar einmal die Produktionskosten des Geldes seinen Wert bestimmten, wie auch die Klassiker der Geldtheorie (Jean-Baptiste Say, John Stuart Mill, Adam Smith) argumentierten, zum anderen aber durch neu hinzukommende Geldmengen die Gesamtgeldmenge zunehme und dadurch der Wert des Geldes sinke. "Unterstellt man nun, die Geldmenge eines Landes entspreche dem Bedarf dieses Landes an Geld, dann bewirkt jede Veränderung zwischen Geldbedarf und Geldmenge eine einseitige Verschiebung des Preisniveaus der Waren, was wiederum eine entsprechende Veränderung des Außenhandels und dadurch eine Mehrausfuhr oder -einfuhr von Metallgeld zur Folge habe, so daß auf die Dauer jedes Land soviel Umlaufmittel besitze, wie es brauche. ,.22 Dies war die klassische Darstellung des soge21 Vgl. Kindleberger, Financial, S. 61; Pierre Vilar, Gold und Geld in der Geschichte. Vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, München 1984, S. 284 und 291 f. 22 Harald Winkel, Die Entwicklung der Geldtheorie in der deutschen Nationalökonomie des 19. Jahrhunderts und die Gründung der Reichsbank, in: Helmut Coing/Walter Wilhelm (Hg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert. Bd. V Geld und Banken, Frankfurt a.M. 1980, S. 1 ff., S. 9. Zur Wertheorie Ricardos vgl. Henri Denis, Geschichte der Wirtschaftstheorien. Band 1.

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nannten "Goldautomatismus". Der Goldautomatismus müsse aber versagen, wenn an die Stelle der reinen Metallwährung eine gemischte, d.h. eine Währung mit Banknoten trete, die nicht Geldsurrogat, d.h. nicht voll einlösbar seien. In Anlehnung an Ricardo entwickelten Samuel Jones Loyd (der spätere Lord Overstone), Robert Torrens und John Ramsay MacCulloch die Currency-Theorie, die im Prinzip eine 100%ige Deckung des Notenumlaufes durch Edelmetall forderte. Gegner der Currency-Theorie waren Thomas Tooke, John Fullarton, James Wilson u. a., die nachzuweisen versuchten, "daß eine Steigerung der Geschäftsumsätze und (oder) der Warenpreise der Zunahme der Geldmenge auch vorangehen könne, mithin also ein größerer Zirkulationsbedarf an Geld entstehe, den die Notenbank zu decken habe.'m Die "bankmäßige" Erhöhung der Geldmenge durch Diskontierung guter Handelswechsel erzeuge keine Inflationsgefahr, da nach dem Abschluß des Geschäftes durch Einlösen der Wechsel die Mehrausgabe an Banknoten wieder in den "Geldhimmel" zurückkehre (sogenanntes "Fullartonsches Rückstromprinzip").Z4 In England entschied sich die lange schwelende Kontroverse endgültig mit der Peel's Act von 1844, nachdem in der Krise von 1839 die Bank of England ihren Einlösungspflichten nur durch Kredite aus dem Ausland hatte genügen können, womit sich die Gültigkeit der Currency-Theorie zu bestätigen schien. Das ausdrückliche Ziel der Bankakte war es, die Geldmengensteuerung durch die Notenbank zu unterbinden, indem die Ausgabe von Banknoten rigiden Auflagen unterworfen wurde. In Zukunft waren die Noten der Bank of England (den bestehenden Provinznotenbanken Englands wurden noch strengere Bestimmungen auferlegt) vollständig durch Gold zu decken; lediglich ein kleines "Vertrauenskontingent" (fiduciary issue) von f11 Mio. durfte die Bank ungedeckt ausgeben.Z5 Von Platon bis Marx, Rheinfelden/Berlin 4 1991 (Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, Bd. 5), S. 256. 23 Winkel, Die Entwicklung, in: Coing/Wilhelm (Hg.), Wissenschaft, S. 10. 24 Vgl. North, Das Geld, S. 153. 25 Zu den Bestimmungen der Bankakte von 1844 siehe: North, Das Geld, S. 153; Dieter Ziegler, Zentralbankpolitische "Steinzeit"? Preußische Bank und Bank of England im Vergleich, in: GG 19, 1993, S. 475 ff. , S. 479; ders., Der "Latecomer" lernt. Der "Peel's Act" und die preußische Währungsgesetzgebung im Zeitalter der Industrialisierung, in: Hartmut Berghoff/Dieter Ziegler (Hg.), Pionier und Nachzügler? Vergleichende Studien zur Geschichte Großbritanniens und Deutschlands im Zeitalter der Industrialisierung. Festschrift für Sidney Pollard, Bochum 1995 (Arbeitskreis Deutsche England-Forschung, 28), S. 75 ff., 78 f. Für eine zusammenfassende Darstellung der Currency-School/Banking-School/Free Banking-School-Kontroverse in Großbritannien vgl. Lawrence H. White, Free banking in Britain. Theory, experience, and debate, 1800-1845, Cambridge 1984, S. 135.

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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2. In Deutschland wurde die Diskussion um das Wesen und die Aufgabe des Geldes stellenweise mit anderen Vorzeichen geführt als in England. Zunächst setzte sich auch hier im Gefolge des Siegeszuges der liberalen Wirtschaftstheorie die Waren-Definition des Geldes durch, laut der Geld in der Form von Edelmetall wie jede andere Ware den allgemeinen Wirtschaftsgesetzen unterworfen ist; sein Wert bestimmt sich demnach aus den zu seiner Produktion aufgewendeten Kosten. Papiergeld, das so gut wie keine Produktionskosten erfordert, kann nach der Waren-Definition deshalb nur dann Geldfunktionen erlangen, wenn es sich in Metall verwandeln (eintauschen) läßt; aufgrund seiner "Wertlosigkeit" ist es ein Geldsurrogat. 26 Zudem betrachtete die klassische liberale Schule die Geld- und die Güterseite der Wirtschaft als getrennte Sphären; Geld liege als Schleier über der Wirtschaft, habe aber für deren Entwicklung keine Bedeutung?7 Der erste einflußreiche deutsche Geldtheoretiker dieser Lehre war Johann Georg Büsch, der fest auf dem Boden der englischen Klassik stand (wobei Büsch, der überzeugt war von der Nützlichkeit von Zettelbanken, diesbezüglich einen merkantilistischen Ballast mit sich trug)?8 Bereits 1826 gerann die liberale Geldtheorie in Karl Heinrich Raus Lehrbuch zu einer neuen Orthodoxie29, die von weiten Teilen der deutschen Wirtschaftswissenschaften, mochten deren Ansichten auch sonst erheblich voneinander abweichen, bis ins 20. Jahrhundert im großen und ganzen unangefochten weitergegeben wurde. Zu diesen "Metallisten" gehörten u. a. Marx, Sombart, Knies, Schmoller und Menger. 26 "Tritt an die Stelle von Gold- und Silbermünzen Papiergeld, so wird ein kostspieliges Tauschmittel durch ein wesentlich billigeres ersetzt, das zudem gleich dienlich ist. [ ... ) Setzt die Bevölkerung eines Landes ein solches Vertrauen in das Vermögen, die Ehrlichkeit und die Klugheit eines Bankiers, daß sie überzeugt ist, er werde immer bereit sein, auf Verlangen alle ausgegebenen Noten einzulösen, sobald man sie ihm vorlegt, werden solche Noten zu gleichem Geld wie Gold- und Silbermünzen, ganz einfach wegen des Vertrauens, sie jederzeit gegen Gold und Silber eintauschen zu können." Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, München 4 1988 (nach der 5. Auflage (letzter Hand), London 1789, hgg. von Horst Claus Recktenwald), S. 241. 27 Vgl. North, Das Geld, S. 129. 28 Vgl. Johann Georg Büsch, Abhandlung von den Banken, ihrem wesentlichen Unterschiede, und den Folgen desselben in deren Gebrauch und Direction (1800), in: Ders., Sämtliche Schriften über Banken und Münzwesen, Harnburg 1824 (ND Vaduz 1985), S. VII-XXVIII und 1-152. Zu Büschs Haltung gegenüber Zettelbanken s. u., Kapitel !.2 in diesem Abschnitt. 29 Eine neue "Orthodoxie" nennt es Keith Tribe, Goveming Economy. The Reformation of German Economic Discourse 1750-1840, Cambridge 1988, S. 183. Vgl. Karl Heinrich Rau, Lehrbuch der politischen Oekonomie, Heidelberg 1826. Siehe zur Bedeutung Raus Wolfgang Zorn, Staatliche Wirtschafts- und Sozialpolitik und öffentliche Finanzen 1800-1970, in: Aubin/Zom (Hg.), Handbuch, S. 148 ff., s. 151.

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Allerdings, und dies war ein Spezifikum des deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Diskurses, erhob sich gegen die individualistische, mechanistisch-naturwissenschaftliche Ökonomie des Liberalismus eine organische Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, fußend auf der idealistischen Philosophie Fichtes, Schellings und Hegels: die romantische Schule der Nationalökonomie. Bezugspunkt dieser organischen Wirtschaftslehre war nicht der einzelne Mensch, sondern "die im Staatswesen organisch verbundene menschliche Gemeinschaft". "Die Romantiker fordern Zusammenschluß an Stelle individueller Auflösung, sie fordern eine staatliche gebundene Wirtschaft und wehren sich gegen die Trennung von Wirtschaft und Staat in der klassischen Lehre [... ]."30 Die romantische Schule definierte Geld als eine Anweisung auf wirtschaftlich wertvolle Gegenstände, die selbst keinerlei Substanzwert benötigte (Nominalismus). Diese Geldlehre entsprach der organischen Wirtschaftsauffassung: "Nur durch die Eingliederung in die Gesellschaft, durch Anerkennung und allgemeine Achtung seiner Funktion erreicht das Geld seine Eigenschaft, Tauschmittel zu sein."31 Einflußreichster Romantiker war Adam Heinrich Müller. In seinem 1810/11 unter dem Eindruck der Abwertung der Noten der Bank of England geschriebenen Werk "Versuche einerneuen Theorie des Geldes" wandte er sich vor allem immer wieder gegen die (Smithianische) Vorstellung, das Geld sei eine Ware und Papiergeld damit nur ein Geldsurrogat "[... ] das Verlangen nach dem Gelde ist ein bloßer unvollkommener Repräsentant des höheren Verlangens nach der Vereinigung, nach dem Staate; und es gilt unter allen tiefen Verwicklungen des ökonomischen Lebens noch heut, daß, wer in dem Gelde irgend etwas anderes begehrt, als die bürgerliche Gesellschaft, welche die Materie des Geldes nur symbolisch andeutet, oder wer diese Materie an sich begehrt, nie befriedigt werden könne." Geld sei nichts anderes, "als die Eigenschaft der Geselligkeit". "Wenn man also in neueren Zeiten die Sache so dargestellt, als sey ein Staatspapier ein bloßes Substitut der Metalle, oder als könne ein Versprechen des Staates die Metalle nur repräsentieren, und als sey selbiges ohne Beziehung auf die Metalle wesenlos, so hat man die Ordnung der Dinge umgekehrt: die Metalle sind die Repräsentanten." Nicht der Warenwert des Geldes, sondern die staatliche Benennung als solches mache Edelmetall und (gleichermaßen) Papier zum Geld: "[ ... ] das, was die Metalle durch den Stempel, wie durch eine Art von Creditiv erst zum Gelde erhebt, und was endlich bey weiterer Entwicklung des bürgerlichen Lebens durch das Staatspapier ausgedrückt wird - ist das Principale. ,.32 30 Harald Winkel, Die deutsche Nationalökonomie im 19. Jahrhundert, Darmstadt 1977, s. 50 f. 31 Winkel, Die Entwicklung, in: Coing/Wilhelm (Hg.), Wissenschaft, S. 6. 32 Adam Müller, Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besondere Rücksicht auf Großbritannien, Leipzig/Altenburg 1816 (ND Jena 1922), S. 139 u. 140. Vgl. auch die Ausführungen Fichtes, eines der Wegbereiter der romantischen

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Die Romantik hatte in der deutschen Nationalökonomie nur geringfügige Nachwirkungen, jedoch rückte sie die Frage nach der Natur papierener Zahlungsmittel in die öffentliche Diskussion; außerdem wurde die Geldtheorie von da an nicht mehr allein vom Metallismus beherrscht. Eine späte Nachfolgerin, die sich dann seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts schnell durchsetzte, fand der romantische Nominalismus in der sogenannten Chartalistischen Theorie (Charta = Marke), wonach Geld keine Ware besonderer Art sei, die als Wertzeichen an irgendeinen Stoff gebunden ist, sondern ein "Geschöpf der Rechtsordnung", das durch staatlichen Eingriff entsteht. Entwickelt hat diese Theorie vor allem Georg Friedrich Knapp. 33 Durch seinen bekanntesten Schüler, Karl Helfferich, kamen die Lehrmeinungen des Chartalismus dann auch zur praktischen Anwendung (allerdings dürfte das unselige Wirken Helfferichs in der Finanzpolitik im und kurz nach dem Ersten Weltkrieg kaum zur Mehrung des Ruhms der Knappsehen Theorie beigetragen haben). Zwei Bemerkungen sind noch nachzutragen hinsichtlich der Entwicklung der ökonomischen Diskussion um Wesen und Aufgaben des Papiergeldes in Deutschland: Zum einen erreichte diese Diskussion ihren Höhepunkt sehr viel später als in England, nämlich zu der Zeit, als es um die Reichsbankgesetzgebung und damit die Schaffung einer einheitlichen Währungsordnung für das neugegründete Reich ging. 34 Da aber hatten die Teilnehmer an der Debatte schon die englische Erfahrung vor Augen, daß ein System papierener Wertzeichen, wie es die Feeische Bankakte begründet hatte, aufgrund seiner Inflexibilität nur funktionieren konnte, indem man seine Wirkungsweise in Krisenzeiten suspendierte. Dies war seit 1844 dreimal geschehen?5 Auch wenn sich die große Majorität der deutschen Ökonomen in Übereinstimmung mit den theoretischen Grundlagen der Bankakte befand, traten sie, als es um die praktische Umsetzung in Deutschland ging, für Schule; Johann Gottlieb Fichte, Der geschloßne Handelsstaat. Ein philosophischer Entwurf als Anhang zur Rechtslehre, und Probe einer künftig zu liefemden Politik, Tübingen 1800 (ND Harnburg 1979), S. 47: "Ein geschloßner Handelsstaat [...] kann zu Gelde machen, schlechthin was er will, wenn er nur deklariert, daß er selbst nur in diesem Gelde, und schlechthin mit keinem anderen sich werde bezahlen lassen." 33 Georg Friedrich Knapp, Staatliche Theorie des Geldes, Leipzig 1905. Vgl. Max Weber, Wirtschaft, S. 53: "Chartal sollen Tauschmittel oder Zahlungsmittel heißen, wenn sie Artefakte sind, kraft der ihnen gegebenen Form ein konventionelles, rechtliches, paktiertes oder oktroyiertes Ausmaß formaler Geltung innerhalb eines personalen oder regionalen Bereichs haben [... ]." 34 Vgl. Winkel, Die Entwicklung, in: Coing/Wilhelm (Hg.): Wissenschaft, S. 8. Siehe dazu auch unten das Kapitel 11.3.a) im Abschnitt D zum volkswirtschaftlichen Diskurs über das Banknotenwesen. 35 Nämlich 1847, 1857 und 1866. Vgl. Born, Die Entwicklung der Banknote, s. 10.

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eine Notenbankverfassung ein, in der die "bankmäßigen" Elemente überwogen?6 Dies ist wohl der Grund, warum die Diskussion um die Currencyoder die Banking-Theorie in Deutschland zwar aufmerksam rezipiert, der Streit jedoch weniger scharf und in viel geringerem Umfang als in England (aber auch als in Österreich) geführt worden ist. Ein zweiter Punkt: Wichtiger als das Mißtrauen in der Bevölkerung und die Strittigkeit der Deutungsversuche darüber, was Papiergeld sei, für den nur geringen Verbreitungsgrad von papierenen Zahlungsmitteln (dies gilt vor allem für Banknoten) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war, daß die Regierungen der Zollvereinsstaaten ihre Verbreitung ablehnten. Und diese Ablehnung speiste sich weder aus wirtschaftswissenschaftlichen Motiven noch aus Inflationserfahrungen, sondern vielmehr aus einer konservativen Sozialideologie und der Mißbilligung einer ungehemmten wirtschaftlichen Entwicklung, die nicht mehr vom Staat kontrolliert werden konnte. Am Schicksal der Bankprojekte des Vormärz in Preußen und in Bayern (und weiter unten dann anband der Entstehung der preußischen Normativbedingungen für die Konzessionierung privater Notenbanken - bezeichnenderweise im Revolutionsjahr 1848) wird dies im folgenden gezeigt werden. 2. Notenbankprojekte im Vormärz

In seiner "Abhandlung von den Banken'm, die zuerst 1770 erschien, beschrieb Johann Georg Büsch die Vorteile, die ein Staat aus der Gründung einer Zettelbank ziehen könne, und formulierte Leitsätze, bei deren Beachtung eine solche Gründung auch zum gewünschten Erfolg führen würde. "Der Banken [meint: Zettel- und Girobanken] sind zwar viele in Europa, aber deren Staaten sind noch mehrere, die bis jetzt noch keine Banken haben. Die Geschichte der Banken zeigt uns so viele Vorfälle, in denen der Staat großen Vortheil von ihnen gehabt hat, und überhaupt ist die Meinung von dem überschwenglich großen Nutzen der Banken so allgemein, daß man nicht aufhören wird, beträchtlichen Staaten, die noch keine Bank haben, die Anlegung derselben anzurathen." (S. 121). Nun bestehe aber die Gefahr eines Wertverlustes der ausgegebenen Banknoten, die jedoch nicht aus einer zu großen Ernission erwachse; der Kurs der Banknoten sei viel36 Vgl. Charles Rist, Geschichte der Geld- und Kreditheorien von John Law bis heute, Bem 1947, S. 155. Siehe dazu die Kapitel III.l.a) in diesem Abschnitt über "Gründungsbedingungen privater Notenbanken: Ablehnung in den größeren Staaten und die Auseinandersetzung um die ,Bankfreiheit' ", und 11.3.a) in Abschnitt D: "Der volkswirtschaftliche Diskurs über das Papiergeld- und Banknotenwesen". 37 Johann Georg Büsch, Abhandlung, in: Ders., Sämtliche Schriften, S. VII ff. und 1 ff.

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mehr allein davon abhängig, ob die Bank sich jederzeit in der Lage befinde, sie gegen Bargeld einzutauschen (S. 14 ff., 21, 81). Außer dieser grundsätzlichen Maßregel - daß eine Notenbank immer für die volle Konvertibilität ihrer Zettel zu sorgen habe - erteilte Büsch auch politische Ratschläge, die zu einem Gedeihen solcher Banken beitragen würden: Zunächst sei es nicht richtig, daß eine Bank lediglich in "freien Ländern" Bestand haben könne, solange nur der Souverän sie nicht mißbrauche. Über die zu wählende Eigentumsform an der Bank äußerte er sich dann: "Wenn der Staat sich zum Eigner der Bank macht, so fließen ihm alle Vortheile davon unmittelbar zu, und daher scheint dies der beste Weg zu seyn, um einen Staat durch die Bank mächtiger zu machen, und ihm Ressourcen zu geben, die er vorher nicht hatte. [... ] Ueberhaupt aber ist wohl gewiß, daß ein Plan dieser Art nur für denjenigen Staat anzurathen sey, in welchem die zur Regierung eines Staats erforderliche Gewalt zwischen den Landesherrn und den Ständen, oder in einer Republik unter mehrere Corpara beinahe nach dem Gleichgewichte getheilt ist, so daß, wenn ein Theil die Garantie übernimmt, der andre nicht gewaltsame Eingriffe thun und nach Willkühr Veränderungen in dem Plane der Bank machen kann." (S. 122 ff.). Schließlich beschrieb er die wirtschaftlichen Zustände der Länder, denen eine Zettelbank von Nutzen sein könne: Damit die Gründung einer Zettelbank der Wirtschaft eines Landes helfen könne, dürfe in diesem Land weder zu viel Bargeld umlaufen noch die Wirtschaft so schwach entwickelt sein, daß man der Bevölkerung den Gebrauch des Mediums Banknoten nicht vermitteln könne. "Allein bei einer Nation, die bei einem lebhaften Gewerbe von Zeit zu Zeit einen Mangel des haaren Geldes fühlt, werden sich die Banknoten als ein solides Zeichen des Werths bald angenehm machen, wenn man sieht, daß das Papier, welches einem jeden unter einem gewissen Zahlwerthe in die Hände gegeben wird, an jedem Tage und Stunde wieder in baares Geld verwandelt werden kann." (S. 131). Büsch, ein Geldtheoretiker, dessen Arbeiten von der ersten Generation der Bankengründer im 19. Jahrhundert aufmerksam gelesen wurden, gab mit seiner Abhandlung einige der wichtigsten Themen vor, die bei den zahlreichen Notenbankprojekten vor und nach 1815 von Bedeutung waren: Zunächst beschrieb er die Zettelbank als eine Art "Hebel des Fortschritts", der geeignet sei, "mit einem Zauberschlag die Kapitalarmut des Landes in Kapitalfülle zu verwandeln" (wie W. Däbritz diese besondere Form des Wunderglaubens bezeichnet hat)? 8 Sodann schlug er sich in dem Streit, ob eine von Privaten oder vom Staat geleitete Bank dem Gemeinwohl besser zu dienen in der Lage sei, auf die Seite der Gouvernementalen, wenngleich 38 Watther Däbritz, Gründung und Anfänge der Disconto-Gesellschaft Berlin. Ein Beitrag zur Bank- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands in den Jahren 1850 bis 1875, Berlin 1931, S. 3.

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er eine verfassungsmäßige Regierung als notwendige Voraussetzung für das Gedeihen einer Notenbank ansah. Schließlich erachtete er nicht eine wie immer geartete Festlegung einer absoluten Menge der auszugebenden Banknoten, sondern ihre jederzeitige Einlösbarkeit als Garantie für ihre Werthaltigkeit. a) Private Notenbankprojekte im vormärzliehen Preußen

In den 1820er Jahren konzentrierten sich die Pläne zur Gründung privater Banken in Deutschland vor allem auf Preußen. Alle potentiellen Gründer gingen dabei von der Errichtung einer Notenbank aus: "Die Notenbanken erschienen den Zeitgenossen als die Banken schlechthin. Noch waren mobile Kapitalien zu spärlich vorhanden, als daß man daran denken konnte, sie in der Zusammenfassung als Depositen zu alleinigen Unterlagen eines Bankgeschäftes zu machen. " 39 Die Ausgabe von Zetteln wurde als notwendige Basis des Aktivgeschäftes herausgestellt, insbesondere wenn die Konzessionierungsgesuche mit "quasi-gemeinwirtschaftlichen" Motiven operierten; in den Gesuchen war dann die Rede davon, daß der Zins bei der Kreditvergabe nur niedrig halten gehalten werden könne, wenn man die Möglichkeit bekomme, im Passivgeschäft durch die Notenemission billige "Einlagen" hereinzuholen. 40 Die Bankprojekte stießen allerdings zumeist auf die unverhohlene Ablehnung der preußischen Behörden. Charakteristisch ist die Aufnahme, die das Konzessionierungsersuchen des Memeler Kaufmannes Schwedersky fand; charakteristisch ist aber auch die schillemde Figur des hoffnungsvollen Gründers für viele solcher Projektemacher: Schwedersky wollte 1827 eine Bank errichten, die das Privileg zur Ausgabe von Banknoten bis zu einem Gesamtumfang von 500.000 Tlr. erhalten sollte; gedeckt werden sollten die Noten vor allem durch Lombardsicherheiten. Finanzminister Motz bezeichnete daraufhin das projektierte Institut als gegründet "nicht auf reellem Kapital", sondern auf "Papier, Schwindelei und Wechselreiterei". Desgleichen lehnte Friese, der Präsident des Hauptbank-Direktoriums (der Königlichen Bank), den Plan entschieden ab. Da Schwedersky aber hartnäckig blieb, mußten sich auch im folgenden Jahr preußische Regierungsstellen mit dem Plan befassen. Entgegen allen ablehnenden Bescheiden zeigten dann im Oktober 1829 einige Berliner Zeitungen die Gründung einer Lombard-Bank in Memel durch Schwedersky an. Der Regierung in Königsberg, aufgrund der nicht vorliegenden Genehmigung vom Innenministerium zur Rede gestellt, blieb nichts übrig, als die Zeitungsmeldung für eine Ente und Schweders39 40

Däbritz, Gründung, S. 3. Vgl. Borchardt, Währung, in: Deutsche Bundesbank (Hg.), Währung, S. 10.

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kys Geisteszustand für bedenklich zu erklären. 41 Auf ähnlich schroffe Ablehnung stießen in Preußen auch weitere, vergleichbare Projekte, die auf die Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten für den Handel abzielten (wenngleich deren Initiatoren ihre Verstandeskräfte nicht abgesprochen wurden).42 Auch Forderungen nach Gründung einer Zettelbank in Aachen (1825) und Westfalen (1826) wies die preußische Regierung zurück, obschon sich für letztere sogar der ehemalige Direktor der Königlichen Bank (zu diesem Zeitpunkt Professor für Alte Geschichte in Bonn), Barthold Georg Niebuhr, in einem Gutachten stark gemacht hatte. 43 Allerdings sah die Königliche Bank aus diesem Vorhaben einen Konkurrenten für ihr Provinzial-Kontor in Münster erwachsen, trotz der anvisierten minimalen Emissionssumme von 100.000 bis 120.000 Tlr., was sie bewog, sich gegenüber der Regierung in Berlin gegen das Projekt auszusprechen. Nach wiederholter Ablehnung konnte die Bank dann 1829 nur ohne das Recht zur Notenausgabe gegründet werden. 44 Zu einem anderen Ende kamen nur die Bemühungen des Rittergutsbesitzers Ernst Gottfried v. Bülow-Cummerow, eines Mannes, wie Posehinger urteilt, "von grosser persönlicher Eitelkeit und Selbstüberschätzung, ein wirthschaftlicher Reformer, grosser Streber, Gelegenheitsschriftsteller und Finanzkünstler par excellence. . . . der Gedanke, Preussen mit einer grossen Bank zu beglücken, [war] sein Steckenpferd."45 Der erste Bankplan Bülow41 Der Vorgang findet sich in: GStAPK I HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, Nr. 2 Vol. 1 (Ersuchen um Genehmigung der Bank, Memel, 30.9.1827; Memoranden Motz, 20.2.1828, und Friese, 20.12.1827; Schreiben Beuth (Innenministerium) an die Königsherger Regierung, 24.10.1829; Antwortschreiben der Regierung Königsberg, 1.2.1830). 42 Vgl. etwa die Pläne Hamburger Kaufmanns Schädtler (die auch gedruckt vorliegen: H.D. Schädtler, An das mercantilistische Publicum Deutschlands. Die Errichtung einer Waaren-Deposito-Bank betreffend. Mit Bemerkungen über Finanzen, Staats-Anleihen, Zölle usw., Leipzig/Hamburg/Itzehoe 1834; ders., Ueber die Wichtigkeit einer vermehrten und erleichterten Geld-Circulation mit besonderer Beziehung auf einen allgemeinen Zollverband Deutschlands, Hamburg/Itzehoe 1835) von 1836 oder das Vorhaben des Berliner Kaufmanns Schultz zur Gründung einer Zollvereins-Bank von 1844; dieses und die Kommentare der preußischen Ministerien in: GStAPK I HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, Nr. 2 Vol. 1. 43 Zwei Gutachten Niebuhrs zur Errichtung einer Provinzialbank bzw. von Provinzialhilfskassen für Westfalen, 4.4.1827 bzw. 6.4.1828, in: Adolf Trende (Hg.), Forschungen zur internationalen Finanz- und Bankgeschichte. Barthold Georg Niebuhr als Finanz- und Bankmann, Berlin o.J. (1929), S. 268 ff. 44 Vgl. Wischennann, Preußischer, S. 370 ff. Zu Hansemanns Plan der Gründung einer "Niederrheinischen Bank" in Aachen vgl. Clemens Plassmann, David Hansemann und die Entwicklung des deutschen Bankwesens, in: Bernhard Poil (Hg.), David Hansemann 1790-1864-1964. Zur Erinnerung an einen Politiker und Unternehmer, Aachen 1964, S. 79 ff., S. 80. 45 Poschinger, Bankwesen 1, S. 241.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

Cummerows datiert aus 1823, als er (wobei er als Bevollmächtigter von 42 pommerseben Gutsbesitzern auftrat) die Bildung einer Zettelbank in Stettin anregen wollte und dafür einen staatlichen Zuschuß von 200.000 Tlr. einforderte. In dem Gesuch entwickelte Bülow-Cummerow einen Plan, wie die seines Erachtens schwierige Lage der Landwirtschaft durch die Errichtung einer preußischen Reichsbank und von Provinzialbanken zu verbessern sei: Zusätzlich zu den bereits umlaufenden Tresorscheinen sollten 50 Mio. Tlr. Papiergeld ausgegeben werden, eine Hälfte von den Provinzialbanken (die durch den Grundbesitz der jeweiligen Provinz verwaltet werden sollten), die andere durch die von der Regierung verwaltete Reichsbank. Der Gewinn der Provinzialbanken sollte vorzüglich dafür bestimmt sein, allmählich die zur Ablösung der Grundsteuer ausgegebenen Rentenbriefe einzulösen. Wenn die Barfonds dieser Banken nicht zur Realisation der Scheine ausreichten, sollte die Reichsbank einspringen. Der zuständige Handelsminister Bülow lehnte den Plan jedoch aufgrund seiner Inkonsistenz ab; so sei das Verhältnis der Reichsbank zu den Provinzialbanken ungeklärt, zudem habe man keine Sicherheit für die Noten der Provinzialbanken vorgesehen usw. Interessant sind die weiteren Ausführungen Bülows, warum ihm der Plan mißfalle: "Und wozu nun das ganze Wesen?- Hauptsächlich nur, um eine einzelne Klasse von Unterthanen zu begünstigen, und sie von ihren Schulden zu befreyen, ohne daß sie selbst dazu etwas beitragen." Zwar sei die Lage des Grundbesitzes in der Tat übel, aber das treffe nur auf einen Teil desselben zu, und außerdem gebe es ja auch noch andere Klassen von Untertanen, deren Situation ebenfalls schwierig sei: "Wie würde es sich mit den Grundsätzen der Gerechtigkeit vereinigen lassen, einer einzelnen Klasse von Unterthanen zu helfen, und die übrigen dabey zu übersehen?" Doch damit sei es noch nicht getan: Die ganze Operation solle sogar auf Kosten der anderen Klassen vollzogen werden, weil laut Bülow-Cummerows Vorhaben der gesamte Staatsschatz der Reichsbank als Sicherheit zu überweisen war. Dem Plan liege die Vorstellung zugrunde, daß der schlechte Zustand des Grundbesitzes vornehmlich eine Folge der mangelnden Umlaufsmittel sei; dem solle durch eine Verdoppelung der Geldmenge abgeholfen werden. Zwar könne eine Vergrößerung der Menge an Zirkulationsmitteln durchaus einen wohltätigen Einfluß auf "National-Industrie und National-Einkommen" haben, doch stoße diese positive Wirkung auf natürliche Grenzen, die im Kultur- und gewerblichen Zustand des Landes begründet lägen. Eine übermäßige Vergrößerung könnten Handel und Gewerbe gar nicht aufnehmen, wodurch nur die Preise steigen und bares Geld ins Ausland abfließen würden. Soviel Mühe Bülow-Cummerow sich auch gebe, die Vorteilhaftigkeil des Papiergeldes gegenüber dem Metallgeld zu beweisen (schnellerer Umlauf vor allem; aber auch bessere Transportfähigkeit), werde es ihm doch kaum gelingen, jemandem die Überzeugung zu nehmen, daß es besser sei, klingende Taler zu besitzen als nur die Anwei-

