Die entscheidende Abhandlung und die Urteilsfällung über das Verhältnis von Gesetz und Philosophie 9783787318841, 3787318844

Der Trakat "Fasl al-maqal", entstanden um 1179, nimmt im Werk des Averroes (1126-1198) eine Sonderstellung ein

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German Pages 468 [470] Year 2009

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Die entscheidende Abhandlung und die Urteilsfällung über das Verhältnis von Gesetz und Philosophie
 9783787318841, 3787318844

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AV ER ROES

Die entscheidende Abhandlung und die Urteilsfällung über das Verhältnis von Gesetz und Philosophie

Mit einer Einleitung und kommentierenden Anmerkungen übersetzt von

franz schupp

Arabisch – deutsch

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 

Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN  -  -  -  - 

Für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des arabischen Textes aus »The Book of the Decisive Treatise Determining the Connection between the Law and Wisdom & Epistle Dedicatory« danken wir der Brigham Young University. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung. © Felix Meiner Verlag 2009. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: post scriptum, www.post-scriptum.biz. Druck: Strauss, Mörlenbach. Buchbinderische Verarbeitung: Litges & Dopf, Heppenheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100  chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

I N H A LT

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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. Averroes und seine Zeit x i | . Die Periode bis zur Abfassung der Entscheidenden Abhandlung x i | . Die Abfassung der Entscheidenden Abhandlung und die Großen Kommentare x x x v | . Die Wirkung der Schriften des Averroes in der Zeit bis zum Ende des 14. Jahrhunderts in den Ländern des Islam x lv i i i . Grundprobleme der Entscheidenden Abhandlung lv i | . Ein Rechtsgutachten (fatwa) lv i | . Der Gegenstand des Rechtsgutachtens: die Tätigkeit (fiÝl) des Philosophierens l x i i | . Der Rechtsstatus (hukm) der Philosophie als Verpfl ichtung (wafib) l x v | . Das Erfordernis der Philosophie im Bereich des Gesetzes: Interpretation (ta Þwil) l x i x | . Der gesellschaftliche Ort der Philosophen: Elite (jawass) und Masse (fumhur) l x x x v i | . Gesetz (šari Ýa) und Philosophie (hikma, falsafa) c i i . Text und Textgeschichte c x x i i . Zu Übersetzung Kommentar, Anhänge c x x v i

AV E R ROE S

Die entscheidende Abhandlung und die Urteilsfällung über das Verhältnis von Gesetz und Philosophie Arabisch – deutsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  /  Corrigenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

VI

Inhalt

Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  . Personen 185 | Al-Fārābī 185 | Al-Gazālī 188 | Almohaden 191 | AšÝariten 193 | Hanafiten 195 | Hanbaliten 197 | Ibn Baffa (Avempace) 198 | Ibn Hazm 199 | Ibn Sīnā (Avicenna) 202 | Ibn Tufail 204 | Iiwān as-Safā (Brüder der Reinheit) 206 | Mālikiten 206 | MuÝtaziliten 209 | ŠāfiÝiten 213 | Sūfī 215 . Sachbegriffe 219 | ÞAjlaq (Sittlichkeit) 219 | BidÝa (unzulässige Neuerung) 221 | Fiqh (Recht) 222 | Hadiv (Überlieferung) 230 | IÝfaz (Unvergleichbarkeit des Korans) 233 | IfmaÝ (Konsens) 237 | Iftihad (selbständige Urteilsfindung) 240 | Ijtiyar (Willensfreiheit) / Qadar (Prädestination) 242 | ÝInaya (göttliche Fürsorge) 247 | Kalam (islamische Theologie) 252 | Qiyas (Schlußfolgerung) 256 | RaÞy (Überzeugung, Auffassung) / Zann (Meinung) 261 | SaÝada (Glückseligkeit) 265 | Tasawwur (Begriffsbildung) / Tasdiq (Zustimmung) 269 | TaÞwil (Interpretation) 272

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Verzeichnis der Koranzitate im Averroes-Text . . . . . . . . .  Arabisch-deutsches Wörterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . .  Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

VORWOR T

Die deutsche Übersetzung der Entscheidenden Abhandlung des Averroes wird hier (unter Beigabe des arabischen Textes) aus guten Gründen als zweisprachige Studienausgabe in der »Philosophischen Bibliothek« vorgelegt; es soll und muß aber sogleich klar hervorgehoben werden, daß es sich bei dieser Schrift nicht um einen philosophischen Traktat im eigentlichen Sinne des Wortes handelt, sondern um das Rechtsgutachten eines islamischen Juristen über die Frage der Berechtigung zur Ausübung der Philosophie durch einen Muslim vor dem Hintergrund der im Koran niedergeschriebenen Bestimmungen und Vorgaben. Abū al-Walīd Muhammad ibn Ahmad ibn Rušd, der dieses Rechtsgutachten im Jahre 574/575 Hifra (nach westlicher Zeitrechnung 1179/1180) verfaßte, war zu diesem Zeitpunkt Kadi von Sevilla. Daß uns Heutigen dieser Autor unter dem Namen Averroes vornehmlich als kompetenter Aristoteles-Kommentator bekannt ist, ist in diesem Zusammenhang zwar interessant, aber nicht von Relevanz. Denn in diesem Text argumentiert Averroes nicht als Philosoph, der sich vor dem Koran zu rechtfertigen sucht, sondern als philosophisch interessierter und kompetenter Gelehrter des islamischen Rechts: Die Terminologie dieses Textes ist von Anfang an von juridischer, nicht von philosophischer Art. Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß es dieser Textausgabe nicht darum zu tun ist, mit der Vorlage dieses Bandes einen Beitrag zur Erschließung der »Philosophie des Mittelalters« zu leisten; denn das Schema Antike-Mittelalter-Neuzeit ist auf die Geschichte des Islam nicht anwendbar. Wenn also im folgenden gelegentlich dennoch der Ausdruck »Mittelalter« verwendet wird, so ist dies eigentlich unangemessen und dient nur der rascheren Verständigung über eine Periode, die etwa vom Tod Muhammads im Jahre 632 bis zur Einnahme Bagdads durch die

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Vorwort

Mongolen im Jahre 1258 und zum Ende des Bagdader Kalifats reicht. Auch wäre es eigentlich richtiger, die Jahreszahlen immer nach der Zählung Hifra anzugeben; die Angabe nach westlicher Zählung ist einfach ein Zugeständnis an den westlichen Leser. Dieser Text wurde arabisch von Marcus Joseph Müller 1859 nach einer Handschrift aus dem Escorial veröffentlicht. 1875 erschien posthum die Übersetzung Müllers ins Deutsche. Da inzwischen eine kritische Edition des arabischen Textes vorliegt und da sich der philosophische und theologische Sprachgebrauch in den vergangenen 130 Jahren in erheblichem Maß verändert hat (Müller besuchte noch Vorlesungen Schellings!), legte sich eine Neuübersetzung aufgrund des Textes der kritischen Edition nahe. Es handelt sich hier um eine Studienausgabe mit einem präzisen methodologischen Rahmen: Es geht darum, diesen Text in seinem juridischen, historischen und philosophisch / philologischen Kontext möglichst genau zu verstehen. Zwei Problembereiche werden daher sowohl in der Einleitung als auch im Kommentar ausgeschlossen: (1) der lateinische Averroismus des 13. und 14. Jahrhunderts, der eine eigene Entwicklung in einem anderen historischen und philosophischen Kontext aufweist; (2) die Rolle der Schriften des Averroes in der gegenwärtigen arabischen und islamischen Philosophie. In beiden Bereichen, die ganz unterschiedlichen Kulturen entstammen, treten jeweils ganz spezifische Probleme auf. Diese Probleme hier mit einigen kurzen Bemerkungen einzubeziehen, würde nur Verwirrung stiften. Die sog. lateinischen Averroisten kannten den hier veröffentlichten Text überhaupt nicht, die Relevanz dieses Textes für die Beurteilung des lateinischen Averroismus stellt daher ein sehr komplexes Problem dar, das inzwischen beinahe ein eigenes Forschungsgebiet mit zahlreichen Publikationen geworden ist. Die lateinische Kultur des 13. und 14. Jahrhunderts in ihrem von den Universitäten geprägten Milieu der Gelehrten in der Auseinandersetzung mit den Autoritäten der christlichen Kirche ist völlig verschieden von der arabischen Kultur, in der dieser

Vorwort

IX

Text entstanden ist. Ganz Ähnliches gilt für die moderne Diskussion dieses Textes bei islamischen arabischen oder nicht-arabischen Autoren. Die arabischen und islamischen Autoren seit dem 13. Jhd. kannten von diesem Text in ganz seltenen Fällen zwar den Buchtitel, nahmen den Text selbst aber bis ins 20. Jhd. hinein einfach nicht zur Kenntnis. Die im 20. Jhd. stattgefundene zaghafte Rezeption dieses Textes ist auch nicht unproblematisch. Die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen in diesen Ländern haben sich trotz aller vermuteten Verzögerungen doch in einem größeren Maß verändert, als dies aus westlicher Perspektive wahrnehmbar ist. Der Text des Averroes, der von einigen dortigen Autoren durchaus als »aktuell« angesehen wird, wird daher in kulturelle und ideologische Kontexte eingebracht, die mit der Entstehungssituation dieses Textes meist kaum noch etwas zu tun haben. Diese aktuelle Diskussion ist zwar äußerst interessant und aufschlußreich, sie hat aber mehr mit heutigen Problemen zu tun als mit einem Verstehen dieses Textes in seinem ursprünglichen kulturellen Milieu (s. hierzu: A. von Kügelgen, Averroes und die arabische Moderne. Ansätze zu einer Neubegründung des Rationalismus im Islam. Leiden 1994). In vielen Einzelfragen bei der Erstellung dieser Ausgabe war PD Dr. Rainer Brunner (Paris) sehr hilfreich, wofür ihm hier der Dank ausgesprochen sei. Mein besonderer Dank gilt der Fritz Thyssen Stiftung (Köln), die mir die Zusammenarbeit mit einem arabischen Linguisten ermöglichte. So konnte ich im März 2007 vier Wochen lang den Text des Averroes gemeinsam mit Herrn Abdu as-Sattar Kamaleddin Ahmed (Dahab, Ägypten) Satz für Satz und Wort für Wort durcharbeiten. Bei einem weiteren Aufenthalt in Ägypten im November 2008 konnten, wieder in Zusammenarbeit mit Herrn Abdu as-Sattar, verbliebene Fragen des Satzbaues und der Bedeutung einzelner Fachbegriffe geklärt werden.

E I N L E I T U NG

. Averroes und seine Zeit . Die Periode bis zur Abfassung der Entscheidenden Abhandlung Als Ibn Rušd – im lateinischen Westen unter dem Namen Averroes bekannt ¹ – 1126 in Córdoba geboren wurde, herrschten im muslimischen Teil Spaniens die Almoraviden.² Die glanzvolle Zeit der Herrscher aus dem Haus der Umaiyaden, also ÝAbd ar-Rahmān II . (822–852), ÝAbd ar-Rahmān III . (912–961) und al-Hakam II . (961–976), lag schon lange zurück. Dem Kriegsherrn al-Mansūr (978–1002) war es zwar gelungen, das Vordringen der Christen aufzuhalten, er konnte aber nicht verhindern, daß die Spannungen im Inneren von al-Andalus sich verschärften. Nach seinem Tod zerfiel das Reich dann auch in kleine Fürstentümer (reyes de taifas), das Kalifat endete 1031 und der Fall ¹ Da dieser Name in allen europäischen Sprachen gebräuchlich ist, verwende ich diesen und nicht den ursprünglichen arabischen Namen. Zur Biographie des Averroes vgl. vor allem Cruz Hernández 1986 und Urvoy 1991 und 1998. In der Einleitung und im Kommentar werden Literaturverweise, die sich auf das Literaturverzeichnis beziehen, mit der Jahreszahl als Kurztitel angegeben, Bücher oder Artikel, die nur an einer Stelle aufgeführt werden, werden mit der vollständigen Angabe zitiert. Dadurch ist es möglich, das Literaturverzeichnis der Sekundärliteratur so zu gestalten, daß es einen Überblick über die wichtigsten direkt mit dem Thema der Entscheidenden Abhandlung in Verbindung stehenden Publikationen liefert. ² »Almoraviden« ist die hispanisierte Form von al-murabitun, womit die Soldaten bezeichnet wurden, die in den Grenzfestungen (ribat) stationiert waren und dort fast wie in einem religiösen Orden organisiert lebten.

