Handelskonflikte Der USA Mit Der Eu Seit 1985: Eine Studie Des Reziprozitatsprinzips in Der U.s.-aussenhandelspolitik (Schriften Zur Wirtschafts Und Sozialgeschichte, 70) (German Edition) 3428106636, 9783428106639


112 59 63MB

German Pages 277 [278] Year 2002

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Handelskonflikte Der USA Mit Der Eu Seit 1985: Eine Studie Des Reziprozitatsprinzips in Der U.s.-aussenhandelspolitik (Schriften Zur Wirtschafts Und Sozialgeschichte, 70) (German Edition)
 3428106636, 9783428106639

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

CLAUDIA DECKER

Handelskonflikte der USA mit der EU seit 1985

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer

Band 70

Handelskonflikte der USA mit der EU seit 1985 Eine Studie des Reziprozitätsprinzips in der U.S.-Außenhandelspolitik

Von

Claudia Decker

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Decker, Claudia:

Handelskonflikte der USA mit der EU seit 1985 :eine Studie des Reziprozitätsprinzips in der U.S.-Außenhandelspolitik I Claudia Decker. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ; Bd. 70) Zug!.: Berlin, Freie Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10663-6

D 188 Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-10663-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 €9

Vorwort Die USA und die EG sind im Verhältnis zueinander die jeweils größten Handelspartner (Waren und Dienstleistungen zusarrunengefaßt) und stehen für die größten bilateralen Handelsströme der Welt. Der Gesamtbetrag der gegenseitigen Direktinvestitionen betrug im Jahr 2000 ca. 1,4 Billionen U.S. Dollar, und beide Partner beschäftigen ungefähr 3 Millionen Menschen im jeweils anderen Land. Seit einigen Jahren dominiert jedoch in der öffentlichen Diskussion über den Stand der transatlantischen Beziehungen eine Wahrnehmung, die vor allem die langwierigen Handelskonflikte zwischen den USA und der EU in den Mittelpunkt riickt: Durch das Unvermögen, diese Konflikte friedlich zu lösen, wird die transatlantische Partnerschaft in den Augen der Öffentlichkeit zunehmend in Frage gestellt. Dabei wird vielfach vergessen, daß bis heute der größte Teil der bilateralen Handelsströme reibungslos verläuft und nur 1% des gegenseitigen Handels von Konflikten betroffen ist. Dariiber hinaus haben beide Partner die - für sie politisch und wirtschaftlich wichtige - transatlantische Kooperation seit Mitte der 90er Jahre deutlich ausgebaut: 1995 wurde die New Transatlantic Agenda zusammen mit dem Joint Action Plan verabschiedet, der die Gründung eines New Transatlantic Marketplace vorsah. Zusätzlich wurde 1998 die Transatlantic Economic Partnership begriindet, die neben dem gemeinsamen Ziel eines offen(er)en Welthandelssystems die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der EG verbessern soll. Diese Relativierung soll allerdings das Konfliktpotential nicht ,verharmlosen', das durch die in dieser Arbeit untersuchten Streitfälle verdeutlicht wird. Die Einordnung in die handelsrechtliehen und handelspolitischen Rahmenbedingungen ermöglicht jedoch eine rationale Bewertung, die emotionalen Überreaktionen, die die Verhandlungsatmosphäre vergiften, als Sachanalyse gegenübergestellt werden kann. Das viel diskutierte und mit großem Interesse wahrgenommene Thema der transatlantischen Handelsbeziehungen verdient eine Versachlichung unter der ,Lupe' grundlegender handelspolitischer Prinzipien. Dazu will diese Arbeit einen Beitrag leisten.

Danksagung Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Carl-Ludwig Holtfrerich vom John F. Kennedy-Institut der FU Berlin für die jederzeit gewährte Unterstützung, die Hilfestellungen und die kritischen Anregungen bei der Durchführung der Arbeit. Eben-

6

Vorwort

so möchte ich mich ganz herzlich bei meinem Zweitgutachter, Prof. Dr. Gerd Rardach von der Universität Marburg, für die freundliche Unterstützung und die sehr hilfreichen Gespräche und Verbesserungsvorschläge bedanken. Am John F. Kennedy-Institut hat mir zusätzlich Lutz Frühbrodt wertvolle Hinweise für die Arbeit gegeben, die mir entscheidend weitergeholfen haben. Bedanken möchte ich mich auch bei der gesamten Abteilung Wirtschaft und den Teilnehmern des Doktoranden-Colloquiums für ihre Unterstützung und Anregungen. Des weiteren gilt mein herzlicher Dank Joseph C. Fox, dem Gründer des Fox International Fellowships (FIF). Dieses Fellowship ermöglichte es mir, für ein Jahr an der Yale University zu forschen und hierdurch die Fertigstellung der Arbeit maßgeblich voranzubringen. Darüber hinaus möchte ich meinem Freund und allen Freunden und Verwandten danken, die durch ihre Hilfsbereitschaft und ihr Interesse zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben, insbesondere meinem Vater und Nadja Spies. Diese Arbeit ist meinem Vater gewidmet. Berlin, November 2001

Claudia Decker

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

I. Einführung in die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

II. Reziprozität im Handel - Zum Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Reziprozität in der Geschichte der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

2. Arbeiten seit Anfang der 80er Jahre: Strikte Reziprozität als Strategie im Handel .... . . ...... ... . .. . . ..... . . . . .... . .... . . .. . ............. . . .. . .. . ....

26

a) Befürworter einer solchen Reziprozitätsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

b) Gegner einer solchen Reziprozitätsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

c) Empirische Arbeiten über den Erfolg des Reziprozitätsansatzes . . . . . . . . .

28

III. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. . . . .

29

2. Untersuchungsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B. Das Prinzip der Reziprozität in der amerikanischen Handelspolitik . . . . . . . . . . . .

32

I. Der Begriff der Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2. Reziprozität im Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

3. Die strikte und die unspezifische Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

4. Reziprozität und Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

a) Die Meistbegünstigung und ihre Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

b) Das Verhältnis von Reziprozität und Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . .

37

5. Die unterschiedlichen Ausrichtungen der Reziprozität.. . ....... . .... . ... . ..

38

II. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg . . .. .. .. .. . .. .. .. . . . . .. . . . .. . . . ..

40

1. Die Einführung der bedingten Meistbegünstigung 1778 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

2. Bilaterale Handelsverträge mit Reziprozitätsklauseln bis 1890 . . . . . . . . . . . . .

41

Inhaltsverzeichnis

8 3. Zollgesetze

41

a) Der McKinley Tarif! Act 1890 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Der Dingley Tarif! Act 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

c) Der Payne-Aldrich Act 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

d) Der UnderwoodAct 1913 ............. .... . ... ........... ...... . .. . .....

45

e) Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität bis zum Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

4. Die bedingte Meistbegünstigung in den Handelsverträgen der USA bis zum Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

III. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

1. Der Wechsel zur unbedingten Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Die Verbindung von reziproken Zollverhandlungen und unbedingter Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

3. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität bis zum Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

IV. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung im GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

l. Die Förderung eines liberalen, multilateralen Handelssystems . . . . . . . . . . . . . .

55

2. Art. I GATT: unbedingte Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

3. Ausnahme von der unbedingten Meistbegünstigung: Art. XXIV GATT . . . . .

57

a) Die USA und Art. XXIV GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

b) Die Bedingungen des Art. XXIV GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

4. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität im GATT

60

V. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974.................. . ...... .

61

l. Dieamerikanische Handelspolitik vom Zweiten Weltkrieg bis 1974 . . . . . . . .

61

2. Das Handelsgesetz von 1974..... .. . .. . . ....... . .. . ... .... . .. .. . .......... .

64

3. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität vom Zweiten Weltkrieg bis 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

4. Die Rolle des Kongresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

VI. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung nach 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

l. Hintergrund der Handelspolitik der USA in den 80er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . .

71

Inhaltsverzeichnis 2. Der Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988

9 75

a) Die Sektion 301 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

b) Der,Super30J ' undder,Special301 ' ................................ . ..

76

c) Der Telekommunikationsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

d) Titel VII des Handelsgesetzes von 1988: Der Buy American Act . . . . . . . .

78

3. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität in den 80er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

4. Weitere Vorschläge für Handelsgesetze in den 90er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

5. Die Anwendung der Handelsgesetze von 1974 und 1988 bis 1999 . . . . . . . . . .

82

VII. Die Reaktion der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

1. Das ,Neue Instrument der Handelspolitik' von 1984.... . .. . . . . . ... . ...... . .

84

2. Die EG-K.lage vor der WTO gegen die Sektion 301 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

C. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EG mit Schwerpunkt auf die Zeit ab 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

I. Die heutige Bedeutung des Handels für die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

Il. Der Industriewarenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

1. Güterstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

2. Geschichtlicher Vergleich: Die Entwicklung der Handelsbeziehungen im Warenverkehr mit der EG seit 1955 .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

90

3. Die Handelspartner der USA im Warenverkehr seit 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) U.S. Exporte

90

b) U.S. Importe

93

4. Die Entwicklung der Handelsbilanz der USA im Warenverkehr seit den 80er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .

94

III. Der Agrarhandel seit 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

1. Die Bedeutung des Agrarhandels für die USA . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . .. .. . . . . .

98

2. Güterstruktur .. . .. .. . . .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. ..

99

3. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EG im Agrarhandel . .

99

IV. Der Dienstleistungsverkehr seit 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Die Bedeutung des Dienstleistungsverkehrs für die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Die Struktur des Dienstleistungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

10

Inhaltsverzeichnis 3. Der Dienstleistungsverkehr zwischen den USA und der EG

103

4. Die regionale Verteilung des Dienstleistungsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

V. Die Leistungsbilanz der USA mit der EG seit 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 VI. Ausländische Direktinvestitionen (FDI) in den USA und der USA im Ausland seit 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Sektorale Verteilung der FDI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die ausländischen Direktinvestitionen der USA und der EG seit Gründung der EG......... . . . . ..... . .. . ......... . ............. . ....................... 110 a) Europäische Direktinvestitionen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Amerikanische Direktinvestitionen in der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Die regionale Verteilung der ausländischen Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . 113 a) Die FDI in den USA. . . ...... . . . . .. .. . . .. . . .. . . . . . .. ... . .. ... . . . . . . . . . . . 113 b) Die FDI der USA............... . ......... . ..... . ................ .. ..... 114 VII. Anhang (Diagranune) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 115

D. Dieamerikanische Europapolitik seit 1985......... . .. .. . .. . . . . . . . . ....... .... . .. 123 I. Die Entwicklungen in Europa........ . ... . ......... . .. . .... . .... . ...... .. .. . .. 123 1. Die Vertiefungen und Erweiterungen der europäischen Integration . . . . . . . . . 123 2. Vonder,Eurosklerose' 1970/80zumWeißbuch 1985 ................... . .. 124 3. Die Einheitliche Europäische Akte (EEA) 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. DerMaastrichter Vertrag 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . 125 5. Die europäische Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6. Der Amsterdamer Vertrag 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . 127 Il. Die Haltung der Amerikaner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . 127 1. Die Position der USA ab 1985: Angst vor einer ,Festung Europa' . . . . . . . . . . 127 2. Die Angst vor den Reziprozitätsforderungen der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Der Wandel in der Haltung der USA ab 1989.... . ............. . ..... . . ... .. 130 a) Die U.S. Administration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Die Wirtschaftsverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . 131 c) Deramerikanische Kongreß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. Die Haltung der USA gegenüber der Wirtschafts- und Währungsunion . . . . . 133 5. Fazit: U.S. Haltung zur europäischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Inhaltsverzeichnis

11

E. Transatlantische Handelskonflikte seit 1985 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Die zuständigen Organe der USA und der EU im Bereich des Außenhandels . . 135 1. Die zuständigen Organe der USA .. .. .. .. .. . . . .. . . . . .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . 135

a) Die Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Die Legislative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Die U.S. International Trade Commission (ITC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

2. Die zuständigen Organe der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Die Außenhandelskompetenz der EU (Titel IX EGV: Gemeinsame Handelspolitik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Die EU-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Der Ministerrat .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. . 137 d) Das Europäische Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

3. Die Möglichkeiten der Streitschlichtung bei Handelskonflikten . . . . . . . . . . . . 138 a) Die drei möglichen Ebenen der Streitschlichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Der Streitschlichtungsmechanismus des GATT /WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. Konflikte im Agrarhandel: Forderungen der USA nach dem Abbau von Handelshemmnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Subventionen: Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

a) GATT-Agrarreform 1986 - 1994 (bis heute)/ Ölsaaten 1987 - 1994 .. . .. 141 b) Dosenfrüchte 1981-1985, 1988 I 89, 1994- .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 146 c) Weizenkleber 1996- .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 147 d) Schmelzkäse 1997- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Gerste 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

2. Normen und andere Anforderungen: technische Barrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Hormonfleisch 1987 -I hormonfreies Fleisch 1999- . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 b) Zulassung 1998 -I Kennzeichnung 1997 - von gentechnisch veränderten Organismen (GMO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Fleischverarbeitung 1987 - 1992 .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 156 d) Import von Tierprodukten (gegenseitiges Anerkennungsabkomrnen) 1996-1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 e) Tierfallen 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 f) BSE 1997-.. . ....... ... .................. . .. .. ....... . ........ . ..... . .. 159

g) Antibiotika im Tierfutter 1999 - . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

3 Tarifäre Handelshemmnisse und Quoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . 161 a) Bananen 1994- (2001) (Zollkontingente, Lizenzen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b} Zitrusfrüchte und Teigwaren 1976 - 1987 (Teigwaren: Subventionen} . . . 167

12

Inhaltsverzeichnis c) Die EG-Süderweiterung 1986/87, 1990/91 . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . . 168 d) Die EG-Norderweiterung 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. .. . . . 169 e) Getreideimporte 1995-1998 ... . .. .... .. ...... . .. .. ... ... .... .. .. . . ... . 170 III. Konflikte im Industriegüterverkehr: Forderungen der USA nach dem Abbau von Handelshemmnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Subventionen: Stahl1982- . ................. . . . . . .. ............. . .... ... . . 171 2. Das öffentliche Auftragswesen 1991-1994 (bis heute)........ . . . ... . .. . . . . 174 3. Normen und andere Anforderungen: technische Barrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Normen und technische Vorschriften 1988-1991 (MRA: 1997) . . . . . . . . 177 b) Integrierte Schaltkreise 1989- 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Telekommunikation 1998- . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . 181 d) Lärmschutznormen bei Flugzeugen 1999- . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . 182 4. Tarifäre Handelshemmnisse und Quoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Zollklassifizierungen für Computerausrüstungen 1996-1998 . . . . . . . . . . . 184 b) Quoten: Kupfer- und Zinkschrott 1988-1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 IV. Konflikte im Dienstleistungsverkehr: Forderungen der USA nach dem Abbau von Handelshemmnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Die Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (lnvestmentbanken I Versicherungen) 1988-1990 . ........ . ........... . . . .. . ..... . .......... . .. . ... 186 2. Audiovisueller Sektor 1989- . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Datenschutz im Internet 1998- 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 V. Tabellarische Darstellung dieser transatlantischen Handelskonflikte (in der Reihenfolge ihrer Entstehung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Industriegüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. Dienstleistungsverkehr.. . ................... . . . . . .. . ................ . .. . .. . 205 4. Jahresliste der jeweils aktuellen Konflikte von 1985 bis 1999 .......... . .. . 207

F. Fazit: Das den Handelskonflikten zugrundeliegende Reziprozitätsverständnis 212 I. Die betroffenen Wirtschaftssektoren in den Handelskonflikten seit 1985 . . . . . . 212

1. Die Rolle der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Die Rolle der nicht-tarifären Handelshemmnisse in der Landwirtschaft . . . . . 217 3. Die betroffenen Wirtschaftssektoren im Industriegüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . 219 4. Die betroffenen Wirtschaftssektoren im Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . . . 220

Inhaltsverzeichnis

13

II. Die transatlantischen Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Die Bedeutung der Sektion 301 in den Handelskonflikten mit der EG . . . . . . 222

a) Die Sektion 301-Verfahren von 1975 bis 1984 .. . ....... . ......... . .. .. . 222 b) Die Sektion 301-Verfahren von 1985 bis 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Die Rolle der Sektion 301 in den Handelskonflikten seit 1985 . . . . . . . . . . 226 d) Schlußfolgerungen über Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Die Ebene der Streitschlichtung (multilateral - bilateral) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Der Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Der Industriegüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 c) Der Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 d) Schlußfolgerungen über Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Der Auslöser für die Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Der Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Der Industriegüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Der Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 d) Schlußfolgerungen über Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4. Die Beziehung zwischen Handelsbilanzdefizit und neuen Konflikten . . . . . . . 234 a) Der Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Der Industriegüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Der Warenverkehr (inklusive Agrarhandel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 d) Der Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 e) Schlußfolgerungen über Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . . . . . 241 III. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Weitere mögliche Ursachen für das Entstehen neuer Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . 246 V. Wie ist die Qualität der transatlantischen Handelsbeziehungen heute einzuschätzen? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 248

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . 250

I. Selbständige Veröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 II. Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Sachwortverzeichnis ... . ......... . .. . ....... . ............ .. ..... . ...... . . ....... . .... . 274

Verzeichnis der Tabellen und Diagramme I. Tabellen Tabelle B-1:

Reziprozität und Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Tabelle B-2:

Die Arten der Reziprozität............ . .. . ... . ............... .. .. . ...

40

Tabelle B-3:

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .

48

Tabelle B-4:

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

Tabelle B-5:

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Tabelle B-6:

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung in den 80er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

Tabelle C-1:

Der Warenhandel der USA mit der EG von 1955 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Tabelle C-2 a:

Die Exporte der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

Tabelle C-2 b:

Die Exporte der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (detailliert) (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Tabelle C-3 a:

Die Importe der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

Tabelle C-3 b:

Die Importe der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (detailliert) (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

Tabelle C-4 a:

Die Handelsbilanz der USA im Warenhandel von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

Tabelle C-4 b:

Die Handelsbilanz der USA im Warenhandel von 1985 bis 2000 (detailliert) (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

Tabelle C-5:

Der Anteil des Agrarhandels arn Warenhandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

Tabelle C-6:

Die Handelsbilanz der USA im Agrarbereich von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Verzeichnis der Tabellen und Diagramme

15

Tabelle C-7:

Der Agrarhandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Tabelle C-8:

Der Dienstleistungsverkehr der USA von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Tabelle C-9:

Der Anteil des Dienstleistungsverkehrs am Gesamthandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)............. . .... . . 104

Tabelle C-1 0:

Die Dienstleistungsbilanz der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Tabelle C-11:

Der Dienstleistungsverkehr zwischen den USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Tabelle C-12:

Dienstleistungsexporte der USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Tabelle C-13:

Dienstleistungsimporte in die USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

Tabelle C-14:

Die Leistungsbilanz der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Tabelle C-15:

Ausländische Direktinvestitionen der USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Tabelle C-16:

Ausländische Direktinvestitionen in den USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

Tabelle C-17:

Ausländische Direktinvestitionen der USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Tabelle E-V.l.

Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

Tabelle E-V.2.

Industriegüterverkehr .................. .. .. . ....... . ........ . ... . . ... 201

Tabelle E-V.3.

Dienstleistungsverkehr ... . ... .. .. .. . . .. . .. . .. . .. ... .. .. .. . .... . . .. . . 205

Tabelle E-V.4.

Jahresliste der jeweils aktuellen Konflikte von 1985 bis 1999 . ... . .. . 207

Tabelle F-1:

Konflikte im Agrarhandel (chronologisch) ... .. .. ... . . . ... .. . . ... . . . . 213

Tabelle F-2:

Konflikte im Industriegüterverkehr (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Tabelle F-3:

Konflikte im Dienstleistungsverkehr (chronologisch)

Tabelle F-4:

Liste der Sektion 301-Verfahren gegen die EG von 1975 bis 1984 (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Tabelle F-5:

Liste der Sektion 301-Verfahren gegen die EG von 1985 bis 1999 (chronologisch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Tabelle F-6:

Beginn und Dauer der Konflikte im Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

215

16

Verzeichnis der Tabellen und Diagramme

Tabelle F-7:

Beginn und Dauer der Konflikte im Industriegüterverkehr

Tabelle F-8:

Beginn und Dauer der Konflikte im Warenverkehr (inklusive Agrarhandel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Tabelle F-9:

Beginn und Dauer der Konflikte im Dienstleistungsverkehr . . . . . . . . . . 241

Tabelle F-10:

Korrelation (Rangkorrelation nach Spearrnan) zwischen der jeweiligen Handelsbilanz und der Zahl der neuen Konflikte in diesem Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

237

II. Diagramme Diagramm B-1:

Beginn von Sektion 301-, Super 301- und Specia/301-Verfahren

83

Diagramm C-1:

Warenhandel der USA mit der EG von 1955 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 115

Diagramm C-2:

Anteil des Warenhandels der USA mit der EG an den Gesamtexporten und-importenvon 1955 bis 2000 (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Diagramm C-3:

Anteil der Warenexporte an den Gesamtexporten (USA) in die EG und nach Kanada, Japan und Asien von 1985 bis 2000 (in Prozent) . . 116

Diagramm C-4:

Anteil der Warenimporte an den Gesamtimporten (USA) aus der EG, Kanada, Japan und Asien von 1985 bis 2000 (in Prozent) . . . . . . . . . . . . 117

Diagramm C-5:

Warenhandelsbilanz der USA mit Westeuropa und der EG von 1945 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Diagramm C-6: Warenhandelsbilanz der USA mit der EG, Kanada, Japan und Asien von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Diagramm C-7:

Handelsbilanz der USA im Agrarhandel mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Diagramm C-8:

Agrarhandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Diagramm C-9: Dienstleistungsbilanz der USA im Handel mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 119 Diagramm C-10: Dienstleistungsverkehr zwischen den USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Diagramm C-11: Leistungsbilanz der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Diagramm C-12: Ausländische Direktinvestitionen der USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Verzeichnis der Tabellen und Diagramme

17

Diagramm C-13: Ausländische Direktinvestitionen in den USA aus der EG, Kanada und Japan von 1985 bis 2000 (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Diagramm C-14: Ausländische Direktinvestitionen der USA in der EG, Kanada und Japan von 1985 bis 2000 (in Prozent) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Diagramm F-1:

Beginn von Sektion 301-, Super 301- und Specia/301-Verfahren . . . . 226

Diagramm F-2:

Die Beziehung zwischen der Handelsbilanz und neuen Konflikten im Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Diagramm F-3:

Die Beziehung zwischen der Handelsbilanz und neuen Konflikten im Industriegüterverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

Diagramm F-4:

Die Beziehung zwischen der Handelsbilanz und neuen Konflikten im Warenverkehr (inklusive Agrarhandel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Diagramm F-5:

Korrellogramm: Die Beziehung zwischen der Handelsbilanz (x-Achse) und neuen Konflikten im Warenverkehr (inklusive Agrarhandel) (y-Achse) (r = -0,744) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

2 Decker

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Absatz

AKP

Gruppe afrikanischer, karibischer und pazifischer Staaten, mit der die EG das Lome-Abkommen geschlossen hat

ANSI

American National Standards Institute

APEC

Asia Pacific Economic Cooperation

Art.

Artikel

ASA

American Soybean Association

Aufl.

Auflage

BAFT

Bankers' Associationfor Foreign Trade

Bd.

Band

Bde.

Bände

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BSE

Bovine Spongiforme Enzephalopathie

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CEN

Europäisches Institut für Normung

CENELEC

Europäisches Institut für elektrotechnische Normung

CRS

kumulatives Rückerstattungssystem

dass.

dasselbe

ders.

derselbe

DG

Generaldirektion

d. h.

das heißt

dies.

dieselbe

DISC

Domestic International Sales Corporation

DNA

Desoxyribonukleinsäure

DSB

Dispute Settlement Body: Streitbeilegungsorgan der WTO

DSU

Dispute Settlement Understanding: Streitbeilegungsverfahren der WTO

Ebd.

Ebenda

EC

European Community I Communities

Abkürzungsverzeichnis Ecu

European Currency Unit

EEA

Einheitliche Europäische Akte

EEC

European Economic Community

EEP

Export Enhancement Program

EFfA

Europäische Freihandelszone

EG

Europäische Gemeinschaft(en)

EGKS

Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion)

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag)

EMU

European Monetary Union

endg.

endgültig

Erg.

Ergänzung

ESZB

Europäisches System der Zentralbanken

etc.

et cetera

ETSI

Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen

EU

Europäische Union

EUV

Vertrag über die Europäische Union (Europäischer Unionsvertrag)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

EZU

Europäische Zahlungsunion

f. ff.

folgende I fortfolgende (Seiten)

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

FDI

Foreign Direct Investment: Ausländische Direktinvestitionen

F&E

Forschung und Entwicklung

Fed

Federal Reserve System

19

Forts.

Fortsetzung

Ff

Financial Times

GAP

Gemeinsame Agrarpolitik

GATS

General Agreement on Trade in Services: Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade: Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen

ggf.

gegebenenfalls

GMO

Genetically Modijied Organisms: gentechnisch veränderte Organismen

GPA

Govemment Procurement Agreement: Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen

2*

20

Abkürzungsverzeichnis

GSM

Global Systemfor Mobile Communication

Hg.

Herausgeber

ICAO

International Civil Aviation Organization

IEC

International Electrotechnical Commission

IHT

International Herald Tribune

ISO

International Standards Organisation

ITA

International Trade Administration

ITC

International Trade Commission

ITO

International Trade Organization

ITU

International Telecommunication Union

Jh.

Jahrhundert

LAN

Local Area Network

MFN

Most Favored Nation: Meistbegünstigung

Mio.

Million(en)

MMT

million metric tons

MRA

Mutual Recognition Agreements: gegenseitige Anerkennungsabkommen

Mrd.

Milliarde( n)

MSA

Multilateral Steel Agreement

MSSA

Multilateral Specialty Steel Accord

NAFTA

North American Free Trade Agreement

NAM

National Association of Manufacturers

NHTC

Non-hormone Treated Cattle

NIC

Newly Industrialized Country

NYT

New York Times

OPEC

Organization of Petrol Exporting Countries

PCTV

Personal Computer mit multimedialen Fähigkeiten

RIW

Recht der Internationalen Wirtschaft

S.

Seite

s. 0 .

siehe oben

SPS

Sanitäre und Phytosanitäre Maßnahmen

SRM

Speciflc Risk Material: bestimmtes Risikomaterial

sz

Süddeutsche Zeitung Tonne

TBT

Technical Barriers to Trade: technische Handelshemmnisse

Abkürzungsverzeichnis

21

TEP

Transatlantic Economic Partnership

TRIPS

Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights: Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums

u. a.

unter anderem

UK

United Kingdom (Vereinigtes Königreich)

UMTS

Universal Mobile Telecommunications System

UNO

United Nations Organization

URL

Uniform Resource Locator

U.S.

United States

USA

United States ofAmerica

USTR

United States Trade Representative: U.S. Handelsbeauftragte(r)

v. a.

vor allem

VER

Voluntary Export Restraint Agreements: ,freiwillige' Exportbeschränkungen

vgl.

vergleiche

vo

Verordnung

WTO

World Trade Organization: Welthandelsorganisation

www

World Wide Web

z. B.

zum Beispiel

z. T.

zum Teil

A. Einleitung I. Einführung in die Problemstellung Die USA, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die herausragende Industrienation waren, verloren mit der Zeit international an Wettbewerbsfähigkeit und verzeichneten 1971 erstmals seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein Defizit in der Handelsbilanz, welches bis in die 80er Jahre deutlich anstieg. Aufgrund dieser Entwicklung versuchten sie, verstärkt eigene Interessen gegenüber den Handelspartnern durchzusetzen. Hiervon betroffen waren vor allem Japan und die EG 1, bei denen die USA der Ansicht waren, daß sie von dem offenen amerikanischen Markt profitiert hatten, ohne ihrerseits Zugeständnisse zu machen lfree riding). 2 Um dieses wahrgenommene Ungleichgewicht im Handel auszugleichen, wurden insbesondere 1974 und 1988 (Omnibus Trade and Competitiveness Act) Handelsgesetze mit dem Ziel erlassen, reziproke und damit ,faire' Marktzugangsbedingungen mit den Handelspartnern herzustellen. Die USA beabsichtigten, auf der Basis dieser Gesetze - im Gegenzug für die eigenen Zugeständnisse vor allem in der Nachkriegszeit - die Märkte der Handelspartner (u. a. der EG) zu öffnen, um Reziprozität in den Handelsbeziehungen herzustellen. 3 In der Folge kam es zu einer Reihe von Konflikten zwischen den USA und der EG. Die Mehrzahl dieser Auseinandersetzungen begannen auf amerikanischer Seite im Zusammenhang mit der fortschreitenden europäischen Integration, die durch I In meiner Arbeit verwende ich - in Anlehnung an die Bezeichnung in den Panelberichten der WTO bis heute - durchgehend die Abkürzung EG, wenn ich von der europäischen Integration spreche, und benutze die Bezeichnungen EU und EWG nur in den Fällen, in denen diese spezifisch angesprochen werden. Der Begriff EG beinhaltet den Vertragsbereich ,Europäische Gemeinschaft' der 1993 ins Leben gerufenen Europäischen Union (EU), er wird jedoch in der Arbeit auch vor diesem Zeitpunkt verwandt, um die Bezeichnung einheitlich zu gestalten. Bei den Institutionen halte ich mich hingegen an die heute aktuellen, offiziellen Bezeichnungen: (Minister)Rat, EU-Kommission und Europäisches Parlament. 2 Vgl. Thomas 0 . Bayard/ Kimberly A. Elliott, Reciprocity and Retaliation in U .S. Trade Policy, Washington, D.C. 1994, S. 12; Congressional Quarterly Inc., Trade Policy since 1945, Washington, D.C. 1984, S. 62ff., 78f. 3 Vgl. Jagdish Bhagwati, "Aggressive Unilateralism: An Overview", in: Jagdish BhagwatiiHugh T. Patrick (Hg.), Aggressive Unilateralism: America's 301 Trade Policy and the World Trading System, Ann Arbour 1990, S. 27 f.; lohn Peterson, Europe and America in the 1990s: The Prospects for Partnership, AldershotiBrookfield 1993, S. 17, 63; Rene Schwok, U .S. - EC Relations in the Post Cold War Era, Bou1der I San Francisco I Oxford 1991, S. 164ff.

24

A. Einleitung

die Vereinheitlichung der europäischen Marktbedingungen (EG-Binnenmarkt) dramatische Auswirkungen auf U.S. Exporte und Direktinvestitionen hatte. Durch den erfolgreichen Abschluß der Uruguay-Runde 1994 konnten zwar viele der langjährigen Konflikte entschärft werden; seitdem hat sich das Klima in den transatlantischen Handelsbeziehungen jedoch wieder verschlechtert, und auch das Handelsbilanzdefizit der USA im Verhältnis zur EG hat seine negative Dynamik nicht verloren.4 In meiner Arbeit beschäftige ich mich zunächst in einem historischen Überblick mit dem sich wandelnden Reziprozitätsverständnis in der amerikanischen Handelspolitik. Darauf aufbauend untersuche ich die Handelskonflikte zwischen den USA und der EG, die- ausgehend von den USA- zwischen Januar 1985 und Dezember 1999 (unabhängig von ihrem Beginn) im Zusammenhang mit der europäischen Integration bestanden. Die USA wandten sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem mit den Handelsgesetzen von 1974 und 1988 (Sektion 301, ,Super 301', ,Special 301 ') der strikten Reziprozität im Handel zu. Ziel der Untersuchung ist es herauszufinden, inwiefern dieses Verständnis von Reziprozität in den Handelskonflikten mit der EG seit 1985 tatsächlich eine Rolle spielte und wie es ggf. konkret seinen Ausdruck fand. Die EG wurde insofern als Handelspartner für die Überprüfung dieses Reziprozitätsverständnisses ausgewählt, als sie mit einem ungefähr gleich großen Marktpotential und einer hohen wirtschaftlichen Interdependenz ideale Voraussetzungen für entsprechende amerikanische Forderungen besitzt. Zusätzlich war das Handelsbilanzdefizit mit der EG - neben dem im Verhältnis zu Japan - einer der Auslöser für die neuen Handelsgesetze in den USA und den damit zusammenhängenden Wandel zur strikten Reziprozität. Bei der Untersuchung der Handelskonflikte wurde 1985 als Ausgangspunkt gewählt, weil die EG zu dieser Zeit das Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes verabschiedete, welches die Umsetzung eines europäischen Binnenmarktes bis 1993 zum Ziel hatte. Zusätzlich wurde im Dezember 1985 die Einheitliche Europäische Akte (EEA) beschlossen, welche die Rechtsgrundlage für das Binnenmarktprogramm enthielt. Auch in den USA war 1985 ein einschneidendes Datum, weil Präsident Reagan zu diesem Zeitpunkt aufgrund des ,Dollarhöhenfluges' und des damit zusammenhängenden Handelsbilanzdefizits eine aktivere und aggressivere Handelspolitik einleitete und gleichzeitig das ,Plaza-Abkommen' zur Abwertung des Dollars schloß.

4 Vgl. Miclulel Smith, ",The Devil You Know' : The United States and aChanging European Community", in: International Affairs, 68 (Januar 1992) I, S. ll6f.; Jörg Monar; "Außenwirtschaftsbeziehungen", in: Wemer Weidenfeld I Wolfgang Wessels (Hg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 1994/95, Bonn 1995, S. 211.

II. Reziprozität im Handel -Zum Forschungsstand

25

II. Reziprozität im Handel - Zum Forschungsstand Die Forschung über das Prinzip der Reziprozität läßt sich zeitlich grob in zwei Bereiche teilen: (1) So wurde zunächst zu Beginn des Jahrhunderts eine Reihe von Arbeiten veröffentlicht, die sich mit den Hintergründen und Zielen der unterschiedlichen Reziprozitätsklauseln in den amerikanischen Zollgesetzen und der Beziehung von Reziprozität und Meistbegünstigung beschäftigten. Vor allem in der Zwischenkriegszeit konzentrierten sich die Arbeiten dann auf den Wandel in den USA von der bedingten zur unbedingten Meistbegünstigung. (2) Das Thema Reziprozität wurde erneut Anfang der 80er Jahre in der Forschung aufgegriffen. Grund war der neue Schwerpunkt ,Fairneß' (fair trade) in der amerikanischen Handelspolitik, der sich v. a. in den Handelsgesetzen von 1974 und 1988 und zahlreichen weitergehenden Reziprozitätsforderungen im Kongreß manifestierte. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag auf der Untersuchung der Vorund Nachteile einer Strategie strikter Reziprozität.

1. Reziprozität in der Geschichte der USA

Zu den frühen Arbeiten über Reziprozität im Handel zählen die Abhandlung von Laughlin/Willis (1903) und vor allem die bedeutende Studie der U.S. Tariff Commission (1919): Redprocity and Commercial Treaties. 5 Die U.S. Tariff Commission untersuchte detailliert die Reziprozitäts- und Zollabkommen der USA, die Beziehung von Reziprozität und Meistbegünstigung und im Vergleich die Zollund Reziprozitätsbedingungen europäischer Staaten. Sie zeigte zum ersten Mal Probleme der USA mit den europäischen Handelspartnern aufgrund der amerikanischen Praxis der bedingten Meistbegünstigung auf. Culbertson (1937), Tasca (1938) und Kelly (1963) erweiterten diese Untersuchung des Reziprozitätsprinzips auf die amerikanischen Handelsgesetze von 1922 und 1934, mit Schwerpunkt auf Hintergrund und Ziele bei dem Wandel zur unbedingten Meistbegünstigung. 6 Bailey (1933) beschäftigte sich hingegen aufgrund der wachsenden Kritik an dem Wechsel zur unbedingten Meistbegünstigung mit den Vor- und Nachteilen einer Rückkehr zur bedingten Meistbegünstigung. Er kam jedoch zu dem Schluß, daß diese Politik deutliche Grenzen aufweist und zu Handelskriegen führen kann.7 s Vgl. J. Laurence Laughlin!H. Parker Willis, Reciprocity, New York 1903; U.S. Tariff Commission, Reciprocity and Commercial Treaties, Washington, D.C. 1919. 6 Vgl. William S. Culbertson, Reciprocity, New York/London 1937; Henry J. Tasca, The Reciprocal Trade Policy of the United States, New York 1938; William B. Kelly, "Antecedents of Present Commercial Policy, 1922 - 1934", in: William B. Kelly (Hg.), Studies in United States Commercial Policy, Durham, NC 1963, S. 3 - 68.

26

A. Einleitung

2. Arbeiten seit Anfang der 80er Jahre: Strikte Reziprozität als Strategie im Handel

Ausgehend von dem Wandel in den USA zum fair trade, entstand Anfang der 80er Jahre eine heftige Diskussion in der Forschung über den Nutzen von Reziprozität als Strategie im Handel. Reziprozität wurde hierbei im Sinne der strikten Reziprozität verstanden. Die Auseinandersetzung ging vor allem darum, ob eine Strategie der bilateralen Reziprozität dazu geeignet sei, spezielle Handelsziele zu verwirklichen, und ob reziproke Forderungen im Handel die Kooperation innerhalb des multilateralen Handelssystems untergrüben oder förderten. a) Befürwortereiner solchen Reziprozitätsstrategie

Zunächst wurde in der theoretischen Literatur über Reziprozität hervorgehoben, daß sie ein wichtiges Mittel sei, um Kooperation zwischen ,Egoisten' aufzubauen. Axelrod (1991) verfolgte dabei einen spieltheoretischen Ansatz, um in speziellen Untersuchungen die Bedeutung von Reziprozität (tit for tat) bei der Durchsetzung von Kooperation festzustellen. Darauf aufbauend, erklärte Keohane (1984/ 1986) in seinen Arbeiten über die internationale Politik, daß strikte Reziprozität in einer Welt von souveränen, egoistischen Staaten die effektivste Strategie sei, um mit der Zeit Kooperation zu erreichen, auch ohne eine zentrale internationale Regierung: während Konzessionen anderer Staaten unmittelbar belohnt würden, bestehe bei ,unfairem' Verhalten stets die Möglichkeit der Vergeltung.8 In dieselbe Richtung argumentierten Befürworter von strikter Reziprozität im Handel, die in ihren Arbeiten hervorhoben, daß diese dabei helfen könne, internationale Handelsabkommen zustande zu bringen und durchzusetzen, da sie unkooperatives Verhalten wie dasfree riding durch glaubwürdige Vergeltungsdrohungen unterbinde (Yarbrough I Yarbrough (1986)).9 Auch Gadbaw (1982) unterstrich, daß die Strategie der Reziprozität ein wesentlicher Bestandteil des offenen, internationalen Handelssystems sei und daß der bestehende Rahmen stärker genutzt werden sollte, um über den Druck von Reziprozität Effizienz im internationalen Handel zu garantieren. 10 7 Vgl. S. H. Bailey, "Reciprocity and the Most-Favoured-Nation Clause", in: Economica, 13 (November 1933) 42, S. 428 - 456. 8 Vgl. Robe rt Axelrod, Die Evolution der Kooperation, München 1991 ; Robert 0 . Keohane, After Hegemony: Cooperation and Discord in the World Political Economy, Princeton 1984; ders., "Reciprocity in International Relations", in: International Organization, 40 (Winter 1986) 1, S. 1-27. 9 Vgl. Beth V. Yarbrough / Robert M. Yarbrough, "Reciprocity, Bilateralism, and Economic 'Hostages': Self-enforcing Agreements in International Trade", in: International Studies Quarterly, 30 (März 1986) 1, S. 7 - 21. 10 Vgl. R. Michael Gadbaw, "Reciprocity and lts Implications for U.S. Trade Policy", in: Law and Policy in International Business, 14 (1982) 3, S. 691 -746.

II. Reziprozität im Handel - Zum Forschungsstand

27

Vor allem in Bezug auf Japan wurde strikte Reziprozität zusätzlich als Strategie angepriesen, um auf diese Weise eine ,faire' Lastenverteilung beim Erhalt des offenen, multilateralen Handelssystems zu erreichen. So wurde Japan vorgeworfen, auf der einen Seite das offene Handelssystem auszunutzen und auf der anderen Seite den eigenen Markt durch Protektionismus zu schützen. Verfechter der neuen amerikanischen Handelspolitik wie Bergsten (1993) und Tyson (1990) argumentierten daher, daß eine reziproke, bilaterale Handelspolitik, die sich an quantitativen Marktergebnissen orientiere (results-oriented trade policies: REO), als Handelsstrategie notwendig sei, um ausländische Märkte wie Japan zu öffnen, die durch unsichtbare Handelsrestriktionen für amerikanische Exporte geschlossen seien. 11 Da die institutionellen und technischen Handelsbarrieren häufig nur mit erheblichem Aufwand beim Handelspartner zu identifizieren seien, sei es schwierig, sie im Rahmen des GATT zu überwachen und abzubauen. Sie sahen daher Reziprozität als das effizienteste Mittel an, um Druck in Richtung Liberalisierung auszuüben. b) Gegner einer solchen Reziprozitätsstrategie

Die Arbeiten, die sich Anfang der 80er Jahre kritisch mit dem Prinzip der strikten Reziprozität im Handel auseinandersetzten, bezogen sich überwiegend auf das amerikanische Handelsgesetz von 1974 (Sektion 301) und die weitergehenden Reziprozitätsvorschläge des U.S. Kongresses zu Beginn der 80er Jahre. Zu den herausragenden Kritikern gehört Cline (1982) vom Institute for International Economics, der diese Reziprozitätsforderungen der USA in seiner Studie als ,aggressive Reziprozität' bezeichnete. 12 Seine Kritik konzentrierte sich vor allem darauf, daß die jeweiligen Reziprozitätsforderungen im Rahmen des fair trade zu leicht von protektionistischen Interessengruppen ausgenutzt werden könnten, daß sie aufgrund des unilateralen Charakters eine Gefahr für das liberale, multilaterale Handelssystem darstellten und daß die Möglichkeit von Vergeltungsakten der Handelspartner bestünde, die sich zu richtigen Handelskriegen ausweiten könnten. In dieselbe Richtung geht auch die Kritik von Hay I Sulzenko (1982), Aheam (1982) vom Congressional Research Service und Wonnacott (1984). 13 11 Vgl. C. Fred Bergsten, "Good and Bad Managed Trade", in: FT vom 18. 8. 1993, S. 16; Laura Tyson, "Managed Trade: Making the Best of the Second Best", in: Robert Lawrence/ Charles Schultze (Hg.), An American Trade Strategy: Options for the 1990s, Washington, D.C. 1990, S. 142- 185; Thierry Verdier, "Results-oriented versus Rules-oriented Trade Policies: A Theoretical Survey", in: European Economic Review, 42 (Mai 1998) 3 - 5, S. 734. 12 Vgl. William R. Cline, 'Reciprocity': A New Approach to World Trade Policy?, Institute for International Economics, Washington, D.C. 1982. 13 Vgl. Keith A. J. Hay/B. Andrei Sulzenko, "U.S. Trade Policy and ,Reciprocity'", in: Journal of World Trade Law, 16 (November/Dezember 1982) 6, S. 471 - 479; Raymond Aheam, Reciprocity in Foreign Trade, Congressional Research Service, Washington, D.C. 1982; Ronald J. Wonnacott, Aggressive U.S. Reciprocity Evaluated with a New Analytical ApproachtoTrade Conflicts, Montreal/ Quebec 1984.

28

A. Einleitung

Ein weiterer deutlicher Kritiker der strikten Reziprozitätsvorkehrungen in den amerikanischen Handelsgesetzen ist Bhagwati (1990/ 1994), der diese als ,aggressiven Unilateralismus' bezeichnete und vor allem vor den negativen Folgen für das multilaterale Handelssystem warnte 14: Congress ... seems to prefer the retaliatory option of closing our markets for goods, choosing GAIT-illegality as the technique of choice, underlining perhaps its contempt for multilateralism and its obligations for presumably having served American interests so poorly. 15

Um seine Kritik an den Reziprozitätsforderungen zu belegen, verglich Bhagwati (1987) die heutigen Reziprozitätsbestrebungen der USA mit denen Englands im 19. Jh. und zeigte dabei die Parallelität der Argumente und die Gefahren des Protektionismus auf. 16 Auch Krueger (1990) kritisierte, daß diese Art des ,result-oriented aggressive bilateralism' die Gefahr von großen Störungen für das multilaterale Handelssystem mit sich bringe und daß sie wenig Potential besäße, auf effiziente Weise den internationalen Waren- und Dienstleistungshandel zu fördern. 17 c) Empirische Arbeiten überden Erfolg des Reziprozitätsansatzes

Neben diesen zahlreichen Studien über die Vor- und Nachteile strikter Reziprozität als Strategie im Handel gab es auch einige empirische Untersuchungen zu den feststellbaren Auswirkungen: So untersuchte Rhodes (1989 I 1993) die tatsächliche Effizienz im Hinblick auf die Durchsetzung amerikanischer Handelsinteressen. Zu diesem Zweck entwickelte sie ein Schema von Handelsmaßnahmen und daraus resultierende Folgen bei einer reziproken und nicht-reziproken Handelspolitik, welches sie auf ausgewählte Handelskonflikte der USA mit den wichtigsten Handelspartnern (EG, Japan, Kanada) anwandte. Sie kam anhand der Beispiele zu dem Ergebnis, daß strikte Reziprozität eine effektive Verhandlungsstrategie zwischen Staaten sein kann, um zu kooperativen Lösungen im Bereich des Handels zu kommen. 18 14 Vgl. Bhagwati (Aggressive Unilateralism), S. 1 - 45; ders., "Fair Trade, Reciprocity and Harmonization: The New Challenge to the Theory and Policy of Free Trade", in: Alan V. Deardorff /Robert M. Stern (Hg.), Analytical and Negotiating Issues in the Global Trading System, Ann Arbour 1994, S. 547- 598. 15 Bhagwati (Aggressive Unilateralism), S. 34. 16 V gl. Jagdish Bhagwati! Douglas A. Irwin, "The Return of the Reciprocitarians - U.S. Trade Policy Today", in: The World Economy, 10 (Juni 1987) 2, S. 109- 130. 17 Vgl. Anne 0. Krueger, "Free Trade istheBest Policy", in: Lawrence/Schultze (Hg.), S. 68-96. 18 Vgl. Carolyn Rhodes, "Reciprocity in Trade: The Utility of a Bargaining Strategy", in: International Organization, 43 (Frühjahr 1989) 2, S. 273- 299; dies., Reciprocity, U.S. Trade Policy, and the GAIT Regime, lthaca/London 1993.