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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sung auf deren Auszahlung. Und die höhere Umlaufgeschwindigkeit, so der Handelsminister, sei eine Folge des Wunsches, sich des Papiergeldes möglichst schnell wieder zu entledigen, also des Mißtrauens in dieses Zahlungsmittel.46 Allerdings nahm Bülow mit seiner eher kritischen Einstellung gegenüber den Plänen zur Selbstbereicherung der Agrarier keine repräsentative Position innerhalb der preußischen Regierung ein. Diese hatte sich nämlich im Grunde seit den Tagen Friedrichs II. die Förderung des landwirtschaftlichen Kredits (insbesondere für den adligen Großgrundbesitz) zu einer wesentlichen Aufgabe gemacht. Während die Regierung die Zulassung von Notenund Aktienbanken trotz der allenthalben zu hörenden Klagen über einen zu geringen Zahlungsmittelumlauf hartnäckig verweigerte, konnten beispielsweise die Landschaften (d.h. die Kreditgenossenschaften der Rittergüter) ihre Pfandbriefe - die, obwohl zinstragend, fast wie Papiergeld zirkulierten - enorm vermehren. Die Landschaften mobilisierten dadurch bedeutendes Kapital für die Großgrundbesitzer. 47 In Anbetracht dieser Entwicklung scheint die Aussage R.H. Tillys, daß die Währungs- und Bankenpolitik der preußischen Regierung bis in die

Tabelle 7 Entwicklung des Pfandbriefumlaufs der fünf preußischen Landschaften (in Tlr.), 1805-5548

Landschaft Schlesische Landschaft

1805

1835

1855

24.162.238

40.526.365

42.158.060

Ritterschaftliches Kreditinstitut der Kur- und Neumärkischen Landschaft

3.689.050

11.461.300

13.021.550

Pommersehe Landschaft

6.830.200

14.841.075

15.730.450

Westpreußische Landschaft

9.897.600

10.216.883

13.047.658

Ostpreußische Landschaft

9.231.950

11.249.475

12.500.950

46 Ersuchen Bülow-Cumrnerows, 23.2.1823; Votum Bülows, 6.12.1823, in: GStAPK I. HA Rep. 95 Hauptbank-Präsidium, Nr. 70. 47 Vgl. Tilly, Finanzielle, in: Fischer (Hg.), Wirtschafts- und sozialgeschichtliche, S. 484; Tilly, Financial, S. 14. Zu den Landschaften vgl. auch Fred Hagedorn, Die Landschaften. Eine rechtsgeschichtliche Darstellung der preußischen Agrarkreditinstitute, Diss. jur. Freiburg 1978, S. 62. 48 Tabelle nach: Hans Pohl, Das deutsche Bankwesen (1806-1848), in: Deutsche Bankengeschichte Band 2, S. 13 ff., S. 63.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Instrument des konservativen Interesses, d. h. der Junkerklasse, geblieben ist (er formuliert sogar noch schärfer und sieht den ganzen preußischen Staat derartig interessengeleitet)49 , plausibel zu sein. Daß sie in ihrer Einseitigkeit dann allerdings doch nicht zu halten ist, darauf deutet zunächst bereits die oben zitierte Stellungnahme des Handelsministers Bülow hin. Tilly (und andere) lassen aber vor allem außer acht, daß die preußische Bürokratie ein ganz eigenes Interesse in diesem Bereich entwickelte, das weder mit dem des kapitalistischen Wirtschaftsbürgertums noch mit dem der Junker konvergierte. Diese Frage muß an anderer Stelle jedoch noch einmal aufgegriffen werden. Nichtsdestoweniger zeigte sich die überaus agrarfreundliche Haltung der Regierung, als Bülow-Cummerow mit seinem nächsten Bankprojekt in Schatzminister Lotturn mehr Entgegenkommen fand. Als Bevollmächtigter von diesmal 167 Rittergutsbesitzern propagierte er nunmehr die Errichtung einer Zettelbank auf Aktienbasis mit einem Notenausgaberecht von einer Mio. Tlr. Neben Lotturn und Finanzminister Klewiz zeigte sich jetzt selbst Bülow dem - allerdings auch sehr viel kleiner dimensionierten - Plan gegenüber aufgeschlossen: Zwar wurden der Bank eine Reihe von Bedingungen auferlegt (Ernennung eines Regierungskommissars zur Beaufsichtigung der Geschäfte, Einschränkung des Geschäftskreises, nur bedingte Annahme der Noten bei den Staatskassen usw.), der Wille zur Hebung der landwirtschaftlichen Kreditbasis ging aber so weit, daß ihr im Gegenzug sogar ein staatlicher Zuschuß von 200.000 Tlr. auf fünf Jahre gewährt wurde. Trotz des staatlichen Wohlwollens indessen konnte die daraufhin 1825 gegründete Ritterschaftliehe Privatbank in Stettin nie recht reüssieren; es gelang ihr nicht einmal, ihre Banknoten vollständig im Verkehr unterzubringen (anscheinend, weil das Büro der Königlichen Bank vor Ort die Noten zwar annahm, aber nicht wieder ausgab, sondern sofort zur Einlösung präsentierte50). Die Bank geriet in der Folge weiter regelmäßig in Schwierigkeiten, ungeachtet der auch künftig gewährten, großzügigen staatlichen Hilfen, die etwa 1832 einen Bankrott abwenden halfen. 51 Ein weiteres realisiertes Bankprojekt geringen Umfanges in Preußen war der Cassen-Verein in Berlin, 1824 als eine Art Clearing-Haus unter Beteili49 Vgl. Richard H. Tilly, Germany 1815-1870, in: Rondo Cameron (Hg.), Banking in the Early Stages of lndustrialization. A study in comperative economic history, New York 1967, S. 151 ff., S. 156; Tilly, Finanzielle, in: Fischer (Hg.), Wirtschafts- und sozialgeschichtliche, S. 484. Ebenso Helmut Kubitschek, Die Börsenverordnung vom 24. Mai 1844 und die Situation im Finanz- und Kreditwesen Preußens in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts (1840 bis 1847), in: JbWG 4, 1962, s. 56 ff., s. 56. 50 Vgl. Poschinger, Bankwesen 1, S. 246. 51 Zur weiteren Geschichte dieser Bank siehe: Pick, Papiergeld, S. 150; Poschinger, Bankwesen 1, S. 245- 249.

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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gung zahlreicher Berliner Banken gegründet und 1826 mit dem Recht zur Ausgabe von stets fälligen Inhaberpapieren, "die als Banknoten zu betrachten sind"52, ausgestattet. Nach dem Verbot von Banknoten in Preußen von 1833 tarnte der Cassen-Verein die Scheine als auf die Bank bezogene und mit ihrem Akzept versehene Wechsel mit einem festen Betrag (über 100 und 200 Tlr.); diese "maskierten" Banknoten zirkulierten bis 1848.53 b) Die Errichtung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank (1834)

Die eben geschilderte ambivalente Haltung der preußischen Regierung, schwankend zwischen dem Wunsch, die Finanzierungsmöglichkeiten der Landwirtschaft zu verbessern und der "übertriebenen, den Handel und W andel lähmenden Vorsicht gegenüber dem Papiergeld"54, fand sich auch in Bayern (wobei sich in Preußen noch die Sorge um die Kurspflege der umlaufenden Tresorscheine bzw. Kassenanweisungen hinzugesellte), wo es mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank 1834 zur bedeutendsten Neugründung einer Bank im Vormärz kam (dieses Institut lebt im übrigen noch heute, jetzt unter dem Namen HypoVereinsbank, als eines der größten deutschen Bankhäuser weiter). Mehr noch als die Landwirtschaftsförderung war es in Bayern allerdings die "Kreditnot" des Staates5 5 , die gegen alle Opposition schließlich auch den lange Zeit widerstrebenden Landtag von der Notwendigkeit eines neuen Finanzierungsinstrumentes überzeugte. Die einseitig agrarische Ausrichtung Bayerns56 machte das Land in hohem Maße anfällig gegenüber den zahlreichen Krisen der europäischen Agrarpreise. Dazu kam eine von der Landwirtschaft und dem Handel allgemein beklagte unzureichende Versorgung mit Geld und Krediten aufgrund des kaum entwickelten Bankensektors. Diese Situation brachte zahlreiche Bankprojekte hervor, die sich angesichts des agrarischen Charakters Bayerns auf die Einbeziehung des langfristigen Hypothekengeschäftes konzentrierten. 1814 etwa wurde der Plan zur Errichtung einer "Baierischen Nationalbank" auf Aktienbasis mit Notenausgaberecht ventiliert (die Noten sollten allerdings verzinst werden, was ihnen eher den Charakter von Schuldscheinen und weniger den von Banknoten verliehen hätte); der Staat sollte sich am Aktienkapital beteiligen. Letzteres war der Grund, den die Staatsregierung für ihre Ablehnung des Planes vorbrachte: Der Staat dürfe nicht ihm anvertraute Gelder einer Privatbank zur Verfügung stellen. 52

wtz, Geschichte, S. 15.

Vgl. Pick, Papiergeld, S. 150-152. Pick, Papiergeld, S. 154. 55 Max Spindler, Die Regierungszeit Ludwig I. (1825-1848), in: Ders. (Hg.), Handbuch, S. 87 ff., S. 187. 56 Vgl. Mauersberg, Bayerische, S. 8. 53 54

!6 Otto

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Ebenso stieß ein Bankprojekt von 1819 (es gab deren mehrere), dessen Planer Ministerialrat war und sich auf die Unterstützung des Finanzministers Lerchenfeld berief, auf die Ablehnung der Regierung. Allerdings bewog die sich verschlechternde Lage der staatlichen Finanzen den Finanzminister wenige Jahre später (1822), der Ständeversammlung selbst den Plan der Regierung zur Gründung einer Aktienbank mit 5 Mio. fl. Kapital vorzulegen; die Bank sollte vor allem Geld auf Hypotheken verleihen und Banknoten ausgeben. Als Gegenleistung für die Konzession sollte das Institut der Staatsschuldentilgungskasse ein zu vier Prozent verzinsliches Darlehen in Höhe der ausgegebenen Noten gewähren müssen. Diese Bindung an den Staat wurde jedoch von den Abgeordneten abgelehnt, so daß der Finanzminister seinen Vorschlag zurückziehen mußte. Besonders die Ausgabe von Banknoten traf auf den Widerstand der Kammer. 57 1834 nahm sich König Ludwig I. nunmehr selbst der Bankfrage an und beauftragte den Innenminister v. Oettingen-Wallerstein, die Sache vorrangig und rasch voranzutreiben. Wallerstein griff auf den Plan Lerchenfelds zurück und schlug also die Gründung einer Hypotheken- und Leihbank auf privatgenossenschaftlicher Basis vor, die mit besonderen Privilegien ausgestattet werden sollte. Es war - abweichend vom früheren Plan - vorgesehen, die Notenemission der Bank, deren Hauptsitz München und die in allen größeren Städten Bayerns mit Filialen vertreten sein sollte, an ein absolutes Maximum zu binden. Der entsprechende Gesetzentwurf wurde im März 1834 in der Abgeordnetenkammer lebhaft diskutiert: "Erregte Diskussionen gab es vor allem über das der Bank zugestandene Notenprivileg. Man befürchtete, daß diese Noten das Bargeld verdrängen würden und daß keine Garantie dafür bestehe, daß die Maximalsumme von 8 Millionen Gulden eingehalten würde." Der Gesetzentwurf wurde dennoch am 4. Juni 1834 angenommen, das "Gesetz die Errichtung einer bayerischen Hypotheken- und Wechselbank betr." am 1. Juli 1834 verabschiedet. "Mit der Verabschiedung des Bankgesetzes war nach jahrelangen Bemühungen um die Förderung des bayerischen Kreditwesens ein erster Schritt zur Erleichterung der allgemeinen Kreditverhältnisse getan. Die übertriebene, den Handel und Verkehr lähmende Abneigung gegen das Papiergeld resultierte aus dem Mißtrauen gegen die staatliche Finanzgebarung und kommt nicht zuletzt in den zahlreichen gescheiterten Bankprojekten zum Ausdruck. Das Bankgesetz von 1834 spiegelt in seinen engen Bestimmungen deutlich die übervorsichtige Haltung der bayerischen Abgeordneten gegenüber diesen Problemen wider, ist aber andererseits Ausdruck einer bemerkenswert liberalen Bankpolitik der Staatsregierung." 58 57 Vgl. Gutschmidt, Aufbau, S. 60. Vgl. auch Spindler, Die Regierungszeit, in: Ders. (Hg.), Handbuch, S. 187. 58 Gutschmidt, Aufbau, S. 74 u. 75.

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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In den Statuten der Bank59 wurde das Grundkapital auf 10 Mio. fl. festgesetzt, mit der Möglichkeit zur Erweiterung auf 20 Mio. Der Bank wurde die Verpflichtung auferlegt, die einzuräumenden Hypotheken auf insgesamt 12 Mio. fl. auszudehnen; der Höchstzins für diese Hypotheken betrug 4% (§ 5). Dafür erhielt sie im Gegenzug das exklusive Privileg, Banknoten zu emittieren, und zwar bis zur Höhe von vier Zehnteln des Grundkapitals bzw. 8 Mio. fl. Die Noten (deren Nennwert mindestens 10 fl. zu betragen hatte und für die eine Annahmeverpflichtung der öffentlichen Kassen bestand) waren zu drei Vierteln mit dem doppelten "der von ihr auf Grund und Boden anliegenden Hypothek", zu einem Viertel in bar zu decken. "Die Bank-Administration hat überdieß dafür zu sorgen, daß außer diesem Geldvorrathe auch die übrigen drei Viertheile des Betrages der ausgegebenen Banknoten durch leicht umzuwandelnde in der Bank-Kassa sich befindende Valuten gesichert sind." (§ 13). Damit sollte die jederzeitige Einlösung der Zettel gegen bares Geld gesichert werden. Die Staatsregierung behielt sich die Oberaufsicht über die Geschäfte der Bank vor, die sie durch einen königlichen Kommissar ausübte (§ 21). Eher kurios muten die Bestimmungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Bankausschusses der 40 Meistbeteiligten an, aus denen vor allem die Furcht vor fremder Dominanz des Institutes sprach: Ausgeschlossen von der Mitgliedschaft waren Frauen, Ausländer, Korporationen und Staatskassen (§ 29). Die Bankaktien wurden offensichtlich als eine lohnende Anlage angesehen, sogar der König beteiligte sich mit einer erklecklichen Summe aus seinem Privatvermögen. 60 Die Verbreitung der Noten der Hypotheken- und Wechselbank ging indessen nur schleppend voran; Ende März 1836 hätte die Bank aufgrund der vorhandenen Deckungsmittel beispielsweise für 1,8 Mio. fl. Banknoten ausgeben dürfen, tatsächlich liefen aber nur 300.000 fl. um. Dafür waren einerseits die staatlichen Kassen verantwortlich, die die Noten gar nicht (wie die Staatsschuldentilgungskasse und die Post) oder nur zögerlich annahmen. Außerdem weigerte sich die Post, Noten billiger als Münzen zu transportieren, was ihnen einen Gutteil ihrer Attraktivität nahm, die vor allem in der Erleichterung des kaufmännischen Zahlungsverkehrs im Vergleich mit den schwer wiegenden und aufwendig zu transportierenden (und zu versendenden) Silbermünzen lag. Dazu kam, daß die Noten bei der Bevölkerung, insbesondere auf dem Lande, entweder nicht bekannt oder nicht beliebt gewesen zu sein scheinen und daher nur schwer in Umlauf zu bringen waren, zumal ihre Stückelung zu groß war und es an Einlösungsstellen fehlte, die als Vertrauensbasis dienen konnten. Erst 1837 59 Statuten der bayerischen Hypotheken- und Wechselbank Amtlicher Abdruck, München 1835. 60 Ludwigs Einlage betrug 400.000 fl. Vgl. Jungmann-Stadler, Die Anfänge, S. 9.

16*

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

wurden die staatlichen Ämter und Kassen angewiesen, die Banknoten al pari zu akzeptieren. Alle Versuche, den Mindestnennwert der Banknoten zu senken, scheiterten am Widerstand des Finanzministeriums und der beiden Kammern der Ständeversammlung, ebenso wie das Ansinnen, das Notenkontingent von 8 Mio. fl. zu erhöhen. "Für die Bayerische Hypothekenund Wechsel-Bank bedeutete die Begrenzung ihres Notenumlaufs eine erhebliche Verminderung ihrer Rentabilität und ihrer Aktionsfähigkeit Die latente Nachfrage nach Banknoten hätte eine Erhöhung des Notenumlaufs um das Dreifache zugelassen, was schon dadurch bestätigt wird, daß um die Mitte des Jahrhunderts große Mengen fremder Banknoten in Bayern zirkulierten. Innerhalb eines Jahrzehnts hatte sich bei der Bevölkerung ein tiefgehender Wandel von einer zunächst ablehnenden Haltung gegenüber dem stoffwertlosen Geld zu einer überwiegenden Zustimmung mit entsprechender Nachfrage vollzogen."61

c) Rothers Projekt zur Gründung einer Landesbank (1824125) und die Einziehung der Banknoten in Preußen (1836) Die Königliche Giro- und Lehn-Bank in Berlin war die älteste der deutschen Notenbanken. "Projektenmacher, wie sie als talentlosere Nachahmer des bekannten Schotten John Law an vielen Fürstenhöfen auftauchten, hatten auch zum preußischen Könige [Friedrich II.] ihren Weg gefunden, der besonders nach dem siebenjährigen Kriege sehr geneigt war, durch Gründung einer Bank seinen Finanzen und ebenso dem Handel, sowie den gestörten Münzverhältnissen seines Landes aufzuhelfen."62 Nach langwierigen Vorverhandlungen wurde 1765 eine Girobank in Nachahmung der Hamburger Bank sowie damit verbunden ein Diskonto- und Lombardkontor eröffnet. Als weiterer Geschäftszweig trat 1766 die Notenausgabe hinzu. Die Bank kam, anders als Friedrich dies wünschte, mangels Beteiligung Privater nicht als Aktienbank zustande, sondern als staatliches Institut, dessen Kapital der König einschoß. 63 Neben der geringen Kapitalausstattung krankte die Bank an der Unterentwicklung des Handelsverkehrs in Preußen, wodurch die wichtigsten Dienstleitungen der Bank of England, des großen Vorbildes der Königlichen Bank, die Ausgabe von Banknoten und der Wechseldiskont, gar nicht nachgefragt wurden. Das bedeutendste Passivgeschäft war die Annahme verzinslicher Depositen, zum wichtigsten Aktivgeschäft entwickelte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Hypothekarkredit.64 Mit der Ausgabe von Banknoten, d.h. jederzeit fälligen Anweisungen Gutschmidt, Aufbau, S. 131. Lotz, Geschichte, S. 11. 63 Vgl. Otto Hübner, Die Banken, Leipzig 1854 (ND Frankfurt a. M. 1968), S. 22. 6!

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auf die Bank, auf der Passiv- und der Anlage in Hypotheken, d.h. der langfristigen Bindung, auf der Aktivseite verstieß das Institut dabei jedoch gegen die im Bankgeschäft einzuhaltende Kongruenz der Fristen im Aktivund Passivgeschäft, die heutzutage mit gutem Grund so genannte "goldene Bankregel" (wie es im übrigen auch bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank der Fall war). Sie begab sich damit in die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit in dem Moment, wo ihr größere Mengen ihrer Noten zur Einlösung präsentiert wurden und sie die Hypotheken dann nicht schnell genug würde realisieren können. So vegetierte die Königliche Bank mehr vor sich hin, als daß sie florierte, als sie vom Zusammenbruch des preußischen Staates 1806 schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Jetzt rächte sich, daß die Bank ihre Depositen vor allem in Hypotheken angelegt hatte und obendrein aufs engste mit der staatlichen Finanzverwaltung verflochten war: Die hypothekarischen Forderungen der Bank in Süd- und Neuostpreußen (fast 10 Mio. Tlr.), die nach dem Tilsiter Frieden 1807 an das Herzogtum Warschau fielen, wurden 1808 mit der Begründung konfisziert, daß die Bank eine Staatsbank sei. 65 Darüber hinaus mußte die Bank nach 1806 fortgesetzte Eingriffe in ihre ohnehin geringen Kassenbestände hinnehmen; zum Teil wurden sie geraubt, dann mußte das Institut aber auch immer wieder Vorschüsse an den finanziell ausgezehrten Staat leisten. "Das Elend der Gläubiger der Bank", so schrieb 1854 Marcus Niebuhr, der offizielle Chronist der Königlichen Bank, "der Witwen und Waisen [dies spielt an auf die sogenannten Pupillen-Gelder, Mündel-, Gerichts- und Stiftungsgelder, deren Verwaltung das hauptsächliche Geschäft der Bank ausgemacht hatte], es lastet nicht auf der Bankverwaltung, nicht auf Preußens Regierung; ihr Fluch ruht auf dem Andenken Napoleons und der Diener seiner Willkür und Raubsucht." Und er fuhr fort, den beklagenswerten Zustand des Institutes zu schildern: "Mit dem Tilsiter Frieden begann für die Monarchie zwar eine Zeit der tiefsten äußeren Erniedrigung und des äußersten materiellen Elends, aber auch der inneren Erhebung und eines alle Glieder ergreifenden neuen Lebens. Nur an der Bank schien Jedermann zu verzweifeln: man sah sie als eine des Lebens nicht mehr fähige Masse an, und die Wenigsten haben wohl damals geglaubt, daß sie es auch nur bis zu einer einigermaßen ehrenvollen Liquidation bringen werde. Daß man sie nicht ganz auflöste, hatte wohl allein darin seinen Grund gehabt, daß, wenn man die Bank bestehen ließ, die Tilgung ihrer Obligationen durch die Wiederherstellung des Depositen-Verkehrs erleichtert wurde; wenn man sie aber aufhob, die ganze Last der Obligationen auf den Staat fiel, ohne daß er ein ähnliches Hülfsmittel anwenden konnte; denn die Einziehung der Depositen zu den unmittelbaren 64

6s

Vgl. Ziegler, Der "Latecomer", S. 82. Vgl. Hans Pohl, Das deutsche, in: Deutsche Bankengeschichte Band 2, S. 43.

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Staatskassen wäre als ein unerhörter Gewaltstreich erschienen. " 66 Der Unwille, die Schulden des Instituts zu übernehmen, die 1817 auf 24,1 Mio. Tlr. angewachsen waren67 (wogegen so gut wie kein Vermögen mehr stand), dürfte wohl der entscheidende Grund dafür gewesen sein, die Königliche Bank nicht ihrem konkursreifen Zustand entsprechend68 abzuwickeln. Eine Liquidation einschließlich der Schulden wiederum verbot sich schon hinsichtlich der Pupillen-Gelder. In diesem Zustand übernahm Karl Ferdinand Friese 1817 als erster Präsident die Königliche Bank mit dem Auftrag ihrer Sanierung. Die Kabinettsordre und Verordnung vom 3. November 181769 leitete ihre Reorganisation ein: Damit war das Fortbestehen der Bank gesichert, ihre Unabhängigkeit von der Finanzverwaltung wurde feierlich proklamiert. Zudem wurde ihr der wichtige Zufluß der Mündel-, Gerichts- und Stiftungsgelder garantiert. Die technische Leitung sollte dem Kollegium der Direktoren der Hauptbank in Berlin, die politische einem über dem Bankdirektorium stehenden einzelnen Beamten, dem Chef der Bank, verbleiben. Der Chef der Bank war die oberste Instanz in allen Angelegenheiten von genereller Bedeutung und nur dem König selbst verantwortlich. Dieser Organisation wurde noch das Bankkuratorium hinzugefügt; es sollte aus drei möglichst hochstehenden und damit unabhängigen Beamten bestehen und die allgemeine Oberaufsicht ausüben. "Auf die Kontrolle der Öffentlichkeit verzichtete man dagegen", merkt Lotz an, "vermutlich weil man die damalige schlimme finanzielle Lage der Bank nicht verraten wollte, ferner weil überhaupt Öffentlichkeit des Geschäftsbetriebes einer Staatsbank den Traditionen des deutschen Beamtenturns zuwiderlief. .ao Im Sinne einer im Stillen vorzunehmenden Sanierung der Bank betrieb Friese in den folgenden Jahren auch eine äußerst vorsichtige Geschäftsführung: Die Bank nahm keine Staatsanleihen mehr auf, sie emittierte Banknoten (die sogenannten Bankkassenscheine) nur in sehr geringem Umfang und verzichtete auf die Vergabe langfristiger Kredite an Warenhändler, 66 (Marcus Niebuhr), Geschichte der Königlichen Bank in Berlin. Von der Gründung derselben (1765) bis zum Ende des Jahres 1845, o. 0. (Berlin) o. J. (1854) (ND Glashütten im Taunus 1971), S. 84 u. 90. 67 Vgl. W.O. Henderson, Christian von Rother als Beamter, Finanzmann und Unternehmer im Dienste des preußischen Staates 1810-1848, in: ZfgS 112, 1956, s. 523 ff., s. 544. 68 "Jeder ehrliche Buchprüfer" hätte die Bank damals "für hoffnungslos konkursreif erklären müssen", heißt es in: Von der Königlichen Bank zur Deutschen Reichsbank. 175 Jahre deutscher Notenbankgeschichte 20. Juli 1765-20. Juli 1940, bearbeitet in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Reichsbank, o. 0. (Berlin) 1940, S. 15. 69 Verordnung, die Verhältnisse der Bank betr., 3.11.1817, in: GS 1817, No. 444, s. 295. 70 Lotz, Geschichte, S. 14.

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Industrielle oder Grundeigentümer. Friese beschränkte das Geschäft der Bank auf die Hereinnahme von Depositen, Wechseldiskontierung und den Ankauf fremder Geldsorten für ihre Kunden. 71 Das Schattendasein der Königlichen Bank verleitete 1824 Christian Rother, den Chef der Staatsschuldenverwaltung und des Schwesterinstituts der Hauptbank, der Seehandlung, dazu, einen Plan zur Gründung einer preußischen Landesbank vorzulegen. Ganz aus merkantilistischem Gedankengut gespeist72, sollte dem Plan zufolge die Bank für den gesamten Verkehr von "außerordentlichem Nutzen" und folglich auch wohltätig für alle Klassen von Einwohnern sein. Eine solche Bank, die strengsten Auflagen und der Kontrolle und Revision des Staates unterliegen müsse, hätte laut Rother auch dem Fiskus zum Vorteil gereicht, indem sie sämtliche, zu 5 % verzinsten Staatspapiere in 4%ige konvertieren sollte und darüber hinaus den preußischen Staat von der Garantie für die Schulden der Königlichen Bank entbinden konnte, dadurch daß sie ihr Defizit übernahm. 73 In einem langen, vierteiligen Schriftsatz entwarf Rother nach ausführlichen Erörterungen mit Berliner Bankiers die Ordnung des projektierten Institutes, das mit einem Stammkapital von 100.000 Aktien zu je 525 Tlr., wovon zunächst 10.000 Aktien auszugeben waren, und einem Notenausgaberecht in der Höhe des Stammkapitals in wahrhaft großartigen Dimensionen angelegt war.74 Über dieses Vorhaben entspann sich in der Folge ein erbitterter Disput zwischen seinem Initiator und dem ehemaligen Direktor der Königlichen Bank B. G. Niebuhr, der inzwischen die Rolle eines wirtschaftspolitischen Beraters des Kronprinzen einnahm. Niebuhr sprach sich im Gegensatz zu Rother für ein System kleiner Privatbanken "von sehr limitiertem Kapital" aus, das recht erwünschte Folgen Vgl. Henderson, Christian, S. 544. Zu Rothers finanz- und wirtschaftspolitischen, kameralistisch-merkantilistisch geprägten Anschauungen vgl. Radtke, Die preußische, S. 2. Henderson charakterisiert Rothers Wirtschaftspolitik so: "In some respects Rother was a conservative who tried to control the development of the Prussian economy after Waterloo on principles that had been fashionable in the days of Frederick the Great." W.O. Henderson, The State and the Industrial Revolution in Prussia 1740-1870, Liverpool 1958, S. 146. 73 Bericht Rothers: Die Errichtung einer Landes-Bank betreffend, 1.12.1824, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28194. 74 Ebd.: Entwurf zu einer Ordnung für die allgemeine Landes-Bank des Preußischen Staates zu Berlin. Unterzeichnet Rother, Anlage zum Bericht vom 1.12.1824. Gefaßt in vier Teilen: A Entwurf des Statuts (157 Folioseiten); B Verhandlungen wegen Errichtung einer Preußischen Landesbank; geführt von dem Präsidenten Rother mit den Chefs einiger bedeutender Handlungs-Häuser im October und November 1824 (174 Seiten); C Entwurf zum Statut für die Preußische Landesbank (38 Seiten); D Bemerkungen zum Entwurf der Ordnung für die allgemeine Landesbank des Preußischen Staats in Berlin seitens des Oberpräsidenten v. Schön, 26.10.1824. 71

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haben könne, "obwohl in weit beschränkterem Maße als ehedem, da es in der Tat nur ausnahmsweise der Mangel an Kapital ist, welcher solide Unternehmungen hindert, sondern vielmehr der Mangel an Debit (d. h. Geschäftsmöglichkeiten]." Ein solches System von Banken sei aber nur dann empfehlenswert, wenn gewährleistet sei, "daß dadurch der allgemein gewordene Hang zum Effektenhandel und zur Agiotage nicht noch gefördert wird (... ]"; mit dieser Warnung vor den Gefahren der Spekulation nahm Niebuhr die Abwehrhaltung der preußischen Regierung gegenüber dem ein Jahrzehnt später einsetzenden "Eisenbahnfieber" vorweg. Eine Bank mit sehr großem Kapital, wie die von Rother geplante, sei gezwungen, solche Geschäfte zu machen, um ihr Papiergeld zu emittieren, die dem Effektenhandel "immer mehr Feuer geben und diese zu einem solchen Umfang auszudehnen, daß sie gerade eben den reellen Geschäften und dem Grundeigentum noch mehr Vermögen entzöge". Aus derartigen Äußerungen Niebuhrs läßt sich eine Grundkonstante konservativer preußischer Wirtschaftspolitik nach 1815 ersehen, die Mißbilligung von "Spekulationen", womit jede Art von Börsengeschäft jenseits des Handels mit Staatspapieren gemeint war. Vermutlich lag das zum einen in der Befürchtung begründet, die staatliche Kontrolle über das Marktgeschehen insgesamt zu verlieren, dann aber auch in der Sorge um die künftigen Aussichten für die Unterbringung staatlicher Anleihen auf dem Kapitalmarkt angesichts der privaten Konkurrenz. Zudem müsse, fuhr Niebuhr fort, dafür gesorgt werden, daß eine Notenausgabe nur in solchem Umfang geschehe, daß der Umlauf des Metallgeldes nicht gefährdet werde. Wenn die Bank eine derartige Größenordnung gewinne und die Regierung sich in so hohem Maße mit ihr verstricke, daß ihre Noten im gesamten Geldumlauf vorherrschend würden, hätte dies die unausweichliche Folge, daß es "die Kraft und den politischen Bestand eines jeden europäischen Kontinentalstaates gefährdete, ... Preußen aber, in der Art, wie ich es nach meinem Gewissen Seiner Majestät dem Könige dargestellt, politisch annullieren würde. (... ] Alle Erfahrungen warnen: alle Banken des Kontinents, welche einen solchen Umfang erlangt haben . . ., daß ihre Noten in der Cirkulation vorherrschend geworden sind (... ], haben die Realisation ihrer Zettel einstellen müssen, und diese sind alsdann entweder demoralisiert und untergegangen mit schrecklichem Verlust für Staat und Unterthanen, oder sie sind als Papiergeld geblieben." Rother hingegen sah die von Niebuhr als unumgänglich eingeschätzten Gefahren seines Projektes nicht: Er wolle die Landesbank ja ebenfalls auf privatem Kapital ruhen sehen. "Die Bank kann, wohl verstanden -als Privatinstitut nicht mehr Noten ins Publikum bringen als wofür sie hinlängliche Deckung besitzt. Der Königliche Kommissanus wird darauf wachen, daß sie diese nicht vergeude. Nur Staatsbanken können in dieser Hinsicht extravagieren, da dort Bedürfnis und Vertretung sich in einer Hand konzentrieren." Auch könne er ein Risiko für den preußischen Staat nicht erkennen: "Bankzetteln werden