XII

Franz Schupp

Toledos 1085 machte allen die bedrohliche Lage klar. Keiner der lokalen Könige war jedoch stark genug, um die innere Ordnung wiederherzustellen und die Verteidigung von al-Andalus zu sichern. Es blieb den arabischen Fürsten kein anderer Ausweg, als die nordafrikanischen Almoraviden, also eine Berberdynastie, zu Hilfe zu rufen. Dies war nicht unproblematisch, da es in al-Andalus immer wieder zwischen den dort schon seit langem ansässigen Berbern und den herrschenden Arabern zu Spannungen und Konfl ikten gekommen war. Die gebildeten Araber von al-Andalus betrachteten die Almoraviden Nordafrikas als halbe Barbaren. Im Jahre 1086 kam der Berberfürst Yūsuf ibn Tāšfīn aus Marokko nach al-Andalus. Nach anfänglichen militärischen Erfolgen gegen die Christen geriet er diesen gegenüber aber bald ins Hintertreffen. Faktisch konzentrierte er seine Tätigkeit auf den Machterhalt seiner Herrschaft im Inneren von al-Andalus. Diese Herrschaft war – außer auf militärische Mittel – auf eine extrem strenge und enge Auslegung der Vorschriften des islamischen Gesetzes gegründet. Die in al-Andalus schon seit dem Beginn der arabischen Herrschaft maßgeblichen mālikitischen Juristen³ hatten jetzt freie Hand, sie kontrollierten das gesamte öffentliche und politische Leben und brachten auch die bisher geübte Toleranz gegenüber Juden und Christen zu einem Ende. Aber auch innerhalb der islamischen Gesellschaft gingen die Mālikiten mit aller Härte gegen alle und alles vor, was nicht ihren Auffassungen entsprach. Neben dem Recht (fiqh)⁴ durfte es nichts anderes geben, nicht einmal islamische Theologie (kalam)⁵ war zugelassen. Viel brauchte in al-Andalus allerdings gar nicht verboten zu werden, denn man meinte dort, daß das schon geltende Recht alle für den Glauben und für das alltägliche Leben erforderlichen Vorschriften und Verbote ausreichend und erschöpfend enthalte. Al-Andalus war verhältnismäßig weit von ³ Vgl. Art. Mālikiten im Anhang. ⁴ Vgl. Art. Fiqh im Anhang. ⁵ Vgl. Art. Kalām im Anhang.

Einleitung

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den alten Zentren der islamischen Kultur wie Damaskus oder Bagdad entfernt, aber selbst das neuere Zentrum Kairo schien weit weg zu sein. Die Entwicklungen in den Ländern des islamischen Ostens konnten aber doch nicht ganz ohne Rückwirkung auch auf das ferne al-Andalus bleiben, schon darum nicht, weil ja immer wieder einzelne Gelehrte oder solche, die es werden wollten, längere Studienreisen in die östlichen Länder des Islam unternahmen und von dort auch einige Schriften mitbrachten. Also sahen sich die Autoritäten in al-Andalus veranlaßt, im Jahre 1106 sogar die Lektüre eines so berühmten Werkes wie alGazālīs Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften ⁶ zu verbieten. Der Grund dafür lag allerdings nicht zuletzt darin, daß die mächtigen mālikitischen Juristen es nicht hinnehmen mochten, daß al-Gazālī sie gelegentlich kritisiert hatte.⁷ Daß auch die Beschäftigung mit Philosophie, also einer nicht-islamischen Disziplin, untersagt war, versteht sich von selbst. Dabei beschäftigte sich in al-Andalus ohnedies kaum jemand mit Philosophie, und eine Gefahr, daß die Philosophie die Macht und den Einfluß der Rechtsgelehrten beeinträchtigen könnte, bestand überhaupt nicht. Aber auch das Volk hatte zu leiden. Der Druck zur rigorosen Einhaltung des eng ausgelegten Gesetzes wurde extrem verschärft, und wegen der hohen Ausgaben für das Militär wurden die Steuern maßlos erhöht. Gleichwohl gelang es den Almoraviden aber nicht, die Gesetze des Islam auch bei den Befehlshabern des Militärs durchzusetzen. Dem ideologischen und fiskalischen Druck auf das Volk entsprachen keine gleichwertigen Maßnahmen gegenüber den Führungsschichten, und so ist es verständlich, daß die ursprünglich vorhanden gewesene Sympathie des Volkes für die Almoraviden abnahm und die Bevölkerung von al-Andalus sich unterdrückt und ausgebeutet fühlte, während sich der Herrscher Yūsuf mit Frömmigkeitsübungen beschäftigte. Die Situation verschlechterte sich noch, als 1106 ⁶ Vgl. Art. Al-Gazālī im Anhang. ⁷ Vgl. Arnaldez 2000, S. 6.

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Franz Schupp

Alī die Nachfolge Yūsufs antrat. Es wurde den meisten in alAndalus klar, daß es ein Fehler gewesen war, die Almoraviden ins Land zu rufen. Averroes wird in seiner späten Zeit zwar die guten Absichten der Almoraviden zu Beginn ihrer Herrschaft anerkennen, wird aber dann ein ziemlich vernichtendes Urteil über die späteren Almoraviden aussprechen.⁸ Die Familie, aus der Averroes stammte, also die Banū Rušd, war seit zwei Generationen⁹ mit den Almoraviden eng verbunden. Dies war auch gar nicht anders möglich, denn sie war eine Familie von Juristen, und so wie die Juristen die Herrscher stützten, falls diese ihnen genehm waren und die sie so teilweise auch beherrschten, so waren die Juristen in öffentlichen Ämtern, wie z. B. dem des Richters, von der Ernennung durch den jeweiligen Herrscher abhängig. Der Vater wie auch der Großvater des Averroes waren Juristen, und beide waren mehrmals von den Almoraviden zu Kadis ernannt worden. Daß ein Beruf vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde, war ein ganz normaler Vorgang, besonders da es in al-Andalus kein institutionalisiertes Lernen wie im Osten gab, wo es seit dem 11. Jhd. die von dem berühmten Wesir Nizām al-Mulk gegründeten und nach ihm benannten Nizāmīya-Schulen gab und auch an vielen anderen Medressen das Recht gelehrt und studiert wurde (die erste Medresse in al-Andalus wurde erst im 14. Jhd. in Granada gegründet). Die Kenntnisse der Rechtwissenschaft (fiqh) wurden also bei einem Lehrer erworben, und so war es weithin üblich, daß ein bekannter Rechtsgelehrter seine Kenntnisse zunächst einmal an seinen Sohn weitergab. Bei anderen Berufen verhielt sich das genau so. Die Zugehörigkeit zu einer einflußreichen Familie war auch ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Laufbahn, wenn auch aufgrund persönlicher Veranlagung nicht jeder daraus den gleichen Nutzen ziehen konnte. Der Großvater des Averroes, ⁸ Zu Platons Politeia, S. 126 und S. 132 f., On Plato’s »Republic«, S. 124 f. und S. 133–135. ⁹ Weiter zurück reichen die genealogischen Daten nicht.

Einleitung

XV

Abū al-Walīd ibn Rušd (1058–1126), war ein bedeutender Jurist und Lehrer der Rechtswissenschaft, der auch Kadi und Imam der Großen Moschee von Córdoba gewesen war, während sein Sohn Abū al-Qāsim Ahmad ibn Rušd (1094/1099–1168) weniger bedeutend und auch weniger erfolgreich war, wogegen dessen Sohn, also Averroes, wiederum sowohl als Jurist wie auch als Richter bedeutend wurde. Die Verbindung des Großvaters des Averroes mit der Ideologie und der Politik der Almoraviden zeigt sich in einem Rechtsgutachten (fatwa) von 1126, dem Todesjahr des Großvaters und dem Geburtsjahr des Averroes, in dem er sich für die Deportation einer großen Anzahl von Christen, also von Mozarabern, in den Maghreb ausspricht, offensichtlich aus dem Grund, weil er – mit den Herrschern – befürchtete, daß die Christen von al-Andalus mit den christlichen Herrschern des Nordens, die die Reconquista vorantrieben, zusammenarbeiteten. Es gibt jedoch auch Hinweise dafür, daß Abū al-Walīd ibn Rušd gelegentlich auch eine »liberalere« Haltung zeigte. Als der Philosoph Ibn Baffa¹⁰ eingekerkert wurde, setzte sich der Großvater des Averroes erfolgreich für dessen Freilassung ein. Auch im Bereich der Rechtswissenschaft beteiligte sich der Großvater des Averroes an neueren – wenn auch zaghaften – Entwicklungen in al-Andalus. Die mālikitischen Juristen vor allem im Maghreb beschäftigten sich fast ausschließlich mit der Sammlung einzelner Rechtsentscheidungen (furu Ý), ganz im Unterschied zu den großen Rechtsschulen der Hanafiten und der ŠāfiÝiten¹¹ im Osten, die sich auch mit den Grundlagen oder Prinzipien, wörtlich den »Wurzeln« des Rechts (usul al-fiqh)¹² befaßten. Modern ausgedrückt könnte man sagen, daß sie Rechtshermeneutik und Rechtslogik betrieben, um mit verschiedenen Arten von ¹⁰ Vgl. Art. Ibn Baffa im Anhang. ¹¹ Es gab vier große Rechtsschulen: die Mālikiten, die Hanbaliten,

die Hanafiten und die ŠāfiÝiten. Zu jeder dieser Schulen fi ndet sich ein Art. im Anhang. ¹² Vgl. Art. Fiqh im Anhang.

X VI

Franz Schupp

Analogieschlüssen (qiyas)¹³ zu Fragen Stellung nehmen zu können, für die in den Rechtsquellen des Korans und der Überlieferung (hadiv)¹⁴ keine expliziten Antworten vorlagen. Diese Forschungsrichtung hatte seit der Mitte des 11. Jahrhunderts – nicht übereinstimmend mit der offiziellen Ideologie der Almoraviden – auch in al-Andalus Eingang gefunden, und Abū al-Walīd ibn Rušd hatte an dieser Entwicklung teilgenommen, was auch seine Biographen hervorheben. So wandte er sich in einem Rechtsgutachten gegen einen Vertreter der in al-Andalus stark vertretenen Schule der Zāhiriten,¹⁵ die dort etwa die gleiche Rolle spielten wie die Hanbaliten im Osten, der die Begründung von Rechtsentscheidungen durch Analogieschlüsse ablehnte.¹⁶ Auch im Bereich der Theologie (kalam)¹⁷ zeigte sich der Großvater des Averroes offen für neue Entwicklungen. In einem Rechtsgutachten sprach er sich durchaus positiv für die Verwendung des Kalām aus.¹⁸ Averroes erhielt zunächst eine Ausbildung in den grund legenden arabischen Wissenschaften, also in Grammatik und arabischer Dichtung. Sein Lehrer in diesen Disziplinen war Ibn Samahūn (gest. 1168), und die Ausbildung war ohne Zweifel sehr gut. Averroes war sich der Bedeutung der Sprache in den Bereichen des Rechts, der Theologie und der Philosophie klar bewußt. Er bewies in all seinen Kommentaren zu den Schriften des Aristoteles ein großes Interesse an Fragen der richtigen Wiedergabe bestimmter Begriffe im Arabischen, und es gelang ihm nicht selten – ohne eigene Griechischkenntnisse –, den richtigen Sinn eines Wortes trotz ungeschickter arabischer Übersetzungen zu ermitteln. Für mehrere Texte hatte Averroes verschiedene Über-

¹³ ¹⁴ ¹⁵ ¹⁶ ¹⁷ ¹⁸

Vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang. Vgl. Art. Hadīu im Anhang. Zu den Zāhiriten vgl. Art. Ibn Hazm im Anhang. Vgl. Urvoy 1991, S. 30 f., und 1998, S. 26 f., und Arnaldez 2000, S. 8. Vgl. Art. Kalām im Anhang. Vgl. Urvoy 1998, S. 28 f.

Einleitung

XVI I

setzungsversionen zur Verfügung, und manche Begriffe, die in verschiedenen Texten vorkamen, konnte er trotz abweichender Terminologie identifizieren, um dann die beste Wiedergabe im Arabischen herauszufinden. In seinen späteren Kommentaren zu aristotelischen Texten mußte Averroes sich in konkreten Fällen auch mit Fragen befassen, die auf der Linie der berühmten und traditionsreichen Frage des Verhältnisses von arabischer Grammatik und griechischer Logik lagen.¹⁹ Die Grundlagen der Lösungen des Averroes bauen auf den Arbeiten von al-Fārābī auf.²⁰ Auch in der Entscheidenden Abhandlung ist es eine der grundlegenden Lösungsstrategien des Averroes, auftretende Probleme durch Unterscheidung verschiedener Sprachformen, verschiedener Sprachebenen und durch Hinweise auf sprachliche Mißverständnisse zu beseitigen. Die eigentliche fachliche Ausbildung erhielt Averroes jedoch in der Rechtswissenschaft, wobei als erster Lehrer selbstverständlich sein Vater Abū al-Qāsim Ahmad ibn Rušd fungierte und dieser wiederum die Schriften des Großvaters heranzog, die Averroes später in seinen eigenen Schriften zur Rechtswissenschaft als autoritative Texte zitierte. Zunächst studierte Averroes die MuwattaÞ des Mālik Ibn Anas,²¹ also die Grundlagenschrift der mālikitischen Rechtsschule, die jeder Gelehrte dieser Schule praktisch auswendig wissen mußte. Averroes beschäftigte sich aber nicht nur mit der mālikitischen Schule, sondern studierte, wie schon sein Großvater, auch intensiv die Antworten der anderen Rechtsschulen zu den umstrittenen Fragen (ijtilaf). Dies war keineswegs eine Selbstverständlichkeit, denn zahlreiche Juristen begnügten sich mit der Kenntnis der Auffassungen ihrer eigenen

¹⁹ Vgl. Hamze 2002. ²⁰ Vgl. dazu z. B. Elamrani-Jamal, A., Logique aristotélicienne et grammaire arabe, Paris 1983, und Abed, Sh. B., Aristotelian Logic and the Arabic Language in Alfārābī, New York 1991. Vgl. auch Art. Al-Fārābī im Anhang. ²¹ Vgl. Art. Mālikiten im Anhang.