III. Aufbau der Arbeit

29

Bayard I Elliott (1994) vom Institute for International Economics gingen in ihrer Studie hingegen speziell auf den Erfolg der Sektion 301 in den Handelskonflikten der USA von 1975 bis 1992 ein. 19 Ziel war es herauszufinden, ob und inwieweit die Sektion 301 ein wirksames Mittel sei, um Märkte der Handelspartner zu öffnen und die nationalen Interessen der USA durchzusetzen. Sie kamen zu dem Schluß, daß die Sektion 301 weder eine marktöffnende ,Brechstange' sei, wie es die Befürworter betonten, noch eine vollkommene Katastrophe für das multilaterale Handelssystem, wie die Kritiker hervorhoben. Bayard I Elliott warnten jedoch trotz der teilweisen Erfolge, daß eine Fortsetzung des ,aggressiven Unilateralismus' das multilaterale Handelssystem auf Dauer gefährden könne.

111. Aufbau der Arbeit 1. Zielsetzung Wie dargelegt, lösten der Wandel in der amerikanischen Handelspolitik zumfair trade und der damit verbundene Wechsel zur strikten Reziprozität Anfang der 80er Jahre eine Welle von Arbeiten über Reziprozität aus. Auch diese Arbeit beschäftigt sich mit der aktuellen Reziprozitätspolitik der USA. Ziel ist es zu überprüfen, ob und inwiefern sich der Paradigmenwechsel in den USA von der unspezifischen zur strikten Reziprozität20 an den bilateralen Handelskonflikten mit der EG festmachen läßt. Diese Untersuchung ist insofern neu, als nicht die allgemeinen Vor- und Nachteile oder der Erfolg einer Strategie strikter Reziprozität, sondern ihre Anwendung im Konfliktfall untersucht wird. Auf diese Weise soll herausgefunden werden, wie die USA tatsächlich in den Handelskonflikten mit dem Prinzip der strikten Reziprozität, und dabei vor allem mit dem Handelsinstrument der Sektion 301 umgingen und ob die Kritik an den Handelsgesetzen in den USA und seitens der Handelspartner von daher berechti~t ist.

2. Untersuchungsgang Im Folgenden gehe ich zunächst auf die Definition und die unterschiedlichen Ausrichtungen der Reziprozität (strikte und unspezifische Reziprozität) sowie auf ihr Verhältnis zur Meistbegünstigung ein (Kapitel B). Um die Bedeutung des Reziprozitätsprinzips in der amerikanischen Handelspolitik ermessen zu können, wird danach in einem historischen Überblick die Reziprozitätspolitik und das Reziprozitätsverständnis der USA untersucht. Hierdurch wird deutlich, daß die Hinwendung 19 20

Vgl. Bayard/ Elliott. Definitionen, s. Kapitel B. 1.3.

30

A. Einleitung

der USA zur strikten Reziprozität v. a. in den 70er und 80er Jahren keinesfalls ein neuer Gedanke in der amerikanischen Außenhandelspolitik war, sondern bis zum Zweiten Weltkrieg überwiegend die Art darstellte, wie die USA ihre Handelspolitik durchführten. Im nächsten Kapitel (Kapitel C) wird die wirtschaftliche Interdependenz (Waren-, Agrar-, Dienstleistungsverkehr, FDI) zwischen den USA und der EG dargestellt, um die Bedeutung der transatlantischen Handelsbeziehungen - auch im Vergleich zu anderen Handelspartnern - und das von Konflikten betroffene Handelsvolumen besser einschätzen zu können. Für die spätere Analyse des Reziprozitätsverständnisses in den Handelskonflikten spielt zusätzlich die Entwicklung der Handelsbilanz zwischen den USA und der EG eine Rolle. Da sich die Arbeit auf die transatlantischen Konflikte konzentriert, die im Zusammenhang mit der europäischen Integration entstanden, ist es notwendig, neben der wirtschaftlichen Interdependenz auch die Haltung der Administration und des Kongresses zu dieser Entwicklung darzustellen. Daher wird in Kapitel D auf die amerikanische Buropapolitik - vor allem in Bezug auf die Verwirklichung eines europäischen Binnenmarktes - eingegangen. Kapitel E beschreibt schließlich die Handelskonflikte der USA mit der EG von Januar 1985 bis Dezember 1999 (unabhängig von ihrem Beginn), die die Grundlage für die abschließende Untersuchung über die Bedeutung des Prinzips strikter Reziprozität bilden. Die Konflikte wurden auf den Stand des 2000 National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers des amerikanischen Handelsbeauftragten gebracht. In diesem Kapitel werden sämtliche Handelskonflikte mit der EG behandelt, unabhängig davon, ob die Sektion 301 eingesetzt wurde oder nicht. Der Grund liegt darin, daß alle Auseinandersetzungen - auch ohne Anwendung des Sektion 301-Verfahrens- vor dem Hintergrund der Handelsgesetze und ihrer Auffassung von Reziprozität stattfanden.

Die Konflikte wurden unterteilt in den Agrar-, Industriegüter- und Dienstleistungsbereich und nach dem Auslöser des Konflikts (Subventionen, Normen und andere Anforderungen I technische Barrieren und tarifäre Handelshemmnisse bzw. Quoten) gegliedert. Da nur Konflikte einbezogen wurden, die im Zusammenhang mit der europäischen Integration stattfanden, fallen Auseinandersetzungen weg, in denen die EG als Kläger gegen Handelsbarrieren der USA auftrat. Auch der langjährige Konflikt über die Subventionen der Airbus Industrie fällt aus dem Rahmen der Arbeit, da es sich hierbei um eine Kooperation zwischen Frankreich, Deutschland, Vereinigtem Königreich und Spanien und kein Projekt auf EG-Ebene handelt. Im letzten Kapitel (Kapitel F) werden die Handelskonflikte schließlich auf die Anwendung des Prinzips strikter Reziprozität untersucht; dazu werden vier Kriterien herangezogen: (1) Wurde die Sektion 301 eingesetzt, (2) auf welcher Ebene wurden die Konflikte gelöst (bilateral - multilateral), (3) was war der Auslöser für die Konflikte, und schließlich: (4) gab es einen Zusammenhang zwischen dem

III. Aufbau der Arbeit

31

Handelsbilanzdefizit und dem Vorgehen der USA gegen Handelspraktiken der EG? Beim ersten Kriterium wird untersucht, ob bereits die Einleitung eines Sektion 301-Verfahrens für die Umsetzung des Reziprozitätsprinzips steht. Das zweite Kriterium, die Ebene der Konfliktlösung, soll Aufschluß darüber geben, ob die Konflikte tendenziell auf bilateraler Ebene verhandelt wurden, um auf diese Weise reziproke Marktzugangsbedingungen herzustellen, oder aber auf multilateraler Ebene im Hinblick auf die Beseitigung von Handelsbarrieren. Mit der Untersuchung des Auslösers der Konflikte soll festgestellt werden, ob die USA sich vorrangig um strikte Reziprozität in den Handelsbeziehungen bemühten oder ob sie nicht doch im Sinne des Freihandels in erster Linie gegen europäische Handelsbarrieren vorgingen, die - ihrer Ansicht nach - die multilateralen Regeln verletzten. Mit dem letzten Kriterium wird schließlich geprüft, ob (und inwiefern) ein Zusammenhang zwischen dem Aufkommen neuer Konflikte und dem Handelsbilanzdefizit bestand und der Reziprozitätsgedanke deshalb eine Rolle spielte.

B. Das Prinzip der Reziprozität in der amerikanischen Handelspolitik I. Der Begriff der Reziprozität 1. Definition

Diese Arbeit beschäftigt sich mit einem der wichtigsten Prinzipien in der internationalen Handelspolitik, dem Reziprozitätsprinzip. Es ist daher für die folgende Untersuchung zunächst notwendig, eine klare Begriffsbestimmung vorzunehmen. 1960 betonte der Soziologe Gouldner, daß Reziprozität zwar ein sehr grundlegendes Konzept sei, es jedoch keine eindeutige Definition gebe: "Men have been insisting on the importance of reciprocity for a long time. While many sociologists concur in this judgement, there are nonetheless few concepts of sociology which remain more obscure and ambiguous." 1 In seinem Versuch, Reziprozität zu definieren, hob Gouldner in seiner klassischen Arbeit zur Reziprozität hervor, daß sie abhängige Handlungen impliziere: " . . . the generalized norm of reciprocity evokes obligations towards others ~n the basis of their past behavior." 2 Darauf aufbauend, definierte Keohane Reziprozität in seinem Aufsatz Reciprocity in International Relations von 1986 wie folgt: Reciprocity refers to exchanges of roughly equivalent values in which the actions of each party are contingent on the prior actions of the others in such a way that good is returned for good, and badfor bad. These exchanges are often, but not necessarily, mutually beneficial; they may be based on self-interest as weil as on shared concepts of rights and obligations; and the value of what is exchanged may or may not be comparable. 3

Diese Definition umfaßt die zwei wesentlichen Aspekte der Reziprozität. So beinhaltet Reziprozität zunächst eine Abhängigkeit des eigenen Verhaltens von der erwarteten Reaktion des anderen oder von dessen vorangegangenem Verhalten: kooperatives Verhalten wird belohnt, während nicht kooperatives Verhalten entsprechend bestraft wird. Dieser Aspekt der Abhängigkeit des gegenseitigen Verhaltens wird auch als contingency bezeichnet. Zweitens basiert Reziprozität auf der Wahrnehmung von Gleichwertigkeit (equivalence). So gehen die Parteien bei der Forderung nach Reziprozität davon t Alvin W Gouldner; "The Norm of Reciprocity: A Preliminary Statement", in: American Sociological Review, 25 (Aprill960) 2, S. 161. 2 Ebd., S. 170. 3 Keohane (Reciprocity), S. 8.

I. Der Begriff der Reziprozität

33

aus, daß die Zugeständnisse, die im gegenseitigen Austausch gemacht werden, sich in ihrem Wert entsprechen. Da es in vielen Situationen jedoch unmöglich ist, nach objektiven Kriterien eine annähernde Gleichwertigkeit des jeweiligen Austausches herzustellen, bestimmt sich diese nach den subjektiven Anforderungen und Überzeugungen der Parteien. 4 2. Reziprozität im Handel

Das Prinzip der Reziprozität gehört zu den klassischen Instrumenten der Handelspolitik sowohl auf bilateraler als auch auf multilateraler Ebene. Handelspolitik wird hierbei definiert als die Summe aller Aktivitäten eines Staates, die darauf ausgerichtet sind, das Ausmaß, die Zusammensetzung und die Richtung seiner Importe und Exporte von Waren und Dienstleistungen zu beeinflussen. 5 So können zwar im Rahmen der Handelspolitik Handels- und Zollpräferenzen auch einseitig gewährt werden; das Prinzip Reziprozität hat jedoch sowohl die bilateralen, regionalen als auch die multilateralen Handelsliberalisierungen dominiert, obwohl es nicht mit der Logik der klassischen Handelstheorie übereinstimmt, die die wirtschaftlichen Vorteile von unilateraler Liberalisierung - auch ohne entsprechende Konzessionen der Handelspartner - hervorhebt. 6 Die Bedeutung der Reziprozität liegt zunächst darin, daß es im Bereich der internationalen Politik keine gemeinsame Regierung gibt, die eine Kooperation der einzelnen Staaten durchsetzen könnte. In dieser auch als ,anarchisch' bezeichneten internationalen Politik hilft das Prinzip der Reziprozität, bei der das eigene Verhalten an das des anderen angepaßt wird (tit for tat), bei den Bemühungen, die einzelnen souveränen - und egoistischen - Staaten mit der Zeit zu Verhandlungen und zur Kooperation zu bewegen, auch ohne eine internationale Regierung. Dasselbe gilt für den Bereich des internationalen Handels. 7 4 Vgl. Ebd., S. 5 ff.; Geert Wils, "The Concept ofReciprocity in EEC Law: An Exploration into These Realms", in: Common Market Law Review, 28 (1991), S. 246f.; Gouldner; S. 170ff.; "Reciprocity", in: Oxford English Dictionary, 2. Auf!., Oxford 1989, S. 330. 5 Vgl. Benjamin J. Cohen, American Foreign Economic Policy: Essays and Comments, New York 1968, S. 20. 6 Vgl. Bruno Simma, "Reciprocity", in: Encyclopedia of Public International Law, 7. Bd., Amsterdam/New York/Oxford 1984, S. 400ff.; Michael J. Trebilcock!Robert Howse, The Regulation of International Trade, London/New York 1999, S. 7, 510f.; Raymond F. Mikesell, "Trade Agreements", in: International Encyclopedia of the Social Sciences, (Hg.) David L. Sills, 8. Bd., New York 1968, S. 135. 7 Vgl. Vor allem für einen spieltheoretischen Ansatz: Axelrod, S. 3 ff.; Keohane (Reciprocity), S. 1 f.; ders. (After Hegemony), S. 214; bezogen auf die strategische Handelspolitik: J. David Richardson, "The New Political Economy of Trade Policy", in: Paul Krugman (Hg.), Strategie Trade Policy and the New International Economics, Cambridge/London 1988, s. 272 ff.

3 Decker

34

B. Das Prinzip der Reziprozität

Diese Vorteile von Reziprozität bei internationalen Verhandlungen lassen sich von einem spieltheoretischen Ansatz her erklären. Die Spieltheorie untersucht Situationen, in denen das Wohlergehen eines Spielers nicht nur von den eigenen, sondern auch von den Handlungen der anderen abhängt (prisoner's dilemma). Diese bestehende Interdependenz muß von allen Beteiligten bei ihren Entscheidungen berücksichtigt werden. Bei Verhandlungen über Handelsabkommen sind die Spieler die einzelnen Staaten. Ihre Wohlfahrt hängt in gleicher Weise nicht nur von der eigenen Handelspolitik, sondern auch von den Entscheidungen der anderen Staaten ab: So kann ein Land zusätzliche wirtschaftliche Vorteile erlangen, wenn es seine Handelspartner zu Liberalisierungen bewegen kann (auf wechselseitiger Basis). Andererseits können Staaten auf Protektionismus mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren. Mit der Zeit lernen Staaten auf diese Weise zu kooperieren. 8 Die auf diese Weise zustande gekommenen Abkommen, in denen Staaten reziproke Zugeständnisse machen, weisen zusätzliche Vorteile auf, wie das Argument der terms-of-trade-Externalitäten verdeutlicht: Wenn eine Regierung unilateral einen Importzoll verhängt, werden die Relationen verändert und ausländische Exporteure geschädigt. Durch reziproke Handelsabkommen können diese Restriktionen (im Zusammenhang mit der terms-of-trade-Externalität) nun aufgehoben und ein für beide Seiten effizienteres Handelsvolumen erreicht werden. 9 Ein weiterer Grund für reziproke Handelsabkommen liegt in politischen Überlegungen: So fällt es Regierungen schwer, auf unilateraler Basis zu liberalisieren, da für Verluste in eigenen Sektoren ausgleichende Konzessionen der Handelspartner fehlen. 10 Reziprozität ist somit Grundlage fast jeden internationalen Handelsabkommens, da die souveränen Staaten im Verhältnis zueinander daran interessiert sind, Konzessionen zu erlangen, und im Gegenzug bereit sind, ihrerseits Zugeständnisse zu machen: "International trade negotiations ordinarily proceed according to the norm of reciprocity, under which one country offers increased access to its own market in exchange for similar increased access to a foreign market." 11 Die jeweiligen Konzessionen der Handelspartner sind also von denen der anderen abhängig (contingency), und man bemüht sich, Gleichwertigkeit (equivalence) herzustellen, um nicht als Verlierer des Abkommens dazustehen. So betonte die U.S. Tarif! Commission 1933 bezüglich der Handelsabkommen zwischen Staaten: 8 Vgl. lohn McMillan, "A Garne-theoretic View of International Trade", in: John Whalley (Hg.), Developing Countries and the Global Trading System, Ann Arbour 1989, S. 27 ff.; ders., Garnes, Strategiesand Managers, NewYork/Oxford 1992, S. 80f. 9 Vgl. Kyle Bagwell!Robert W Staiger, Reciprocity, Non-discrimination and Preferential Agreements in the Multilateral Trading System, National Bureau of Economic Research 5932, Cambridge 1997, S. 2f. 10 Vgl. Trebilcock/Howse, S. 7, 510f.; Bagwell/ Staiger, S. 2; Mikesell, S. 135. 11 lohn McMillan, "Strategie Bargaining and Section 301", in: Bhagwati /Patrick (Hg.), S. 203.

I. Der Begriff der Reziprozität

35

In the adoption of a commercial policy and in the making of arrangements connected therewith, every State has a twofold object - it seeks to gain and to preserve for itself advantages, and to escape, avoid, and guard against disadvantages. This being the case, the making of a commercial treaty is a bargain. 12

Bei diesem Bemühen um reziproke Zugeständnisse im Handel stellte Krugman drei Grundeinsteilungen der beteiligten Staaten fest: 1. Exporte sind gut, 2. Importe sind schlecht, und 3. ein gleichwertiger Anstieg von Importen und Exporten ist gut. Er charakterisierte diese Haltung als ,aufgeklärten Merkantilismus', da jedes Land seine Exporte subventionieren und seine Importe beschränken möchte. Die Haltung in den Verhandlungen ist jedoch insofern aufgeklärt, als jeder Vorteile darin sieht, den Handel zu expandieren, indem man die Exporte des anderen akzeptiertY 3. Die strikte und die unspezifische Reziprozität

Das Prinzip der Reziprozität kann im Bereich des internationalen Handels auf unterschiedliche Weise und für unterschiedliche Ziele eingesetzt werden. Keohane teilt das Prinzip der Reziprozität in zwei Varianten ein, der sogenannten specific reciprocity (im folgenden: strikte Reziprozität) und der diffuse reciprocity (im folgenden: unspezifische Reziprozität). 14 Unter der strikten Reziprozität werden Situationen verstanden, in denen Handelspartner auf bilateraler Ebene Zugeständnisse von gleichem Wert in einer streng abgegrenzten Folge machen. Jede Absprache ist genau festgelegt hinsichtlich der Rechte und Pflichten der Beteiligten. Bei der strikten Reziprozität werden somit gleichwertige Konzessionen der Handelspartner gefordert. Hierbei entstehen jedoch Probleme in der Ausgestaltung, da dies einerseits gleichwertige Zugeständnisse bei unterschiedlichen Gütern und andererseits identische Zugeständnisse bedeuten kann: In the first case . .. equivalence may mean that the things exchanged may be concretely different but should be equal in value, as defined by the actors in the situation. In the second case, ... equivalence may mean that exchanges should be concretely alike, or identical in form, either with respect to the things exchanged or to the circumstances under which they are exchanged. In the forrner, equivalence calls for ,tit for tat'; in the latter, equivalence calls for ,tat for tat' . 15

Generell besteht bei der Anwendung der strikten Reziprozität jedoch die Tendenz, nicht nur Zugeständnisse vom selben Wert, sondern für gleiche Güter zu 12 "Commercial Treaties and the ,Most-Favored-Nation ' Clause", in: Congressional Digest, 12 (Mai 1933) 5, S. 136. 13 Vgl. Paul Krugman, "The Move toward Free Trade Zones", in: Federal Reserve Bank of Kansas City (Hg.), Policy Implications of Trade and Currency Zones, Symposium sponsored by the Federal Reserve Bank of Kansas City, Jackson Hole, WY 1991, S. 25. 14 Vgl. Keohane (Reciprocity), S. 4. 15 Gouldner. S. 172.

3*

36

B. Das Prinzip der Reziprozität

fordern. In der folgenden Analyse der Handelsgesetze wird im Einzelfall deutlich, ob eine strikte Reziprozität bei speziellen Produkten bzw. in einzelnen Sektoren (sektorale Reziprozität) oder eine sektorübergreifende Reziprozität gefordert wird. Die unspezifische Reziprozität ist hingegen von Situationen gekennzeichnet, in denen der Aspekt der Gleichwertigkeit weniger streng beachtet wird. So werden keine identischen Konzessionen bei gleichen Gütern (oder in speziellen Sektoren) gefordert, sondern lediglich ein ungefähres Gleichgewicht. Zusätzlich kann der Partner als Gruppe verstanden werden und nicht als einzelner Akteur (multilaterale Verhandlungen), und der Ablauf der Ereignisse ist weniger eng aneinander gebunden. Im Fall der strikten Reziprozität wird folglich ein spezifisches, bilaterales Gleichgewicht zwischen zwei Staaten verlangt, während im Fall der unspezifischen Reziprozität keine direkte Gegenleistung für kooperatives Verhalten, sondern ein allgemeines Gleichgewicht (ggf. in der Gruppe) gefordert wird. Die Durchsetzungsfähigkeit der unspezifischen Reziprozität hängt also davon ab, daß alle Vertragsparteien sich an die allgemein akzeptierten Verhaltensstandards halten. 16 Im Gegensatz zu diesen zwei Varianten der Reziprozität unterscheidet Bhagwati zwischen der Jirst-difference reciprocity und der Juli reciprocity. Bei der sogenannten Jirst-difference reciprocity werden von den Handelspartnern gleichwertige Konzessionen unabhängig von ihren ursprünglichen Marktzugangsbedingungen verlangt. Reziprozität bezieht sich folglich auf die Gleichwertigkeit der Veränderungen und Zugeständnisse. Auf der anderen Seite zielt die Juli reciprocity auf eine Reziprozität des Marktzugangs und der Handelsbarrieren. Bei dieser Variante wird Reziprozität häufig in individuellen Sektoren gefordert und an bilateralen Handelsbilanzen festgemacht. Wahrend bei der first-difference reciprocity somit Reziprozität ,at the margin' erreicht werden soll, bezieht sich die Juli reciprocity auf sogenannte Ievel playing fields. 17 Bhagwati konzentriert sich in seiner Unterscheidung von Reziprozität folglich auf die unterschiedlichen Ziele in den Verhandlungen (Reziprozität und somit Gleichwertigkeit in den Zugeständnissen oder hinsichtlich der Resultate). Im Vergleich dazu bezieht sich Keohane mit seiner Unterscheidung der strikten und der unspezifischen Reziprozität auf den Grad der Reziprozität: werden gleichwertige (und z. T. identische), bilaterale Zugeständnisse verlangt oder lediglich ein grobes Gleichgewicht? In meiner Arbeit halte ich mich bei meiner folgenden Untersuchung der U.S. amerikanischen Handelsgesetze und der Handelskonflikte an die Unterteilung Keohanes, da sie für mein Untersuchungsziel eine geeignetere Betrachtungsweise darstellt. 16

17

V gl. Keohane (Reciprocity), S. 4 ff.; Bailey, S. 437; Trebilcockl Howse, S. 511 ff. Vgl. Bhagwatillrwin, S. 117.

I. Der Begriff der Reziprozität

37

4. Reziprozität und Meistbegünstigung a) Die Meistbegünstigung und ihre Formen

Die oben beschriebenen Versionen der Reziprozität hängen eng mit dem Prinzip der Meistbegünstigung zusammen. Letztere kommt dann zum Tragen, wenn (reziproke) Abkommen zwischen zwei Staaten auf Drittstaaten ausgeweitet werden. Das generelle Ziel der Meistbegünstigung liegt darin, jedem Vertragspartner zu garantieren, daß er dieselben Vorteile zugestanden bekommt, die einem anderen Staat bewilligt wurden. Durch diese Vorkehrung kommt ein Handelspartner nie in eine Position, in der er schlechter gestellt ist als ein Drittstaat Die Meistbegünstigung gibt es sowohl in der bedingten als auch in der unbedingten Form. Bei der bedingten Form der Meistbegünstigung werden die Konzessionen, die mit einem Staat ausgehandelt wurden, nur bei Gewährung gleichwertiger Zugeständnisse auf andere Handelspartner ausgeweitet. Die unbedingte Meistbegünstigung besteht hingegen darin, die Konzessionen auf alle Staaten auszuweiten, mit denen eine solche Regelung vereinbart wurde. 18 Die U.S. Tarif! Commission definierte diese beiden Ausrichtungen 1933 wie folgt: The unconditional form of the obligation is simply a promise to refrain from any discrimination, and to apply to all products of the other country every advantage that may be granted to the like product of any other foreign country . .. In contrast, although conditional most-favored-nation treaties also obligate this Govemment to extend to the other party every concession made to any third country, this obligation is qualified by the very important condition that if the concession to the third country was granted in exchange only for an equivalent, it will be extended under the treaty only for an equivalent. 19

b) Das Verhältnis von Reziprozität und Meistbegünstigung

Die bedingte Meistbegünstigung fällt in den Bereich der strikten Reziprozität, da konkrete Gegenleistungen von einem bestimmten Handelspartner für eigene Konzessionen erwartet werden. So kommt nur derjenige Staat, der den genauen Reziprozitätsanforderungen entspricht, in den Genuß der Meistbegünstigung. Sowohl das Prinzip der strikten Reziprozität als auch die bedingte Meistbegünstigung verfolgen mit ihren Forderungen nach gleichwertigen Zugeständnissen oder gleichwertigen Marktzugangsbedingungen das Ziel eines ausgewogenen Handels (jair trade). Es wird im Rahmen des ,fairen Handels' Wert darauf gelegt, durch die Verwirklichung eines sogenannten Ievel playing fields ausgeglichene Handelsbeziehungen mit den Partnerländern herzustellen. 20 V gl. U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 389; Kelly, S. 30 ff. U.S. Tariff Commission, Tariff Bargaining under Most-Favored-Nation Treaties, Washington, D.C. 1933, S. 4. 18

19

38

B. Das Prinzip der Reziprozität

Die unbedingte Meistbegünstigung - wie sie u. a. im GATT vereinbart wurde fällt hingegen in den Bereich der unspezifischen Reziprozität, da Staaten hierbei keine strikte, bilaterale Reziprozität für die Übertragung von Konzessionen verlangen, die sie anderen Handelspartnern gewähren, sondern nur ein ungefähres Gleichgewicht: Die Konzessionen werden automatisch auf alle Staaten ausgeweitet, mit denen die unbedingte Meistbegünstigung vereinbart wurde, vorausgesetzt, daß sich diese an die vereinbarten Verhaltensnormen in den Handelsbeziehungen halten. Das Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung verfolgt somit durch den gegenseitigen Abbau von Handelsbarrieren - ohne die Forderung nach gleichwertigen, bilateralen Gegenleistungen - eher das Ziel des Freihandels als das der ausgewogenen Handelsbeziehungen in der Form des fair trade. 21 Tabelle B-1

Reziprozität und Meistbegünstigung Strikte Reziprozität

Unspezijische Reziprozität

Bedingte Meistbegünstigung

Unbedingte Meistbegünstigung

Ziel eher ,fairer Handel'

Ziel eher Freihandel

5. Die unterschiedlichen Ausrichtungen der Reziprozität Wie bereits angesprochen, kann das Prinzip der Reziprozität auf sehr unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Zielen in den Handelsbeziehungen verwirklicht werden. So betonte Harrison vom Congressional Research Service in einem Bericht für den amerikanischen Kongreß: ",Reciprocity', like ,fair trade', is a concept that can mean many things to many people. Although a considerable degree of ambiguity attaches to such concepts, few doubt their underlying soundness as principles for conducting trade policy. ,m So wird z. B. das Prinzip der Reziprozität angewandt, wenn Staaten aktiv mit einem (bilateral) oder mehreren Staaten (multilateral) verhandeln, um ihre jeweiligen Handelsbarrieren abzubauen. Das Ziel dieser Art der Reziprozitätspolitik besteht in der Liberalisierung des bilateralen oder internationalen Handels. Mög20 Vgl. Robert E. Hudec, "Mirror, Mirrar on the Wall, the Concept of Fairness in U.S. Trade Policy'', in: Canadian Council on International Law (Hg.), Proceedings of the Annual Conference of the Canadian Council on International Law, Ottawa 1990, S. 91 f. ; Bhagwati! lrwin, S.lll, 117. 21 Vgl. Rudolf Dolzer, "Reziprozität als Standard der EG-Drittstaatenbeziehungen", in: Meinhard Hilf I Christian Tomuschat (Hg.), EG und Drittstaatenbeziehungen nach 1992, Baden-Baden 1991, S. 115f.; Keohane (Reciprocity), S. 4, 23; Trebilcock/Howse, S. 5llf.; Bhagwatillrwin, S. 111, 117; Bailey, S. 437f. 22 Giennon J. Harrison, The European Community's 1992 Plan: An Overview of the Proposed 'Single Market', Congressional Research Service, Washington, D.C. 1988, S. 25.

I. Der Begriff der Reziprozität

39

lieh ist dabei sowohl, daß Staaten auf der Basis der strikten Reziprozität auf die Gleichwertigkeit der bilateralen Konzessionen achten, als auch, daß sie - wie im Fall des GATI - auf der Basis der unspezifischen Reziprozität ihre Konzessionen gewähren. Im Fall der strikten Reziprozität kann sowohl Reziprozität bei einzelnen Produkten bzw. in speziellen Sektoren als auch eine sektorübergreifende Reziprozität gefordert werden, während bei der unspezifischen Reziprozität nur ein sektorunabhängiges, grobes Gleichgewicht der Konzessionen verlangt wird. Demgegenüber ist zweitens eine passive Reziprozitätspolitik denkbar, in der einzelne Staaten Handelskonzessionen gegenüber Ländern zurückhalten, die nicht bereit sind, Gegenleistungen zu erbringen. Hierbei findet das Prinzip der strikten Reziprozität Anwendung, da auf ein konkretes, bilaterales Gleichgewicht in den Handelsbeziehungen geachtet wird. Diese Politik kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und mit Strafmaßnahmen drohen, wenn keine Konzessionen angeboten werden. Ein dritter Fall von Reziprozität beinhaltet die Errichtung entsprechender eigener Handelsbarrieren als Folge des Aufbaus von ausländischen Handelshemmnissen. Ausländischem Protektionismus werden somit eigene Schutzmaßnahmen entgegengesetzt, die insgesamt den Protektionismus im Welthandel erhöhen. Auch diesem Verhalten liegt das Prinzip der strikten Reziprozität zugrunde, da auf die Handelspolitik des Partners - in diesem Fall den Aufbau von Handelsbarrieren entsprechend reagiert wird. Eine sehr umstrittene Form der Reziprozität besteht darin, daß ein Land neue Handelsbarrieren gegenüber Ländern errichtet, deren bestehende Handelshemmnisse als schwerwiegender und höher als die entsprechenden eigenen eingeschätzt werden. Letzteres wird von Cline als ,aggressive reciprocity' bezeichnet. Ein Land erhöht unilateral die eigenen Schutzmaßnahmen, ohne daß sich an der Handelspolitik eines anderen Staates etwas geändert hat. In diesem Fall tritt die strikte Reziprozität besonders hervor, da bestehende Handelsregeln auf ihre Fairneß überprüft werden und - bei entsprechendem Ergebnis - mit Gegenmaßnahmen reagiert wird (Unilateralismus). 23 Alle diese Arten von Reziprozität - und ggf. Mischformen - können in den Handelsbeziehungen Anwendung finden. Je tiefer man in der Liste vorgeht, desto weniger dient das Prinzip der Reziprozität der Liberalisierung des Handels und desto wahrscheinlicher wird es, daß es verstärkt zu protektionistischen Maßnahmen kommt. In diesem Zusammenhang muß erneut darauf hingewiesen werden, daß in der klassischen Handelstheorie vor allem die Vorteile unilateraler Liberalisierung für die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft und ihrer Bürger herausgestellt werden. Nach dieser Theorie entstehen Handelsgewinne auch ohne reziproke Zugeständnisse der Handelspartner. Das Vereinigte Königreich folgte unter Premierminister Robert 23

Vgl. Wonnacott, S. 5f.; Trebilcock ! Howse, S. 7ff.; Cline, S. 20f.

40

B. Das Prinzip der Reziprozität

Peel als erstes Land der Welt dieser Doktrin, als es sich mit der Abschaffung der Getreidezölle 1846 von dem Prinzip der Reziprozität im Handel ab- und dem unilateralen Freihandel zuwandte. 24 Im folgenden wird nun in einem historischen Überblick die Reziprozitätspolitik und das Reziprozitätsverständnis (strikte oderunspezifische Reziprozität) der USA untersucht, um die Bedeutung dieses Prinzips in der amerikanischen Handelsgesetzgebung ermessen zu können. Tabelle B-2 Die Arten der Reziprozität

1. Land: Handelspolitik

2. Land: Reaktion

Strikte I unspezifische Reziprozität

Gewährung von Konzessionen

Gewährung von Konzessionen

Strikte oder unspezifische Reziprozität

Keine Gewährung gleichwertiger Konzessionen

Zurückhalten von Konzessionen; Verhängung von Strafmaßnahmen

Strikte Reziprozität

Aufbau von Handelsbarrieren

Aufbau entsprechender Handelsbarrieren

Strikte Reziprozität

Gleichbleibende Handelspolitik

Errichtung neuer Handelsbarrieren

Strikte, ,aggressive' Reziprozität (Unilateralismus)

II. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg 1. Die Einführung der bedingten Meistbegünstigung 1778

Die USA waren als Nachzügler in der Industrialisierung kein Verfechter der Idee des Freihandels. Als ,neue Nation ', die versuchte, sich einen Platz auf fremden Märkten zu verschaffen, vereinbarten sie die bedingte Meistbegünstigung in ihren ersten Handelsvertrag vom Februar 1778 mit Frankreich. So stand zwar in dem Vertrag, daß die Vorteile, die einer der Vertragspartner einem Drittstaat eingeräumt hatte oder einräumen würde, auch dem anderen Vertragspartner zugestanden werden sollten; diese Ausweitung der Konzessionen war jedoch an Bedingungen geknüpft25 : 24 Vgl. Trebilcock/Howse, S. 7, 510f.; Bhagwatillrwin, S. 120f.; Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 31 f. 25 Vgl. Hugh 0. Davis, America's Trade Equality Policy, Washington, D.C. 1942, S. 3ff.; Bhagwatillrwin, S. 122; U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 18; Kelly, S. 30.

II. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg

41

... advantages which wither of the contracting parties had granted or might grant to a third State should be granted to the other, freely, if the concession (to the third State) was freely made, or on allowing the same compensation, if the concession was conditional. 26

Die USA sahen in einer Verhandlungspolitik, die auf der bedingten Meistbegünstigung basierte, die einzige Möglichkeit, effektiv mit den europäischen Großmächten in Handelsangelegenheiten umzugehen und mögliche Diskriminierungen gegenüber den USA zu vermeiden. Zusätzlich betrachteten sie die Anwendung der bedingten Meistbegünstigung als nicht diskriminierend, da sie ihrer Meinung nach allen Ländern die gleichen Chancen gab, mit den USA Präferenzen auszuhandeln.27

2. Bilaterale Handelsverträge mit Reziprozitätsklauseln bis 1890

Neben der Wendung zur bedingten Meistbegünstigung integrierten die USA spezielle Reziprozitätserfordernisse in die einzelnen Handelsverträge. Bis 1890 wurden sieben solcher Verträge mit Reziprozitätsklauseln verhandelt; es traten jedoch nur zwei, mit Kanada 1854 und mit Hawaii 1875, in Kraft. Im Vertrag mit Kanada wurde beiden Seiten zugestanden, die jeweiligen Fischfanggebiete an der Atlantikküste sowie die Kanalsysteme wechselseitig zu nutzen. Zusätzlich wurde beim Handel mit Naturprodukten praktisch der Freihandel eingeführt. Im Vertrag mit Hawaii standen hingegen (im Hinblick auf seine strategische Bedeutung) die politischen Überlegungen im Vordergrund: Wahrend die USA sich bereit erklärten, das Land vor Aggressionen europäischer Mächte zu schützen, versprach Hawaii im Gegenzug, keinem anderen Land Staatsgebiet zu verpachten oder spezielle Privilegien einzuräumen. Im Bereich des Handels wurde beiden Seiten erlaubt, eine erhebliche Anzahl von Produkten zollfrei zu exportieren, während Importe aus anderen Ländern weiterhin hohen Zöllen unterworfen waren. Die wichtigsten Produkte aus Hawaii, die unter die Reziprozitätsvorkehrungen fielen, waren brauner Zucker, Melasse, Früchte, Nüsse und Reis, die insgesamt mehr als 3/ 4 der Gesamtexporte ausmachten. 28

3. Zollgesetze

Im 18. und 19. Jh. bestand das grundlegende Ziel der amerikanischen Außenhandelspolitik darin, sowohl die Bundesregierung mit Einnahmen zu versorgen als auch bestimmte Industrien vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Das wesentliche Instrument zu diesem Zweck war der Zoll; vor allem im 19. Jh. ist die ameri26 27

28

U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 18. Vgl. Kelly, S. 33f. Vgl. U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 21 ff.; Keohane (Reciprocity), S. 16.

42

B. Das Prinzip der Reziprozität

kanische Handelspolitik daher mit der Zollpolitik gleichzusetzen. Im folgenden werden nun die Zollgesetze der USA seit ihrer Gründung hinsichtlich ihres Reziprozitätsverständnisses untersucht. 29 a) Der McKinley TariffAct 1890

1890 wurde unter den Republikanern der McKinley Tarif! Act verabschiedet, das erste Gesetz, welches allgemeine Reziprozitätsvorkehrungen in Bezug auf Zölle beinhaltete. Dieses gewährte Kaffee, Tee, Zucker, Fellen und Melasse einen freien Zugang zum amerikanischen Markt; gleichzeitig gab es jedoch dem Präsidenten die Ermächtigung, diese Zugeständnisse bei Staaten, die Zölle auf amerikanische Exporte erhoben, die als , reciprocally unjust or unreasonable' deklariert wurden, wieder zurückzunehmen und statt dessen Strafzölle auf ansonsten zollfreie Produkte zu erheben. Bei der Bewertung der Zölle der anderen Staaten wurde ein Vergleich der relativen Zollhöhe der USA und des betroffenen Staates als Grundlage herangezogen. Dieses Handelsgesetz war in erster Linie gegen Lateinamerika und die Karibik gerichtet, da mit Ausnahme des Tees alle angesprochenen Produkte aus dieser Region importiert wurden. So war die Administration unter Präsident Harrison der Ansicht, daß ein Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen bestand, da U.S. Exporte nach Lateinamerika mit hohen Zöllen belegt wurden, während lateinamerikanische Produkte fast zollfrei auf den amerikanischen Markt gelangten. Diese Zollunterschiede sollten nun durch die Reziprozitätsklauseln des McKinley Tarif! Acts von 1890 aufgehoben werden, um die Handelsbeziehungen zu intensivieren. Der Kongreß und hierbei vor allem das Repräsentantenhaus wandten sich jedoch lange Zeit gegen diese Reziprozitätsbestimmungen. Sie wollten statt dessen die Zölle auf Zucker und Kaffee, die in den stark USA nachgefragt wurden, abschaffen und im Gegenzug die Zölle auf Felle und Rohwolle erhöhen. Aufgrund der Bemühungen des damaligen Außenministers Blaines blieben Felle jedoch auf der Liste der zollfreien Güter, und der Senat - und nach langen Verhandlungen auch das Repräsentantenhaus - stimmte schließlich den Reziprozitätsvorkehrungen zu. Auf der Basis dieses Gesetzes schlossen die USA daraufbin mehrere Abkommen mit Staaten aus Lateinamerika, in denen sie diesen fünf Waren Zollfreiheit garantierten, während in den meisten Fällen die betroffenen Staaten im Gegenzug die Mehrzahl ihrer Importe aus den USA zollfrei oder zu erheblich reduzierten Zollsätzen zuließen. 30 29 Vgl. Robert A. Pastor, Congress and the Politics of U.S. Foreign Economic Policy 1929-1976, Berkeley /Los AngelesiLandon 1980, S. 3 f., 187 f.; Monika Medick-Krakau, Amerikanische Außenhandelspolitik im Wandel: Handelsgesetzgebung und GATT-Politik 1945- 1988, Berlin 1995, S. 64 ff. 30 Vgl. Frank W. Taussig, The Tariff History of the United States, New York/London 1966, S. 275 ff.; U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 21 ff., 145 ff.; Keohane (Recipro-

II. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg

43

Die Reziprozitätsbestimmungen dieses Gesetzes basierten in erster Linie auf Bestrafung. So betonten Laughlin/Willis 1903: "The openings for manufactures were, in short, obtained by the use of what amounted to a direct threat of retaliation, since we offered not a differential advantage to the countries concerned, but ... only a differential disadvantage." 31 Die USA boten geringe Konzessionen an, drohten jedoch gleichzeitig, diese zuriickzunehmen und zusätzliche Sanktionen zu erheben, wenn die bestehenden relativen Zollhöhen nicht denjenigen der USA entsprachen. Als stärkere Wirtschaftsmacht hatten die USA somit die Möglichkeit, andere Staaten zu Konzessionen zu zwingen, die über die Gleichwertigkeit amerikanischer Zugeständnisse hinausgingen. Da es um den streng abgegrenzten, gegenseitigen Austausch von Konzessionen zwischen zwei Staaten ging, wurde das Prinzip der strikten Reziprozität verfolgt. Hierbei wurde jedoch nicht auf Zugeständnisse bei gleichen Gütern oder in speziellen Sektoren geachtet, sondern auf eine Gleichwertigkeit der relativen Zollhöhen. b) Der Dingley Tariff Act 1897

1894 wurde dieses reziproke Zollgesetz unter der Demokratischen Administration von Präsident Cleveland zurückgenommen. Mit einem neuen Zollgesetz (Wilson-Gorman Act) wurden die Reziprozitätsanforderungen abgeschafft, ein Zoll auf Zucker erhoben und die bisher verhandelten Reziprozitätsabkommen außer Kraft gesetzt. Bei den Kongreßwahlen 1896 kam die Republikanische Partei jedoch erneut an die Macht und führte das Prinzip der Reziprozität wieder ein. So hatten die Republikaner in ihrem Parteiprogramm betont: "Protection and Reciprocity are twin measures of Republican policy and go hand in hand ... reciprocity builds up foreign trade and finds an outlet for our surplus."32 Der Grund für diese Unterstützung der Reziprozitätspolitik lag darin, daß die amerikanischen Exporte zwar stiegen, diese jedoch durch die europäischen Staaten diskriminierenden Zöllen unterworfen wurden. Als Gegenmaßnahme verabschiedeten die Republikaner daher 1897 den Dingley Tarif! Act, der in Sektion 3 zwei Methoden der Zollverhandlungen vorsah: Einerseits wurde der Präsident in Sektion 3 dazu ermächtigt, in Verhandlungen über Zollsenkungen bei ,Argol', rohem Weinstein oder Wein-Bodensatz, Weinen, Brandy, Spirituosen, Champagner und anderen Schaumweinen, Gemälden und Bildhauerkunst mit denjenigen Staaten einzutreten, die bereit waren, den USA gleichwertige Konzessionen zu gewähren (Argot Agreements). Andererseits wurde in Sektion 3 die Möglichkeit von Strafzöllen auf bestimmte Produkte wie Kaffee, Tonkabohnen und Vanilleschoten bei Ländern vorgesehen, city), S. 15 f.; Culbertson, S. 154 ff.; "Reciprocity Treaties Not Ratified", in: Congressional Digest, 12 (Mai 1933) 5, S. 134. 3 1 Laughlin / Willis, S. 212. 32 Culbertson, S. 159.

44

B. Das Prinzip der Reziprozität

die Importe aus den USA ,unequal' oder ,unreasonable' behandelten. Dieser Absatz war identisch mit den Vorkehrungen des McKinley Tarif! Acts von 1890; er sah jedoch im Gegensatz dazu Strafzölle nur auf spezielle Produkte von sehr geringem Handelswert vor. Die Sektion 4 des Dingley Tarif! Acts ermächtigte den Präsidenten zusätzlich, Verträge abzuschließen, die Zollsenkungen bis zu 20% auf nicht weiter spezifizierte Importprodukte im Gegenzug für gleichwertige Zugeständnisse der Handelspartner erlaubten. Diese Verträge mußten jedoch innerhalb von zwei Jahren nach Verabschiedung des Gesetzes abgeschlossen und vom Kongreß ratifiziert werden?3 Alle Reziprozitätsvorkehrungen des Dingley Tarif! Acts fallen unter die strikte Reziprozität, da Konzessionen zwar nicht gegen identische, aber gegen gleichwertige Konzessionen der Handelspartner gewährt und gegebenenfalls Strafzölle bei Ländern erhoben wurden, die amerikanischen Exporten keinen reziproken Marktzugang zugestanden. Wahrend die Strafzölle überwiegend Produkte aus Lateinamerika betrafen, stammten die Produkte, bei denen Zollsenkungen möglich waren, hauptsächlich aus Europa. Primäres Ziel der USA war es, durch diese Vorkehrungen die Handelsdiskriminierung gegenüber amerikanischen Exporten durch europäische Staaten aufzuheben. Da die USA jedoch einerseits nur zu wenigen Konzessionen bei Produkten mit geringem Handelswert bereit waren (Argot Agreements) und der Kongreß andererseits im Rahmen der Sektion 4 verlangte, die Handelsverträge vom Kongreß ratifizieren zu lassen, trat keines der ausgehandelten Reziprozitätsabkommen in Kraft. 34 c) Der Payne-Aldrich Act 1909 Zwölf Jahre später, in dem Zollgesetz von 1909 (Payne-Aldrich Act), wurden diese Reziprozitätsbestimmungen durch die Republikaner wieder abgeschafft und alle bis dahin verhandelten Reziprozitätsabkommen - bis auf das mit Kuba von 1902- aufgekündigt. Der Grund lag darin, daß seit Anfang des Jahrhunderts die beiden großen Parteien ihre Haltung gegenüber Reziprozität getauscht hatten und die Republikaner nun von dem Prinzip der Reziprozität abgerückt waren. Sie waren der Ansicht, daß eine Handelspolitik, die alle Handelspartner und Produzenten gleich behandelt, der richtige Weg sei, um den Handel zu erweitern, während 33 Vgl. Carl-Ludwig Holtfrerich, ,.The Roosevelts and Foreign Trade: Foreign Economic Palieies under Theodore and Franktin Roosevelt", in: Cornelis A. van Minnen (Hg.), The Roosevelts: Nationalism, Democracy & Internationalism, Roosevelt Study Center, Middelburg 1987, S. 29; David A. Lake, Power, Protection, and Free Trade, Ithaca/London 1988, S. 126ff.; U.S. TariffCommission (Reciprocity), S. 28ff., 197ff.; Taussig, S. 352ff.; Culbertson, S. 159 ff. 34 Vgl. Keohane (Reciprocity), S. 16; Culbertson, S. 162f.; Kelly, S. 26f.

li. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg

45

die bisherige Reziprozitätspolitik die Diskriminierung amerikanischer Exporte in Europa nicht hatte beseitigen können. Die Demokraten wandten sich hingegen dem Prinzip der strikten Reziprozität zu, da sie es nun als wirksames Mittel betrachteten, um über gegenseitige Zugeständnisse den Außenhandel zu erweitern. Das Zollgesetz der Republikaner von 1909 erstellte ein duales Zollverzeichnis, in dem sowohl minimale als auch maximale Zollsätze festgesetzt wurden. Der maximale Zollsatz, der errechnet wurde, indem mindestens 25% des Produktwertes auf den minimalen Satz addiert wurden, stellte den generellen Zoll dar, der auf alle Staaten anwendbar war. Der Präsident wurde jedoch ermächtigt, den minimalen Zollsatz auf diejenigen Länder anzuwenden, die - weder direkt noch indirekt - gegenüber den USA diskriminierten. Mit diesem Gesetz wurden also maximale Zollsätze als Strafe gegen eine Diskriminierung von amerikanischen Produkten eingeführt. Da die USA jedoch mit denjenigen Ländern, in denen sie Diskriminierung vorfanden, in Verhandlung eintraten, wurde faktisch der minimale Zollsatz auf alle Länder angewandt. Die USA wandten sich somit von ihrem bisherigen Konzept der strikten Reziprozität ab und begannen, Länder zu bestrafen, die gegen amerikanische Produkte diskriminierten35: "Thereafter the policy of giving ,concessions for concessions ' was abandoned forthat of ,penalizing' countries which practiced discriminations." 36

d) Der Underwood Act 1913 1913 kamen die Demokraten unter Präsident Wilson erneut an die Macht und verabschiedeten ein neues Zollgesetz. Da sie sich nunmehr dem Prinzip der Reziprozität verschrieben hatten, wurde der Präsident in dem Zollgesetz von 1913 (Underwood Act) in Sektion 4 dazu ermächtigt, reziproke Abkommen mit anderen Ländern zu schließen. Diese Abkommen mußten jedoch vom Kongreß ratifiziert werden. Gleichzeitig wurden die Zölle, die bisher dazu dienten, den eigenen Markt zu schützen, auf einen ,competitive Ievel' gesenkt, der einen Wettbewerb zwischen nationalen Produkten und Importen herstellen sollte. 37 Auch in diesem Gesetz von 1913, welches die Verabschiedung von reziproken Abkommen vorsah, kam die strikte Reziprozität zur Anwendung. Die USA waren bereit, Konzessionen gegen gleichwertige Zugeständnisse der Handelspartner einzugehen, um einen bilateralen Abbau der Handelshemmnisse herbeizuführen. Die Konzessionen mußten jedoch nicht bei identischen Gütern oder in speziellen Sektoren erfolgen. 35 Vgl. "America's Reciprocity TariffRecord", in: Congressional Digest, 12 (Mai 1933) 5, S. 131; U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 3lf., 265 ff.; Taussig, S. 403 ff.; Lake, S. 133 ff. 36 Davis, S. 102. 37 Vgl. Lake, S. 146f.