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nicht schlimmer sein wie Papiergeld, wie Tresorscheine oder Kassenanweisungen, wie die jetzt schon zirkulierenden Bankscheine, Seehandlungsscbeine und Anweisungen des hiesigen kaufmännischen Kassenvereins."75 In einem Schreiben an Handelsminister Bülow führte Niebuhr die Gründe weiter aus, die seiner Ansicht gegen das Rothersehe Projekt (das "Lawsche Dimensionen" habe) sprachen. Er gehöre keineswegs zu denen, so Niebuhr, die behaupteten, die Ernission einer Summe in Banknoten verdränge, "gleichsam hydrostatisch, eine gleiche Summe in barem Gelde über die Grenze." Dennoch gebe es Fälle, wo die Existenz einer Notenbank die Ausfuhr baren Geldes veranlasse: "Es ließen sich leicht viele Umstände aufzählen, die, sobald Banknoten einen bedeutenden Teil des Geldumlaufes ausmachen, dahin wirken, das bare Geld aus dem Lande zu drängen [... ]. Diese Umstände sind einzeln unerheblich, ihr Zusammentreffen ist es nicht [... ], und doch untergraben sie das ganze Geldsystem, indem die Quantität des Metallgeldes, wenn es gesucht wird, außerhalb der Bank schon zusammengeschmolzen ist." Neben dem Verdrängungseffekt gegenüber dem Metallgeld spreche auch die vorgesehene unzureichende Verpflichtung der Bank, ihre Noten einzulösen, gegen den Plan: "Es müßte ... ausdrücklich erklärt werden: daß durch Nichtrealisation die Oktroi verwirkt werde, und der Inhaber auch nur einer einzigen Note, deren Versilberung verweigert worden, befugt sei, zu verlangen, daß die Geschäfte der Bank sistiert und zur Liquidation geschritten werde. "76 Dieser Vorschlag war allerdings dazu angelegt, jede Gründung einer Zettelbank auf Aktien zu unterbinden, denn es ist kaum vorstellbar, daß sich ein privater Anleger bereit gefunden haben würde, sein Geld in ein Institut zu investieren, über dem das Damoklesschwert der jederzeitigen Auflösung beim geringsten Fehlverhalten schwebte. Auch an den König wandte sich Niebuhr noch einmal und rief ihn "auf das flehentlichste" an, "die ganze Idee einer Aktienbank, die etwas anders als eine in Hinsicht auf ihren Fonds ganz beschränkte, in ihrer Einrichtung und ihren Zwecken völlig einfache Privatbank ohne Monopol wäre - auf immer zu verwerfen. " 77 (Die Verwendung des Wortes "immer" durch Niebuhr in diesem Zusammenhang läßt sich im übrigen mit ein wenig Vor75 Memorandum Niebuhrs vom Januar 1825 und Gegenbemerkungen Rothers, 24.1.1825. Im Original stehen beide nebeneinander, wobei Niebuhrs Gutachten jeweils auf der rechten Hälfte, das Rothers auf der linken der Seiten geschrieben ist. In: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28195. Auch abgedruckt in: Trende (Hg.), Forschungen, S. 205 ff. 76 Memoire über das Statut der Landesbank für den Minister v. Bülow, Niebuhr, 3.4.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28195. Auch abgedruckt in: Trende (Hg.), Forschungen, S. 253 ff. 77 Memoire über das Statut der Landesbank für den König, 13.4.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28194. Auch abgedruckt in: Trende (Hg.), Forschungen, S. 237 ff.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

stellungsvermögen als Ausweis seiner statischen Wirtschaftssicht deuten; diese Anschauung wiederum ist charakteristisch für den konservativen Teil der preußischen Regierung und ihrer Administratoren. Demgegenüber vertrat Rother, politisch ebenfalls ein Konservativer, eine viel dynamischere Sicht der Dinge; er wollte die wirtschaftliche Entwicklung zwar unter Kontrolle des Staates, nichtsdestoweniger jedoch gefördert sehen. Damit stand er in der Tradition der Merkantilisten/Kameralisten.) Mittlerweile hatten sich auch andere Beamte in die Diskussion eingeschaltet. Der liberale Oberpräsident v. Schön optierte mit Niebuhr - allerdings aus anderer Perspektive - gegen Rothers Konzept, vor allem, weil er die enge Verbindung des Staates mit der geplanten Bank für gefährlich hielt; eine vollkommen staatsunabhängige Institution indessen könne sogar nützlich sein. Friese hingegen warnte vor einer Gefährdung der Königlichen Bank, um deren Existenz er fürchtete, falls das Projekt einer Landesbank zur Ausführung kommen sollte. Im Zuge der bisherigen Erörterungen hatte nämlich vor allem Bülow bezweifelt (hinsichtlich der prekären Lage des Instituts), ob die Königliche Bank in der Lage sein werde, ihre Verpflichtungen vollständig zu erfüllen und ihr Geschäft in einem solchen Umfang zu führen, daß es dem gewerblichen Verkehr des Landes entsprechen würde. Friese forderte deshalb vor allem eine angemessene Ausstattung der bestehenden Bank mit Stammkapital, was Sache des Staates sei, der dies bisher versäumt habe. 78 Die Mehrheit einer zur Klärung der Frage eingesetzten hochkarätigen Immediatkommission aus acht Mitgliedern des Staatsrates (die Minister Bülow, Schuckrnann, Wittgenstein, die Oberpräsidenten v. Schön und Motz sowie aus dem Finanzministerium Staegemann und dazu Friese und Hoffmann) hingegen, hielt die Gründung einer Landesbank "sowohl für das Gewerbe und Verkehr von Eurer Königlichen Majestät Unterthanen, als auch für die Finanzen des Staats" für überwiegend nützlich.79 Schatzminister Lotturn faßte die Ergebnisse der Kommissionsberatungen für den König zusammen: Die Kommission habe gegen das Vorhaben Ro78 Separat-Votum Frieses und v. Schöns, 6. und 7.3.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28195; Memoranden Frieses: Erwiderungen auf die Bemerkungen Seiner Exzellenz des Herrn Geheimen Staats-Ministers Grafen von Bülow, vom lOten v. M., über meinen Aufsatz wegen der beabsichtigten preußischen Landes-Bank, 8.6.1825, und: Ueber die Wiederherstellung der izt bestehenden Bank, die Mittel dazu, und die künftige Einrichtung, 24.8.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26889. 79 Nur Schön und Friese stimmten dagegen; Bericht der Immediatkommission über die Errichtung einer Landesbank in Preußen, 12.6.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28194. Vgl. die Protokolle der Immediatkommission zur Beratung des Plans zur Errichtung einer Landesbank in Preußen, Sitzungen vom 3.2., 10.2., 21.2., 26.2., 2.3., 5.3., 10.3., 24.3., 16.4., 23.4. und 25.4.1825, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 28195.

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thers einige Einwände gehabt und deshalb einen abgeänderten Plan ausgearbeitet. Danach sollte die Landesbank von der Königlichen Bank ganz unabhängig sein; ihr sollte die Verpflichtung gemacht werden, 32 Mio. Tlr. staatlicher preußischer Papiere als Grundkapital vom Staat zu übernehmen und von 5% auf 4% Zinsen zu konvertieren. Damit würde nach Ansicht der Kommission eine jährliche Zinsersparnis von 217.000 Tlr. (und mehr in den Folgejahren) erreicht werden können; zudem sei damit zu rechnen, daß durch diese Operation der Kurs der anderen Staatspapiere (32 Mio. machten immerhin etwa ein Sechstel der gesamten Staatsschuld aus) steige. Der wichtigste Unterschied zum Plan Rothers sei die Begrenzung der Notenausgabe auf die Bareinlage bei der Landesbank (7 Mio. Tlr.). Mit diesen Änderungen erklärte sich Niebuhr einverstanden, beharrte aber auf der Meinung, daß eine so große Bank das Ausströmen des baren Geldes befördere. Rother hingegen hielt den abgeänderten Plan aufgrund der Begrenzung der Notenausgabe, "wodurch der Verkehr der Bank so beschränkt sei, daß sie zur Erfüllung der zum Vortheile des Staats ihr aufzulegenden Verpflichtungen sich außer Stand gesetzt sehen würde", für nicht ausführbar.80 Und nachdem sich der Initiator des Planes zur Gründung einer Landesbank mit dessen Verwässerung nicht abfinden konnte, wurde das Projekt nicht mehr weiter verfolgt. Statt der Errichtung einer Landesbank trieb die preußische Regierung die Vereinheitlichung des Papiergeldwesens durch die Verdrängung der Banknoten aus dem Umlauf und deren Ersetzung durch Staatspapiergeld voran. Eine Neuemission von Staatspapiergeld neben den bereits zirkulierenden Banknoten kam dabei aus zwei Gründen nicht in Frage: Zum einen wäre eine Erweiterung der Menge des Staatspapiergeldes einer zusätzlichen Aufnahme von Schulden gleichgekommen und hätte damit (aufgrund des Staatsschuldengesetzes von 1820) die Forderung nach Einberufung einer Ständeversammlung provoziert; es ist bereits gezeigt worden, daß das Umgehen einer solchen repräsentativen Körperschaft eine der obersten Prämissen finanzpolitischen Handeins in Preußen und wesentliche Grundlage des selbst auferlegten Sparzwanges gewesen ist. 81 Zum zweiten spiegelte sich im Verhalten der preußischen Regierung die Theorie der älteren deutschen Kameralistenschule wider, daß Banknoten und Papiergeld gleichartige Umlaufmittel seien, "unter welchen aus finanzpolitischen Rücksichten dem Staatspapiergeld der Vorzug gebühre. " 82 Mit dem Gesetz vom 17. Juni 1833, das die Ausgabe von Inhaberpapieren von der Genehmigung der Regierung abhängig machte, unternahm die 80 Vortrag Lottum, o.D. (1825), in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26889. 81 Vgl. Poschinger, Bankwesen 1, S. 226. 82 Latz, Geschichte, S. 17.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

preußische Regierung den ersten Schritt hin zur Verdrängung der Banknoten. Aufgrund dieses Gesetzes wurde dem Berliner Cassen-Verein die Ausgabe von Noten, sogenannten Depositenscheinen, ministeriell untersagt (nachdem sich die Königliche Bank wiederholt über die Notenausgabe des Kassenvereins beschwert hatte). Auch die Königliche und die Ritterschaftliehe Privatbank wurden bald darauf (1836/37) gezwungen, die Notenausgabe aufzugeben; beide Institute (nicht jedoch der Cassen-Verein) erhielten zum Ersatz der ihnen hierdurch entgangenen Betriebsmittel staatliche Kassenanweisungen, die Königliche Bank insgesamt für 6 Mio., die Ritterschaftliche für 500.000 Tlr. Dafür mußten die Banken einen entsprechenden Betrag verzinslicher Staatsschuldscheine deponieren. Die Einlösung des Papiergeldes übernahm der Staat. Ab diesem Zeitpunkt lief in Preußen nur noch Staatspapiergeld um. 83 Zuvor hatte es aber noch einen Versuch zur Wiederbelebung der Königlichen Bank gegeben: 1829 schlug der Präsident der Bank, Friese, die Neufassung der Bankordnung von 1766 vor, weil sie Bestimmungen enthalte, die nicht mehr zeitgemäß seien. Friedrich Wilhelm III. nahm diese Anregung auf; da jedoch zwei Jahre lang in der Sache nichts weiter geschah, sah er sich 1831 genötigt, Friese dringend zur Beschleunigung der Planungen aufzufordem. 84 Noch ein weiteres Jahr später legte Friese dann seinen Entwurf einer neuen Bankordnung vor. Es bleibt indes unklar (und unverständlich), warum Friese, der die Verstärkung der Betriebsmittel der Bank schon 1825 eingefordert hatte, so lange für die Erstellung eines solchen Entwurfes brauchte. In seiner projektierten neuen Bankordnung85 schlug Friese vor, die Königliche Bank unter der Firma "Preußische Landesbank" weiterbestehen zu lassen (S. 5). Der Bank sollte erlaubt werden, Noten und Kassenscheine ohne absolute Obergrenze auszugeben, die in voller Höhe durch ein Depot aus verzinslichen inländischen Staats- und Kommunalanleihen zu decken waren. An den Orten, wo sich eine Zweigstelle der Bank befinde, dürfe niemand sonst Noten ausgeben (S. 9). Aus dem Gewinn der Bank sollte mit der Zeit ein Stammkapital von 8 Mio. Tlr. angesammelt werden, das als Reservefonds in der Bank verbleiben würde (S. 10). Das Entscheidende an dieser Bankordnung sei, schrieb Friese, "daß der Staat das Heft über das Geldwesen des Landes in Händen behält, also zu jeder Zeit diejenigen Einrichtungen und Modifikationen darüber treffen kann, welche die Umstände gebieten, oder für das Allgemeine nützlich und räth83 Vgl. Schrötter, Preußisches I, S. 393; North, Das Geld, S. 157; Kiesewetter, Industrielle, S. 291. 84 Friedrich Wilhelm an den Präsidenten der Bank, Potsdam 16.7.1829; Friedrich Wilhelm an Friese, Charlottenburg 20.9.1831, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26877. 85 Ebd.: Friese, Entwurf einerneuen Banco-Ordnung, 31.5.1832 (gedruckt).

I. Papiergeld und Banknoten in der präindustriellen Phase

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lieh machen", während er bei Errichtung einer Aktienbank die Kontrolle abgebe (S. 21). Das Staatsministerium indessen lehnte die Vorschläge Frieses vollständig ab: Die Änderung der Bankordnung sei nicht notwendig, da eine Banknotenemission der Königlichen Bank ohnehin nicht in Frage komme, weil das Staatspapiergeld den Umlauf eines zweiten Papiergeldes nicht ertragen würde. Es sei darüber hinaus fraglich, ob der Staat neben der Seehandlung überhaupt noch eine weitere Bank brauche; die Königliche Bank sei vielmehr überflüssig, aber der Zeitpunkt, wo eine Auflösung derselben ohne große Nachteile für den Staat möglich sei, noch nicht gekommen.86 Es blieb Rother überlassen, der 1837 als Nachfolger des verstorbenen Friese neben seinen anderen Aufgaben auch die Leitung der Königlichen Bank übernahm, das sieche Institut unter den seitens der Regierung auferlegten Beschränkungen zu erneuern, um zumindest sein Überleben entgegen den Planungen des Staatsministeriums zu sichern (Staatsminister Rother erhielt als Chef der Bank die Kompetenzen des früheren Präsidenten; unter ihm nahm ein neuer Präsident, v. Lamprecht, den Vorsitz im Hauptbankdirektorium ein). "Angesichts der Tatsache, daß die Bilanz der Bank im Jahre 1837 ein Defizit von fast 5 Mio. Rtlr. aufwies, die Organisation mangelhaft war, die Verwaltungskosten überhöht waren und bedenkliche Mißstände in der Geschäftsleitung herrschten, auch unüberlegte Spekulationen zu Schwierigkeiten geführt hatten, mußte Rother das Institut umfassend reformieren." Rother gelang es zunächst, die Betriebsfonds der Bank erheblich zu verstärken, indem den bereits vorhandenen Kassenanweisungen von 6 Mio. Tlr. ein zinsfreier Vorschuß über 2 Mio. Tlr. aus der Kasse der Verwaltung des Staatsschatzes hinzugefügt wurde. Zudem rationalisierte er die Verwaltung der Bank und konnte so die Personalkosten erheblich absenken. "Gleichzeitig ging er daran, die Geschäfte der Bank den Bedürfnissen der Zeit anzupassen, den gefährlichen Papierhandel einzuschränken, dem Wechselhandel eine solide Grundlage zu geben und die Hauptaktivität der Bank auf die Unterstützung von Handel und Gewerbe zurückzuführen."87 Zu diesem Zweck senkte die Bank noch 1837 den Zinssatz im Diskont- und Lombardverkehr von 5 auf 4%, wo er dann mehr als sieben Jahre unverändert verblieb. Weiterhin wurde der Giroverkehr durch die Aufhebung der Gebühren und die Verlängerung der Laufzeit von Giroanweisungen auf drei Monate gefördert. Die als "Bank-Cheks" bekannten Giroquittungen der Hauptbank liefen im Berliner Zahlungsverkehr wie Geld um (und wurden sogar 1841 von der Stempelgebühr befreit). Entsprechend der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zeigte sich das Papiergeldwesen in den Staaten des Zollvereins im Vormärz kaum ausgebil86 87

Ebd.: Bericht des Staatsrninisteriums, 25.6.1832. Radtke, Die preußische, S. 120 u. 121.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

det. Den größten Anteil der umlaufenden papierenen Zahlungsmittel machte das Staatspapiergeld aus, die wenigen bestehenden Notenbanken waren schwach, restriktiven rechtlichen Beschränkungen unterworfen und kaum in der Lage, zur effektiven Zahlungsmittelversorgung beizutragen. Symptomatisch ist das Bild, das die Königliche Bank in Berlin abgab, der die Notenemission untersagt worden war, und die über fast dreißig Jahre hinweg ein kümmerliches Dasein neben der blühenden Seehandlung führte und ihrer Liquidation entgegenharrte. Alle Versuche zur Reanimation scheiterten letztlich daran, daß die preußische Regierung dem Umlauf ihrer Kassenanweisungen eine höhere Priorität zumaß. Mit der einsetzenden Industrialisierung der 1840er Jahre jedoch wuchsen die Anforderungen an das Zahlungsmittelsystem sprunghaft an; dem zu genügen, war das vormärzliche Papiergeldwesen offensichtlich nicht befähigt. Die Anpassungsreaktionen des Papiergeldwesens auf diese Herausforderung sind Thema des jetzt folgenden Kapitels.

II. Einsetzende Industrialisierung und die Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland Die Bestimmungen der einzelstaatlichen Münzreformen und der Münzverträge der Zollvereinsstaaten bezogen sich, mit der nur wenig bedeutenden Ausnahme im Wiener Vertrag von 1857, auf Edelmetallwährungssysteme. In diesen Währungsverfassungen machten die vollwichtigen Kurantstücke den größten Teil des Geldumlaufes aus; daneben liefen noch unterwichtige Scheidemünzen um, die aber ebenfalls bestimmte Mengen Edelmetall enthielten. Die Geldmenge in einem solchen System zu erweitern, war demnach nur durch den Erwerb von Edelmetall und dessen Wiederausgabe in Form geprägter Münzen seitens des Inhabers des Münzregals möglich. Da aber im Zuge der Modemisierung der Währungsverfassungen sich die Staaten selbst untersagten, "schlechte", d.h. Münzen von einem Nennwert, der ihren Metallwert erheblich überstieg, auszugeben, und auf der anderen Seite durch den weltweit wachsenden Bedarf die Edelmetallpreise stiegen, war die Ausweitung der Geldmenge in dieser Situation ein höchst kostspieliges Unterfangen, das den Konsolidierungsbestrebungen der öffentlichen Haushalte zuwiderlief. Die Geldmenge entwickelte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts daher auch relativ statisch, wie folgende Abbildung verdeutlicht:

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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1835 1836 1837 1838 1839 1840 1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848

I0 Metallgeldmenge in Mio. M I Abbildung 2: Entwicklung der Metallgeldmenge in Zollvereins-Deutschland, 1835-184888

Es hat sich gezeigt, daß schon in den 1830er Jahren, als die nur sehr langsam vor sich gehende Ausweitung der Geldmenge noch mit einer ähnlichen, wenig schwungvollen Wirtschaftsentwicklung korrespondierte, in etlichen Regionen Deutschlands über eine ungenügende Geldversorgung geklagt wurde. Insbesondere die Kaufleute der westlichen Provinzen Preußens beschwerten sich immer wieder heftig über den Mangel an Bargeld, aber auch aus Bayern und anderen Staaten waren derartige Äußerungen wiederholt zu hören gewesen. Mit der einsetzenden Industrialisierung und der damit einhergehenden Dynamisierung sämtlicher Wirtschaftsverhältnisse stießen diese Metallwährungssysteme jedoch rasch an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Die wirtschaftliche Entwicklung verlangte nach einer ausreichenden Versorgung mit Zahlungsmitteln, die sich dem schnell wachsenden Bedarf sehr viel flexibler anpassen sollte, als dies bei einer Metallwährung der Fall sein konnte.

1. Der wirtschaftliche Hintergrund: Industrialisierung und Währungsverfassung Finanzierungsinstrumente und wirtschaftliche Entwicklung

In Deutschland fallen der "take-off' zur Industrialisierung und die Formierung der Papiergeld- und Notenbankordnung zeitlich zusammen. Damit stellt sich die Frage, ob es neben der zeitlichen Koinzidenz auch kausale Relationen zwischen der grundsätzlichen Umgestaltung des Wirtschaftsund des Währungssystems gab, oder grundsätzlicher gefragt: Welchen Zu88 Die im Umlauf befindlichen Banknoten und das Staatspapiergeld machten in diesem Zeitraum (mit Ausnahme der Jahre nach 1846) zusammen genommen stets weniger als 10% der Metallgeldmenge aus und sind daher hier zu vernachlässigen. Zahlen nach Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 68.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

sammenhang gab es zwischen der Schaffung neuer Finanzierungsinstrumente und der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts? Diese Frage hat insbesondere hinsichtlich der Entstehung des Universalbankensystems der Forschung Grund zur Diskussion geboten. Eines der umstrittenen Themen ist dabei der Anteil, den diese "Warenhäuser in der Bankenwelt"89 an der spät einsetzenden, dafür aber besonders rasch verlaufenden deutschen Industrialisierung gehabt haben. Die große Bedeutung, die lange Zeit gemeinhin der Universalbank zugemessen worden ist, wurde allerdings in jüngster Zeit relativiert und dagegen die verhältnismäßig geringe Relevanz der Art der jeweiligen Finanzierungsinstitutionen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hervorgehoben. 90 Diese Überzeugung hat R.H. Tilly schon seit längerem vertreten, wobei er frühzeitig den Fokus auf die Währungsinstitutionen richtete, auf das Münz- und Papiergeldwesen, die gegenüber den Geschäftsbanken vergleichsweise nur geringe Beachtung fanden91 (seine Positionen hinsichtlich des Münzwesens sind im entsprechenden Abschnitt dieser Arbeit bereits dargelegt und erörtert worden). Tilly betont, daß es primär realökonomische Entwicklungen seien, die auf den monetären Sektor Einfluß ausübten, während andersherum die Bedeutung der Finanzierungsinstitutionen für das Wirtschaftswachstum eher gering anzusetzen sei.92 Demgegenüber wird von anderer Seite auf die Entwicklung des Notenbankwesens als eines Schlüsselmoments für die Industrialisierung in Deutschland hingewiesen: "Für die Industrialisierung von herausragender Bedeutung und innerhalb des Bankwesens besonders wichtig war die Entwicklung der Notenbanken im 19. Jahrhundert. Ohne die Banknoten als neues Umlaufmittel wäre die Finanzierung der Industrialisierung nicht möglich gewesen. ,.93 89 Für Gersehenkron der "entscheidende, der strategische Faktor in der Industrialisierung Deutschlands". Alexander Gerschenkron, Die Vorbedingungen der Europäischen Industrialisierungen im 19. Jahrhundert, in: Fischer (Hg.), Wirtschafts- und sozialgeschichtliche, S. 21 ff., S. 23. 90 Vgl. dazu etwa Jeremy Edwards/Sheilagh Ogilvie, Universal banks and German industrialization: a reappraisal, in: EHR 49, 1996, S. 427 ff. , S. 431. 91 Vgl. Ziegler, Der "Latecomer", S. 76. 92 Vgl. Tilly, Financial, S. 3; ders., Finanzielle Institutionen, Staat und Industrialisierung: Rheinland und Preußen im internationalen Vergleich, in: Ders., Kapital, Staat und sozialer Protest in der deutschen Industrialisierung. Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1980, S. 15 ff.; ders. , Finanzielle Aspekte, in: Fischer (Hg.), Wirtschaftsund sozialgeschichtliche, S. 477. 93 Hans Pohl, Das deutsche, in: Deutsche Bankengeschichte Band 2, S. 76. Vgl. auch Born, Die Entwicklung der Banknote, S. 21: "Der stetig wachsende Umlaufbedarf der Industrialisierung und des wirtschaftlichen Wachstums im 19. Jahrhundert konnte nicht ohne die Notenemission befriedigt werden. Das Münzmetall allein hätte dazu nicht ausgereicht. Oder anders ausgedrückt: Ohne Banknoten als Umlauf-

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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Daß es einen Zusammenhang zwischen Industrialisierung und Entwicklung der Währungsverfassungen gegeben hat, ist unbestreitbar; ansonsten ließe sich das massive Anwachsen der umlaufenden Menge an papierenen Wertzeichen in Deutschland seit etwa der Jahrhundertmitte, das die folgende Abbildung 3 illustriert, nicht erklären. Auf die Frage, ob die Entwicklung der Währungsinstitutionen nicht allein ein Ergebnis des Wirtschaftswachstums infolge der Industrialisierung gewesen ist, sondern vielmehr auch deren Verlauf mitbestimmt hat, kann an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden, weil sie im weiteren Zusammenhang dieser Arbeit nicht von Bedeutung ist. Es ist allerdings wahrscheinlich - wenn auch schwierig nachzuweisen -, daß die mit der Entstehung neuer Formen der Zahlungsmittel einhergehende Verringerung der Transaktionskosten sehr wohl beschleunigend auf das wirtschaftliche Wachsturn und damit auch auf den Verlauf der Industrialisierung wirkte. 94 Während die Frage nach den Auswirkungen der Währungsentwicklung auf Form und Verlauf der Industrialisierung in Deutschland also nicht weiter verfolgt werden soll, stehen die in entgegengesetzter Richtung wirksamen Konsequenzen, die realwirtschaftlichen Ursachen des Wachstums des Papiergeldsektors, im Mittelpunkt des nun folgenden Abschnittes. Dabei werden drei, für die Veränderung der monetären Systeme elementare Entwicklungen verfolgt: 1. Die Zunahme der ökonomischen Tauschakte, für die das Medium Geld benötigt wurde, aufgrund der wachsenden Wirtschaftstätigkeit; 2. die Entstehung zentraler Finanzmärkte, die den insbesondere für die Eisenbahninvestitionen notwendigen riesigen Kapitalbedarf befriedigen mußten; des weiteren 3. die Liquidisierung der monetären Systeme der Welt durch die Gold- und Silberfunde in den USA und Australien. 1. Die folgende Abbildung 4 verdeutlicht, daß nach der Krise in der Mitte der 1840er Jahre, deren Tiefpunkt 1848 durchschritten werden mußte, mittel wäre die Industrialisierung in einer Deflationskrise steckengeblieben." Ebenso: Salomon Flink, The German Reichsbank and economic Germany. A study of the Reichsbank in their relation to the economic development of Germany, with special reference to the period after 1923, New York/London 1930, S. 5; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, S. 60. 94 Vgl. lohn Komlos, Ein Überblick über die Konzeptionen der Industriellen Revolution, in: VSWG 84, 1997, S. 461 ff., S. 498: "Es ist zum Beispiel nie nachgewiesen worden, daß die Erfindung der Spinnmaschine wichtiger gewesen wäre als Verbesserungen im Transport- und Kommunikationswesen, die die bis dahin benötigten Lagerbestände reduzierten. Was ist mit früheren, nur am Rande beachteten Innovationen wie der Einführung des Papiergeldes, der Erfindung der doppelten Buchführung, der Weiterentwicklung der Wechsel oder der Bildung von privaten Eigentumsrechten?" Ebenso Maxine Berg, Political Economy and the Principles of Manufacture, in: Dies./Pat Hudson/Michael Sonenscher (Hg.), Manufacture in Town and Country before the Factory, Cambridge 1983, S. 33 ff., S. 37. 17 Otto

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

I0 Metallgeld

0 Banknoten

• Staatspapiergeld

I

Abbildung 3: Entwicklung der Geldmenge in Deutschland (Gebiet des späteren Deutschen Reiches), 1835-1871, in Mio. M95

eine zwar von kurzen erratischen Abschwüngen unterbrochene (insbesondere mit der ersten Weltwirtschaftskrise 1857), im Trend jedoch deutliche Wachstumsentwicklung der Konjunktur einsetzte, mit der das Nettoinlandsprodukt der deutschen Staaten (ohne Österreich) von 1840 = 6.702 Mio. M auf 14.653 Mio. im Jahr der Reichsgründung 1871 stieg.96 Die Zahlen des Nettoinlandsproduktes stehen für die aggregierten ökonomischen Leistungen der Wirtschaftssubjekte Zollvereins-Deutschlands, die auf dem Markt ihren Käufer fanden. Sie geben mithin in gleichem Maße auch Auskunft über die in einer Periode vorgenommenen Tauschaktionen dieser Wirtschaftssubjekte untereinander, die mit Geld abgewickelt wurden. Mit dem anhaltenden Wachstumstrend der deutschen Wirtschaft wuchs die Quantität dieser Tauschvorgänge stark an, und dies ist ohne Zweifel der wichtigste Impuls zu einer Veränderung des monetären Systems im 19. Jahrhundert gewesen. 97 2. Die Entwicklung des Kapitalmarktes wirkte sich grundsätzlich in zweierlei Hinsicht auch auf das Währungswesen aus: Zum einen - analog den Zahlen nach: Sprenger, Geldmengenänderungen, S. 122, 136, 142, 153. Zur Periodisierung der konjunkturellen Entwicklung siehe Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3, S. 38 f., Tilly, Die deutsche, in: Porter/Teich (Hg.), Die Industrielle, S. 61. 97 Vgl. Rondo Cameron/Hugh T. Patrick, Introduction, in: Cameron (Hg.), Banking, S. 1 ff., S. I. 95

96

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

259 10

14000

8 6

12000

4 2

10000

0 -2

8000

-4 ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~+-6

c::::::::::JNIP zu Faktorkosten, Mio. M -+- Wachstum NIP gegenüber Vorjahr, in % Abbildung 4: Entwicklung des deutschen (Zollverein) Nettoinlandsproduktes zu Faktorkosten (in Preisen von 1913), 1840-1871, in Mio. M98

Auswirkungen der einsetzenden Industrialisierung - bedeutete das Wachsturn der Kapitalmärkte erhöhte Umsätze durch vermehrte und größere Transaktionen; das wiederum elforderte eine entsprechende Ausweitung der Zahlungsmittelversorgung. Zum zweiten expandierte an den Kapitalmärkten vor allem das Geschäft mit Industriebeteiligungen (insbesondere im Eisenbahnsektor) und lenkte Geld von den traditionellen Anlageformen - staatliche Papiere und Anlagen in der Landwirtschaft - fort. In einer Zeit, zu der ein Großteil des liquiden Kapitals durch die Edelmetallwährung in Zahlungsmitteln gebunden ist99, bringt die Neuausrichtung der Kapitalströme demnach nicht nur eine generelle Kapitalknappheit, sondern darüber hinaus auch eine Knappheit von Zahlungsmitteln in denjenigen Sektoren der Volkswirtschaft mit sich, die für den Investor weniger profitabel erscheinen. Das wiederum erklärt die vehement vorgebrachten Forderungen landwirtschaftlicher Interessenvertreter nach einer Ausweitung der Versorgung mit papierenen Zahlungsmitteln. Die Neuallokation des Anlagekapitals in der Industrialisierung und die Expansion der Kapitalmärkte insgesamt stehen in Deutschland vordringlich im Zusammenhang mit der Anlage eines Eisenbahnnetzes. Für den Um98 Zahlen nach: Spree, Die Wachstumszyklen, S. 370. Vgl. dazu die Angaben bei Hoffmann, Das Wachstum, S. 507/825. 99 Raymond W. Goldsmith, Comparative National Balance Sheets. A Study of Twenty Countries, 1688-1978, Chicago/London 1985, S. 142/3, geht für Deutschland (1875) von einem Anteil des Geldes (Bargeld und Banknoten) am gesamten Finanzvermögen von 7,3% aus, womit er in etwa so hoch lag wie in Frankreich; in Großbritannien habe dieser Anteil zum selben Zeitpunkt nur 2,6 % betragen.