XVIII

Franz Schupp

Schule. Die Kenntnis der Ansichten der verschiedenen Rechtsschulen (madahib) mit ihren unterschiedlichen Lösungen stellte eine eigene Disziplin dar. In seinem 1167/1168 verfaßten großen Rechtswerk Bidāyat al muftahid wa-nihayāt al-muqtasid (Beginn für den, der sich um ein eigenes Urteil bemüht, Ende für den, der sich mit dem Überlieferten begnügt) stellte Averroes seine souveräne Kenntnis der verschiedenen Rechtsschulen unter Beweis,²² und dieses Werk gilt bis heute als ein Höhepunkt der islamischen Rechtswissenschaft. Für die arabischen Biographen des Mittelalters war Averroes in erster Linie ein Rechtsgelehrter. Es sei schon an dieser Stelle betont, daß auch die Entscheidende Abhandlung nur dann richtig verstanden werden kann, wenn sie als das aufgefaßt wird, was sie der Absicht des Averroes nach ist: ein Rechtsgutachten (fatwa). Averroes studierte auch die Überlieferung der Worte und Taten des Propheten (hadiv),²³ und zwar bei Ibn Baškuwāl (1101– 1183), der wiederum bei dem Großvater des Averroes studiert hatte. Auch das Studium der Hadīuen stellte eine eigene Disziplin dar, die von Fachgelehrten vertreten wurde. Im Vergleich mit seinem Interesse am islamischen Recht war aber Averroes an der Beschäftigung mit den Hadīuen weniger interessiert, was schon den Biographen auffiel. Diese Haltung war allerdings bei zahlreichen mālikitischen Juristen verbreitet, was wiederum mit deren Traditionsverständnis zusammenhängt. Für sie war einzig die medinensische Praxis maßgeblich. Die Haltung des Averroes könnte aber auch damit zusammenhängen, daß er die Argumente, die aus der Überlieferung genommen wurden, in die Rhetorik einreihte²⁴ und solche Argumente also keine wissenschaftliche Sicherheit bieten konnten. In seinen Arbeiten zog Averroes auch nur wenige Hadīue heran. Im übrigen waren aber ²² Zu Averroes als Juristen vgl. bes. Brunschvig 1976 b, Turki 1978 und Dutton 1994. Vgl. auch Art. Fiqh im Anhang. ²³ Vgl. Art. Hadīu im Anhang. ²⁴ Vgl. Three Short Commentaries, S. 74–76.

Einleitung

XIX

fiqh, also das Recht, und hadiv, also die Überlieferung, ohnedies kaum zu trennen, da die rechtliche Beurteilung eines Sachverhalts sich ja immer auf die Überlieferung stützen mußte und die Überlieferung wiederum gerade deshalb so genau studiert und analysiert wurde, weil sie für die rechtliche Ordnung des Lebens des Einzelnen und der Gemeinschaft maßgeblich war. Also unterschieden sich eigentlich beide Bereiche nur durch die verschiedenen Gesichtspunkte, nicht aber durch ein unterschiedliches Sachgebiet. Eine wichtige Rolle im Studiengang des Averroes spielte die Medizin. Er studierte bei Abū FaÝfar ibn Hārūn at-Tafālī, dem auch gute philosophische Kenntnisse zugeschrieben werden.²⁵ Auch in der Medizin gab es keine Institutionen für das Studium, studiert wurde aus Büchern und durch eine »Lehre« bei einem Arzt. Abū FaÝfar war als Arzt bei Abū YaÝqūb Yūsuf (vgl. zu diesem weiter unten) tätig, als dieser Gouverneur von Sevilla war. Bedeutender als die Verbindung mit Abū FaÝfar war für Averroes jedoch die Bekanntschaft und Freundschaft mit einem der berühmtesten Ärzte seiner Zeit, dem in Sevilla lebenden Abū Marwān ibn Zuhr (1091/1094–1162), der bei den Lateinern als Avenzoar bekannt wurde. Averroes hegte geradezu Bewunderung für diesen Arzt, den er für den Größten seiner Kunst nach Galen betrachtete. Dem Canon Ibn Sīnās (Avicenna),²⁶ also dessen zusammenfassendem medizinischen Hauptwerk, stand Abū Marwān ziemlich kritisch gegenüber, womit er in seinem Urteil mit Averroes übereinstimmte. Die tatsächliche Bedeutung Abū Marwāns steht aufgrund der überlieferten Schriften außer Zweifel, sie muß aber schon deshalb als sehr hoch eingeschätzt werden, weil im 12. Jhd. die bedeutendsten Ärzte weiterhin zum Großteil Juden und Christen waren, Abū Marwān hingegen Araber. Averroes verfaßte um 1162 selbst ein wichti-

²⁵ Vgl. Urvoy 1991, S. 32, und 1998, S. 72. Urvoy nimmt ebd. einen diesbezüglichen Einfluß auf Averroes an. ²⁶ Vgl. Art. Ibn Sīnā (Avicenna) im Anhang.

XX

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ges Werk zur Medizin, die Kulliyāt fī l-Tibb (Allgemeine Grundlagen der Medizin).²⁷ In diesem Werk werden die allgemeinen, also die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Medizin behandelt. In einem zweiten Teil sollte dann die ärztliche Praxis beschrieben werden. Diesen zweiten Teil schrieb jedoch Averroes nicht selbst, sondern forderte zu dessen Abfassung seinen Freund Abū Marwān auf, der diesem Wunsch mit seinem Werk Kitāb at-Taisīr fī l-mudāwāt wa t-tadbīr (Wegbereitung zur Therapie und Diätetik)²⁸ auch tatsächlich nachkam. Wenn Averroes seinen Freund Abū Marwān aufforderte, den Teil der medizinischen Praxis zu der von ihm verfaßten theoretischen Grundlegung zu schreiben, so kommt darin wahrscheinlich auch die vernünftige Einsicht des Averroes zum Ausdruck, daß er selbst ja gar nicht praktizierender Arzt war, Abū Marwān in dieser Hinsicht also ohne Zweifel die viel größere Kompetenz besaß. Hinter dieser »Arbeitsteilung« steht aber vermutlich auch ein unterschiedliches Verständnis der Medizin. Abū Marwān vertrat die traditionelle, auf Galen beruhende Auffassung, nach der die Medizin vor allem als die auf die Heilung von Kranken ausgerichtete praktische Tätigkeit, also als Kunst-Handwerk aufgefaßt wurde. Averroes hingegen wollte die Medizin zunächst und in ihrer Grundlegung als theoretische Disziplin, also als Naturwissenschaft im Sinne der aristotelischen Wissenschaftstheorie verstehen. Diese grundsätzliche Problematik der unterschiedlichen Konzeptionen der Medizin findet sich schon in der Tradition. Al-Fārābī faßte die Medizin als teils theoretisch-wissen-

²⁷ Der Ausdruck Kulliyāt wurde latinisiert als Colliget wiedergegeben. Die lateinische Übersetzung wurde Mitte des 13. Jahrhunderts von dem Juden Bonacos(s)a hergestellt. Vgl. LdM II , Sp. 398. ²⁸ Vom Taisīr wurden bald nach dessen Entstehung von unbekannten Verfassern zwei hebräische Übersetzungen hergestellt, und eine davon war bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Italien verbreitet. Vermutlich ausgehend vom hebräischen Text wurden dann lateinische Übersetzungen hergestellt.

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schaftliche Disziplin und teils praktische Kunst auf ²⁹ und nahm sie dann wegen ihres nicht eindeutig wissenschaftlichen Charakters nicht in seinen Kanon der Wissenschaften in De scientiis auf, während Avicenna die Medizin uneingeschränkt als Wissenschaft betrachtete. Averroes folgte mit seiner Konzeption der Wissenschaftsauffassung al-Fārābīs und behandelte in seinem Werk den »wissenschaftlichen« Teil der Medizin, während er den »handwerklichen« Teil – mit größtem Respekt vor dessen Können – dem Praktiker Abū Marwān überließ. Bisher haben wir also von Studien der Grammatik, der islamischen Überlieferung, des Rechts und der Medizin berichtet, worin wir den arabischen Biographen gefolgt sind. Und diese Biographen erwähnen nur ganz am Rande philosophische Studien des Averroes und nennen keinen Lehrer.³⁰ Dies zeigt zunächst an, daß die arabischen Biographen diesen Studien im Vergleich zu den vorher genannten Lern- und Sachgebieten wenig Bedeutung zumaßen. Für die Biographen war aber die Nennung von Lehrern ein ganz wichtiger Punkt, denn nur so ließen sich die in der islamischen Kultur so wichtigen Traditionsketten erstellen. Wenn die Biographen also keine Lehrer des Averroes im Bereich der Philosophie nennen, dann kannten sie eben keine entsprechenden Namen. Bei der Frage nach Lehrern der Philosophie in al-Andalus stoßen wir auf ein beachtenswertes Problem. Wo und bei wem konnte man um die Mitte des 12. Jahrhunderts in al-Andalus überhaupt Philosophie studieren? Ibn Tufail (um 1110–1185),³¹ eine über die Situation der Philosophie in al-Andalus gut informierte Persönlichkeit, auf die gleich noch zurückzukommen sein wird, stellte in den Jahren zwischen 1177

²⁹ Vgl. Plessner, M., Al-Fārābī’s Introduction to the Study of Medicine. In: Stern, S. M. / Hourani, A. / Brown, V. (Hrsg.), Islamic Philosophy and the Classical Tradition. Essays presented to R. Walzer, Oxford 1972, S. 307–314. 2 ³⁰ Vgl. Arnaldez im Art. Ibn Rušd in EI III , Sp. 910 a. ³¹ Vgl. Art. Ibn Tufail im Anhang.

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und 1182 – dies ist die Zeit der Entstehung der Entscheidenden Abhandlung des Averroes – ziemlich trocken fest, daß sich zu seiner Zeit in al-Andalus Kenntnisse in Logik und Philosophie zwar schon etwas verbreitet hatten, dies aber eine neuere Entwicklung darstellte: Denn bevor sich Logik und Philosophie in al-Andalus ausgebreitet hatten, widmeten sich die Leute, die eine vorzügliche natürliche Veranlagung besaßen, nur den mathematischen Wissenschaften und brachten es darin auch auf ein hohes Niveau, doch zu mehr waren sie nicht in der Lage. ³²

Diese Beschreibung entspricht durchaus den historischen Tatsachen. Das in al-Andalus im 10. und 11. Jhd. vorhandene mathematische Wissen hing auch mit dem Interesse an Astronomie / Astrologie zusammen, aber es bewegte sich tatsächlich auf einem sehr hohen Niveau. Der in Córdoba tätige Astronom und Mathematiker Maslama al-Mafrītī (Mitte 10. Jhd. – um 1007)³³ und im folgenden Jahrhundert der Astronom az-Zarqālluh (Anfang 11. Jhd. – 1100)³⁴ gehörten ohne Zweifel zu den Großen ihres Faches. Ibn Tufail berichtet weiter, daß sich die Situation zwar etwas verbessert hatte, die bisherigen Ergebnisse aber doch ziemlich dürftig waren: Ihre Nachkommen verfügten dann schon über einige Kenntnisse in der Wissenschaft der Logik und trieben Forschung auf diesem Gebiet, aber auch das verhalf ihnen nicht zu wahrer Vollkommenheit.³⁵

Kenntnisse der Logik mögen vorhanden gewesen sein, von diesbezüglichen Forschungen ist jedoch nichts überliefert. Außer von Kenntnissen in der Astronomie und der medizinischen ³² ³³ ³⁴ ³⁵

Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 9. Vgl. Vernet / Samsó 1997, S. 280–283. Vgl. ebd. S. 285–287. Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 9.