B. Das Prinzip der Reziprozität

46

e) Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität bis zum Ersten Weltkrieg

Das Ziel der amerikanischen Handelspolitik bestand in erster Linie darin, die eigenen Exporte zunächst nach Lateinamerika und später vor allem nach Europa zu erhalten und zu fördern, in einer Zeit, in der Protektionismus und Diskriminierungen zunahmen. Es bestand bis 1913 wenig Interesse, die amerikanischen Zollmauem zu reduzieren. So betonte Culbertson: As we as a nation came into the final decades of the nineteenth century the framers of our tariff acts, generally Republicans, began to realize that their task was not only to protect domestic industry but to promote foreign trade. Reciprocity continued to evolve, not in antagonism to protection but as a supplement thereto. 38

Die USA hatten im Bereich der Zollpolitik-mitAusnahme der Zeit von 1909 bis 1913 - ein einziges Zollverzeichnis mit festgelegten Tarifen (single tariff system), das generell auf Importe aus allen Staaten angewandt wurde. Dieses Verzeichnis wurde allein durch die nationale Gesetzgebung festgelegt und somit aus dem Einflußbereich von Verträgen und Abkommen herausgenommen. Durch diese als ,autonom' bezeichnete Zollpolitik sollte verhindert werden, daß im Hinblick auf Absprachen mit anderen Ländern diese Sätze nach Belieben geändert würden? 9 Die USA waren jedoch - mit einigen Unterbrechungen - bereit, reziproke Abkommen mit einzelnen Staaten zu schließen, die spezielle Zollreduzierungen möglich machten. Diese Abkommen basierten auf der strikten Reziprozität, da jede Konzession, zu der sich die USA bereit erklärten, mit entsprechenden Zugeständnissen des Handelspartners erwidert werden mußte. Diese neuen speziellen Zollsätze führten jedoch nicht zu einem zweiten generellen Zollverzeichnis. Des weiteren drohten die USA mit Strafmaßnahmen, wenn sie die Handelsregelungen eines Handelspartners als , reciprocally unjust' oder, unreasonable' einstuften. Die USA sahen somit in der strikten Reziprozität das geeignete Mittel, um im Bereich des Handels Fortschritte zu erzielen.

4. Die bedingte Meistbegünstigung in den Handelsverträgen der USA bis zum Ersten Weltkrieg Neben diesen Reziprozitätsbestimmungen integrierten die USA bis zum Ersten Weltkrieg bedingte Meistbegünstigungsklauseln in ihre Handelsverträge. Hierdurch gestanden sie Konzessionen, die sie mit einem Handelspartner vereinbart Culbertson, S. 171. Vgl. U.S. Tariff Comrnission (Reciprocity), S. 19f., 461; "Commercial Treaties", S. 160. 38 39

II. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg

47

hatten, nur denjenigen Drittstaaten zu, die bereit waren, gleichwertige Zugeständnisse zu machen. 40 So betonte die U.S. TariffCommission 1919: The American position began with the making of the very first treaty of the United States, and from then until the present time the guiding principle in the commercial treaty-making policy of the United States has been that of bargaining between individual nations on the basis of reciprocal and progressive giving of favor for favor and concession for concession.41

Von den mit Handelspartnern abgeschlossenen Reziprozitätsverträgen fielen die Zollsenkungen in den Verträgen mit Kanada (1854), Hawaii (1875) und Kuba (1902) und die Argol Agreements von 1897 unter die amerikanische Politik der bedingten Meistbegünstigung. Theoretisch konnten Drittstaaten diese Vorzüge genießen, indem sie äquivalente Kompensationen boten; trotzdem wurden die vereinbarten Zollsenkungen nicht immer auf Drittstaaten ausgeweitet. So betonten die USA beispielsweise 1878, daß andere Länder nichts anbieten könnten, was als gleichwertige Kompensation für den Vertrag mit Hawaii anerkannt werden könnte. Zusätzlich war der Reziprozitätsvertrag mit Kuba unter keinen Umständen offen für andere Staaten. 42 During the time when the United States was adhering to a conditional most favored nation approach in its commercial relations with other countries, policymakers took a very strict view of reciprocity. Under the conditional most favored nation approach, the United States reserved the right to refuse to extend concessions to any country that did not explicitly pay for, reciprocate, the concessions it received. 43

Die Europäer ihrerseits orientierten sich zwar im frühen 19. Jh. in ihrer Handelspolitik an den Amerikanern; sie wechselten jedoch - vom Liberalismus beeinflußt -nach 1860 zur unbedingten Meistbegünstigung. So betonte die U.S. Tariff Commission: "Thus the use of the unconditional form of the most-favored nation clause, together with the application of the unconditional interpretation, became the common European practice."44 Im Bereich der Zölle errichteten die Europäer daher mehrere Zollverzeichnisse mit deutlichen und speziellen Verweisen auf Verhandlungsmöglichkeiten. So waren sie bereit, ihre Zölle gegen Konzessionen der Handelspartner zu reduzieren und diese dann auf alle Staaten auszudehnen, mit denen die unbedingte Meistbegünstigung vereinbart war. 45

Vgl. Keohane (Reciprocity), S. 15 ff.; Bhagwatillrwin, S. 122. 41 U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 39. 42 Vgl. Kelly, S. 31 ff.; Holtfrerich (Roosevelts), S. 27 f.; Davis, S. 71 ff. 43 Gadbaw, S. 702. 44 U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 19. 45 Vgl. Ebd., S. 18f., 393ff., 462ff.; Cline, S. 16f.; .,Commercial Treaties", S. 160; Laughlin/Willis, S. 12ff. 40

Tabelle B-3

Ziel der Reziprozitätsvorkehrungen

Förderung der Exporte nach Lateinamerika; amerikanisches Schutzsystem soll erhalten bleiben

-

Diskriminierung von U.S. Exporten in Europa aufheben

-

Abschaffung von Handelsbarrieren

Reziprozitätsvorkehrungen

a) Spezielle Produkte erhalten freien Zugang zum U.S. Markt b) Präsident kann Zugeständnissebei ,reciprocally unjust or unreasonable' Verhalten zurücknehmen und Strafzölle erheben

Abschaffung der Reziprozitätsvorkehrungen

Sektion 3 a) Argol Agreements: gegenseitige Konzessionen bei speziellen Produkten b) Strafzölle wie 1890 b) Sektion 4 Reziproke Handelsverträge

Abschaffung der Reziprozitätsvorkehrungen

Reziproke Handelsverträge

Zollgesetz

McKinley Tarif! Act 1890

Wilson-Gorman Act 1894

Dingley Tarif! Act 1897

Payne-Aldrich Act 1909

Underwood Act 19 13

Strikte Reziprozität

-

Strikte Reziprozität

-

Strikte Reziprozität

ArtderReziprozität

---

Bedingte Meistbegünstigung; Bilaterale Verhandlungen

-

Bedingte Meistbegünstigung; Bilaterale Verhandlungen

-

Bedingte Meistbegünstigung; Bilaterale Verhandlungen

Art der Meistbegünstigung; Verhandlungsebene

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Ersten Weltkrieg

§:

'0

at:.

t:.

(1)

:::0

~

Q.

.e·

;:J .

"'1:l

"'"'

t:l

o:l

00

"""

III. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg

49

111. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg 1. Der Wechsel zur unbedingten Meistbegünstigung Bis zum Ersten Weltkrieg verfolgten die USA - wie oben dargelegt - eine Politik der bedingten Meistbegünstigung. Im Jahr 1919 stellte jedoch die U.S. Tarif! Commission in einer bedeutenden Studie von Jacob Viner und Frank W. Taussig fest, daß die amerikanische Praxis der bedingten Meistbegünstigung zu vielen Kontroversen geführt hatte, da die Unterzeichnerstaaten von bestehenden Abkommen die Vorteile neuer Abkommen mit Drittstaaten zusätzlich für sich beanspruchten.46 Daher empfahlen sie: Finally, it cannot be too much emphasized that any policy adopted by the United States should have for its object, on the one hand, the prevention of discrimination and the securing of equality of treatment of American commerce and for American citizens, and, on the other hand, the frank offer of the same equality of treatment to all countries that reciprocate in the same spirit and to the same effect. The United States should ask no special favors and should grant no special favors. It should exercise its powers and should impose its penalties, not for the purpose of securing discrimination in its favor, but to prevent discrimination to its disadvantage. 47

Ein erster Schritt zur Einführung der unbedingten Meistbegünstigungsklausel war die Verabschiedung des Fordney-McCumber Acts 1922. Die für den Wechsel zur unbedingten Meistbegünstigung entscheidende Vorkehrung war Sektion 317, die vorsah, daß alle Importe unabhängig von ihrem Ursprungsland auf dem amerikanischen Markt gleich behandelt werden sollten. Gleichzeitig wurden alle Importe aus denjenigen Ländern mit Strafzöllen belegt, die gegenüber amerikanischen Exporten diskriminierten. Die USA versuchten, mit diesen Bestimmungen das Prinzip der Gleichbehandlung (equality of treatment) in den Handelsbeziehungen durchzusetzen. Die Sektion 317 wurde von der Regierung derart interpretiert, daß sie gegen alle Arten der Diskriminierung, inklusive Vorzugsbehandlungen durch Reziprozitätsabkommen, gerichtet war. Auf diese Regelung Bezug nehmend, schlug Culbertson, der Vize-Vorsitzende der U.S. Tarif! Commission, in einem Brief vom Dezember 1922 an Außenminister Hughes vor, die unbedingte Meistbegünstigung einzuführen48:

Vgl. Cline, S. 17. U.S. Tariff Commission (Reciprocity), S. 15. 48 Vgl. Tasca, S. 40f., 116ff.; "Tariff Modifying Powers of the President and the Tariff Commission", in: Congressional Digest, 12 (Mai 1933) 5, S. 135, 139; Bailey, S. 428; Kelly, S. 27, 37 f. ; Culbertson, S. 255 f.; Davis, S. 103 f. 46

47

4 Decker

50

B. Das Prinzip der Reziprozität Section 317 of the TariffAct of 1922 empowers the President to make effective the principle of equality of treatment in our foreign trade relations. In the words of the conferees, who gave final shape to this act: ,The United States offers, under its tariff, equality oftreatment to a11 nations, and at the same time insists that foreign nations grant to our extemal commerce equality of treatment.' ... Now that Congress has taken a definite stand for the policy of equality of treatment, it would seem to fo11ow logically that in the revision of our commercial treaties we should adopt the unconditional form of the most-favored-nation clause ... Thus when a11 countries fo11ow the unconditional most-favored-nation practice, equality of treatment is guaranteed generally ... 49

Außenminister Hughes leitete dieses Anliegen Mitte Januar 1923 an Präsident Harding weiter, der darauf am 27. Februar 1923 zurückschrieb: I have gone over your Ietter and the argument of Mr. Culbertson with some considerable deliberation, and I am pretty well persuaded that the negotiation of the unconditional provision is the wise course to pursue . . . I am weil convinced that the adoption of the unconditional favored-nation policy is the simpler way to maintain our tariff policy in accordance with the recently enacted law and is probably the surer way of effectively extending our trade abroad. If you are strongly of this opinion you may proceed with your negotiations upon the unconditional policy.50

In einem Rundbrief vom August 1923 wurde amerikanischen Diplomaten schließlich mitgeteilt, daß die zukünftigen Handelsverträge der USA die unbedingte Meistbegünstigung enthalten sollten. Der Präsident führte damit die unbedingte Meistbegünstigung als Basis für die gesamten amerikanischen Handelsbeziehungen ein, ohne ein spezielles Mandat des Kongresses erhalten zu haben. Die erste formale diplomatische Entsprechung dieser Wendung zur unbedingten Meistbegünstigung fand 1923 mit Deutschland statt. 51 Es gab eine Vielzahl von Griinden für diesen Wandel in der Handelspolitik. Zunächst hatte sich die Struktur der amerikanischen Exporte gewandelt. Die USA waren mit der Zeit von einem Exporteur von landwirtschaftlichen Produkten und Rohstoffen zu einem Exporteur von verarbeiteten Waren geworden. So machten 1920 die verarbeiteten Güter bereits die Hälfte der gesamten Exporte aus, und diese konkurrierten im Gegensatz zu den Primärgütern mit europäischen Produkten. Während die Europäer somit vorher wenig Anlaß hatten, gegen amerikanische Produkte zu diskriminieren oder Schutzmaßnahmen zu ergreifen, änderte sich die Situation mit diesem Wechsel zu verarbeiteten Gütern. Da die meisten europäischen und außereuropäischen Länder die bedingte Meistbegünstigung als diskriminierend ansahen, erschien den USA die unbedingte Meistbegünstigung in der Nachkriegszeit als das geeignete Mittel, um Diskriminierung gegenüber amerikanischen Exporten zu verhindern. 49

5o 51

Culbertson, S. 69. Ebd., S. 169/170. Vgl. Tasca, S. 40f., 116ff.; Lake, S. 171 f.; Kelly, S. 39ff.

III. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg

51

Ein weiterer Grund für die Wendung zur unbedingten Meistbegünstigung lag darin, daß bei Handelsabkommen auf der Basis der bedingten Meistbegünstigung die Gefahr bestand, daß jeder neue Vertrag die vorangegangenen untergraben konnte. Daher waren wesentliche Handelspartner nicht bereit, mit den USA derartige Verträge abzuschließen, so daß amerikanische Exporte stark beeinträchtigt wurden52 : Whether as regards our reciprocity treaties or as regards our interpretation of the most-favored-nation clause, theseparate and individual treatment of each case tends to create misunderstanding and friction with countries which, though supposed to be not concemed, yet are in reality very much concemed. When each country with which we negotiate is treated by itself, and separate arrangements are made with the exception that they shall be applicable individually, claims are none the less made by other States with whom such arrangements have not been made. Concessions are asked; they are sometimes refused; counter concessions are proposed; reprisal and retaliation are suggested; unpleasant controversies and sometimes international friction result. 53

2. Die Verbindung von reziproken Zollverhandlungen und unbedingter Meistbegünstigung Mit dem Fordney-McCumber Act von 1922 wurden hohe Zölle eingeführt und gleichzeitig die bestehenden Reziprozitätsvorkehrungen des Zollgesetzes von 1913 wieder abgeschafft. Zwar sah Sektion 315 vor, daß die hohen Zölle je nach Differenz zwischen den Preisen im Ausland und im Inland gesenkt werden konnten, um ein gleiches Preisniveau der ausländischen und inländischen Waren zu erhalten (,flexibler Zoll '); diese Reduzierung wurde jedoch nicht als Thema für reziproke Verhandlungen verstanden. Auch der Smoot-Hawley Tarif! Act von 1930, der Zölle und andere Importrestriktionen in einer Zeit der internationalen Depression nochmals drastisch erhöhte, behielt die Zollvorkehrungen der Sektion 315 in Sektion 336 bei. 54 Zölle wurden somit - solange sie nicht diskriminierend waren - weiterhin als nationale Angelegenheit angesehen, die nicht auf reziproker Basis reduziert werden konnten. So waren die USA zwar bereit, bei Gegenseitigkeit die unbedingte Meistbegünstigung zu gewähren; zusätzliche Zollreduzierungen standen jedoch nicht zur Verhandlung. Da diese Bedingungen für andere Länder nicht ansprechend waren, blieb Deutschland - trotz Einführung der unbedingten Meistbegünstigung bis 1933 das einzige Land, mit dem die USA einen Vertrag auf dieser Basis abschlossen.55 52 Vgl. Holtfrerich (Roosevelts), S. 23f.; Tasca, S. 117; Keohane (Reciprocity), S. 16f.; Kelly, S. 44ff.; Davis, S. 105. 53 U.S. Tariff Comrnission (Reciprocity), S. 10. 54 Vgl. Kelly, S. 25 ff.; Gadbaw, S. 705 f. ; Trebilcock/ Howse, S. 20; Medick-Krakau, S. 72f. 55 Vgl. Tasca, S. 120f.; Kelly, S. 48ff.

4*

B. Das Prinzip der Reziprozität

52

Dieses Problem wurde schließlich durch den Reciprocal Trade Agreements Act, der 1934 als Zusatz zum Smoot-Hawley Tarif! Act verabschiedet wurde, gelöst: Mit diesem Gesetz übergab der Kongreß die Verantwortung für die Zollpolitik in die Hände des Präsidenten, der dazu ermächtigt wurde, die Zölle auf der Basis von reziproken Handelsabkommen bis zu 50% zu senken. Die Zollverhandlungen wurden mit der unbedingten Meistbegünstigungsklausel verbunden und zu diesem Zweck ein multiples Zollverzeichnis errichtet, in dem die generellen und die reduzierten Zölle eingetragen wurden. 5 6 Die USA gaben somit 1934 die autonome Zollpolitik mit einem einzigen Zollverzeichnis auf, die in den 20er Jahren zu großer Kritik seitens der Handelspartner geführt hatte, und schrieben zum ersten Mal die unbedingte Meistbegünstigung in ein Gesetz. Die für die unbedingte Meistbegünstigung relevante Vorkehrung im Handelsgesetz von 1934 (Sektion 350) besagt: The proclaimed duties and other import restrictions shall apply to articles the growth, produce, or manufacture of all foreign countries, whether imported directly, or indirectly: Provided, That the President may suspend the application to articles the growth, produce, or manufacture of any foreign country because of its discriminatory treatment of American commerce or because of other acts and policies which in his opinion tend to defeat the purposes set forth in this section. 57

Die USA waren also bereit, ihre Konzessionen auf alle Länder auszuweiten und diese nicht an vertragliche Meistbegünstigungsverpflichtungen zu binden. Der Präsident hatte jedoch die Möglichkeit, Ausnahmen von der unbedingten Meistbegünstigungsregel zu machen, wenn andere Länder gegen amerikanische Exporte diskriminierten oder aufgrund von ,other acts and policies', die Ziele dieses Gesetzes behinderten. Unter letzteren Punkt fielen u. a. wichtige Handelspartner der USA, die sich weigerten, reziproke Abkommen mit den USA zu schließen. 58 Im Aprill935 wurde der Begriff der Diskriminierung weiter präzisiert: Equality of treatment is the keynote of the foreign commercial policy of the Government of the United States. The United States neither seeks nor accords preferential discriminatory treatment - it only asks that a foreign country treats American commerce no worse than it treats the commerce of any third country, and in turn accords equality of treatment to the commerce of foreign countlies ... The Govemment of the United States rejects the view that such criteria as the relative balance of trade between countries, or the absolute height of trade barriers, can be used as proper guides to determine whether a country merits the enjoyment of our minimum duty 59

56 Vgl. Bhagwati!Irwin, S. 122; Pastor, S. 93, 187 f.; Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 33; Medick-Krakau, S. 73 f.; Christoph Scherrer, Globalisierung wider Willen?: Die Durchsetzung liberaler Außenwirtschaftspolitik in den USA, Berlin 1999, S. 53. 57 Tasca, S. 306/307. 58 V gl. Ebd., S. 40 ff., 123; "Tariff Modifying", S. 139; Culbertson, S. 70 ff. 59 U.S. Department of State, Press Releases, Weekly Issue, 288 (6. Aprill935), S. 213.

III. Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg

53

Für die Handelspartner der USA war es sinnvoll, auf der Basis des Reciprocaf Trade Agreements Acts bilaterale Handelsabkommen zu schließen, da sie eine Gleichbehandlung ihrer Exporte garantiert bekamen und über Zollsenkungen verhandeln konnten. Ein weiterer Anreiz lag in der Drohung der USA, die unbedingte Meistbegünstigung bei wichtigen Handelspartnern wieder zurückzunehmen, wenn diese sich weigerten, reziproke Abkommen mit den USA zu schließen. Daher wurden zwischen 1934 und 1945 insgesamt 29 reziproke Zollabkommen geschlossen. Dieser Bezug zwischen reziproken Zollverhandlungen und unbedingter Meistbegünstigung war zwar seit langem die Grundlage für die Handelspolitik in den meisten europäischen Ländern; er war jedoch eine Neuheit für die amerikanische Handelspolitik. 60 Bei den Verhandlungen wurde im allgemeinen die chief supplier rufe angewandt, nach der mit einem Land nur über Zollkonzessionen bei denjenigen Produkten verhandelt wurde, bei denen das Land der Hauptlieferant auf dem amerikanischen Markt war. Der Grad der Spezialisierungen in den einzelnen Ländern machte es möglich, auf reziproker Basis Zölle zu reduzieren und sich gleichzeitig an das Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung zu halten. Die chief supplier rufe führte jedoch dazu, daß der Wert der ausgeweiteten Konzessionen auf der Basis der unbedingten Meistbegünstigung nur sehr gering war. 61

3. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität bis zum Zweiten Weltkrieg

Nachdem die USA zunächst im Fordney-McCumber Act und im Smoot-Hawfey Tarif! Act auf Reziprozitätsvorkehrungen verzichtet hatten, wurden diese 1934 mit dem Reciprocal Trade Agreements Act wieder eingeführt. Der Präsident erhielt nun auf der Basis der unbedingten Meistbegünstigung die Möglichkeit, die Zölle in reziproken Abkommen bis zu 50% zu senken. Die hierbei ausgehandelten Zollsenkungen wurden dann auf der Basis der unbedingten Meistbegünstigung auf alle Staaten ausgeweitet, mit denen diese vereinbart war. Ziel dieser Reziprozitätsvorkehrungen war es, amerikanische Exporte in einer Zeit der schweren Depression mit hoher Arbeitslosigkeit und Warenüberschüssen zu fördern. Viele Staaten hatten protektionistische Maßnahmen ergriffen, die amerikanische Exporte drastisch einschränkten, und daher sah die amerikanische Regierung reziproke Zollverhandlungen als das geeignete Mittel an, um eine 60 Vgl. Andreas Fürst, "The ,lnteraction Mechanism' between Congress and the President in Making U.S. Foreign Trade Policy", in: Carl-Ludwig Holtfrerich (Hg.), Economic and Strategie Issues in U.S. Foreign Policy, Berlin/New York 1989, S. 70; Holtfrerich (Roosevelts), S. 34; Bayard/Elliott, S. 25. 61 Vgl. Harry C. Hawkins / Janet L. Norwood, "The Legislative Basis of United States Commercial Policy", in: Kelly (Hg.), S. 97 f.; Holtfrerich (Roosevelts), S. 35; Mikesell, S. 130 f.; Medick-Krakau, S. 80.

Tabelle B-4

-

Reduzierung der Handelsbarrieren

Keine ReziprozitätsVorkehrungen (Sektion 336)

Reziproke Handelsverträge

Smoot- Hawley Tarif! Act 1930

Reciprocal Trade Agreements Act 1934

ArtderReziprozität

Strikte und unspezifi sche Reziprozität

-

-

Abschaffung der Reziprozitätsvorkehrungen (Sektion 315)

Fordney-Mc Cumber Act 1922

Ziel der Reziprozitätsvorkehrungen

Reziprozitätsvorkehrungen

Zollgesetz und Handelsgesetze

Unbedingte Meistbegünstigung; Bilaterale Verhandlungen

Unbedingte Meistbegünstigung

Auslöser für den Wechsel zur unbedingten Meistbegünstigung

Art der Meistbegünstigung; Verhandlungsebene

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung bis zum Zweiten Weltkrieg

i

I

~:

~-

].

~

ft

N .s·

::::1

~

"'

~

l:l:l

Ul .j:>.

IV. Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung im GAIT

55

allgemeine Reduzierung der Handelsbarrieren herbeizuführen. Die USA beabsichtigten, durch den reziproken Abbau von Zöllen ihre ursprünglichen Exportmärkte wiederherzustellen und auszubauen. Zusätzlich spielten auch politische Überlegungen eine Rolle: So wollte der damalige Außenminister unter Präsident Roosevelt, Cordeil Hull, durch reziproke Zollabkommen eine Allianz von demokratischen Vertragsstaaten gegen den Faschismus schmieden. 62 Mit der Politik der unbedingten Meistbegünstigung wandten sich die USA in ihrer Handelspolitik einem Element der unspezifischen Reziprozität zu, um eine Senkung der Zölle im internationalen Handel mit allen Handelspartnern zu erreichen. Gleichzeitig wurde jedoch in den bilateralen Zollverhandlungen mit den Ländern, für die das jeweilige Produkt von primärem Interesse war, auf strikte Reziprozität geachtet (chief supplier rule).

IV. Dieamerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung im GATT 1. Die Förderung eines liberalen, multilateralen Handelssystems

Im Dezember 1945 veröffentlichte die Truman Regierung ihre Proposals for Consideration by an International Conference on Trade and Employment, die darauf abzielten, Zölle, Quoten und andere Handelshemmnisse schrittweise durch multilaterale Absprachen zu reduzieren. Grundlage für die Verhandlungen sollte die unbedingte Meistbegünstigung sein, so daß bilaterale Konzessionen (eines Landes) automatisch auf alle anderen Länder ausgeweitet würden. Die hieraus entstandenen Abkommen sollten dann von einer internationalen Handelsorganisation überwacht werden. Im November 1946 luden die USA daher 22 Staaten zu einer ersten Runde multilateraler Verhandlungen in Genf ein, die im Frühjahr 1947 begann. Im Oktober desselben Jahres konnte schließlich das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) unterzeichnet werden, welches neben einem Kodex von Handelspraktiken ein Verzeichnis über Zollreduzierungen bei mehr als 45.000 Waren enthielt, die mehr als die Hälfte des Welthandels ausmachten. Die grundlegenden Prinzipien waren unbedingte Meistbegünstigung, Nichtdiskriminierung und Reziprozität. Das GATT war ursprünglich als Teil einer Internationalen Handelsorganisation (ITO) gedacht, welche die vereinbarten Handelsregeln durchsetzen sollte. Die Charta der ITO wurde zwar 1948 von den USA und 52 anderen Staaten in Havanna unterzeichnet; sie wurde jedoch nie vom amerikanischen Kongreß ratifiziert, da dieser befürchtete, daß die ITO zu sehr die nationale Souveränität der USA einschränken würde. Die GATT-Liberalisierungen wurden dann durch den U.S. Präsi62 Vgl. Holtfrerich (Roosevelts), S. 33f.; Hawkins / Norwood, S. 72ff.; Lake, S. 204ff.; Davis, s.·121.

56

B. Das Prinzip der Reziprozität

denten auf der Basis des jeweils verlängerten Reciprocal Trade Agreements Acts von 1934 in Kraft gesetzt. 63 Die USA förderten somit nach dem Krieg aktiv den Aufbau eines liberalen, multilateralen Handelssystems. Diese amerikanische Führungsrolle hatte sowohl wirtschaftliche als auch politische Gründe: Die USA nahmen in den Nachkriegsjahren die führende Position nach Handels- und Zahlungsbilanz ein. Wahrend sowohl die Wirtschaft ihrer Alliierten als auch die der feindlichen Länder in Schutt und Asche lagen, hatte die amerikanische Wirtschaft während des Krieges deutlich expandiert. Ein liberales Welthandelssystem war also für die USA von wirtschaftlichem Vorteil: "The change in the United States from an inward-looking to an open international trading regime after World War II was made possible only under its economic leadership. " 64 Andererseits verfolgten die USA mit ihrer Handelspolitik auch allgemeine politische Ziele: So hatte die Demokratische Administration unter Roosevelt noch vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges erkannt, daß das Fehlen einer offenen Weltwirtschaft eine der Ursachen für den Krieg gewesen war. Daher war sie entschlossen, nach Beendigung des Krieges eine führende Rolle bei der Einführung eines offenen internationalen Wirtschaftssystems zu übernehmen, um ein erneutes Aufkommen des Totalitarismus zu verhindern. Dieses Ziel wurde noch durch das Aufkommen des Kalten Krieges bekräftigt, da sich die USA bemühten, die Bedrohung durch den Kommunismus nicht nur durch Militärhilfe an befreundete Staaten, sondern auch durch Wirtschaftshilfen und niedrigere Zölle zu bekämpfen. So verfolgten die USA nach dem Ende des Krieges einen multilateralen Ansatz zur Zollreduzierung und Handelsliberalisierung und gaben das Ziel auf, auf bilateraler Ebene den Handel auszuweiten. Die USA wandten sich damit dem Multilateralismus und dem Freihandel zu. 65

2. Art. I GATT: unbedingte Meistbegünstigung

Die USA bestanden bei Abschluß des GATT 1947 auf Einführung der unbedingten Meistbegünstigung, die in Art. I GATT verankert wurde: 63 Vgl. Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 7, 35ff.; Pastor, S. 96f.; Fürst, S. 70f.; lock A. Finlayson/ Mark W Zacher, "The GATT and the Regulation of Trade Barriers: Regime Dynamics and Functions", in: Stephen D. Krasner (Hg.), International Regimes, Ithaca/London 1983, S. 273f.; Holtfrerich (Roosevelts), S. 34; Trebilcock / Howse, S. 21; Medick-Krakau, S. 85 ff., 105 ff. 64 Fürst, S. 71.

65 Vgl. Robert E. Baldwin, "The Changing Nature of U.S. Trade Policy since World War II", in: Robert E. Baldwin/ Anne 0 . Krueger (Hg.), The Structure and Evolution of Recent U.S. Trade Policy, Chicago/London 1984, S. 7ff.; Gadbaw, S. 709f.; Rachel McCulloch, "U.S. International Competitiveness in a Changing Global Economy", in: Holtfrerich (Hg.) (Economic and Strategie Issues ), S. 10 f.

IV. Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung im GATI

57

Art. IGATI Bei Zöllen und Belastungen aller Art, die anläßlich oder im Zusammenhang mit der Einfuhr oder der Ausfuhr oder bei der internationalen Überweisung von Zahlungen für Einfuhren oder Ausfuhren auferlegt werden, bei dem Erhebungsverfahren für solche Zölle und Belastungen, bei allen Vorschriften und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr und bei allen in Artikel III Absätze 2. und 4. behandelten Angelegenheiten werden alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei für eine Ware gewährt, welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist, unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren gewährt, die aus dem Gebiet der anderen Vertragsparteien stammen oder für diese bestimmt sind. 66

Diese Regelung verpflichtet also sämtliche GATT-Vertragsparteien dazu, alle Handelskonzessionen, zu denen sich die einzelnen Länder während der verschiedenen multilateralen Handelsrunden verpflichtet haben, bedingungslos allen anderen Vertragsparteien zuzugestehen. Dieses Prinzip wurde damit zu einer multilateralen Verpflichtung. Der Grund für die USA, auf die Einführung der unbedingten Meistbegünstigung zu drängen, lag in der Überzeugung, daß andernfalls jedes Land früher oder später unter Diskriminierung im internationalen Handelleiden würde: "In the long run all countries will suffer from the inevitable distortion of trade patterns which will arise out of discrimination, even though they may be temporary beneficiaries."67 Mit der unbedingten Meistbegünstigung auf multilateraler Ebene sollte diese Gefahr vermieden werden, indem die Möglichkeit eingeschränkt wurde, nur bestimmten Staaten Vorteile zukommen zu lassen. 68 3. Ausnahme von der unbedingten Meistbegünstigung: Art. XXIV GATT

a) Die USA und Art. XXIV GAIT Die USA ließen jedoch Ausnahmen zu: Dazu gehört Art. XXIV GATT, der die Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Diese Regionalintegrationen bilden durch ihre präferenziellen Liberalisierungen, die nur Mitgliedstaaten der regionalen Integration zugute kommen, die größte Ausnahme zum GATT-Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung. Die USA hatten sich zunächst gegen die Möglichkeit einer diskriminierenden Zollpolitik gesperrt, während vor allem Kolonialstaaten wie das Vereinigte Königreich und Frankreich auf die Beibehaltung bestehender wirtschaftlicher Präferenzen (z. B. Vereinigtes Königreich und Commonwealth; Frankreich und FranzöWaldemar Hummer/Friedl Weiss, Vom GATI '47 zur WTO '94, Wien 1997, S. 559. Cline, S. 17. 68 Vgl. WTO, Regionalism and the World Trading System, Genf 1995, S. 5; Finlayson/ Zacher, S. 278; Trebilcock! Howse, S. 114 f. 66 67

58

B. Das Prinzip der Reziprozität

sische Union) und die Möglichkeit von zukünftigen bilateralen Abkommen mit Nachbarstaaten drängten und das GATT andernfalls nicht unterzeichnet hätten. Zusätzlich wurde die Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen, in denen alle internen Handelsbarrieren abgebaut werden, von vielen Staaten als kompatibel mit dem GATT-Prinzip der Nichtdiskriminierung angesehen, da sie der Integration einzelner Regionen innerhalb eines Landes gleichgesetzt werden konnte. Sie galten somit nicht als Bedrohung für das multilaterale Handelssystem, sondern als Ergänzung auf dem Weg zum globalen Freihandel. 69 Die ablehnende Haltung der USA gegenüber Art. XXIV GATT änderte sich jedoch im Zusammenhang mit der europäischen Integration: Die europäische Einigung war seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eines der wesentlichen Ziele der amerikanischen Außenpolitik. So wurde eine friedliche Integration in Westeuropa als Schutzschild gegen die Gefahr des Kommunismus und als feste Einbindung Deutschlands als so wichtig eingestuft, daß nun auch die USA bereit waren, diese Ausnahme zur unbedingten Meistbegünstigungsklausel des GATT hinzunehmen. 70 So erklärte Außenminister Acheson: Dovetailing of the European economies and closer political cooperation will have two effects. By establishing a solid base for recovery it will both reduce the internal communist threat and provide the essential power base for adequate future armament. Europeans must recognize that the prewar economic situation is gone forever. 7 1

Und die New York Times betonte 1957, die europäische Integration sei "the only possible means of restering Europe to a position of power that will enable it to survive in freedom."72 Unter der Bedingung der ,hegemonialen Kooperation' befürworteten die USA den Zusammenschluß europäischer Staaten zu einer Wirtschafts- und Handelsorganisation, die sich diskriminierend gegenüber den USA verhalten konnte. Die Beziehungen zwischen den USA und Europa nach dem Zweiten Weltkrieg hatten somit eine doppelte Struktur: die transatlantische Sicherheitsgemeinschaft und die europäische Wirtschaftsgemeinschaft 73 69 Vgl. Jagdish Bhagwati, "Regionalism and Multilateralism: An Overview", in: Jaime De Melo/ Arvind Panagariya (Hg.), New Dimensions in Regional Integration, Cambridge 1993, S. 25 f.; WTO (Regionalism), S. 5 f.; Richard Senti, "Die Integration als Gefahr für das GATT", in: Aussenwirtschaft, 49 (1994) I, S. 138; Martin Wolf, "An Unholy Alliance: The European Community and Developing Countries in the International Trading System", in: Aussenwirtschaft, 42 (1987) 1, S. 56 f. 70 Vgl. Beate Neuss, Geburtshelfer Europas? Die Rolle der Vereinigten Staaten im europäischen Integrationsprozeß 1945-1958, Baden-Baden 2000, S. 345 f., 357; Jeffrey A. Franke!, Regional Trading Blocs in the World Economic System, Washington, D.C. 1997, S. 3; Ellen Frost, Transatlantic Trade: A Strategie Agenda, Institute for International Economics, Washington, D.C. 1997, S. 23; Bhagwati/lrwin, S. 122f. 71 Dean Acheson, zitiert in: Miles Kahler /Werner Link, Europe and America: A Return to History, New York 1996, S. 69170. n "Europe's March to Unity", in: NYT vom 26. 3. 1957, S. 32. 73 Vgl. Neuss, S. 326, 348f., 357; Kahler/Link, S. 71 f., 98ff.; Frost, S. 23f.

IV. Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung im GATT

59

b) Die Bedingungen des Art. XXIV GAIT

In Art. XXIV GATT wurden mehrere Voraussetzungen und Bedingungen festgelegt, die regionale Präferenzzonen erfüllen müssen, um von der Meistbegünstigungsverpflichtung des Art. I ausgenommen zu werden. So wurde z. B. in Abs. 4 bestimmt, "daß es der Zweck von Zollunionen und Freihandelszonen sein soll, den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer Vertragsparteien mit diesen Gebieten Schranken zu setzen. " 74 In Abs. 5 (a) wurde dieses Verbot der Handelseinschränkung gegenüber Drittländern relativiert, indem als ausreichend angesehen wurde, daß . . . . . . die eingeführten Zölle und Handelsvorschriften für den Handel mit den an der Union oder Vereinbarung nicht teilnehmenden Vertragsparteien in ihrer Gesamtheit nicht höher oder einschränkender sind als die allgemeine Belastung durch Zölle und Handelsvorschriften, die in den teilnehmenden Gebieten vor der Bildung .. . bestand. 75

Wird diese Bedingung verletzt, können vorher vereinbarte Zugeständnisse zurückgenommen oder modifiziert werden. Eine weitere, wichtige Voraussetzung des Art. XXIV GATT wurde in Abs. 8 festgelegt. Bei Zollunionen und Freihandelszonen müssen . . . . . . zwischen den Gebieten die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften (ausgenommen die nach den Artikeln XI, XII, XIII, XIV, XV und XX76 erforderlichenfalls gestatteten) für annähernd den gesamten Handel oder wenigstens für annähernd den gesamten Handel mit den aus den teilnehmenden Gebieten ... stammenden Waren beseitigt werden .. . 77

Ziel dieser Bedingung, daß ,annähernd der gesamte Handel' (also bis zu 100%) liberalisiert wird, war es, die beteiligten Regierungen darin zu unterstützen, die Zollsenkungen auch in ineffizienten, importkonkurrierenden Sektoren - trotz des wahrscheinlichen politischen Widerstands - durchzusetzen. Hierdurch sollten die handelsschaffenden Effekte einer regionalen Liberalisierung über eine größere sektorale Einbeziehung vergrößert werden. Zusätzlich sollte durch diese Voraussetzung des Art. XXIV GATT die Zahl der regionalen Wirtschaftsräume klein gehalten werden, damit die Abweichungen von dem Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung nicht zu groß würden. 78 74

Hummer/Weiss, S. 234.

75

Ebd.

Art. XI: mengenmäßige Beschränkungen; Art. XII: Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz; Art. XIII: Nicht-diskriminierende Anwendung mengenmäßiger Beschränkungen; Art. XIV: Ausnahmen von der Regel der Nicht-Diskriminierung; Art. X V.· Bestimmungen über den Zahlungsverkehr und Art. XX: Allgemeine Ausnahmen. 77 Hummer / Weiss, S. 235/236. 78 Vgl. Frieder Roessler, "The Relationship between Regional Integration Agreements 76

and the Multilateral Trade Order", in: Kym Anderson/ Richard Blackhurst (Hg.), Regional

60

B. Das Prinzip der Reziprozität

Die genannten Bestimmungen wurden zum ersten Mal bei der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1957 angewandt, und, obwohl die europäischen Verträge im Hinblick auf die GATT-Bestimmungen formuliert worden waren, kam der GATT-Ausschuß zu keiner Einigung bezüglich der Kompatibilität mit den GATT-Regeln: ... because there were a number of important mallers on which there was not at this time sufficient information ... to complete the examination of the Rome Treaty ... this examination and the discussion of the legal questions involved in it could not be usefully pursued at the present time. 79

Die Überprüfung der EWG wurde jedoch nie wieder aufgenommen, und diese Uneinigkeit dominierte auch die späteren Beurteilungen von Zollunionen und Freihandelszonen.80 4. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität im GATT

Da die USA eine Führungsrolle in den Verhandlungen eingenommen hatten, war es nicht verwunderlich, daß viele Prinzipien der amerikanischen Handelspolitik in das GATT integriert wurden. Neben der unbedingten Meistbegünstigung gehörte dazu auch das Prinzip der Reziprozität. So wurde beispielsweise in der Präambel des GATT festgelegt, daß die Vereinbarungen auf der ,Grundlage der Gegenseitigkeit' stattfinden sollten. Zusätzlich wurde in Art. XXVIII GATT vereinbart, daß die multilateralen Verhandlungen über Zölle und Handel auf einer ,reciprocal and mutually advantageaus basis' stattfinden sollten. Das Streitschlichtungsverfahren des GATT (Art. XXIII) sollte diese Gleichwertigkeit der Konzessionen garantieren. 81 Diese Reziprozität des GATT wurde jedoch im Sinne der unspezifischen Reziprozität verstanden, da in den Verhandlungen ein ungefähres Gleichgewicht zwischen der Reduzierung von Handelshemmnissen durch die USA und den Liberalisierungsschritten der Handelspartner gefordert wurde. Die Konzessionen der Handelspartner, die sektorübergreifend auf Meistbegünstigungsbasis gemacht wurden, sollten zusammen eine breite Reziprozität sichern; es war jedoch nicht Bedingung, daß die jeweiligen bilateralen Beziehungen von gleichwertigen Konzessionen gekennzeichnet waren82: Integration and the Global Trading System, New York/London 1993, S. 314; WTO (Regionalism), S. 7 ff. 79 WTO (Regionalism), S. 11. 80 Vgl. Ebd., S. 10; Patrick Low, Trading Free: The GAIT and U.S. Trade Policy, New York 1993, S. 26f. 81 Vgl. Hummer! Weiss, S. 559, 806; Gadbaw, S. 709ff.; Keohane (Reciprocity), S. 25f.; Bagwell / Staiger, S. 1; Finlayson / Zacher, S. 287 ff.

V. Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974

61

Reciprocity has meant a broad balance between the reduction in trade barriers offered by the United States and the liberalization secured from other trading partners in negotiations, or reciprocity ,at the margin' on a basis of all products considered together. 83

Ziel der USA im Rahmen des GATT war es also, durch multilaterale Verhandlungsrunden auf der Basis der unspezifischen Reziprozität und der unbedingten Meistbegünstigung weltweit den Freihandel zu fördern. Darüber hinaus waren die USA sogar bereit, gegen sich diskriminieren zu lassen, ohne Kompensationen zu verlangen. So unterstützten die USA die 1950 zwischen westeuropäischen Staaten ins Leben gerufene Europäische Zahlungsunion (EZU), die präferenzielle Handelsliberalisierungen zwischen Mitgliedstaaten förderte und somit gegenüber Drittstaaten, hierbei vor allem den USA, diskriminierte. 84 Zusätzlich standen die USA von Anfang an hinter der europäischen Integration, wohl wissend, daß auch diese sich gegenüber den USA diskriminierend auswirken würde. Dennoch forderten sie zu diesem Zeitpunkt keine Gegenleistungen, die sie für die Beeinträchtigungen der eigenen Exporte entschädigen würden.

V. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974 1. Die amerikanische Handelspolitik vom Zweiten Weltkrieg bis 1974 Der Kongreß verlängerte bis Kriegsende den Reciprocal Trade Agreements Act jeweils ohne wesentliche Veränderungen; 1945 wurden jedoch die Kompetenzen des Präsidenten in den Zollverhandlungen zum ersten Mal erweitert. So erhielt er die Möglichkeit, Zölle auf der Basis des Jahres 1945 - und nicht mehr des Jahres 1934 - um 50% zu senken. Gleichzeitig mußte die Administration jedoch dem Kongreß versprechen, in alle zukünftigen bilateralen und multilateralen Handelsabkommen eine escape clause (Konzessionsrücknahmeklausel) zu integrieren. Diese sah vor, daß Handelskonzessionen bei importgeschädigten Wirtschaftssektoren für eine befristete Zeit zurückgenommen werden konnten. Zwei Jahre später fand die erste GATT-Runde in Genf statt, und von nun an wurden die amerikanischen Verhandlungen in erster Linie im multilateralen Rahmen des GATT geführt. Vor allem in der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die USA bereit, einseitige Zollsenkungen vorzunehmen. So legte die amerikanische Regie82 Vgl. Gerard Curzon/Victoria Curzon, "Non-discrimination and the Rise of ,Material' Reciprocity", in: The World Economy, 12 (Dezember 1989) 4, S. 487f.; Bayard/ Elliott, S. 337 f. ; Keohane (Reciprocity), S. 23 ff.; Cline, S. 7; Bhagwati/Irwin, S. 122. 83 Cline, S. 7/8. 84 Vgl. Barry Eichengreen, Reconstructing Europe's Trade and Payments: The European Payments Union, Manchester 1993, S. 1 - 35.