17*

260

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

bruch im deutschen Geldwesen spielte die Eisenbahn aus diesem Grund auch eine höchst bedeutsame Rolle, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen machte sie Investitionen in einer bis dahin nicht gekannten Höhe notwendig. F. Voigt beschreibt diesen Effekt: "Die im Vergleich zu allen früheren Investitionen geradezu überwältigend großen Anforderungen an Geldkapital beim Bau der Eisenbahnen zerbrachen das überkommene Geld- und Kreditsystem. Die hohen Kapitalanforderungen beim Kauf der Grundstücke, bei der Linienführung und bei der Errichtung der Anlagen der Eisenbahn wären damals auf traditionelle Weise gar nicht zu finanzieren gewesen. [... ] Die Eisenbahnen waren also geradezu die Erreger der entscheidenden Impulse zur Ausbildung des modernen Geld- und Kreditsystems." 100 Zum zweiten aber trieben erst die Eisenbahnen die Verflechtung der deutschen Volkswirtschaft so weit voran, daß die noch immer in hohem Maße unterschiedlichen Währungssysteme sich zu einem spürbaren Hindernis des interregionalen Handels entwickelten. Beide eisenbahn-induzierten Effekte auf die monetären Systeme in Deutschland sind jetzt zu behandeln. "Die Eisenbahnen, deren große Rauchfahnen mit Windeseile über Länder und Kontinente jagten, deren Dämme und Tunnels, Brücken und Bahnhöfe ein System öffentlicher Werke bildeten, demgegenüber sogar die ägyptischen Pyramiden und die römischen Aquädukte, ja sogar die große Chinesische Mauer verblaBten und provinziell erschienen, symbolisierten den Triumph des technologisch entwickelten Menschen." 101 E. Hobsbawm übertreibt nicht, wenn er poetisch kraftvoll die Bedeutung der Eisenbahnen für die Industrialisierung beschreibt; allerdings war diese Bedeutung weit mehr als nur eine symbolische. R. Fremdling kommt in seiner grundlegenden Untersuchung über den Einfluß der Eisenbahnen auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zu dem Befund, daß " . .. die Innovation Eisenbahn ,bahnbrechend' für das Wirtschaftswachstum im neunzehnten Jahrhundert" war. 102 Daß die Eisenbahnen in der Tat der relevante Führungssektor der deutschen Wirtschaft gewesen sind, weist er anband der deutlich höheren Wachsturnsraten als in jedem anderen Sektor nach, aber auch, indem er den überragenden Anteil der Eisenbahninvestitionen an den insgesamt getätigten Investitionen aufzeigt. Folgende Tabelle führt dies genauer aus. Sie demonstriert deutlich, wie groß zum einen der Anteil der Eisenbahnen an der Investitionstätigkeit gewesen ist, und veranschaulicht daneben das Gewicht, das Preußen im Wirtschaftsgefüge des Zollvereins einnahm. Voigt, Die volkswirtschaftliche, S. 232 f. Hobsbawm, Europäische, S. 87. 102 Rainer Fremdling, Eisenbahnen und deutsches Wirtschaftswachstum 1840-1879. Ein Beitrag zur Entwicklungstheorie und zur Theorie der Infrastruktur, Dortmund 1975 (Untersuchungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte, Bd. 2), S. 85. 100

10 1

Tabelle 8

Anteil der Eisenbahn- an den Gesamtinvestitionen, Anteil der preußischen an den gesamtdeutschen Eisenbahninvestitionen, 1841-1870 (Deutschland= Gebiet des späteren Deutschen Reiches) 103 GesamtInvestitionen (Mio. M), laufende Preise

1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850 1851 1852 1853 1854 1855 1856 1857 1858 1859 1860 1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870

0 * ** ***

Nettoinvestitionen in Eisenbahnen (Mio. M), laufende Preise

Deutschland (I)

Deutschland (2)

-** -** ** ** ** -** -** -** - ** -** 570 990 470 920 260 1.190 560 670 710 1.260 720 1.320 1.500 1.220 1.050 1.060 850 1.920 860 1.590

22,5 27,3 50,8 38,5 83,6 177,6 156,2 116,7 118,5 40,9 107,0 63,2 74,1 108,0 85,4 156,0 99,5 93,8 233,1 240,5 99,9 94,7 170,7 102,2 152,5 221,8 202,2 227,4 201,5 319,8

Preußen (3) 20,4 17,1 37,7 10,2 44,1 118,8 84,9 42,5 37,1 21,5 26,5 51,1 49,6 22,7 26,0 122,0 48,8 51,5 156,9 139,2 52,5 38,4 61,9 44,6 57,3 68,8 122,1 163,7*** 115,2 157,6

Kapitalstock * der Eisenbahnen (Mio. M), Anschaffungspreise

Anteil (2) Anteil (4) von (1), in% von (3), in% (4) (5)

18,7 6,3 15,7 11 32,8 13,1 17,7 14,0 32,8 19,1 13,8 7,1 11,3 8,3 14,5 20,9 23,8 11,8 23,4 20,1

90,6 62,6 74,2 26,5 52,7 66,9 54,3 36,4 31,3 52,5 24,7 80,8 66,9 21,0· 30,4 78,2 49,0 54,9 67,3 57,9 52,5 40,5 36,3 43,6 37,5 31,0 60,3 71,9 57,1 49,2

16,8

52,1

Deutsch- Preußen land (6) (7) 81,3 108,6 159,9 197,9 281,5 459,1 615,3 732,0 850,5 891,4 998,4 1.061,6 1.135,7 1.243,7 1.329,1 1.485,1 1.584,6 1.678,4 1.911,5 2.152,0 2.251,9 2.346,6 2.517,3 2.346,6 2.517,3 2.993,8 3.196,0 3.423,4 3.624,9 3.944,7

43,4 60,5 98,2 108,4 152,5 271,3 356,2 398,7 435,8 457,3 483,8 534,9 584,5 607,2 633,2 755,2 804,0 855,5 1.012,4 1.151,6 1.204,1 1.242,5 1.304,4 1.349,0 1.406,3 1.475,1 1.597,2 2.172,9*** 2.288,1 2.445,1

Kapitalstock = verwendetes AnlagekapitaL Gesamtwirtschaftliche Daten (etwa zum Sozialprodukt oder - im konkreten Fall zur Höhe der Gesamtinvestitionen) sind für die Zeit vor 1850 höchst unzuverlässig und werden daher hier nicht aufgenommen. Ab 1868: einschließlich der 1866 annektierten Gebiete.

103 Eigene Berechnungen nach den Zahlen zu den Gesamtinvestitionen aus: Hoffmann, Das Wachstum, S. 259; Zahlen zu den Eisenbahninvestitionen und zum Kapitalstock aus: Fremdling, Eisenbahnen, S. 31 u. 28.

262

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

Der infolge der Dominanz der Eisenbahninvestitionen und der damit verbundenen Kopplungseffekte auf andere Gewerbezweige entstehende Führungssektorkomplex von Eisenbahnen, Eisenindustrie, Maschinenbau und Steinkohlebergbau bedingte eine in erheblichem Maße auf die Schwerindustrie konzentrierte und damit höchst kapitalintensive Industrialisierung in Deutschland. 104 Als eine notwendige Konsequenz unterzog sich auch der Kapitalmarkt einer tiefgreifenden Umwandlung: Bis in die 1840er Jahre hinein wurden an den deutschen Börsen fast ausschließlich staatliche Anleihepapiere gehandelt, die ersten industriellen Unternehmungen finanzierten sich noch weitgehend aus Eigenmitteln. 105 Aufgrund der Höhe der erforderlichen Investitionen für den Eisenbahnbau, der anfangs wegen der feindseligen Haltung der deutschen Regierungen gegenüber dem neuen Verkehrsmittel durchweg privat finanziert werden mußte, änderte sich das; mit dem Instrument der Aktiengesellschaft, "einer ingeniösen Schlüsselinnovation des 19. Jahrhunderts" 106, öffnete sich der Kapitalmarkt auch für Unternehmen, die damit das für eine Expansion des Eisenbahnnetzes notwendige Geldkapital mobilisieren konnten. 107 Im folgenden werden in einem kurzen Überblick Entstehung und Entwicklung des sogenannten "Eisenbahnfiebers", der begeisterten Zeichnung von Anteilscheinen an Eisenbahnunternehmungen ("Auch schon damals konnte man an der Berliner Börse Offleiere in Uniform erblicken, Künstler und Gelehrte, die alle an der Agiotage Theil nehmen wollten" 108), dargestellt; das dient vor allem zur Veranschaulichung der Umwälzungen auf den deutschen Kapitalmärkten, die der Eisenbahnbau auslöste. Dem mit dem Erfolg der ersten Bahnstrecken Mitte der 1830er einsetzenden "Eisenbahnfieber" versetzten allerdings Bayern, dann aber vor allem Preußen durch den Erlaß der "Allgemeinen Bedingungen, welche bei denjenigen Eisenbahnunternehmungen, die für gemeinnützig und zur Genehmigung geeignet befunden worden, den weiteren Verhandlungen zur Vorbereitung der allerhöchsten Bestätigung der Gesellschaft und Erteilung der Konzession zu Grunde zu legen sind" von 1836 und das Eisenbahngesetz vom November 1838 zunächst einen "massiven Dämpfer", indem sie an die Erteilung von Konzessionen laufend schärfere Bedingungen knüpften. 109 1840 ergänzte jedoch die preußische Regierung das Gesetz von 1838 durch ein 104 Zum Führungssektormodell und den Ausbreitungseffekten siehe insbesondere W. W. Rostow, Leading Sectors and the Take-Off, in: Ders. (Hg.), The Economics of Take-Off into Sustained Growth. Proceedings of a Conference held by the International Economic Association, London 1965, S. 1 ff., S. 8. 105 Vgl. Kiesewetter, Industrielle, S. 56; Borchardt, Die Industrielle, S. 162; Henning, Industrialisierung, S. 102. 106 Mommsen, Das Ringen, S. 103. 107 Vgl. Tilly, Vom Zollverein, S. 29 ff. 108 Poschinger, Bankwesen 1, S. 260.

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

263

"positives Signal", als sie mit der Einrichtung eines staatlichen Baufonds zur Unterstützung des Eisenbahnbaus insbesondere Zinsgarantien für bestimmte Bahnprojekte gewähren konnte. Die Einrichtung des Fonds war im übrigen nur möglich aufgrund der außerordentlich günstigen Haushaltslage dieser Jahre, da eine Verschuldung aufgrund des Staatsschuldenediktes von 1820 immer noch nicht in Frage kam.U 0 Damit war der Weg frei für eine fast explosionsartige Entwicklung des Marktes für Eisenbahnaktien, der einherging mit einer Spekulationswelle (die Aktienkurse stiegen an der Berliner Börse von 1842 bis 1844 um 42%), die von konservativen Zeitgenossen als Ausdruck moralischen Niedergangs laut kritisiert wurde. 1840 wurden an der Berliner Börse die Aktien zweier Eisenbahngesellschaften gehandelt, 1844 schon neunundzwanzig, 1850 vierundvierzig und 1860 siebenundachtzigY1 In den frühen 1840er Jahren entstanden in Berlin auch zahlreiche neue Instrumente des Aktienhandels; so wurden dort sogenannte Interimsscheine und Aktienquittungsbögen und schließlich sogar Promessen (Interimsscheine noch nicht konzessionierter Gesellschaften) gehandelt. Im Mai 1844 jedoch bremste die preußische Regierung erneut die Entwicklung, indem sie die Konzessionsecteilung für Aktiengesellschaften an die ausdrückliche Genehmigung des Finanzministers knüpfte. Der folgende Sturz der Aktienkurse wurde noch beschleunigt durch das gleichzeitige Verbot der Zeitgeschäfte und des Promessenhandels. 112 Eben diese Frontstellung: auf der einen Seite die aus der Umbruchssituation entstehenden Kräfte, die eine Modernisierung der Finanzierungsinstitutionen einforderten, um sie der Industrialisierung dienstbar zu machen, auf der anderen Seite die deutschen Regierungen (vor allem die preußische), die unter allen Umständen die Kontrolle über die ökonomische und soziale Entwicklung in der Hand zu behalten sich bemühten, findet sich auch in der zur gleichen Zeit ablaufenden Debatte um die Zulassung privater Aktien- und Notenbanken bzw. die Erweiterung des Notenkontingentes der Königlichen Bank in Berlin. Dieser Konflikt zwischen wirtschaftsliberalen Forderungen und staatlichem Beharren auf dem Monopol der Ausgabe von Zahlungsmitteln und der Kontrolle über die Entstehung und die Politik der Finanzierungsinstitutionen, zog sich bis zur Gründung der Reichsbank im Jahre 1876 hin, ja er entflammte zehn Jahre später erneut (wenn auch unter anderen Vorzeichen), 109 Lothar Gall, Eisenbahn in Deutschland: Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg, in: Ders./Manfred Pohl (Hg.), Die Eisenbahn in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 13 ff., S. 19. 110 Vgl. Dieter Ziegler, Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung. Die Eisenbahnpolitik der deutschen Staaten im Vergleich, Stuttgart 1996 (VSWG, Beihefte, Nr. 127), S. 41. 111 Während 1813 ganze 17 (staatliche) Wertpapiere an der Berliner Börse gehandelt wurden; vgl. Kiesewetter, Industrielle, S. 287. 112 Vgl. Spree, Die Wachstumszyklen, S. 262 ff.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

als anläßlich der notwendigen Erneuerung des Privilegs der Zentralbank deren vollständige Verstaatlichung von konservativer Seite gegen den Widerstand der Liberalen gefordert wurde. Dieser Konflikt prägte dann auch die Entwicklung im deutschen Währungswesen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; er wird im folgenden immer wieder ein zentrales Thema dieser Darstellung sein. Trotz der restriktiven rechtlichen Bedingungen bedeutete der Verfall der Aktienkurse in 1844 freilich nur einen kurzzeitigen Rückschlag für die weitere Entwicklung des Eisenbahnwesens und die Expansion des Kapitalmarktes in den Staaten des Zollvereins; schon 1845 stiegen die Nettoinvestitionen in die Eisenbahn in Deutschland auf einen neuen Höchststand von 83,6 Mio. M, um sich im folgenden Jahr auf mehr als 177 Mio. noch einmal mehr als zu verdoppeln. 113 Eine weitere Folge der geschilderten Ausweitung des Kapitalmarktes und seiner Instrumente war der Aufstieg Berlins zum Finanzzentrum Deutschlands. Es ist schon dargelegt worden, daß mit der Gewichtsverlagerung des Finanzgeschäftes von der Konzentration auf den Handel mit staatlichen Anleihen zur Industriefinanzierung auch ein tendenzieller Bedeutungsverlust traditionell an den Börsen gehandelter Werte gegenüber innovativen Finanzierungsinstrumenten (vor allem Aktien) einherging. Diesen Übergang vollzog die Frankfurter Börse, in der ersten Jahrhunderthälfte wichtigster Finanzplatz Deutschlands, nur in begrenztem Maße mit, während in Berlin der restriktiven Regierungspolitik zum Trotz der Wandel rascher umgesetzt wurde. 114 Dies wurde insbesondere mit der Liberalisierung des preußischen Aktiengesetzes nach der Reichsgründung wirksam, als es die bestehenden oder neu gegründeten Aktienbanken vordringlich nach Berlin zog. Berlin profitierte aber auch schon seit den 1840er Jahren vom weiter steigenden Finanzbedarf des Eisenbahnbaus, an dem Preußen wie geschildert einen wesentlichen Anteil innerhalb Oeutschlands hatte, und nicht zuletzt davon, daß dort mit der Preußischen Bank die größte deutsche Notenbank und (seit 1857) faktische Zentralbank des Talerraumes ansässig war. 115 Mit dem BeVgl. oben, Tabelle 8. Vgl. Carl-Ludwig Holtfrerich, Finanzplatz Frankfurt. Von der mittelalterlichen Messestadt zum europäischen Bankenzentrum, München 1999, S. 167. Zur Rückständigkeit des Frankfurter Bankwesens siehe auch Kulischer, Allgemeine, S. 536: "Der Giroverkehr und das Kontokorrentgeschäft waren in Deutschland fast unbekannt. Daher konnte man selbst in den Straßen eines so bedeutenden Handelsplatzes wie Frankfurt a. M., dessen Börse damals als bedeutendste Deutschlands galt, noch in den fünfziger Jahren am Vormittag Frachtwagen, mit einer Tonne Silber schwer beladen, dahinziehen sehen und zahlreiche Lastträger erblicken, die mit Silbermünze gefüllte Säcke schleppten." 115 Dazu: Richard H. Tilly, Berlin als preußisches und deutsches Finanzzentrum und seine Beziehungen zu den anderen Zentren in Ost und West, in: Wolfgang Ribbe/Jürgen Schmädeke (Hg.), Berlin im Europa der Neuzeit. Ein Tagungsbericht, 113

114

11. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

265

deutungsgewinn des Finanzzentrums Berlin ging ein Verlust Frankfurts einher (der durch die Annexion 1866 noch verschärft wurde). In gleichem Maße verlor das Geldmedium des süddeutschen Bankenplatzes Frankfurt, der Gulden, gegenüber dem Berlins, dem Taler, weiter an Boden. Während die preußischen Kaufleute noch lange dadurch behindert worden waren, daß in Frankfurt f:Hlige Wechsel notfalls auch in französischen Francs, nicht jedoch in preußischen Talern beglichen werden konnten 116, kehrte sich das Verhältnis nun, da Berlin wichtigster Finanzplatz war, zum Nachteil der Süddeutschen um; damit aber wurde die Verwendung des preußischen Talers auch für Geschäftsleute aus dem Guldenraum mehr und mehr forciert. Die mit der Konzentration des deutschen Finanzmarktes auf Berlin verbundene Integrationswirkung für das Währungswesen muß zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es um den Taler als Leitwährung als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Art und Weise der Errichtung einer Reichswährung und ihren Charakter gehen wird, noch einmal aufgegriffen werden. An dieser Stelle sei nur auf die diesbezüglichen Ausführungen der Kölner Handelskammer von 1855 hingewiesen. Dort wird erklärt, daß aus preußischer Sicht eine weitere Annäherung zwischen Taler und Gulden aus handelstechnischen Gründen nicht notwendig sei (dies bezieht sich auf die anstehenden Verhandlungen zur Einbeziehung Österreichs in den Münzverein). Das Talergebiet habe seit Jahren eine positive Handelsbilanz gegenüber dem Guldengebiet "Daher nimmt der Süden nicht nur die preußischen Thaler eben so gern, ja lieber als den Gulden an Zahlungs statt, um sich für die Zahlungen, welche er an Preussen zu leisten hat, Thaler zu verschaffen, da die Gulden in Preussen nicht begehrt und daher nur mit Verlust anzubringen sind." Anders verhalte es sich jedoch, wenn man auch den Kapitalmarkt einbeziehe. Dieser konzentriere sich für den Süden auf die Frankfurter Börse, die in Gulden rechne und die aus diesem Grund "für die Effekten, deren Nennwerthe in Thaiern ausgedrückt sind, keine Anziehungskraft äussert. Diesem Umstande ist es hauptsächlich zuzuschreiben, dass selbst die Actien und Anleihen kleiner italienischer Eisenbahnen auf dem süddeutschen Kapitalmarkte oft beliebter sind, als die Effekten der solidesten Anlagen der preussischen Industrie. So lange die Verschiedenheit der Münzfüsse besteht, wird daher für preussische Unternehmungen auf süddeutsches Kapital weniger zu rechnen sein, und jene werden ihren natürlichen Werth für den süddeutschen Geldmarkt erst dann erlangen, wenn Deutschland zu einem einheitlichen Münzsystem fortgeschritten sein wird. Diese scharfe Scheidung auf dem deutschen Geldmarkte ist für die EntBerlin/New York 1990 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 75), S. 199 ff., S. 200. 116 Vgl. Benedikt Koehler, Ludwig Bamberger. Revolutionär und Bankier, Stuttgart 1999, S. 176.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

wicklung des Unternehmungsgeistes des grossen deutschen Volkes in hohem Masse nachtheilig. Sie macht die Theilung der Interessen auf dem materiellen Gebiete permanent und tritt dadurch dem kräftigen Aufschwunge des National-Gefühls, wie allen grossartigen, auf einen reichen Markt berechneten Schöpfungen hemmend entgegen." 117 Zweierlei wird an dieser Aussage deutlich: Zum einen stießen die regional begrenzten Kapitalmärkte aufgrund der Industrialisierungsentwicklung an ihre Kapazitätsgrenzen. Zum zweiten aber erwies sich im Zuge der Expansion der Kapitalmärkte die Heterogenität der deutschen Währungssysteme als Hinderungsgrund eines weiteren wirtschaftlichen Wachstums. Die kaufmännischen Vertretungen forderten daher zusätzliche Schritte der monetären Integration ein, um diese Beschränkungen zu beseitigen. Noch eine andere Wirkung der Eisenbahn auf die Währungsintegration, oben schon erwähnt, sei an dieser Stelle aufgegriffen: Die binnen weniger Jahre mindestens um den Faktor 20 anschwellende Menge der Güter- wie Personentransporte 118 ließ die "Portagen" 119 zwischen den deutschen Währungsräumen verschwinden und damit die immer noch vorhandenen Unterschiede zwischen den Zahlungsmitteln deutlich spürbar werden 120, bzw., mit anderen Worten, erst jetzt, als die Eisenbahn durch die Reduktion der Frachttarife, die ausgeweiteten Kapazitäten und die Beschleunigung der Be117 Jahresbericht der königlichen Handelskammer zu Köln für 1854, in: HandelsArchiv 1855. Erste Hälfte, S. 189 ff., S. 191 f. Unter den Berichten der preußischen Handelskammern, die jährlich im "Handelsarchiv" veröffentlicht wurden, ragen regelmäßig die der Kölner heraus, nicht nur aufgrund ihres Umfanges, sondern mehr noch durch die ökonomische Kompetenz. 118 Bspw. nahmen im Mai 1839 339 Personen die Postkutsche zwischen München und Augsburg (Reisezeit für die 60 km ca. 10 Stunden); im Mai 1841 (die Eisenbahn wurde am 4.10.1840 eröffnet) nahmen im gleichen Zeitraum 31.622 Personen die Bahn (Reisezeit 3 h). 1838 benutzten 27.500 Personen die Postkutsche zwischen Frankfurt a.M. und Mainz; 1843 transportierte die Eisenbahn 745.000 Passagiere. 1845 reisten zwischen Frankfurt a. M. und Heidelberg 36.500 Passagiere in der Postkutsche, 1847 770.000 mit der Main-Neckar-Eisenbahn. Nach: Gall, Eisenbahn, in: Ders./Pohl (Hg.), Die Eisenbahn, S. 28. 119 "Portage" nennt Schwarzer einen Raum zwischen den Randlagen benachbarter Wirtschaftsräume (der Begriff beschreibt ursprünglich den Teil des Weges an einem Fluß oder zwischen Flüssen, über den mangels Wasser Verkehrsmittel und Ladung getragen werden müssen). Oskar Schwarzer, Die räumliche Ordnung der Wirtschaft in Deutschland um 1910. Ein historisch-systematischer Ansatz zu einer Theorie wirtschaftlicher Entwicklung und strukturellen Wandels, Stuttgart 1990 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 40), S. 66. 120 Vgl. Karl Knies, Das Geld. Darlegung der Grundlehre von dem Gelde, insbesondere der wirtschaftlichen und rechtsgiltigen Functionen des Geldes, mit einer Erörterung über das Kapital und die Übertragung von Nutzungen, Berlin 2 1885, S. 303: "Die deutschen Staaten mit ihrer Silberwährung empfanden seit der Verbreitung der Eisenbahnen ansteigend schwerer die Verschiedenheit der vielen Münzsysteme [... ]." Vgl. Theuerl, Eine, S. 109.

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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förderung die "Transportrevolution" auslöste, traten die mit der Verschiedenheit des Geldes verbundenen erhöhten Transaktionskosten in bedeutsamem Maße auf. 121 Ironischerweise vergrößerte sich eben durch das Wachsturn und die Umwandlung des Kapitalmarktes diese Verschiedenheit der Zahlungsmittel, indem es in den l850er Jahren zu einer regelrechten Gründungswelle von Notenbanken in den Staaten des Zollvereins kam, deren Banknoten häufig von den jeweils anderen Staaten zurückgewiesen wurden. Aber auch das Versäumnis der Münzverträge, neben dem Umlauf einer gemeinsamen Handelsmünze auch die Gleichmäßigkeit des Länderkurants (oder zumindest die Garantie für dessen gegenseitige Akzeptanz) und der Scheidemünzen herzustellen, wirkte sich aufgrund des zunehmenden Personenverkehrs jetzt negativ für den einzelnen Reisenden aus, der sein Billet im benachbarten Ausland nicht im eigenen Geld erwerben konnte, sondern dafür die dort gültigen Münzen verwenden mußte, die etwa gegen seine Scheidemünzen nur mit einem Agio beim Tausch erhältlich waren. 3. Der Durchbruch der Industrialisierung in Deutschland in den 1850er Jahren wurde erst möglich durch das Einströmen großer Mengen von Gold und Silber, die sich aus den neu entdeckten Vorkommen in Kalifornien und Australien (Gold) und Mexiko (Silber) in die Welt ergossen. Zwar wurde nach der wirtschaftlichen und politischen Krise der vergangeneu Jahre der Zufluß in Deutschland zunächst weitgehend thesauriert, im Mißtrauen gegenüber der weiteren Entwicklung: "Wie ein trockener Schwamm das Wasser, so sog der europäische Kontinent die amerikanischen und demnächst die australischen Goldzuflüsse vom englischen Markte auf, zunächst freilich das Silber hinwegnehmend, dann aber auch das Gold absorbierend .... Aber während das kalifornisehe Gold in Nordamerika und England eine zauberhafte Zunahme von Produktion und Handel hervorrief, blieb es auf dem europäischen Kontinent vollständig tot. Kaum angekommen, wurde es durch das Mißtrauen in die Keller und Truhen eingeschlossen." 122 Noch nicht einmal in die Banken hätten sich die Kaufleute mit ihren neuerworbenen Schätzen gewagt, berichtet Sombart. Erst 1851 strömten die Edelmetalle in die Banken, dann allerdings so heftig, daß diese zunächst keinen Gebrauch davon machen konnten. Bei der Preußischen Bank etwa stiegen 12 1 Zur Bedeutung der Eisenbahn für die regionale Integration (die Herstellung einer Volkswirtschaft) in Deutschland vgl. Hubert Kiesewetter, Economic Preconditions for Germany's Nation-Building in the Nineteenth Century, in: Hagen Schulze (Hg.), Nation-Building in Central Europe, Leamington Spa/Hamburg/New York 1987 (German Historical Perspectives III), S. 81 ff., S. 102; Harald Frank, Regionale Entwicklungsdisparitäten im deutschen lndustrialisierungsprozeß 1849-1939. Eine empirisch-analytische Untersuchung, Münster/Harnburg 1994 (Münsteraner Beiträge zur Cliometrie und quantitativen Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1), S. 98; Henderson, The Zollverein, S. 230. 122 Otto Michaelis, Volkswirtschaftliche Studien. Bd. 1, Breslau 1879, S. 252.

268

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

die Privatdepositen von Januar bis August 1851 von 4,75 auf 9,3 Mio. Taler, "so daß die Bank, die nicht wußte, was sie mit dem Gelde anfangen sollte, sich am 1. Oktober 1851 zu der im Bankgeschäft beispiellosen Maßregel gezwungen sah, die bereits längere Zeit bei ihr ruhenden Privatdepositen zu kündigen." In kürzester Zeit vergrößerten sich die Metallvorräte der Preußischen Bank von 10,8 Mio. Tlr (Anfang 1851) auf 23,7 Mio. (31. Oktober des gleichen Jahres). 123 Erst durch diese massive Zunahme der Edelmetallförderung wurden die Banken instand gesetzt, "auf dem Wege vermehrter Geldschöpfung und Ausdehnung des Kreditvolumens die Geld- und Kreditwirtschaft auf eine breitere Basis zu stellen und ihr Geltungsgebiet wesentlich zu erweitern."124 Damit wiederum konnten die 1850er Jahre zur Durchbruchsphase des modernen industriellen Kapitalismus in Deutschland werden. Um noch einmal Sombart zu zitieren: " . . . die 1850er Jahre sind die wichtigste spekulative Periode, die Deutschland bisher erlebt hat. In ihnen wird der moderne Kapitalismus definitiv zur Grundlage der Volkswirtschaft gemacht. Dies geschieht durch eine allgemeine Befruchtung aller Wirtschaftsgebiete mit Kapital, das sich durch die plötzliche Vermehrung der Edelmetallvorräte und die damit im Zusammenhang stehende Preishausse rasch in den Händen einzelner Personen ansammelt, noch rascher aber durch die Entwicklung des Aktienwesens und der Bankorganisation sich zu größeren Summen zusammenballt, die nunmehr nach intensiver Verwertung streben. Damit ist ein Fonds von kapitalistischer Energie geschaffen und gleichsam objektiviert, der sich aus sich selbst immerfort erneuernd und vermehrend zu einer ungeheuren Triebkraft von revolutionärer Bedeutung wird.'d 25 Aus der folgenden Tabelle wird ersichtlich, wie groß die Zuwächse in der Edelmetallproduktion waren; und dies mußte in einer Weltwirtschaft, deren Währungssysteme ausnahmslos auf Gold oder Silber basierten, höchst bedeutende Auswirkungen haben. Aber noch eine andere Entwicklung wird deutlich: Zunächst nahm vor allem die Goldgewinnung stark zu (gewichtsmäßig im Vergleich der 1840er zu den Jahren 1851 bis 1855 um knapp das Vierfache), weniger hingegen die des Silbers. Damit aber stieg der Wert des Silbers gegenüber dem Gold erst einmal an, womit sich für die SilberSombart, Die deutsche, S. 85. Hans Rosenberg, Die Weltwirtschaftskrise 1857-1859, Göttingen 2 1974 (1. Auflage 1934), S. 40. 125 Sombart, Die deutsche, S. 89. Vgl. auch Michael Gugel, Industrieller Aufstieg und bürgerliche Herrschaft. Sozioökonomische Interessen und politische Ziele des liberalen Bürgertums in Preußen zur Zeit des Verfassungskonflikts 1857-1867, Köln 1975, S. 25; Kiesewetter, Industrielle, S. 65; Kulischer, Allgemeine, S. 528; Johannes Wilms, Nationalismus ohne Nation. Deutsche Geschichte 1789-1914, Düsseldorf 1983, S. 312. 123 124

172.800

1876-1880

6,6

12,5

2.450.252

87,5

14,4

93,4

92,0

85,6

18,5

8,0

81,8 81,5

18,2

93,4

96,7

3,3 6,6

97,0

97,9

98,1

98,0

96,9

95,6

95,8

96,5

3,0

2,1

1,9

2,0

3,1

4,4

1.969.425

1.339.085

1.101.150

904.990

596.450

460.560

540.770

894.150

879.060

652.740

533.145

4,2

3,5

Anteil Gold Anteil Silber in% in% des Gewichtes des Gewichtes

Zahlen nach: Soetbeer, Materialien, S. 7.

170.675

1871-1875

126

191.900

54.759

1841-1850

1866-1870

20.289

1831-1840

185.123

14.216

1821-1830

1861-1865

886.115

11.445

1811-1820

197.515

17.778

1801-1810

206.058

17.790

1781-1800

1851-1855

20.705

1761-1780

1856-1860

780.415

24.610

1741-1760

355.600

19.080

431.200

12.820

(kg)

(kg)

1721-1740

Silberförderung

Goldförderung

1701-1720

Durchschnitt der Jahre

482.112

476.183

535.400

516.493

574.901

551 .067

152.777

56.606

39.663

31.932

49.600

49.634

57.767

68.662

53.233

35.768

Goldförderung (Tsd. M)

47,9

52,1

441.045

354.496

241.035

198.207

162.898

159.501

140.475

52,2

47,8

42,7

31,0

69,0 57,3

23,7

22,1 72,3

77,9

22,4

65,5

34,5

107.361

77,6

75,3 67,6

24,7

97.339

32,4

76,6

76,1

67,0

58,3

59,3

64,2

Anteil Silber in% des Wertes

23,6

23,9

33,0

41,7

40,7

35,8

Anteil Gold in% des Wertes

82.901

160.947

158.231

117.493

95.966

77.616

64.008

Silberförderung (Tsd. M)

Tabelle 9 Weltweite Gold- und Silberförderung im Jahresmittel, 18. und 19. Jahrhundert 126

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270

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

Iänder ein Deflationspotential ergab (den damit sinkenden Preis des Goldes hatte sich Österreich in den ersten Verhandlungen um den Wiener Münzvertrag ja zunutze machen wollen, indem es für eine allgemeine Goldwährung warb, die ihm eine Konsolidierung seiner Währung zu geringeren Kosten erlauben sollte). Mit diesem Szenario setzte dann auch erwartungsgemäß eine sich immer lauter artikulierende Agitation für den Übergang vom Silber zum Gold als Währungsmetall ein. Die Kombination dieser drei Faktoren: der Industrialisierung und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Aufschwungphase, des explosionsartigen Wachstums der Kapitalmärkte durch den Eisenbahnbau und der massiven Zunahme der weltweiten Edelmetallförderung stellte die existierenden Fundamente der deutschen Währungssysteme grundsätzlich in Frage. Sowohl die Silberwährung als auch der nur geringfügige Umlauf papierener Zahlungsmittel und letztlich auch die Vielheit der Währungsgebiete gerieten damit in Widerspruch zur Entwicklung der ökonomischen Basis; es mußte sich erweisen, wie die Regierungen der Einzelstaaten als die Inhaber des Währungsregals auf diese elementare Herausforderung reagierten. 2. Die Reform des preußischen Notenbankwesens unter dem Druck der unzureichenden Zahlungsmittelversorgung

In den 1840er Jahren nahm der Druck auf die deutschen Regierungen, private Notenbanken auf Aktienbasis zuzulassen, spürbar zu. Die zahlreichen Eisenbahnprojekte erforderten eine neue Dimension der Kapitalmobilisierung. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung, so glaubten die liberalen Wirtschaftsführer vor allem der preußischen Rheinlande, wie aus der Vielzahl von Anträgen zur Konzessionierung solcher Banken zu ersehen ist, war abhängig von der starken Vergrößerung der umlaufenden Geldmenge, und eine solche schien allein durch die Ausgabe von Banknoten möglich zu sein. 127 Dennoch bemühten sich die Regierungen, allen voran die preußische, auch weiterhin, dem Problem einer nicht länger adäquaten monetären Basis "nicht durch eine Flexibilisierung der Geldmenge und ihre Anpassung an das realwirtschaftliche Wachstum beizukommen, sondern sie versuchte[n] umgekehrt, den monetären Sektor durch die Drosselung der industriewirtschaftliehen Entwicklungsdynamik zu stabilisieren." 128 Doch als 127 Kurt Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens im 19. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Frage der Finanzierung gemeinwirtschaftlicher Unternehmungen und zu den Reformen des Aktienrechts, Ber1in 1939, S. 25, erklärt, daß die "Bankprojekte, denen Zeichnungserfolg zuteil werden sollte, wegen des offensichtlichen Geldmangels geradezu gezwungen waren mit der Forderung auf Verleihung des Rechtes der Notenausgabe aufzutreten. Von der Regierung andererseits wurden gerade deswegen die Bankprojekte regelmäßig abgelehnt."