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Praxis wird zu dieser Zeit in al-Andalus auch kaum etwas von Kenntnissen in der Naturwissenschaft berichtet. Die Meteorologie und einige kleinere naturwissenschaftliche Schriften wie die Historia animalium und De Plantis des Aristoteles waren in alAndalus seit dem Ende des 10. Jahrhunderts in arabischen Übersetzungen bekannt. In al-Andalus selbst wurden keine Übersetzungen aus dem Griechischen hergestellt. Auch gibt es von keinem der Philosophen, die noch zu nennen sind, irgendeine Nachricht über Kenntnisse des Griechischen. Die Philosophen in al-Andalus waren also zur Gänze von Übersetzungen abhängig, die vor allem im 9. und 10. Jhd. in Bagdad hergestellt worden waren.³⁶ Aber auch die Kenntnisnahme von diesen Übersetzungen ging nur langsam vonstatten. Eine Kenntnis der Physik und der Metaphysik des Aristoteles ist in al-Andalus im 11. Jhd. nicht nachweisbar. Eine teilweise Kenntnis der aristotelischen Schrift De anima kann im 11. Jhd. angenommen werden.³⁷ Der Prozeß der Rezeption der griechischen Philosophie ging also nur langsam vor sich. Und sind irgendwelche namhafte Philosophen aus al-Andalus aus der Zeit vor Averroes anzuführen? Spätere Autoren berufen sich auf Muhammad Ibn Masarra (883– 931). Von diesem sind aber keine Schriften erhalten, und seine Auffassungen können nur aus späteren Nachrichten – mit großen Unsicherheiten – rekonstruiert werden. Er scheint zunächst Lehren der MuÝtaziliten³⁸ vertreten zu haben, wandte sich aber dann neuplatonischen Auffassungen und sūfīscher Mystik zu und lebte als asketischer Einsiedler in den Bergen in der Nähe

³⁶ Diese Periode der Übersetzungen ist ziemlich gut erforscht. Vgl. O’Leary, de Lacy, How Greek Science Passed to the Arabs, London 1949, Peters, F. E., Aristotle and the Arabs: The Aristotelian Tradition in Islam, New York 1968, Gutas, D., Greek Thought, Arabic Culture. The GraecoArabic Translation Movement in Baghdad and Early ÝAbbāsid Society (2nd– 4th / 8th –10th Centuries), London – New York 1998. ³⁷ Cruz Hernández 1990, S. 184. ³⁸ Vgl. Art. MuÝtaziliten im Anhang.

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von Córdoba.³⁹ In Córdoba und Almería bildeten sich dann Sektengemeinschaften in seiner Nachfolge. Von einer eigentlichen philosophischen Kenntnis kann bei diesen Gruppen aber nicht gesprochen werden. Eine Blütezeit der Kultur erlebte, wie schon erwähnt, al-Andalus im 10. Jhd. unter der Regierung der Umaiyaden ÝAbd ar-Rahmān III . und al-Hakam II . Die Bibliothek in Córdoba wurde großartig ausgebaut und ausgestattet und war möglicherweise mit einer halben Million Bänden zu dieser Zeit die größte Bibliothek der Welt.⁴⁰ Der gute Bibliotheksbestand führte aber nicht zu einem erhöhten Interesse an philosophischen Fragen. Um einem bedeutenden Gelehrten in al-Andalus zu begegnen, müssen wir bis zum Anbruch des 11. Jahrhunderts warten. Diese Bezeichnung gebührt zu Recht dem bedeutenden Juristen, Historiker und Sprachforscher Ibn Hazm (994–1064).⁴¹ Dieser ist u. a. dafür bekannt, daß er der Logik einen wichtigen Platz innerhalb der islamischen Rechtswissenschaft einräumte. Seine Verwendung der Philosophie war aber davon bestimmt, was er für die islamischen Wissenschaften selektiv verwenden konnte. Ein eigentlich philosophisches Interesse hingegen finden wir bei Ibn as-Sīd (1052–1127),⁴² der aus Badajoz stammte, dann aber aufgrund der öfters wechselnden politischen Umstände an verschiedenen Orten lebte. Eine Zeitlang hielt er sich auch in Zaragoza auf. Dieser Ort ist deshalb wichtig, weil dort seit dem 10. Jhd. die Enzyklopädie der Brüder der Reinheit⁴³ bekannt war, und die philosophische Bildung as-Sīds beruhte fast zur Gänze auf diesem Werk. Bei Ibn as-Sīd begegnen wir einer Auffassung, die bei Averroes zentral sein wird: Philosophie ³⁹ Vgl. Corbin 1986, S. 307–313, und Cruz Hernández 1981, II , S. 20– 24.

⁴⁰ Vgl. Thompson, J. W., The Medieval Library, Chicago 1939 (Nachdruck New York – London 1965), S. 360 f. ⁴¹ Vgl. Art. Ibn Hazm im Anhang, und Cruz Hernández 1981, II , S. 35–58. ⁴² Zu Ibn as-Sīd vgl. Cruz Hernández 1981, II , S. 65–71. ⁴³ Vgl. Art. Iiwān as-Safā im Anhang.

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und Religion unterscheiden sich nicht dem Inhalt, sondern nur der Form nach, und diese verschiedenen Formen entsprechen den verschiedenen Fähigkeiten der Menschen.⁴⁴ Diese These stammte von al-Fārābī, Schriften von al-Fārābī ⁴⁵ und Ibn Sīnā (Avicenna)⁴⁶ selbst scheint Ibn as-Sīd aber noch nicht gekannt zu haben.⁴⁷ Eine Kenntnis und Verarbeitung der Philosophie al-Fārābīs finden wir erst bei Ibn Baffa (Ende 11. Jhd. – 1138).⁴⁸ Das Urteil Ibn Tufails über die Situation der Philosophie in alAndalus vor Ibn Baffa, also noch zu Beginn des 12. Jahrhunderts, triff t sicher zu: Glaube nicht, daß die Philosophie, die mit den Büchern des Aristoteles, des Abū Nasr al-Fārābī oder mit Ibn Sīnās Werk Die Heilung zu uns gelangt ist, dich deinem gewählten Ziel näherbringt, und auch nicht, daß irgend jemand in al-Andalus darüber schon etwas Brauchbares geschrieben hat! […] Unter ihnen [d. h. den Leuten der späteren Generationen] gab es keinen mit einer durchdringenderen Denkkraft, richtigeren theoretischen Einsichten und einem zuverlässigeren Blick als Ibn Baffa; doch er war so sehr von weltlichen Belangen eingenommen, daß ihn der Tod dahinraff te, bevor seine ganzen Vorräte an Wissen zu Tage treten und die verborgenen Kostbarkeiten seiner Weisheit allgemein bekannt werden konnten. Die meisten seiner Schriften sind unvollendet geblieben und brechen unvermittelt ab.⁴⁹

Soweit also Ibn Tufail, und mit ihm sind wir bei der Generation unmittelbar vor Averroes und gleichzeitig bei dessen Mentor und Förderer. Ibn Tufail war aber nicht der Lehrer des Averroes.⁵⁰ Wenn also die arabischen Biographen nichts von einem ⁴⁴ ⁴⁵ ⁴⁶ ⁴⁷ ⁴⁸ ⁴⁹ ⁵⁰

Vgl. Corbin 1986, S. 327 f. Vgl. Art. Al-Fārābī im Anhang. Vgl. Art. Ibn Sīnā im Anhang. Vgl. Cruz Hernández 1990, S. 183. Vgl. Art. Ibn Baffa im Anhang. Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 8 f. Cruz Hernández 1986, S. 24, hält es zwar für möglich, daß Ibn

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Lehrer des Averroes im Bereich der Philosophie zu berichten wissen, so beruht dies ganz einfach auf der Tatsache, daß zu seiner Zeit in al-Andalus gar kein solcher Lehrer zu finden war.⁵¹ Und Institutionen, um »die fremden Wissenschaften« zu studieren, gab es in al-Andalus, aber auch im Osten der Länder des Islam, überhaupt nicht.⁵² Außer einigen wenigen von Herrschern oder wohlhabenden Privatleuten eingerichteten Bibliotheken, in denen entsprechende Texte vorhanden waren, blieb für die wenigen, die an Philosophie interessiert waren, nur das eigene Studium. Und in der Öffentlichkeit sprach man besser nicht über solche Studien und den Besitz solcher Bücher.⁵³ Inzwischen hatte sich allerdings das intellektuelle Klima in al-Andalus geändert, wofür Ibn Tufail selbst der beste Zeuge ist. Wie schon erwähnt, hatte es während der Periode der Herrschaft der Almoraviden und der unter ihnen wirksamen mālikitischen Tufail der Lehrer des Averroes gewesen sein könnte, kann dafür aber auch keine Belege anführen. ⁵¹ Die Biographen / Bibliographen aus al-Andalus und dem Maghreb waren sich der Abhängigkeit ihrer Gelehrten von den Ländern des Ostens durchaus bewußt und suchten daher besonders eifrig nach »eigenen« Persönlichkeiten, um die Originalität und Identität ihrer Kultur nachzuweisen. Vgl. al-Qādī, W., Biographical Dictionaries: Inner Structure and Cultural Signifi cance, in: Atiyeh, G. N. (Hrsg), The Book in the Islamic World, New York 1995, S.114. Diesen Biographen wäre ein Lehrer des Averroes kaum entgangen. ⁵² Vgl. Makdisi 1983, S. 80. Im Osten wurde auch erst im 13. Jhd. die Logik in das Lehrprogramm der Madrasa aufgenommen. ⁵³ Es gab zahlreiche Rechtsgelehrte, die die Auffassung vertraten, daß der Besitz von Büchern der Philosophie unrechtmäßig sei, so daß eigentlich gar nicht von »Eigentum«, sondern nur von »Zugehörigkeit« solcher Bücher gesprochen werden konnte. Vgl. Nagel 2001, S. 78. Da es also nicht möglich war, Eigentum solcher Güter zu erwerben, Dinge, die aber nicht Eigentum werden konnten, strenggenommen auch nicht Gegenstand eines Kaufvertrages werden konnten, bewegte sich der Handel mit philosophischen Büchern und der Auf bau einer philosophischen Bibliothek in einem rechtlich unsicheren und angreif baren Rahmen.

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Kontrolle aller Bereiche keine Entfaltungsmöglichkeit für eine philosophische Tätigkeit gegeben, eine solche Tätigkeit war sogar gefährlich. Nun aber waren seit einigen Jahrzehnten die Almohaden sowohl im Maghreb als auch in al-Andalus an der Herrschaft.⁵⁴ Die Herrschaft der Almohaden war aus einer von dem Berber Ibn Tūmart (um 1080–1130) in Nordafrika gegründeten religiös-politischen Bewegung hervorgegangen, die in ausdrücklichem Gegensatz zu den Almoraviden stand und die ausgehend vom Maghreb auch die Macht in al-Andalus übernommen hatte. Ibn Tūmart hatte eine rationale Gotteserkenntnis als Grundlage des islamischen Glaubens gefordert.⁵⁵ In moderner Terminologie würden wir seine Grundhaltung als »philosophisch« und als »rationalistisch« bezeichnen und dies nicht ganz zu Unrecht, denn schon der hanbalitische Gelehrte Ibn Taymīya (1263–1328) hatte das Vorgehen von Ibn Tūmart mit dem der falsafa (= Philosophie)⁵⁶ in eine Linie gesetzt.⁵⁷ Eine solche Haltung war der der Mālikiten extrem entgegengesetzt. Auch im Recht stellte sich Ibn Tūmart gegen die herrschenden Mālikiten, denen er eine rein an Kasuistik orientierte Rechtswissenschaft vorwarf, was nur begrenzt berechtigt war, da, wie wir schon beim Großvater des Averroes gesehen haben, zumindest gelegentlich durchaus auch Fragen der Grundlagen des Rechts (usul al-fiqh) behandelt wurden. Selbstverständlich war mit dieser Entgegensetzung die Macht und der Einfluß der mālikitischen ⁵⁴ Vgl. Art. Almohaden im Anhang. ⁵⁵ Vgl. Urvoy 1974, Brunschvig 1976 a, und Geoff roy 1999. ⁵⁶ Falsafa wurde und wird im Arabischen als Fremdwort für griechisch philosophía verwendet. Averroes verwendet diesen Begriff in der Entscheidenden Abhandlung in § 1 und § 2. Entsprechend wird der Philosoph als failasuf (Pl. falasifa) bezeichnet. Auch diese Bezeichnung fi ndet sich in der Entscheidenden Abhandlung im § 16 und § 35. Averroes verwendet allerdings für Philosophie häufig auch den arabischen Ausdruck hikma. Vgl. dazu Anm. 8 im Kommentar. ⁵⁷ Vgl. Laoust 1960, S. 160 und S. 178, Urvoy 1998, S. 59, und 2006, S. 461.