62

B. Das Prinzip der Reziprozität

rung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges großen Wert auf den Wiederaufbau der europäischen Länder, und dies sollte- neben massiven Auslandshilfen im Rahmen des Marshallplans - durch eine deutliche Reduzierung amerikanischer Zölle garantiert werden85 : The United States was willing to exercise a leadership role which involved patently unequal bargains (offering American tariff cuts today against European tariff cuts tomorrow, for example) in order to persuade a maximum of countries to participate86

Als Folge der Liberalisierungen in den ersten GATT-Verhandlungsrunden wurde das Handelsgesetz vom Kongreß jedoch zunächst nur sehr kurzfristig verlängert und strengere Schutzmaßnahmen für die amerikanische Wirtschaft eingeführt. Als 1951 die protektionistischen Kräfte im Kongreß an Einfluß gewannen, setzte die Demokratische Administration unter Präsident Truman die Bell Commission ein, um das Handelsgesetz von 1934 unter dem Aspekt des nationalen Interesses zu überprüfen. Nach dem Regierungswechsel 1952 berief die Eisenhower-Administration 1953 ebenfalls eine Kommission (Randall Commission) mit dieser Zielrichtung. In beiden Berichten wurde eindeutig festgestellt, daß es von nationalem Interesse sei, einen freieren internationalen Handel zu schaffen. Gleichzeitig wurde hervorgehoben, daß Freihandel nur sehr geringe negative Effekte auf Partikularinteressen habe. Das Ziel des Freihandels wurde nun auch von der Republikanischen Administration unterstützt, so daß es mehr als vorher zu einer Politik beider Parteien wurde. 1955 verlängerte der Kongreß das Handelsgesetz für weitere drei Jahre, welches es Präsident Eisenhower ermöglichte, an einer vierten GATT-Runde87 in Genf teilzunehmen, die 1956 abgeschlossen wurde. 88 Als 1958 eine weitere Verlängerung anstand, verlangte die Administration eine Bewilligung für erhebliche Zollsenkungen, um mit der neu entstandenen EWG zu verhandeln. Das endgültige Gesetz enthielt zwar neben der Möglichkeit von Zollsenkungen auch mehrere Schutzmaßnahmen und Erleichterungen für Zollerhöhungen; trotzdem ermöglichte es der Administration, mit der EWG im Rahmen der Dillan-Runde des GATT (1961/ 62) zu verhandeln. In dieser Runde erklärten sich die USA bereit, Zollsenkungen im Durchschnitt von 20% bei einer 85 Vgl. Robe rt E. Baldwin, "Adapting the GATT to a More Regionalized World: A Political Economy Perspective", in: Anderson/Blackhurst (Hg.), S. 391; Carl-Ludwig Holtfrerich, "Teil 8: Außenwirtschaft, Strukturen und Regulierungsinstrumente", in: Carl-Ludwig Holtfrerich (Hg.), Wirtschaft USA, München/Wien 1991, S. 384 f. 86 Curzon!Curzon, S. 483. 87 Die vorherigen Runden fanden 1947 in Genf, 1949 in Annecy und 1950-51 in Torquay statt. 88 Vgl. Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 384f.; Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 42f.; Hawkins/Norwood, S. 103ff.; Pastor, S. 189f., 330; Robert E. Baldwin (Changing Nature), S. 9 ff.; Fürst, S. 70f.

V. Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974

63

Reihe von industriellen Gütern vorzunehmen - im Gegenzug zu vergleichbaren Konzessionen der anderen Handelspartner. In den ersten GATT-Runden waren die USA sowohl aus sicherheitspolitischen als auch aus wirtschaftlichen Interessen bereit gewesen, die meisten Kosten der Handelsliberalisierung zu übernehmen. Anfang der 60er Jahre begannen jedoch auch die USA - mit Abnahme der amerikanischen Dominanz in der Weltwirtschaft -, in den Verhandlungen stärker ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen hervorzuheben. 89 Nachdem der Reciprocal Trade Agreements Act 1958 zum elften Mal verlängert worden war, beschloß Präsident Kennedy 1962, einen neuen Gesetzesentwurf vorzulegen, der schließlich zu der Verabschiedung des Trade Expansion Acts führte. Dieser ermächtigte den Präsidenten dazu, eine neue Initiative für Handelsliberalisierungen zu ergreifen. Ziel Kennedys war es, durch eine Neuformulierung der amerikanischen Handelspolitik auf die Entwicklungen in Europa reagieren zu können. Die USA waren beunruhigt, weil das Wirtschaftswachstum in der EWG doppelt so hoch war wie in den USA und 1962 zusätzlich das Rahmenprogramm für eine ,Gemeinsame Agrarpolitik' (GAP) verabschiedet worden war. In dem Gesetz von 1962 wurde der Präsident ermächtigt, die Zölle bis zu 50% des Niveaus von 1962 zu reduzieren; dies jedoch nicht mehr nur für einzelne Güter, sondern für ganze Warengruppen (linear negotiations). Zusätzlich konnte er völlige Zollfreiheit für Waren aushandeln, bei denen die Anteile der USA und der EWG zum Zeitpunkt der Verhandlungen zusammen mehr als 80% des gesamten freien Warenhandels ausmachten. Diese Vorkehrung diente als Druckmittel, um die EWG zur Aufnahme Großbritanniens zu bewegen, da die Bestimmung ohne den Beitritt Großbritanniens nur auf wenige Produkte anwendbar war. 90 Auf der anderen Seite wurden jedoch die Schutzmaßnahmen für die amerikanische Wirtschaft verstärkt. Unter anderem wurden dem Präsidenten in Sektion 252 neue Vollmachten gegeben, um gegen Importrestriktionen anderer Staaten, die als ,unfair' betrachtet wurden, vorzugehen. So konnte er Konzessionen zurücknehmen und zusätzliche Zölle und Importrestriktionen erlassen, wenn Länder gegenüber den USA diskriminierten oder Importrestriktionen besaßen, die , unreasonable' oder ,unjustifiable' waren. Der Präsident hatte jedoch in der Anwendung der Sektion 252 einen großen Spielraum. Diese Vorkehrungen waren in erster Linie eine Antwort auf die fortschreitende europäische Integration und hierbei vor allem auf die GAP, durch die sich die USA in zunehmendem Maße bedroht fühlten. 89 Vgl. Pastor, S. 104, 189f.; Hawkins / Norwood, S. 112ff.; Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 52; Robert E. Baldwin (Changing Nature), S. lOf., 23; Carl-Ludwig Holtfrerich, "Introduction", in: Holtfrerich (Hg.) (Economic and Strategie lssues), S. XIII. 90 Vgl. Hans-Joachim Christe, Die USA und der EG-Binnenmarkt, Baden-Baden 1995, S. 27f.; Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 53ff.; Pastor, S. 107ff., 190f.; l ohn W Evans, U.S. Trade Policy, New York 1967, S. 21 ff.; Robert E. Baldwin (Changing Nature), S. 15; Medick-Krakau, S. 120ff.; Scherrer, S. 166f.

64

B. Das Prinzip der Reziprozität

Zusätzlich wurde mit dem Gesetz das Amt des United States Trade Representative (USTR) geschaffen, von dem sich der Kongreß erhoffte, daß er die handelspolitischen Interessen des Kongresses stärker berücksichtigen würde. 91 In der folgenden Kennedy-Runde des GATT (1964-67) einigten sich die teilnehmenden Staaten auf Zollreduzierungen, die für Industrieländer im Durchschnitt 35% bei Industrieprodukten und 20% bei landwirtschaftlichen Produkten ausmachten. Durch diese Zollsenkungen wuchs jedoch der Widerstand im Kongreß gegen die liberale Handelspolitik der Administration, die nach seiner Auffassung die nationale Wirtschaft schwächte. 92 2. Das Handelsgesetz von 1974

1971 verzeichneten die USA erstmals seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wieder ein Defizit in der Handelsbilanz. Ab 1976 war die Handelsbilanz durchgehend defizitär, und bis in die 80er Jahre stieg das Defizit dramatisch an. Fast zwei Drittel des Defizits stammten aus den Handelsbeziehungen mit Japan, und auch der Überschuß mit der EG nahm deutlich ab. Durch diese Entwicklung verstärkte sich die Überzeugung in den USA, daß die wesentlichen Handelspartner-Japan und die EG - von dem internationalen Handelssystem und dem offenen amerikanischen Markt profitierten, ohne ihrerseits Konzessionen zu machen (jree riding). Man war der Ansicht, daß die USA nach Jahrzehnten der Führung bei den Handelsliberalisierungen nur noch wenige Importbarrieren besäßen, während die EG (vor allem im Rahmen der GAP) und Japan weiterhin durch eine Vielzahl von Handelshemmnissen geschützt blieben. 93 So betonte der damalige Finanzminister George Shultz 1973 in einer Anhörung vor dem Kongreß: Today, econornic power is not concentrated in the United States alone as it was thirty years ago. Great centers of wealth have grown up in Europe and Japan ... However, along with this diffusion of power has gone a reluctance to rernove restrictions that are contrary to the principles of an open world econorny . .. In this changed world of econornic equals we need to deal with those restrictions, and we need new rules to assure equality of responsibility.94

Daher begannen die USA, im Gegensatz zu dem Prinzip des Freihandels, das Konzept des fair trade zu verfolgen, mit dem Ziel, einen ,fairen' Wettbewerb herzustellen, fremde Märkte zu öffnen und die wirtschaftlichen Interessen der 91 Vgl. Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 385 f., 392 ff.; Helen Milner, "The Political Econorny of U.S. Trade Policy: A Study of the Super 301 Provision", in: Bhagwati/Patrick (Hg.), S. 164 f.; Robert E. Baldwin (Changing Nature), S. 20. 92 Vgl. Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 30, 57ff.; Pastor, S. 118ff.; Robert E. Baldwin (Changing Nature), S. 18 f. 93 Vgl. Bayard/Elliott, S. 12; Congressiona1 Quarterly Inc. (1984), S. 62ff., 78f.; Cline, S. 9; Bhagwati (Aggressive Uni1ateralisrn), S. 27 f.; Hudec (Mirror), S. 105 ff. 94 George Shultz, zitiert in: Bayard/Elliott, S. 13.

V. Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974

65

USA - wenn nötig auch durch unilaterale Maßnahmen - durchzusetzen. Dieser Ansatz hatte den Vorteil, daß bei den Maßnahmen auf das Prinzip der Gerechtigkeit angespielt werden konnte. Es sollte ein ,fairer' Wettbewerb hergestellt werden, bei dem die Handelspartner nur Vorteile besitzen sollten, die sich auf ,Verdienst' begriindeten. Dieses Ziel wurde durch das Bild des Ievel playing fields verdeutlicht.95 Die Wendung der USA zumfair trade wurde daher wie folgt begriindet: " .. . in the absence of Ievel playing fields, Free Trade is illegitimate since it distorts in one way or another the market-determined comparative advantage." 96 Die USA gingen davon aus, daß sie selbst als einziges Land ,fair' handelten; sie hatten jedoch die ,unfairen' Maßnahmen der Handelspartner auszugleichen. Aufgrund dieser wahrgenommenen Überlegenheit der USA betitelte Robert Hudec 1990 seinen Vortrag über die Handelspolitik der USA in Anlehnung an das Märchen von Schneewittchen mit Mirror; Mirrar on the Wall, the Concept of Fairness in U.S. Trade Policy. Vor allem der Kongreß vertrete - wie die Königin - die Ansicht, daß die USA ,the fairest of them all' seien. 97 Im Rahmen der Politik des fair frades wurden zunächst mehrere ,freiwillige' Exportbeschränkungen (VER) in den Bereichen Stahl und Textilien abgeschlossen. Trotzdem nahmen die Spannungen mit Japan und der EG bis zum Friihjahr 1974 weiter zu. 1974 verabschiedete der Kongreß ein neues Handelsgesetz, mit dem die Politik des ,fairen Handels' verstärkt wurde, die bereits in Sektion 252 des Gesetzes von 1962 ihren Anfang genommen hatte. 98 Ziel dieses Gesetzes war: ... to promote the development of an open, nondiscriminatory, and fair world econornic system, to stimulate fair and free competition between the United States and foreign nations, to foster the economic growth of, and full employment in, the United States . . . 99

So wurde in Sektion 301 geregelt, daß private Unternehmen in den USA den USTR beauftragen können, die Handelspraktiken eines Staates daraufhin zu untersuchen, ob sie ,unjustifiable ', ,unreasonable' oder ,discriminatory' sind. Im darauffolgenden Handelsgesetz von 1984 (Trade and Tarif! Act) wurden diese Begriffe zum ersten Mal gesetzlich festgelegt und definiert: Während unter , unjustifiable' die Verletzung der internationalen Rechte der USA verstanden wurde, fielen unter , unreasonable' die wettbewerbswidrigen Handelspraktiken eines Staates, die nicht notwendigerweise die internationalen Rechte der USA beeinträchtigten, aber auf andere Weise ,unfair' und ungerecht waren. Bei der Untersuchung, ob der Tat95 Vgl. Jeffrey J. Schott, More Free Trade Areas?, Washington, D.C. 1989, S. 7ff.; Bhagwati!lrwin, S. 111, 117; Low, S. 27f.; Hudec (Mirror), S. 88ff. 96 Bhagwati (Fair Trade), S. 586. 97 Vgl. Hudec (Mirror), S. 90, 104 (Schneewittchen: "Mirror, rnirror on the wall, who is the fairest of them all"). 98 Vgl. Pastor, S. 166f. 99 George Holliday (u. a.), Issues in U.S. Trade Policy, Congressional Research Service, Washington, D.C. 1982, S. 5.

5 Decker

66

B. Das Prinzip der Reziprozität

bestand des ,unreasonable' vorliegt, wurden u. a. auch die reziproken Marktchancen ausländischer Firmen in den USA in Betracht gezogen. Der Begriff ,discriminatory' erfaßte Ungleichbehandlungen im Marktzugang für amerikanische Produkte, die durch die Verweigerung der Inländerbehandlung oder der unbedingten Meistbegünstigung entstanden. Während unter ,unjustifiable' somit die Verletzung der GATT-Rechte der USA verstanden wurde, wandten sich die anderen beiden Kategorien gegen Handelspraktiken, die zwar GATT-konform waren, aber von den USA als ,unfair' empfunden wurden. Jedes Unternehmen konnte von nun an mit ausreichender Begründung ein Beschwerdeverfahren nach Sektion 301 einleiten. Die Fristen innerhalb des Verfahrens wurden in späteren Gesetzen geändert; in der heutigen Fassung muß der USTR, wenn ein Verfahren beantragt wird, innerhalb von 45 Tagen entscheiden, ob er eine offizielle Untersuchung einleiten will (seit 1988 muß er ein Verfahren einleiten, wenn der Tatbestand des ,unjustifiable' gegeben ist). Neben den Untersuchungen im Inland muß der USTR gleichzeitig in Verhandlungen mit dem betroffenen Land eintreten. Wenn es zu keiner fristgerechten Einigung kommt, verlangt Sektion 301, daß der USTR dem Streitschlichtungsverfahren des internationalen Abkommens folgt, welches von dem Fall betroffen ist. Kommt es zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, ist er ermächtigt, Sanktionen zu verhängen, die bis zur Auflösung von Handelsabkommen oder der Einführung von Strafzöllen reichen können. Zusätzlich muß nach der neuesten Fassung eine Untersuchung, die ein Handelsabkommen mit Streitschlichtungsmechanismus betrifft, innerhalb von achtzehn Monaten nach Beginn oder 30 Tage nach Ende eines Streitschlichtungsverfahrens abgeschlossen sein (je nachdem, was zuerst abgeschlossen ist). In allen anderen Fällen muß die Untersuchung zwölf Monate nach Beginn beendet sein. 100 Gleichzeitig wurde dem Präsidenten jedoch mit dem Gesetz von 1974 die Möglichkeit gegeben, die Zölle so stark zu senken wie niemals zuvor (erweiterte Zollsenkungen bis zu 60%). Zusätzlich erhielt er ein Mandat, im Rahmen der TokioRunde des GATT all diejenigen tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse abzubauen, die den freien internationalen Handel beeinträchtigten. In der Tokio-Runde wurden neben Zollsenkungen von durchschnittlich 30% zahlreiche Kodizes im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse vereinbart, die sich mit den Bereichen des öffentlichen Auftragswesens (Government Procurement Agreement: GPA), der technischen Handelshemmnisse, der Subventionen und Ausgleichszölle, der Importlizenzen und des Antidumpings beschäftigten. 101 IOO V gl. Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 398 f.; Ralph H. Folsom/ Michael W Gordon I JohnA. Spanogle, International Trade and Investment, St. Paul, Minn. 1996, S. 161 ff.; Robert E. Hudec, "Thinking about the New Section 301: Beyond Good and Evil", in: Bhagwati I Patrick (Hg.), S. 118ff.; Gadbaw, S. 716ff.; Bhagwati (Aggressive Unilateralism), S. 40f.

V. Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974

67

3. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität vom Zweiten Weltkrieg bis 1974 Durch die kontinuierliche Verlängerung des Reciprocal Trade Agreement Acts und die Verabschiedung der Handelsgesetze von 1962 und 1974 wurde es dem Präsidenten ermöglicht, auf multilateraler Ebene schrittweise den amerikanischen Markt zu öffnen und tarifäre sowie nicht-tarifäre Handelsbarrieren abzubauen. Die USA verlagerten ab 1947 ihre Handelspolitik auf die Ebene des GATI und boten in den Verhandlungsrunden drastische Zollsenkungen an, mit dem Ziel, Handelsliberalisierungen und damit den Freihandel voranzutreiben. Im Gegenzug erwarteten sie - vor allem in den ersten Runden - nur wenige Gegenleistungen von den Handelspartnern. Der Kongreß stellte seinerseits in den Handelsgesetzen sicher, daß für die amerikanische Wirtschaft durch die Liberalisierungen keine Schäden entstünden. Daher wurden ab 1945 die escape clause und andere Sicherheitsvorkehrungen in die Abkommen integriert. Wahrend dieser Zeit verfolgten die USA in den multilateralen GATI-Runden das Prinzip der unspezifischen Reziprozität, mit dem Ziel, sektorübergreifend eine breite Reziprozität der Konzessionen herzustellen: For the past sixty years, trade in this country has followed a principle of broadly balanced reciprocity based on the practice of unconditional MFN Status. Unconditional MFN guaranteed the diffusion of the benefits of trade liberalization to all states practicing this principle; it encouraged seeking a broad balance of concessions overall ... This form of reciprocity provided the basis for the post-World War li international trading system ... 102

In Sektion 252 des Gesetzes von 1962 wurden zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg Importrestriktionen als Mittel zur Öffnung anderer Märkte vorgesehen. Der Präsident erhielt die Ermächtigung, gegen Handelsbarrieren vorzugehen, die amerikanische Exporte ,unfair' behandelten. Diese Ausrichtung der amerikanischen Handelspolitik wurde im Handelsgesetz von 1974 mit der Einführung der Sektion 301 drastisch verschärft. Die USA begannen, Kompensation von ihren Handelspartnern zu fordern, wenn diese sich - ihrer Meinung nach - ,unfair' verhielten. Sie wandten sich gegen tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse, die U.S. Exporte beeinträchtigten, und - vor allem bezüglich der EG - gegen Subventionspraktiken, die einen ,fairen' Wettbewerb verhinderten. Zusätzlich verlangten sie Kompensationen für die EGErweiterung, während sie bei der Gründung der EZU 1950 und der EWG 1957 101 Vgl. Congressional Quarterly Inc. (1984), S. 81 ff.; Robert E. Baldwin (Changing Nature), S. 14 f.; ders., Trade Policy in a Changing World Economy, New York/London 1988, S. 197 f.; Hudec (Section 301), S. 128 f. ; I. Mac Destler; American Trade Politics, Institute for International Economics, Washington, D.C. I New York 1995, S. 54. 102 Milner; S. 163.

5*

Tabelle B-5

Multilateral Reziproker Abbau der Handelsbarrieren

Multilateral Reziproker Abbau der Handelsbarrieren Bilateral Sektion 252: Vorgehen gegen ,unfaire' Handelspraktiken der Handelspartner

Multilateral Reziproker Abbau der Handelsbarrieren Bilateral Sektion 301: Vorgehen gegen ,unfaire' Handelspraktiken der Handelspartner

Trade Expansion Act 1962

Trade Act 1974

Reziprozitätsvorkehrungen

Verlängerung des Reciprocal Trade Agreements Acts 1945-1958

Handelsgesetze

Bilateral Durchsetwog eines ,fairen Handels'

Multilateral Liberalisierung des Handels

Bilateral Durchsetwog eines ,fairen Handels'

Multilateral Liberalisierung des Handels

Multilateral Liberalisierung des Handels

Ziel der Reziprozitätsvorkehrungen

Multilateral Unspezifische Reziprozität Bilateral Strikte Reziprozität

Multilateral Unspezifische Reziprozität Bilateral Strikte Reziprozität

Multilateral U nspezifische Reziprozität

Art derReziprozität

Multilaterale und bilaterale Verhandlungen

Unbedingte Meistbegünstigung

Multilaterale und bilaterale Verhandlungen

Unbedingte Meistbegünstigung

Unbedingte Meistbegünstigung Multilaterale VerbandIungen ab 1947

Art der Meistbegünstigung; Verhandlungsebene

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974

~:

§.

-6"

N

~

!t

i:l ~. '0

:::1.

"'"t::

~

1:0

00

0\

V. Reziprozität und Meistbegünstigung vom Zweiten Weltkrieg bis 1974

69

noch bereit waren, gegen sich diskriminieren zu lassen. Ziel war es, einen ,fairen Handel' unter gleichwertigen Marktzugangsbedingungen herzustellen. Mit den Gesetzen von 1962 und 1974 wandten sich die USA somit- trotz Beibehaltung der unbedingten Meistbegünstigung - auf bilateraler Ebene wieder der strikten Reziprozität zu. Wenn ein Land sich nach Ansicht der USA durch seine bestehende Handelspolitik ,unfair' gegenüber den USA verhielt, drohten die USA ihrerseits mit der Errichtung von Handelsbarrieren und der Verhängung von Strafmaßnahmen. Diese Beurteilung der Handelspraktiken anderer Staaten bezog sich auch auf ,Faimeß' in einzelnen Sektoren. Im Zusammenhang mit dem neuen Reziprozitätsverständnis der Sektion 301 wurde vor allem der unilaterale Charakter kritisiert: Amerika entschied, welche Handelspraxis als ,unfair' einzustufen war, und konnte dann - unter Androhung bzw. Verhängung von unilateralen Sanktionen - einseitige Liberalisierungen verlangen (Aggressiver Unilateralismus). Diese unilateralen Maßnahmen verstießen gegen das in Art. I GATT festgelegte Diskriminierungsverbot (Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung), für das sich besonders die USA eingesetzt hatten. Weitere Kritikpunkte waren, daß das Konzept des ,fairen Handels' sehr biegsam sei und zu leicht von protektionistischen Kräften mißbraucht werden könnte und daß es dem multilateralen System schade. 103 Im Gegensatz zu den Vorkehrungen der Sektion 301 behielten die USA jedoch auf der multilateralen Ebene des GATT das Prinzip der unspezifischen Reziprozität bei. 4. Die Rolle des Kongresses

Die amerikanische Verfassung gewährt sowohl dem Kongreß als auch dem Präsidenten Rechte im Bereich der Außenhandelspolitik. So wurde dem Kongreß in Art. 1 Sektion 8 der Verfassung das Recht zugestanden, "to regulate Commerce with foreign Nations." Dazu hat er das Recht "to lay and collect .. . Duties." Zusätzlich muß der Senat nach Art. 2 Sektion 1 internationale Verträge ratifizieren. Dem Präsidenten hingegen wurde in der Verfassung die Aufgabe übertragen, internationale Abkommen zu schließen und die alltäglichen Außenbeziehungen zu regeln (Art. 2 Sektion 2). Beide Seiten müssen sich im Rahmen dieser Aufgaben auf eine einheitliche Außenhandelsstrategie einigen. Während der Kongreß hierbei aufgrund des Einflusses von nationalen Interessengruppen tendenziell protektionistisch eingestellt ist, verfolgt der Präsident eine liberalere Handelspolitik. 104 Dieses Wechselspiel zwischen den Gewalten wird von Pastor auch Interbranch Politics genannt: 103 Vgl. Cline, S. 8f., 16f.; Bayard/ Elliott, S. 1, !Off.; Bhagwatillrwin, S. 119; Hudec (Mirror), S. 88 f. 104 Vgl. Holliday (u. a.), S. 1 f.; Fürst, S. 67; Randy E. Miller/Jessica Wassemzan, "Trade Relations between the European Comrnunity and the United States: An Overview of the

70

B. Das Prinzip der Reziprozität I will refer to it as the interbranch politics Jens, and it will be based on a definition of U.S. foreign policy as the resultant of a sometimes subtle or tacit, sometimes forceful or conjl.ictual, always interactive process between two branches or institutions, the Executive and the Congress. 105

Mit dem Reciprocal Trade Agreements Act 1934 hatte der Kongreß dem Präsidenten im Bereich des internationalen Handels die Verantwortung übertragen, reziproke Handelsverträge zu schließen und in Kraft zu setzen. Mit der Zeit versuchte er jedoch, seine Einflußnahme auf die amerikanische Handelspolitik wieder zu erweitem, vor allem in Bezug auf den Schutz der nationalen Wirtschaft. So betonte Senator Ribicoff, Vorsitzender des Senate Finance Trade Subcommittees, 1979: "The era of the trade agreementsprogram as we have known is over. U.S. negotiators will never again make trade agreements for the United States without close congressional review. '" 06 Seit 1945 hat sich hierbei ein bestimmtes Muster in den Verhandlungen über die amerikanische Außenhandelspolitik herauskristallisiert: So forderte der Kongreß - beeinflußt von speziellen Interessengruppen und frustriert von der liberalen Handelspolitik des Präsidenten - verstärkt protektionistische Maßnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft. Als Reaktion darauf bemühte sich der Präsident, eine neue multilaterale Handelsrunde ins Leben zu rufen. Hierfür brauchte er jedoch ein neues Mandat und die Ermächtigung, Handelsabkommen abzuschließen, und daher mußte er sich mit dem Kongreß auf ein neues Handelsgesetz einigen. Im Gegenzug für ein erweitertes Mandat verlangte der Kongreß Konzessionen, die vor allem aus Schutzmaßnahmen für die von Importen betroffenen amerikanischen Industrien bestanden. So wurden in den 50er Jahren die escape clause und peril point provisions (Gefahrenpunkte bei Zollkonzessionen, bei deren Überschreitung die inländische Wirtschaft geschädigt würde) und in den 60er Jahren das Amt des USTR eingeführt. Zusätzlich erhielt der Präsident mit den Handelsgesetzen von 1962 und 1974 weitergehende Möglichkeiten, gegen ,unfaire' Handelspraktiken anderer Staaten vorzugehen. Der Kongreß wollte hierdurch sicherstellen, daß nationale Interessen in den internationalen Verhandlungen genügend beriicksichtigt würden. Das erweiterte Mandat des Präsidenten öffnete auf der anderen Seite die Tür zu neuen multilateralen Abkommen im Rahmen des GATT. Diese mußten wiederum dem Senat zur Ratifizierung vorgelegt werden. Beide Seiten gehen also in diesem Prozeß Kompromisse ein: Der Präsident, indem er in den Handelsgesetzen die protektionistischen Forderungen des Kongreß beriicksichtigt, und der Kongreß, indem er die vom Präsidenten geforderte Gesetzgebung als Basis für Current Issues and Trade Policy Institutions", in: Boston College International & Comparative Law Review, 15 (1992) 2, S. 430; WTO, Trade Policy Review: United States 1999, Genf 1999, S. 20. 10s Pastor, S. 53. 106 Senator Ribicoff, zitiert in: Holliday (u. a.), S. 3.

VI. Reziprozität und Meistbegünstigung nach 1974

71

weitere multilaterale Handelsliberalisierungen verabschiedet und die Handelsabkommen ratifiziert. Das übliche Verhalten des Kongresses, zunächst lautstark protektionistische Maßnahmen zu fordern und bei entsprechender Rücksichtnahme des Präsidenten schließlich das eher liberale Handelsgesetz zu verabschieden, wurde von Pastor auch als cry and sigh-Zyklus bezeichnet. 107 Auch anhand der fast track-Gesetzgebung, die mit dem Handelsgesetz von 1974 ins Leben gerufen wurde, wird das Wechselspiel zwischen Präsident und Kongreß deutlich: Hierin wird der Kongreß ermächtigt, u. a. die Ziele der Verhandlungen sowie die Verfahrensbedingungen (z. B. durchgehende Konsultationen mit dem Kongreß während der Verhandlungen) festzulegen. Zusätzlich kann er ein Zeitlimit aufstellen, bis zu dem die fast track-Ermächtigung gültig ist. Im Gegenzug muß der Kongreß die vom Präsidenten vorgeschlagenen Abkommen am selben Tag im Kongreß einbringen und innerhalb von 60 Tagen darüber abstimmen, ohne daß Zusätze erlaubt sind. Auch bei dieser Gesetzgebung sind Kongreß und Präsident somit aufeinander angewiesen: Während der Kongreß die Ziele und das Ausmaß der Verhandlungen festlegen kann, wird dem Präsidenten garantiert, daß über die abgeschlossenen Abkommen innerhalb kurzer Zeit ohne die Möglichkeit von Zusätzen abgestimmt wird. 108

VI. Die amerikanische Handelspolitik und das Verhältnis zur Reziprozität und zur Meistbegünstigung nach 1974 1. Hintergrund der Handelspolitik der USA in den 80er Jahren

Die Tendenz in der amerikanischen Handelspolitik zum ,fairen Handel ' verstärkte sich in den 80er Jahren, als die USA eine Rezession durchliefen. 1981 wurde Reagan zum Präsidenten gewählt, mit einer Wirtschaftspolitik, die Deregulierung, Steuersenkungen und den Freihandel zum Ziel hatte. Die erwarteten Zuwächse an Staatseinnahmen dieser supply side-Politik stellten sich jedoch nicht ein, während die Ausgaben der Regierung wegen des ausgeweiteten Verteidigungsbudgets und der weniger als geplant eingeschränkten Sozialausgaben weiterhin sehr hoch blieben. Zur gleichen Zeit verfolgte Paul Volcker, der Präsident der Fed, eine restriktivere Geldpolitik, als dies von der Administration erwartet worden war. Es kam somit zu einem policy mix von expansiver Fiskalpolitik und restriktiver Geldpolitik, der zu großen Budgetdefiziten und hohen Zinssätzen führte, welche wiederum Vgl. Pastor, S. 191 ff.; Scherrer, S. 108 f. Vgl. I. Mac Destler, Renewing Fast-Track Legislation, Institute for International Economics, Washington, D.C. 1997, S. 5 ff.; Gadbaw, S. 714 f .; Scherrer, S. 193; Fürst, S. 67 f.; Milner, S. 172ff. 107

108

72

B. Das Prinzip der Reziprozität

hohe Kapitalimporte und eine Aufwertung des Dollars zur Folge hatten. Auf dem Höhepunkt der Dollaraufwertung 1985 lag der Handelswert des Dollars um 50% höher als 1979 I 80. Durch diesen Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit kam es zu einem steigenden Handelsbilanzdefizit in den USA, welches von 24 Mrd. U.S. Dollar (1979) auf 50 Mrd. U.S. Dollar (1983) anstieg und sich bis 1986 mit 145 Mrd. U.S. Dollar fast verdreifachte. Das Problem der Zwillingsdefizite (twin deficits) in Budget und Leistungsbilanz beherrschte somit die 80er Jahre. 109 Zusammen mit den wirtschaftlichen Problemen innerhalb der USA, verloren die USA gleichzeitig- im Vergleich zu Japan und der EG- im Welthandel an Bedeutung: So fiel der Anteil der USA an den Weltexporten von 17% ( 1950) auf 11% (1980). Im Gegensatz dazu stieg der Anteil Westeuropas im selben Zeitraum von 33% auf 40% und Japans von 1,4% auf 6,5%. Die VolkswirtschaftenJapansund der EG hatten vor allem in den 50er und 60er Jahren aufgeholt; die USA bekamen das ganze Ausmaß jedoch erst in den 70er und 80er Jahren zu spüren, als Industriesektoren wie Stahl, Gebrauchselektronik, Autos und schließlich Mikroelektronik unter starken Wettbewerbsdruck gerieten. Dieser Rückgang der Vormachtstellung wurde von Bhagwati auch als diminished giant syndrome bezeichnet. 110 In den USA verstärkte sich die Überzeugung, daß die Ursache für das Handelsbilanzdefizit in den Handelsbarrieren der Partnerländer liege, denen die USA in der Zeit des Kalten Krieges enorme wirtschaftliche Zugeständnisse gemacht hätten. Da das Handelsbilanzdefizit mit dem ,Niedergang' der USA gleichgesetzt wurde, war es einfacher, diese Entwicklung auf ,unfaire' Handelspraktiken der anderen zu schieben als auf die eigenen nationalen Unzulänglichkeiten. Die Kritik war vor allem gegen Japan gerichtet: Die Japaner hätten es durch ihre Wirtschaftspolitik geschafft, bestimmte Produkte - vor allem im Hochtechnologiebereich - zu fördern und zu schützen, um sie dann auf dem relativ offenen amerikanischen Markt zu verkaufen. Dieser Ansicht lag zugrunde, daß die USA 1983 mit Japan ein bilaterales Handelsbilanzdefizit von 21,6 Mrd. U.S. Dollar hatten, welches bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre auf über 50 Mrd. U.S. Dollar anstieg. 111 Die negative Entwicklung der Handelsbilanz führte dazu, daß der Kongreß in zunehmendem Maße unilaterale Maßnahmen in der Handelspolitik forderte. Darüber hinaus war er der Auffassung, daß das GATT-System nicht wirksam und umfassend genug sei, um wünschenswerte Regelungen durchzusetzen. So fielen zu diesem Zeitpunkt wichtige Bereiche des Handels wie Landwirtschaft und Dienstleistungen nicht in den Geltungsbereich des GATT, obwohl sie weltweit an Bedeu109 Vgl. Bayard! Elliott, S. 13f.; Bhagwati!Irwin, S. llOf.; Congressional Quarterly lnc. (1984), s. 12 f. 110 Vgl. Bhagwatillrwin, S. 109 f., 123; Low, S. 15 ff. ; Destier (American Trade), S. 48 f. ; Robert E. Baldwin (Trade Policy), S. 36f. 111 Vgl. Wonnacott, S. 6ff.; Cline, S. 11 ff.; Survey ofCurrent Business, (Hg.) U.S. Department of Commerce, 77 (Juli 1997) 7, S. 76; Trebilcock l Howse, S. 513 f.

VI. Reziprozität und Meistbegünstigung nach 1974

73

tung gewonnen hatten. Daher versuchte der Kongreß, amerikanische Belange unilateral zu schützen, wo das GATT dies nicht konnte oder wollte. 112 There is a growing concern in the Congress that the United States is being treated unfairly in international trade, that U.S. exports do not receive the same treatment we give to the exports of other countries, and that the United States does not receive ,reciprocity' in foreign trade. 113

Reagan reagierte auf den steigenden Druck und Ruf nach unilateralen Maßnahmen zunächst mit dem Aushandeln von VER in einigen von Importen besonders betroffenen Sektoren (z. B. Stahl, Autos). Zusätzlich versuchte er, eine neue GATT-Runde mit einer umfassenden Agenda ins Leben zu rufen; dieser Vorschlag wurde jedoch 1982 aufgrund der wirtschaftlichen Probleme der Handelspartner -vor allem der EG- (zunächst) sehr ablehnend aufgenommen. Darüber hinaus machte die Reagan-Administration jedoch keinerlei Anstrengungen, auf die Bedenken des Kongresses einzugehen und die Sanktionsmöglichkeiten der Sektion 301 einzusetzen. So erließ der Präsident in keiner der eingeleiteten Sektion 301-Untersuchungen Vergeltungsmaßnahmen, obwohl die betroffenen Staaten ihre Handelsbarrieren nicht beseitigt hatten. 114 Aus Frustration über die Handelspolitik des Präsidenten wurden ab 1982 eine Reihe allgemeiner und sektorspezifischer Reziprozitätsgesetze in den Kongreß eingebracht. Während die allgemeinen Reziprozitätsvorschläge in erster Linie auf eine Verschärfung der Sektion 301 sowie eine Berichterstattung über die Handelsbarrieren der Handelspartner abzielten, bezogen sich die sektorspezifischen Vorschläge auf bisher nicht regulierte Bereiche wie Investitionen und Dienstleistungen. Hierbei tat sich vor allem Senator Danforth mit dem Vorschlag eines Reciprocal Trade and Investment Acts hervor, der zum Ziel hatte, einen gleichwertigen Grad des Marktzugangs auf ausländischen Märken für amerikanische Exporte von Waren, Dienstleistungen und Investitionen herzustellen. 115 Ziel des Kongresses war es, unilaterale Maßnahmen gegen Handelspartner zu ergreifen, die keinen gleichwertigen Marktzugang gewährten. Diese Vorschläge gingen einen Schritt weiter als die Sanktionsmöglichkeiten der Sektion 301, die sich gegen ,unfaire' Maßnahmen ausländischer Regierungen wandten: Um gleichwertige Wettbewerbsbedingungen zum offenen amerikanischen Markt herzustellen, sollten bestehende Handelsbarrieren ausländischer Staaten abgebaut werden, auch wenn diese keine ,unfairen' Maßnahmen darstellten. Diese Gesetzesvorschläge führten zu einer heftigen Debatte zwischen Gegnern und Befürwortern von unilateralen, strikten Reziprozitätsforderungen. Die Gegner Vgl. Hudec (Section 301), S. 130f.; Bayard/Elliott, S. 11 f. Ahearn (Reciprocity), S. 1. 114 Vgl. Milner; S. 166; Scherrer; S. 226; Bayard/ Elliott, S. 15f. 115 Vgl. Hay/ Sulzenko, S. 473 ff.; Gadbaw, S. 722ff.; Ahearn (Reciprocity), S. 13 ff.; McCulloch, S. 3; Fürst, S. 81 ; Destier (American Trade), S . 82 f. 112

113

74

B. Das Prinzip der Reziprozität

sahen die Gefahr, daß die unilateralen Sanktionen zu Vergeltungsmaßnahmen führen würden, welche die bisher erreichten Fortschritte des bestehenden Welthandelssystem gefährden könnten. Sie betrachteten diese Vorkehrungen zusätzlich als einen Verstoß gegen das GATT-Prinzip der unbedingten Meistbegünstigung, welches seit Jahrzehnten die amerikanische Handelspolitik beeinflußt hatte. Im Gegensatz dazu sahen die Befürworter in der Anwendung strikter Reziprozität eine wesentliche Voraussetzung für eine effektive amerikanische Handelspolitik. Hierdurch sollte sichergestellt werden, daß amerikanische Produkte eine ,faire' Chance erhielten, in einer zunehmend restriktiveren internationalen Umwelt zu konkurrieren.ll 6 In diesem Sinne argumentierte Senator Dole in einem Interview der New York Times 1982: Redprocity means a dramatic change from the ,most favored nation' principle. It means that other countries should provide us with trade and investment opportunities equal not simply to what they afford their other ,most favored' trading partners but equal to what we offer them and reciprocity should be assessed not by what agreements promise but by actual results - by changes in the balance of trade and growth in investment between ourselves and our major economic partners. 117

1984 verabschiedete der Kongreß schließlich den Trade and Tarif! Act, der den USTR verpflichtete, einen jährlichen National Trade Estimate Report on Foreign Trade Barriers herauszugeben, in dem die wichtigen Handelsbarrieren der Handelspartner aufgelistet und wenn möglich quantifiziert werden sollten. Zusätzlich wurde der USTR ermächtigt, von sich aus ein Sektion 301-Verfahren einzuleiten, ohne wie bisher eine Klage der Industrie abzuwarten. Gleichzeitig wurden Dienstleistungen und Investitionen ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Sektion 301 einbezogen. Während handelsbezogene Dienstleistungen bereits in das Handelsgesetz von 1979 integriert worden waren, wurden FDI zum ersten Mal erfaßt. 118 Im September 1985 wurde Präsident Reagan schließlich aktiver in der Handelspolitik. Er überzeugte zunächst die anderen GATI-Vertragsparteien, eine neue multilaterale Handelsrunde durchzuführen. Gleichzeitig unterzeichnete er 1985 ein Freihandelsabkommen mit Israel und begann entsprechende Verhandlungen mit Kanada. Neben diesen multilateralen und bilateralen Bemühungen beugte sich Reagan andererseits den Forderungen des Kongresses: Der wichtigste Schritt hierbei lag in dem Abschluß des Plaza Agreements, in dem sich die USA zusammen mit den wesentlichen Handelspartnern (Japan, Westdeutschland, Vereinigtes Königreich und Frankreich) darauf einigten, eine koordinierte ,Dollar-Abwertungsstrategie' zu verfolgen. Gleichzeitig wurde eine aggressive Exportförderungspolitik betrieben und das Instrument der Sektion 301 erstmals selbst von der Administration initiiert. 116 Vgl. Gadbaw, S. 691 ff., 731; Cline, S. 7ff., 21 f.; Aheam (Reciprocity), S. !Off.; Rhodes (U.S. Trade Po1icy), S. 2 ff. 117 Robert Dole, "Reciprocity in Trade", in: NYT vom 22. l. 1982, S. A3l. 11 8 Vgl. Bayard/Elliott, S. 16; Low, S. 60ff.

VI. Reziprozität und Meistbegünstigung nach 1974

75

Dieser stärkere Gebrauch der Sektion 301 diente einerseits dazu, den Kongreß durch die Öffnung fremder Märkte und die Steigerung amerikanischer Exporte zu beruhigen. Andererseits benutzte die Administration die Sektion 301 und die Forderungen des Kongresses nach aggressiverem Unilateralismus dazu, die Handelspartner zu multilateralen Verhandlungen zu bewegen. 119 Dem Kongreß gingen jedoch die Bemühungen der Administration nicht weit genug, und er sah auch keinen Abbau des Handelsbilanzdefizites, v. a. im Verhältnis zu Japan, mit dem das bilaterale Handelsbilanzdefizit bis 1986 auf 54,4 Mrd. U.S. Dollar angewachsen war. Daher begannen beide Häuser des Kongresses, Anfang 1986 über eine neue Handelsgesetzgebung zu verhandeln; dies führte schließlich zur Verabschiedung des Omnibus Trade and Competitiveness Acts von 1988. 120 Ziel dieses Gesetzes war es: "to increase export opportunities for U.S. goods and services, provide more equitable solutions for U.S. investment abroad, and obtain more effective protection worldwide for U.S. intellectual property rights." 121

2. Der Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988 a) Die Sektion 301 Der Omnibus Trade and Competitiveness Act von 1988 verschärfte zunächst die Sanktionsmöglichkeiten der Sektion 301 des Handelsgesetzes von 1974. So wurde das Verfahren dahingehend geändert, daß der USTR Maßnahmen zum Schutz amerikanischer Rechte ergreifen muß (mandatory action), wenn die Handelspraktiken eines anderen Staates als ,unjustifiable' betrachtet werden. Im Falle von Handelshemmnissen, die als ,unreasonable' oder ,discriminatory' eingeschätzt werden, hat der USTR weiterhin freie Hand. Grund für diese Verschärfung war, daß der Kongreß das Gefühl hatte, daß die Sektion 301 bisher von der Administration zu zögerlich genutzt worden war und daher einer Änderung bedurfte. Zusätzlich wurde dem USTR mit dem Handelsgesetz von 1988 das Recht gegeben, Maßnahmen zu ergreifen, wenn er eine Handelspraxis eines ausländischen Staates als ,unfair' einstuft. Vorher hatte er h~diglich die Möglichkeit, dem Präsidenten Maßnahmen zu empfehlen, über die dieser dann entscheiden konnte. Im Rahmen der Uruguay-Runde verpflichteten sich jedoch die USA, die Sektion 301 nicht unilateral gegen WTO-Mitglieder einzusetzen, sondern als Verfahren zu benutzen, um Konfliktfälle aufzunehmen und diese dann vor das WTOSchiedsgericht zu bringen. Daher wurden die Zeitlimits der Sektion 301 mit dem WTO-Streitschlichtungsverfahren in Einklang gebracht. 122 119 12o 121

Vgl. Schott, S. 10; Bayard/Elliott, S. 16ff., 53; Curzon/ Curzon, S. 491. Vgl. Survey of Current Business, 77 (Juli 1997) 7, S. 76; Bayardl Elliott, S. 19 ff. GATI, Trade Policy Review: United States 1994, 2. Bd., Genf 1994, S. 101.

76

B. Das Prinzip der Reziprozität

b) Der ,Super 301' und der ,Special301' Das Handelsgesetz von 1988 führte zusätzlich das Instrument des ,Super 301' ein, welches den USTR in der heutigen Fassung dazu verpflichtet, dem Kongreß einen jährlichen Bericht über diejenigen Handelsbarrieren und -praktiken der Handelspartner vorzulegen, die eine deutliche Beschränkung für amerikanische Exporte darstellten (priority foreign country practices). Zu diesem Zweck muß der USTR eine ,Prioritätenliste' erstellen, aus der ersichtlich ist, welche Handelsbarrieren den amerikanischen Handel am meisten beeinträchtigen, deren Beseitigung die amerikanischen Exporte also am meisten fördern würde. Spätestens 90 Tage nach Vorlage des Berichts hat der Handelsbeauftragte, wenn es zu keiner befriedigenden Lösung kommt, ein Sektion 301-Verfahren gegen die Länder auf der Prioritätenliste einzuleiten. Die Untersuchungszeit des Verfahrens beträgt achtzehn Monate bei Praktiken, die ein WTO-Abkommen betreffen, und in allen anderen Fällen zwölf Monate. Kommt es zu keiner Einigung, kann der USTR unilaterale Strafmaßnahmen verhängen.123 Der Super 301, der ursprunglieh auf die Jahre 1989 und 1990 beschränkt war, wurde zweimal durch eine Verfügung des Präsidenten wieder eingeführt: für die Zeit von 1994-95 und für 1996-97. Im März 1999 setzte Clinton den Super 301 erneut für weitere drei Jahre (bis 2001) in Kraft. Ursprünglich mußte der USTR ganze Länder als ,unfaire' Handelspartner aufzeigen. Clinton änderte diese Vorkehrung jedoch 1994, als er den Super 301 durch eine Verfügung neu einsetzte. Von nun an werden nur noch Handelspraktiken als ,unfair' bezeichnet; gleichzeitig wurden auch die Zeiten für Verhandlungen im Rahmen des Verfahrens verlängert. 124 Ein weiteres Instrument des Handelsgesetzes von 1988 war der ,Special 301', der darauf abzielte, geistiges Eigentum auch außerhalb der USA zu schützen. Unter dem Special 301 muß der USTR jährlich diejenigen Handelspartner bestimmen, die den angemessenen und effektiven Schutz des geistigen Eigentums verweigern oder den ,fairen' und gerechten Marktzugang für U.S . Bürger nicht gewähren, die auf den Schutz geistigen Eigentums angewiesen sind. Die genauen 122 Vgl. Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 398 ff.; GATT (U.S. 1994), l. Bd., S. 102; WTO, Trade Policy Review: United States 1996, Genf 1997, S. 70; Folsom /Gordon/ Spanogle, S. 161 ff.; Bhagwati (Aggressive Uni1ateralism), S. 39; "Senate Approves Trade Bill with Provision on Trade Retaliation", in: Inside U.S. Trade, 17 (5. 11. 1999) 44, S. 3. 123 Vgl. Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 398ff.; WTO (U.S. 1999), S. 92f.; dies. (U.S. 1996), S. 71; Folsom!Gordon /Spanogle, S. 164ff.; Bhagwati (Aggressive Unilateralism), S. 44 f.; Milner; S. 168. 124 Vgl. WTO (U.S. 1999), S. 92; "Barshefski Announces Administration Renewal of Super 301, Title VII", in: Inside U.S. Trade, 17 (29. 1. 1999) 4, S. 6f.; "Clinton Executive Order Renews Super 301 and Title VII", in: Inside U.S. Trade, 17 (2. 4. 1999) 13, S. 3; USTR, "USTR Press Release on Annual ,Super 301' Review", in: U.S. Information and Texts, 40 (9. 10. 1997), S. 31; Bayard/Elliott, S. 44f.