271

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

auch drastische gesetzgebensehe Maßnahmen (wie die Beschränkung der Wechselfähigkeit im preußischen Aktiengesetz von 1843 auf leibliche nicht juristische - Personen und die Beschneidung des Wertpapierhandels durch mehrere Gesetze und Verordnungen zwischen 1833 und 1844) den nach wie vor steigenden Druck nicht mildem konnten und die Forderungen immer lauter wurden, ging die preußische Regierung den schon zwanzig Jahre zuvor von Rother beschriebenen Weg: Sie gründete die schwache Königliche Bank zur Preußischen Bank um, der ein erhebliches Notenausgaberecht verliehen wurde. Unter dem Eindruck der Revolution von 1848/49 wurden sogar mit der Erstellung der sogenannten Normativbedingungen die formalen Voraussetzungen für die Gründung von privaten Aktienbanken mit Notenausgaberecht geschaffen; allerdings blieb diese Regelung ohne größere Nachwirkungen, weil die Regierungen der Nach-Revolutionszeit es verstanden, sie so restriktiv auszulegen, daß bedeutende private Geldinstitute nicht entstehen konnten. a) Die Umwandlung der Königlichen zur Preußischen Bank

Seit Mitte der 1830er Jahre häuften sich die Klagen aus den preußischen Westprovinzen über einen Mangel an Zirkulationsmitteln. Mit dem Beginn des Eisenbahnbaus verschärfte sich die Lage; dafür verantwortlich war nicht nur der unmittelbar durch den Bau wachsende Bedarf, sondern auch die einhergehende Spekulation in Eisenbahnwerten, die allen anderen Märkten weiteres Geld entzog. Tabelle 10 Geschätzter Geldumlauf in Preußen, 1835-55 (Mio. Tlr.) 129 Geldart Bargeld im Umlauf Bargeld in Banken Staatspapiergeld Banknoten Gesamt

*

1835 105 5* 17 0

122

1845

1855

110 12* 18 0

115 20** 21 45***

128

181

Reserven der Königlichen Bank.

** Reserven der Preußischen Bank. *** Gesamtumlauf an Noten der Preußischen Bank und der sechs anderen Notenbanken in Preußen. Ziegler, Der "Latecomer", S. 83. Schätzungen von: Richard H. Tilly, Banken und Industrialisierung in Deutschland 1815- 1870: Ein Überblick, in: Ders., Kapital, S. 29 ff., S. 42. 128

129

272

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

Die preußische Regierung begegnete den Forderungen nach Weiterführung der Eisenbahnprojekte durch den Staat und der "leidenschaftlichen Agitation" 130 für die Zulassung von Notenbanken 131 zur Abhilfe der Situation allerdings ablehnend. Sie versuchte vielmehr, die Spekulation 1843/44 durch drastische gesetzliche Maßnahmen einzudämmen, um dadurch das Geld wieder in die anderen Märkte zurückzulenken. 132 So verbot sie etwa Zeitgeschäfte mit inländischen und allen Handel mit ausländischen Aktien durch die Börsenverordnung vom Mai 1844. Unmittelbarer Anlaß waren Kursverluste der preußischen Staatspapiere; die Regierung fürchtete ein Crowding out ihrer Papiere durch solche aus der Wirtschaft. Grundsätzlich habe es vier Handlungsmotive für die preußische Regierung gegeben, vermutet Tilly: "Die Furcht vor Inflation, die Furcht vor einer eigenständigen ,Geldmacht', die Furcht vor einer Schmälerung der Gewinne der staatlichen Finanzierungsinstitutionen und die Furcht vor einem Anstieg der Kosten der landwirtschaftlichen Kredite." 133 Die direkte Folge dieser Bestimmungen war ein allgemeines Sinken der Aktienkurse und eine Kapitalflucht aus den Eisenbahnwerten, so daß der Weiterbau gefährdet schien. Der Geldnot indes wurde nicht abgeholfen. Im Herbst 1844 erhöhte die Königliche Bank daraufhin zum ersten Mal seit 1836 den Diskontsatz 134 und griff im folgenden Jahr sogar zum Mittel der Kreditrationierung. Lotz, Geschichte, S. 24. Aus der Reihe der Bankprojekte aus der Mitte der 1840er Jahre, die es in vielen Staaten - nicht nur in Preußen - gab, sei hier nur verwiesen auf den Antrag des Freiherrn v. Göler jun. in Baden vom 18.12.1843 (vgl. dazu Felix Hecht, Bankwesen und Bankpolitik in den süddeutschen Staaten. 1819-1875, Jena 1880, S. 102 ff.); auf die lebhaften Diskussionen innerhalb der Hamburger Kaufmannschaft zur Gründung einer "Disconto-Bank" mit Notenrecht (vgl. dazu Manfred Pohl, Hamburger Bankengeschichte, Mainz 1986, S. 76 f.); auf den Vorschlag Friedrich Lists zur Gründung einer Notenbank für den Zollverein (vgl. dazu: Friedrich List, Die große Geldkrisis, die Eisenbahnmanie und die englische Mißernte, in: Friedrich List. Schriften/Reden/Briefe, hgg. von Erwin v. Beckerath/Karl Goeser/ Friedrich Lenz/Wilhelm Notz/Edgar Salin/Artur Sommer. Bd. VII: Die politischökonomische Nationaleinheit der Deutschen. Aufsätze aus dem Zollvereinsblatt und andere Schriften der Spätzeit, hgg. von Friedrich Lenz/Erwin Wischemann, Aalen 1971, S. 403 ff., zuerst im Zollvereinsblatt 1845); vor allem aber auf den Plan Friedrich Harkorts. (Siehe dazu: Friedrich Harkort, Bemerkungen über das Bedürfniß der Errichtung einer Actienbank für Westphalen, Dortmund 1845.) Harkort konnte in seiner Eigenschaft als Deputierter erheblichen Druck auf die preußische Regierung ausüben, den er noch durch die wohlgezielte Mobilisierung der Öffentlichkeit verstärkte. Vgl. Wischermann, Preußischer, S. 384 ff. 132 Vgl. Poschinger, Bankwesen 1, S. 259. 133 Tilly, Finanzielle, in: Ders., Kapital, S. 24. 134 Womit sie im Rheinland auf Protest stieß. Insbesondere Ludolf Camphausen, der Präsident der Kölner Handelskammer, richtete scharfe Kritik an FlottweH gegen die Erhöhung, aber auch gegen die Königliche Bank insgesamt; vgl. Lichter, Preußische, S. 33. 130

131

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

273

Durch strukturelle Veränderungen in der französischen Handelsbilanz gegenüber Preußen floß in diesen Jahren überdies Metallgeld ab, wodurch die Geldmenge sogar noch schrumpfte. Die Handelskammer für Aachen und Burscheid etwa wies darauf hin, daß durch ein "beispielloses Sinken" des französischen Kurses aufgrund des Überschusses im Handel mit Frankreich sich ein die Geschäfte stark behindernder Mangel an Silberkurant eingestellt habe. Preußisches Kurant sei "beinahe gänzlich" aus dem Umlauf verschwunden, was vor allem diejenigen treffe, die am Ende des Jahres ihre Rechnung mit dem Hauptzollamt auszugleichen hätten. Allerdings sah die Handelskammer sich genötigt, auch einen anderen Grund als die Verschiebungen in der Handelsbilanz für den Geldmangel anzuführen: ,,Viele Kaufleute der hiesigen Gegend sind der Ansicht, der Mangel an preußischem Gelde sey viel weniger in den von uns berührten Verhältnissen zu suchen als vielmehr darin, daß der Staat in den letzten Jahren nicht hinreichend habe ausprägen lassen. Durch die Vermehrung der Bevölkerung, Zunahme des Verkehrs und besonders dadurch, daß das Preuß. [sie] Courant in allen deutschen Zollvereinsstaaten Landesmünzen geworden sey, hätte das frühere Quantum bei Weitem nicht mehr genügen können." Daß die Handelskammer diese Meinung unkommentiert ließ, weist wohl darauf hin, daß sie sich der darin enthaltenen Kritik anschloß. 135 Allerdings verhielt sich die preußische Regierung auch weiterhin gegenüber allen Ersuchen um Abhilfe aus der Kurantknappheit intransigent: Diese Art der Klagen sei "eine Wiederholung der seit einiger Zeit fast alljährlich gegen den Schluß des Jahres von einigen Handelskammern theils unmittelbar, theils durch die dortigen Regierungen vorgebrachten ähnlichen Gesuche, welche früher davon ausgingen, die fremden Gold-Münzen, namentlich die Braunschweigischen, Hannoverschen pp. gleich den Preußischen Friedrichsdor gelten und bei den öffentlichen Kassen annehmen zu lassen, weil es allerdings dem Kaufmann und Spekulanten vortheilhaft war, dergleichen Goldmünzen zu 5 rt. [= Reichstaler; gemeint sind preußische Taler] 12 bis 15 sgr. anzukaufen, oder um seine Waaren besser abzusetzen, sie für 5 rt. 20 sgr. auszugeben, und an Königliche Kassen wiederum zu 5 rt. 20 sgr. auszugeben, wodurch ihm in beiden Fällen ein guter Gewinn blieb." 136 Wieder einmal sah die preußische Regierung also die Schuld bei den "Spekulanten" liegen und wies jede Verantwortung von sich. Dennoch mußte auch in Berlin spätestens 1845 klar sein, daß der Versuch, mit restriktiven Maßnahmen des Zahlungsmittelmangels Herr zu werden, nur den Zusammenbruch des Kapitalmarktes be135 Bericht der Handelskammer für Aachen und Burscheid, 12.10.1840, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzrninisterium, I A, Nr. 2096, Blatt 1 ff. Vgl. den Bericht der Regierung von Minden an das Finanzrninisterium, 29.11.1839, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzrninisterium, I A, Nr. 2095, Blatt 21 f. 136 Votum Thiles, 24.1.1842, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzrninisterium, I A, Nr. 2096, Blatt 100 ff., Blatt 100.

18 Otto

274

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

wirkt hatte, "kaum aber die angestrebte Übereinstimmung zwischen monetärer Basis und realwirtschaftlichem Wachstum." 137 Eine grundlegende Reform des Währungswesens schien unabdingbar geworden zu sein.138 Dennoch bedurfte es zweier weiterer Anstöße, um die preußische Regierung zum Handeln zu bewegen. Zunächst war es wieder einmal ein Bankplan des umtriebigen Gründers Bülow-Cummerow, der zur Verbreitung eines Bewußtseins über die Reformbedürftigkeit des Bankwesens auch innerhalb der Regierung beitrug: Bülow-Cummerow regte 1845 die Errichtung einer Zettelbank in Berlin mit einem Aktienkapital von 25 Mio. Tlr. und ebenso hohem Notenausgaberecht an. 139 Damit stieß er bei der Mehrzahl der Berliner Börsenvertreter und anfangs sogar beim König selbst auf wohlwollendes Interesse. "Obwohl [der Plan] schließlich nicht genehmigt wurde, ist es Bülow-Cummerows Verdienst, daß das Problem in den Spitzengremien der preußischen Finanzverwaltung und in der Öffentlichkeit eingehend diskutiert wurde." 140 Beunruhigender war für preußische Regierung jedoch ein Bankplan außerhalb der Grenzen des eigenen Staates. Während man alle Projekte im eigenen Land notfalls durch Manipulation der gesetzlichen Grundlage verhindem konnte, würde dies bei der Notenbank zu Dessau nicht mehr möglich sein, deren Notengeschäft nichtsdestoweniger aber auf das preußische Gebiet abzielte. Über die Motive der Gründer, sich ausgerechnet den Kleinstaat Anhalt-Dessau zur Basis einer Notenbank auszuwählen (die zunächst geplant war mit einem Aktienkapital von 100 Mio. Tlr. und der Möglichkeit zur Erhöhung auf das Doppelte sowie dem Recht einer Notenausgabe in gleicher Höhe!) heißt es bei Poschinger: "Man speculirte dabei auf zwei günstige Momente; einerseits auf die Nähe von Berlin, dessen zahlreiche und höchst unternehmungslustige Börsenspeculanten man in allem Ernst nach Dessau ziehen zu können sich einbildete, und hiernächst auf die Leichtigkeit, die Regierung eines kleinen Staates für das Unternehmen zu gewinnen, einerseits durch die Aussicht auf einen einträglichen pecuniären Gewinn, andererseits durch die der Eitelkeit schmeichelnden Vorspiegelung, auf diesem Wege der Schöpfer eines grossen deutschen National-Institutes zu werden, und sich dadurch die Dankbarkeit der industriellen Welt Deutschlands zu erwerben.' 4141 Die preußische Regierung versuchte, die 137 Ziegler, Der "Latecomer", S. 84. Vgl. Curt Schauer, Die Preußische Bank. Unter Benutzung amtlicher Quellen, Diss. phil. Halle 1912, S. 11. 138 Vgl. Ziegler, Zentralbankpolitische, S. 490. 139 Ganz gehorsamstes Promemoria. Einem Hohen Staats-Ministerio übergeben von Bülow-Cummerow, o.D. (dem Ministerium übergeben am 1.9.1845), in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 155, Blatt 38 ff. 140 Radtke, Die preußische, S. 123. 141 Poschinger, Bankwesen 1, S. 267.

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

275

Gründung mit allen diplomatischen Mitteln zu verhindern; im August 1845 erschienen die ersten offiziösen Warnungen vor dem Projekt in den Berliner Zeitungen. Nachdem davon weitgehend unbeeindruckt im Mai 1846 die Gründung der Bank angezeigt wurde (wenngleich mit einem auf 50 Mio. Tlr. verringerten Grundkapital und Notenausgaberecht), verbot Preußen seinen staatlichen Kassen offiziell die Annahme dieser Banknoten. Zudem erklärte die preußische Regierung dem anhaltinischen Herzog, daß sie die Gründung als eine "Rücksichtslosigkeit" gegen sich betrachte und es auf Maßregeln ankommen lasse. Daraufhin wurde das dritte Programm zur Bankgründung vorgelegt, mit nunmehr nur noch einem Grundkapital von 15 Mio. Tlr. Die Sache verlief schließlich im Sande, als bei einer einberufenen Generalversammlung der an der Bankgründung Interessierten am 15. September 1846 in Dessau der Plan ganz fallengelassen wurde. Der gleiche Personenkreis gründete allerdings am selben Tag dann die Anhalt-Dessauische Landesbank mit einem Grundkapital von 2,5 Mio. Tlr. 142 Christian Rother übernahm aufgrund dieser gefährlichen Entwicklung, die der preußischen Regierung die Kontrolle über das Währungswesen aus der Hand zu schlagen drohte, wie schon zwanzig Jahre zuvor die Initiative für eine Reform des Bankwesens. Anders als bei seinem früheren Projekt war er jetzt allerdings Chef der Königlichen Bank, was sich in seinen Plänen entsprechend niederschlug: Er ging nicht mehr von einer Lösung aus, bei der die Königliche durch eine Landesbank ersetzt werden mußte, sondern von einer Stärkung der bestehenden Bank, namentlich durch die Zuweisung eines Notenkontingentes. Im März 1845 eröffnete Rother die regierungsinterne Diskussion, indem er dem König die schwierige Situation der Hauptbank vor Augen führte. Die Königliche Bank, so Rother, solle eigentlich imstande sein, dem periodisch an- und abschwellenden Geldbedürfnis des Landes durch die bei ihr angelegten Depositen Genüge zu tun. Die immer noch schlechte Vermögenslage der Bank nötige diese jedoch, einen erheblichen Teil der bei ihr investierten Depositen in verzinslichen Staatspapieren anzulegen, und sie werde dies auch weiter tun müssen. Durch den allgemeinen Wirtschaftsaufschwung, aber auch durch die Erlaubnis zur freieren Nutzung der Bankfonds und die Herabsetzung des Zinsfußes bei der Bank von 5 auf 4 % 1837 habe sich freilich die Nachfrage nach Geld bei der Bank sehr erhöht. Bei Schwankungen im Geldbedarf, die sich in jüngster Zeit stark ausgeweitet hätten, seien die zinstragenden öffentlichen Papiere (die sogenannten Depositen- und Pupillengelder) jedoch nur schwer zu realisieren. Deshalb sei die Bank bei einem außerordentlichen Bedürfnis des Verkehrs nach Geld nicht in der Lage, dieses zu befriedigen. Infolgedessen stellte er den Antrag, der Königlichen Bank die Ausgabe von Bank142 Nach: Poschinger, Bankwesen I, S. 268 ff. Vgl. Lotz, Geschichte, S. 27; Kiesewetter, Industrielle, S. 291 ; Sartorius v. Waltershausen, Deutsche, S. 184.

18•

276

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

noten in der Höhe von 10 Mio. Tlr. zu gestatten, die zu einem Drittel durch Bargeld, zu einem Drittel durch Wechsel und zu einem weiteren Drittel durch beliehene Pfänder oder Staatspapiere gedeckt sein sollten: "Die Ausgabe von Banknoten, die weiter keine Kosten, als die ihrer Anfertigung und der Verzinsung und Beschaffung des Realisationsfonds verursachen, bot sich als das nächste und einfachste Mittel dar, um mit voller Sicherheit diesen Uebelständen abzuhelfen.'" 43 Finanzminister FlottweH sprang Rother in seiner Argumentation bei: Auch er stelle eine Zunahme des Geldbedarfs fest, die sich schon an der großen Zahl der Anträge zur Errichtung von Privatbanken mit Notenausgaberecht zeige. Eine Vermehrung der Umlaufsmittel durch Ausgabe von Staatspapiergeld komme jedoch nicht in Frage, weil Preußen ohnehin in letzter Zeit dessen Menge vergrößert habe und eine weitere Ausdehnung in Krisenzeiten "große Verlegenheit" auslösen könne. Deshalb wolle er ebenfalls eine Ausgabe von Banknoten. Zwar könne dies auch durch Privatbanken geschehen, doch sei die Königliche Bank als Emittentirr vorzuziehen, weil die Vergabe des Notenprivilegs an eine private Bank einen großen Anreiz zur mißbräuchlichen Ausgabe von Banknoten bedeute und eine wirksame staatliche Kontrolle nur schwer durchführbar sei. 144 Die mögliche Verstärkung der Betriebsfonds der Königlichen Bank durch die Ausgabe von Banknoten erwies sich jedoch als äußerst umstritten innerhalb der preußischen Regierung. In der direkten Antwort auf Rothers Denkschrift vom 14. November erkannten zwar alle Votanten das Bedürfnis nach einer Vermehrung der Umlaufsmittel in Preußen an, wie sie auch das Bedürfnis nach Verstärkung der Betriebsmittel der Königlichen Bank einsahen. Ebenso einhellig fielen die Voten gegen eine Emission von Zetteln durch private Banken aus. Eine Staatsbank sei vorzuziehen, "da die Organisation der Bank eine Garantie für einen soliden Geschäftsbetrieb und gegen die Gefahr gewinnsüchtiger Spekulationen darbietet" (Innenminister Arnim). Die zahlreichen Anträge auf Gründung von privaten Notenbanken lohnten nicht einmal der weiteren Prüfung: "Es handelt sich aber bei allen diesen Anträgen um nichts weiter als um ein lukratives Geschäft der Antragsteller und Teilnehmer: nicht nur an den Aktien ist voraussichtlich rasch und ungeheuer zu verdienen, sondern die Institute selbst, welche man gründen will, bieten sich fortgesetzt den wildesten, unsichersten Spekulationen und Schwindeleien als Werkzeuge dar [... ]." Darüber hinaus waren sich die Mit143 Denkschrift Rothers an den König (Abschrift), 19.3.1845, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 155, Blatt 27 ff., Blatt 27, und Denkschrift Rothers, die Verstärkung der Betriebs-Fonds der Königlichen Bank durch Ausgabe von Banknoten betreffend (als Manuskript gedruckt), 14.11.1845, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivi1kabinett, Nr. 26886, S. 4 f. u. 6. 144 Votum Flottwells, 12.5.1845, in: GStAPK I. HA Rep. 151 Finanzministerium, I A, Nr. 155, Blatt 32 ff.

Il. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

277

glieder des Staatsministeriums über das weitere Prozedere jedoch uneins. Insbesondere die Frage, ob die Ausgabe von Banknoten durch eine Staatsbank nicht dem Staatsschuldengesetz von 1820 widerspreche (Arnim brachte das vor, unterstützt vom Präsidenten des Handelsamtes Rönne), führte zu heftigen Diskussionen. Aus diesem Grund plädierte Justizminister Uhden für die Errichtung einer privaten Zentralbank unter strenger Staatsaufsicht. Rother jedoch sah keinen Widerspruch zum Gesetz von 1820, weil sich dieses nur auf verzinsliche Schuldpapiere und damit nicht auf Banknoten beziehe.145 Am 16. Dezember verhandelte der Handelsrat (anwesend waren: die Minister Rother, Thile, Bodelschwingh, Flottwell, Uhden, Canitz, der Präsident des Handelsamts Rönne; dazu der Präsident des Hauptbank-Direktoriums Lamprecht sowie höhere Beamte des Finanzministeriums) das Projekt Rothers; wiederum ging es vor allem um die Frage, ob nicht die Ausgabe von Banknoten durch die Königliche Bank mit dem Staatsschuldengesetz unvereinbar sei. Die Mehrheit der Versammlung glaubte dies nicht, fand jedoch "von einigen Seiten heftigen Widerspruch". Die Opposition bildeten namentlich Rönne und jetzt auch FlottweiL Auf der folgenden Sitzung des Handelsrates am 19. Dezember trug FlottweH seinen Alternativplan vor: Besser als die Ausgabe von Banknoten durch die Königliche Bank sei die Neugründung einer auf Aktien beruhenden Landesbank mit Notenrecht Neben der Unverträglichkeit mit dem Staatsschuldengesetz spreche auch gegen den Plan Rothers, daß die Notenausgabe durch die Königliche Bank beim Fehlen eines Stammkapitals gleichbedeutend sei mit einer Erweiterung der Staatsgarantie für das Institut. Dieser Auffassung schloß sich auch Rönne an. 146 Rother antwortete auf die Infragestellung seines Planes: Am 14. Januar 1846 schrieb er, daß der Königlichen Bank in den bisherigen Verhandlungen nicht einmal die Ehre eines ernstlichen Angriffs zuteil geworden sei; diejenigen, die über Entwicklungen in anderen Ländern gesprochen hätten, hätten "nicht einmal ein noch so geringes Verständniß" für die Umstände in diesen Ländern gehabt. Ebenso seien die vorgebrachten Erklärungen gegen die Bank (und die Argumente für eine Landesbank) ohne wirkliche Kraft. Ungeachtet der von ihm diagnostizierten Inkompetenz der Gegner seines Planes wies Rother mit einer Kompromißformel den Ausweg aus der Kontroverse auf: Er schlug jetzt vor, die Ausgestaltung der Banknotenemission durch Zuziehung von Privatkapital und Privatpersonen vorzunehmen, gegen 145 Die Voten der Mitglieder des Staatsministeriums liegen als Anlage der Rothersehen Denkschrift vom 14.11.1845 bei, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26886. 146 Ebd.: Verhandlungen der Mitglieder des Königlichen Handesraths die Verstärkung der Betriebs-Fonds der Königlichen Bank durch Ausgabe von Banknoten betreffend; Verhandlungen vom 16.12. und 19.12.1845.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

die er sich in seinem ersten Entwurf noch vehement ausgesprochen hatte. "Die Bankverwaltung [soll] jedoch ganz und ungetheilt in den Händen des Staats und in der der von ihm ernannten Beamten bleiben [... ]", hatte es dort nämlich geheißen; bei einer gemischten Verwaltung werde es zu Konflikten zwischen den Interessen des Staates und dem der Aktionäre kommen, zudem werde der Staat durch seine Teilnahme Schritte scheinbar sanktionieren, die er in Wirklichkeit nicht haben wolle, denen er aber nicht entgegentreten könne, ohne das Übel noch ärger zu machen. 147 FlottweH indes beharrte auf seinem Plan der Gründung einer Landesbank auf Aktien neben der Königlichen Bank, während Bodelschwingh (obwohl "engagierter Gegner des Aktienwesens" 148) einen Kompromiß in der Form von Rothers letztem Vorschlag anstrebte. Am 17. Februar stimmte das Staatsministerium folglich dem Antrag "auf Verstärkung der Betriebsfonds der Königlichen Bank durch Ausgabe von Banknoten bis zum Betrage von 10 Millionen Thalem" und "zur Erweiterung der Königlichen Bank durch Betheiligung von Privatpersonen und Privatkapital" mehrheitlich zu; dagegen optierten Kronprinz Wilhelm, der die Gründung einer Nationalbank für wünschenswert hielt, sowie Boyens (Kriegsminister) und Flottwell. 149 Gesetzeskraft erhielten die Veränderungen mit der "Allerhöchsten Kabinettsorder, betreffend die Ausdehnung der bisherigen Wirksamkeit der Bank und die fernere Ausgabe von Banknoten seitens derselben" vom 11. April. 150 Rother konnte daraufhin daran gehen, eine Bankordnung zu entwerfen, die dieser Beschlußlage entsprach. Der Ministerpräsident drängte dabei vor allem darauf, daß im Gegenzug zur Ausgabe von Noten durch die Königliche Bank diese verpflichtet werde, nach und nach alle Kassenanweisungen einzuziehen, um so zu einer Einheitlichkeit des Papiergeldumlaufs zu gelangen. In diesem Sinne forderte er auch, daß die Königliche Bank das exklusive Notenrecht in Preußen erhalten sollte. 151 Auch wenn innerhalb des Staatsministeriums weiterhin Vorbehalte gegenüber der Hereinnahme von Privatpersonen und -kapital in die Bank bestanden, konnte doch in einer abschließenden Beratung Anfang Juli 1846 schließlich der veränderten Bankordnung zugestimmt werden. 152 Ebd.: Promemoria Rother, zur Bank-Frage, 14.1.1846. Paul C. Martin, Die Entstehung des preußischen Aktiengesetzes von 1843, in: VSWG 56, 1969, S. 499 ff., S. 526. 149 Protokoll der Beratung des kgl. Staats-Ministeriums vom 17.2.1846; vgl. auch FlottweHs Memorandum (als Manuskript gedruckt) vom 13.2.1846. Beide in GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26886. 150 In: GS 1846, No. 2694, S. 153. Vgl. Veit, Grundriß, S. 453. 151 Rother, Entwurf einer Bankordnung, Bodelschwingh zugesandt am 15.6.1846, mit Bodelschwinghs Randbemerkungen, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26877. 147

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Die Bankordnung für die Preußische Bank 153 , wie sie von nun an hieß, trat am 5. Oktober 1846 in Kraft. Aus der reinen Staatsbank entstand damit ein Institut, das aufgrund der Differenzen in der preußischen Regierung einen eigentümlichen Zwittercharakter hatte: Weil, entgegen den Vorstellungen Rothers, die Mehrheit des Staatsministeriums die Erhöhung des Kapitals der Bank aus staatlichen Mitteln für undurchführbar befunden hatte, wurde die Möglichkeit für private Beteiligungen geschaffen. Das Grundkapital der Bank von insgesamt 10 Mio. Tlr. wurde dafür in 10.000 Anteile zu je 1.000 Tlr. zerlegt (was die Beteiligung des Kleinkapitals fernhalten sollte), die mit einer staatlich garantierten Mindestdividende von 3,5% versehen waren. Schon am 1. September 1846 (die Zeichnungsbedingungen waren am 25. Juli bekanntgegeben worden) hatten allerdings Interessenten für 16 Mio. gezeichnet, so daß die Anteile schließlich zugeteilt werden mußten. 154 Daneben gab der preußische Staat als anderer Gesellschafter eine Mio. Tlr. zum Stanunkapital dazu. Dieser Staatseinschuß entstand im wesentlichen dadurch, daß die Regierung das verbliebene Defizit der Königlichen Bank von 1.353.400 Tlr. deckte. Insgesamt gab der preußische Staat jedoch 2 Mio. Tlr. zur Deckung des Defizits her: "Daraus, daß mehr, als nötig war, für diesen Zweck in einer Periode keineswegs verschwenderischer Finanzpolitik aufgewandt wurde, geht hervor, daß die Regierung großen Wert darauf legte, mit einer wenn auch kleinen Summe Bankteilhaber zu sein." 155 Die Verwaltung und Kontrolle der Bank verblieben jedoch allein in staatlicher Hand, ihre Angestellten Beamte, wenn auch die Besoldung den Einkünften der Bank entstammte. Höchstes Organ für die regelmäßigen Verwaltungsgeschäfte der Bank war das Hauptbank-Direktorium, bestehend aus fünf Mitgliedern und einem Präsidenten. Über der Bank stand ein nur dem König verantwortlicher, an diesen selbst berichtender Chef (regelmäßig der Handelsminister), in dessen Namen alle wichtigen Verfügungen, Ernennungen usw. zu ergehen hatten. Daneben gab es noch die ständige staatliche Kontrollkommission, das sogenannte Bankkuratorium, das bis 1846 aus drei, ab dann aus fünf der höchsten Staatsbeamten 152 Siehe Protokoll einer Beratung zur Bankordnung, 7.7.1846, ebd., Blatt 121 ff., insbesondere Blatt 121 f. u. 132. Teilnehmer der Beratung: die Minister Boyen, Rother, Eichhorn, Thile, Savigny, Bodelschwingh, Aottwell, Uhden; der Präsident des Hauptbank-Direktoriums Lamprecht, die Beamten Düesberg, Roenne und Seydel. Ebenfalls Zustimmung fand die aufgrund der Bestimmung über die Einziehung der Kassenanweisungen von Rother vorgesehene Erweiterung des Notenausgaberechts der Bank um 5 Mio. auf 15 Mio. gegenüber dem ursprünglichen Entwurf. Vgl. auch den Bericht Rothers, in dem die Motive für die Bankordnung beschrieben sind, an den König vom 15.6.1846, ebd., Blatt 158 ff. 153 Bankordnung, für die Preußische Bank, 5.10.1846, in GS: 1846, No. 2759, s. 435. 154 Vgl. Radtke, Die preußische, S. 128. 155 Lotz, Geschichte, S. 31.