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Juristen noch keineswegs gebrochen, was auch Averroes gegen Ende seines Lebens erfahren mußte. Es war also zur Zeit des Averroes durchaus möglich, sich mit Philosophie zu beschäftigen, und dies stand sogar in Übereinstimmung mit der Ideologie der herrschenden Almohaden. Nichtsdestoweniger darf man diese für die Philosophie günstigere Umgebung nicht mit der wesentlich günstigeren, weil noch offeneren und experimentierfreudigeren Zeit der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts in Bagdad vergleichen, in der al-Fārābī lebte, und auch nicht mit der liberaleren Umgebung der persischen Höfe der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts, an denen muÝtazilitisches und šīÝitisches Denken stark präsent waren und wo Ibn Sīnā (Avicenna) ziemlich unangefochten seine Gedanken entwickeln und vortragen konnte. Allerdings werden wir weiter unten sehen, daß auch diese relativ und begrenzt günstige Situation nicht schon ein gesellschaftlich offenkundiges Phänomen war und auch Averroes selbst sich darüber nicht von Anfang an im klaren war. Sicher bedeutete es aber, daß Averroes sich mit der Annäherung an die herrschenden Almohaden aus der Tradition seiner Familie, die eng mit den Almoraviden verbunden war, löste. Dafür, daß Averroes sich ganz bewußt der intellektuellen Richtung der Almohaden anschloß, liegt auch ein deutlicher Nachweis vor. 1151 hatte sich Córdoba offiziell den Almohaden angeschlossen. 1153 begab sich Averroes nach Marrakesch, wo sich die Residenz der Almohaden befand, und es ist vermutlich dieser Zeitpunkt, an dem er einen – leider nicht erhaltenen – Kommentar zum Glaubensbekenntnis des Ibn Tūmart verfaßte.⁵⁸ Auch die Grundkonzeption der Entscheidenden Abhandlung wird vor dem Hintergrund der almohadischen Auffassung zu verstehen sein.⁵⁹ Ob Averroes schon zu diesem Zeitpunkt in Marrakesch Ibn Tufail begegnete, ist nicht mit Sicherheit auszumachen.⁶⁰ ⁵⁸ Vgl. Urvoy 1998, S. 57 f. ⁵⁹ Vgl. Urvoy 1978, und Geoff roy 1999. 2 ⁶⁰ Vgl. Arnaldez in EI III , Sp. 910 a.

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Bei seinem Aufenthalt in Marrakesch war Averroes auch mit astronomischen Beobachtungen beschäftigt, wie er selbst später in seinem Kommentar zu De Caelo berichtet. Averroes hatte also zu dieser Zeit bereits begonnen, sich mit philosophischen und wissenschaftlichen Fragen zu befassen, wobei griechische Wissenschaft und griechische Philosophie als eine Einheit betrachtet wurden.⁶¹ In den Jahren zwischen 1158 und 1160 verfaßte Averroes kurze Kommentare oder Zusammenfassungen (fawamiÝ) der Meteorologica des Aristoteles und des Almagest des Ptolemaios. Averroes war also zu dieser Zeit besonders an Fragen der Astronomie interessiert, und er hat es später bedauert, daß er seinen Jugendplan einer Neugestaltung der Astronomie nicht verwirklichen konnte.⁶² Während dieser Jahre verfaßte Averroes auch die Zusammenfassungen der einzelnen logischen Schriften des aristotelischen Organons, zu dem nach spätantiker und arabischer Tradition auch die Rhetorik und die Poetik gehörten.⁶³ Es fällt dabei auf, daß Averroes bei der Behandlung der Topik (Dialektik) einerseits und der Rhetorik und Poetik andererseits schon hier, also zu einem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt, einen Teil der Problematik ins Auge faßte, die später in der Entscheidenden Abhandlung eine ganz zentrale Rolle spielen wird, nämlich die Zuordnung bestimmter Rede- und Argumentationsformen zu bestimmten Menschengruppen.⁶⁴ Es wird noch darauf hinzuweisen sein, daß Averroes dieses Interpretationsmodell von al-Fārābī übernommen hat (vgl. weiter unten 2.4). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Averroes allerdings nur kurze Zusammenfassungen verfaßt und konnte somit auch noch nicht den Ruf eines bedeutenden Gelehrten besitzen.

Vgl. Al-Fārābī, De scientiis. Vgl. auch Anm. 59 im Kommentar. Vgl. al-Fārābī, De scientiis, Kap. II : De logica, S. 43–59. Vgl. dazu die Einleitung von Butterworth zu Averroes, Th ree Short Commentaries.

⁶¹ ⁶² ⁶³ ⁶⁴

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Für das Leben des Averroes in politischer und wissenschaftlicher Hinsicht haben zwei Ereignisse eine entscheidende Rolle gespielt, die beide mit dem Almohaden-Herrscher Abū YaÝqūb Yūsuf (reg. 1163–1184) zusammenhängen, der zunächst Gouverneur von Sevilla war und der 1163 als Emir die Herrschaft im Maghreb und in al-Andalus übernahm. Der neue Emir und spätere Kalif war ein sehr gebildeter Mann mit breiten wissenschaftlichen Interessen. An seinem Hof in Marrakesch war auch der schon genannte Ibn Tufail als Hofarzt tätig. Averroes hat einem Schüler diese Ereignisse selbst erzählt, und der Historiker und Biograph al-Marrakušī (Anfang 13. Jhd.) hat diese Berichte überliefert.⁶⁵ Das erste wichtige Ereignis ist die Vorstellung des Averroes vor dem Sultan durch Ibn Tufail.⁶⁶ Wann und wo Averroes Ibn Tufail zum ersten Mal begegnete, ist nicht überliefert. Bei dieser Begegnung legte Abū YaÝqūb Yūsuf dem Averroes die berühmt-berüchtigte Frage nach der Ewigkeit oder Zeitlichkeit der Welt vor, vermutlich damals die beliebteste Testfrage an junge Gelehrte überhaupt. Sie wird auch in der Entscheidenden Abhandlung eine wichtige Rolle spielen (vgl. § 18 – § 22). Bei dieser Frage mußte der Kandidat beweisen, daß er die griechische Philosophie gut kannte, er mußte aber auch über die Einwände, die dagegen in der islamischen Theologie (kalam) vorgebracht wurden, gut informiert sein. Averroes berichtet allerdings, daß er durch diese Frage verwirrt wurde und versuchte, einer Antwort auszuweichen, und daß er zunächst überhaupt leugnete, sich mit Philosophie befaßt zu haben. Dies zeigt, daß in den siebziger Jahren die aus der Zeit der Almoraviden stammende Furcht, offen zu sagen, daß man sich mit Philosophie beschäftigte, weiterhin wirksam war und auch in den Kreisen der Gebildeten das Interesse Abū YaÝqūb Yūsufs an Philosophie und der damit verbundene Schutz von Vertretern derselben durch den ⁶⁵ Engl. Übersetzung in Hourani, Harmony, S. 12 f., französ. Übersetzung in Urvoy 1998, S. 88. ⁶⁶ Vgl. zu dieser Vorstellung Morata 1941.

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Herrscher nicht allgemein bekannt waren. Bei dieser Begegnung begann Abū YaÝqūb Yūsuf aber, sein breites Wissen zu demonstrieren, so daß Averroes seine anfängliche Scheu und Furcht überwand und nun seinerseits sein Wissen unter Beweis stellen konnte. Averroes hatte zu diesem Zeitpunkt schon einen kurzen Kommentar zur Metaphysik des Aristoteles verfaßt, war also über die Frage der Ewigkeit oder Zeitlichkeit der Welt gut informiert. Al-Marrakušī berichtet dann – weiter die Erzählung des Averroes referierend –, daß Averroes eines Tages von Ibn Tufail gerufen wurde. Dieser teilte ihm mit, daß Abū YaÝqūb Yūsuf sich über Unklarheiten der Texte des Aristoteles bzw. über die an vielen Stellen nicht gut verständlichen arabischen Übersetzungen beklagt habe und ihn, also Ibn Tufail, beauftragt habe, hier Abhilfe zu schaffen. Ibn Tufail habe angesichts seines Alters diesen Auftrag an ihn, also an Averroes, weitergegeben, und dies sei der Grund für ihn gewesen, seine Kommentare (taljis) zu Aristoteles zu verfassen.⁶⁷ So weit die beiden Berichte. Die Quellen geben für die beiden Ereignisse kein Datum an, und in der Forschung ist der Zeitpunkt dieser Begegnungen umstritten. Hourani nimmt für beide Ereignisse die Jahre 1168–1169 an.⁶⁸ Ähnlich schlägt Cruz Hernández als Zeitpunkt der Vorstellung 1168–1169 vor.⁶⁹ Arnaldez nimmt für die Vorstellung 1169 oder wenig früher an und läßt das Datum für die Beauftragung offen.⁷⁰ Urvoy schlägt – mit Fragezeichen – für die Vorstellung des Averroes vor dem späteren Kalifen 1160 und für die Beauftragung 1166 vor.⁷¹ Im vorliegenden Zusammenhang der Einleitung zur Entscheidenden Abhandlung kann die Frage dieser Datierung ⁶⁷ Engl. Übersetzung in Hourani, Harmony, S. 13, französ. Übersetzung in Urvoy 1998, S. 88 f. ⁶⁸ Hourani, Harmony, S. 12. ⁶⁹ Cruz Hernández 1981, II , S. 123 f. 2 ⁷⁰ Arnaldez in EI III , Sp. 910 a. ⁷¹ Urvoy 1998, S. 90, und S. 232. Urvoy 1991, S. 33, nimmt für die Vorstellung schon 1153 an, also den Zeitpunkt, zu dem Averroes sich in Marrakesch aufhielt, und für die Beauftragung die Jahre um 1159.

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offen bleiben, denn in jedem Fall liegen diese beiden Ereignisse lange vor der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung. Zu beachten ist jedoch folgendes: Geht man davon aus, daß die Beauftragung durch den Sultan bzw. durch Ibn Tufail in den Jahren 1168–1169 erfolgte, dann war Averroes zu diesem Zeitpunkt über vierzig Jahre alt; man darf die Angelegenheit also nicht – wie es manchmal geschieht – so darstellen, als sei hier ein begabter Nachwuchswissenschaftler mit einem großen – von ihm vielleicht gar nicht überschaubaren – Forschungsauftrag betreut worden, ganz einfach deshalb nicht, weil im 12. Jhd. ein vierzigjähriger Mann nicht mehr als »jung« angesehen werden konnte. Wir können also sagen, daß Averroes diese Aufgabe als reifer Mann übernahm und er sich über das Ausmaß des Unternehmens im klaren sein mußte. Und als ein aus einer mālikitischen Familie stammender Jurist, der die gesellschaftliche Situation kannte, mußte ihm ebenso bewußt sein, daß ihm die Arbeit an diesem Unternehmen nicht nur Freunde verschaffen würde. Averroes hatte allerdings keineswegs die Absicht, sich als Privatgelehrter und Aristotelesforscher zurückzuziehen, sondern strebte in guter Familientradition eine auf seinen Rechtskenntnissen beruhende öffentliche Lauf bahn an, die sich mit Hilfe seiner nun guten Beziehungen zum Herrscher auch realisieren ließ. Er schloß daher die Arbeit an den Bidāyat, seinem großen Werk über das islamische Recht, ab und wurde 1169 zum Kadi von Sevilla ernannt. Entweder aufgrund des vom Sultan erteilten Auftrags oder schon kurz vorher begann Averroes mit einer neuen Art der Kommentierung der Werke des Aristoteles, den sog. Mittleren Kommentaren (taljis, Pl. taljisat), und setzte diese Arbeit bis 1177 fort.⁷² Im Unterschied zu den kurzen Zusammenfassun⁷² Manche Werke des Averroes sind datiert manche nicht und die gesamte Chronologie liefert erhebliche Probleme. Zur Chronologie der Werke vgl. Alonso 1947, S. 51–98, und die darauf beruhende Übersicht in Cruz Hernández 1981, II , S. 137–139.