VI. Reziprozität und Meistbegünstigung nach 1974

77

Bestimmungen des Special 301 wurden mit der Zeit geändert; heute muß der USTR nach 30 Tagen ein Sektion 301-Verfahren einleiten, welches zu unilateralen Strafmaßnahmen führen kann. Wenn das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade Related Aspects of lntellectual Property Rights: TRIPS) oder andere Abkommen betroffen sind, muß eine Entscheidung innerhalb von achtzehn Monaten nach Beginn der Untersuchung fallen, andernfalls innerhalb von sechs Monaten. Der USTR ist zusätzlich verpflichtet, dem Kongreß einen jährlichen Bericht über die Maßnahmen und die erzielten Fortschritte in den letzten zwölf Monaten vorzulegen. Im Rahmen der jährlichen Special301-Überprüfung kann ein Land als ,Prioritätenland' eingestuft werden, wenn die Politik und Maßnahmen dieses Landes den ,größten nachteiligen Einfluß' auf U.S. Produkte besitzen und dieses Land nicht bereit ist, in Verhandlungen zu treten, oder keine deutlichen Fortschritte in den Verhandlungen erzielt werden. Länder können auch auf eine priority watch List oder eine watch List gesetzt werden. Wahrend die priority watch List Länder umfaßt, die einige, aber nicht alle Kriterien für ein Prioritätenland besitzen, beinhaltet die Special301 watch List Länder, bei denen die USA ,große Sorgen' bezüglich des Schutzes geistigen Eigentums haben. Auch bei Ländern, die den Verpflichtungen aus dem TRIPS-Abkommen nachkommen, kann im Rahmen des Special 301 festgestellt werden, daß sie den ,angemessenen und effektiven Schutz' geistigen Eigentums verweigern. Die EG steht bis heute auf der priority watch Iist zusammen mit mehreren EG-Mitgliedstaaten. 125 c) Der Telekommunikationsbereich

Da die USA mit einer Vielzahl von Staaten Defizite im Bereich der Telekommunikation aufwiesen, wurde in dem Handelsgesetz von 1988 festgelegt, daß Importe von Telekommunikationsprodukten und - dienstleistungen eingeschränkt werden können, wenn die entsprechenden Länder den USA keinen gleichwertigen Marktzugang gewähren. So überprüft der USTR nach Sektion 1377 jährlich, ob die Handelspartner ihre Verpflichtungen aus den Abkommen über Telekommunikation einhalten oder ob sie amerikanischen Telekommunikationsprodukten und -dienstleistungen den Marktzugang verweigern. Diese Feststellung gilt als Verletzung eines Handelsabkommens nach Sektion 301 und erlaubt es dem USTR, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Sektion 1374 des Handelsgesetzes von 1988 beauftragt den USTR zusätzlich, Prioritätenländer zu identifizieren, die Telekommunikationsabkommen verletzt haben, und Sektion 1375 ermächtigt den Präsidenten, mit diesen 125 Vgl. WTO (U.S. 1999), S. 90ff.; GATT (U.S. 1994), 1. Bd., S. 102ff.; Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 40; EU-Kommission, Report on United States Barriers to Trade and Investment, Brüssel 1997, S. 9; Bhagwati (Aggressive Unilateralism), S. 43 f.; USTR, 1999 Trade Policy Agenda and 1998 Annual Report, Washington, D.C. 1999, S. 215 f.

78

B. Das Prinzip der Reziprozität

Prioritätenländern zu verhandeln. Kommt es zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, hat der Präsident nach Sektion 1376 das Recht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Begründet wurde diese Regelung damit, daß die USA im Gegensatz zu anderen Ländern bereits einen weitgehend offenen und deregulierten Markt besäßen. Es werde nun durch diese Maßnahmen eine sektorale Reziprozität zwischen den USA und ihren Handelspartnern hergestellt. 126 So heißt es am Ende des Gesetzes: Unless this irnbalance is corrected through the achievernent of rnutually advantageaus market opportunities for trade in telecommunications products and Services between the United States and foreign countries, the United States should avoid granting continued open access to the telecommunications products and services of such foreign countries to the United States market. 127

Im Januar 1989 wurde die EG als Prioritätenland identifiziert und in der Überprüfung für 1999 wurden die Praktiken in Deutschland im Bereich der Telekommunikation ,mit Sorge' betrachtet. 128

d) Titel VII des Handelsgesetzes von 1988: Der Buy American Act

Titel VII des Handelsgesetzes von 1988 enthielt zusätzlich Bestimmungen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Buy American Act): So wurde der USTR beauftragt, einen jährlichen Bericht über diejenigen Länder vorzulegen, die gegen amerikanische Hersteller im Bereich des öffentlichen Auftragswesens diskriminieren. Dies ist der Fall, wenn ein Land gegen den GPA des GATT verstößt oder systematisch gegen amerikanische Hersteller in seinem Markt des öffentlichen Auftragswesens diskriminiert. Nach der heutigen Fassung wird ein Sektion 301Verfahren eingeleitet, wenn Länder diese Praxis nicht innerhalb von 90 Tagen nach entsprechenden Konsultationen mit der U.S. Regierung einstellen. Die hierbei vorgesehene Untersuchungszeit dauert achtzehn Monate bei Verletzungen des GPA des GATT, andernfalls zwölf Monate. Am Ende der Untersuchung muß der USTR im Einklang mit der Sektion 301 zu einem Urteil kommen und nötigenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen. Im Falle von Mitgliedstaaten des GPA wird dem formalen Streitschlichtungsverfahren des GATT gefolgt. Titel VII, der 1996 ausgelaufen war, wurde - wie auch der Super 301- im März 1999 von Präsident Clinton für weitere drei Jahre (bis 2001) verlängert. Auch hier 126 Vgl. WTO (1999), S. 94; Stephen Woolcock, Trading Partners or Trading Blows? Market Access in EC - U.S. Relations, New York 1992, S. 9 ff., 85 f.; Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 400f.; Harrison (EC's 1992 Plan), S. 26. 127 Telecommunications Trade Act, Title I, Subtitle C, Part 4 des Omnibus Trade and Competitiveness Acts (1988), zitiert in: Christe, S. 63. 128 Vgl. GATT, Trade Policy Review: United States 1992, 1. Bd., Genf 1992, S. 10; WTO (U.S. 1999), S. 96.

VI. Reziprozität und Meistbegünstigung nach 1974

79

bestand das Ziel darin, eine sektmale Reziprozität mit den Handelspartnern herzustellen. 1991 identifizierten die USA die EG und Norwegen als Prioritätenländer, die gegen amerikanische Unternehmen diskriminieren, und 1996 stand Deutschland auf der Liste. 129 3. Zusammenfassung: Die USA und das Verhältnis zur Reziprozität in den 80er Jahren Bereits in die Handelsgesetzen von 1962 und 1974 wurden Reziprozitätsbestimmungen mit der Möglichkeit von Vergeltungsmaßnahmen integriert, wenn die Handelspraktiken eines anderen Staates als ,unfair' angesehen wurden. Das Handelsgesetz von 1988 verschärfte nicht nur die Anwendung der Sektion 301, die bisher vom Präsidenten nur sehr zögerlich genutzt worden war, sondern führte darüber hinaus Bestimmungen ein, die über die Bekämpfung sogenannter ,unfairer' Handelsmaßnahmen hinausgingen. So bestand das Kriterium für die Einleitung eines Verfahrens im Rahmen des Super 301 darin festzustellen, welche Beseitigung von Handelsbarrieren die amerikanischen Exporte am meisten fördern würde. Es wurden Sanktionen angedroht, um gegen Handelshemmnisse vorzugehen, die das Wachstum amerikanischer Exporte behinderten. Zusätzlich wurde im Bereich der Telekommunikation und des öffentlichen Auftragswesens ein vergleichbarer Marktzutritt in speziellen Sektoren gefordert. Mit dem Omnibus Trade and Competitiveness Act sollten also - zusätzlich zur Durchsetzung von ,fairen' Wettbewerbs- und Marktzugangsbedingungen im Rahmen der Sektion 301 - gleichwertige Marktzugangsbedingungen (equality of access) hergestellt werden. Die strikten Reziprozitätsvorkehrungen der USA waren nicht mehr nur auf einen gleichwertigen Abbau der Handelsbarrieren gerichtet (reciprocal changes in protection), sondern auf ein gleichwertiges Niveau in den bestehenden Handelsrestriktionen mit entsprechendem Einfluß auf den Handel (equalize existing Ievels ofprotection). 130 Diese Art der strikten Reziprozität forderte neben der Erstellung ,fairer' Wettbewerbsbedingungen eine reziproke oder symmetrische Behandlung in einzelnen Produktsektoren. So betonte Destler: "The meaning of reciprocity shifted, from emphasis on the balance on concessions in a specific negotiation, to the balance of market conditions in a particular sector, as viewed through American lenses."131 Des weiteren wurde Reziprozität an bilateralen Handelsbilanzen festgemacht. Dem lag die Annahme zugrunde, daß der Handel dann ,fair' sei, wenn die bilateralen Handelsbilanzen ausgeglichen sind. Man ging davon aus, daß der Han129 Vgl. Holtfrerich (Außenwirtschaft), S. 397; WTO (U.S. 1999), S. 96; dies. (U.S. 1996), S. 73; GATT (U.S. 1994), 1. Bd., S. 3; "Ciinton Executive Order", S. 3. 130 Vgl. Cline, S. 7; Ahearn (Reciprocity), S. 4; Senti, S. 135 f.; Wonnacott, S. 10. 131 /.Mac Destler, "Commentary", in: Bhagwati /Patrick (Hg.), S. 183.

80

B. Das Prinzip der Reziprozität

delspartner im Falle eines Handelsüberschusses keinen gleichwertigen Marktzugang gewähre 132: All components of the original reciprocity concept were questioned during the eighties as it was proposed tuming the reciprocity concept into a result oriented one. Redprocity was now defined in terms of equilibrated trade flows both at the bilateral country Ievel and the sectoral Ievel, calling for industry-specific and product-specific initiatives. The American trade deficit in particular was analyzed in bilateral terms (targeting the countries with a Irade surplus vis-a-vis the U.S.) andin sectoral ones (targeting specific industries).133

Das 88er Gesetz fällt also in den umstrittenen Bereich der aggressiven (strikten) Reziprozität (Cline), da das Verhandlungsmittel in der unilateralen Drohung besteht, den eigenen Markt wieder zu schließen oder neue Barrieren aufzubauen, wenn die bestehenden Handelspraktiken eines Staates nicht zugunsten der USA geändert werden. Dieser Unilateralismus verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des GATT. Die USA verlangen Konzessionen, die nicht vorher Gegenstand von Verhandlungen waren und die ihnen somit nicht auf der Basis von Abkommen zustehen.134 Aggressive, bilateral reciprocity violates central tenets of the postwar international trading system. GATT upholds the principles of multilateralism, nondiscrimination, and neutral dispule settlement. Super 301 may encroach upon all of these. lt implies bilateralism, may Iead to discriminatory trade agreements that favor American commerce, and constitutes unilateral dispule Settlement. 135

4. Weitere Vorschläge für Handelsgesetze in den 90er Jahren

Im November 1991 schlug der Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Gephardt, einen Zusatz zur Super 301-Gesetzgebung vor. Danach sollte jedes Land auf die Super 301- Prioritätenliste gesetzt werden, welches im bilateralen Handel für nicht weniger als 15 % des amerikanischen Handelsbilanzdefizits verantwortlich ist, einen weltweiten Leistungsbilanzüberschuß von mindestens der Größe des bilateralen Defizits mit den USA aufweist und protektionistische Praktiken anwendet, die Marktchancen begrenzen. 136 Dieser Vorschlag fiel eindeutig in den Bereich der strikten Reziprozität: Die Faimeß in den Handelsbeziehungen wurde an den bilateralen Handelsbilanzen festgemacht; es kam jedoch nicht zu einer entsprechenden Ergänzung der Super 301-Regelung. 132 Vgl. Verdier, S. 734; Cline, S. 7f., 30; Bhagwatillrwin, S. 117; Milner, S. 163 f.; Curzonl Curzon, S. 489 ff.; Hudec (Mirror), S. 107 f. 133 Frans Buelens, "After the Presidential Elections: Will the U.S. ,Open Door' Trade Strategy Continue?", in: lntereconomics, 32 (Januar/Februar 1997) 1, S. 44. 134 Vgl. Cline, S. 21; Trebilcock/ Howse, S. 8, 510f. 135 Milner, S. 177. 136 Vgl. Destier (American Trade), S. 269f.

~

"' Tabelle B-6

Reziprozitätsvorkehrungen

Multilateral Reziproker Abbau der Handelsbanieren Bilateral - Sektion 301: Vorgehen gegen ,unfaire' Handelspraktiken der Handelspartner - Super 301: Abbau von Handelshemmnissen, die U.S. Exporte behindern - Special 301: Gleichwertiger Schutz geistigen Eigentums - Telekommunikation I Titel VII: Sektorale Reziprozitätsbestimmungen

Handelsgesetze

Omnibus Trade and Competitiveness Act 1988 Bilateral - Durchsetzung eines ,fairen Handels': - Gleichwertiger Marktzugang - Förderung amerikanischer Exporte - Gewährleistung sektoraler Reziprozität

Multilateral Liberalisierung des Handels

Ziel der Reziprozitätsvorkehrungen Multilateral Unspezifische Reziprozität Bilateral Strikte Reziprozität

ArtderReziprozität

Multilaterale und bilaterale Verhandlungen

Unbedingte Meistbegünstigung

Art der Meistbegünstigung; Verhandlungsebene

Überblick: Die Politik der USA hinsichtlich Reziprozität und Meistbegünstigung in den 80er Jahren

00 ......

.j::..

-.J

\0

......

g_

:;

(IQ

:;

"'

riö"

~

c:: :;

(IQ

(1)

(!!.

s.

~

"'8.

~:

~.

~ ]"

< t-'

82

B. Das Prinzip der Reziprozität

Auch der Vorschlag eines Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Acts (EERTAA), der im September 1998 im amerikanischen Kongreß zu Fall gebracht wurde, hatte zum Ziel, einen offeneren und damit reziproken Marktzugang für amerikanische Exporte herzustellen und Handelsbarrieren, die amerikanische Exporte behindern, zu reduzieren oder ganz abzubauen. Der Schwerpunkt lag hierbei auf den Bereichen Schutz geistigen Eigentums, Landwirtschaft, E-Handel, Informationstechnologie und Umwelt- und Arbeiterrechte. Gleichzeitig hätte das Gesetz dem Präsidenten die Möglichkeit gegeben, im Rahmen des fast trackVerfahrens die Zölle um bis zu 50% weiter zu senken. 137 Ein solches Gesetz hätte die Politik der strikten Reziprozität in den USA fortgeführt und auf neue Sektoren ausgeweitet. 5. Die Anwendung der Handelsgesetze von 1974 und 1988 bis 1999

Seit lokrafttreten des Handelsgesetzes von 1974- im Jahr 1975 - bis Dezember 1999 wurden insgesamt 119 Sektion 301-Verfahren (inklusive dreizehn Special 301-, und sieben Super 301- Verfahren) eingeleitet. Sowohl der Super 301 als auch der Special 301 führen zur Einleitung eines normalen Sektion 301-Verfahrens und werden somit unter die Sektion 301-Verfahren gefaßt. In den ersten fünf Jahren (1975-1980) wurden 21 Sektion 301-Untersuchungen durchgeführt. Dies steigerte sich Anfang der 80er Jahre, und von Januar 1981 bis September 1985 wurden 27 Anträge auf ein Sektion 301-Verfahren gestellt. Die Ursache lag vor allem in der hohen Anzahl der Sektion 301-Klagen im Stahlbereich im Jahr 1982: So war 1982 das Importkontrollsystem abgelaufen, welches amerikanische Stahlhersteller vor ausländischer Konkurrenz schützen sollte, und daher beantragte die amerikanische Stahlindustrie, neben Antidumping- und Subventionsklagen, zahlreiche Sektion 301-Verfahren gegen ,unfaire' Exportsubventionen der Handelspartner. Ab September 1985 wurde Reagan schließlich aktiver in der Handelspolitik, und hierzu gehörte auch ein aggressiverer Gebrauch der Sektion 301. Diese Maßnahmen sollten u. a. dazu führen, den Forderungen des Kongresses nach der verstärkten Bekämpfung ,unfairer' Handelspraktiken der Partnerländer zu entsprechen und damit protektionistische Strömungen zu beruhigen. Alleine von September bis Dezember 1985 wurden vier Sektion 301-Klagen auf Drängen des Präsidenten vom USTR selbst initiiert, und in den nächsten drei Jahren - von September 1985 bis 1988 - folgten insgesamt 22 weitere Sektion 301-Verfahren. Da dem Kongreß die Bemühungen des Präsidenten in der Handelspolitik noch nicht weit genug gingen, wurde 1988 der Omnibus Trade and Competitiveness Act 137 Vgl. "Export Expansion and Reciprocal Trade Agreements Act" [WWW Dokument], URL: http://www.whitehouse.gov/initiatives/fasttracklbill.html vom 14. l. 2000; WTO (U.S. 1999), S. 24ff.; Scherrer, S. 305.

VI. Reziprozität und Meistbegünstigung nach 1974

83

verabschiedet, welcher neben der Sektion 301 auch den Super 301 und den Special 301 einführte. Zu diesem Zeitpunkt kam es zu einer zweiten Welle von Sektion 301-Verfahren, die vom USTR eingeleitet wurden: bereits 1989 wurden sechs Super 301-Fälle bearbeitet- im Vergleich zu drei regulären Sektion 301-Fällen. Größtenteils durch die Tatsache, daß 1990 keine neuen Super 301-Verfahren eingeleitet wurden, fiel die Anzahl der gesamten Sektion 301-Untersuchungen"von einem Höhepunkt von neun Fällen 1989 auf drei 1990. Anfang der 90er Jahre ( 1990- 1994) fanden insgesamt sechzehn Konflikte statt, darunter fielen sieben in den Bereich des geistigen Eigentums (Special 301) und neun waren normale Sektion 301-Verfahren. In diesem Zeitraum fanden im Durchschnitt jährlich nur drei Untersuchungen statt; ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu durchschnittlich fünf neuen Fällen jährlich ab 1975. Mit dem Abschluß der Uruguay-Runde 1995 nahmen die Sektion 301-Untersuchungen jedoch erneut zu (1995: sechs, 1996: neun, 1997: sechs). 1998 gab es jedoch nur noch zwei Fälle; 1999 einen. 138

EI Zahl der Sektion 301-Verfahren •zahl der Super 301-Verfahren DZahl der Speciai301-Verfahren Quelle: USTR (Section 301).

Diagramm B-1: Beginn von Sektion 301-, Super 301- und SpeciaiJOJ-Verfahren

In diesem Abschnitt wurde ein historischer Überblick über das Reziprozitätsverständnis in der amerikanischen Handelsgesetzgebung gegeben. Hierbei wurde deutlich, daß der Wandel in den USA zur strikten Reziprozität keine neue Ausrichtung in der amerikanischen Außenhandelspolitik darstellt, sondern bis zum Zweiten Weltkrieg in erster Linie die Art war, wie die USA auf bilateraler Ebene ihre 138 Vgl. USTR, "Section 301 Table of Cases" [WWW Dokument], URL: http://www.ustr. gov/reports/30lreport/act30l.htm vom 18. 2. 2000.

6*

84

B. Das Prinzip der Reziprozität

Handelspolitik durchführten. Es folgt nun die Reaktion der EG auf die Handelsgesetze der USA von 1974 und 1988.

VII. Die Reaktion der EG 1. Das ,Neue Instrument der Handelspolitik' von 1984

Die EG kritisierte dieses aggressive und unilaterale Vorgehen immer wieder in ihren jährlichen Berichten über Handelsbarrieren in den USA, so z. B. 1997: Unilateralism in U.S. trade legislation also remains a matter of concern. While the U.S. has in practice made extensive use of the new WTO dispute settlement system, it retains the possibility to take its unilateral trade measures which would be inconsistent with the internationally-agreed system of trade rules embodied in the WT0. 139

1984 verabschiedete die EG als Reaktion auf die amerikanischen Gesetze die Verordnung zur Stärkung der Gemeinsamen Handelspolitik und insbesondere des Schutzes gegen unerlaubte Handelspraktiken, welche als das ,Neue Instrument der Handelspolitik' der EG bekannt wurde. Die EG begrundete diese Maßnahme damit, daß es von großer Wichtigkeit sei, " ... das Erforderliche zu tun, damit die Gemeinschaft bei der Führung ihrer Handelspolitik genauso schnell und wirksam [handele] wie ihre Handelspartner." 140 Das Neue Instrument der Handelspolitik richtet sich gegen Handelspraktiken von Drittstaaten, die gegen internationale Regeln verstoßen. So gewährt es gemeinschaftlichen Unternehmen und Mitgliedstaaten ein Beschwerderecht über unerlaubte, schädigende und völkerrechtswidrige ausländische Handelspraktiken. ,Unerlaubte Handelspraktiken' werden hierbei definiert als ,Praktiken von Drittländern, die, was den internationalen Handel betrifft, mit den Regeln des Vcilkerrechts oder den allgemein anerkannten Regeln unvereinbar sind' (Art. 2 Abs. 1 VO). Während unter Vcilkerrecht sowohl die GATT-Regeln als auch andere bilaterale und multilaterale Handelsabkommen fallen, umfassen die ,allgemein anerkannten Regeln' die Regeln des GATT gegenüber Nichtmitgliedstaaten und den Bereich des soft law. Wenn gegen ein GATT-Mitglied vorgegangen wird, muß in jedem Falle ein Verstoß gegen GATT-Regeln bewiesen werden. Das Neue Instrument der Handelspolitik kann jedoch nur eingesetzt werden, wenn die betreffenden Handelspraktiken einem Wirtschaftszweig in der EG einen bedeutenden Schaden zufügen. 141 EU-Kommission (United States Barriers: 1997), S. iii. Meinhard Hilf/Reinhard Ro/f. "Das ,Neue Instrument' der EG", in: RIW, 31 (April 1985) 4, S. 298. 141 Vgl. Martin Nettesheim, "System der Schutzinstrumente", in: Eberhard Grabitz/ Armin von Bogdandy I Mactin Nettesheim (Hg.), Europäisches Außenwirtschaftsrecht, München 1994, S. 188 f.; ders., "Schutz gegen unerlaubte Handelspraktiken: Das Handelspolitische Instrument", in: Grabitz/ von Bogdandy / Nettesheim (Hg.), S. 235 ff. ; Wolfgang Kirchhof!, 139

140

VII. Die Reaktion der EG

85

Zur Einleitung des Verfahrens muß zunächst ein Antrag an die EU-Kommission gerichtet werden. Antragsberechtigt sind hierbei Personen, die im Namen eines betroffenen Wirtschaftszweiges handeln (Industriezweige bzw. ihre Verbände) sowie die einzelnen Mitgliedstaaten. Die Beschwerde kann sich nur gegen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Drittstaaten und nicht gegen private Unternehmen richten. Die EU-Kommission muß daraufhin innerhalb von 45 Tagen über den Antrag entscheiden. Sie beschließt die Eröffnung des Verfahrens nur dann, wenn ausreichende Beweise vorliegen und die Durchführung des Verfahrens im Interesse der Gemeinschaft liegt. Hierdurch soll sichergestellt werden, daß die Gemeinschaftsinteressen weiterhin partikulären Interessen übergeordnet bleiben. Wenn das Verfahren eröffnet ist, muß die EU-Kommission nach fünf Monaten dem Beratendem Ausschuß einen Bericht über das Ergebnis ihrer Prüfungen vorlegen. Wird hierbei eine unerlaubte Handelspraxis festgestellt, die internationale Regeln verletzt, wird das förmliche Streitbeilegungsverfahren der WTO eingeleitet. Im Gegensatz zur amerikanischen Sektion 301 darf die Gemeinschaft nur Maßnahmen ergreifen, die mit internationalen Verpflichtungen kompatibel sind. 142 Bis 1993 wurde dieses Instrument der Außenwirtschaftspolitik jedoch nur selten benutzt. Von sechs Klagen führten nur vier zu einer Untersuchung. Der Schwerpunkt lag hierbei im Bereich des Schutzes geistigen Eigentums. Die vier Fälle betrafen die USA (Patentrechtsverletzungen), lndonesien (Raubkopien von Schallplatten), Japan (Hafengebühren) und Thailand (Raubkopien bei Tonaufnahmen). 1994 wurde die sogenannte ,Handelshemmnis-Verordnung' verabschiedet, die das Neue Handelspolitische Instrument leicht abänderte. Die wichtigste Änderung bestand darin, daß von nun auch einzelne Unternehmen und nicht nur Vertreter von Wirtschaftszweigen klagen konnten. Dieses Handelsinstrument wurde seit 1997 verstärkt angewandt. Alleine 1999 wurde die EU-Kommission in vier Fällen gegenüber Drittstaaten aktiv: zweimal gegen Brasilien und jeweils einmal gegen Kanada und die Republik Korea. 143

2. Die EG-Kiage vor der WTO gegen die Sektion 301 Als weiteren Schritt im Kampf gegen die unilateralen Handelsgesetze der USA verlangte die EG im November 1998 Konsultationen im Rahmen der WTO über Titel III Kapitel 1 (Sektionen 301- 310) des Handelsgesetzes von 1974, und hierbei speziell über die Sektionen 305 und 306. Sie kritisierte, daß die Sektionen 305 "Die ,Festung Europa' -begründete Angst unserer Handelspartner oder politisches Schlagwort?", in: RIW, 37 (Juli 1991) 7, S. 536; Hilf/Rolf, S. 299ff. 142 V gl. Nettesheim (Schutz), S. 247 ff.; HilfI Rolf, S. 302 ff.; Kirchhoff, S. 536. 143 Vgl. GATT, Trade Policy Review: European Comrnunities 1993, 1. Bd., Genf 1993, S. 226; Kirchhoff, S. 536; Georg M. Berrisch! Hans-Georg Kamann, "Die neuesten Entwicklungen im Europäischen Außenhandelsrecht", in: EuZW, 23 (1999), S. 715, 720.

86

B. Das Prinzip der Reziprozität

und 306 die Verpflichtungen der USA nach dem WTO-Regelwerk verletzten, da sie - unabhängig vom Stand des WTO-Verfahrens - strenge Zeitlimits aufstellten, innerhalb derer unilaterale Entscheidungen getroffen und Handelssanktionen verhängt werden müßten. Der USTR habe somit die Befugnis, noch vor der vollständigen Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel nach dem multilateralen Streitschlichtungsmechanismus (Dispute Settlement Body: DSB) darüber zu entscheiden, ob ein anderes WTO-Mitglied amerikanischeRechte verletzt, und entsprechend Sanktionen zu verhängen. Die EG sah hierdurch die Art. 3, 21, 22 und 23 Dispute Settlement Understanding (DSU), Art. XVI Abs. 4 des WTO-Abkommens und Art. I, li, III, VIII und XI GATT 1994 verletzt. 144 Aus diesem Grund beantragte sie im Januar 1999 ein WTO-Panel, das im März 1999 eingesetzt wurde. In seinem Bericht vom Dezember 1999 stellte das Panel fest, daß das Recht des USTR, nach Sektionen 301 (a) (2) (A), 305 (a) und 306 (b) des Handelsgesetzes von 1974 Verletzung von WTO-Rechten noch vor Ablauf des Streitschlichtungsverfahrens festzustellen, weder gegen Art. 23 Abs. 2 (a) oder (c) DSU noch gegen die genannten GATT-Artikel verstoße. Es betonte jedoch, daß diese Entscheidung auf den Verpflichtungen der USA im Rahmen des Statements of Administrative Action von 1994 basiere, das der U.S. Kongreß bei der Ratifizierung des Uruguay-Abkommens genehmigt hatte und das in den Erklärungen der USA vor dem Panel nochmals bestätigt wurde. Im Statement of Administrative Action hatte der USTR versprochen, das Recht, Verletzung von WTO-Rechten noch vor Ablauf des Streitschlichtungsverfahrens festzustellen, nicht bei laufenden Verfahren gegen andere WTO-Mitglieder auszuüben. Das Panel warnte die USA davor, von diesen Zusagen abzuweichen, da in diesem Fall die Übereinstimmung mit WTO-Regeln nicht mehr gegeben sei 145 : In einer gleichzeitig mit dem Abkommen der Uruguay-Runde verabschiedeten Erklärung verpflichtete sich die amerikanische Administration explizit dazu, in sämtlichen bei der WTO anhängigen Handelsdisputen nicht von den umstrittenen Paragrafen der Handelsgesetzgebung Gebrauch zu machen. Damit wurde die Wirksamkeit der betreffenden Gesetzgebung, welche den Vereinigten Staaten bei der Gefährdung nationaler Interessen die Verhängung unilateraler Handelssanktionen erlaubt, praktisch neutralisiert. 146 Der Panel-Bericht wurde im Januar 2000 vom DSB angenommen. Beide Seiten werteten dieses Ergebnis als Erfolg: Die USA sahen sich in ihrer Auffassung bestätigt, daß die Sektion 301 mit den WTO-Regeln übereinstimme. Die EG hingegen sah sich in ihrer Meinung bestärkt, daß ein Gesetz, welches es den nationalen Behörden ermöglicht, entweder WTO-konforrn oder WTO-widrig zu handeln, 144 Vgl. WTO, "Overview of the State-of-play of WTO Disputes" [WWW Dokument], URL: http://docsonline.wto.org/gen_browseDetail.asp?preprog=2#Panei+Reports vom II. 7. 2001; dies., United States - Sections 301-310 of the Trade Act of 1974, WT /DS152/R, Genf 22. Dezember 1999, S. 8ff., 300ff., 330ff., 350f. 145 Vgl. WTO (Overview); dies. (U.S. 1999), S. 90; "Amerikas Handelsrecht verstößt nicht gegen WTO", in: FAZ vom 24. 12. 1999, S. 13. 146 "USA gegen Antidumping-Urteil", in: SZ vom 28. 1. 2000, S. 27.

VII. Die Reaktion der EG

87

eine Verletzung der WTO-Regeln darstelle. So betonte das Panel in seinem Bericht: The very discretion ... is what, in our eyes, creates the presumptive violation .. . Members faced with a threat of unilateral action, especially when it emanates from an economically powerful Member, may in effect be forced to give in to the demands imposed by the Member exerting the threat, even before DSU procedures have been activated. To put it differently, merely carrying a big stick is, in many cases, as effective a means to having one's way as actually using the stick. 147

Durch diesen Panel-Entscheid konnte der transatlantische Konflikt um Gültigkeit und Anwendung der Sektion"301 zunächst entschärft werden.

147 EU-Kommission, "WTO Report on U.S. Section 301 Law: A Good Result for the EU and the Multilateral System" [WWW Dokument], URL: http://europa.eu.int/comm/ extemal_relationslnews I 12_99 I ip_99_105l.htm vom 11. 7. 2001.

C. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EG mit Schwerpunkt auf die Zeit ab 1985 Im folgenden wird die wirtschaftliche Interdependenz zwischen den USA und der EG in den Bereichen Waren-, Agrar- und Dienstleistungshandel sowie FDI dargestellt: Der Stellenwert der transatlantischen Beziehungen - vor allem auch im Verhältnis zu anderen Handelspartnern - soll dadurch verdeutlicht werden. Anhand dieser Daten können zusätzlich die Handelskonflikte und das betroffene Handelsvolumen zwischen den USA und der EG ins Verhältnis zu den gesamten Wirtschaftsbeziehungen gesetzt werden. Des weiteren spielt die in diesem Kapitel dargestellte Entwicklung der Handelsbilanzen eine Rolle für die spätere Untersuchung der Handelskonflikte unter dem Aspekt der strikten Reziprozität.

I. Die heutige Bedeutung des Handels für die USA Die USA sind die größte Handelsnation der Welt, deren Anteil am Welthandel 2000 19% der Warenimporte (den höchsten jemals verzeichneten Anteil) mit einem Volumen von 1,2 Billionen U.S. Dollar und 13% der Warenexporte mit einem Volumen von 772,2 Mrd. U.S. Dollar betrug. Bei den (handelbaren) Dienstleistungen lag der Anteil der USA an den Weltimporten 2000 bei 16% mit einem Volumen von 217 Mrd. U.S. Dollar und an den Exporten bei 21 % mit einem Volumen von 293,5 Mrd. U.S. Dollar. Insgesamt öffnete sich die amerikanische Wirtschaft den Außenbeziehungen: So stieg das Verhältnis von Warenhandel (Exporte plus Importe) zum BIP von 1970 bis 1995 von 8,5% auf23,6%. Durch diesen Bedeutungsanstieg des internationalen Handels wurden die USA jedoch auch sensibler gegenüber wirtschaftlichen Entwicklungen außerhalb des eigenen Landes. 1

I Vgl. WTO (U.S. 1999), S. 275, 295; dies., "World Trade", in: Focus, 45 (März / April 2000), S. 8 ff. ; dies., "Annual Report 2000" [WWW Dokument], URL: www.wto.org/english/ res_e/booksp_e/anrep_e/wto_anrep01_chp_2_e.pdf vom 21. 8. 2001 ; GATT, Trade Policy Review: United States 1989, Genf 1990, S. 137, 273.

II. Der Industriewarenverkehr

89

II. Der Industriewarenverkehr 1. Güterstruktur Im Warenhandel der USA überwiegt der intraindustrielle Handel, so daß weitgehend dieselben Produktkategorien exportiert und importiert werden. Sein Anteil wuchs von 37% (1980) aufüber 60% (2000)? Während der Anteil der Industriegüter der USA am Warenhandel fast durchgehend stieg, sank der Anteil der Primärgüter (Landwirtschaft I Bergbau) nahezu kontinuierlich: So ging der Anteil der Primärgüter bei den Exporten von knapp 24% ( 1986) auf rund 14% (2000) zurück, während zur gleichen Zeit der Anteil der Industriegüter von 72% auf 85% (2000) stieg. Im Importbereich fiel der Anteil der Primärgüter an den gesamten Importen von 48% (1980) auf rund 20% (2000), während der Anteil von Industriegütern im selben Zeitraum von 50% auf knapp 80% zunahm. Die Exportprodukte der USA im Industriegüterbereich sind weit gefächert: ,Maschinen und Transportausrüstungen' sind die wichtigsten Exportgüter, die bis heute rund 50% der gesamten Exporte ausmachen. Weitere wichtige Exportprodukte sind ,Büro- und Telekommunikationsausrüstungen ', ,chemische Erzeugnisse' und ,Kraftfahrzeuge', die nach einem Rückgang 1995 wieder an Bedeutung gewannen. ,Maschinen und Transportausrüstungen' waren auch die wichtigsten Importprodukte der USA im Industriegüterverkehr. Weitere bedeutende Kategorien sind - wie auch im Exportbereich - ,Büro- und Telekommunikationsausrüstungen' und ,sonstige elektrische Maschinen ' . Der Anteil von ,Kraftfahrzeugen' ist hingegen zurückgegangen. 3 Die EG ist ein wichtiger Markt für den amerikanischen Handel. Hochwertige Güter wie Computer, Elektrogeräte, Telekommunikations- und Transportausrüstungen sowie Raumfahrtprodukte sind von besonderer Bedeutung. Die Importe der USA aus der EG bestehen hauptsächlich aus Maschinen, Kraftfahrzeugen, Elektrogeräten, Präzisionsinstrumenten, Eisen und Stahl sowie sonstigen verarbeiteten Gütem. 4

2 Vgl. GATT (U.S. 1994), 1. Bd., S. 24f.; Survey of Current Business, 81 (Juli 200 1) 7, S. 60f. 3 Vgl. GATT (U.S. 1994), 1. Bd., S. 19f.; WTO (U.S. 1996), S. xxv, 9ff.; Survey ofCurrent Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 60, 62. 4 Vgl. Raymond Ahearn, U.S. Access to the EC Market: Opportunities, Concems, and Policy Challenges, Congressional Research Service, Washington, D.C. 1992, S. 1; EU-Kommission, Partnership: The European Union and the United States in the 1990s, Washington, D.C. 1994, S. 22; dies., "Statistical Annex", in: EC/U.S. Relations - Progress Report, 6 (Juli 1995), S. 20.

90

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

2. Geschichtlicher Vergleich: Die Entwicklung der Handelsbeziehungen im Warenverkehr mit der EG seit 1955 Seit 1955 (den ersten Daten über die EG) läßt sich ein steter Anstieg des Handelsvolumens im Warenverkehr zwischen den USA und der EG im Exportund Importbereich feststellen. Hierbei muß jedoch berücksichtigt werden, daß sich die EG von 1952 bis 1995 von sechs auf fünfzehn Mitglieder erweitert hat. So nahm das Exportvolumen der USA von 1955 (EG 6) bis 1980 (EG 9) von 2,6 Mrd. U.S. Dollar auf 54,6 Mrd. U.S. Dollar zu. Bis Mitte der 80er Jahre sanken die Exporte in die EG aufgrunddes ,Dollarhöhenflugs' auf 48,4 Mrd. U.S. Dollar; sie stiegenjedoch seitdem beständig an und machten 2000 162,6 Mrd. U.S. Dollar aus (EG 15). Der Anteil der Exporte in die EG an den Gesamtexporten der USA nahm zeitgleich mit dem Handelsvolumen von 1955 (EG 6) bis 1980 (EG 9) von 16,8% auf 24,1% zu. Anfang der 80er Jahre kam es zu einem Rückgang auf 21,6%, der jedoch bis 1990 (mit 24,7%) ausgeglichen wurde; der Anteilliegt seit 1993 relativ stabil zwischen 20- 22%. Der Rückgang nach 1990 ist vor allem in der Verlagerung der Exporte nach Ostasien und Lateinamerika begründet. Im Importbereich stieg das Handelsvolumen der USA mit der EG von 1955 bis heute rapide an. Wahrend die Importe 1955 (EG 6) noch 1,1 Mrd. U.S. Dollar ausgemacht hatten, wuchsen sie bis 2000 (EG 15) auf 219,9 Mrd. U.S. Dollar. Der Anteil der Importe aus der EG an den Gesamtimporten erhöhte sich bis 1975 von 10% auf 17,3%. 1980 gab es einen kurzen Einschnitt (14,8%); der Anteil stieg jedoch bis 1986 wegen des Höhenflugs des Dollarwechselkurses auf 20, 1% und bewegt sich seitdem in einer Spanne zwischen 17% und 20% (vgl. Tabelle C-1 I Diagramm C-1, C-2).5 3. Die Handelspartner der USA im Warenverkehr seit 1985 a) U.S. Exporte

Kanada ist im Exportbereich bis heute der wichtigste einzelne Handelspartner der USA und wurde von der EG nur in der Zeit von 1988 bis 1992 auf Platz zwei verwiesen. Seit dieser Zeit sind die Exporte sowohl nach Kanada als auch in die EG relativ stabil und betragen durchschnittlich 23 % nach Kanada und knapp 21% in die EG. Im Gegensatz dazu lag der Anteil der U.S. Exporte nach Japan von 1985 bis 1996 nur zwischen 10,2% und 12,3% und ist seitdem rückläufig. 2000 betrug er aufgrundder Wirtschaftskrise in Japan nur noch 8,2%. 5 Vgl. WTO (U.S. 1996), S. 13; U.S. Bureau of the Census, Statistical Abstract of the United States, Washington, D.C., verschiedene Ausgaben von 1957 bis 1980; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1980 bis 2001.

II. Der Industriewarenverkehr

91

Tabelle C-1 Der Warenhandel der USA mit der EG von 1955 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

Gesamtexporte der USA

Exporte in dieEG

Anteil der Exporte in die EG (Prozent)

Gesamtimporte der USA

Importe aus der EG

Anteil der Importe aus der EG (Prozent)

1955 EG 6

15,6

2,6

16,8

11,4

1,1

10,0

1960

20,6

4,0

19,3

14,7

2,3

15,4

1965

27,5

5,3

19,1

21,4

3,3

15,5

43,8

8,4

19,5

40,4

6,6

16,5

1975 EG 9

109,3

22,9

21,3

98,5

16,7

17,3

1980

225,7

54,6

24,1

245,3

36,4

14,8

1985 EG 10

215,9

48,4

22,4

338,1

62,6

18,5

1970

1986 EG 12

223,3

51,8

23,2

368,4

74,2

20,1

1987

250,2

59,5

23,8

409,8

81,5

19,9

1988

320,2

74,6

23,3

447,2

86,0

19,2

1989

362,1

84,5

23,3

477,4

85,5

17,9

1990

389,3

96,3

24,7

498,3

91,3

18,3

1991

416,9

101,3

24,3

491,0

85,8

17,5

1992

440,4

100,6

22,9

536,5

94,0

17,5

1993

456,8

95,0

20,8

589,4

102,3

17,3

1994

502,4

105,4

21,0

668,6

121,0

18,1

1995 EG 15

575,9

121,4

21,1

749,6

134,3

17,9

1996

612,0

124,8

20,4

803,3

146,3

18,2

1997

679,7

138,9

20,4

876,4

160,2

18,2

1998

670,3

145,9

21,8

917,2

176,1

19,2

1999

684,4

148,9

21,8

1.029,9

194,5

18,9

2000

772,2

162,6

21,1

1.224,4

219,9

18,0

Quelle: U.S. Bureau of the Census, Statistical Abstract of the United States, Washington, D.C., verschiedene Ausgaben von 1957 bis 1980; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1980 bis 2001.

Beim Vergleich der einzelnen Handelsregionen wird deutlich, daß Westeuropa (und damit auch die EG) als Exportregion an Bedeutung verliert, während Lateinamerika und Asien an Bedeutung gewinnen. So fiel der Anteil Westeuropas an den amerikanischen Gesamtexporten von 1985 bis 2000 von 25,9% auf 23,2%, wäh-

92

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

rend Lateinamerika als Exportregion seit 1985 deutlich aufholte und die entsprechenden Anteile im selben Zeitraum von 14,3% auf 22% stiegen. Auf Kanada und Mexiko entfielen 2000 knapp 38% der amerikanischen Exporte. Während der Anteil Kanadas über die Zeit relativ konstant blieb, wuchsen die Exporte nach Mexiko durch NAFfA sehr schnell bis 1994 auf 10,1% an, sanken danach jedoch aufgrund der Finanzkrise in Mexiko auf 8% (1995). 2000 war der Anteil der Exporte nach Mexiko mit 14,4% höher, als er vor der Finanzkrise gewesen war, und lag über dem Anteil Japans. Auch der asiatisch-pazifische Raum wurde aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums der Tigerstaaten zu einer bedeutenden Exportregion für amerikanische Produkte. So stieg der Anteil Asiens 6 an den amerikanischen Gesamtexporten von 16,3% (1985) auf 22,7% (1995), machte dann jedoch 1998 aufgrund der Asienkrise nur noch 18,8% aus. Seitdem stiegen die Exporte jedoch erneut auf 19,7% (2000). 1995 und 1996lag Asien als Exportregion vor Kanada und der EG. 7 Im Bereich der Exporte läßt sich somit eine deutliche Verlagerung der amerikanischen Exporte weg von Europa und hin zu den lateinamerikanischen Handelspartnern (einschließlich Mexiko) und Asien feststellen (vgl. Tabelle C-2 a, C-2 b I Diagramm C-3). Tabelle C-2 a Die Exporte der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) 1985

1990

1995

2000

Westeuropa EG

25,9 22,4

28,6 24,7

23,0 2 1,1

23,2 21,1

Kanada Mexiko

25,7 6,2

21,4 7,2

22,2 8,0

23,2 14,4

Japan Asien* China

10,3 16,3 1,8

12,3 18,2 1,2

ll,O 22,7 2,0

8,2 19,7 2,1

Lateinamerika (mit Mexiko)

14,3

13,9

16,6

22,0

Quelle: Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 94; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, s. 56.

*Asien: die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan (ohne Japan). 6 Unter den Begriff ,Asien' fallen die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan (ohne Japan). 7 Vgl. Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 94; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, S . 56; GATT (U.S. 1989), S. 143, 152; dass. (U.S. 1992), 1. Bd., S. 34ff., 255; dass. (U.S. 1994), 1. Bd., S. 1, 21 f.; WTO (U.S. 1996), S. xxv, 13 ff.; dies. (U.S. 1999), S. 13, 235f.

II. Der Industriewarenverkehr

93

Tabelle C-2 b Die Exporte der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (detailliert) (Anteil in Prozent)

Exporte indieEG

Exporte nach Kanada

Exporte nach Japan

Exporte nach Asien*

1985 EG 10

22,4

25,7

10,3

16,3

1986 EG 12

23,2

25,3

11,8

16,3

1987

23,8

24,8

11 ,0

17,5

1988

23,3

23,2

11 ,6

18,9

1989

23,3

22,4

12,1

18,8

1990

24,7

21,4

12,3

18,2

1991

24,3

20,6

11,3

19,5

1992

22,9

20,7

10,6

20,0

1993

20,8

22,1

10,2

20,9

1994

21,0

22,9

10,3

20,7

1995 EG 15

21,1

22,2

11,0

22,7

1996

20,4

22,0

10,8

22,1

1997

20,4

22,4

9,5

21,3

1998

21,8

23,4

8,4

18,8

1999

21,8

24,3

8,2

19,0

2000

21,1

23,2

8,2

19,7

Quelle: Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 94; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, s. 56.