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bestand und weiterhin die Rechnungen der Bank periodisch prüfen sollte. Die Anteilseigner waren in der Generalversammlung der 200 Meistbeteiligten, die jährlich tagte, vertreten. Die Generalversammlung wiederum wählte den ständigen Centralausschuß. Das Organ des Centralausschusses für die laufende spezielle Kontrolle waren drei aus seiner Mitte gewählte Deputierte. Die pekuniären Interessen des preußischen Staates an der Bank156 lassen sich aus dem Modus der Gewinnverteilung ersehen: Danach wurden vom Reingewinn zunächst den Anteilseignern (auch dem Staat) je nach ihrer Einlage 3,5% Vordividende gezahlt. Nach Abzug der Vordividende wurden 25% des verbleibenden Gewinns dem Reservefonds zugeschlagen (dieser sollte bei etwaiger Aufteilung zwischen Staat und Privaten nicht nach der Höhe der Anteile, sondern je zu gleichen Teilen verteilt werden.) Der dann noch verbleibende Gewinnüberschuß sollte ebenfalls zu gleichen Teilen zwischen Staat und privaten Anteilseignern aufgeteilt werden. Zudem behielt sich der Staat das Recht vor, nach Ablauf von 15 Jahren die privaten Anteilseigner zum Nennwert und zum entsprechenden Anteil am Reservefonds auszuzahlen, die Bank also zu einem sehr günstigen Preis zu verstaatlichen. Ebenso wie die Besitzverhältnisse war auch die Banknotenemission nach zwei sich eigentlich gegenseitig ausschließenden Grundsätzen geregelt. Waren es im ersten Fall die Prinzipien des staatlichen und des privaten Eigentums an der Bank, die sich widersprachen, so wurde die Deckung der auszugebenden Banknoten nach einer pragmatisch ausgewählten Mixtur aus "Currency"- und "Banking"-Regeln geordnet. "Das Ergebnis war eine kuriose Verbindung des von der Currency-School verlangten Sicherungsmechanismus gegen eine dem Zahlungsbilanzausgleich zuwiderlaufende Geldmengenausweitung mit dem Banking-School Grundsatz der ,bankmäßigen Deckung'." 157 Der "Banking"-Theorie entsprach dabei die Deckung des 156 Richard H. Tilly, Banking Institutions in Historical and Comparative Perspective: Germany, Great Britain and the United States in the Nineteenth and Early Twentieth Century, in: JITE 145, 1989, S. 189 ff., S. 193/4, weist auf die seines Erachtens große Bedeutung hin, die finanzielle Überlegungen in der preußischen Bürokratie bei der Reform der Königlichen Bank gespielt hätten: "What I wish to suggest with these references is that the aristocratic and bureaucratic elites at the center of govemment felt the strength of their position to depend upon control of financial institutions like the Prussian Bank and the Seehandlung. These institutions, properly strengtherred and modemized, would provide them with reliable sources of financial support - certainly more dependent upon govemment aims than any of the banking alternatives discussed. Moreover, the two institutions were a good investment, for not only did they facilitate cooperation with private finance, they also yielded handsome profits." 157 Ziegler, Der "Latecomer", S. 85.

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Notenumlaufs zu einem Drittel in Bargeld und zu zwei Dritteln durch Handelswechsel (anfangs waren auch Lombards und mit gewissen Einschränkungen Staatsschuldscheine deckungsfähig). Damit hielt die sogenannte Dritteldeckung Einzug in Deutschland, die sich zwar theoretisch nicht begründen ließ, aber als eine Art Faustregel bei nahezu allen weiteren Notenbankgründungen angewendet wurde. Weil aber das Vertrauen der preußischen Regierung in die bankmäßige Deckung offensichtlich nur begrenzt war, wurde zusätzlich, womit die Bestimmungen der Peelschen Bankakte an Schärfe noch übertroffen wurden, die Gesamtsumme der auszugebenden Noten begrenzt; damit war eine Ausweitung der Banknotenmenge sogar bei einem Edelmetallzufluß ausgeschlossen. Die Obergrenze der zu emittierenden Notenmenge lag bei 21 Mio. Tlr., wovon die Bank 6 Mio. ausgeben sollte, um den gleichen Betrag Kassenanweisungen aus dem Verkehr zu nehmen. An dieser Umwandlung des Staatspapiergeldes in Banknoten zeigte sich nach Lotz "die Vorstellung, daß Banknoten und Papiergeld gleichartige Cirkulationsmittel seien, daß aber unter beiden die Banknote die [sie] vollkommenere Geldsurrogat sei, mithin die unverzinsliche Staatsschuld nach Möglichkeit durch Notenumlauf ersetzt werden müsse." 158 (Hier hatte sich also binnen weniger Jahre eine fundamentale Veränderung im Denken der Verantwortlichen vollzogen, denn noch 1837 war das Verbot der Banknotenausgabe in Preußen mit der Überlegenheit des Staatspapiergeldes begründet worden.) Die Banknoten mußten mindestens einen Nennwert von 25 Tlr. haben, niedrigere Nennwerte blieben dem Staatspapiergeld vorbehalten, und ihr Umlauf wurde im ganzen preußischen Staatsgebiet gestattet; im Privatverkehr mußten die Noten nicht angenommen werden, jedoch von den öffentlichen Kassen. Bezeichnend für die Bankordnung waren zudem zwei Bestimmungen hinsichtlich der Zinspolitik § 1 der Bankordnung nannte als Zweck der Bank, "einer übermäßigen Steigerung des Zinsfußes vorzubeugen"; § 6 verbot ihr förmlich, 6% Zinsen bei Lombardgeschäften zu überschreiten.

b) Die Normativbedingungen zur Gründung privater Notenbanken Auch nach der Regelung der Bankfrage mit der erneuerten Bankordnung legte sich die diesbezügliche Agitation nicht; vor allem in den Westprovinzen Preußens wurde die Preußische Bank zum Ziel scharfer Angriffe aus Wirtschaftskreisen. Mit der allgemeinen Geldknappheit jener Jahre verband sich die Unzufriedenheit über die mangelnde Unterstützung des Gewerbes: "Das vielleicht nicht ganz genügend befriedigte Kreditbedürfnis der besonders am Niederrhein und in Westfalen emporblühenden Industrie, politische Abneigung gegen das augenblickliche Regierungssystem, gelehrte Anschau15 8

Lotz, Geschichte, S. 41.

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ungen, Vorurteile und Interessen, welche eher für Gründung mehrerer Privatnotenbanken, als einer großen mit dem Staate in Beziehung stehenden Centralanstalt sprachen" 159, all das habe zusammengewirkt, wie Lotz schreibt, um auf dem Ersten Vereinigten Landtag eine leidenschaftliche Opposition gegen die Preußische Bank hervorzurufen, deren Wortführer die späteren Minister Hansemann und Milde waren.160 Die Vorwürfe richteten sich einerseits gegen die enge Verbindung des Staates mit dem Institut (so stelle die Emission der Banknoten einen Verstoß gegen das Staatsschuldengesetz dar 161 , und es sei des Staates nicht würdig, mit Privaten gemeinsam Spekulation zu betreiben), hoben andererseits darauf ab, daß die neue Bankordnung nicht den Anforderungen der Zeit genügen würde (die auszugebende Summe der Noten sei zu gering und die Fundierung der Bank unzulänglich).162 Zudem wurde der neuen Regelung vorgeworfen, sie mache die in Aussicht gestellte Gründung von Privatbanken durch die harten Bedingungen tatsächlich unmöglich. Die Errichtung privater Notenbanken war in der Tat eine zentrale Forderung der preußischen Liberalen, die nicht nur wirtschaftspolitische Gründe hatte, daß nämlich die Preußische Bank als zentrales Institut zu wenig in den Provinzen vertreten sei und deswegen dort nicht ausreichend wirksam werden könne, sondern auch ideologische, indem die privilegierte Hauptbank mit ihrem quasi-Banknotenmonopol als Instrument der konservativen Interessen in der Staatsführung gesehen wurde. Lotz, Geschichte, S. 46. Vgl. das Schreiben des Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Sickmann, an Finanzminister Flottwell, Koblenz 11.4.1846, in: GStAPK I. HA Rep. 95 HauptbankPräsidium, Nr. 76, Blatt 3 f. Dort berichtet Siekmann über eine Versammlung von Industriellen in Düsseldorf vom 5.4., zu der er eingeladen gewesen ist. Von allen Seiten habe er Klagen über den Zustand des Geldverkehrs gehört, der der Hilfe dringend bedürfe. Die Hauptbank-Filiale würde in der schwierigen Zeit ihre Hilfe nicht ausweiten, wie das nötig wäre, sondern ihr Geschäft einschränken. Dies habe ein wahres Dilemma für die Industrie, nicht jedoch für die Bankiers, zur Folge. Hansemann habe ihn gebeten, sich an einem allgemeinen Bankprojekt in Düsseldorf zu beteiligen. Dies habe er aufgrund seiner dienstlichen Stellung ablehnen müssen, sei aber gerne bereit gewesen, das Ersuchen nach Genehmigung nach Berlin weiterzuleiten. Die Mehrheit der Kölner Bankiers hingegen wolle nur die Erweiterung der Königlichen Bank, allenfalls mit Ausgabe von Aktien; unter diesen unterstütze allein Oppenheim die Forderung nach einer Privatbank. 161 So sah dies übrigens auch Friedrich Engels, vgl.: Die Verletzung der preußischen Verfassung (aus: "The Northern Star", London, Nr. 446, vom 30. Mai 1846), und: Über die Preußische Bank (aus: "The Northern Star", London, Nr. 451, vom 4. Juli 1846), in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 4, Berlin 1971, S. 18 f. bzw. 23. 162 Hansemann am 30.4.1847 im Vereinigten Landtag: Der Erste Vereinigte Landtag in Berlin 1847. Erster Theil. Verhandlungen nach den stenographischen Berichten hgg. von Eduard v. Bleich, Teil 1, Berlin 1847, S. 728. Vgl. Poschinger, Bankwesen 2, S. 18. 159

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Auf die weiter anhaltende Flut von Anträgen und die Kritik an der neuen Bankordnung reagierte Friedrich Wilhelm IV. bereits wenige Tage nach der gesetzlichen Festschreibung der Erweiterung der Banknotenausgabe vom 11. April 1846: Der König beauftragte Rother mit der Ausarbeitung von Regeln für die Zulassung von privaten Banken. 163 Rother nahm sich für diese Aufgabe Zeit; erst im November des folgenden Jahres legte er einen Gesetzentwurf "betreffend die Errichtung von Privatbanken durch Gesellschaften mit vereinigten Fonds", d.h. von Aktienbanken, vor. 164 Die darin enthaltenen Grundsätze waren: 1. sollten solche Banken nur außerhalb Berlins errichtet werden dürfen; 2. mußte das Statut der zu gründenden Banken zur landesherrlichen Genehmigung vorgelegt werden; 3. sollte das Grundkapital eine Mio. Tlr. nicht übersteigen. Unter die gestatteten Geschäfte fielen die Diskontierung gezogener Wechsel vom selben Platz, die Gewährung kurzfristiger Darlehen gegen Verpfändung inländischer Inhaberpapiere und Darlehensgewährung sowie vor allem die Ausgabe von Banknoten mit einem Nennwert von mindestens 100 Tlr. (viermal so hoch wie der Mindestnennwert der Noten der Preußischen Bank). Die Banknoten sollten im allgemeinen Zahlungsverkehr die Stelle "des klingenden Geldes" vertreten, jedoch nicht einem generellen Annahmezwang unterliegen, und zu einem Drittel durch Bargeld (oder Silberbarren) gedeckt sein. Zusätzlich mußte für den Gesamtbetrag der Noten eine vollständige Deckung durch diskontierte Wechsel vorhanden sein; eine absolute Obergrenze für die Notenausgabe hingegen sah der Entwurf nicht vor. Besonders einschneidend war die Bestimmung des Paragraphen 31: "Die Antheils-Eigner sind nicht schuldig, zu den Zwecken der Gesellschaft mehr beizutragen, als den Nominalbetrag ihres Antheils; auch sind dieselben bei entstehender Insuffizienz des Gesellschafts-Vermögens zur Erstattung der früher an sie ausgezahlten Zinsen und Dividenden nicht verbunden. Dagegen ist in diesem Falle jeder Antheils-Eigner verpflichtet, zur Erfüllung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach Verhältniß des Nominalbetrages seines Antheils aus seinem Vermögen beizutragen und in gleichem Verhältnisse die etwaigen Ausfälle bei Einziehung dieser Beträge zu übertragen." Damit machte Rother die Solidarhaftung zur Grundlage der Bankenverfassung. Lotz findet harte Worte zur Beurteilung der von Rother entwickelten Bestimmungen für die Gründung von Privatnotenbanken: Anders als die Ordnung der Preußischen Bank seien sie "ein fast plump zu nennender Ver163 Schreiben des Königs an Rother, 11.4.1846, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26878. 164 Ebd.: Entwurf eines Gesetzes betreffend die Errichtung von Privatbanken durch Gesellschaften mit vereinigten Fonds (als Manuskript gedruckt); verfaßt von Rother; o. D., ging dem Staatsministerium seitens des Königs mit der Order zur Beratung im November 1847 zu.

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such, das kaufmännische Leben in die unbequemsten Schranken zu zwingen. Vor allem sind diese Normativbedingungen deshalb nie praktisch geworden, weil darin die in Schottland naturgemäße, aber in Deutschland völlig ungewohnte Solidarhaft der Gesellschafter als Voraussetzung des Notenbankbetriebs gefordert war. Dazu fanden sich alle Vorsichtsmaßnahmen gehäuft, die je in anderen Statuten ausgesprochen waren. Ein Geschäftsbetrieb zur damaligen Zeit unter den Rothersehen Statuten würde undenkbar gewesen sein. " 165 Rother begründete seinen Entwurf in einer längeren Denkschrift. 166 Diese Ausführungen sind ein Schlüsseldokument für die Motive des währungspolitischen Handeins der preußischen Bürokratie in den 1840er Jahren im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und dem merkantilistischen Bestreben nach ihrer Förderung auf der einen, und dem Willen, die gesellschaftliche Stabilität (und den sozialen Status quo) zu bewahren, auf der anderen Seite; aus diesem Grund sollen sie im folgenden ausführlich erörtert werden. "Als ich im Jahre 1845 die Verstärkung der Betriebsfonds der Königlichen Bank durch Ausgabe von Banknoten bei des Königs Majestät in Antrag brachte", beginnt Rothers Darstellung, "war es nicht meine Ansicht, daß nach Allerhöchster Genehmigung meines Antrags die Organisation unseres Kreditwesens als abgeschlossen zu betrachten sei. Die Umgestaltung der Bank selbst mußte zum Theil schon als eine nothwendige Folge der von mir beantragten Maaßregel und der durch dieselbe wesentlich veränderten Stellung des Instituts, noch mehr aber als eine Folge der gesammten Entwickelung des Landes, insbesondere der kommerziellen und industriellen Entwicklung erscheinen. Außerdem konnte ich aber die Nothwendigkeit nicht verkennen, früher oder später auch der Privat-Industrie und der Association für redliche und ernstlich gemeinte Bestrebungen die Bankthätigkeit als ein neues Feld zu eröffnen und die Formen darzubieten und gesetzlich festzustellen, in denen das Bedürfniß des Verkehrs, sobald ein solches wirklich vorhanden ist, die Befriedigung finden kann, die mit der Rücksicht auf die Sicherheit des bestehenden Eigenthums, auf die gesunde Entwickelung des Handels- und Gewerbebetriebs und auf die Erhaltung der Metallzirkulation des Landes verträglich ist." (S. 3). Sodann erklärte Rother, warum in jüngster Zeit verstärkt Forderungen nach Zulassung von privaten Banken erhoben worden seien: "Während des 165 Lotz, Geschichte, S. 48. Zum System der Bankfreiheit in Schottland, einem einzigartigen (und erfolgreichen) Versuch zwischen 1716 und 1844, ein Notenbankwesen weitgehend ohne staatliche Regulierung und ohne eine staatlich kontrollierte Zentralbank zu gestalten, siehe White, Free, S. 24-37. 166 Motive zu dem Entwurf eines Gesetzes betreffend die Errichtung von Privatbanken durch Gesellschaften mit vereinigten Fonds (als Manuskript gedruckt), Verfasser Rother; 3.11.1847, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26878.

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langen Friedens, dessen Preußen zugleich mit dem westlichen Europa sich erfreut, haben auch in unserem Vaterlande Handel und Gewerbe einen raschen und stetigen Aufschwung gewonnen." Dies und die gelegentlich vorgekommenen "Hemmungen und Rückschläge" hätten im Handels- und Gewerbestand die Einsicht verstärkt, "die Mittel der Production durch nahe liegende Maaßregeln zu vermehren oder doch zu entfesseln, allgemeiner zugänglich zu machen und sich in ein freieres Spiel setzen zu lassen. Man hat bemerkt, daß der mächtigste Hebel aller Produktion der Kredit sei [... ]; man hat weiter und mit größerem Gewicht hervorgehoben, wie sehr die Vermehrung und eine jederzeit leicht herzustellende Fülle der Cirkulationsmittel im Stande sei, den Erzeugnissen der Industrie einen leichten und raschen Absatz zu sichern und jene kommerzielle Bewegung zu unterhalten, welche zwar nicht immer die Konsumption zum endlichen Ausgangspunkt hat, aber doch wenigstens den Schein derselben gewährt." Deshalb werde die Errichtung von Banken und die Ausgabe von Papiergeld gefordert (S. 4). Die bestehende Bankengesetzgebung gewähre den Banken (die ein freies Gewerbe seien, das jedem einzelnen wie Gesellschaften ohne Einschränkung offenstehe) die Möglichkeit, zahlreiche Papiere auszugeben und diese "dem Papiergelde sehr nahe zu bringen" (Inhaberwechsel, billets a ordre etc.) und damit die Umlaufsmittel "in einem selten hinreichend gewürdigten Maaße zu vermehren und dem Bedürfnisse des Verkehrs anzupassen. [... ] Das Verlangen nach Banken geht aber davon aus, daß Bankgeschäfte, die von Einem Kaufmann oder Mehreren unter der Herrschaft des gemeinen Rechts, somit unter ihrer unbeschränkten persönlichen Verantwortlichkeit betrieben werden, der industriellen Entwickelung nicht mehr genügen. Es sei diesen zuviel Gebundenheit, zuviel Verantwortlichkeit und vor Allem zuviel Friktion." Man wolle Banken als besondere Institutionen in einem besonderen Rechtsstatus. Solche Banken würden nicht ohne Genehmigung des Staates ins Leben treten oder ohne staatliche Aufsicht betrieben werden wollen, "da dieselbe schon an sich geeignet ist, ihren Kredit zu verstärken und in weiteren Kreisen wirksam zu machen [... ]." (S. 5). Derartige Banken würden sich durch die Zahl ihrer Anteilseigner und ihre innere Organisation sowie ihre Stellung zur Regierung sehr dem Charakter von öffentlichen Institutionen nähern, "ein neues und eigenthümliches Element in dem Organismus unseres Kreditwesens, gewissermaaßen ein Mittelglied zwischen den Privatbanquiers und der Preußischen Bank, als dem Central-Institute, bilden ... " (S. 6). Besonders wichtig aber sei die Stellung öffentlicher Banken als Mittler zwischen Produzenten und Gewerbetreibenden. Der größte Teil des Kredits in der Wirtschaft werde von dieser selbst (durch Wechsel) erzeugt. Der Zwischentritt der Privatbankiers erhöhe die Umlauffähigkeit solcher Papiere (durch Diskontierung); allerdings beschränke die rechtliche Natur der Wechsel (Notwendigkeit des Indossaments bei jeder Übertragung, festgeleg-

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tes Verfallsdatum) deren Umlauffähigkeit "Indem daher die öffentlichen Banken an die Stelle der Handelseffekten ihre Noten setzen, gewähren sie dem in Rede stehenden Kreditverkehre eine wesentliche Erleichterung und leisten ihm einen eigenthümlichen Dienst. Sie ersetzen ein Umlaufsmittel, dessen Cirkulation seiner Natur nach nur langsam, schwierig und beschränkt sein kann, durch ein solches, welches nicht nur in weiten Kreisen, sondern auch mit großer Leichtigkeit umläuft [... ]; sie verwandeln ein Werthzeichen, welches nicht zerkleinert werden kann und nicht zu jeglichem Gebrauche, nicht einmal zur Bezahlung jedes Kaufmanns dienen kann, in ein Geldzeichen und Zahlmittel, welches, soweit der Kredit der Bank reicht, in der Regel zu allen Zwecken taugt und sich insbesondere dadurch von den meisten Handelseffekten unterscheidet, daß bei denselben, wie beim Gelde, durch das bloße Cirkuliren desselben gar kein Rechtsverhältniß unter denjenigen Personen entsteht, durch deren Hände es geht." (S. 8). Dann widmete sich Rother den Gefahren, die von solchen Banken ausgingen. Zunächst würden sie eine Konzentration der Kreditgeschäfte des betreffenden Kreises auf einen Ort, den Bankplatz, mit sich bringen (S. 11). Er fuhr fort: "Die gesammte Wirksamkeit der Bank beruht auf ihrem Kredit, sowohl wenn sie ihre Betriebsmittel allein durch Giro- und DepositenVerkehr erwirbt, als wenn solches zugleich durch Ausgabe von Noten geschieht. Dieser Kredit wiederum beruht nicht blos auf dem eigenthümlichen Vermögen der Bank, sondern in viel höherem Grade auf dem Glauben, daß die Debitoren der Bank zahlungsfähig und zur Zahlung willig sind, ist somit von der Art und dem Charakter der Geschäfte und Unternehmungen abhängig, welche von ihren Kunden unternommen werden, überhaupt von dem jedesmaligen wirthschaftlichen Zustande ihres Verkehrskreises." Andererseits seien die Geschäfte des Kreises wiederum in ihrem Bestand von der Fortdauer des Kredits der Bank abhängig. "Diese Wechselwirkung begründet die Eigenthümlichkeit des Bankkredits, seine eigenthümliche Reizbarkeit und Fragilität [... ]." Daraus ergebe sich eine potentiell verderbliche Wirkung der Bank, weil sie in wirtschaftlichen Krisen diese verschärfen würde, da sie in einer solchen Situation zur Einschränkung ihres Kredits gezwungen sei (S. 11 f.). Ein weiteres Risiko, das von den Banken ausgehe, sei "die Gefahr zu ausgedehnter und zu bereitwilliger Begünstigung der Speculation und Ueberproduktion und die vielleicht noch größere einer einseitigen, parteiischen und in jeder Beziehung - nach Personen und Gegenständen - willkürlichen Kapitalvertheilung." (S. 14). Mit letzterem sei die einseitige Berücksichtigung der Teilhaber bei den Bankgeschäften und die Zurückweisung von deren Konkurrenten gemeint, die letztlich "zur Begründung einer sehr gefährlichen Herrschaft Weniger über die Kapitalien und Hülfsmittel des Landes führen." (S. 17).

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Die spezifischen, durch die Notenausgabe entstehenden Gefahren diskutierte Rother im folgenden: "Der Kern der Bankfrage liegt freilich in der Natur und Ausdehnung der von den Banken bewilligten Kredite; und ihre Fähigkeit und Geneigtheit, allen Speculationen Nahrung zu geben, die Zerrüttungen, die solche Operationen im Gefolge zu haben pflegen, so wie die einseitige, häufig unnatürliche und gewaltsame Richtung, welche der Gewerbetätigkeit des Landes durch ihre Wirksamkeit gegeben werden kann, sind durch die Befugniß zur Notenemission keineswegs bedingt. Es ist vielmehr nicht zu verkennen, daß das fast ausschließliche Gewicht, welches bei der Bankfrage auf die Fluktuationen der Notencirkulation und deren Folgen gelegt worden ist, die Aufmerksamkeit viel zu sehr von dem eigentlichen, tiefer liegenden Kern der Sache abgezogen hat, nämlich von der gefährlichen Tendenz der Banken, die ihnen anvertrauten und durch besondere Kreditoperationen zur Dispositione erhaltenen Kapitalien sowohl als die ihnen eigenthümlichen mit gewissenloser Leichtigkeit auf bodenlose, schwindelhafte Unternehmungen, gegen ungenügende oder zweifelhafte Sicherheiten und außerdem nach Gunst und Rücksicht auszuleihen." (S. 18). Noten hingegen seien vor allem deshalb problematisch, weil ihre Ausgabe die Konjunktur (= Geschäfte + Warenpreise) anheizen könne und damit wiederum die Nachfrage nach Noten; Rother unterstellte also ein Inflationsrisiko bei der Ausgabe von Noten durch private Banken (S. 19). Den hohen Nennwert, den die Banknoten seinem Entwurf zufolge tragen mußten, begründete er damit, daß nur so für eine ausschließliche Verwendung der Banknoten im Großhandel zu sorgen sei; dies sei wiederum von Bedeutung, weil dessen wirtschaftliches Kalkül eine Panik, bei der die Bank die Noten nicht mehr einlösen könne, verhindern würde. Zudem brächten kleine Noten eine Gefahr für die metallische Basis des Geldumlaufes eines Landes mit sich, weil sie das Bargeld aus dem kleinen Verkehr verdrängen könnten (S. 22). Obwohl er die Vorteile der Banken anerkenne, schloß Rother, halte er sie dennoch nicht für eine Notwendigkeit, "dergestalt, daß die Staatsregierung gewissermaaßen die Verpflichtung habe, dergleichen Institute ins Leben zu rufen" oder die Entstehungsbedingungen so zu verfassen, daß mit Sicherheit mit der Gründung zu rechnen sei (S. 25). "Die Gesetzgebung darf sich daher nach meinem Dafürhalten darauf beschränken, die Formen darzubieten und die Bedingungen allgemein auszusprechen, welche sie für die Ausübung der Bankthätigkeit durch Privatgesellschaften unerläßlich hält. Im Uebrigen kann sie der Privatindustrie überlassen, in wiefern sie sich dieser Formen bedienen und den Bedingungen unterwerfen will, ohne es für sich als einen Vorwurf gelten lassen zu dürfen, wenn die Privatindustrie längere oder kürzere Zeit sich nicht geneigt zeigt, den ihr geöffneten Weg einzuschlagen [... ]." (S. 26)

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Rother begründete die von ihm vorgeschlagenen restriktiven Bestimmungen für die Errichtung privater Notenbanken demnach vor allem damit, daß solche Banken zwar aus der Perspektive der Kaufleute durchaus wünschenswert erschienen, sie aus staatlicher Sicht hingegen nicht ungefährlich für den Geldumlauf insgesamt wie auch für die notwendige staatliche Kontrolle über das Währungswesen seien. Daher müsse es das vordringliche Bestreben der preußischen Regierung sein, Sicherungen gegen diese Gefahren zu errichten, und nicht, den kaufmännischen Wünschen Genüge zu tun. Dem Irrkrafttreten der Rothersehen Normativbedingungen kam die Revolution von 1848 zuvor; mit der Revolution aber ging ein akuter, drückender Geldmangel in Preußen einher. 167 Diese Situation ließ für die Geldpolitik einen dringenden Handlungsbedarf entstehen. Gleichzeitig brachte die Revolution mit David Hansemann einen der wichtigsten Proponenten eines Systems privater Notenbanken in das Amt des Finanzministers. Er nahm damit eine Schlüsselposition in der weiteren Entwicklung des Notenbankwesens in Preußen ein. Der (vorläufige) Sieg der liberalen Bewegung in den Märztagen löste eine neue Welle von Bankprojekten aus; offensichtlich waren die Gründer beflügelt von der Hoffnung, ihr einstiger Wortführer Hansemann (im Verbund mit dem ebenfalls liberalen Handelsminister Milde, der als Chef der Bank formal zuständig war) würde nun Normativbedingungen erstellen, die den Aufbau eines Systems privater Zettelbanken ermöglichten. So forderte es auch die preußische Konstituierende Nationalversammlung. In der Tat erklärte Hansemann im Mai 1848, daß in der bestehenden Krisensituation die Errichtung von Privatbanken in den Provinzen "höchst wünschens167 Vgl. u. a. den Handelsbericht Köln, in: Handels-Archiv 1849. Erste Hälfte, S. 38 ff. , S. 39. Dort findet sich die Schilderung, wie sich die Geldknappheit zur Bankkrise auswuchs (gemeint ist der Beinahe-Zusammenbruch des Bankhauses Abraham Schaaffhausen, das daraufhin zur Aktienbank umgewandelt wurde, im übrigen zur einzigen Preußens - neben der Deutschen Bank (1870) - vor der Liberalisierung des dortigen Aktiengesetzes 1870; vgl. dazu Charles P. Kindleberger, The Formation of Financial Centers: A Study in Comparativ Economic History, Princeton N.J. 1974 (Princeton Studies in International Finance No. 36), S. 24; in der Folge kam es zu einem massenweisen Abzug von Spargeldem bei allen Banken). Siehe bspw. auch die Interpellation des Abgeordneten Rehfeldt in der Preußischen Nationalversammlung: "Was ist die allgemeine Klage? Das Geld fehlt! Das Vertrauen fehlt! Es ist leider damit so weit gekommen, daß viele Kreditmittel, ja vielleicht der größte Theil derselben, jetzt nicht mehr vorhanden ist. Die Fonds, welche durch Ziehung von Wechseln geschaffen wurden, sind zum großen Theil weggefallen, weil entweder manche Geldhäuser aufgehört haben, Geschäfte zu treiben, oder weil diejenigen, die sie noch betreiben, dieselben in solchem Maße eingeschränkt haben und solche Rücksichten dabei anwenden, daß es fast auf eine Nichtbetreibung hinausläuft." Verhandlungen der Preußischen National-Versammlung zu Berlin. Stenographische Berichte: Erste Abtheilung. - Erste bis zweiunddreißigste Sitzung, Breslau 1848, Achte Sitzung, 2.6.1848, S. 110.

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werth" sei und daß dafür die entsprechenden Grundlagen geschaffen werden müßten. Zwar solle der Staat keine Garantie für die auszugebenden Zettel übernehmen, "sich aber wohl, um diese in meinen Augen höchst wünschenswerthen Unternehmungen möglichst zu fördern, daran durch Uebernahme begränzter das Staats-Interesse nicht gefährdender Garantien betheiligen [können], wobei er nur, es sei durch gesetzliche Vorschriften, es sei durch die persönliche Aufsicht seiner Bank-Kommissare, sorgfaltig zu kontroliren hätte, daß das Publikum für die zu schaffenden neuen Cirkulations-Mittel, durch Begränzung der Ausgabe und Festsetzung des in baaren Valuten in der Bank zu verbleibenden Gegenwerthes, sicher gestellt würde. " 168 Dem König schlugen Hansemann und Milde vor, daß kein Gesetz über die Errichtungsbedingungen von Privatbanken erlassen werden sollte (auch dies war eine ältere liberale Forderung), sondern eine Verordnung über allgemeine Bestimmungen hinsichtlich der zu einer solchen Gründung notwendigen Statuten; wenn ein Bankprojekt diesen Bestimmungen entspreche, solle es automatisch zugelassen werden. Insbesondere müsse durch derartige Bestimmungen gesichert werden, daß die auszugebenden Noten weder den Umlauf des Metallgeldes störten noch dem Umlauf des Staatspapiergeldes oder der Noten der Preußischen Bank hinderlich sein könnten. Dann würde die Errichtung von Privatbanken mit Befugnis zur Notenausgabe auch segensreich wirken können, "um den, auf dem Handel und auf der Fabrikation lastenden Druck zu erleichtern, unbenutzt liegende Kapitalien der Cirkulation zuzuführen und Vertrauen zu befestigen [... ]."169 168 Hansemann an Patow (Legationsrat im Handelsministerium und dessen interimistischer Chef), 15.5.1848, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, I, Nr. l Vol. 1, Blatt 23 f. 169 Ebd.: Bericht des Finanzministers und des Handelsministers an den König, 11.9.1848, Blatt 58 ff. Vgl. Gutachten der siebenten Abtheilung der Kurie der drei Stände des Vereinigten Landtages über die Anträge der Abgeordneten Fabricius, Hansemann und Hüffer, die Errichtung von Privatbanken betreffend, Berichterstatter Abgeordneter Camphausen, 17.6.1847, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26878. (Zu dieser Abteilung gehörten die Abgeordneten Graf v. Finkenstein, v. Fock, Bauch, Reitsch, König, Camphausen, v. Holzbrinck, Winkler, Heinrich, Aldenhoven). Berichtet wird hier über die Anträge der Abgeordneten Fabricius (Zulassung von Privatbanken in den Provinzen), Hüffer (Errichtung von Privatbanken in den Provinzen, deren Grundkapital zu mindestens drei Vierteln auf Hypotheken beruhen und die in Höhe der Hypotheken Banknoten ausgeben sollten) und Hansemann (Gründung einer Zettelbank für den ganzen Zollverein, Aktienkapital 75 bis 100 Mio. Tlr., oder für Preußen mit 40 Mio., außerdem Zulassung von Privatbanken). Das Gutachten lehnte die Anträge bezüglich einer Notenbank für den Zollverein (weil dies die Zustimmung der anderen Vereinsregierung erfordere), einer großen Notenbank in Berlin (weil eine solche bereits bestehe) und der Gründung von Zettelbanken mit hypothekarischer Sicherheit (wegen der unterschiedlichen Fristigkeit) ab. Es sprach sich hingegen für den Antrag zur Gründung von Privatbanken in den Provinzen aus, weil eine Hauptbank mit Provinzialkontors nicht ausrei19 Otto

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

Allerdings erwies sich entgegen allen Erwartungen die Bankpolitik der liberalen Regierung als ambivalent, indem sich ein Widerspruch auftat zwischen den befürwortenden Aussagen Hansemanns sowie dem fördernden praktischen Umgang mit Bankprojekten und der restriktiven Ausgestaltung der Normativbedingungen. Auf der einen Seite bemühte sich Hansemann nach Kräften, in der kurzen Amtszeit, die ihm als Finanzminister blieb, um eine Unterstützung vieler Bankprojekte. So trat er etwa für den Plan Friedrich Harkorts zum Aufbau einer Notenbank in Hagen ein, sogar entgegen dem Grundsatz, derartige Gründungen nur in großen Städten zu bewilligen; in diesem Fall erschien ihm die industrielle Bedeutung Hagens groß genug, um eine Ausnahme zu gestatten. 170 Tatsächlich genehmigt wurde allerdings 1848 nur eine Notenbank, die städtische Bank zu Breslau. Ebenso "in der Aufregung des Augenblicks'" 71 stimmte im übrigen die sächsische Regierung der Errichtung einer Zettelbank in Chemnitz zu. In Württemberg rief sogar die Regierung selbst dazu auf, aufgrund der "allgemeine(n) Creditlosigkeit und .. . Zurückhaltung des haaren Geldes", eine Bank mit einem Kapital von 2 Mio. fl. zu gründen. Obwohl die Finanzverwaltung bereit war, sich an der Aufbringung des Kapitals zu beteiligen, scheiterte das Projekt dort jedoch an der ungenügenden Zahl privater Kapitalgeber. 172 Die Inhalte der Normativbedingungen indes bildeten einen auffälligen Gegensatz zum Wohlwollen, das der preußische Finanzminister zahlreichen ihm angetragenen Bankprojekten entgegenbrachte. In den Vorschlägen Hansemanns und Mildes zur Abänderung der Rothersehen Bankordnung hieß es zunächst, daß es das gute Recht des Staates sei, derartige Bestimmungen zu ehe, um die Bedürfnisse des Verkehrs zu befriedigen. Zudem wollte die gutachtende Abteilung den Fortfall der Solidarhaftung. Darüber hinaus solle kein Gesetz über die Zulassung von Privatbanken erlassen werden, weil jede Zulassung an sich ein Gesetz sei, die jeweils einer Einzelfallprüfung bedürfe. 170 Hansemann an Milde, 14.7.1848, und an Harkort, 13.7.1848, in: GStAPK I HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, Nr. 2 Vol. 1. Ebenso unterstützte er das Projekt einer Zettelbank in seiner Heimatstadt Aachen; zwar sei der Wunsch nach staatlichen Zuschüssen abzulehnen, jedoch könne eine begrenzte Staatsgarantie in Aussicht gestellt werden. Hansemann an Patow, 12.5.1848, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, 1, Nr. 1 Vol. 1, Blatt 48. Weitere, an Hansemann herangetragene Bankprojekte (ebd.): Aus Stralsund, am 8.6.1846 von Rother (Blatt 38) mit der Begründung zurückgewiesen, es werde gerade ein allgemeines Gesetz über die Zulassung von Privatbanken beraten, im April 1848 an Hansemann herangetragen; aus Brandenburg (Disconto-Bank), 18.5.1848 (Blatt 39); Aachen, 10.11.1847, Blatt 71 ff. u. 75 ff., zurückgewiesen von Handelsminister Milde, 1.9.1848, Blatt 69, zuvor schon abgelehnt von Rother, 12.1.1848, Blatt 95 ff.; Plan zur Gründung einer preußischen Landesbank, die die Preußische Bank ersetzen sollte, von Theodor Naphtali, 16.6.1848, Blatt 102 ff. 17 1 Lotz, Geschichte, S. 50. 172 Es wurden nur Anteile für 300.000 fl. gezeichnet. Vgl. Hecht, Bankwesen, s. 29.