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gen handelt es sich hier nun um Kommentare im echten Sinn des Wortes, d. h. Averroes folgt jetzt genau dem jeweiligen Text des Aristoteles. Averroes erläutert diese Texte aber in durchaus selbständiger Weise und führt auch Beispiele an, die sich nicht im Text des Aristoteles finden. Dabei bietet sich für Averroes nicht selten eine Gelegenheit, Beispiele heranzuziehen, die sich auf den islamischen Glauben, auf die islamische Gesellschaft oder auf deren Geschichte beziehen. In den späteren Großen Kommentaren (tafsir, Pl. tafasir) wird dies nicht mehr der Fall sein, dort geht es »nur« um die strenge Kommentierung des Textes.⁷³ Averroes fand bei seiner Arbeit an den Kommentaren nicht mehr die günstigen Voraussetzungen vor, die ein al-Fārābī und andere früher in den östlichen Ländern des Islam gehabt hatten. Er selbst konnte kein Griechisch, hatte aber auch niemanden mit Griechischkenntnissen zur Verfügung, und ob in al-Andalus griechische Texte des Aristoteles überhaupt verfügbar waren, ist mehr als fraglich. Al-Fārābī, der auch kein Griechisch konnte, hatte immerhin mit Abū Bišr Matta (870–940) einen Lehrer gehabt, der selbst als Übersetzer aus dem Griechischen tätig war, und er hatte mit Yahyā ibn ÝAdī (893/894–974) einen Schüler, der des Griechischen mächtig war und auch wieder als Übersetzer hervortrat. Daß beide Christen waren, ersterer Nestorianer, letzterer Monophysit, spielte offenbar keine Rolle. Al-Fārābī lebte und arbeitete also in einem Umfeld, in dem, häufig vermittelt durch Christen, der Kontakt mit den griechischen Originaltexten noch vorhanden und ein gelegentlicher Rückgriff auf diese Texte möglich war. Averroes hingegen war einzig auf arabische Übersetzungen angewiesen. Ein näherer Kontakt oder sogar eine Zusammenarbeit mit mozarabischen Christen war kulturell, gesellschaftlich und politisch für einen Muslim in al-Andalus nicht möglich und hätte auch nichts gebracht, da diese nicht der ⁷³ Zu den Methoden der Kommentierung vgl. Badawi 1998, Anhang I: Averroès face au texte qu’il commente, S. 145–175. Vgl. auch Jeamy 2002.

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griechischen, sondern der lateinischen Tradition verbunden waren.⁷⁴ Aber auch im Hinblick auf die arabischen Übersetzungen befand Averroes sich bibliotheksmäßig nicht in einer so günstigen Situation wie al-Fārābī im Bagdad des 10. Jahrhunderts, wo alle übersetzten Texte verfügbar waren. In al-Andalus im 12. Jhd. konnte es bei der Beschaff ung eines Textes aus dem Osten Probleme geben. Auch in bezug auf die »Sekundärliteratur« zu den aristotelischen Schriften war Averroes in einer ungünstigeren Situation als seine Bagdader Kollegen zwei Jahrhunderte vorher. Im 9. und 10. Jhd. waren zahlreiche spätantike Kommentare zu aristotelischen Schriften aus dem Syrischen oder direkt aus dem Griechischen ins Arabische übersetzt worden, es scheint aber, daß Averroes nicht alle dieser Übersetzungen zur Verfügung hatte.⁷⁵ In einem 1169, also während seiner Tätigkeit als Kadi in Sevilla entstandenen Kommentar beklagt sich Averroes darüber, dort nicht alle Texte, die er wünscht, zur Verfügung zu haben.⁷⁶ Seine eigene Bibliothek hatte Averroes in Córdoba, er hatte aber sicher auch Zugang zu den Bibliotheken der Herrscher. Die Bibliotheken Abū YaÝqūb Yūsufs waren ohne Zweifel gut ausgestattet, in Hinsicht auf wissenschaftliche Literatur war aber eben doch der Bücherbestand im Sevilla oder Córdoba des 12. Jahrhunderts nicht mit dem im Bagdad des 10. Jahrhunderts zu vergleichen. Die historischen Gegebenheiten sprechen gegen einen reichen philosophischen Bücherbestand in Córdoba. In den Jahren 1010–1013 belagerten die Berber Córdoba und plünderten anschließend die Stadt. Abī ÝAlī al-Mansur (938–1002, seit 978 ⁷⁴ Die Verbindung mit der lateinischen Tradition war ziemlich problematisch. Die gebildeten Mozaraber, vor allem die Kleriker, konnten wesentlich besser Arabisch als Latein und hatten große Schwierigkeiten beim Verständnis lateinischer Texte. Ein gutes Zeugnis dafür liefert ein arabisch-lateinisches Glossar aus dem 10. Jhd. Vgl. dazu Koningsveld, P. S., The Latin-Arabic Glossary of the Leiden University Libary, Leiden 1976. ⁷⁵ Vgl. Badawi 1998, S. 148–155. ⁷⁶ Vgl. Urvoy 1998, S. 124.

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der tatsächliche Herrscher von al-Andalus), bei den Lateinern als Almansor bekannt, ließ die Bücher der großen Bibliothek Hakams II . in Córdoba zur Astronomie und Philosophie verbrennen, um die Unterstützung der mālikitischen Juristen zu gewinnen. Später wurde Córdoba von lokalen Stadthaltern regiert, 1091 eroberten die Almoraviden die Stadt und erst 1148 wurde sie von den Almohaden eingenommen. Es ist nicht ersichtlich, daß irgend jemand in Córdoba bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts daran interessiert gewesen sein könnte, den bewußt vernichteten philosophischen Bücherbestand der Bibliothek von Córdoba wieder aufzubauen. Was immer auch sonst die Gründe gewesen sein könnten, jedenfalls verließ Averroes seine Stellung als Kadi in Sevilla nach nur zwei Jahren und kehrte 1171 in seine Heimatstadt Córdoba zurück, wo er weiter an seinen Mittleren Kommentaren arbeitete. Die Arbeit an diesen Kommentaren erstreckte sich bis 1176/1177. Ob Averroes in Córdoba während dieser Zeit auch eine offizielle Stellung innehatte, ist nicht bekannt.

. Die Abfassung der Entscheidenden Abhandlung und die Großen Kommentare Nach einem Aufenthalt in Marrakesch, der Residenz des Sultans Abū YaÝqūb Yūsuf, im Jahre 1179 wurde Averroes im folgenden Jahr ein zweites Mal zum Kadi von Sevilla ernannt. Dabei ist zu beachten, daß ein Kadi in dieser Periode nicht nur Richter war, der die geltenden Gesetze anwandte, sondern die Persönlichkeit, die die höchste nicht-militärische Autorität innehatte, also praktisch die gesamte zivile Verwaltung unter ihrer Aufsicht hatte und somit auch eine wichtige politische Funktion innehatte.⁷⁷ In die Zeit dieser Tätigkeit, die auch wiederum nur zwei Jahre dauern sollte, fällt die Abfassung der für uns hier beson⁷⁷ Vgl. Cruz Hernández 1986, S. 23.

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ders interessanten Schriften. Zwischen 1179 und 1180 entstehen – in dieser Reihenfolge – die Damīma,⁷⁸ der Fasl al-maqāl, also die Entscheidende Abhandlung, der Manāhif al-adilla fī aqāÞid al-milla (Die Erklärung der Beweismethoden hinsichtlich der Glaubensvorstellungen der Religion) und der Tahāfut at-Tahāfut (Die Inkohärenz der Inkohärenz). Die ersten drei Schriften bilden eine Einheit, also eine Art »Trilogie«, die letzte Schrift, also Die Inkohärenz der Inkohärenz, der umfangreichste dieser Texe, stellt eine die anderen Texte ergänzende kritische Auseinandersetzung mit al-Gazālīs Tahāfut al-Falāsifa (Inkohärenz der Philosophen) dar. Wir wollen hier zunächst nur die äußeren, historischen Fragen zur Entstehung dieser Schriften, also natürlich besonders der Entscheidenden Abhandlung betrachten. Wie schon erwähnt und wie auch aus dem Titel der Schrift sofort eindeutig ersichtlich, handelt es sich bei der Entscheidenden Abhandlung um ein Rechtsgutachten (fatwa) über das Verhältnis von islamischem Gesetz und Philosophie. Auf inhaltliche Fragen, die sich bei der Beantwortung dieser Frage ergeben, geht Averroes in seiner Abhandlung nur in einem minimalen Ausmaß ein und eigentlich auch nur, um die rechtliche Frage der von al-Gazālī erhobenen Behauptung, einige Philosophen seien wegen bestimmter Lehren des Unglaubens (kufr) zu bezichtigen, aufzugreifen und um dieser Anschuldigung mit Rechtsargumenten zu begegnen. Die inhaltlich umstrittene Frage der Kenntnis Gottes der Einzeldinge wird in der kurzen Schrift Damīma behandelt, diese und weitere Streitfragen wie die der Schöpfung, der Attribute Gottes, der Handlungen Gottes, der körperlichen Existenz im jenseitigen Leben usw. werden im Manāhif diskutiert. Die chronologische Abfolge der Entstehung dieser drei Schriften ist eindeutig: Im § 17 der Entscheidenden Abhandlung bezieht Averroes sich auf die Damīma als einer schon verfaßten Schrift, und am Ende der ⁷⁸ Der Titel Damīma, d. h. »Zusatz«, stammt nicht von Averroes, sondern wurde von M. J. Müller, dem ersten Herausgeber dieser Schrift, eingeführt.

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Entscheidenden Abhandlung im § 59 verspricht Averroes – falls Gott ihm die Zeit dafür noch gewährt – eine weitere Schrift, die ohne Zweifel der Manāhif ist. Und im Manāhif verweist er auf die Entscheidende Abhandlung als einer schon verfaßten Schrift.⁷⁹ Geht man von der naheliegenden Vermutung aus, daß diese drei Schriften in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen, so stellt auch die Datierung kein besonderes Problem dar. Am Ende des Manāhif schreibt Averroes: »Gott leitet zum Richtigen und ist Bürge für die Belohnung, durch seine Gnade und Barmherzigkeit. Geendet im Jahre 575.«⁸⁰ Dies entspricht in unserer Zeitrechnung dem Jahr 1179/1180. Also kann mit guten Gründen angenommen werden, daß auch die Abfassung der Entscheidenden Abhandlung in die Jahre 1179/1180 fällt. Nimmt man an, daß der Tahāfut kurz nach dem Manāhif entstanden ist, so liegt dafür das Jahr 1180 nahe.⁸¹ Eine weitere, allerdings weniger leicht zu beantwortende Frage ist die nach dem Grund der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung bzw. dieser gesamten Schriftengruppe. Die Entscheidende Abhandlung ist in deutlich apologetischer Absicht zur Verteidigung der Beschäftigung mit der Philosophie abgefaßt. Normalerweise werden Schriften zur Verteidigung abgefaßt, wenn ein Angriff vorliegt. Von welcher Seite man einen solchen Angriff erwarten könnte, ist aus dem weiter oben Gesagten schon deutlich. Es könnte sich nur um mālikitische Juristen gehandelt haben, die ja weiterhin viel Macht besaßen, auch wenn sie nicht in Übereinstimmung mit den Auffassungen der herrschenden Almohaden standen. Diese von Hourani geäußerte Vermutung⁸² besteht durchaus zu Recht. Auch bei den Ursachen, die dazu führten, daß 1197 die Beschäftigung mit Philosophie verboten wurde und Averroes, in Ungnade gefallen, ins Exil nach Lucena ⁷⁹ ⁸⁰ ⁸¹ ⁸²

Manāhif, S. 73, Faith and Reason, S. 71. Manāhif, S. 127, Faith and Reason, S. 132. Vgl. Alonso 1947, S. 92, und Urvoy 1998, S. 234. Hourani, Harmony, Einleitung, S. 16 f.

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gehen mußte, kann ja zu Recht – neben den üblichen Hofintrigen – angenommen werden, daß der Herrscher dabei dem Drängen der mālikitischen Juristen nachgab, deren Unterstützung und deren Einfluß auf das Volk er im Kampf gegen die militärisch vordringenden Christen benötigte.⁸³ Diese Ereignisse haben aber doch erst beinahe zwei Jahrzehnte später stattgefunden. Für die Jahre 1179/1180, also für den Zeitpunkt der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung, liegen hingegen keine Berichte vor, die Hinweise auf besonders heftige Angriffe gegen philosophische Tätigkeiten liefern, wie auch Hourani feststellt.⁸⁴ Auch Averroes selbst hatte zu diesem Zeitpunkt nichts von den Mālikiten zu befürchten. Im Jahre 1180 wurde Averroes an Stelle eines Mālikiten zum obersten Richter von Córdoba bestellt. Dies brachte ihm sicher nicht besondere Sympathien der mālikitischen Rechtsgelehrten ein, die Ernennung des Averroes machte ihnen aber auch deutlich, daß dieser sich der Gunst des Herrschers erfreute. Auff ällig ist auch, daß in den Quellen nichts von irgendeiner Reaktion von Seiten der Mālikiten auf die Entscheidende Abhandlung berichtet wird. Obwohl ein argumentum ex silentio, scheint mir dieses völlige Fehlen irgendeiner Reaktion doch beachtenswert, einfach deshalb, weil das Verfassen von Streitschriften zu umstrittenen Fragen (ijtilaf) einen wichtigen Teil der Tätigkeit islamischer Juristen darstellte und eine mangelnde Erwiderung auf eine öffentlich diskutierte Frage als stillschweigende Zustimmung (sukut) gedeutet werden konnte.⁸⁵ Es stellt sich also die Frage, ob die Mālikiten diesen Text überhaupt gelesen bzw. ob sie ihn überhaupt zu Gesicht bekommen haben. Möglicherweise liefert auch die Handschriftentradition (vgl. ⁸³ Vgl. Urvoy 1991, S. 35 f., und 1998, S. 178 f., Arnaldez 2000, S. 15, Fahkry 2001, S. 2. ⁸⁴ Hourani, Harmony, Einleitung, S. 16. ⁸⁵ Der Ausdruck sukut, d. h. »Schweigen«, ist ein Ausdruck des islamischen Rechts, der besagt, daß dort, wo eine Äußerung erfolgen müßte, diese aber nicht erfolgt, dies als Zustimmung gewertet wird. Vgl. Art. Sukūt in EI 2 IX, 806 a.