*Asien: die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan (ohne Japan). Fett gedruckte Zahlen: jeweils die höchsten Anteile.

b) U.S. Importe

Auch im Bereich der Importe ist Kanada der wichtigste einzelne Handelspartner der USA. Von 1986 bis 1988 wurde es zwar sowohl von Japan als auch von der EG überholt und aufPlatz drei verdrängt und 1989 von Japan aufPlatz zwei; seit 1990 ist Kanada jedoch wieder der wichtigste einzelne Lieferant von U.S. Importen, mit 19,1% der Einfuhren 2000. Von 1990 bis 2000 blieben die Importe aus Kanada und der EG relativ stabil und betrugen im Durchschnitt ca. 19% bzw. 18%. Die USA führten aus Japan im selben Zeitraum im Durchschnitt nur ca. 16% ein, da die Importe seit 1995 stark rückläufig waren und 2000 nur noch 12,0% der Einfuhren betrugen.

94

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

Wenn man die unterschiedlichen Handelsregionen vergleicht, läßt sich im Bereich der Importe eine deutliche Verlagerung in den asiatischen Raum (v. a. nach China) feststellen. So hat Asien seit 1987 die EG, Kanada und Japan als Quelle für amerikanische Importe überholt. Wahrend der Anteil von Westeuropa an den Gesamtimporten von 1985 bis 2000 von 22,9% auf 19,9% spürbar zurückging, stieg der Anteil Asiens in erheblichem Umfang von 18,1% auf 27,8%. Asien ist somit zur wichtigsten Importregion der USA geworden. Am schnellsten nahmen in diesem Zeitraum die Importe aus China zu: von 1,1% auf 8,2 %. Der Anteil der Importe aus Lateinamerika ist im selben Zeitraum von 13,6% auf 17,2% gestiegen. Vor allem die Wachstumsraten Mexikos sind hierbei beachtlich. Die Importe aus Afrika gingen hingegen im selben Zeitraum drastisch von 2,9% auf 1,3% zurück (vgl. Tabelle C-3 a, C-3 b/Diagramm C-4). 8

Tabelle C-3 a

Die Importe der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) 1985

1990

1995

2000

Westeuropa EG

22,9 18,5

21,9 18,3

19,7 17,9

19,9 18,0

Kanada Mexiko

20,8 5,7

18,7 6,1

19,6 8,4

19,1 11,2

Japan Asien* China

19,4 18,1 1,1

18,1 23,8 3,1

16,5 26,6 6,1

12,0 27,8 8,2

Lateinamerika (mit Mexiko)

13,6

12,9

14,0

17,2

Quelle: Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, s. 58.

*Asien: die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan (ohne Japan).

4. Die Entwicklung der Handelsbilanz der USA im Warenverkehr seit den 80er Jahren Mit Beginn der 70er Jahre stiegen die Warenexporte der USA deutlich geringer an als die Importe, so daß die USA ein stetig wachsendes Handelsbilanzdefizit verzeichneten. Besonders deutlich wurde diese Divergenz von 1982 bis 1987, als 8 Vgl. Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 58; GATI (U.S. 1989), S. 143, 152; dass. (U.S. 1992), 1. Bd., S. 37, 255; WTO (U.S. 1996), S. XXV, 13 ff.

II. Der Industriewarenverkehr

95

amerikanische Warenexporte- v. a. durch den ,Dollarhöhenflug'- durchschnittlich um 3,5%, die Importe hingegen um 10,6% zunahmen. Hierdurch erreichte das Handelsbilanzdefizit der USA 1987 einen vorläufigen Höhepunkt von 159,6 Mrd. U.S. Dollar.9 Tabelle C-3 b

Die Importe der USA im Warenbereich von 1985 bis 2000 (detailliert) (Anteil in Prozent) Importe ausder EG

Importe aus Kanada

Importe aus Japan

Importe aus Asien*

1985 EG 10

18,5

20,8

19,4

18,1

1986 EG 12

20,1

18,9

21,9

19,6

1987

19,9

18,0

20,6

22,2

1988

19,2

18,9

20,1

22,8

1989

17,9

18,8

19,6

23,8

1990

18,3

18,7

18,1

23,8

1991

17,5

18,9

18,8

24,5

1992

17,5

18,8

18,2

25,5

1993

17,3

19,2

18,2

25,5

1994

18,1

19,6

17,8

25,9

1995 EG 15

17,9

19,6

16,5

26,6

1996

18,2

19,8

14,3

26,5

1997

18,2

19,5

13,9

26,8

1998

19,2

19,2

13,3

27,0

1999

18,9

19,5

12,7

27,1

2000

18,0

19,1

12,0

27,8

Quelle: Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, s. 58.

*Asien: die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan (ohne Japan). Fett gedruckte Zahlen: jeweils die höchsten Anteile.

Dieser Rückgang des amerikanischen Exportwachstums in der ersten Hälfte der 80er Jahre betraf fast alle wichtigen Handelsregionen und Länder der Welt, 9 Vgl. GATI (U.S. 1989), S. 16, 125ff., 279f.; dass. (U.S. 1994), 2. Bd., S. 76; Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96.

96

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

während zur gleichen Zeit die Importe- vor allem aus Europa, Japan und Asienrapide anstiegen. So wurde die Handelsbilanz mit Westeuropa und der EG ab 1984 negativ und erreichte 1987 einen vorläufigen Höhepunkt von -27,5 Mrd. U.S. Dollar (Westeuropa) bzw. von -22,0 Mrd. U.S. Dollar (EG). In den Handelsbeziehungen mit Asien und Japan ergab sich eine noch dramatischere Entwicklung. Das Defizit mit Japan, welches der Hauptauslöser für die neue Handelsgesetzgebung der USA in den 80er Jahren war, war mehr als doppelt so hoch wie das mit der EG und stieg bis 1987 auf 56,9 Mrd. U.S. Dollar an. Hinzu kam das Defizit mit Asien (ohne Japan, mit China) von 47,6 Mrd. U.S. Dollar (1987). Nur Kanada, der wichtigste einzelne Handelspartner der USA, bildete in dieser Zeit eine Ausnahme: So stiegen von 1982 bis 1987 sowohl die amerikanischen Exporte als auch die Importe aus Kanada erheblich an; das Handelsbilanzdefizit sank von 1985 bis 1987 von 14,8 Mrd. U.S. Dollar auf 11,6 Mrd. U.S. Dollar. 10 Vor allem durch die Abwertung des Dollars gegenüber den bedeutenden Währungen Mitte der 80er Jahre kam es nach 1987 zu einem deutlichen Wachstum der amerikanischen Warenexporte. Gleichzeitig nahmen die Importe durch die Rezession in den USA bis 1991 merklich ab, so daß das Handelsbilanzdefizit der USA 1991 -im Vergleich zu 1987- um mehr als die Hälfte auf 74,1 Mrd. U.S. Dollar zuriickging. Aufgrund dieser Entwicklungen konnten die USA in den Handelsbeziehungen mit Westeuropa und der EG von 1990 bis 1992 sogar einen Überschuß verbuchen. Dieser erreichte 1991 einen Höhepunkt von 14,8 Mrd. U.S. Dollar mit Westeuropa und von 15,5 Mrd. U.S. Dollar mit der EG. Auch im Handel mit Japan und Asien war das Defizit riickläufig. Es sank mit Japan bis 1990 auf seinen niedrigsten Stand von 42,6 Mrd. U.S. Dollar und mit Asien bis 1991 auf 39,1 Mrd. U.S. Dollar. In den Handelsbeziehungen mit Kanada ging das Handelsbilanzdefizit bis 1991 auf 7,1 Mrd. U.S. Dollar zurück, und mit Lateinamerika- hierbei vor allem Mexikowar die Handelsbilanz 1991 positivY 1992 kamen die USA wieder aus der Rezession heraus und erlebten bis zum dritten Quartal 2000 die zweitlängste Periode eines anhaltenden Wirtschaftswachstums seit 1854, dem Beginn der Aufzeichnungen. Trotz des Ausbruchs der Finanzkrise in Asien im Juli 1997 blieb die Wirtschaftsleistung zunächst hervorragend; das Wachstum des BIP, das im zweiten Quartal 2000 noch 5,6% betragen hatte, schwächte sich dann jedoch (in den beiden folgenden Quartalen) auf 2,2% bzw. 1,0% ab.

10 Vgl. GATT (U.S. 1989), S. 125; dass. (U.S. 1994), 2. Bd., S. 77; Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96. 11 Vgl. GATT (U.S. 1992), 1. Bd., S. 1, 29f.; dass. (U.S. 1994), 1. Bd., S. 1; Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96.

II. Der Industriewarenverkehr

97

Der Wirtschaftsaufschwung führte bis zum dritten Quartal 2000 zu steigenden Importen, während die Exporte - durch die schwächere Wirtschaftsentwicklung der wichtigsten Handelspartner und den hohen Dollarkurs - nach einem schnellen Anwachsen 1996 und 1997 kaum noch zunahmen. Ab dem vierten Quartal 2000 verringerten sich die Importe infolge der Abschwächung der U.S. Konjunktur in erheblichem Umfang. 2000 kam es gleichwohl zu einem neuen Höchststand des amerikanischen Handelsbilanzdefizits von 452,2 Mrd. U.S. Dollar. Mit Westeuropa und der EG verzeichnen die USA seit 1993 ein ständig wachsendes Defizit, welches bis 2000 einen Höchststand von 64,6 Mrd. U.S. Dollar mit Westeuropa bzw. 57,4 Mrd. U.S. Dollar mit der EG erreichte. Zur gleichen Zeit stieg das Defizit mit Japan auf 82,9 Mrd. U.S. Dollar und mit Asien auf 188,3 Mrd. U.S. Dollar (hiervon mit China: 83,9 Mrd. U.S. Dollar). Auch das Defizit mit Kanada stieg nach kurzen Schwankungen 2000 auf einen neuen Höchststand von 54,7 Mrd. U.S. Dollar. Das Defizit mit Lateinamerika ging bis 1998 auf 4,1 Mrd. U.S. Dollar zurück, nahm 2000 jedoch dramatisch auf 39,9 Mrd. U.S. Dollar zu. Die wesentliche Ursache lag im Anstieg des Defizits mit Mexiko, welches 2000 seinen bisher höchsten Stand von 25,6 Mrd. U.S. Dollar erreichte (vgl. Tabelle C-4 a, C-4 b I Diagramm C-5, C-6).12 Tabelle C-4 a

Die Handelsbilanz der USA im Warenhandel von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) 1985

1987

1991

1995

2000

-122,2

-159,6

-74,1

-173,7

-452,2

Westeuropa EG

-21,4 -14,2

-27,5 - 22,0

+14,8 +15,5

-15,2 -12,8

-64,6 -57,4

Kanada Mexiko

-14,8 - 5,7

- 11,6 - 5,7

- 7,1 + 1,6

-19,6 - 16,6

-54,7 - 25,6

Japan Asien* China

-43,5 -25,8 +0,03

-56,9 -47,6 -10,4

-45,0 -39,1 -12,7

-60,3 -69,3 -33,8

-82,9 -188,3 -83,9

Lateinamerika (mit Mexiko)

-15,3

-12,3

+0,3

-9,4

-39,9

Gesamt

Quelle: Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, s. 58. *Asien: die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan.

12 Vgl. GATI (U.S. 1994), 2. Bd., S. 76 f. ; WTO (U.S. 1999), S. xix, 1 ff., 278; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 1, 37ff., 58.

7 Decker

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

98

Tabelle C-4 b

Die Handelsbilanz der USA im Warenhandel von 1985 bis 2000 (detailliert) (Mrd. U.S. Dollar) Gesamte Handelsbilanz der USA

Handelsbilanz mitder EG

Handelsbiianz mit Kanada

Handelsbilanz mit Japan

Handelsbilanz mit Asien*

1985 EG 10

-122,2

-14,2

-14,8

-43,5

-25,8

1986 EG 12

-145,1

-22,3

-13,2

-54,4

-35,9

1987

-159,6

-22,0

-11,6

-56,9

-47,6

1988

-126,7

-11,6

-10,3

-52,6

-41,6

1989

-115,3

-1,0

-8,9

-49,7

-45,8

1990

-109,0

+4,9

-9,6

-42,6

-47,6

1991

-74,1

+15,5

-7,1

-45,0

-39,1

1992

-96,1

+6,6

-9,5

-50,5

-48,8

1993

-132,6

-7,3

-12,2

- 60,6

-54,7

1994

-166,2

-15,6

-16,3

-67,3

-69,5

1995 EG 15

-173,7

-12,8

-19,6

-60,3

-69,3

1996

-191,3

-21,6

-24,2

-49,2

-77,5

1997

-196,7

-21,3

-18,0

-57,1

-90,1

1998

-246,9

-30,2

-19,0

-65,3

-121,3

1999

- 345,6

- 45,6

- 34,7

- 74,5

- 149,5

2000

-452,2

-57,4

-54,7

-82,9

-188,3

Quelle: Sutvey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 96; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001}7, S. 58.

*Asien: die OPEC-Mitgliedstaaten, China, Hongkong, Republik Korea, Singapur und Taiwan.

111. Der Agrarhandel seit 1985 1. Die Bedeutung des Agrarhandels für die USA

Der Anteil der amerikanischen Agrarexporte an den gesamten Warenexporten fiel von 1985 bis 2000 kontinuierlich ab: Während der Anteil 1985 noch 13,6% betragen hatte, halbierte er sich bis 2000 auf 6,7 %. Auch der Anteil der Agrarimporte an den gesamten Warenimporten war rückläufig, wenn auch weniger deutlich. So sanken die Agrarimporte von 1985 bis 2000 von 5,8% auf 3,2%. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Handelsbeziehungen mit der EG im Agrarbereich wider. So sank der Anteil der Agrarexporte in die EG von 13,4% (1985) auf 3,9% (2000) und der Anteil der Agrarimporte im selben Zeitraum von 6,2% auf3,7% (vgl. Tabelle C-5)Y

III. Der Agrarhandel seit 1985

99

Tabelle C-5

Der Anteil des Agrarhandels am Warenhandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

1985 EGJO

1990 EG12

1995 EG15

2000

Warenexporte in die EG

48,4

96,3

121,4

162,6

Agrarexporte in die EG

6,5

6,9

8,4

6,3

Anteil der Agrarexporte (Prozent)

13,4

7,1

6,9

3,9

Warenimporte aus der EG

62,6

91,3

134,3

219,9

Agrarimporte aus der EG

3,9

4,5

5,9

8,1

Anteil der Agrarimporte (Prozent)

6,2

4,9

4,4

3,7

Quelle: U.S. Department of Agriculture, Foreign Agricultural Trade of the United States - FATUS, Washington, D.C., verschiedene Ausgaben von 1988 bis 2001; Survey of Current Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 94; Survey ofCurrent Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 56, 58.

2. Güterstruktur Die USA exportieren im Agrarbereich hauptsächlich Ölsaaten und -früchte (insbesondere Sojabohnen), Futtermittel, Obst und Südfrüchte einschließlich Konserven und Säfte, Erdnüsse sowie Tabak. Die wesentlichen Importprodukte der USA aus der EG sind Wein und Bier, Milchprodukte, Fleisch und Fleischerzeugnisse, Gemüse, Obst einschließlich Konserven und Säfte sowie pflanzliche Öle und Fette zur Emährung. 14 3. Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EG im Agrarhandel Im Agrarhandel besteht traditionell ein Überschuß der USA; dies trifft sowohl auf den gesamten amerikanischen Agrarhandel als auch auf den Agrarhandel mit der EG zu. Erst 1999 wurde die Agrarbilanz mit der EG mit -1,5 Mrd. U.S. Dollar negativ. Dieser Trend setzte sich 2000 fort, als das Defizit der Agrarbilanz einen neuen Höhepunkt von 1,8 Mrd. U.S . Dollar erreichte. Der gesamte Agrarüberschuß der USA stieg von 9,8 Mrd. U.S. Dollar (1985) auf einen Höchstwert von 27 Mrd. U.S. Dollar (1996) und sank seitdem bis 1999 13 Vgl. GATI (U.S. 1992), 1. Bd., S. 2; dass. (U.S. 1994), 1. Bd., S. 1; WTO (U.S. 1996), S. 6; Survey ofCurrent Business, 79 (Juli 1999) 7, S. 94; Survey ofCurrent Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 56, 58; U.S. Department of Agriculture, Foreign Agricultural Trade of the United States - FATUS, Washington, D.C., verschiedene Ausgaben von 1988 bis 2001. 14 Vgl. WTO (U.S. 1996), S. 6; Bundesamt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Agrarhandel zwischen der EU und den USA, Bann 1997, S. 2. 7*

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

100

dramatisch auf 10,7 Mrd. U.S. Dollar. 2000 nahm der Überschuß jedoch wieder auf 12,6 Mrd. U.S. Dollar zu. In den Handelsbeziehungen mit der EG erhöhte sich der Überschuß zunächst von 1985 bis 1988- und zwar von 1,6 Mrd. U.S. Dollar auf 3,2 Mrd. U .S. Dollar; seitdem ist er jedoch rückläufig und schlug 1999 I 2000 sogar in ein Defizit um. Die USA sehen vor allem in der GAP die Ursache für diese Entwicklung (vgl. Tabelle C-6/Diagramm C-7). Tabelle C-6

Die Handelsbilanz der USA im Agrarbereich von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) Agrarbilanz der US insgesamt

Agrarbilanz mitder EG

1985 EG 10

+ 9,8

+1,6

1986 EG 12

+ 5,4

+2,4

1987

+8,4

+ 2,7

1988

+ 16,1

+3,2

1989

+ 18,2

+2,3

1990

+16,6

+2,4

1991

+ 16,5

+2,5

1992

+ 18,3

+ 2,5 +2,1

1993

+ 17,6

1994

+ 18,9

+1,7

1995 EG 15

+ 26,2

+2,5

1996

+ 27,0

+2,5

1997

+ 21,2

+2,0

1998

+ 15,1

+0,5

1999

+ 10,7

-1,5

2000

+ 12,6

-1,8

Quelle: V .S. Department of Agriculture (FATUS), verschiedene Ausgaben von 1988 bis 2001. Fett gedruckte Zahlen: Defizit.

Bei den Agrarexporten der USA stieg das Handelsvolumen von 1985 bis 1996 von 29,3 Mrd. U.S. Dollar auf 60,4 Mrd. U.S. Dollar, sank seitdem bis 1999 auf 48,2 Mrd. U.S. Dollar und stieg 2000 wieder auf 51 ,6 Mrd. U.S. Dollar an. Im Gegensatz dazu blieben die Agrarexporte in die EG über die gesamte Zeitspanne hinweg relativ stabil und bewegten sich zwischen 6,3 Mrd. U.S. Dollar und 9 Mrd. U.S. Dollar, wobei 2000 der geringste Exportwert erzielt wurde. Der Anteil der

III. Der Agrarhandel seit 1985

101

Agrarexporte in die EG an den gesamten amerikanischen Agrarexporten stieg nur von 1985 auf 1986 (von 22,2% auf 25,3%), ist seitdem jedoch rückläufig und betrug 2000 nur noch 12,2%. Die Agrarimporte der USA steigen seit 1985, und zwar von 19,5 Mrd. U.S. Dollar auf 39,0 Mrd. U.S. Dollar (2000). Dies ist nach Angaben des U.S. Agrarministeriums der höchste Importwert seit mindestens dem Kalenderjahr 1970. Die Importe aus der EG nahmen im selben Zeitraum von 3,9 Mrd. U.S. Dollar auf 8,1 Mrd. U.S. Dollar zu. Der Anteil der Agrarimporte aus der EG blieb hingegen relativ stabil und bewegte sich in dem Zeitraum von 1985 bis 2000 zwischen 19,1% und 21,1% (vgl. Tabelle C-7/Diagramm C-8). 15 Tabelle C-7

Der Agrarhandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) Gesamte Exporte der USA

Exporte in die EG

Anteil der Exporte indieEG (Prozent)

Gesamte Importe der USA

Importe aus derEG

Anteil der Importe ausder EG (Prozent)

1985 EG 10

29,3

6,5

22,2

19,5

1986 EG 12

26,3

6,6

3,9

20,0

25,3

20,9

4,2

19,9

1987

28,7

1988

37,1

6,9

24,0

20,3

4,2

20,5

7,3

19,7

21,0

4,1

19,7

1989

40,0

6,5

16,3

21,8

4,3

19,5

1990

39,4

6,9

17,5

22,8

4,5

19,7

22,7

4,4

19,4

24,6

4,8

19,8

1991

39,2

6,9

17,7

1992

42,9

7,3

17,0

1993

42,6

6,8

16,5

25,0

4,8

19,1

1994

45,7

7,1

15,4

26,8

5,3

19,9

1995 EG 15

56,3

8,4

15,0

30,1

5,9

19,7

1996

60,4

9,0

14,9

33,4

6,5

19,5

1997

57,1

8,9

15,6

36,0

7,0

19,4

1998

51 ,7

7,9

15,3

36,7

7,4

20,2

1999

48,2

6,4

13,3

37,5

7,9

21,1

2000

51,6

6,3

12,2

39,0

8,1

20,8

Quelle: U.S. Department of Agriculture (FATUS), verschiedene Ausgaben von 1988 bis 2001. IS Vgl. U.S. Department of Agriculture (FATUS), verschiedene Ausgaben von 1988 bis 2001.

102

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

IV. Der Dienstleistungsverkehr seit 1985 1. Die Bedeutung des Dienstleistungsverkehrs für die USA Der Dienstleistungssektor, der grob definiert die Bereiche Transport, Kommunikation, Großhandel und Einzelhandel, Finanzdienstleistungen und Bau umfaßt, ist bei weitem der wichtigste Sektor für Output und Beschäftigung in der amerikanischen Wirtschaft. 2000 machte er 76% des BIP und rund 80% der gesamten Beschäftigung in den USA aus. Das durchschnittliche Wachstum des Dienstleistungssektors zwischen 1995 und 1997 übertraf mit 6,0% das Wachstum der gesamten U.S. Wirtschaft. 16 Dienstleistungen werden auch im Handel immer wichtiger. So stiegen die Dienstleistungsexporte und -importe seit 1985 kontinuierlich und machten 2000 293,5 Mrd. U.S. Dollar (1985: 73,2 Mrd. U.S. Dollar) bzw. 217,0 Mrd. U.S. Dollar (1985: 72,9 Mrd. U.S. Dollar) aus. Wahrend in diesem Zeitraum der Anteil der Dienstleistungsexporte an den gesamten Exporten von 25,3% auf 27,5 % zunahm, sank der Anteil der Importe von 17,7% auf 15,1 %. Insgesamt weisen die USA im Dienstleistungsverkehr traditionell einen Überschuß auf: Dieser stieg von 1985 bis 1997 von 0,3 Mrd. U.S. Dollar auf 90,7 Mrd. U.S. Dollar und nahm dann -mit Schwankungen- bis 2000 auf 76,5 Mrd. U.S. Dollar ab (vgl. Tabelle C-8). Im Vergleich dazu hatten die USA 2000 ein Defizit im Warenhandel von 452,2 Mrd. U.S. Dollar. 17 2. Die Struktur des Dienstleistungsverkehrs

Die Transportdienstleistungen machen den größten Teil der amerikanischen Dienstleistungsexporte aus. Von 1990 bis 2000 fiel der Anteil an den gesamten Dienstleistungsexporten zwar von 55% auf 45%; diese Entwicklung resultiert jedoch aus dem schnellen Wachstum in anderen Dienstleistungsbereichen. Auch im Importbereich bilden Transportdienstleistungen den Schwerpunkt - mit einem fast gleichbleibenden Anteil von 62% zwischen 1990 und 1995 und 60% 2000. Der Export und Import von Untemehmensdienstleistungen, Tantiemen und Lizenzgebühren wuchs bis 2000 deutlich an.18

16 Vgl. "Wirtschaftsdaten Vereinigte Staaten", in: FAZ vom 27. 8. 2001 , S. 16; WTO (U.S. 1996), S. 7ff.; dies. (U.S. 1999), S. xxiii, 179; World Bank, Entering the 21" Century, World Development Report 1999/2000, Washington, D.C. 1999, S. 253. 17 Vgl. Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001. 18 Vgl. WTO (U.S. 1999), S. 14; dies. (U.S. 1996), S. xxvi, 13; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 47.

IV. Der Dienstleistungsverkehr seit 1985

103

Tabelle C-8

Der Dienstleistungsverkehr der USA von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) Exporte an Dienstleistungen

Importe an Dienstleistungen

Dienstleistungsbilanz

1985

73,2

72,9

+0,3

1986

85,4

80,2

+5,3

1987

97,6

90,8

+6,8

1988

110,0

98,5

+11,5

1989

126,2

102,5

+23,7

1990

146,8

117,7

+29,1

1991

163,0

118,5

+44,6

1992

175,6

116,5

+59,1

1993

185,0

122,3

+62,7

1994

199,7

131,9

+67,8

1995

217,6

141,5

+76,2

1996

237,8

150,8

+87,0

1997

257,2

166,5

+90,7

1998

262,7

182,7

+80,0

1999

271,9

191,3

+80,6

2000

293,5

217,0

+76,5

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

3. Der Dienstleistungsverkehr zwischen den USA und der EG Auch in den Handelsbeziehungen mit der EG hat der Dienstleistungsverkehr an Bedeutung gewonnen. So erhöhte sich der Anteil der Dienstleistungsexporte an den gesamten Exporten in die EG von 1985 bis 2000 von 20,7% auf 36,3%. Auch der Anteil der Dienstleistungsimporte an den gesamten Importen aus der EG stieg zunächst von 1985 bis 1991 von 26,0% auf 34,8%, sank danach jedoch bis 2000 auf 27,1 %. Der Rückgang der Dienstleistungsimporte läßt sich dadurch erklären, daß die Verkäufe von Tochtergesellschaften ausländischer Dienstleistungsunternehmen in den USA eine sehr viel höhere Wachstumsrate haben als die grenzüberschreitenden Importe (vgl. Tabelle C-9). 19 19 Vgl. WTO (U.S. 1996), S. 9; dies. (U.S. 1999), S. 13; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

104

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985 Tabelle C-9

Der Anteil des Dienstleistungsverkehrs am Gesamthandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

1985 EGJO

1990 EG12

1991

1995 EG15

2000

Exporte an Waren und Dienstleistungen in die EG

61,0

138,3

147,8

185,1

255,3

Dienstleistungsexporte in die EG

12,6

42,0

46,5

63,7

92,7

Anteil der Dienstleistungsexporte (Prozent)

20,7

30,4

31,5

34,4

36,3

Importe an Waren und Dienstleistungen aus der EG

84,6

135,7

131,5

185,9

301 ,9

Dienstleistungsimporte aus der EG

22,0

44,4

45,7

51,6

81,9

Anteil der Dienstleistungsimporte (Prozent)

26,0

32,7

34,8

27,8

27,1

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

Die USA verzeichneten mit der EG von 1985 bis 1990 ein Defizit im Dienstleistungsbereich. Seit 1991 ist die Bilanzjedoch positiv und betrug 1996 aufihrem Höhepunkt 20,6 Mrd. U.S. Dollar. Seitdem halbierte sich der Überschuß allerdings auf 10,8 Mrd. U.S. Dollar (2000)- ein deutlicher Rückgang zu 1999 mit 17,7 Mrd. U.S. Dollar (vgl. Tabelle C-10/Diagrarnm C-9). Sowohl die Dienstleistungsexporte als auch die -importe nahmen in der Zeit von 1985 bis 2000 rapide zu: die Exporte in die EG bis 2000 von 12,6 Mrd. U.S. Dollar auf 92,7 Mrd. U.S. Dollar, die Dienstleistungsimporte aus der EG im selben Zeitraum von 22,0 Mrd. U.S. Dollar auf 81,9 Mrd. U.S. Dollar (vgl. Tabelle C-11 I Diagramm C-10). Damit einhergehend stieg auch die Bedeutung der EG als Region für den amerikanischen Dienstleistungshandel (vgl. Tabelle C-11). So verdoppelte sich der EG-Anteil an den gesamten amerikanischen Dienstleistungsexporten nahezu von 17,2% (1985) auf 31,6% (2000). Auch der Anteil der Dienstleistungsimporte, die aus der EG kamen, nahm von 1985 bis 1993 von 30,1% auf 39,3% zu; seitdem ist er jedoch - unter Schwankungen -leicht ruckläufig und betrug 2000 37,8%. Im Dienstleistungsbereich ist die EG somit ein bedeutender Handelspartner der USA?0

zo Vgl. Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

IV. Der Dienstleistungsverkehr seit 1985

105

Tabelle C-10

Die Dienstleistungsbilanz der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) Dienstleistungsbilanz mit der EG

1985 EG 10

-14,5

1986 EG 12

-6,7

1987

-5,2

1988

-4,3

1989

-0,6

1990

-2,4

1991

+0,8

1992

+8,8

1993

+7,5

1994

+ 7,3

1995 EG 15

+12,1

1996

+20,6

1997

+18,7

1998

+18,3

1999

+17,7

2000

+10,8

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

4. Die regionale Verteilung des Dienstleistungsverkehrs Die meisten der amerikanischen Dienstleistungstransaktionen finden mit einer sehr kleinen Zahl von Staaten statt. So machen zehn Länder insgesamt 60% des gesamten amerikanischen Dienstleistungshandels aus. Bei den Dienstleistungsexporten stellen Westeuropa bzw. die EG die größten Handelspartner der USA dar, die 2000 35,1% bzw. 31,6% der Exporte erhielten. 1985 hatte der Anteil für Westeuropa noch 22,2% und für die EG 17,2% betragen. Wahrend der Anteil Asiens/ Afrikas21 in der Zeit von 1985 bis 2000 nur von 17,9% auf 20,7% stieg, erhöhte sich vor allem die Bedeutung Lateinamerikas als Region für amerikanische Dienstleistungsexportevon 11,1% auf 18,8%. 21 ,Weitere Länder Asiens und Afrikas' wurden in der Statistik des ,U.S. Department of Commerce' über den Dienstleistungshandel zusammengefaßt.

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

106

Tabelle C-11

Der Dienstleistungsverkehr zwischen den USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) Exporte an DienstIeistungen

Exporte indieEG

Anteil der Exporte in die EG (Prozent)

1985 EG 10

73,2

12,6

17,2

1986 EG 12

85,4

20,3

1987

97,6

1988

Importe an DienstIeistungen

Importe aus derEG

Anteil der Importe aus der EG (Prozent)

72,9

22,0

30,1

23,7

80,2

27,0

33,7

24,9

25,5

90,8

30,1

33,2

110,0

28,4

25,8

98,5

32,7

33,2

1989

126,2

37,4

29,7

102,5

38,0

37,1

1990

146,8

42,0

28,6

117,7

44,4

37,7

1991

163,0

46,5

28,5

118,5

45,7

38,6

1992

175,6

53,8

30,6

116,5

45,0

38,7

1993

185,0

55,6

30,1

122,3

48,1

39,3

1994

199,7

57,0

28,5

131,9

49,7

37,7

1995 EG 15

217,6

63,7

29,3

141,5

51,6

36,5

1996

237,8

72,9

30,7

150,8

52,3

34,7

1997

257,2

78,4

30,5

166,5

59,7

35,9

1998

262,7

85,4

32,5

182,7

67,0

36,7

1999

271,9

87,6

32,2

191,3

69,9

36,5

2000

293,5

92,7

31,6

217,0

81,9

37,8

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

Japan ist hingegen der größte einzelne Handelspartner der USA, der 2000 11,9% aller U.S. Dienstleistungsexporte erhielt. Die nächstwichtigen Exportländer sind das Vereinigte Königreich und Kanada. Wahrend sich die Exporte in das Vereinigte Königreich von 1985 bis 2000 von 5,1% auf 10,4% verdoppelten, sanken die Exporte nach Kanada und betrugen nach einem Höhepunkt 1990 von 11,1% nur noch 8,0% (2000). Die Dienstleistungsexporte nach Deutschland nahmen über den Zeitraum hinweg leicht zu von 3,6% auf 5,6% (vgl. Tabelle C-12). 22 22 Vgl. Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001; Deutsche Bundesbank, Dienstleistungsverkehr der Bundesrepublik Deutschland lt. Zahlungsbilanzstatistik, Frankfurt a. M. 2000.

IV. Der Dienstleistungsverkehr seit 1985

107

Tabelle C-12

Dienstleistungsexporte der USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) 1985

1990

1995

2000

Westeuropa

22,2

34,9

32,8

35,1

EG UK Deutschland

17,2 5,1 3,6

28,6 9,2 5,5

29,3 8,5 6,1

31,6 10,4 5,6

8,4 7,9

11,1 15,1

8,3 15,0

8,0 11,9

Lateinamerika

11,1

15,0

14,2

18,8

Weitere Länder in Asien und Afrika

17,9

18,3

20,8

20,7

Kanada Japan

~Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001; Deutsche Bundesbank, Dienstleistungsverkehr der Bundesrepublik Deutschland lt. Zahlungsbilanzstatistik, Frankfurt a. M. 2000.

Auch im Importbereich bleiben Westeuropa bzw. die EG auf regionaler Ebene die wichtigsten Handelspartner mit einer steigenden Tendenz (vgl. Tabelle C-13). Aus dieser Region stammten 2000 43,0% bzw. 37,8% aller Dienstleistungsimporte in die USA- im Vergleich zu 37,2% (Westeuropa) und 30,1% (EG) 1985. Eine weitere Region, die bei den Dienstleistungsimporten an Bedeutung gewann, ist die Region Asien/ Afrika, deren Anteil sich von 10,4% (1985) auf 19,0% (2000) fast verdoppelte. Die Importe aus Lateinamerika stiegen in dieser Zeitspanne nur von 14% auf 17,6%. Tabelle C-13

Dienstleistungsimporte in die USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) 1985

1990

1995

2000

Westeuropa

37,2

43,3

40,9

43,0

EG UK Deutschland

30,1 7,4 11,2

37,7 10,7 12,4

36,5 11,8 8,7

37,8 12,7 7,3

6,2 6,9

6,8 10,4

8,9 11,0

7,6 8,6

Lateinamerika

14,0

17,1

17,7

17,6

Weitere Länder in Asien und Afrika

10,4

16,4

17,5

19,0

Kanada Japan

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001; Deutsche Bundesbank.

108

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

Das Vereinigte Königreich ist seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre die wichtigste einzelne Quelle für amerikanische Dienstleistungsimporte. So kamen 2000 insgesamt 12,7% aller Dienstleistungsimporte aus dem Vereinigten Königreich (1985 waren es nur 7,4% gewesen), gefolgt von Japan und Kanada mitjeweils 8,6% bzw. 7,6%. Die Dienstleistungsimporte aus Deutschland lagen bis 1990 überraschend an erster Stelle vor dem Vereinigten Königreich, Japan und Kanada. Dies war bedingt durch die sehr hohen Dienstleistungsimporte aus Deutschland für Verteidigungszwecke (services: direct defense expenditures), die z. B. 1985 das sechsfache der Einfuhren aus dem Vereinigten Königreich ausmachten. 23

V. Die Leistungsbilanz der USA mit der EG seit 1985 Die Leistungsbilanz der USA mit der EG hält sich seit 1985 eng an die Entwicklung der Handelsbilanz im Warenverkehr. So erreichte die Warenhandelsbilanz aufgrunddes Dollarhöhenfluges 1986 einen Tiefpunkt mit - 22,3 Mrd. U.S. Dollar und die Leistungsbilanz zwei Jahre später mit -28,7 Mrd. U.S . Dollar (1988). Im Bereich der Dienstleistungen nahm zwar seit 1985 das bestehende Defizit ab, das Wachstum verringerte sich jedoch und wirkte sich negativ auf die Leistungsbilanz aus. Aufgrund der Abwertung des Dollars Ende der 80er Jahre kam es zu einem Aufschwung der U.S. Waren- und Dienstleistungsexporte. So erreichten die Leistungsund Warenhandelsbilanz 1991 einen Überschuß von 20,0 Mrd. U.S. Dollar bzw. 15,5 Mrd. U.S. Dollar. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Dienstleistungsbilanz zum ersten Mal positiv mit 0,8 Mrd. U.S. Dollar und der Überschuß stieg danach deutlich an. Seit diesem Zeitpunkt verschlechterten sich die Salden sowohl der Leistungsals auch der Warenhandelsbilanz mit der EG dramatisch und erreichten 2000 ein Defizit von 76,4 Mrd. U.S. Dollar bzw. 57,4 Mrd. U.S. Dollar: Aufgrund des Wachstums der Dienstleistungsexporte hatte sich das Defizit in der Leistungsbilanz 1996 zwar auf 4,5 Mrd. U.S. Dollar verringert; der deutliche Rückgang des Überschusses in der Dienstleistungsbilanz und das steigende Warenhandelsdefizit führte jedoch bis 2000 zu dem angeführten Tiefststand (vgl. Tabelle C-14/Diagramm C-ll).Z4

23 Vgl. WTO (U.S. 1996), S. xxvi, 16f.; dies. (U.S. 1999), S. 14ff.; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001. 24 Vgl. Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

VI. Ausländische Direktinvestitionen (FDI) seit 1985

109

Tabelle C-14

Die Leistungsbilanz der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar) Leistungsbilanz mitder EG 25

Warenhandelsbilanz mitderEG

Dienstleistungsbilanz mitder EG

1985 EG 10

-22,1

-14,2

-14,5

1986 EG 12

-25,7

-22,3

-6,7

1987

-22,6

-22,0

-5,2

1988

- 28,7

-11,6

-4,3

1989

-4,7

-1,0

-0,6

1990

+3,2

+4,9

-2,4

1991

+20,0

+15,5

+0,8

1992

+8,7

+6,6

+8,8

1993

-4,5

-7,3

+7,5

1994

- 17,4

- 15,6

+7,3

1995 EG 15

-16,0

-12,8

+12,1

1996

-4,5

-21,6

+20,6

1997

-16,2

-21,3

+18,7

1998

-29, 1

-30,2

+18,3

1999

-60,4

- 45,6

+ 17,7

2000

-76,4

-57,4

+10,8

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

VI. Ausländische Direktinvestitionen (FDI) in den USA und der USA im Ausland seit 1985 1. Sektorale Verteilung der FDI

Traditionell erhält der verarbeitende Sektor in den USA die meisten ausländischen Direktinvestitionen, gefolgt vom Dienstleistungssektor. Die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes nimmt jedoch relativ ab, während die Bedeutung des Dienstleistungssektors und hierbei vor allem der Finanzdienstleistungen für Direktinvestitionen zunimmt. Dasselbe trifft für die amerikanischen Direktinvestitionen im Ausland zu. Wahrend die Direktinvestitionen der USA im verarbeitenden 25 Die Leistungsbilanz besteht aus der Warenhandelsbilanz, der Dienstleistungsbilanz und der Übertragungsbilanz (einseitige Übertragungen). Daher entspricht Spalte 2 nicht der Summe aus Spalte 3 und 4.

110

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

Sektor von 48% (1995) auf 28% (2000) sanken, stieg der Anteil im Bereich der Finanzdienstleistungen im selben Zeitraum von 25% auf 40%. 26 2. Die ausländischen Direktinvestitionen der USA und der EG seit Gründung der EG a) Europäische Direktinvestitionen in den USA

Für die ausländischen Direktinvestitionen in den USA stellt das Jahr 1980 einen Wendepunkt dar. Vor diesem Zeitpunkt kamen im Gegensatz zu anderen Industrienationen nur relativ wenige FDI in die USA. Die Änderung erfolgte in zwei Wellen, die von 1979 bis 1981 bzw. von 1986 bis 1989 stattfanden.Z7 Europäische Direktinvestitionen wurden vor allem nach 1972 bedeutsam und stiegen zwischen 1972 und 1982 so stark an, daß das Verhältnis von amerikanischen Direktinvestitionen in der EG zu europäischen in den USA von 2,8 auf 0,97 sank. Der Grund lag in einem starken Wirtschaftswachstum in Europa und zwei Abwertungen des Dollars, die die USA zu einem sehr attraktiven Markt für ausländische Direktinvestitionen machten. In den 80er Jahren nahmen die europäischen Direktinvestitionen in den USA weiter zu, so daß 1987 über 60% (165,4 Mrd. U.S. Dollar) aller FDI in den USA aus der EG kamen. Bis 2000 stieg das Volumen der EG-Investitionen auf 802,7 Mrd. U.S. Dollar und machte mit 64,8% den höchsten Anteil aller FDI in den USA aus.Z 8

b) Amerikanische Direktinvestitionen in der EG

Obwohl amerikanische Firmen schon friih Tochtergesellschaften in Europa griindeten, kam es erst mit den Römischen Verträgen (1957) zu einer Welle von amerikanischen Direktinvestitionen in Europa. So begannen amerikanische Unternehmen nach 1957, in einer nie zuvor dagewesenen Höhe und Anzahl in der EG zu investieren, um die hohen Zollmauem um fast gesamt Westeuropa zu umgehen, 26 Vgl. WTO (U.S. 1996), S. 19f.; dies. (U.S. 1999), S. 17; Survey of Current Business, 77 (Juli 1997) 7, S. 36ff.; Survey of Current Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 27; EU-Kommission, The Single Market Review: Impact on Trade and Investment: Foreign Direct Investment, IV, 1. Bd., Luxemburg 1998, S. 107. 27 Vgl. Alberta Sbragia, "The Transatlantic Relationship: A Case of Deepening and Broadening", in: Carolyn Rhodes (Hg.), The European Union in the World Community, Boulder /London 1998, S. 153. 28 Vgl. l ohn H. Dunning, "European Integration and Transatlantic Foreign Direct Investment", in: George N. Yannopoulos (Hg.), Europe and America, 1992, Manchester/London/ New York 1992, S. 167; Pastor; S. 243 f.; Sbragia, S. 153; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

VI. Ausländische Direktinvestitionen (FDI) seit 1985

lll

verbunden mit der Hoffnung auf einen zukünftigen Gemeinsamen Markt. Amerikanische Direktinvestitionen in der EG stiegen daher von 2 Mrd. U.S. Dollar (1958) auf 13 Mrd. U.S. Dollar (1968). 29 Die Direktinvestitionen der USA in der EG nahmen in den 70er Jahren weiter zu und stabilisierten sich in den frühen 80er Jahren. Mit der Verabschiedung des Binnenmarktprogramms kam es (nach einer Verlangsamung) Ende der 80er Jahre zu einer neuen Welle amerikanischer Direktinvestitionen. Wahrend diese sich 1984 noch auf 72 Mrd. U.S. Dollar beliefen, betrugen sie 1990 bereits 180,5 Mrd. U.S. Dollar und machten fast 42% aller amerikanischen Direktinvestitionen aus. Die meisten dieser amerikanischen Investitionen wurden von großen, multinationalen Firmen durchgeführt, die bereits seit langer Zeit Niederlassungen in der EG besaßen. Hier läßt sich von 1985 bis 1990 ein Anstieg der Neuerwerbungen um ca. 50% feststellen 30: "while there seems to be no rush of !arge scale new entries into Europe by U.S.-based enterprises, there is considerable restructuring underway of the affiliates of those enterprises already located in Europe. " 31 Die Direktinvestitionen der USA in der EG sind bis heute steigend und machten 2000 573,4 Mrd. U.S. Dollar aus- und damit 46,1 % aller amerikanischen Direktinvestitionen (vgl. Tabelle C-15 I Diagramm C-12).32 Zwischen den USA und der EG besteht somit im Bereich der ausländischen Direktinvestitionen eine bedeutende Interdependenz. Während der Handel über einen großen Zeitraum hinweg relativ stabil blieb, ist die Verflechtung im Bereich der FDI stark angestiegen: Etwas weniger als die Hälfte aller amerikanischen Direktinvestitionen geht in die EG (2000: 46 %), und fast 2/3 aller ausländischen Direktinvestitionen in den USA kommt aus der EG (2000: 65 %). Europäische Unternehmen stehen in 41 der 50 Bundesstaaten an erster Stelle als Investoren und an zweiter Stelle in den restlichen neun. Auf der anderen Seite hat fast jedes große U.S. Unternehmen - dies gilt sowohl für Waren als auch für Finanzdienstleistungen - bereits Tochtergesellschaften und Filialen im europäischen Binnenmarkt. So produzierten amerikanische Tochtergesellschaften in Europa 1995 bereits Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,5 Billionen U.S. Dollar. Insgesamt sind die Verkäufe amerikanischer Tochtergesellschaften mittlerweile dreimal höher als die Exporte aus den USA. Wenn man die Exporte und die Direktverkäufe amerikanischer Tochtergesellschaften zusammennimmt, ist der europäische Markt für amerikanische Unternehmen rund dreimal so groß wie Kanada Vgl. Pastor, S. 207f.; Sbragia, S. 150f.; Neuss, S. 334, 356. Vgl. Edward M. Graham, "Strategie Responses of U.S. Multinational Firms to the Europe- 1992 Initiative", in: Yannopoulos (Hg.), S. 180; Henning Hirsch, USA und der EG-Binnenmarkt 1992, Hildesheim/Zürich/New York 1992, S. 171 f.; Dunning, S. 164; Sbragia, S. 151 ; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1985 bis 1992. 31 Graham, S. 183. 32 Vgl. Survey ofCurrent Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 27. 29

30

124,0

149,5

180,5

199,4

210,2

235,4

260,8

314,3

335,9

372,4

430,5

467,8

499,0

559,7

621,0

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

371,8

433,7

865,5

980,6

1.132,6

1.244,7

1997

1998

1999

2000

425,6

46,1

45,2

44,2

43,0

43,7

43,9

42,0

1.238,6

986,7

811,8

693,2

630,0

560,9

502,4

464,1

42,1 42,1

418,8

396,7

373,7

314,7

271,8

209,3

184,6

GesamteFD1 in den USA

42,6

41,9

40,1

39,0

39,5

37,0

35,4

Anteil der FD1 der USA in der EG von gesamten U.S. FDI (Prozent)

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

573,4

512,1

315,1

348,4

717,6

796,5

1995 EG 15

1996

131,1

96,2

259,9

81,3

229,8

1986 EG 12

FDI der USA in der EG

1985 EG 10

Gesamte FD1 der USA

802,7

624,8

481,7

390,6

372,2

319,0

272,2

253,1

220,6

223,6

220,9

216,1

188,3

165,4

124,3

107,1

FDI der EG in den USA

64,8

63,3

59,3

56,3

59,1

56,9

54,2

54,5

51,8

53,5

56,6

57,8

59,8

60,9

59,4

58,0

Anteil der FD1 der EG in den USA von gesamten FDI (Prozent)

Ausländische Direktinvestitionen der USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

Tabelle C-15

1.376,1

1.136,9

915,4

762,4

720,6

634,1

533,0

488,5

430,8

423,0

401,4

365,6

319,4

289,4

220,5

188,4

Wechselseitige FDI

(1)

(1)

\D 00 VI

......

c:r

",

::s

~

~

g:

~ "'

§

:I:

0 9.