Il. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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erlassen: "Wenn sich der Staat zu Gunsten dieser Banken eines Theils der Ausübung seines Münzregals begiebt, so steht es ihm auch zu, die Bedingungen anzugeben, unter welchen sich die Privat-Bank-Gesellschaften dieser Vortheile zu erfreuen haben, insbesonderen ein Maximum des Gesammtbetrages der in Umlauf zu setzenden Privatbanknoten zu bestimmen." Des weiteren sprach der Antrag davon, daß die vorgeschlagenen Normativbedingungen von dem Gedanken ausgehend formuliert worden seien, vor allem die Lebensfähigkeit der zu gründenden Banken zu sichern. Dies ließen die konkreten Richtlinien jedoch nicht erkennen: Ihnen zufolge war für jede preußische Provinz (außer dem bereits bedachten Schlesien) nur eine Zettelbank zuzulassen; die Gesamtsumme der von diesen auszugebenden Noten durfte sieben Mio. Tlr. nicht überschreiten (also eine Mio. je Bank). Das Stammkapital sollte auf je eine Mio. Tlr. begrenzt werden, mußte voll eingezahlt werden (zu mindestens einem Drittel in bar, einem Drittel in diskontierten Wechseln und einem Drittel in zinstragenden inländischen Staatsoder Kommunalpapieren) und ständig in der Bank verbleiben. Die Geschäfte der Bank waren auf denjenigen Landesteil, für den sie ihre Konzession erhalten hatte, zu beschränken. 173 Allerdings war vorgesehen, die Solidarhaftung, weil sie abschreckend auf potentielle Bankgründer wirke, zugunsten einer auf das Stammkapital und die sonstigen Aktiva der Bank begrenzten Haftung entfallen zu lassen. Dafür hatte Friedrich Wilhelm IV. schon im August die Genehmigung erteilt. 174 Am 15. September stimmte der König dann den veränderten Normativbedingungen entlang der vorgeschlagenen Linien zu. 175 Die ausgearbeiteten Bestimmungen waren nicht dazu angelegt, wie Hansemann und Milde dies dargelegt hatten, die Lebensfähigkeit der zu gründenden Banken zu sichern; vielmehr lesen sie sich ganz wie ein Programm zum Schutze der zentralen Stellung der Preußischen Bank: Allein deren Noten durften in ganz Preußen kursieren, keine weitere Notenbank würde in Berlin konzessioniert werden, ihr Notenausgaberecht war dreimal so groß 173 Antrag der Minister Hansemann und Milde, einschließlich Entwurf der Bedingungen für die Zulassung von Privatbanken in den Provinzen, 11.9.1848, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26878. 174 Genehmigung des Königs, an Hansemann und Milde, 15.8.1848, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, 1, Nr. 1 Vol. 1, Blatt 114. 175 Friedrich Wi1helm an Hansemann und Milde, 15.9.1848, in: GStAPK I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, Nr. 26878. Der konkrete Entwurf der neuen Normativbedingungen war von einer Kommission aus Vertretern des Handels- und des Finanzministeriums erstellt worden; vgl. Entwurf der Verordnung über die Gründung von Privatbanken, unterzeichnet Bloch, v. Rabe, Oesterreich; Anlage zum Bericht des Finanzministers und des Handelsministers an den König, 11.9.1848, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, 1, Nr. 1 Vol. 1, Blatt 62 ff. 19*

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

wie das aller anderen Zettelbanken zusammen. Eine entscheidende Benachteiligung der privaten gegenüber der Preußischen Bank war zudem das Verbot, verzinsliche Depositen aufzunehmen. Ebenso auf eine Zentralisierung des Papiergeldwesens auf die Preußische Bank hin wirkte eine unmittelbare Maßnahme der Nothilfe, die ergriffen wurde, um die Zahlungsmittelknappheit zu lindern und dem in der Revolution zusammengebrochenen Kreditmarkt wieder Leben einzuhauchen: Hansemann stellte der Preußischen Bank einen Kredit von 5 Mio. Tlr. zur Verfügung und ermächtigte sie zur Errichtung von Darlehenskassen, die Staatspapiergeld (bis 10 Mio. Tlr.) ausgeben durften ("Darlehenskassenscheine"). 176 In dieser ambivalenten Bankpolitik der Regierung Campbausen-Hansemann spiegelte sich die Zerrissenheit der preußischen "Staats-Liberalen" zwischen dem Willen zur Reform und der Revolutionsfurcht wider. Das Märzkabinett suchte den Kompromiß mit den alten bürokratischen Eliten, die innerhalb gewisser Grenzen den angestrebten Reformen ihre Unterstützung zukommen ließen. "Nur so glaubten die altliberalen Märzminister der scheinbar unaufhaltsam anstürmenden Bewegung einen festen Damm entgegenstellen zu können. Aus der parlamentarischen Opposition des Vormärz war eine entscheidende Stütze der Hohenzollernmonarchie geworden." 177 Im Ergebnis bedeuteten daher weder die 1848er Revolution im allgemeinen noch die kurzzeitige liberale Regierung Camphausen-Hansemann im besonderen eine Zäsur in der preußischen Währungspolitik, weil die liberalen Minister mit nur geringfügigen Modifikationen den bereits von Rother vorgezeichneten Weg gingen, der auf eine strenge staatliche Überwachung jeder privaten Banknotenausgabe und eine Zentralisierung des Papiergeldwesens auf die Preußische Bank hinauslief; der primäre Beweggrund dieser Politik aber war das Bestreben, die staatliche Gewalt über die Geldpolitik auch bei einer erheblichen Ausweitung des Papiergeld- gegenüber dem Münzanteil in der Gesamtgeldmenge zu bewahren. Unmittelbar nach der Schaffung der Normativbedingungen traten Hansemann und Milde als Minister zurück. Erst im Dezember wurden ihre Posten wieder besetzt: In der Regierung Brandenburg-Manteuffel übernahm v. Rabe (ein Mann aus der preußischen Verwaltungslaufbahn) das Finanzministerium, von der Heydt (der ehemalige Chef eines alten Bankhauses in Elberfeld) das Handelsministerium; Hansemann wurde Chef der Preußischen Bank. Heydt zog in der Folge alle Eingaben wegen neuer Bankgrün176 Zu den Darlehenskassen und dem von ihnen (gegen die pfandweise Hinterlegung von Wertpapieren und Waren) ausgegebenen Papiergeld vgl. Pick, Papiergeld, S. 148; Ziegler, Der "Latecomer", S. 87. 177 Rüdiger Hachtmann, Berlin 1848. Eine Politik- und Gesellschaftsgeschichte der Revolution, Bonn 1997 (Veröffentlichungen des Instituts für Sozialgeschichte e. V., Braunschweig, Bonn), S. 290.

II. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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dungen an sich. Während Hansemann den Bankprojekten gegenüber noch grundsätzlich positiv eingestellt und auch eine Abweichung von den Normativbedingungen in gewissen Grenzen zu tolerieren bereit gewesen war, fanden entsprechende Gesuche in Heydt keinen Förderer mehr. Nicht nur lehnte er alle Erleichterungen der strengen Geschäftsauflagen für die bereits existierenden Banken ab 178 , sondern er verhinderte auch jede Neugründung, sogar unter den Bedingungen vom September 1848. Neue Privatnotenbanken konnten in Preußen nach dem Erlaß der Normativbedingungen daher zunächst auch nicht errichtet werden, hingegen unterwarfen sich ihnen die bestehende Ritterschaftliehe Privatbank in Stettin und der Berliner Kassenverein (seit 1850 Bank des Berliner Kassenvereins als Aktiengesellschaft). 3. Grundlinien der Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mit der Gründung der Preußischen Bank wurde ein erster Markstein gesetzt auf dem Weg, der zur Entwicklung eines deutschen Zentralbanksystems führte. Von Bedeutung war dabei nicht nur die Verfassung der Preußischen Bank selbst als eines starken Institutes mit privater Kapitalbeteiligung, aber unter strikter staatlicher Kontrolle. Entscheidend waren auch die Sicherungen, die die preußische Regierung für die zentrale Stellung der Bank errichtete, indem sie dem Verlangen der gewerblichen liberalen Kreise nach einer Erweiterung der monetären Basis entgegenkam, gleichzeitig aber die Entstehung eines Systems privater Notenbanken verhinderte. Diesem Prozeß, der vor dem Hintergrund der mit Macht einsetzenden Industrialisierung ablief, kam deshalb eine so eminente Bedeutung für die weitere Entwicklung des Papiergeldwesens in ganz (Zollvereins)Deutschland zu, weil mit der Preußischen Bank das zentrale Noteninstitut der wirtschaftlichen Hegemonialmacht Mitteleuropas ins Leben trat. Die Hauptlinien der dargestellten Entwicklung sollen im folgenden noch einmal zusammengefaßt werden. 1. Anpassungsdruck auf die monetären Systeme aufgrund der Veränderungen der wirtschaftlichen Basis (Industrialisierung): Es ist gezeigt worden, daß und aus welchem Grund mit der einsetzenden Industrialisierung (insbesondere durch den Eisenbahnbau) grundlegende Veränderungen der monetären Systeme notwendig wurden. Vor allem galt dies für eine erheb178 Vgl. SchreibenRabesan Heydt, 28.11.1849, in: GStAPK I. HA Rep. 120 Ministerium für Handel und Gewerbe, A XI, 1, Nr. 1 Vol. 1, Blatt 225 ff. : Heydt lehnte es ab, den Privatnotenbanken zu gestatten, auch Wechsel mit nur zwei Unterschriften (statt drei) zu diskontieren und verzinsliche Kapitalien annehmen zu dürfen, wie von Gesterreich und Seydel vorgeschlagen (Bericht Oesterreichs und Seydels, 20.10.1849, Blatt 220 ff.), während Rabe dafür war.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

liehe Ausweitung der Zahlungsmittelversorgung, die in einem Metallgeldsystem nicht zu leisten war. Diese Krise des monetären Sektors wurde in Preußen erwartungsgemäß dort am deutlichsten wahrgenommen, wo die Geschäftswelt am stärksten von einem funktionierenden Geldwesen abhängig war: "Dies waren innerhalb der ökonomisch am weitesten entwickelten Region, der nördlichen Rheinprovinz, die Privatbankiers und die Handel- und Gewerbetreibenden." 179 Von dorther wurden dann auch die meisten Anträge an die Regierung in Berlin gestellt, der Knappheit der Zahlungsmittelversorgung abzuhelfen. Das vorgeschlagene Mittel war dabei, die Gründung privater Banken (in der Regel auf Aktienbasis) zuzulassen, die mit einem Notenausgaberecht auszustatten seien. Die preußische Regierung - und mit ihr auch die Regierungen der anderen größeren Staaten des Zollvereins - verharrte jedoch in ihrer ablehnenden Position gegenüber solchen Gründungen, vornehmlich, um den Umlauf des Staatspapiergeldes nicht zu stören, dann aber auch aus einem tiefsitzenden Mißtrauen gegenüber der unkontrollierbaren wirtschaftlichen Entwicklung und ihrer Instrumente heraus. Auch der Plan zur Gründung einer großen Landesbank (1824/25), der von Rother aus merkantilistischen Motiven der Wirtschaftsförderung, bei gleichzeitiger Wahrung der staatlichen Kontrolle, ausgearbeitet wurde, scheiterte an den ganz unterschiedlichen Interessen innerhalb des Staatsministeriums. Erst 20 Jahre später wurde der Druck auf die preußische Regierung so groß, daß sie sich zum Handeln gezwungen sah; dazu bedurfte es neben der immer mehr anschwellenden Flut an Konzessionierungsgesuchen für private Notenbanken vor allem eines Anstoßes von außen: Erst als mit dem Bankprojekt von Dessau das Papiergeldmonopol des preußischen Staates in Gefahr geriet, weil die geplante Bank nicht der eigenen Jurisdiktion unterlag, wurde mit der Preußischen Bank ein Institut mit bedeutungsvollem Notenemissionsrecht geschaffen. Das entscheidende Merkmal der Verfassung der Preußischen Bank wiederum war, daßtrotzder Hereinnahme privaten Kapitals (ohne das die Bank nicht hätte gegründet werden können, weil es dem Staat an Mitteln mangelte, sie ausreichend auszustatten) die staatliche Präponderanz in allen Belangen der Papiergeldpolitik gewahrt blieb. Damit findet sich im Papiergeldwesen ein sehr ähnlicher Beweggrund, wie er auch schon in der Münzpolitik für das preußische (und bayerische) Eingehen auf die Münzverträge nachgewiesen worden ist: der unbedingte Wille zur Abwehr äußerer Einflüsse, durch die die währungspolitische Souveränität eingeschränkt zu werden drohte. 2. Die Neuordnung des preußischen Papiergeldwesens von 1846/48 als Ausdruck eines sich anbahnenden "Klassenkompromisses" zwischen Agra179

Lichter, Preußische, S. 30.

Il. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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riern und Bourgeoisie? Aus der marxistischen Forschung entstammt die mittlerweile in der ganzen Geschichtswissenschaft weitverbreitete Vorstellung, das Ergebnis der 1848er Revolution sei ein K.lassenkompromiß zwischen Junkerturn und Bourgeoisie gewesen 180: "Die rheinische Bourgeoisie begann, die Junker und die Bürokratie als wertvolle Verbündete gegen das wachsende Industrieproletariat anzusehen und war bereit, ihre weiter gespannten politischen Ambitionen gegen die unmittelbaren Vorteile der Stabilität aufzurechnen. Die Junker erkannten ihrerseits den Nutzen, der aus der wirtschaftlichen Kraft der rheinischen Unternehmer für ihre eigenen politischen und ökonomischen Vorhaben zu gewinnen war.'dSI Diese Vorstellung geht von der Prämisse aus, der vormärzliche preußische Staat sei ein Instrument großagrarisch-ostelbischer Interessen gewesen 182, das immer dann zum Schaden der bürgerlichen Schichten eingesetzt wurde, wenn beider Interessen miteinander um staatliche Ressourcen konkurrierten: "An der Gewerbepolitik sowie an der Zoll- und Handelsgesetzgebung Preußens in den Jahrzehnten vor der Revolution von 1848/49 ist deutlich ablesbar, daß die wirtschaftliche Förderung der Bourgeoisie nur insofern erfolgte, als davon auch die Junker entweder direkt profitierten oder in ihren ökonomischen Belangen nicht berührt wurden. Wo die Interessen der Manufakturund Industriebourgeoisie einerseits und der Junker andererseits in Konflikt gerieten, fiel die Entscheidung des Staates stets zugunsten des Junkertums.'d83 Als die Gesellschaft in den "universalhistorisch einmaligen Transformationsprozeß" der Industrialisierung (gekennzeichnet vom Aufstieg des Industriekapitalismus, dem weiteren Vordringen des Agrarkapitalismus und der von diesen Kräften kapitalistischer Marktwirtschaft und Marktgesellschaft "stumm, aber unwiderstehlich vorangetriebene[n] Herausbildung immer größerer marktbedingter sozialer Klassen" 184) eingetreten sei, habe sich 180 Vgl. beispielsweise Lothar Machfan/Dietrich Milles, Die Klassensymbiose von Junkerturn und Bourgeoisie. Zum Verhältnis von gesellschaftlicher und politischer Herrschaft in Preußen-Deutschland 1850-1878/79, Frankfurt a.M./Berlin/ Wien 1980 (Sozialgeschichtliche Bibliothek), S. 16, 30 u. 39; Ernst Engelberg, Otto von Bismarck. Die Revolution von oben, in: Gustav Seeber (Hg.), Gestalten der Bismarckzeit, Berlin (Ost) 1978, S. 1 ff., S. 7. 181 Tilly, Finanzielle, in: Ders., Kapital, S. 25. 182 Vgl. Otto Pflanze, Bismarck. Der Reichsgründer, München 1997, S. 116: "Das alte preußische System (Krone, Ministerium, Bürokratie, protestantische Kirche, Offizierskorps und Adel) wurde ökonomisch von der Landwirtschaft und sozial von den ostelbischen Rittergutsbesitzern getragen." Vgl. auch Tilly, Germany, in: Cameron (Hg.), Banking, S. 156; Tilly, Finanzielle, in: Fischer (Hg.), Wirtschaftsund sozialgeschicht1iche, S. 484; ebenso Kubitschek, Die Börsenverordnung, S. 56. 183 Helmut Bleiber, Staat und bürgerliche Umwälzung in Preußen. Zum Charakter des Staates in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Vogel (Hg.), Preußische, S. 66 ff., S. 76. 184 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 2, S. 4.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

dieser Konflikt zunächst in einem revolutionären Ausbruch Platz geschaffen.185 Dann sei er, aufgrund der Revolutionsfurcht des liberalen Bürgertums und der Bereitschaft der traditionellen Herrschaftseliten, das ihnen unterbreitete Kompromißangebot aus Sorge um die Bewahrung der eigenen Machtstellung anzunehmen, in die "Kiassensymbiose" gemündet, die das Kennzeichen der preußisch-deutschen Gesellschaft der Reichsgründungszeit gewesen ist. 186 Die oben getätigten Ausführungen zur Entwicklung des Papiergeldwesens zeigen, daß zumindest in diesem Bereich eine solche Deutung unangebracht ist, weil sie außer acht läßt, daß die preußische Bürokratie starke eigene Interessen hatte, die sich zwar oftmalig mit denen des Grundbesitzes deckten, keinesfalls aber immer und so stark kongruent waren, daß man vom Staat als Instrument des Junkerturns sprechen kann. So fanden zwar die Sorgen der Agrarier häufiger das Ohr der Regierung als die des Wirtschaftsbürgertums, und in der Tat wurden der Landwirtschaft erhebliche finanzielle Hilfen gewährt (man denke nur an die Landschaften); ferner profitierte sie überproportional von der Geschäftstätigkeit der Königlichen/Preußischen Bank. 187 Auch mag man die Regelungen, wie die Verteilung der Privatbanken laut der Normativbedingungen auf die einzelnen Provinzen vorgenommen werden sollte, für eine Begünstigung der landwirtschaftlich geprägten Gebietsteile ansehen. Eine Bevorzugung landwirtschaftlicher Interessen kann also nicht abgestritten werden. Gleichwohl bleibt aber festzuhalten: In der regierungsinternen Entscheidungsfindung, wie die künftige Verfassung des preußischen Papiergeldwesens auszuformen sei, spielten die Interessen der Großagrarier so gut wie keine Rolle 188 ; ganz im Gegenteil stießen sogar Pläne, analog der bayerischen Lösung eine Notenbank zu 185 Vgl. Wolfram Siemann, Die deutsche Revolution von 1848/49, Frankfurt a.M. 1985 (edition suhrkamp 1266), S. 15. 186 Vgl. Böhme, Politik, in: Stürmer (Hg.), Das kaiserliche, S. 36: "Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Expansionsmöglichkeiten erwuchsen dem preußischen und deutschen Großbürgertum verlockende Investitions- und Verdienstmöglichkeiten, die zumal das rheinische, liberale Bürgertum nach der traumatischen Erfahrung des ,tollen' Jahres 1848 für die konservative Ordnung Preußens optieren ließ; und auf dieser Interessengemeinschaft zwischen Kaufleuten, Bankiers und Industriellen einerseits und der konservativ agrarischen Führungsschicht in Preußen andererseits entfaltete sich zuerst Preußens Macht in Deutschland und dann die Machtpolitik des neuen Reiches." 187 So hatte die Königliche Bank eine höhere Filialdichte in den östlichen Landesteilen und für die Landwirtschaft galten besonders günstige Kreditbestimmungen (bspw. gab es einen - im Bankgeschäft sonst nicht üblichen - Warenlombard auf landwirtschaftliche, d.h. leichtverderbliche, Produkte, der häufig sogar niedriger verzinst wurde als der Effekten- und Wechsellombard); dazu kamen die Bestimmungen der Bankordnung von 1846, wonach a) Lombarddarlehen zur Notendeckung herangezogen werden durften und b) ein maximaler Zinssatz für Lombarddarlehen von 6% festgelegt wurde. Ziegler, Zentralbankpolitische, S. 503 f.

li. Entwicklung der Währungsverfassungen in Deutschland

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schaffen, deren Geschäft im wesentlichen auf Hypotheken basierte, was eindeutig auf die Förderung des Landbesitzes abzielte, auf die nahezu einhellige Ablehnung des Staatsministeriums. Und wenn etwa H. Böhme den Übergang von Hansemann zu Heydt in der Verantwortung für die Zulassung privater Banken darin sieht, daß bei letzterem "Geneigtheit der Befürwortung" nur bestanden habe, wo auch die Kreditgebung für Ostelbien berücksichtigt worden sei 189, so läßt sich eine derartige Präferenz aus den Quellen nicht erkennen- und ebensowenig wie im Westen ist ja in den östlichen Provinzen eine Neugründung gestattet worden (erst recht lassen sich keine Anhaltspunkte für die Vermutung H. James' finden, die Umgründung der Königlichen zur Preußischen Bank sei im Hinblick auf die Kreditvergabemöglichkeiten in den östlichen Provinzen durchgeführt worden, um die politische Unterstützung des dort ansässigen Landadels zu gewinnen 190). Desgleichen wurde die scharfe Konkurrenz zwischen sich entwickelnder Industrie und "agrarfeudaler Herrenschicht" auf dem Kapitalmarkt, wie sie H. Rosenberg ausmacht 191 , die vielfach zu einer "Hypothekennot" des Grundbesitzes geführt und damit eine liberale Bankreform verhindert habe, zwar häufig und lautstark von junkerliehen Publizisten wie Bülow-Cummerow beschworen, entsprach aber (mit Ausnahme der Jahre der allgemeinen Liquiditätsklemme/Kreditkrise 1846 ff. 192) nicht der Realität: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts lassen die niedrige Verzinsung der öffentlichen Schuld und die vergleichsweise leichte Finanzierung der ersten Eisenbahnbauten eher einen Überschuß an ungenutztem Kapital vermuten als einen generellen Mangel. 193 Allein gewisse Allokationsprobleme aufgrund des unterentwickelten landwirtschaftlichen Kreditwesens wird man unterstellen können,

188 Ebenso sieht es auch - womit er explizit gegen Tilly argumentiert - Lichter, Preußische, S. 51. 189 Helmut Böhme, Preußische Bankpolitik 1848-1853, in: Ders (Hg.), Probleme der Reichsgründungszeit 1848-1879, Köln/Berlin 2 1972, S. 118 ff., S. 134. 190 James, Monetary, S. 11. 191 Rosenberg, Die Weltwirtschaftskrise, S. 101. 192 Zum Einfluß der Eisenbahnspekulation und der Börsenkrise sowie des Eisenbahnhaus auf die Liquiditätsentwicklung vgl. Bergmann, Ökonomische, in: Wehler (Hg.), 200 Jahre, S. 280. 193 Dazu insbesondere: Knut Borchardt, Zur Frage des Kapitalmangels in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland, in: Ders., Wachstum, Krisen, Handlungsspielräume der Wirtschaftspolitik. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1982 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 50), S. 28 ff., S. 29 u. 39. Vgl. ders., Die Industrielle, S. 162. Zur Zinsentwicklung siehe Kar! Erich Born, Die Entwicklung des langfristigen Zinsfußes vom Beginn der Industrialisierung bis zur Weltwirtschaftskrise 1929/31, in: Rendite und Kapitalmarkt. Probleme des Kapitalmarkts: Kolloquien - Beiträge 18, Frankfurt a. M. 1979 (Schriftenreihe des Instituts für Kapitalmarktforschung), S. 83 ff., S. 89 u. 93.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

jedoch galt dies tendenziell eher nicht für den adeligen Großgrundbesitz, der in hohem Maße von der Tätigkeit der Landschaften profitierte. Die entscheidende Rolle für die Formulierung der preußischen Papiergeldpolitik spielte im Gegensatz dazu der Wille der Bürokratie, die staatliche Kontrolle über das Währungswesen in der Hand zu behalten. Das war aber sehr viel mehr eine Politik gegen etwas, auf das die Forderungen des liberalen Wirtschaftsbürgertums hinauszulaufen schienen (gegen unkontrollierte wirtschaftliche Entwicklung, gegen die Entstehung einer unabhängigen Geldmacht, gegen den damit verbundenen Souveränitätsverlust in der Geldpolitik), als daß es eine Politik im Sinne einer adeligen, grundbesitzenden Herrschaftselite gewesen wäre. Aus diesem Grund waren auch die Partner des Kompromisses von 1846/48, mit dem die preußische Notenbankverfassung geschaffen wurde, nicht die Bourgeoisie und das Junkertum, sondern die bürokratischen Eliten als Vertreter gouvernementaler Interessen auf der einen und die Vertreter liberaler Wirtschaftsinteressen auf der anderen Seite.

111. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung Nach dem Abklingen der revolutionären Wirren und der sie begleitenden wirtschaftlichen Krise sahen die 1850er Jahre einen beispiellosen Anstieg der gesamtökonomischen Wachstumsraten. Die Auflösung der in der Revolution thesaurierten liquiden Mittel, die aufgestaute Nachfrage und die sprunghafte Ausdehnung der Edelmetallproduktion führten "zu einer geradezu explosiven wirtschaftlichen Entfaltung im gesamten industriellen Europa und zeitigten speziell in Preußen jene Steigerung der effektiven Investitionsrate auf 11-12% des Volkseinkommens, welche als ein wesentliches Kennzeichen des eigentlichen industriell-wirtschaftlichen Aufstiegs anzusehen ist." 194 Nachdem der erste Anlauf zur Industrialisierung in Deutschland aufgrund ungenügender Wachstumskräfte und der politischen Unruhen ins Stocken geraten war, "setzten sich seit der Jahrhundertmitte die Konjunkturimpulse kraftvoll durch." 195 Die Entwicklung im Notenbankwesen folgte zunächst dem gleichen Muster wie im kurzlebigen Aufschwung des vergangeneo Jahrzehnts: Wiederum setzte eine Welle von Bankprojekten ein, diesmal jedoch mit noch wesentlich stärkerer Vehemenz. Darüber hinaus konnten jetzt viele der Projekte - außerhalb Preußens - auch verwirklicht werden, weil einige der Gugel, Industrieller, S. 25. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 3, S. 38. Vgl. Rosenberg, Die Weltwirtschaftskrise, S. 13. 194 195

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

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NSP zu Faktorkosten, Mio. M Abbildung 5: Entwicklung (absolut und im gleitenden Durchschnitt) des deutschen Nettosozialproduktes zu Faktorkosten in den 1850er Jahren, in jeweiligen Preisen (in Mio. M, Gebiet des späteren Deutschen Reiches) 196

kleineren Staaten sich die mit Zettelbanken verbundenen Vorteile fiskalischer Art, aber auch für den Kapitalverkehr des Landes zunutze machen wollten. "Es war ein fröhliches Gründen! Die Deckungsvorschriften für die ausgegebenen Banknoten wurden recht locker gefaßt oder alsbald nach der Gründung ,großzügig' umgestaltet. Von zwei Seiten her wurde also das Bankwesen revolutioniert, und zwar häufig etwas leichtfertig, besonders in den Fällen, in denen das Prinzip der Zettelbank mit dem Prinzip des Credit Mobilier gekoppelt wurde. Es war ein gefährliches Gründen." 197 Und abermals geriet die preußische Regierung durch den kombinierten Ansturm der Gründungsersuchen im Inneren und der erfolgten Gründungen im Ausland unter erheblichen Druck, der sie zu einer weiteren Reform ihres Notenbankwesens zwang. Mit dieser Reform, die insbesondere die absolute Begrenzung des Notenkontingentes der Preußischen Bank aufhob (d.h. die Menge der auszugebenden Noten allein von der Situation der Bar- und Wechselreserven abhängig werden ließ), wurde der Weg für die Preußische Bank bereitet, in die Stellung einer Zentralbank für den Zollverein einzurücken. 196 Zahlen nach: Peter Flora/Franz Kraus/Winfried Pfenning, State, Economy, and Society in Western Europe 1815-1975. A Data Handbook in two Volumes. Volume li: The Growth of Iudustrial Societies and Capitalist Economies, Frankfurt a. M./London/Chicago 1987, S. 351/2. 197 Fritz Seidenzahl, Eine Denkschrift David Hansemanns vom Jahre 1856. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der deutschen Aktienbanken, in: Karl Erich Born (Hg.), Modeme deutsche Wirtschaftsgeschichte, Köln/Berlin 1966, S. 214 ff., s. 214.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

1. Die Gründungswelle privater Notenbanken im Zollverein

Die folgende Übersicht gibt Auskunft über die Zettelbankgründungen in den Staaten des Zollvereins (außer Preußen) der späten 1840er und 1850er Jahre, über das Aktienkapital, die jeweils zu emittierende Höchstmenge an Banknoten und deren Bardeckung. Auffällig sind dabei auf den ersten Blick vor allem zwei Dinge: Zum einen entstanden die privaten Notenbanken vorwiegend in Klein- und Kleinststaaten und scheinen daher für einen Geschäftsbetrieb nur im jeweils konzessionierenden Staat zum Teil immens überdimensioniert angelegt worden zu sein, sowohl was ihr Stammkapital als auch was ihr Notenausgaberecht anbelangt. Das läßt erwarten, daß die Geschäftsabsichten solcher Banken nicht in erster Linie auf das eigene, sondern vielmehr auch auf andere

Tabelle 11 Übersicht über die Zettelbankgründungen im Zollverein (außerhalb des preußischen Gebietes), 1847-56 198 Jahr der Gründung

Name und Ort

Aktienkapital

Maximale Notenausgabe

Bardeck.ungsquoteder Banknoten

2,5 Mio. Tlr.