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dazu weiter unten 3) einen Hinweis. Es sind nur zwei Handschriften des Textes der Entscheidenden Abhandlung erhalten, die beide im Zusammenhang anderer Schriften des Averroes stehen, und da vermutlich beide aus einer einzigen Quelle stammen, kann man den Eindruck gewinnen, daß diese Quelle direkt im Nachlaß des Averroes zu suchen ist. Es fehlt jeglicher Hinweis auf irgendeine weitere Handschrift. Dies im Unterschied zum Manāhif, von dem außer einer Handschrift in Spanien auch zwei in Istanbul und zwei in Kairo vorhanden sind, was also auf eine weitere Verbreitung schließen läßt.⁸⁶ Zu beachten ist weiterhin, daß die Mālikiten nur Adressaten des ersten Teils der Entscheidenden Abhandlung (bis § 10) sind, im gesamten übrigen Teil des Textes sich Averroes aber mit den AšÝariten und besonders mit al-Gazālī auseinandersetzt. Aber auch von seiten der AšÝariten ist nichts von Erwiderungen gegen die Entscheidende Abhandlung bekannt. Auch im Manāhif werden vor allem die Auffassungen der AšÝariten behandelt, und der Tahāfut, das weitaus umfangreichste Werk dieser Textgruppe, stellt eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit al-Gazālī dar. Nun erfreute sich al-Gazālīs Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften einer zunehmenden Beliebtheit in al-Andalus, ob dort aber auch dessen Inkohärenz der Philosophen überhaupt zur Kenntnis genommen wurde, ist doch sehr zweifelhaft. Dieses Werk al-Gazālīs richtete sich vor allem gegen Auffassungen al-Fārābīs und Ibn Sīnās, also gegen eine Philosophie der Länder des islamischen Ostens, die in al-Andalus kaum und nur ganz wenigen bekannt war. Auch ist von Angriffen von AšÝariten gegen philosophische Auffassungen in dieser Zeit in al-Andalus nichts zu hören. Also auch bei alGazālīs Inkohärenz der Philosophen dürfte gelten, daß es dafür in al-Andalus außer Averroes und einigen ganz wenigen, von denen wir aber nichts wissen, gar keine Leser gab. Für den zweiten Teil der Entscheidenden Abhandlung gab es also vermutlich in

⁸⁶ Vgl. Hourani, Harmony, Einleitung, S. 41.

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al-Andalus gar keine Adressaten.⁸⁷ Es gibt also für die Jahre 1179/1180 keinen historisch nachweisbaren und ausreichenden äußeren Grund für Averroes, der eben zum zweiten Mal in das höchste Richteramt von Sevilla, der bedeutendsten Stadt in alAndalus, berufen worden war und der bekanntermaßen unter dem Schutz des Herrschers stand, seine von ihm vor allem geliebte Arbeit der Kommentierung der Werke des Aristoteles für zwei Jahre zu unterbrechen und Traktate im Gesamtumfang von etwa 700 Druckseiten über das Verhältnis zwischen Islam und Philosophie zu verfassen, Traktate, die jedenfalls uns heute als die persönlichsten Schriften des Averroes erscheinen. In diesem Zusammenhang muß auch gesagt werden, daß m. E. die Diskussion darüber, ob Averroes ein gläubiger Muslim war, völlig unangebracht und überflüssig ist.⁸⁸ Weder seine Erziehung und seine Familientradition noch sein beruflicher Weg noch seine Schriften geben den geringsten Anlaß, daran zu zweifeln, daß jedenfalls er selbst sich für einen strenggläubigen Muslim hielt.⁸⁹ Die genannte Schriftengruppe stellt also möglicherweise eine Art ernster »Gewissenserforschung« des Averroes selbst dar, ob die Tätigkeit des Philosophierens für ihn verboten, erlaubt oder sogar geboten war. Unmittelbar verursacht war diese Schriftengruppe wahrscheinlich durch eine Sachfrage zur Erkenntnis Gottes der Einzeldinge. Die Damīma, also die erste Schrift dieser Gruppe, ist die Antwort des Averroes auf diese mit ziemlicher Sicherheit vom Kalifen Abū YaÝqūb Yūsuf gestellte Frage.⁹⁰ ⁸⁷ Watt 1985, S. 119, vermutet m. E. zu Recht, daß Averroes in seinem ganzen Leben nicht einem einzigen philosophisch gebildeten AšÝariten persönlich begegnet ist. ⁸⁸ Diese Diskussion ist ein Nebenprodukt der Fehleinschätzung des Averroes im lateinischen Averroismus des Mittelalters und der entsprechenden Fehleinschätzungen in der Philosophie der Neuzeit. ⁸⁹ Vgl. Hourani 1978. ⁹⁰ Die Anrede in der Damīma weist mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Kalifen als Adressaten hin. Vgl. Hourani, Harmony, S. 117, Anm. 199.

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Mit dieser spezifischen Frage waren faktisch zahlreiche andere damit verbundene Fragen gestellt. Bevor Averroes jedoch weitere Einzelfragen behandeln konnte – was er dann später im Manāhif durchführte –, mußte er für sich und für den Sultan die prinzipielle Frage der Rechtslage philosophischer Tätigkeit in der islamischen Welt klären. Es handelte sich also m. E. um eine Art Apologia pro vita sua,⁹¹ und zwar für sich wie auch für den almohadischen Kalifen. Den sachlichen Hintergrund für diese Apologia kann man dann zum einen in der Ablehnung philosophischer Tätigkeit von seiten der mālikitischen Juristen, zum anderen aber – und dies in einem viel höheren Grad – in den Schriften al-Gazālīs vermuten, die tatsächlich eine geradezu »dramatische« Herausforderung ganz persönlicher Art darstellten, die auch einen Averroes nicht unberührt lassen konnte. Die Proportionen der beiden Teile der Entscheidenden Abhandlung entsprechen dieser Problemlage (Teil 1: § 1 – § 10, Teil 2: § 11 – § 60). Al-Gazālī kannte die Philosophie so gut wie kaum ein anderer,⁹² und – so paradox dies auch klingen mag – er war im Unterschied zu allen Vertretern der falsafa der einzige, der ganz »existentiell« erfaßte, daß in der griechischen Philosophie ein Verständnis von Mensch und Welt zur Sprache kam, das mit dem der islamischen Offenbarung nur schwer oder gar nicht in Übereinstimmung gebracht werden konnte (vgl. dazu auch weiter unten 2.6). Daß er dies dann in eine Liste von »Irrtümern« übersetzte, ist demgegenüber sekundär. Der Gott, der sich im Koran geoffenbart hatte, war ein ganz anderer als der »unbe⁹¹ Auch Gardet 1977, S. 103, spricht in diesem Zusammenhang von einer apologia sua. ⁹² Die lateinischen Philosophen des Mittelalters kannten nur die Lehrmeinungen der Philosophen al-Gazālīs und nicht die Widerlegung. Die Darstellung der Lehrmeinungen war aber so »objektiv« und kompetent, daß keiner der lateinischen Philosophen auf den Gedanken kommen konnte, diese Schrift könnte von einem Gegner der Philosophie stammen. Dieser Irrtum wurde erst im 19. Jhd. durch die Arbeiten von S. Munk aufgedeckt.

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wegte Beweger« des Aristoteles oder »das Eine« der Neuplatoniker, und entsprechend war die Welt, die im Koran beschrieben wurde, eine andere als die der Physik des Aristoteles oder die der Emanationen der Neuplatoniker. Und auch wenn Averroes im Tahāfut die Liste der »Irrtümer« ausführlich abarbeitet, bleibt die grundsätzliche Frage al-Gazālīs bestehen. Das Ergebnis der Selbstrechtfertigung des Averroes läßt dann auch weniger die Frage nach dem authentisch muslimischen Glauben des Averroes aufkommen, sondern eher die, ob Averroes der Philosophie letztlich nicht eine »muslimische« Rolle zuordnete, die mit dem Selbstverständnis griechischer Philosophen und vor allem mit dem des Aristoteles nur schwer vereinbar ist. M. Campanini, der italienische Übersetzer des Tahāfut, hat zu Recht auf die etwas paradoxe Situation hingewiesen, die sich in dieser Schrift ergibt: Der Philosophie-Kritiker al-Gāzālī argumentiert dort eigentlich weithin streng philosophisch gegen die Philosophen, während der Philosophie-Verteidiger Averroes theologisch-juristisch argumentiert und nachweisen will, daß die Lehren der Philosophen mit denen der geoffenbarten Religion übereinstimmen.⁹³ Die Situation in der Entscheidenden Abhandlung ist im Prinzip genau die gleiche. Vielleicht kann man sagen, daß die »Lösung« des Averroes in der Entscheidenden Abhandlung letztlich in einer entschärfenden Umformulierung des Problems liegt: Was für alGazālī ein »existentielles« Problem darstellt, wird bei Averroes zu einem »hermeneutischen« Problem. Al-Gazālī sieht einen »Graben« zwischen dem griechisch-aristotelisch-philosophischen und dem islamischen Verständnis von Gott, Welt und Mensch. Averroes hingegen sieht zwei Textgruppen, Koran und Sunna auf der einen Seite, das Corpus Aristotelicum auf der anderen.⁹⁴ Es wird vorausgesetzt, daß es nur eine Wahrheit gibt (Entscheidende Abhandlung § 12), also kann es nur darum gehen, die Hermeneutik zu finden, mit der scheinbare – zahlenmäßig ⁹³ Campanini 1989, S. 31 f. ⁹⁴ Vgl. Arnaldez 1977, S. 250.

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auf ein Minimum reduzierte – Widersprüche der beiden Textgruppen beseitigt werden. Diese Hermeneutik wird in der Interpretation (taÞwil) gefunden (vgl. weiter unten 2.4). Dieses Verfahren war auch schon von al-Fārābī in seiner Harmonie zwischen Plato und Aristoteles angewandt worden.⁹⁵ Ob diese hermeneutische »Entschärfung« eine Stärke oder eine Schwäche der Entscheidenden Abhandlung darstellt, sei der Beurteilung des Lesers überlassen. Die ganz andere und geradezu entgegengesetzte »Lösung« al-Gazālīs in der Hinwendung zur Mystik, wie sie z. B. in der Nische der Lichter dargestellt wird, ist auch auf einer Hermeneutik aufgebaut, deren »Geheimnis des Symbolisierens«⁹⁶ sicher nicht weniger problematisch ist. Es soll selbstverständlich in keiner Weise bestritten werden, daß in den Ländern des Islam zwischen den Vertretern der verschiedenen Rechtsschulen und den islamischen Theologen auf der einen Seite und den Philosophen auf der anderen Seite immer ein – in verschiedenem Grad – gespanntes und im einzelnen oft ungeklärtes Verhältnis bestand. Mit dieser Verhältnisbestimmung von Offenbarung und Philosophie war ein »wissenschaftstheoretisches« Problem verbunden: Es ging immer auch um die Verhältnisbestimmung von »arabischen Wissenschaften« und »fremden Wissenschaften«.⁹⁷ Dieses Problem muß zudem im Rahmen des islamischen Rechtsverständnisses gesehen werden. Alle Rechtsschulen gingen jedenfalls seit dem 10. Jhd. davon aus, daß im Koran und in der Sunna und – so jedenfalls bei einigen Schulen – im Konsens⁹⁸ aller Muslime bzw. der Gesamtheit der Gelehrten eine allumfassende Grundlage gelegt war, von der aus, gelegentlich mit Ableitungsverfahren bzw. Analogieschlüssen,⁹⁹ Ebd. S. 251–255. Al-Gazālī, Die Nische der Lichter, S. 33. Vgl. die Einleitung zu al-Fārābī, De scientiis, S. XIX–X X XV III . Vgl. den § 15 der Entscheidenden Abhandlung und Art. IfmāÝ im Anhang. ⁹⁹ Vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang.