N

...... ......

VI. Ausländische Direktinvestitionen (FDI) seit 1985

113

oder Japan33 : "Investment interdependence between the U.S. and EC more tightly enmeshes their economies than does bilateral trade. There is no !arger investment partnership in the world between two separate economic entities."34 Trotz dieser Tatsache haben die Handelsbeziehungen die Diskussionen zwischen den USA und der EG dominiert und das Bild des anderen geprägt, während die Ausweitung der gegenseitigen Direktinvestitionen relativ unbemerkt vonstatten ging: "U.S. firms in Europe and European firms in the United States have been in some sense ,silent' members of the transatlantic community. Yet these multinational firms form an important pillar in European- U.S. relations." 35

3. Die regionale Verteilung der ausländischen Direktinvestitionen

a) Die FDI in den USA

Die EG liegt mit einem Anteil von 64,8 % (2000) aller ausländischen Direktinvestitionen in den USA eindeutig an erster Stelle. Während der Anteil der EG von 1987 bis 1992 abnahm (von 60,9% auf 51,8%), steigt er seitdem wieder an. Vor allem Asien und der pazifische Raum hat als Region für FDI in den USA an Bedeutung gewonnen, und zwar mit einem Anstieg von 0,9% (1985) auf 23 % (1990). Bis 2000 sank der Anteil jedoch auf 15,7%. Der Anteil der lateinamerikanischen Länder ging in derselben Zeitspanne von 9,1% auf 3,4% zuriick. Der wichtigste einzelne Investor in den USA war das Vereinigte Königreich, welches 2000 18,5% aller Investitionen in den USA tätigte, gefolgt von Japan mit 13,2%, Deutschland mit 9,9% und Kanada mit 8,1 %. Während die Direktinvestitionen des Vereinigten Königreichs ab 1990 zuriickgingen, verdoppelten sich die japanischen Direktinvestitionen zunächst von 10,5% (1985) auf 22,9% (1992), sanken danach jedoch wieder ab. Im Gegensatz dazu blieben die kanadischen Direktinvestitionen über den erfaßten Zeitraum hinweg fast konstant. Die Direktinvestitionen aus Deutschland stiegen hingegen - abgesehen von einem kurzen Einbruch 1990 aufgrund der Wiedervereinigung -von 8,0% auf 9,9% und überrundeten somit ab 1995 die Investitionen aus Kanada (vgl. Tabelle C-16/Diagramm C-13)?6 33 Vgl. Elliot Zupnick, .,American Responses to 1992", in: Yannopoulos (Hg.), S. 32; Franktin 1. Vargo, Erklärung vor dem ,House Committee on International Relations' [WWW Dokument], URL: http://www.useu.be/issues/comme508.html vom 8. 5. 1998; Folker Dries, .,Der standhafte Dollar", in: FAZ vom 28. 7. 2000, S. 13; Frost, S. 12. 34 Kevin Featherstone / Roy H. Ginsberg, The United States and the European Community in the 1990s, London/New York 1993, S. 153. 35 Sbragia, S. 149/150. 36 Vgl. GATT (U.S. 1992), 1. Bd., S. 62; WTO (U.S. 1996), S. 19f.; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

8 Decker

114

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985 Tabelle C-16

Ausländische Direktinvestitionen in den USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent) 1985

1990

1995

2000

EG

58,0

56,6

56,9

64,8

UK Deutschlandd

23,6 8,0

25,9 7,1

22,5 8,8

18,5 9,9

Kanada Japan

9,3 10,5

7,6 20,6

8,6 19,2

8,1 13,2

Lateinamerika

9,1

4,9

4,5

3,4

Asien und Pazifik

0,9

23,0

21,9

15,7

Quelle: Survey ofCurrent Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

b) Die FDI der USA

Untersucht man die Direktinvestitionen der USA im Ausland, so steht die EG als Empfängerregion eindeutig an erster Stelle: 2000 gingen 46,1% aller U.S. Direktinvestitionen in die EG, im Vergleich zu 35,4% 1985. Sowohl Lateinamerika als auch Asien und die Pazifikregion gewannenjedoch seit 1985 für amerikanische FDI an Bedeutung. So stieg der Anteil Lateinamerikas - vor allem durch Investitionen in Mexiko- von 12,1% auf 19,2% (2000) und der Anteil Asiens und der Pazifikregion im selben Zeitraum von 6,7% auf 16,0%. Das Vereinigte Königreich stellt mit 18,8% 2000 wiederum das wichtigste einzelne Land für amerikanische Direktinvestitionen dar, gefolgt von Kanada mit 10,2%. Wahrend der Anteil des Vereinigten Königreichs seit 1985 (14,3 %) deutlich zunahm, halbierte sich der Anteil Kanadas (20,5% - 10,2%), und der Anteil Japans blieb annähernd gleich (4,0% - 4,5%). Der Anteil Deutschlands an den U.S. Direktinvestitionen sank kontinuierlich von 7,3% (1985) auf 4,3 % (2000) und wurde schließlich 2000 von Japan überrundet (vgl. Tabelle C-17 I Diagramm C-14)?7

37 V gl. WTO (U.S. 1999), S. 17 f.; Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001; EU-Kommission (Single Market Review), 1. Bd., S. 106.

VII. Anhang (Diagramme)

115

Tabelle C-17 Ausländische Direktinvestitionen der USA von 1985 bis 2000 (Anteil in Prozent)

1985

1990

1995

2000

EG

35,4

41,9

43,9

46,1

UK Deutschland

14,3 7,3

16,1 6,4

17,1 6,2

18,8 4,3

Kanada Japan

20,5 4,0

16,9 5,2

11,9 5,4

10,2 4,5

Lateinamerika

12,1

16,9

17,9

19,2

6,7

15,4

17,5

16,0

Asien und Pazifik

Quelle: Survey of Current Business, verschiedene Ausgaben von 1986 bis 2001.

VII. Anhang (Diagramme) :c 10000 ~

"'::!!"'

.." .E .::

1000

~

100

~

"'0

Cl

d. .!!!

ö

c

10

ui ::;;

I! ::!!

1955 EG6

1960

1965

1970

1975 EG9

-+- Gesamtexporte USA -+-Exporte USA in die EG

1980

-

1985 EG10

1990 EG12

1995 EG15

Gesamtimporte USA

"""""*--- Importe USA aus der EG

Diagramm C-1: Warenhandel der USA mit der EG von 1955 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

8*

2000

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

116 30 25

~ ..

20

cCl> e

Q.

10

......

......

/

15

N

--

-/

-

-

0 1955 EG6

1960

1965

1970

1975 EG9

1980

1985 EG10

1990 EG12

1995 EG15

2000

--Anteil (in Prozent) der Exporte in die EG --Anteil (in Prozent) der Importe aus der EG

Diagramm C-2: Anteil des Warenhandels der USA mit der EG an den Gesamtexporten und-importenvon 1955 bis 2000 (in Prozent)

30 25

-e

--

.......

~

20

c:

Cl>

15

Q.

10

~ ..... -=a-... ..,...____...

~

~

~

"'"

~ ~

.......

1~

1~

EG10 EG12

---

.......__

~

1m

1~

1~

1-

1~

1m

1-1-

1-1~

EG1 5

1m

1~

1-=

Diagramm C-3: Anteil der Warenexporte an den Gesamtexporten (USA) in die EG und nach Kanada, Japan und Asien von 1985 bis 2000 (in Prozent)

VII. Anhang (Diagramme) 30 25 20

~

a.

.

~

....

~

~

c:

117

-....._,..___

15

~

....

10

1985 1986 EG1 0 EG12

1987

1988

1989

1990

199 1

1992

1993

1994

1995 EG15

1996

1997

--+- rrporte aus der EG ------ Irrporte aus Kanada --+--- Irrporte aus Japan

~

1998

-. ---

1999

2000

Irrporte aus Asien

Diagramm C-4: Anteil der Warenimporte an den Gesamtimporten (USA) aus der EG, Kanada, Japan und Asien von 1985 bis 2000 (in Prozent)

~

- 100+---------------------------------------~--~~~~--~~-1~

8

~ - 200 +-----------~~--~--------------------T-------------~~-;~

:::i

"E

:::;

- 300

- 400+---------~~~----------------------------------------------~

-5oo k-----------------------------------------------------------------~ 1945

1950

1955 EG6

1960

1965

1970

1975 EG9

1960

1985 EG10

1990 EG12

1995 EG15

1998

1999

2000

ImHandelsbilanz der USA !ll Handelsbilanz der USA mit Westeuropa D Handelsbila.!:l! der USA mit der EGI Diagramm C-5: Warenhandelsbilanz der USA mit Westeuropa und der EG von 1945 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

118 50

0

li! 0

-50

0

ui ::i

t!

-100

:;

-1 50

1985 EG 10

1986 EG12

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995 1996 EG 15

1997

1998

1999

2000

lill Handelsbilanz der USA rrit der EG 1!!1 Handelsbilanz der USA rrit Kanada D Handelsbilanz der USA rril Japan

l!a Handelsbilanz der USA rril Asien

Diagramm C-6: Warenhandelsbilanz der USA mit der EG, Kanada, Japan und Asien von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

30 25

li! 0

20

0

15

t!

10

ui ::i

:;

1985 EG 10

1986 EG12

1987

1988

1989

~Handelsbilanz

1990

1991

1992

1993

1994

1995 EG 15

1998

1997

1998

der USA im Agrarhandel

D Handelsbilanz der USA nit der EG im Bereich des Agrarhandels

Diagramm C-7: Handelsbilanz der USA im Agrarhandel mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

1999

2000

VII. Anhang (Diagramme)

119

• • •

.__ _ : ;:__.~._:_:__:f----1:-=----·------ •

1985

1986

EG10

EG12

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

EG15

-+-Gesamte J'Grarexporte der USA

---Gesamte J'Grarimporte der USA

__.._ J'Grarexporte der USA in die EG

--*- J'Grarimporte der USAaus der EG

Diagramm C-8: Agrarhandel der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

100 80

.ili

60

0

c

ui

::)

t!

::!!

40 20 0

u m_u ~u

~

l

~

LJ

h

l

l I

IIl

n

-20 1985 1986 EG 10 EG12

1987

1986

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995 1996 EG 15

1997

1998

ll!l Dienstleistungsbilanz der USA 0 Dienstleistungsbilanz rrit der EG

Diagramm C-9: Dienstleistungsbilanz der USA im Handel mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

1999

2000

C. Die Handelsbeziehungen ab 1985

120

..

:c

1000

-;;;

'1ii

:::;

g l;;

·e

~ ~ iil

:8

100

10

..

_.

..... ~

~

Cli :::;;

"E

:::; 1985 EG10

1986 EG12

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995 EG15

1996

1997

--+-- Gesamtexporte der USA

---- Gesamtimporte der USA

-+--Exporte der USA in die EG

~Importe

1998

1999

2000

1999

2000

der USA aus der EG

Diagramm C-10: Dienstleistungsverkehr zwischen den USA und der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

1985 1986 EG 10 EG12

1987

1986

1989

-+- Leistungsbilanz

1990

-

1991

1992

1993

1994

1995 1996 EG 15

1997

1998

Handelsbilanz ___...._ Dienstleistungsbilanz

Diagramm C-11 : Leistungsbilanz der USA mit der EG von 1985 bis 2000 (Mrd. U.S. Dollar)

121

VII. Anhang (Diagramme)

:c

.

10000

...

~ a> :; :;;

.

~ ~

C1>

~

e:

::>

E"

"'[

~

t::l

C1>

()

"' :::r

:J.

iil

r::r f!.




0

~

g.

0.

"':::>

:I:

~ "'~

(JQ

c:::>

~ §.

tl

(")

[ "'g-

g.

cr"

;3

:
"

~.

§

"'ß

~

~

N

8

I. Stahl

(111)

Konfliktfall

1982-

Dauer des Konflikts

Subventionen: EG subventioniert europäische Stahlindustrie

Streitursache • ca. $2 Mrd.

Betroffenes Handelsvolumen

2. Industriegüterverkehr Resultat • Bilaterale und multilaterale Verhandlungen; bis heute ungelöst

Verlauf • 1982: 132 Antidumping- und Subventionsklagen; Sektion 301-Verfahren gegen Exportsubventionen • 1982: EG tritt in bilaterale VerhandIungen ein; droht mit Vergeltungsmaßnahmen und erhebt eigene Klage gegen die USA im GATT • 1982: bilaterales Abk. bis 1985 • 1982/83: U.S . Industrie erhebt Antidumpingklagen gegen SpezialstahlImporte aus der EG; Errichtung eines Schutzsystems in den USA • Jan. 1984: bilaterale Verhandlungen auf Druck der EG; EG droht und erhebt schließlich im April 1984 einseitig Strafzölle • 1985: bilaterales Abk. bis 1989 • 1989: bilaterales Abk. bis 1992 • 1992: U.S. Unternehmen bringen 84 Klagen bei der ITC ein; ITC erhebt hohe Strafzölle • 1993: EG fordert Konsultationen; beruft GATT-Panel ein, welches EG Recht gibt • 1993: USA nehmen Panelbericht nicht an; EG fordert erneut Konsultationen und Schlichtung • 1994: EG beruft erneut GATT-Panel ein; Verfahren wird 1995 ausgesetzt • Bis 1992, 1996: USA und EG treten in multilaterale Verhandlungen über MSA und MSSA ein • 1998/99: Erneute Subventionsvorwürfe gegen EG

:
'

~

~

~ "'~

§

1r ::c

(')

"'

C'.

"'::>

"'ß

~

t'rl

~

?

• ca. $4,5 Mrd.

Niederlassungsfreiheit EG wollte die Niederlassung ausländischer Banken von spiegelbildlichen Reziprozitätsbedingungen in Drittstaaten abhängig machen

Local content-Erfordemisse: EG verabschiedet Richtlinie, die im audiovisuellen Bereich einen europäischen Anteil von 50% fordert

1988-1990

1989-

2. Audiovisueller Sektor

Betroffenes Handelsvolumen

1. Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie (Investmentbanken I Versicherungen)

Streitursache

Dauer des Konflikts

Konfliktfall (IV)

3. Dienstleistungsverkehr

• Oktober 1989: EG verabschiedet Femsehrichtlinie, die Quoten für europäische Programme enthält • 1992: U.S. Einnahmen sinken bereits um20% • 1993: U.S. Industrie fordert ein Sektion 301-Verfahren; USTR droht mit Gegenmaßnahmen • Uruguay-Runde: Audiovisueller Sektor wird im Rahmen des GATS behandelt; EG setzt sich jedoch mit Forderungen durch: keine Liberalisierungsverpflichtungen

• 1988: Kommissar Lord Cockfield: USA werden Probleme in der EG aufgrund des Glass-Steagall Acts bekommen; KommissarDe Clercq: Reziprozitätsforderungen für EG-Markt sind ,fair' • August 1988: USA drohen mit Gegenmaßnahmen • März 1989: BAFT veröffentlicht Bericht: Reciprocity a Step in the Wrang Direction • 1989: EG ändert Entwurf: es muß Inländerbehandlung und ein ,vergleichbarer effektiver Marktzugang ' gewährt sein • 1989/90: Reziprozitätsanforderungen der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie werden bei Investmentbanken und Versicherungen übernommen

Verlauf

• Keine Lösung: audiovisueller Bereich wurde aus den Liberalisierungsverpflichtungen des GATS ausgeklammert

• Änderung der Reziprozitätsanforderungen in den RiebtIinien auf Druck der USA

Resultat

N

s:

~

::s

~ "' 8 :=.

§

:I:

"'~

(;)"

0.

~

;::

~ [

tl

"'

rt

[

!!.

er

;;;3

:


a.......

~

;::!l

::I

~

Cf>

~

§

:r:

~

Cf> (")

g_

~

Cf>

~

!:!1

g

V. Tabellarische Darstellung dieser Handelskonflikte

207

4. Jahresliste der jeweils aktuellen Konflikte von 1985 bis 1999 (Konflikte in Klarrunern belasten zwar weiterhin die transatlantischen Beziehungen, es bestehen jedoch keine aktuellen Streitigkeiten)

Konflikte - Konfliktvolumen - Exportanteil (zu Beginn des Konflikts)

Jahr

1985

Agrarhandel 1. Zitrusfriichte und Teigwaren: $78 Mio. (1 ,2% des Agrarhandels) 2. Dosenfriichte: $50 Mio. (0,8%) Industriegüterverkehr 3. Stahl: ca. $2 Mrd. (4,8% des Industriegüterverkehrs) Dienstleistungsverkehr

Agrarhandel 6,5

Agrarhandel l. Zitrusfriichte und Teigwaren 2. EG-Süderweiterung: $400 Mio. (6,1 %) 3. GATT-Agrarreform: gesamten Agrarexporte betroffen Industriegüterverkehr 4. Stahl Dienstleistungsverkehr

Agrarhandel 6,6

Agrarhandel 1. Zitrusfriichte und Teigwaren 2. EG-Süderweiterung .. 3. GATT-Agrarreform I Olsaaten: $2 Mrd. (29,0%) 4. Fleischverarbeitung: ca. $30 Mio. (0,4%) 5. Hormonfleisch: $100 Mio. (1,4%) Industriegüterverkehr 6. Stahl Dienstleistungsverkehr

Agrarhandel 6,9

Agrarhandel 1. Dosenfrüchte: knapp ~5 Mio. (0,07%) 2. GATT-Agrarreform I Olsaaten 3. Fleischverarbeitung 4. Hormonfleisch Industriegüterverkehr 5. Stahl 6. Kupfer- und Zinkschrott ca. $6 Mio. (0,009%) 7. Normen: ca. 50% der Exporte Dienstleistungsverkehr 8. Banken und Versicherungen: ?

Agrarhandel 7,3

-

1986

-

1987

-

1988

U.S. Exporte in die EG (Mrd. U.S. Dollar)

Industriegüterverkehr 41,9 Dienstleistungsverkehr 12,6

Industriegüterverkehr 45,2 Dienstleistungsverkehr 20,3

lndustriegüterverkehr 52,6 Dienstleistungsverkehr 24,9

Industriegüterverkehr 67,3

Dienstleistungsverkehr 28,4

208

E. Transatlantische Handelskonflikte seit 1985

Fortsetzung Tabelle V.4. Jahr

Konflikte - Konfliktvolumen - Exportanteil (zu Beginn des Konflikts)

1989

Agrarhandel 1. Dosenfrüchte 2. GATT-Agrarreform I Ölsaaten 3. Fleischverarbeitung 4. Hormonfleisch Industriegüterverkehr 5. Stahl 6. Kupfer- und Zinkschrott 7. Normen 8. Integrierte Schaltkreise: $3,6 Mrd. (4,6%) Dienstleistungsverkehr 9. Banken und Versicherungen 10. Audiovisueller Sektor: ca. $4,5 Mrd. (12%)

Agrarhandel 6,5

Agrarhandel I. EG-Süderweiterung .. 2. GATT-Agrarreform I Olsaaten 3. Fleischverarbeitung 4. Hormonfleisch Industriegüterverkehr 5. Stahl 6. Kupfer- und Zinkschrott 7. Normen 8. Integrierte Schaltkreise Dienstleistungsverkehr 9. Banken und Versicherungen 10. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel6,9

Agrarhandel I . EG-Süderweiterung .. 2. GATT-Agrarreform I Olsaaten 3. Fleischverarbeitung 4. Hormonfleisch Industriegüterverkehr 5. Stahl 6. Normen 7. Integrierte Schaltkreise 8. Das öffentliche Auftragswesen (EG: $1,12 Billionen; USA: $1,49 Billionen) Dienstleistungsverkehr 9. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel6,9

1990

1991

U.S. Exporte in die EG (Mrd. U.S. Dollar)

Industriegüterverkehr 78,0

Dienstleistungsverkehr 37,4

Industriegüterverkehr 89,4

Dienstleistungsverkehr 42,0

Industriegüterverkehr 94,4

Dienstleistungsverkehr 46,5

V. Tabellarische Darstellung dieser Handelskonflikte

209

Fortsetzung Tabelle V.4. Jahr

1992

1993

1994

1995

14 Decker

Konflikte - Konfliktvolumen - Exportanteil (zu Beginn des Konflikts)

U.S. Exporte in die EG (Mrd. U.S. Dollar)

Agrarhandel l. GATT-Agrarreform I Ölsaaten 2. Fleischverarbeitung 3. Hormonfleisch Industriegüterverkehr 4. Stahl 5. Integrierte Schaltkreise 6. Das öffentliche Auftragswesen Dienstleistungsverkehr 7. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel7,3

Agrarhandel I. GATT-Agrarreform I Ölsaaten 2. Hormonfleisch Industriegüterverkehr 3. Stahl 4. Integrierte Schaltkreise 5. Das öffentliche Auftragswesen Dienstleistungsverkehr 6. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel 6,8

Agrarhandel 1. Dosenfrüchte 2. GATT-Agrarreform I Ölsaaten 3. Hormonfleisch 4. Bananen: $191,4 Mio. (2,7%) Industriegüterverkehr 5. Stahl 6. Integrierte Schaltkreise 7. Das öffentliche Auftragswesen Dienstleistungsverkehr 8. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel7,1

Agrarhandel 1. Dosenfrüchte 2. (Agrarreform) 3. Hormonfleisch 4. Bananen 5. EG-Norderweiterung: $226 Mio. (2,7%) 6. Getreideimporte: $123 Mio. (1,5%) Industriegüterverkehr 7. Stahl 8. (Das öffentliche Auftragswesen) Dienstleistungsverkehr 9. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel8,4

Industriegüterverkehr 93,3

Dienstleistungsverkehr 53,8

Industriegüterverkehr 88,2

Dienstleistungsverkehr 55,6

Industriegüterverkehr 98,3

Dienstleistungsverkehr 57,0

Industriegüterverkehr 113,0 Dienstleistungsverkehr 63,7

210

Eo Transatlantische Handelskonflikte seit 1985

Fortsetzung Tabelle V.4o Jahr

1996

1997

1998

Konflikte - Konfliktvolumen - Exportanteil (zu Beginn des Konflikts)

U.So Exporte in die EG (Mrdo UOSO Dollar)

Agrarhandel 10 Dosenfrüchte 20 (Agrarreform) 30 Hormonfleisch 40 Bananen 50 Getreideimporte 60 Import von Tierprodukten I Geflügel: $800 Mioo (8,9%) 70 Weizenkleber: $35,8 Mioo (0,39%) Industriegüterverkehr 80 Stahl 90 (Das öffentliche Auftragswesen) 100 Zölle für Computerausrüstungen: ? Dienstleistungsverkehr 11. Audiovisueller Sektor

Agrarhandel9,0

Agrarhandel 10 Dosenfrüchte 20 (Agrarreform) 30 Hormonfleisch 40 Bananen 50 Getreideimporte 60 Import von Tierprodukten I Geflügel 7 0 Weizenkleber 80 Tierfallen: $6 Mioo (0,07%) 90 BSE: Talg $100 Mioo (1,1 %) (Pharmaprodukte, Kosmetika: $17,6 Mrdo) 100 Schmelzkäse: ? 110 GMO Kennzeichnung: ? Industriegüterverkehr 120 Stahl 130 (Das öffentliche Auftragswesen) 140 Zölle für Computerausrüstungen Dienstleistungsverkehr 150 Audiovisueller Sektor

Agrarhandel8,9

Agrarhandel lo Dosenfrüchte 20 (Agrarreform) 30 Hormonfleisch 40 Bananen 50 Getreideimporte 60 Import von Tierprodukten I Geflügel 7 0 Weizenkleber 80 BSE 90 Schmelzkäse 100 Gerste: cao $4 Mioo (0,005%) 110 GMO Kennzeichnung I Zulassung: $286 Mioo (3,6%)

Agrarhandel7,9

Industriegüterverkehr 115,8

Dienstleistungsverkehr 72,9

Industriegüterverkehr 130,0

Dienstleistungsverkehr 78,4

V. Tabellarische Darstellung dieser Handelskonflikte

211

Fortsetzung Tabelle V.4. Jahr

1998

Forts.

1999

14*

Konflikte - Konfliktvolumen - Exportanteil (zu Beginn des Konflikts)

U.S. Exporte in die EG (Mrd. U.S. Dollar)

Industriegüterverkehr 12. Stahl 13. (Das öffentliche Auftragswesen) 14. Zölle für Computerausrüstungen 15. Telekommunikation: ? Dienstleistungsverkehr 16. Audiovisueller Sektor 17. Datenschutz im Internet: ?

Industriegüterverkehr 138,0

Agrarhandel I. Dosenfrüchte 2. (Agrarreform) 3. Hormonfleisch/hormonfreies Fleisch:? 4. Bananen 5. Import von Tierprodukten I Geflügel 6. Weizenkleber 7. BSE 8. Schmelzkäse 9. GMO Kennzeichnung/Zulassung 10. Antibiotika im Tierfutter: ? Industriegüterverkehr 11. Stahl 12. (Das öffentliche Auftragswesen) 13. Telekommunikation 14. Lärmschutznormen bei Flugzeugen: über $1 Mrd. (0,7%) Dienstleistungsverkehr 15. Audiovisueller Sektor 16. Datenschutz im Internet

Agrarhandel 6,4

Dienstleistungsverkehr 85,4

Industriegüterverkehr 142,5

Dienstleistungsverkehr 87,6

F. Fazit: Das den Handelskonflikten zugrundeliegende Reziprozitätsverständnis I. Die betroffenen Wirtschaftssektoren in den Handelskonflikten seit 1985 Anband der im vorherigen Kapitel beschriebenen Handelskonflikte zwischen den USA und der EG soll nun die Frage entschieden werden, ob der Grundsatz der strikten Reziprozität in den transatlantischen Handelsbeziehungen zur Anwendung gekommen ist und, wenn ja, in welchem Ausmaß. Es werden bei der Analyse alle Streitigkeiten einbezogen, die seitens der USA im Zusammenhang mit der europäischen Integration entstanden und die seit 1985 - unabhängig von ihrem Beginnaktuell waren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Sektion 301 zum Einsatz kam oder nicht. Der Grund liegt darin, daß sämtliche Auseinandersetzungen - auch ohne Anwendung des Sektion 301-Verfahrens- vor dem Hintergrund der Handelsgesetze und ihrer Auffassung von Reziprozität stattfanden. Die Sektion 301 steht in allen Konflikten als Druckmittel zur Verfügung und kann von den USA als letzte Waffe benutzt werden. Seit 1985 fielen insgesamt 25 Konflikte zwischen den USA und der EG im Warenverkehr (inklusive Agrarhandel) unter die oben genannten Kriterien. Hiervon fanden zwei Drittel (siebzehn von 25) im Agrarbereich statt, während sich ,nur' acht Konflikte im Industriegüterbereich abspielten. Im transatlantischen Dienstleistungsverkehr traten seit 1985 drei Konflikte im Zusammenhang mit der europäischen Integration auf, während es keine Auseinandersetzungen im Bereich des geistigen Eigentums gab.

I. Die betroffenen Wirtschaftssektoren in den Handelskonflikten seit 1985

213

Tabelle F-1 Konflikte im Agrarhandel (chronologisch) Beginn des Konflikts

V rsache für Konflikt mitEG

Gesetzliche GATT/ SankGrundlage für WTO tionen amerikanische Panel Reaktion

1. 1976

Zollpräferenzen für Zitrusfrüchte

Sektion 301 (301_11)

2. 1981 1988

Subventionen bei Dosenfrüchten

Sektion 301 (301_26) (301_71)

1994

Ja

Ja

-

Ja Nein Nein

Nein Nein Nein

Sektion 301 (301_54) (301_81)

Nein Nein

Ja Nein

Lösung

Bilaterales Abkonunen Bilaterales Abkonunen; Verhandlungen

3. 1986 1990

Kompensationen für EG-Süderweiterung

4. 1986

Handelsbarrieren durch GAP! Subventionierung von Olsaaten

-

Nein

Nein

Sektion 301 (301_63)

Ja

Ja

5. 1987

Neue Normen bei Fleischverarbeitung aus Drittstaaten

Sektion 301 (301_60) (301_83)

Ja Nein

Nein Nein

6. 1987

Importverbot für Hormonfleisch I Importverbot von hormonfreiem Fleisch

Sektion 301 (301_62) -

Ja Nein

Ja Nein

Bis heute ungelöst; Verhandlungen

7. 1994

Handelsbarrieren durch Bananenmarktordnung

Sektion 301 (301_94/ 301_100)

Nein Ja

Nein Ja

Lösung des Konflikts im Frühjahr 2001

8. 1995

Kompensationen für EG-Norderweiterung

Sektion 301 (301_101)

Nein

Nein

Bilaterales Abkonunen

9. 1995

Erhöhte Zölle bei Getreideimporten

-

Nein

Nein

Bilaterales Abkonunen

10. 1996

Neue Normen beim Import von Tierprodukten

-

Nein

Nein

Bilaterales Abkonunen

11. 1996

Subventionen bei Weizenklebern

Sektion 301 (301_1ll) Sektion 201

Nein

Ja

12. 1997

Importverbot von Fellen bei best. Tierfallen

-

Nein

Nein

Bilaterales Abkonunen

13. 1997

Importverbot von SRM (BSE)

-

Nein

Nein

Bis heute ungelöst

1987

1999

Bilaterales Abkonunen in beiden Fällen Blair HouseAbkonunen in der UruguayRunde Bilaterales Abkonunen

Bis heute ungelöst

F. Fazit

214

Fortsetzung Tabelle F.l. Beginn des Konflikts

Ursache für Konflikt mitEG

14. 1997

Subventionen bei Schmelzkäse

15. 1997 1998

Kennzeichnung I Langsamer Zulassungsprozeß bei GMO

16. 1998 17. 1999

Gesetzliche GAITI SankGrundlage für WTO tionen amerikanische Panel Reaktion Sektion 301 (301_114)

Lösung

USA überlegen weitere Schritte

Nein

Nein

-

Nein Nein

Nein Nein

Bis heute ungelöst (beide Bereiche)

Subventionen bei Gerste

-

Nein

Ja

Gegenmaßnahme der USA

Verbot von Antibiotika im Tierfutter

-

Nein

Nein

USA überlegen weitere Schritte

Tabelle F-2

Konflikte im Industriegüterverkehr (chronologisch) Beginn des Konflikts

Ursachefür Konflikt mitEG

Gesetzliche GAIT/ SankGrundlage für WTO tionen amerikanische Panel Reaktion

1. 1982

Subventionen bei Stahl in F, I, UK und B (von EG bewilligt)

Sektion 301 (301_28, 29, 31, 33)

2. 1988

Exportrestriktionen bei Kupfer/Zink

3. 1988

Lösung

Mehrere bilaterale Abkommen; bis heute Konfliktfall

Nein

Ja

Sektion 301 (301_70)

Ja

Nein

Handelsbarrieren durch EG-Normen

-

Nein

Nein

Bilaterale Einigung (MRA)

4. 1989

Local content-Anteil bei Integrierten Schaltkreisen

-

Ja

Nein

UruguayRunde

5. 1991

Restriktionen beim öffentlichen Auftragswesen

Titel VII des Handelsgesetzes von 1988

Nein

Nein

Bilaterales und später plurilatera1es Abkommen

6. 1996

Höhere Zölle bei LANMaterial (Computer)

-

Ja

Nein

Annahme des Panel-Urteils

Bilaterales Abkommen

I. Die betroffenen Wirtschaftssektoren in den Handelskonflikten seit 1985 7. 1998

Diskriminierende Normen bei Telekommunikation

-

Nein

Nein

Bis heute ungelöst

8. 1999

Diskriminierende Lärmschutznormen bei Flugzeugen

-

Klage vor ICAO

Nein

Bis heute ungelöst

215

Tabelle F-3

Konflikte im Dienstleistungsverkehr (chronologisch) Beginn des Konflikts

Ursache für Konflikt mitEG

Gesetzliche GATT/ Grundlage für WTO amerikanische Panel Reaktion

Sanktionen

Lösung

l. 1988

Reziprozitätsanforderungen bei Banken I Versicherungen

-

Nein

Nein

EG ändert Richtlinie auf Druck der USA

2. 1989

Audiovisueller Sektor

-

Nein

Nein

EG kann Sektoraus GATS ausklammem

3. 1998

Datenschutz im Internet

-

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

1. Die Rolle der Landwirtschaft

Die Dominanz der Landwirtschaft in den transatlantischen Konflikten ist zahlenmäßig nicht zu erklären, da ihre Wertschöpfung 2000 in den USA nur noch 2% und in der EG rund 1,5% des BIPs ausmachte und in den USA nur noch ca. 2,5% und in der EG knapp 5% der arbeitenden Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig waren. Gleichzeitig verringerte sich der Anteil des Agrarhandels am gesamten Handel: So machten U.S. Agrarexporte 2000 lediglich 6,7% der gesamten amerikanischen Exporte und 3,9% der Exporte in die EG aus; der Anteil der Agrarimporte an den Gesamtimporten in die USA betrug 2000 nur noch 3,2% bzw. 3,7% hinsichtlich des EG-Anteils. 1 Der Grund für dieses Übergewicht der Konflikte im Agrarbereich liegt darin, daß die Landwirtschaft in den USA und vor allem auch in der EG ein hoch geschützter Bereich ist, in dem viele handelsverzerrende Maßnahmen in Kraft sind. So implementierten beide Handelspartner kostenintensive Hilfsprogramme, um 1 Vgl. Survey ofCurrent Business, 81 (Juli 2001) 7, S. 56f.; U.S. Department of Agriculture, "Statistics" [WWW Dokument), URL: http://www.econ.ag.gov/briefing/region/europe/ country.htm#statistics vom 17. 2. 2000; dass. (FATUS: 2000), S. 96 ff.; World Bank, S. 253.

216

F. Fazit

trotz erhöhtem internationalen Wettbewerb und sinkender Weltmarktpreise für Agrarprodukte die eigene Landwirtschaft konkurrenzfähig zu halten. Diese Vorkehrungen wurden dadurch ermöglicht, daß die Landwirtschaft im GAIT lange Zeit gesondert behandelt und von internationalen Regeln weitgehend ausgenommen war. Der größte Teil dieser Sonderstellung der Landwirtschaft läßt sich durch die einflußreiche Bauernlobby in beiden Regionen erklären, die stark mobilisiert und in ihren Forderungen sehr durchsetzungsfähig ist. 2 Die Schutzmaßnahmen in der Landwirtschaft werden oft damit gerechtfertigt, daß landwirtschaftliche Produkte (wie in keinem anderen Sektor) besonderen Preisschwankungen unterworfen seien. Um das Einkommen der Landwirte zu einem gewissen Grad stabil zu halten, seien daher Unterstützungsprogramme notwendig. Der größte Teil der Interventionen wird jedoch mit nicht-ökonomischen Argumenten untermauert. So wird betont, daß der Erhalt der Landwirtschaft ein soziales Gut an sich sei und daß daher die ländlichen Gemeinschaften geschützt werden sollten. Dabei wird häufig das Bild von kleinen Familienbetrieben herangezogen. Zusätzlich wird betont, daß die Landwirtschaft zum Umweltschutz, insbesondere zum Erhalt der Natur beitrage. Das ,Land' wird somit als natürliches und kulturelles Gut empfunden, welches bedroht wäre, wenn es nicht durch Unterstützungsprogramme gefördert würde3 : Agriculture is also a social and cultural practice, a fact that has tremendous implications for international trade. Given the long history of agriculture and the complex role it plays in almost all the world's nations, it is unsurprising that this sector has been highly resistant to change and liberalization ... Agriculture remains a somewhat sacred cow in the barnyard of trade policy sectors.4

Die hohen Kosten dieser Unterstützungsprogramme führten schließlich (vor allem auf Seiten der USA) zu der Einsicht, daß Agrarreformen unerläßlich seien. Verstärkt wurde dieser Wunsch nach Reformen dadurch, daß die jeweiligen Subventionsprogramme nicht nur der eigenen Volkswirtschaft, sondern auch dem gesamten Agrarhandel schadeten. So mußten die USA im transatlantischen Handel eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Agrarexporte durch die GAP hinnehmen. 5 2 Vgl. Andrew F. Cooper/Grace Skogstad, "Introduction: Domestic Pressures, International Tensions, and the MTN", in: Grace Skogstad/ Andrew F. Cooper (Hg.), Agricultural Trade: Domestic Pressuresand International Tensions, Halifax 1990, S. 6f.; "The Cosy Cooperative", in: The Economist, Beilage, 325 (12. 12. 1992) 7789, S. 12ff. 3 Vgl. Barry Wilson/ Peter Finkle, "ls Agriculture Different? Another Round in the Battle between Theory and Practice", in: Skogstad/Cooper (Hg.), S. 14ff.; Alan B. Philip, "The European Community: Balancing International Pressuresand Domestic Demands", in: Skogstad/Cooper (Hg.), S. 71; "What Makes Fanning Different?", in: The Economist, Beilage, 325 (12. 12. 1992) 7789, S. 8ff.; Hathaway, S. 69f. 4 "Agriculture" [WWW Dokument], URL: http://www.cid.harvard.edu/cidtrade vom 3. 2. 2000. 5 Vgl. Philip, S. 69; Hathaway, S. 78; Hudec (Mirror), S. 91 f.

I. Die betroffenen Wirtschaftssektoren in den Handelskonflikten seit 1985

217

Aus diesem Grund verfolgten die USA ,unfaire' Handelspraktiken der EG im Agrarbereich mit besonderer Härte, und es kam zu einer Reihe von Konflikten, die das Potential besaßen, sich zu richtigen Handelskriegen auszuweiten. An erster Stelle stand hierbei die ausgeprägte Subventionspolitik der EG, die in den Augen der USA gegen den ,fairen' Wettbewerb verstieß und das sogenannte Level playing field im Handel zerstörte. Die zahlreichen landwirtschaftlichen Konflikte, die -bis auf die Ölsaaten -nur einen sehr geringen Teil (des ohnehin kleinen Volumens) des Agrarhandels betrafen, müssen somit als Teil des gesamten Kampfes der USA gegen den europäischen Protektionismus gesehen werden (pars pro toto). The large developed countfies (Canada and the United States) desire increased liberalization, a goal that accords with the rationalization and modemization of agricultural production in these nations. On the other hand, the older, yet industrialized nations of the European Union fear that rapid liberalization will destroy their long traditions of agricultural production, eliminating agriculture's positive social externalities along with commodity production. Liberalization would also further destabilize the unwie!dy and inefficient Common Agricultural Policy that heavily subsidizes EU fanns. Due to tensions between these opposing views, little progress has occurred in terms of multilateral liberalization of the agricultural sector.6

2. Die Rolle der nicht-tarifären Handelshemmnisse in der Landwirtschaft

Mit dem allgemeinen Rückgang der Zölle im Handel gewannen die nicht-tarifären Handelshemmnisse an Bedeutung. Dies gilt auch für den Agrarsektor, in dem die Zollbarrieren durch das WTO-Abkommen über die Landwirtschaft um durchschnittlich 36% gesenkt wurden. Die Mehrzahl der Konflikte findet daher heute im Bereich der nicht-tarifären Handelshemmnisse statt und betrifft vor allem Unterschiede in den Regelungssystemen, die den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten aus Gesundheits-, Tierschutz- oder Pflanzenschutz- gründen beschränken. Diese Tendenz wird auch anband der dargestellten Agrarkonflikte zwischen den USA und der EG deutlich: Es geht vor allem um unterschiedliche Ansichten über die Sicherheit von Nahrungsmitteln. An erster Stelle steht der Konflikt über Hormone im Fleisch, der seit über einem Jahrzehnt ausgefochten wird und bis heute ungelöst ist. In dieselbe Kategorie fällt auch die Auseinandersetzung über die Fleischverarbeitung in den USA: Die EG stufte die Mehrzahl der amerikanischen Schlachthöfe als ungeeignet für den Export ein, da sie nicht mit den aufgestellten Gesundheitsvorschriften übereinstimmten. Ein weiterer Streitpunkt betrifft den neuen Bereich der Biotechnik (GMO), in dem die USA u. a. den langsamen Zulassungsprozeß der EG kritisieren, die EG jedoch auf mögliche Risiken für den Verbraucher verweist. Andere Streitigkeiten gehen um das Verbot von BSE-Risikomaterial und die Einführung neuer Normen bei Tierprodukten. 6

"Agriculture".

F. Fazit

218

The hormone dispute is part of an ernerging problem: environmental and health risks are increasingly traded among nations with goods and services. These risks are the opposite of services - they are environmental and health disservices traded across national borders 7

Die divergierenden Ansichten über die Sicherheit von Nahrungsmitteln hängen zu großen Teilen von den unterschiedlichen Kulturen in beiden Regionen ab. So betonte Bruce Silverglade vom Center for Science in the Public Interest: Science has its Iimits when it comes to risk management decisions, and it's not value free. Risk assessments are based on assumptions, and ... these can be cultural assumptions ... Cultural differences play a very key roJe in explaining what some may think as protectionist attitudes 8

Wahrend die EG ihre Maßnahmen wie z. B. das Importverbot von hormonbehandeltem Fleisch oder die langsame Zulassung und Kennzeichnung von GMO mit notwendigem Verbraucherschutz rechtfertigt, sehen die USA hierin politisch motivierte Eingriffe. Sie sind der Ansicht, daß die Bürgeraufgrund der BSE-Krise das Vertrauen in Regierungen und Wissenschaft verloren haben und infolgedessen irrational auf Veränderungen (wie z. B. gentechnisch veränderte Nahrungsmittel) reagieren. Die EU-Kommission gebe diesen Befürchtungen nach, auch wenn sie wissenschaftlich nicht belegbar seien, um das Vertrauen der Verbraucher in das Nahrungsmittelsystem durch strengere Maßnahmen als notwendig wieder aufzubauen.9 Da die USA die Mehrzahl dieser Normen und Regeln für wissenschaftlich nicht gerechtfertigt halten, gehen sie in zunehmendem Maße im Namen des ,fairen Handels' gegen die EG vor: "The attack on foreign ,unfair' trade barriers is likely to prove a popular part of any U.S. strategy for the next round of trade negotiations on agriculture, with the identification of barriers based on ,pseudo-science' being a major target." 10 Sie sehen neben den Subventionen vor allem die nicht-tarifären Handelshemmnisse in der EG als die Wettbewerbsverzerrungen an, die einen ,fairen Handel ' zu Lasten der USA ausschließen. Grundsätzlich ist es bei dieser Art von Konflikten sehr schwierig, eine einvernehmliche Lösung zu finden, da die erlaubten Risiken in der Nahrungsmittelversorgung wesentliche Bereiche der nationalen Souveränität ausmachen und kulturelle Eigenheiten betreffen. 7 C. Ford Runge, "The United States: Domestic and International Interactions", in: Skogstad/Cooper (Hg.), S. 63/64.

8 Bruce Silverglade, "The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures Weakening Food Safety Regulations to Facilitate Trade?" [WWW Dokument), URL: http:// www.cid.harvard.edu/cidtrade vom 3. 2. 2000. 9 V gl. Josling (GMO), S. 7 ff.; USTR (2000 National Trade Report), S. 94; Karl-Otto Hondrich, "Das Zwischenmenschliche zieht uns Hinab", in: FAZ vom 22. 4. 2000, S. I. 10 Josling (Beef-Hormone), S. 15.

I. Die betroffenen Wirtschaftssektoren in den Handelskonflikten seit 1985

219

3. Die betroffenen Wirtschaftssektoren im Industriegüterverkehr

Die Streitigkeiten im Industriegüterverkehr zwischen den USA und der EG lassen sich grob in drei Bereiche einteilen: (1) den auslaufenden Industrien, (2) den wettbewerbsintensiven Zukunftstechnologien und (3) dem öffentlichen Auftragswesen. Das klassische Beispiel für einen Streitfall auf dem Gebiet der auslaufenden Industrien ist der Stahlkonflikt, der seit 1982 zwischen den USA und der EG andauert und die Handelsbeziehungen nachhaltig beeinträchtigt. Die Ursachen für die Probleme im Stahlbereich liegen in der steigenden Konkurrenz aus Dritt1ändern, welche zu rückläufigen Preisen auf dem Weltmarkt und zu Kapazitätsüberschüssen führte. Zusätzlich wurden neue, stahlsparende Erzeugnisse entwickelt, die die Nachfrage nach Stahl weiter sinken ließen. Die USA warfen der EG in diesem Zusammenhang Subventionen und Dumping vor, und es kam zu zahlreichen Sektion 301-, Antidumping- und Ausgleichszollklagen. Dieser Konflikt konnte bis heute nicht endgültig gelöst werden, da beide Seiten daran interessiert sind, ihre Stahlindustrie zu schützen und sich gleichzeitig die Situation auf dem Weltmarkt verschlechtert. Das zweite zentrale Problemfeld im Industriegüterverkehr liegt in den sogenannten Zukunftsindustrien, dem Hochtechnologiesektor. Dieser Bereich bereitete den USA in den 80er Jahren Schwierigkeiten, da der Handelsbilanzüberschuß bei Hochtechnologieprodukten von 1980 bis 1985 von 27 Mrd. U.S. Dollar auf 5 Mrd. U.S. Dollar gesunken war. Obwohl sich dieser Einbruch Ende der 80er Jahre umkehrte und U.S. Exporte bis 1992 um durchschnittlich 10% pro Jahr stiegen, verfolgen die USA bis heute eine sehr aggressive Handelspolitik in diesem Sektor. Der Grund liegt darin, daß der Hochtechnologiebereich aufgrund des hohen Aufwands an F&E und hoher Lernkosten auf Skalenerträge und somit auf große ausländische Marktanteile angewiesen ist. 11 Die EG ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für amerikanische Hochtechnologieprodukte. So gingen 1995 mehr als ein Viertel (29%) aller U.S. Hochtechnologieexporte im Wert von 27,4 Mrd. U.S. Dollar in die EGY Aufgrund dieser Bedeutung für amerikanische Exporte verfolgen die USA mögliche ,unfaire' Handelshemmnisse der EG mit besonderer Härte. Die Konflikte in diesem Bereich betrafen Computerausrüstungen (Zölle bei LAN-Material), Halbleiterprodukte (local content-Anforderungen der EG), Telekommunikationsprodukte (Normen) und Flugzeuge (Normen). Der dritte große Problembereich zwischen den USA und der EG betraf das öffentliche Auftragswesen. In diesem Bereich bestehen bis heute keine umfassen11 Vgl. Andreas Falke, "Handelspolitik", in: Herbert Dittgen/Michael Minkenberg (Hg.), Dasamerikanische Dilemma, Paderborn u. a. 1996, S. 326ff.; Low, S. 16. 12 Vgl. Eurostat, Statistics in Focus: External Trade, EU Trade in High-Technology Products - Results until 1995, Luxemburg 1997, S. 3 ff.