2,5 Mio. Tlr.

114

1847

Dessauer Bank

1848

Stadtbank, Chemnitz

1850

Rostocker Bank

1 Mio. Tlr.

1 Mio. Tlr.

113

1853

Braunschweigische Bank

3 Mio. Tlr.

3 Mio. Tlr.

114

Weimarsehe Bank

5 Mio. Tlr.

5 Mio. Tlr.

113

Thüringische Bank, Sondershausen

3 Mio. Tlr.

3 Mio. Tlr.

1/4

Bank für Süddeutschland, Darmstadt

20 Mio. fl.

40 Mio. fl.

*

113

Mitteldeutsche Creditbank, Meiningen

8 Mio. Tlr.

2,7 Mio. Tlr.

113

Geraer Bank

4 Mio. Tlr.

unbeschränkt

2/3 bzw. 1/2

Bank in Frankfurt a. M.

10 Mio. fl.

10 Mio. fl.

1/3

1855

198

300.000 Tlr.

Angaben nach: Poschinger, Bankwesen 2, S. 4/5.

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

301

Tabelle 11 (Fortsetzung) Jahr der Gründung 1856

Name und Ort

Aktienkapital

Maximale Notenausgabe

Bardeckungsquoteder Banknoten

Privatbank, Gotha

4 Mio. Tlr.

unbeschränkt

1/3

Credit- und Versieherungsbank, Lübeck

3 Mio. Tlr.

3 Mio.-Tlr.

113

Hannoversche Bank

12 Mio. Tlr.

12 Mio. Tlr.

1/3

unbeschränkt**

113

800.000 Tlr.

114

Niedersächsische Bank, 12 Mio. Tlr. Bückeburg Lübecker Privatbank

400.000 Tlr.

Bremer Bank

2,5 Mio. Tlr. = Aktienkapital + Reservefonds

113

Internationale Bank, Luxemburg

40 Mio. fr.

80 Mio. fr. ***

113

Moldauische Landesbank, Jassy

11 Mio. Tlr.

10-20 Mio. Tlr.****

113

Diese Bank fertigte Noten in Talern aus, obgleich in Darmstadt Guldenwährung herrschte. Die Bückeburger Bank war befugt, Noten in sechs verschiedenen Währun** gen auszugeben. *** Notenausgabe zu 617 in Talern. **** Notenausgabe in Francs, niederländischen, süddeutschen und Österreichischen Gulden sowie preußischen Talern.

*

Territorien abzielten. Diese Vermutung erhärtet sich, zieht man die geographische Verteilung der Banken in Betracht, die eine kaum zufällige Häufung entlang der preußischen Grenzen erkennen läßt, just des Staates also, der nicht nur den größten Kapitalmarkt Deutschlands und die bedeutendsten Industriegebiete in sich vereinigte, sondern der darüber hinaus mit seinen restriktiven Nonnativbedingungen die Errichtung von Zettelbanken auf eigenem Gebiet weitgehend verhinderte. Zudem unterstützt die Währung der Noten diese Vermutung: So gaben die Bank für Süddeutschland in Darrnstadt und die Internationale Bank in Luxemburg Zettel in Talern aus (erstere sogar ausschließlich), obwohl in ihren Heimatländern andere gesetzliche Währungen herrschten. Zum zweiten sticht die unterschiedliche Konstitution der Banken ins Auge, bezüglich der Höhe ihres Notenausgaberechtes im Verhältnis zum Aktienkapital und der Deckungsvorschriften. In der Übersicht ist nur die

302

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

jeweils vorzuhaltende Bardeckung aufgeführt, und selbst dort finden sich die Dritteldeckung (nach dem Vorbild der Preußischen Bank), die Deckung zur Hälfte und die Vierteldeckung. Bedeutendere Unterschiede zeigen sich jedoch noch in den Vorschriften hinsichtlich der Deckung des verbleibenden Restes an Banknoten; dazu weiter unten mehr. Die Unterschiede im Verhältnis von Aktienkapital zur Größe des Notenkontingentes sind dagegen auf den ersten Blick auszumachen: Besonders auffällig sind dabei die Regelungen, die keine absolute Obergrenze der Zettelemission vorsahen. Im folgenden sollen beispielhaft anband von drei Ländern: Württemberg, Bayern und Preußen die Ursachen dargestellt werden, die dazu führten, daß die Masse der Bankgründungen in den Kleinstaaten vorgenommen wurden: Das war zunächst die Unmöglichkeit, in einem der bedeutenderen Staaten die Genehmigung für einen derartigen Geschäftsbetrieb zu erlangen; in einem zweiten Schritt wird dann zu klären sein, was die Gründer antrieb und was etliche kleinere Staaten veranlaßte, die entsprechenden Genehmigungen zu erteilen. a) Gründungsbedingungen privater Notenbanken: Ablehnung in den größeren Staaten und die Auseinandersetzung um die "Bankfreiheit"

In Württemberg kamen, wie vielerorts, Vorschläge zur Gründung von Zettelbanken zur Überwindung des akuten Geldmangels in der Revolution von der Regierung selber oder fanden zumindest ihre Unterstützung. Das Ziel dieser Projekte war die Errichtung einer Landesbank, die unter maßgeblicher Beteiligung des Staates papierene Wertzeichen gegen die Diskontierung staatlicher, zinstragender Papiere ausgeben sollte; dahinter stand die Absicht, festgelegte Kapitalien freizusetzen und so die gesamtwirtschaftliche Liquiditätssituation zu verbessern. Die von der Regierung selbst angeregten Projekte waren überdies daraufhin angelegt, der angespannten Lage der staatlichen Finanzen abzuhelfen, beispielsweise, indem ein bestimmter Anteil der auszugebenden Noten dem Fiskus als Vorschuß zur Verfügung zu stellen war. Gerade diese enge Anhindung an staatliche Interessen war es, die jene Vorhaben in der zweiten Kammer der Ständevertretung scheitern ließen. Die Finanzkommission der Kammer neigte mehrheitlich dazu, die Ausgabe von Staatspapiergeld der Gründung einer Landesbank vorzuziehen. Am 14. Mai 1849 lehnte sie alle Bankprojekte ab und beschloß gleichzeitig die Emission von Staatspapiergeld. 199 Es ist anzunehmen, daß die Landesbankpläne deshalb bei den Volksvertretern auf Widerstand stießen, weil bei Gründung einer mit dem Staat eng verzahnten Notenbank und der vorgesehenen Leistung eines Vorschusses aus dem Notenkontingent an den Staat 199

Darstellung nach: Hecht, Bankwesen, S. 29- 33.

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

303

zur Defizitdeckung dieser Vorschuß wohl nicht als offizielle Schuldenaufnahme gegolten hätte und damit der Zustimmung und Kontrolle der Abgeordneten entzogen gewesen wäre. Nachdem die revolutionären Wirren und ihre finanziellen Begleiterscheinungen vorbeigezogen waren, verkehrten sich die Verhältnisse in Württemberg indessen: Anträge zur Konzessionierung privater Notenbanken fanden jetzt in der Ständevertretung Unterstützung, trafen aber auf die Ablehnung der Regierung, der die staatli~he Hofbank beistand, die die Entstehung einer privaten Konkurrenz im Lande (noch dazu mit dem ihr verwehrten Vorteil der Notenausgabe) befürchten mußte. 1854 etwa befürworteten beide Kammern den Antrag des Generalkonsuls v. Seybold zur Gründung einer "Württembergischen Bank" auf Aktienbasis. Die Bank sollte Noten in der Höhe von bis zu drei Vierteln ihres Grundkapitals ausgeben dürfen, wobei von einer weiteren Deckung nicht die Rede war; das Grundkapital sollte zu je einem Drittel in württembergischen Immobilien, inländischen Staatspapieren und Obligationen sowie in gewerblichen Unternehmungen angelegt werden. "Man nahm an, dass eine solche Anlageweise um so mehr berechtigt sei, als sie der Vermögensverwaltung eines umsichtigen reichen Privatmannes entspreche. " 200 Die unterschiedlichen FäHigkeiten zwischen Banknoten (täglich) und ihrer Sicherung (im Falle der Immobilien zumindest einige Monate) bei diesem Bankprojekt sind auffällig und deuten auf das Vorbild der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank hin; während dort jedoch der Hypothekarkredit als Basis des Bankgeschäftes der überwiegend agrarischen Orientierung der Wirtschaft Bayerns entsprach, sollte ihr württembergisches Gegenstück auf die gemischte wirtschaftliche Struktur dieses Landes (Landwirtschaft, Kleingewerbe) abgestimmt sein. Daß allerdings die Ausgabe von Banknoten auf dieser Grundlage äußerst problematisch war weil Banknoten täglich fällig waren und die Sicherheiten zum Teil sehr langfristig angelegt werden sollten -, scheint den Planern nicht bewußt gewesen zu sein. Auf eben dieses Problem hob auch der Bericht der Königlichen Hofbankdirection (13. April 1855) ab, der zur Grundlage der Ablehnung des Vorhabens durch die Regierung wurde: Eine Notenbank müsse ihre Geschäfte auf die Diskontierung von Platzwechseln und Darlehensvergabe für kurze Zeit gegen Hinterlegung von täglich umsetzbaren Staatspapieren oder Edelmetallen beschränken, sie dürfe keine Hypothekendarlehen oder Diskontierung fremder Wechsel betreiben. "Da die württembergischen Industriellen in der Regel nur Personakredit zu verlangen in der Lage sind und einer Landesbank weder geeignete Wechsel noch Staatspapiere, noch Edelmetalle als Sicherheit anzubieten im Stande wären, so würden sie der Mehrzahl nach bei der Landesbank keinen Credit finden und diese wie200

Hecht, Bankwesen, S. 36.

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

derum würde aus dem Verkehr mit den Kaufleuten und Industriellen keine Noten ziehen können." 201 In Bayern gab es bereits mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank seit 1834 eine Notenbank; deren Wirkungskreis war jedoch stark beschränkt, und so hatte sie erst 1852 die zulässige Höchstsumme an Noten von acht Mio. fl. ausgegeben. Alle Versuche der Bankleitung, die Emissionssumme zu erhöhen oder die Emissionbedingungen zu erleichtern, waren am Einspruch der Regierung gescheitert; an eine Zulassung privater Notenbanken war bei dieser Entscheidungslage gar nicht zu denken. Die Gewerbetreibenden halfen sich aus der Knappheit an Zahlungsmitteln, indem sie - vor allem im Norden des Landes- auf die Noten fremder Institute zurückgriffen. Anfang der 1860er Jahre sollen daher von den insgesamt ausgegebenen 30 Mio. fl. Banknoten der Frankfurter Bank 15 Mio. in Bayern (vor allem der Rheinpfalz) umgelaufen sein?02 Diesen Einflußkanal suchten jedoch die Gesetze von 1855 und 1857, mit denen die Verwendung fremder Banknoten in Bayern verboten wurde, zu verstopfen. Insbesondere das Verbot von 1855 scheint indes gegen den Umlauf der fremden Noten nur wenig ausgerichtet zu haben, so daß die Bankleitung erneut um eine Erweiterung ihres Notenprivilegs und eine Verkleinerung des Nennwertes der Noten nachsuchte. Doch auch dieser Vorstoß traf sowohl bei der Regierung als auch in großen Teilen der Ständeversammlung auf Widerspruch; stattdessen suchte die Staatsregierung die Lösung in einer Verschärfung des Verbotes der Zahlungsleistung mittels fremden Papiergeldes?03 Dringende Ersuchen der Handelskammern um eine Vermehrung des Papiergeldes, sei es über eine Wiederzulassung der Noten der Frankfurter Bank oder über eine Erhöhung des Kontingentes der Hypotheken- und Wechselbank, wurden mit dem Argument zurückwiesen, daß kein Bedarf an zusätzlichen Zahlungsmitteln bestehe und überdies eine Öffnung der Grenzen für fremde Noten angesichts des überall erfolgten Verbotes fremden Papiergeldes nicht tunlieh sei?04 201 Zit. nach: Hecht, Bankwesen, S. 38. Ebd. findet sich die Beschreibung weiterer Bankprojekte in Württemberg, unter anderem von David Hansemann (1856). Das letzte Konzessionierungsersuchen (des württembergischen Handelsvereins) wurde noch 1867 abgelehnt. Erst mit dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 kam es zur Gründung des württembergischen Kassenvereins, der zum Vorläufer der im folgenden Jahr gegründeten Notenbank wurde; S. 39 ff., 48 ff. , 61 ff. Vgl. auch das Projekt des Regierungsbeamten Bitzer von 1857: Bitzer, Ueber die Errichtung einer Notenbank auf Aktien in Württemberg, in: ZfgS 13, 1857, S. 597 ff. 20 2 Vgl. Gutschmidt, Der Aufbau, S. 144. 203 Vgl. Gutschmidt, Der Aufbau, S. 145-150. 204 Vgl. den Jahresbericht der Pfälzischen Gewerbe- und Handelskammer für 1858 und die Antwort des Handelsministeriums (Abschrift) vom 30.7.1858 sowie den Jahres-Bericht der Kreis-Gewerbs- und Handelskammer für Schwaben und Neuburg pro 1858 und die Antwort des Handelsministeriums (Abschrift) vom

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

305

In Preußen ließ das Ende der 1848 zur Behebung der unmittelbaren wirtschaftlichen Not gegründeten Darlehenskassen (die in der Höhe der von ihnen bewilligten Darlehen bis zu 10 Mio. Tlr. eigene 1- und 5-Talerscheine ausgeben durften, die sogenannten Darlehenskassenscheine205 ) 1851 erneut Klagen darüber aufkommen, daß die Kreditentwicklung nicht dem Bedürfnis des Verkehrs entspreche. Einmal mehr wurde heftig die Errichtung von Privatnotenbanken gefordert. Jetzt weitete sich die Debatte jedoch aus: Teile der Liberalen stellten den währungspolitischen Kompromiß der Jahre 1846/48 in Frage, griffen die Position der Preußischen Bank an und verlangten, unterstützt von einer rührigen und namhaften Publizistik, die Einführung der Bankfreiheit, eines Systems privater Notenbanken, das die (Papier-) Geldpolitik weitgehend der Souveränität des Staates entzogen hätte. Was die preußischen Liberalen in dieser Frage einte, "waren keinesfalls ähnliche geldtheoretische Vorstellungen, sondern einzig und allein ein tief sitzende[s] Mißtrauen gegen den preußischen Staat [... ]."206 An vorderster literarischer Front stritten Otto Hübner207 und Adolph Wagner öffentlichkeitswirksam für die Bankfreiheit.208 Beide sahen die Gefahren einer staatlich konzessionierten oder gar geleiteten Bank (und meinten damit: der Preußischen Bank) vor allem aufgrund der Mißbrauchsmöglichkeiten seitens des Staates als zentrales Argument an, das für ein System privater Banken spreche: Häufig werde der "unerschütterliche" Kredit hervorgehoben, so Wagner, den große, privilegierte Banken genössen. "Wenn dergleichen Banken wirklich eines so festen Credits geniessen, müsste es ihnen nicht leicht möglich sein, stärker und namentlich anhaltender diesen Credit zu missbrauchen, in gefährlicherer Weise auf den Geldmarkt und die Spekulation einzuwirken, und schliesslich ebenfalls zu Handelskrisen zu führen, welche zwar nicht sobald zum Ausbruch kommen werden, als die, etwa durch den bälder zusammenstürzenden gernissbrauchten Credit kleiner Banken hervorgerufenen, aber darum nur weiter hinaus geschoben sind, um endlich um so anhaltender und über einen längern Zeitraum ausgedehnt intensiver zu werden? [... ] Ich will gar nicht reden von den vielerlei Einwendungen, welche sich vom politischen Gesichtspuncte aus gegen die grossen Quasistaatsbanken geltend machen lassen, von der unvenneidlichen Hinzu30.6.1859, in: BHStA M H 15353. Acten des Staats-Ministeriums des Königl. Hauses und des Aeußem. Wünsche und Antraege der Handels-Kammern bezüglich des Münzwesens. 1859. 205 Vgl. zu den Darlehenskassen: Pick, Papiergeld, S. 148. 206 Ziegler, Der "Latecomer", S. 91. 207 Latz, Geschichte, S. 65, nennt Hübner, einen der einflußreichsten Köpfe der Freihandelsbewegung, den "gelehrteste[n] und sachkundigste[n] Wortführer der Bankpartei". 208 Hübner, Die Banken; Adolph Wagner, Beiträge zur Lehre von den Banken, Leipzig 1857 (ND Vaduz 1977). 20 Otto

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C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

ziehung derselben in die finanziellen Projecte und Unternehmungen der Regierung, von der vielfach schädlichen Macht, welche dadurch auch noch für diese Dinge auf den Staat übertragen wird." (S. 227). "Der schlimmste Grund von allen, wegen dessen eine solche Centratbank zum Missbrauch ihrer Macht getrieben werden kann, ist der, wenn eine Regierung ihrerseits ihre Macht über die grosse Bank benutzt, und sie zu ungerechtfertigten Massregeln zwingt, namentlich zu einer zu leichten Discontirung, welche mit den obwaltenden Verhältnissen nicht in Einklang steht, und zu grossen Vorschüssen auf Staatspapiere und Actien aller Art." (S. 233). Der gefährliche Zentralbankstatus der Preußischen Bank wiederum zeige sich am dreifachen Monopol, das sie genieße: "Einmal ist sie als grosses Bankinstitut privilegirt. Zwar gestatten die Normativbedingungen auch andere Actienbanken, indessen in so beschränkten Verhältnissen, dass diese eine irgend bedeutende Concurrenz der Preussischen Bank nicht zu machen im Stande sind. [... ] Ein zweites bisher fast ausschliessliches Monopol hat die Preussische Bank in der Notenausgabe; noch jetzt hat sie allein das Recht, sie unbeschränkt auszudehnen. Das dritte weitgreifendste und vielleicht schädlichste Monopol von allen ist das ausschliessliche Recht zur Annahme verzinslicher Depositen." (S. 260). Nach Wagner ging gerade von den großen, privilegierten Nationalbanken ein besonderes Gefahrenpotential aus, "an deren Statuten sich die ganze gesetzgeberische Weisheit erschöpft hatte, worin vor Allem die Einlösbarkeit der Noten durch unendliche Verclausulirungen gesichert zu sein schien, welche dennoch am meisten Unheil angerichtet und vorzugsweise die Notenemission in Misscredit gebracht haben. Die sämmtlichen grossen europäischen Staatsbanken haben fallirt. Oft gingen sie gerade an ihrer Grösse und Macht, die ausserordentlich schwer zu leiten war, zu Grunde. Die Concurrenz unter den kleineren Banken ist die beste Garantie für eine richtige Leitung der Bank." (S. 15). Die staatliche Konzessionierung von Unternehmen bewirke, daß sich die daran Beteiligten (und auch deren Leitung) auf die staatliche Aufsicht verließen, ohne sich selbst um Kontrollen zu kümmern. Wenn ein solches Unternehmen dann scheitere, hätten die Beteiligten "wieder nichts Eiligeres zu thun, als zu dem alleinigen Helfer in der Noth, dem Staat, um Beistand zu flehen. Der Staat mag protestiren, so viel er will, sowie er sich einmal um die Angelegenheiten dieser Art irgendwie bekümmert durch Ertheilung besonderer Concessionen und Statutenbestätigung von Actiengesellschaften, so nimmt er in den Augen der Meisten auch die Verpflichtung für richtige Leitung des Unternehmens auf sich. Dies zu thun ist er positiv nicht im Stande. Das Resultat ist also, dass sich Niemand um die Sache ernstlich kümmert, und eine irgend genügende Controle ganz fehlt. Schon die Ertheilung der Concession involvirt wenigstens eine Art moralischen Einstehens des Staates für das Unternehmen und bewirkt oft, dass die mahnenden Gegenreden von Privatpersonen überhört werden." (S. 160).

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

307

Ähnliche Gefahren sah Hübner, die sich indes durch ein System freier Banken vermeiden ließen: "Man pflegt Bankfreiheit häufig als Bankanarchie darzustellen, man fragt, was daraus entstehen würde, wenn Jedermann Noten ausgeben dürfte? Man könnte ebenso gut fragen, was daraus entstehen würde, wenn Jedermann Wechsel ausgeben dürfe? Dies ist bekanntlich Niemandem verboten und hängt lediglich davon ab, daß sich Jemand findet, der die Wechsel nimmt. Wer sie nimmt, würde sich ansehen, wer sie ausgestellt hat; seine Kritik würde nicht durch Privilegien und Concessionen bestochen sein, er würde nicht im Vertrauen zu dem Ortheil der Regierung Hunderte oder Tausende in Noten aufbewahren, und wie einst in Paris und London, in Berlin und Wien, trotz dieses Ortheiles sich schließlich um das Seinige betrogen finden, er würde den Aussteller als seinen Wechselschuldner behandeln und nicht als einen Patrioten, wie alle Banken behandelt sein wollen, welche bisher zu Grunde gingen, weil sie fremdes Geld den Regierungen borgten, ohne nur einen Augenblick daran zu denken, ob die Eigenthümer dieses Geldes im Falle oder geneigt seien ihr Kapital auf diese Weise anzulegen." Konzessionierte und privilegierte Banken würden kaum Sicherheit dagegen bieten, daß sie der Regierung Geld ausliehen, freie Banken hingegen schon (S. 35). Die vollkommene Bankfreiheit schütze, so Hübner weiter, vor übermäßiger Notenausgabe, wie sie es schon in Schottland getan habe (S. 35), und Wagner führte zusätzliche Vorzüge eines solchen Systems ins Feld: Die Bankfreiheit sorge dafür, daß nur dort Banken gegründet würden, wo ein entsprechendes Bedürfnis vorhanden sei. "Die Freiheit der Gründung von Banken wird solche da entstehen lassen, wo sie ein wirkliches Bedürfnis des Verkehres sind, aber auch nur da. Die Freiheit der Banken, die Concurrenz unter ihnen, wird einer jeden Bank bald einen Geschäftsrayon zuweisen, über welchen hinaus ihre Noten nur ausnahmsweise gehen können, so dass sie sofort wieder zurückkehren. Die Freiheit der Banken wird mit eifersüchtigem Auge jede Bank die andere betrachten lassen und verbunden mit dem Principe der vollständigsten Oeffentlichkeit eine unersetzbare gegenseitige Controle zwischen den Banken hervorrufen. Filialen und Agenturen an weit entfernten Plätzen werden durch die Concurrenz anderer Banken um so eher unterdrückt werden, als bei der nothwendigen Unselbständigkeit und Abhängigkeit einer Filiale von der Centratbank der Geschäftsbetrieb einer Tochterbank viel schwieriger und mühevoller zu leiten ist." (S. 218). Und diese notwendige Kontrolle des Publikums (und der anderen Banken) über das Bankgeschäft könne man durch eine detaillierte Veröffentlichungspflicht erreichen (S. 23-29). Beide bemängelten zudem die Regel der Dritteldeckung als willkürlich gewählt und nicht begründbar. Hübner rechtfertigte seine Kritik mit der unterschiedlichen Fristigkeit von Deckungsmitteln und Banknoten: "Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern 20*

308

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens

auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt." Wie Kaffee und Zucker verschiedene Waren, so seien es auch stets kündbare und ein- oder mehrmonatige Kredite; man könne nicht einen langfristigen Kredit vergeben, wenn man nur den kurzfristigen empfangen habe, ohne Gefahr zu laufen, den letzteren nicht zurückgeben zu können. "Das ist die Thatsache, deren Nichtachtung die einfache Ursache des Untergangs alter Banken war und der meisten neuen sein wird. Sie verschafften sich gegen Noten oder Depositenscheine, oder in laufende Rechnung, große Summen, welche jederzeit zurückgefordert werden konnten, und discontirten dagegen Wechsel, welche Monate zu laufen hatten, ja sie liehen den auf tägliche Kündigung empfangenen Credit, auf lange unkündbare Termine, zuweilen auf Jahre hinaus, den industriellen Grundbesitzern oder Regierungen. [... ] Die Note, welche die Bank ausgibt, ist ein Versprechen von Geld, sie gibt sie aber hin für Wechsel, welche gut sind, weil die Aussteller und Acceptanten vielleicht große Lager von Kaffee und Baumwolle haben; für Staatspapiere, weil diese Staatspapiere an der Börse zu Geld zu machen sind; für Verschreibungen von Grundstücken, weil deren Ernten reiche Zinsen geben und der Preis der Grundstücke daher mehr beträgt als die Vorschüsse, welche die Bank darauf gewährt. Die Kaffee- und Baumwollanlagen, die Staatspapiere und Grundstücke können aber durch vielerlei Ereignisse ganz unverkäuflich oder doch nur mit großem Verlust verkäuflich sein. Wechsel und Schuldscheine, wenn sie auch Zahlung versprechen, sind doch erst Geld, wenn sie bezahlt sind, während die Banken auf diese Unterlage hin vorher Papiere ausgegeben haben, für welche jeden Augenblick Geld verlangt werden kann!" (S. 28 f.). "Stets fällige Credite [wie Banknoten] sind daher eine Waare, welche eine Bank äußerst selten zu verkaufen die Gelegenheit hat. Eine Bank muß demzufolge, wenn sie solchen Credit durch Absatz ihrer Noten empfängt, ebenso, als wenn sie ihn durch stetsfällige Depositen empfängt [Giro], meistens den ganzen Betrag in Kassa halten, wenn sie kein Risico laufen will, und kann unmittelbar wenig Gewinn von solchem Credite ziehen. Alle Theorien, welche einen geringeren Kassenbestand für genügend erklären, sind willkürlich aufgestellt, die besten Wechsel, Staatspapiere und Pfänder, welche nicht schon zahlbar sind, decken das Risico nicht, und es ist eine Absurdität, wenn Regierungen behaupten, für die Sicherheit des Publikums zu sorgen, indem, sie, wie dies gewöhnlich geschieht, Concessionen und Privilegien der Banken an die Bedingung knüpfen, daß stets ein Viertel oder ein Drittel des Betrages der ausgegebenen Noten in der Bankkassa baar oder in Barren vorräthig gehalten werden müsse, und ganz verfehlt sind Vorschriften wie die des Staates Newyork, daß Staatspapiere als Deckung bei den Regierung bevollmächtigten [sie] zu hinterlegen sind; denn der Staatscredit ist der schwankendsie aller Credite." Ein kleiner Teil des für die Deckung der Banknoten vorgesehenen Barvorrates dürfe für Geschäfte verwendet werden, allerdings nur unter größter

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

309

Vorsicht hinsichtlich der Fälligkeit der vergebenen Kredite. Ansonsten sollten die Notenbanken, da die Banknoten "dem Verkehre nützlicher als baare Gelder sind", Aufgelder auf die Noten verlangen, um ihre Emission überhaupt finanziell lohnenswert werden zu lassen (S. 68 f.; ähnlich Wagner, S. 169 f.). Die preußisch-gouvernemental ausgerichtete Nationalökonomie etwa eines Erwin Nasse209 hob demgegenüber die Probleme hervor, die mit der Existenz privater Notenbanken verbunden seien: So führe ein System der Bankfreiheit zur "Verdrängung des von der Regierung zum öffentlichen Wohle mit hohen Kosten geschaffenen und erhaltenen Zahlungsmittels durch ein anderes, dessen Einlösbarkeit und Werth unter Umständen, die in jedem Land und zu jeder Zeit eintreten können, entweder gar nicht oder nur mit grossen Verlusten für die gesammte Volkswirthschaft behauptet werden kann." Darüber hinaus sei es ohne Zweifel berechtigt, "der Notenausgabe zahlreicher Banken eine Tendenz zuzuschreiben, welche die in Ländern mit entwickelten Creditverhältnissen fast periodisch vorkommende Preissteigerung und Ueberspekulation in Handel und Gewerben gar sehr zu fördern strebt und darum natürlich auch die folgende Krisis und Contraction des Credits verschlimmert." (S. 242 f.). Denn diese Banken müßten in Krisenfällen alles versuchen, um ihre Metallvorräte zu vergrößern, um zahlungsfähig zu bleiben. Eine große Zentralbank werde andererseits in Geldkrisen auch noch zu weiteren Akten der Hilfeleistung als zu einer Ausdehnung der Diskontierung - im Gegensatz zu den Privatbanken, die sie einschränken müßten - "am meisten Mittel haben und den Beruf fühlen." (S. 666). Auch das schottische System der Bankfreiheit habe nur funktioniert, weil die dortigen Notenbanken in Krisenzeiten auf die Barvorräte der Bank of England hätten zurückgreifen können (S. 649). Kaum von theoretischen Erwägungen oder einer grundsätzlichen Animosität gegenüber der Preußischen Bank geleitet, nichtsdestoweniger in einem dringenden Ton gehalten, waren die Eingaben der Handelskammern bezüglich einer Abänderung der Normativbedingungen. Die Vertreter der Kaufmannschaft insbesondere aus den Städten der Industriereviere forderten vielmehr eine Zulassung privater Notenbanken an ihren jeweiligen Wirkungsstätten, um dem steigenden Bedarf an Zahlungsmitteln besser als bisher genügen zu können. Daß die ideologische Forderung nach Bankfreiheit dabei kaum eine Rolle spielte, zeigt sich an den alternativ vorgeschlagenen Eröffnungen von Büros der Preußischen Bank in den betreffenden Städten bzw. der zusätzlichen Ernission von Staatspapiergeld (Kassenscheinen) und an dem schlagartigen Nachlassen derartiger Ansinnen nach der Aufhebung der Beschränkung des Notenkontingentes der Hauptbank 1856. 209 Erwin Nasse, Zur Banknoten- und Papiergeldfrage mit spezieller Beziehung auf den preussischen Staat, in: ZfgS 12, 1856, S. 637 ff.

310

C. Die Entwicklung des Papiergeld- und Banknotenwesens Tabelle 12 Zusammenfassung der bankpolitischen Forderungen preußischer Handelskammern in den 1850er Jahren210

Jahresbericht

Handelskammer (Stadt bzw. Kreis)

Forderung

1852

Erfurt

Bank-Kommandite (der Preußischen Bank) am Ort

Magdeburg

Private Notenbank am Ort

Mühlhausen (Eichsfelde)

Bank-Kommandite (der Preußischen Bank) am Ort

Köln

Entweder Verstärkung des Kapitals und Erhöhung des Notenkontingentes der Preußischen Bank ~~er Schaffung von privaten Notenbanken (Anderung der Normativbedingungen), am besten jedoch Wiederherstellung der Darlehenskassen

Magdeburg

Private Notenbankam Ort

Königsberg

S~haffung von privaten Notenbanken (Anderung der Normativbedingungen)

1853

Reichenbach, Schweidnitz Private Notenbankam Ort und Waldenburg Hagen

Emission von Darlehenskassenscheinen

Essen, Werden und Kettwig

S~haffung von privaten Notenbanken (Anderung der Normativbedingungen)

Breslau

S~haffung von privaten Notenbanken (Anderung der Normativbedingungen) und Erhöhung des Notenkontingentes der PreuBischen Bank sowie Zulassung einer weiteren Privatbankam Ort

Düsseldorf

Private Notenbankam Ort

210 Jahresbericht der Handelskammer der Stadt Erfurt pro 1852, Jahresbericht der Aeltesten der Kaufmannschaft über den Gang des Handels, der Industrie und der Schifffahrt Magdeburgs im Jahre 1852, in: Handelsarchiv 1853. Erste Hälfte. Bericht der Handelskammer zu Mühlhausen im Eichsfelde über den Gang des Handels und der Gewerbe im Jahre 1853, Jahresbericht der Handelskammer zu Köln für das Jahr 1853, Jahresbericht der Aeltesten der Kaufmannschaft über den Gang des Handels, der Industrie und der Schifffahrt Magdeburgs im Jahre 1853, Bericht des Vorsteheramts der Kaufmannschaft über den Handel und die Schifffahrt zu Königsberg im Jahre 1853, Jahresbericht der Handelskammer für die Kreise Reichenbach, Schweidnitz und Waldenburg für das Jahre 1853, Jahresbericht der Handelskammer

III. Papiergeld und Banknoten in der Phase der Hochindustrialisierung

311

Tabelle 12 (Fortsetzung) Jahresbericht

Handelskammer (Stadt bzw. Kreis)

Forderung

1854

Aachen und Düren

S~haffung von privaten Notenbanken (Anderung der Normativbedingungen)

Köln

Gründung von Hypothekenbanken in den Westprovinzen, Gründung von Banken für Handel und Industrie (nach Art der Credit Mobilier) und Gründung von privaten Notenbanken

Magdeburg

Private Notenbank am Ort; Lockerung der Normativbedingungen

Stettin

S