220

F. Fazit

den multilateralen Regeln, und somit konnten sowohl die USA als auch die EG diskriminierende Vorkehrungen in ihre Gesetzen integrieren (Sektorenrichtlinie der EG, Buy American Act der USA). Die jeweiligen Märkte des öffentlichen Beschaffungswesens sind jedoch sehr groß und lukrativ, und daher kam es wiederholt zu Streitigkeiten. 1993 wurde schließlich ein bilaterales Interimsabkommen zwischen den USA und der EG vereinbart, und 1994 kam im Rahmen der Uruguay-Runde ein plurilaterales Abkommen über das öffentliche Auftragswesen zustande. Beide Übereinkommen liberalisierten den Markt zu einem gewissen Teil; die Regeln sind jedoch nicht umfassend und schließen große Bereiche weiterhin aus. Da die nationalen und regionalen Diskriminierungen somit weiter bestehen, kritisieren sowohl die EG als auch die USA bis heute die Politik des anderen in ihren jeweiligen Berichten über die Handelsbarrieren des Partners. 4. Die betroffenen Wirtschaftssektoren im Dienstleistungsverkehr

Seit 1985 fanden drei Konflikte zwischen den USA und der EG im Bereich des Dienstleistungsverkehrs statt: Zunächst entstand 1988 im Finanzdienstleistungssektor ein Konflikt im Zusammenhang mit der Niederlassung ausländischer Banken im EG-Binnenmarkt; Auslöser waren hierbei Reziprozitätsforderungen der EG. Weitere Streitigkeiten betrafen 1989 die europäische Quotenregelung im audiovisuellen Sektor und 1998 das Problem des Datentransfers im Internet. In allen Konflikten ging es um sehr sensible Bereiche für die USA. So stellen Finanzdienstleistungen einen der schnellst wachsenden Wirtschaftssektoren dar; die USA waren daher an einem möglichst offenen Markt in der EG interessiert. Im audiovisuellen Bereich ist der EG-Binnenmarkt der größte Absatzmarkt für amerikanische Spielfilme und Fernsehserien, so daß die Quotenregelung zu schmerzlichen Einschnitten bei U.S. Exporten führte. Und die Datentransfers im Internet betreffen einen wesentlichen Teil des Geschäftsverkehrs zwischen amerikanischen Tochtergesellschaften im EG-Binnenmarkt und den betreffenden Muttergesellschaften. Aus diesen Griinden waren und sind die USA sehr an einer bilateralen Lösung dieser Streitigkeiten interessiert und betreiben die Verhandlungen mit besonderem Nachdruck.

II. Die transatlantischen Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität In den vorangegangenen Kapiteln wurde der Wandel in den USA zur strikten Reziprozität vor allem an den Handelsgesetzen von 1974 und 1988 festgemacht: Für den (angeblich) bereits bestehenden offenen amerikanischen Markt sollten konkrete Gegenleistungen der Handelspartner erbracht werden, um gleichwertige

Il. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

221

Marktzugangsbedingungen zu schaffen. In der Handelsgesetzgebung überlagerte damit die Maxime des fair trade den multilateral abgesicherten Grundsatz des frei(er)en (Welt)handels. Aufgrund der empirischen Befunde (siehe Kapitel E) soll nun abschließend bewertet werden, ob die USA gemäß der Zielsetzung der Handelsgesetze in den dargestellten und analysierten Handelskonflikten auf bilateraler Ebene reziproke Handelsbedingungen verwirklichen wollten (,fairer Handel') oder ob sie nicht doch im Sinne des Freihandels in erster Linie gegen europäische Verordnungen I Richtlinien vorgingen, die- ihrer Ansicht nach- die multilateralen Regeln verletzten. Im folgenden werden vier Kriterien herangezogen, anhand derer die handelspolitische Zielsetzung der Auseinandersetzungen bestimmt wird: (1) Auch wenn alle Handelskonflikte (wie oben ausgeführt) vor dem regulatorischen Hintergrund des Druckmittels der Sektion 301 gesehen werden müssen, können Anwendung bzw. Nichtanwendung im konkreten Einzelfall doch die Zielrichtung des Konflikts (und den handelspolitischen Kontext) aufzeigen. Als erstes Kriterium bietet sich daher an, die faktische Handhabung dieses handelspolitischen Instruments nach sektoralen Schwerpunkten und Zielregionen daraufhin zu prüfen, ob bereits die Einleitung eines Sektion 301-Verfahrens als Umsetzung der Reziprozitäts-Leitlinie der Handelsgesetzgebung verstanden werden kann. (2) Danach wird untersucht, auf welcher Ebene - multilateral oder bilateral die Handelskonflikte zwischen den USA und der EG gelöst wurden. Es liegt nahe, daß Konflikte, bei denen es um die Beseitigung von Handelshemmnissen ging, die dem Freihandel entgegenstanden, im Rahmen des multilateralen Streitschlichtungsmechanismus des GATT I WTO gelöst wurden. Auf der anderen Seite können auf bilateraler Ebene Konzessionen ausgehandelt werden, die dazu dienen, reziproke Marktzugangsbedingungen mit dem Ziel des fair trade herzustellen. (3) Des weiteren spielt bei der Beurteilung der Auslöser für die Handelsstreitigkeiten eine gewichtige Rolle. Es wird untersucht, ob die USA ohne konkreten Anlaß seitens der EG gleiche Wettbewerbsbedingungen im Gegenzug für den eigenen offenen Markt forderten oder ob der Konflikt als Reaktion auf eine europäische Verordnung I Richtlinie begann, die - nach Ansicht der USA - den Handel beeinträchtigte. Im ersteren Fall wäre das Prinzip der strikten Reziprozität verwirklicht, während im letzteren Falllediglich Störungen des Freihandels beseitigt würden. (4) Abschließend gilt es herauszufinden, ob ein Zusammenhang zwischen dem steigenden Handelsbilanzdefizit der USA (mit der EG) und dem Aufkommen neuer transatlantischer Konflikte besteht, bei denen die USA gegen mögliche ,unfaire' Maßnahmen der EG vorgehen. So wurde bei der Verabschiedung der Handelsgesetze von 1974 und 1988 betont, daß diese dazu dienen sollten, ,unfairen' Handelspraktiken wirksam begegnen zu können. Die Verwirklichung eines ,fairen Handels' wurde an den bilateralen Handelsbilanzen - und zum Teil auch an den

222

F. Fazit

Handelsbilanzen in einzelnen Produktsektoren (z. B. Telekommunikation) -festgemacht. Es läßt sich somit vermuten, daß die Handelskonflikte mit steigendem Handelsbilanzdefizit zunahmen, wenn das Prinzip der strikten Reziprozität eine Rolle spielte. 1. Die Bedeutung der Sektion 301 in den Handelskonflikten mit der EG a) Die Sektion 301-Verfahren von 1975 bis 1984

Bevor auf die Rolle der Sektion 301 in den Handelskonflikten seit 1985 eingegangen wird, wird ein kurzer Überblick über die Sektion 301-Verfahren von 1975 (dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Handelsgesetzes von 1974) bis 1984 gegeben. Die folgende Analyse veranschaulicht nämlich, daß die Sektion 301-Verfahren, die seit 1985 stattfanden, als Fortsetzung der Handelspolitik der USA seit 1974 zu verstehen sind. In beiden Zeitperioden war die Mehrzahl der Verfahren gegen dieEGgerichtet (Japan kam erst an zweiter Stelle), und zwar speziell gegen die GAP. Wahrend die USA im Zeitabschnitt von 1975 bis 1984 in erster Linie gegen Agrarsubventionen kämpften, gingen sie in der Zeit nach 1985 - wie bereits beschrieben -vor allem gegen ,unfaire' Normen und Regeln im Nahrungsmittelbereich vor. In der folgenden Tabelle wird durch Klammem angedeutet, daß die Konflikte obwohl sie vor 1985 begannen - in den Handelsstreitigkeiten seit 1985 mitgezählt werden, weil sie im Jahr 1985 und zum Teil noch später aktuell waren.

Tabelle F-4

Liste der Sektion 301-Verfahren gegen die EG von 1975 bis 1984 (chronologisch) Beginn des Verfahrens

Ursache für Verfahren

Sektion 301

GAIT/ WTO Panel

Sanktionen

Lösung

1. 1975

Zusätzliche Steuer auf Eierimporte

301_3

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

2. 1975

Minimum Importpreissystem I Lizenzen für Dosenfrüchte, Säfte und Gemüse

301_4

Ja

Nein

EG folgt GATT-Panel

3. 1975

Exportsubventionen bei Malz

301_5

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

4. 1975

Exportsubventionen bei Weizenmehl

301_6

Ja

Nein

Lösung in der UruguayRunde

Il. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

223

5. 1976

Veränderbare Steuer auf Zucker, der Dosenfrüchten und Säften zugefügt wird

301_7

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

6. 1976

Mischanforderungen bei Viehfutter

301_8

Ja

Nein

Bilaterale Einigung vor PanelEntscheid

7. 1976

Umlenkung von Stahl in die USA (EG, Japan)

301_10

Nein

Nein

USTR beendet Untersuchung

(8. 1976)

(Zollpräferenzen für Zitrusfrüchte)

301_11

Ja

Ja

Bilaterales Abkommen

9. 1978

Exportsubventionen bei Weizen

301_16

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

10. 1981

Exportsubventionen bei Zucker

301_22

Nein

Nein

Lösung in der UruguayRunde

11. 1981

Exportsubventionen bei Geflügel

301_23

Nein

Nein

Lösung in der UruguayRunde

12. 1981

Exportsubventionen bei Teigwaren

301_25

Ja

Ja

Bilaterales Abkommen

(13. 1981)

(Subventionen beil)osenfrüchten)

301_26

Ja

Nein

Bilaterales Abkommen

(14., 15., 16., 17. 1982)

(Subventionen bei Stahl in F, I, UK und B (von EG bewilligt))

301_28, 29, 31,33

Nein

Ja

Mehrere bilaterale Abkommen; bis heute Konfliktfall

18. 1984

Normen bei Superphosphat

301_47

Nein

Nein

Konsultationen

Quelle: USTR (Section 301).

Die EG war seit lokrafttreten der Sektion 301 das wesentliche Ziel der USA: Von den insgesamt 47 Verfahren von 1975 bis 1984 betrafen vierzehn die EG und vier weitere einzelne BQ-Mitgliedstaaten. Auch in diesen Fällen (Stahlsubventionen) wandten sich die USA indirekt gegen die EG, da diese die Subventionen bewilligt hatte. Im Vergleich dazu gingen in diesem Zeitraum nur fünf der Verfahren gegen Japan, gefolgt von Kanada mit vier und der Republik Korea, Argentinien und Taiwan mit jeweils drei Sektion 301-VerfahrenY Diese Verteilung ist insofern erstaunlich, als Japan mit seinem hohen Handelsbilanzüberschuß der Hauptauslöser für die amerikanische Handelsgesetzgebung von 1974 gewesen war. 13

Vgl. USTR (Section 301).

224

F. Fazit

Insgesamt betrafen von den achtzehn Sektion 301-Verfahren gegen die EG und ihre Mitgliedstaaten zwölf den Agrarhandel und ,nur' sechs den Industriegüterverkehr. Die Masse der Konflikte ging um Exportsubventionen der EG, die im Rahmen der GAP bewilligt worden waren. Dieser Bereich war im GATT gesondert behandelt worden: ursprünglich bestand nur eine Meldepflicht; später wurden die Exportsubventionen verboten, mit der Ausnahme bei Primärgütem. Der entsprechende Art. XVI Abs. 4 GATT schrieb bei Primärgütern vor, daß Exportsubventionen nicht derart angewandt werden sollten, daß sie einem Vertragspartner bei dem betreffenden Produkt- im Vergleich zu einem vorherigen, repräsentativen Zeitraum- mehr als den ,equitable share ofworld trade' verschafften. 14 Aufgrund dieser vagen Formulierung kam es zwischen den USA und der EG häufig zu Streitigkeiten über Exportsubventionen. Wahrend die EG Subventionen auf europäischer Ebene als legitime Methode der Wirtschaftsförderung ansah, wurden sie in den USA im Rahmen der Politik des fair trade in der Mehrzahl der Fälle als unzulässige und ,unfaire' Maßnahmen eingestuft, die das Ievel playing field im Welthandel verzerrten. Aus diesem Grund leiteten die USA von 1975 bis 1984 sieben Sektion 301-Verfahren gegen Agrarsubventionen der EG ein: 1975 gegen Subventionen bei Malz und Weizenmehl, 1978 bei Weizen und 1981 bei Zucker, Geflügel, Teigwaren und Dosenfrüchten. In diesem Zusammenhang betonte Robert Baldwin: As the section 301 cases dealing with agricultural products indicate, the present govemrnent has rnade a rnajor effort to Iimit the EC's subsidizing exports of agricultural products. The United States contents that the Cornrnunity's subsidies have significantly reduced the U.S. export share of agricultural goods in third rnarkets. 15

b) Die Sektion 301-Verfahren von 1985 bis 1999

In der folgenden Tabelle werden alle Sektion 301-Verfahren gegen die EG seit 1985 aufgelistet. Insgesamt betrafen dreizehn der 72 Sektion 301-Verfahren von 1985 bis Ende 1999 die EG; es wurde jedoch in keinem der Fälle der Super 301 oder der Special 301 angewandt. Im Vergleich dazu gingen zehn Verfahren gegen Japan, acht gegen Kanada, sieben gegen die Republik Korea und jeweils fünf gegen Brasilien und Indien. Hierbei wurden auch die Verfahren nach dem Super 301 und dem Special 301 mitgezählt. Die EG war somit auch in diesem Zeitraum das Hauptziel der Untersuchungen: allerdings haben sich die Relationen deutlich zu Lasten anderer Regionen (Japan) verschoben.

14 15

V gl. Hathaway, S. 105 ff.; Robert E. Baldwin (Trade Policy), S. 85. Robert E. Baldwin (Trade Policy), S. 85.

II. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

225

Tabelle F-5 Liste der Sektion 301-Verfahren gegen die EG von 1985 bis 1999 (chronologisch) Beginn des Verfahrens

Ursache für Verfahren

Sektion 301

WTO

Sanktionen

GATT/

Panel

Lösung

1. 1986

Kompensationen für EG-Süderweiterung

301_54

Nein

Ja

Bilaterales Abkommen

2. 1987

Neue Normen bei Fleischverarbeitung aus Drittstaaten

301_60

Ja

Nein

Bilaterales Abkommen

3. 1987

Importverbot für Hormonfleisch

301_62

Ja

Ja

Bis heute ungelöst

4. 1987

s.ubventionierung von Olsaaten

301_63

Ja

Ja

Blair HauseAbkommen in der UruguayRunde

5. 1988

Exportrestriktionen bei Kupfer/Zink

301_70

Ja

Nein

Bilaterales Abkommen

6. 1989

Subventionen bei Dosenfrüchten

301_71

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

7. 1990

Kompensationen für EG-Süderweiterung

301_81

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

8. 1991

Neue Normen bei Fleischverarbeitung aus Drittstaaten

301_83

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

9. 1994

Handelsbarrieren durch Bananenmarktordnung

301_94

Nein

Nein

Untersuchung wird 1995 beendet

10. 1995

Handelsbarrieren durch Bananenmarktordnung

301 - 100

Ja

Ja

Lösung des Konflikts im Frühjahr 2001

11. 1995

Kompensationen für EG-Norderweiterung

301 - 101

Nein

Nein

Bilaterales Abkommen

12. 1997

Subventionen bei Weizenklebern

301 - 111

Nein

Ja

Sektion 201; bis heute ungelöst

13. 1997

Subventionen bei Schmelzkäse

301_114

Nein

Nein

Quelle: USTR (Section 301). 15 Decker

USA überlegen weitere Schritte

226

F. Fazit

14 ~--~--~~-r~--~~------~----~~-rnn~~~~.---~ 12~--~----~~~~~~~~~~~--~-+~--------------~

10 +-~~-----7---+=-~------~------~--~-+----------~

8 6

-hrr------+-~~---+

2 -Jil"',-lllt-l O+U~~~~~~~~~~~~L4~~~~~~~L4~~~~~~-Y

1975

1977

1979

1981

1983

1985

1987

1989

1991

1993

1995

1997

1999

•zahl der Sektion 301-Verfahren gegen die EG OZahl der Sektion 301-Verfahren ohne EG (inklusive Super 301, Special301)

Diagramm F-1: Beginn von Sektion 301-, Super 301- und Specia/301-Verfahren

Wie auch im vorherigen Zeitraum richtete sich die Mehrzahl der oben angeführten Verfahren gegen Handelspraktiken der EG im Rahmen der GAP. Die meisten Konflikte betrafen jetzt aber nicht-tarifäre Handelshemmnisse (v. a. Normen) der EG im Bereich der Nahrungsmittelindustrie, während nur noch vier der Fälle Subventionen zum Gegenstand hatten. Die hervorragende Bedeutung der nicht-tarifären Handelshemmnisse im Kampf der USA um fair trade ist damit schon hinreichend belegt. Die Anwendung der Sektion 301 zeugt also von einem hohen Grad an Konsistenz: Sowohl in dem Zeitraum von 1975 bis 1984 als auch von 1985 bis 1999 war die EG das primäre Ziel der Verfahren, auch wenn ihr Anteil mit der Zeit abnahm. Das Augenmerk der USA lag hierbei vor allem auf den handelsverzerrenden Maßnahmen der EG im Rahmen der GAP.

c) Die Rolle der Sektion 301 in den Handelskonflikten seit 1985

Grundlage meiner Untersuchung des Reziprozitätsprinzips bilden die gesamten transatlantischen Konflikte, die im Zusammenhang mit der europäischen Integration entstanden und seit 1985 aktuell waren, unabhängig davon, ob die Sektion 301 eingesetzt wurde oder nicht (vgl. Tabellen F-1/2/3). Von den insgesamt siebzehn Konflikten im Agrarbereich wurden zehn, knapp zwei Drittel aller Fälle, mit einem Sektion 301-Verfahren begonnen. Diese Zahl kann sich noch erhöhen, da bei den neueren Konflikten weiterhin die Möglichkeit besteht, daß ein Verfahren eingeleitet wird. Interessant hierbei ist, daß die Sektion 301 in allen acht Konflikten im Agrarbereich bis 1995 eingesetzt wurde;

II. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

227

erst danach wurden mehrere Konflikte ohne ein Sektion 301-Verfahren begonnen und zum Teil gelöst. In vier der Fälle (Subventionen bei Dosenfrüchten, EG-Süderweiterung, Fleischverarbeitung und Bananen) wurde die Sektion 301 zweimal eingesetzt, so daß sie im Agrarbereich insgesamt vierzehnmal gegen die EG zum Tragen kam. Im Bereich der Industriegüter begannen zwei der acht Konflikte mit einem Sektion 301-Verfahren (Stahl, Kupfer- und Zinkschrott), und einer der Konflikte (öffentliches Auftragswesen) betraf Titel VII des Handelsgesetzes von 1988. Die vier Sektion 301-Verfahren gegen EG-Mitgliedstaaten im Stahlbereich werden hierbei als ein transatlantischer Konflikt gezählt. Im Dienstleistungsbereich wurde die Sektion 301 in keinem der Konflikte eingesetzt. Nur im Bereich des audiovisuellen Sektors forderte die Motion Picture Association of America 1993 ein Verfahren, welches jedoch vom USTR abgelehnt wurde. d) Schlußfolgerungen über Reziprozität Schwerpunktregion des amerikanischen Handelsdefizits war und ist nicht Europa, sondern Asien (Japan, China). Dennoch richtete sich die Anwendung des handelspolitischen Instrumentariums - allerdings mit nachlassender Tendenz - vorwiegend gegen die EG. Hierbei standen bei der Politik des fair trade nicht die schwerpunktmäßig defizitären Austauschbereiche im Vordergrund, sondern die GAP - wobei sich der Ansatzpunkt von den (Export)subventionen zu den nichttarifären Handelshemmnissen verlagerte. Das entspricht im übrigen (wie oben gezeigt) der Gesamtausrichtung aller erfaßten Handelskonflikte. Diese klar erkennbare Akzentuierung verbietet eine Gleichsetzung von Sektion 301-Verfahren mit einer unilateralen level playing .field-Politik (=strikte Reziprozität), wie aufgrund der Handelsgesetze erwartet werden könnte. Vielmehr scheint hier (pars pro toto) der europäische Integrations-Protektionismus die Zielscheibe zu sein. Das zweite Prüfungskriterium, die Lösungsebene (multilateral I bilateral), schließt sich insofern nahtlos an, als es auch den Fortgang und den Abschluß der nach Sektion 301 eingeleiteten Verfahren erfaßt.

2. Die Ebene der Streitschlichtung (multilateral - bilateral)

a) Der Agrarhandel Im Bereich des Agrarhandels wurde das Sektion 301-Verfahren in zehn der insgesamt siebzehn Konflikte ein oder mehrmals angewandt, und in sechs der Fälle kam es im Verlauf des Verfahrens zur Einsetzung eines GATT- bzw. WTO-Panels (Zitrus, Dosenfrüchte, Fleischverarbeitung, Ölsaaten, Hormone und Bananen). Der

228

F. Fazit

Ablauf dieser letzten sechs Handelskonflikte war zu GATT-Zeiten in allen Fällen gleich: So wurde im Rahmen des Sektion 301-Verfahrens ein GATT-Panel einberufen, welches den USA jedesmal Recht gab. Durch das Konsensprinzip konnte die EG jedoch die Annahme des Panelberichts verweigern, und somit mußte eine Lösung auf bilateraler Ebene gefunden werden. Zu diesem Zeitpunkt erhoben die USA in der Regel Strafzölle, oder sie drohten mit deren Anwendung, und dies gab dann den Ausschlag für eine endgültige bilaterale Lösung. Nach 1995 (dem Inkrafttreten der WTO) konnte die EG die Annahme des Panelberichts (und damit eine Entscheidung im Bananen- bzw. Hormonstreit) nicht mehr blockieren. In diesen Fällen verzögerte die EG jedoch die Umsetzung des Panelentscheids. Die USA erhoben daraufhin Strafzölle im Einklang mit den Regeln des Streitschlichtungsmechanismus der WTO. Insgesamt machten die USA also im Bereich der Landwirtschaft starken Gebrauch vom multilateralen Streitschlichtungsverfahren. So betonte USTR Barshefski bei einer Anhörung vor dem Senatsausschuß für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten im Mai 1998: We have not been shy in using the WTO's dispule settlement system. The United States has filed 36 complaints with the WTO. Fourteen of them - just over one-third - involve agricultural products. We bring good cases to the WTO and we have scored significant victories; successfully resolving 18 out of 19 complaints. 16

Von den vier Konflikten, die ein Sektion 301-Verfahren beinhalteten, jedoch zu keinem GATT- bzw. WTO-Panel führten, betrafen zwei Fälle Kompensationsforderungen der USA für die EG-Süd- und Norderweiterung. Hierbei konnten die Probleme auf bilateraler Ebene gelöst werden, bevor es zu einem GATT /WTO-Panel kam. Die Androhung von Strafzöllen innerhalb des festen Zeitplans der Sektion 301-Verfahren spielte jedoch eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen der bilateralen Abkommen. Bei den übrigen zwei Konflikten wurde im Fall der Weizenkleber eine Sektion 301-Untersuchung abgebrochen, und im Fall von Schmelzkäse überlegen die USA weitere Schritte. Wenn ein Streitfall zwei Sektion 301-Verfahren beinhaltete (Dosenfrüchte, Süderweiterung, Normen bei der Fleischverarbeitung, Bananen), ging es - mit Ausnahme der Bananen -um die Verletzung eines vorher ausgehandelten Abkommens zwischen den USA und der EG. Daher war es in allen Fällen möglich, auf bilateraler Ebene eine Lösung zu finden. Nur beim Konflikt um die europäische Bananenmarktordnung wurde das zweite Sektion 301-Verfahren direkt im Anschluß an das erste Verfahren und parallel zu dem neu einberufenen WTO-Panel eingeleitet. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Sektion 301 dazu diente, auf Probleme in den bilateralen Handelsbeziehungen aufmerksam zu machen, die dann 16 Charlene Barshefski, Anhörung vor dem ,Senatsausschuß für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten' [WWW Dokument], URL: http://www.useu.be/issues/barsh508.html vom 5. 6. 1998.

Il. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

229

zunächst auf bilateraler und, wenn keine Lösung möglich war, auf multilateraler Ebene verhandelt wurden. Im Bereich des Agrarhandels war durch den hohen politischen Druck, der auf den Problemen lastete, nur selten eine bilaterale Lösung ohne Vermittlung in Sicht, so daß in den meisten Fällen ein GATT- bzw. WTO-Panel eingesetzt wurde. Die USA sahen in der GAP den Hauptauslöser für Verzerrungen und Beeinträchtigungen im Agrarhandel, während die EG sie als wesentliches Bindeglied der europäischen Integration einstufte. Im Bereich des Agrarhandels fanden zusätzlich sieben Konflikte ohne ein Sektion 301-Verfahren statt. Bei diesen Konflikten wurde in keinem der Fälle ein GATT- oder WTO-Panel einberufen, da sich beide Seiten auf bilateraler Ebene einigen konnten, bevor es zu einem multilateralen Streitschlichtungsverfahren kam. So war die Rechtslage bei dem Konflikt um die Verletzung der WTO-Zollverpflichtungen bei Getreide so eindeutig, daß sich die EG auf bilateraler Ebene zu Zugeständnissen bereit erklärte, und der Streit um Subventionen bei Gerste konnte alternativ gelöst werden. Bei den restlichen Fällen ging es um Handelsabkommen zwischen den USA und der EG, bei denen eine bilaterale Lösung naheliegend war (Normen bei Tierprodukten, Tierfallen), oder um neue Bereiche, die zunächst auf bilateraler Ebene verhandelt wurden (GMO, BSE). Der Konflikt um Antibiotika im Tierfutter gehört hingegen zu den Fällen, in denen bis heute weitere Schritte überlegt werden. Der Ablauf dieser Konflikte, die ohne ein Sektion 301-Verfahren stattfanden, untermauert die Tatsache, daß die Suche nach einer bilateralen Lösung vorherrschend ist. Erst wenn die Positionen festgefahren sind, wird ein GATT- bzw. WTO-Panel einberufen. Da die USA in diesen Fällen das multilaterale Streitschlichtungsverfahren nutzten, liegt zumindest insoweit die Vermutung nahe, daß es um die Beseitigung von Handelsbarrieren ging, die den internationalen Handelsregeln entgegenstanden, und nicht um strikte Reziprozitätsforderungen. b) Der Industriegüterverkehr

In diesem Bereich wurde das Sektion 301-Verfahren nur in zwei transatlantischen Konflikten eingesetzt: zum einen 1982 gegen Stahlsubventionen zahlreicher EG-Mitgliedstaaten und zum anderen 1988 hinsichtlich Exportrestriktionen bei Kupfer- und Zinkschrott Wahrend im Stahlkonflikt ein bilaterales Abkommen ohne Beteiligung des GATT zustande kam (Einigung auf VER), wurde im Fall von Kupfer- und Zinkschrott ein GATT-Panel einberufen, welches jedoch aufgrund einer bilateralen Einigung seine Tätigkeit einstellte. Zusätzlich wurde in einem weiteren Streitfall zwischen den USA und der EG (öffentliches Auftragswesen) Titel VII des Handelsgesetzes von 1988 angewandt. Auch hier kam es zu einer bilateralen Lösung. In allen Konflikten, in denen ein Handelsgesetz angewandt wurde (Sektion 301 oder Titel VII von 1988), war die Suche nach einer bilateralen Lösung vorherr-

230

F. Fazit

sehend. So befürchtete die EG, daß es ohne ein bilaterales Abkommen im Stahlbereich zu zahlreichen Antidumping- und Ausgleichszollklagen von U.S. Unternehmen und somit zu stärkeren Handelsrestriktionen kommen könnte. Im Streit um Exportrestriktionen bei Kupfer- und Zinkschrott war die beanstandete Maßnahme bereits vor dem Abschluß des Panel-Verfahrens ausgelaufen, und beim öffentlichen Auftragswesen waren beide Seiten an einer bilateralen Lösung interessiert, weil es auf diesem Gebiet keine umfassenden internationalen Handelsregeln gab. Bei den restlichen fünf Konfliktfällen, bei denen kein Sektion 301-Verfahren eingeleitet wurde, kam es zu einer Klage vor der WTO (LAN), einer Klage vor der ICAO (Lärmschutz bei Flugzeugen), und drei Konflikte wurden auf bilateraler Ebene gelöst. Tendenziell kann auch hier festgehalten werden, daß die Konflikte vorwiegend aufbilateraler Ebene verhandelt wurden und ein GATT- bzw. WTO-Panel immer dann einberufen wurde, wenn es zu keiner befriedigenden Lösung kam. c) Der Dienstleistungsverkehr

Im Dienstleistungsverkehr wurden alle drei Konflikte, die seit 1985 im Bereich der Finanzdienstleistungen, des audiovisuellen Sektors und bei den Datentransfers im Internet stattfanden, auf bilateraler Ebene verhandelt. In diesem Bereich war eine bilaterale Lösung jedoch v. a. deshalb notwendig, weil zwei der drei Konflikte vor Inkrafttreten des GATS 1995 ausgetragen wurden; somit gab es zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung keine multilateralen Regeln. Bei der Auseinandersetzung um Datentransfers war hingegen die Rechtslage des GATS nicht eindeutig. Die Ebene der Streitschlichtung ist in diesem Fall somit als Kriterium für eine Beurteilung des zugrundeliegenden Reziprozitätsverständnisses wenig geeignet. Obwohl die Sektion 301 in keinem der Fälle eingesetzt wurde, spielte sie als Druckmittel im Hintergrund eine Rolle. So war sich die EG bei dem Konflikt um Finanzdienstleistungen (Zweite Bankrechtskoordinierungsrichtlinie) bewußt, daß bei Inkrafttreten der ursprünglichen Richtlinie die Sektion 301 angewandt würde. Im Streitfall um den audiovisuellen Sektor hatte die Industrie bereits ein Sektion 301-Verfahren gefordert; es wurde jedoch vom USTR nicht eingeleitet. d) Schlußfolgerungen über Reziprozität

Wenn man sich den Verlauf der Konflikte hinsichtlich der Ebene der Streitschlichtung anschaut, läßt sich feststellen, daß die USA daran interessiert waren, die transatlantischen Konflikte wenn möglich auf bilateraler Ebene zu lösen. Dies könnte dafür sprechen, daß sie beabsichtigten, in den bilateralen Verhandlungen mit der EG reziproke Marktzugangsbedingungen im Sinne der strikten Reziprozität auszuhandeln. Allerdings war, wenn eine bilaterale Lösung zustande kam, in den meisten Fällen die Rechtslage oder die Vertragsverletzung eindeutig. Eine Ausnahme bildete

II. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

231

hierbei der Dienstleistungsbereich, in dem die USA und die EG lange Zeit auf bilaterale Lösungen angewiesen waren, weil es vor 1995 keine anwendbaren multilateralen Regeln gab. Hinzu kommt, daß sich die USA in den Fällen, in denen keine bilaterale Lösung zustande kam, an das GATT- bzw. WTO-Streitschlichtungsverfahren hielten. Die EG verweigerte zu GATT-Zeiten in den meisten Fällen die Verabschiedung des Panelberichts. Es kam in den anschließenden Verhandlungen erst zu einer Lösung, nachdem die USA Strafzölle angewandt oder angedroht hatten. Dies änderte sich mit dem neuen Streitschlichtungsmechanismus der WTO, in dem die EG die Verabschiedung des Panelberichts nicht mehr blockieren konnte. Sie rief jedoch in allen Fällen den Appellate Body an, um (angeblich) neue Informationen zu erlangen und vor allem um Zeit zu gewinnen. Zusätzlich war die EG so in der Lage zu demonstrieren, daß sie den Fall bis zuletzt verfolgt hatte, um das Urteil noch abzuwenden. Mit lokrafttreten des WTO-Streitschlichtungsmechanismus hielt sich der USTR auch bei der Verhängung von Sanktionen an die Regeln des DSB (aus diesem Grund erklärte das WTO-Panel die Sektion 301 auch für WTO-konform). Diese Anwendung der Sektion 301 widerspricht der Kritik Bhagwatis und anderer, die USA bestimmten unilateral sowohl, was ,unfair' sei, als auch über Strafmaßnahmen. Der Verlauf der Konflikte spricht also eher dafür, daß Handelspraktiken beanstandet wurden, die gegen internationale Regeln des Freihandels verstießen und somit im Rahmen des GATT bzw. der WTO angreifbar waren. Um hier zu einem eindeutigeren Ergebnis zu kommen, ist es notwendig, im folgenden die Auslöser der Konflikte zu untersuchen. 3. Der Auslöser für die Konflikte a) Der Agrarhandel

Im Bereich des Agrarhandels reagierten die USA bei ihrer fair trade-Politik in der Mehrzahl der Konflikte auf handelsverzerrende Maßnahmen der EG im Rahmen der GAP. Vage formulierte GATT-Regeln ermöglichten es der EG, ihre Agrarexporte fast uneingeschränkt zu subventionieren. Daher betrafen viele Streitfälle europäische Exportsubventionen (Dosenfrüchte, Ölsaaten, Weizenkleber, Schmelzkäse und Gerste). Erst mit der Uruguay-Runde wurden strengere internationale Handelsregeln in diesem Bereich festgelegt, auf deren Grundlage die USA gegen die EG vorgehen konnten. Ein weiterer großer Konfliktbereich im Rahmen des fair trade betraf EG-weite Normen und Regeln bei Agrarprodukten, und hierbei vor allem im Nahrungsmittelbereich. So verabschiedete die EG mehrere Richtlinien, die sich mit Normen beim Fleisch (Hormonen), der Fleischverarbeitung, bei Tierprodukten, Tierfallen,

232

F. Fazit

Risikomaterial (BSE) und beim Tierfutter beschäftigten. Die USA wehrten sich gegen die Einführung dieser Normen, da sie - (ihrer Meinung nach) häufig ohne wissenschaftliche Grundlage - Importe aus den USA beeinträchtigten oder ganz ausschlossen. Zusätzlich beanstandeten die USA die Zollpräferenzen der EG gegenüber den Mittelmeerländern und den AKP-Staaten, die sowohl im Fall der Zitrusfrüchte als auch bei der Bananenmarktordnung die Exporte der USA beeinträchtigten. In den restlichen Fällen ging es um- von GATT /WTO festgelegte- Kompensationen bei der EG-Süd- und Norderweiterung, die Verletzung der Zollbindungen aus der Uruguay-Runde (Getreidezölle) durch die EG und den langsamen Zulassungsprozeß und die Kennzeichnung von GMO. In allen Fällen begannen die Handelskonflikte als Reaktion auf einen Rechtsakt oder eine Handelspraxis der EG, die U.S. Exporte behinderten. Strikte Reziprozitätsüberlegungen spielten keine Rolle als Auslöser für die Handelskonflikte.

b) Der Industriegüterverkehr

Die transatlantischen Konflikte im Industriegüterverkehr betrafen unterschiedliche Bereiche; alle Streitfälle entstanden jedoch als Antwort auf eine Maßnahme der EG, die den amerikanischen Handel beeinträchtigte. So ging es in den Konflikten um die Erhöhung von Zöllen durch die EG (LAN), verschärfte local ContentAnforderungen bei Schaltkreisen, neue EG-weite Normen in der Telekommunikation und beim Lärmschutzniveau von Flugzeugen, Stahlsubventionen, Exportbeschränkungen bei Kupfer- und Zinkschrott und Diskriminierungen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Das öffentliche Auftragswesen kann insofern als Ausnahme gewertet werden, als die USA die EG zwar als unmittelbare Reaktion auf die Sektorenrichtlinie von 1991 zum Prioritätenland nach Titel VII des Handelsgesetzes erklärten, jedoch auch die USA Vorkehrungen besaßen, die ihrerseits die eigenen Anbieter favorisierten. In den darauffolgenden bilateralen und multilateralen Verhandlungen ging es daher nicht um eine Forderung nach einseitiger Liberalisierung durch die EG, sondern um einen reziproken Abbau der jeweiligen Handelshemmnisse. Strikte Reziprozitätsanforderungen spielten somit bei dem Konflikt um das öffentliche Auftragswesen eine Rolle; es ging jedoch um Reziprozität beim gegenseitigen Abbau von Handelsbarrieren und nicht um Reziprozität bei den bestehenden Marktzugangsbedingungen.

c) Der Dienstleistungsverkehr

Im Dienstleistungsbereich fanden seit 1985 drei Konflikte statt, die alle als Reaktion auf die Verabschiedung einer EG-Richtlinie begannen: Die Streitfälle

li. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

233

entwickelten sich aus den Regelungen der Zweiten Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, die die Niederlassung ausländischer Banken im Binnenmarkt deutlich erschwert hätte, der ,Fernsehrichtlinie', die europaweite Quoten im audiovisuellen Sektor aufstellte, und schließlich der Richtlinie über den Datenschutz im Internet, die den Geschäftsverkehr von U.S. Unternehmen beeinträchtigt hätte. Der Konflikt um die Niederlassung von Banken im EG-Binnenmarkt mit seinen Entsprechungen im Versicherungswesen bildete insofern eine Ausnahme, als in diesem Fall strikte Reziprozitätsüberlegungen eine Rolle spielten, jedoch seitens der EG. So hatte die EG für die Niederlassung ausländischer Banken im Binnenmarkt bestimmte Gegenleistungen gefordert, die zunächst in den Bereich der spiegelbildlichen Reziprozität fielen. Auf Druck der USA schwächte sie diese Vorkehrungen später in die Bedingung eines vergleichbaren Marktzugangs ab; doch auch diese Voraussetzung fiel in den Bereich der strikten Reziprozität, da sie für die Öffnung des eigenen Marktes entsprechende, bilaterale Gegenleistungen anderer Staaten forderte. Seitens der USA spielten Reziprozitätsüberlegungen als Auslöser für Konflikte im Dienstleistungsbereich jedoch keine Rolle.

d) Schlußfolgerungen über Reziprozität

Es läßt sich somit festhalten, daß in allen drei Bereichen (Agrarhandel, Industriegüterverkehr und Dienstleistungsverkehr) sämtliche Konflikte als Reaktion auf eine handelsverzerrende Maßnahme der EG stattfanden. Die USA zielten - was den Auslöser der Konflikte betraf - nicht darauf ab, den EG-Binnenmarkt im Gegenzug für den bereits liberalisierten U.S. Markt zu öffnen, um auf diese Weise reziproke Marktzugangsbedingungen herzustellen (to Level the playing field), sondern sie gingen gegen neue Handelsbarrieren der EG vor, die in den meisten Fällen gegen GATT I WTO-Regeln verstießen. Der Vorwurf, daß die USA die Sektion 301 gebrauchen, um auf unilaterale Weise gegen Handelspartner vorzugehen, die keinen gleichwertigen Marktzugang gewähren, ist daher auch anhand dieses Kriteriums nicht zu belegen. Aus den zusammengefaßten Kriterien ,Einleitung eines Sektion 301-Verfahrens', ,Ebene der Konfliktlösung (bilateral - multilateral)' und ,Auslöser der Konflikte' läßt sich vielmehr ableiten, daß Reziprozitätsüberlegungen allenfalls am Rande eine Rolle spielten. Vor einem abschließenden Urteil ist es jedoch notwendig, auch das vierte Kriterium, die Beziehung zwischen Handelsbilanzdefizit und dem Vorgehen der USA gegen ,unfaire' Handelspraktiken der EG, zu analysieren. Obwohl es ökonomisch wenig Sinn macht, die - bilaterale oder sektorale - Handelsbilanz als Maß für Reziprozität und ausgeglichene Marktzugangsbedingungen zu nehmen, wird dies in den USA häufig getan. Wenn strikte Reziprozität somit in den Handelskonflikten eine Rolle spielt, ist zu erwarten, daß die USA bei einem steigenden Handelsbilanzdefizit verstärkt neue Konflikte mit der EG beginnen, da sich die EG nach dieser Logik ,unfair' verhalten haben muß.

234

F. Fazit

4. Die Beziehung zwischen Handelsbilanzdefizit und neuen Konflikten Bei diesem Kriterium wird untersucht, ob und inwiefern es einen Zusanunenhang zwischen dem Aufkommen neuer Konflikte, in denen die USA gegen ,unfaire' Handelsvorkehrungen der EG vorgehen, und der Entwicklung der amerikanischen Handelsbilanz gibt. Da Reziprozitätsüberlegungen dieser Art statistisch eindeutig nur bei Beginn der Handelsstreitigkeiten erfaßt werden können, die Dauer der Konflikte hingegen von einer Vielzahl von Faktoren beeinflußt wird 17 , macht es keinen Sinn, einen Zusammenhang zwischen der gesamten Zahl der Konflikte pro Jahr und der Handelsbilanz zu suchen. Für den Beginn der Konflikte wurden drei Kriterien zugrunde gelegt: 1. Jeder Konflikt, in dem die USA gegen Handelspraktiken der EG vorgehen, wird nur einmal gezählt. Beginnt der Konflikt von neuem durch den Bruch eines Abkonunens (z. B. EG-Süderweiterung, Dosenfrüchte), wird dies nicht als Beginn eines neuen Konflikts gezählt, da die USA hierbei unmittelbar auf einen Vertragsbruch der EG reagieren. Es kann somit keine zeitliche Beziehung zwischen dem erneuten Aufflanunen des Konflikts und dem Defizit bestehen. 2. Wenn ein Konflikt im selben Bereich stattfindet, jedoch unterschiedliche Regelungen oder Produkte betrifft (z. B. Zulassung und Kennzeichnung von GMO, GATT-Agrarreform und Ölsaaten, Hormonfleisch und hormonfreies Fleisch), wird der jeweilige Beginn der Auseinandersetzung getrennt gezählt. 3. Der Konflikt beginnt zu dem Zeitpunkt (Jahr), an dem die USA reagieren, indem sie Maßnahmen androhen oder ergreifen und I oder ein Sektion 301-Verfahren einleiten. So kann die eigentliche Ursache Jahre vorher stattgefunden haben, als Beginn zählt jedoch die Reaktion der USA. a) Der Agrarhandel Im Bereich des Agrarhandels lassen sich insgesamt zwei Phasen feststellen, in denen die USA verstärkt gegen Handelspraktiken der EG vorgingen: So stieg die Zahl der neu aufkommenden Konflikte einerseits 1986 I 87 und andererseits von 1994 bis 1999 deutlich an. 1986 I 87 entstanden insgesamt fünf Konflikte neu, und im Zeitraum von 1994 bis 1999 entwickelten sich durchschnittlich zwei neue Konflikte pro Jahr. Vergleicht man dieses Aufkommen neuer Konflikte mit der Entwicklung der Agrarbilanz, so läßt sich nur ein sehr schwacher Zusammenhang zwischen beiden Faktoren feststellen: Die USA verzeichneten von 1985 bis 1998 einen Überschuß, der von 1,6 Mrd. U.S. Dollar auf 3,2 Mrd. U.S. Dollar stieg, und danach in der Zeit 17 Die zeitliche Länge der Streitfälle hängt vor allem von der Bereitschaft zu Kompromissen ab, die allerdings auch von Entwicklungen der Handelsbilanz beeinflußt werden kann.

Il. Die Konflikte unter dem Gesichtspunkt der strikten Reziprozität

235

von 1989 bis 1996 - mit Ausnahme der Jahre 1993/94 - mit durchschnittlich 2,5 Mrd. U.S. Dollar fast konstant blieb. 1997 nahm der Überschuß ab und verwandelte sich 1999 zum ersten Mal mit -1,5 Mrd. U.S. Dollar in ein Defizit, das 2000 auf -1,8 Mrd. U.S. Dollar anstieg. Der erste Zeitraum (1986/87), in dem die USA verstärkt gegen Maßnahmen der EG vorgingen, hat somit keinerlei Beziehung zur Agrarbilanz. Seit 1997 nahmen die neu begonnenen Konflikte jedoch zu einem Zeitpunkt zu, als der Überschuß der USA abnahm und sich schließlich 1999 in ein Defizit verwandelte. Tabelle F-6

Beginn und Dauer der Konflikte im Agrarhandel

85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 Zitrus I Teigwaren (1976)

X

Dosenfrüchte (1981)

X

X

X X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Tierprodukte

X

X

X

X

Weizenkleber

X

X

X

X

Süderweiterung

X

X

GATT-Agrarreform I Olsaaten

X

X

X

Fleischverarbeitung

X

Hormonfleisch I hormonfreies Fl.

X

Bananen

X X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Norderweiterung

X

Getreideimporte

X

Tierfallen

X

BSE

X

X

X

Schmelzkäse

X

X

X

GMO Zulassung I Kennzeichnung

X

X

X

Gerste

X

Antibiotika Zahl der neuen Konflikte:

X

2

Fett: Beginn der Konflikte.

3

1

2

2

4

2

2

F. Fazit

236

Der Beginn neuer Konflikte im Agrarhandel ab 1985 läßt sich somit nicht eindeutig anhand der Entwicklung der Agrarbilanz der USA erklären. Es muß im Agrarbereich jedoch berücksichtigt werden, daß die USA seit den 70er Jahren Marktanteile an die EG verloren haben. So wandelte sich die EG aufgrund von Subventionen und Handelsbarrieren von der größten Netto-lmportregion für landwirtschaftliche Produkte zu einem Exporteur. Obwohl die EG weiterhin Agrarprodukte - auch aus den USA - importierte, wurden die amerikanischen Exporte sowohl in die EG als auch auf anderen Absatzmärkten stark beeinträchtigt. Diese Exportverluste der USA seit den 70er Jahren müssen bei der Untersuchung neuer Handelskonflikte im Agrarbereich berücksichtigt werden. Reziprozitätsüberlegungen können daher seitens der USA eine Rolle spielen (der ,unfaire' Verlust von Marktanteilen seit den 70er Jahren), auch wenn sich diese nicht eindeutig an der Agrarbilanz seit 1985 festmachen lassen. So betonte Hudec: "The failure of the Tokyo Round agreements to rein in the EC Common Agricultural Policy seemed like the last straw in another reciprocity problern - the gradual loss of U.S. agricultural export markets due to EC subsirlies and restrictions." 18

...

4

5

3

4

2

..!!!

ö c

cri

:i

~ 0 ~~~~~~-L~~~~~~~~~~~~W-~~~-L~T1

.s::