⁹⁵ ⁹⁶ ⁹⁷ ⁹⁸

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alle Fragen des gesellschaftlichen Lebens der islamischen Gemeinschaft beantwortet werden konnten. Die Philosophie stellte jedoch selbst eine solche gesellschaftliche Tätigkeit dar und mußte somit aus der Sicht des Rechts in Hinsicht auf die Rechtskategorien »verpfl ichtend«, »verboten«, »empfohlen«, »abgeraten«, »anheimgestellt« behandelt werden,¹⁰⁰ und genau dies wird schon im Titel der Entscheidenden Abhandlung zum Ausdruck gebracht und dann in § 1 als Rechtsfrage und in Rechtsterminologie expliziert (vgl. auch weiter unten 2.1 und 2.2). Averroes war mit seinen Bidāyat die größte Autorität der Rechtswissenschaft, also der zentralen Disziplin der »arabischen Wissenschaften«, in al-Andalus und gleichzeitig mit seiner inzwischen umfassenden Reihe der Kommentare zu den Schriften des Aristoteles die größte Autorität im Bereich der »fremden Wissenschaften«. 1177 hatte Averroes mit dem Kommentar zur Nikomachischen Ethik den großen Zyklus der Mittleren Kommentare abgeschlossen, er hatte 1178 Gelegenheit gehabt, in Marrakesch mit dem Sultan zu sprechen und war 1179 zum obersten Richter von Sevilla ernannt worden. Es war also für Averroes der Zeitpunkt gekommen, sich selbst und dem Sultan kritisch Rechenschaft zu geben über diese seine Tätigkeit als Philosoph in der islamischen Gesellschaft, besonders, da er wußte, daß es durchaus auch Juristen gab, die diese Tätigkeit als »verboten« beurteilten. Die Klärung dieser Frage war möglicherweise auch entscheidend für den methodologischen Rahmen der weiteren Arbeit des Averroes an den Kommentaren zu Aristoteles. Es ist allen AverroesInterpreten aufgefallen, daß die Entscheidende Abhandlung und die damit zusammenhängenden Schriften in der Biographie des Averroes an einer Schnittstelle seiner Tätigkeit als Kommentator stehen: Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er die kurzen Zusammenfassungen (fawamiÝ) und die sog. Mittleren Kommentare (taljis) hergestellt, nachher verfaßte er die sog. Großen Kommentare (tafsir). Eine Ausnahme wird nur der 1194 verfaßte Kommen¹⁰⁰ Vgl. Art. Fiqh im Anhang.

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tar zur Politeia Platos darstellen, der eher eine Zusammenfassung als ein Kommentar ist, der aber auch als einzige Schrift des Averroes zu einem platonischen Dialog eine Ausnahmestellung innehat und auch in seiner Form und in seinem Inhalt – es finden sich darin auch zahlreiche Bezugnahmen des Averroes auf die islamische Gesellschaft seiner Zeit – ein eigenes genus litterarium darstellt.¹⁰¹ Im Unterschied zu den früheren kurzen Zusammenfassungen und zu den Mittleren Kommentaren fehlen in diesen späten Großen Kommentaren Beispiele aus der islamischen Gesellschaft und Bezugnahmen auf dieselbe. Es sind in diesem Sinn – mit einigen wenigen, aber signifi kanten Ausnahmen – »rein philosophische«, »rein wissenschaftliche« Kommentare. Direkte Anwendungen werden vermieden, so als hätte die Philosophie nun ihren sicheren, aber eben sehr eingeschränkten Ort der »Wissenschaftlichkeit« in der islamischen Gesellschaft gefunden. Es ist der Ort, der den »Leuten des Beweises« (Þahl al-burhan) oder den »Leuten der Wissenschaft« (Þahl al-Ýilm)¹⁰² in der Entscheidenden Abhandlung zugeschrieben worden war (vgl. auch weiter unten 2.5).¹⁰³ Man kann nicht ausschließen, daß sogar die Auswahl der in den Großen Kommentaren bearbeiteten aristotelischen Texte von der Aufgabenstellung hergeleitet ist, die der Philosophie in der Entscheidenden Abhandlung zugebilligt wurde: Die schwierigen Fragen der Metaphysik, der Physik und der Logik werden von Averroes in den Großen Kommen¹⁰¹ Wenn Averroes die Frage der Politik behandeln wollte, hatte er gar keine andere Möglichkeit, da die Politik des Aristoteles aus letztlich nicht geklärten Gründen nicht ins Arabische übersetzt worden war. Aber auch von der Politeia Platos gab es keine arabische Übersetzung, sondern nur Übersetzungen spätantiker Zusammenfassungen, vor allem die Galens in der arabischen Version Hunain ibn Ishāqs (die aber nicht erhalten ist). Vgl. Rosenthal 1958, S. 198 f. Für das Entstehungsdatum 1194 des Kommentars zur Politeia vgl. Alonso 1947, S. 97. ¹⁰² Vgl. zu diesen beiden, in der Entscheidenden Abhandlung sehr wichtigen Ausdrücken die §§ 26, 29, 30, 34, 35, 36, 57, 58. ¹⁰³ Vgl. Nassar 2002, S. 127.

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taren bearbeitet, hier arbeiten die »Leute der Wissenschaft« mit Hilfe der Philosophie, um zur richtigen Interpretation zu gelangen. Dabei fällt auf, daß Averroes im Großen Kommentar zur Metaphysik, besonders natürlich zum Buch Lamda, Anspielungen auf religiöse Zusammenhänge und implizite Koranzitate auch dort verwendet, wo diese zur Aristoteles-Interpretation in gar keiner Weise etwas hinzubringen,¹⁰⁴ so als wolle er zeigen, wie solche Texte zur Interpretation dunkler Stellen des Korans herangezogen werden könnten. Ganz anders sieht dies bei den praktischen Fragen aus: Dort entscheidet nach § 15 der Entscheidenden Abhandlung das Gesetz und der Konsens der islamischen Gemeinschaft, und dies liefert eine völlig ausreichende Sicherheit. Die Philosophie hat in diesem Bereich keine Aufgabe der Interpretation. Im Manāhif stellt Averroes fest, daß die menschliche Seele zwei Seiten hat, eine theoretische und eine praktische, und daß die Seele die diesen entsprechenden Tugenden entwikkeln soll. In Hinsicht auf die praktischen Tugenden aber sagt er: »Und da die Bestimmung dieser Handlungen zumeist Sache der Offenbarung ist, so haben die Religionen sie bestimmt.«¹⁰⁵ In Hinsicht auf die Praxis ist also der Rechtsgelehrte und Richter Averroes gefragt, nicht der Fachmann der Philosophie.¹⁰⁶ Averroes ist der Überzeugung, daß das allgemeine Recht im islamischen Recht enthalten und verwirklicht ist,¹⁰⁷ führt diese These aber nicht im einzelnen aus (vgl. auch weiter unten 2.6). Ist wirklich nur Zeitmangel der Grund dafür gewesen, daß Averroes zwar vor der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung und dem Manāhif einen Mittleren, dann aber keinen Großen Kommentar zur Nikomachischen Ethik mehr verfaßt hat?¹⁰⁸ ¹⁰⁴ Vgl. Jolivet 1982, S. 241. ¹⁰⁵ Manāhif, S. 119, Faith and Reason, S. 122. ¹⁰⁶ Diese Trennung von theoretischen und praktischen Fragen ist nicht so unproblematisch, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Vgl. auch weiter unten 2.6. ¹⁰⁷ Vgl. Zu Platons Politeia, S. 89, On Plato’s »Republic«, S. 75. ¹⁰⁸ Vgl. Nassar 2002, S. 130.

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Im Jahre 1182 zog sich Ibn Tufail, der außer Berater des Sultans auch dessen Hofarzt gewesen war, von seinen Funktionen zurück, und Averroes folgte ihm in diesem Amt nach, ohne aber an den Hof in Marrakesch zu ziehen. Wahrscheinlich war das auch weder erforderlich noch vorgesehen. Im § 48 der Entscheidenden Abhandlung bringt Averroes mit der zweifachen Bestimmung der Aufgabe des Arztes – Bewahrung der Gesundheit und gegebenenfalls Wiederherstellung derselben – einen Grundgedanken der arabischen Medizin zum Ausdruck, nach dem der Arzt also immer zunächst einmal die Aufgabe hatte, als Ratgeber für ein »gesundes Leben« zu wirken. Vermutlich war dies auch die Hauptfunktion des Averroes wie schon vorher die des Ibn Tufail als Leibarzt des Kalifen, denn über eine Tätigkeit des Averroes als praktizierender Arzt am Hof oder sonst irgendwo ist nichts bekannt.¹⁰⁹ 1184 starb der Sultan und es folgte ihm sein Sohn Abū Yūsuf YaÝqūb. Im Jahre 1197 erfolgte die schon erwähnte Verbannung des Averroes ins Exil, über deren Gründe viele Vermutungen aufgestellt wurden. Die wahrscheinlichste ist, daß diesmal nun wirklich die mālikitischen Juristen die wesentliche Ursache darstellten und der Herrscher die Juristen und deren Einfluß auf das Volk benötigte, um den Widerstand gegen die Reconquista der Christen zu organisieren. Mit Averroes fielen auch einige andere Persönlichkeiten, die sich mit den »fremden Wissenschaften« beschäftigten, in Ungnade. Außer von Averroes berichten die Quellen aber nur von vier anderen, die vorübergehend ihre Posten verloren, es handelt sich also nur um einen sehr kleinen, wenn auch einflußreichen Personenkreis.¹¹⁰ Averroes mußte nach Lucena gehen, einer kleinen Stadt etwa 100 Kilometer von Córdoba entfernt. Die Verbannung dauerte aber nicht lange, ¹⁰⁹ Arnaldez 2000, S. 26 f. Das Interesse des Averroes an der Medizin blieb aber weiterhin erhalten, noch 1193/1194 verfaßte er Kommentare zu Schriften Galens. ¹¹⁰ Vgl. Urvoy 1998, S. 181–183.

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schon im folgenden Jahr wurde Averroes begnadigt und an den Hof des Sultans in Marrakesch berufen, ohne aber dort eine bestimmte Funktion zu erhalten. Im selben Jahr starb Averroes, und im folgenden Jahr starb auch der Sultan.

. Die Wirkung der Schriften des Averroes in der Zeit bis zum Ende des . Jahrhunderts in den Ländern des Islam Am Hof des neuen Sultans Muhammad an-Nāsīr (1199–1213) waren zwar einige an Philosophie Interessierte tätig und dort wurden auch einige Schriften des Averroes gelesen, der Sultan selbst hatte sich aber mit ganz anderen Problemen auseinanderzusetzen. Der Niedergang der Macht der Almohaden war nicht zu übersehen, und die vernichtende Niederlage von Las Navas de Tolosa (1212) setzte ein deutliches Zeichen des Vordringens der Reconquista. Die mālikitischen Juristen hatten angesichts der Schwäche der Herrscher ihre frühere Macht zurückgewonnen. Konfl ikte innerhalb der Herrscherfamilie verschlimmerten die Lage. Die ursprüngliche »rationalistische« Glaubensgrundlage der Almohaden, die von Anfang an ziemlich unverbunden neben einer engen Rechtsauffassung gestanden hatte, wurde praktisch außer Kraft gesetzt, da ihr ohnedies keine Funktion mehr zukam. Damit verschwand auch der politische Hintergrund, der für die Ausarbeitung der Philosophie des Averroes eine entscheidende Rolle gespielt hatte. Eine solche, ja immer bewußt auf eine Elite beschränkt gewesene Philosophie wurde gesellschaftlich funktions- und somit ortlos. Der minimale Freiraum, die »Nische«, die Averroes für die Philosophie hatte absichern wollen, war in diesem eng gewordenen politischen Gebäude nicht mehr vorhanden. Es gibt einen historisch allerdings umstrittenen Hinweis dafür, daß einer oder mehrere Söhne des Averroes¹¹¹ nach ¹¹¹ Die Quellen sprechen von mehreren Söhnen des Averroes. Na-

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Sizilien an den Hof Friedrichs II . (1194–1250) gingen oder sich jedenfalls dort zeitweilig aufgehalten haben.¹¹² Averroes hatte Schüler, allerdings im Bereich der Rechtswissenschaft; in der Philosophie hatte er eigentlich weder Schüler noch auch Nachfolger. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß in der Zeit nach der Verurteilung der Philosophie und ihres Hauptvertreters seine Schüler sich in der Öffentlichkeit kaum zu ihm bekannt haben dürften. Ein gutes Beispiel dafür ist Ibn Tumulūs (1150/1155–1223), ein in al-Andalus lebender Schüler des Averroes, der sich aber nicht als solcher zu erkennen gibt. Ibn Tumulūs verfaßte eine Einführung in die Logik, in deren Einleitung er beschreibt, auf welche Widerstände die Logik von Seiten der Religionsgelehrten triff t und wie schwierig es war, entsprechende Bücher zur Logik aufzufinden.¹¹³ Er fand zunächst einiges dazu in den Schriften al-Gazālīs, traf dann aber auf al-Fārābīs Buch der Logik.¹¹⁴ Schließlich liefert Ibn Tumulūs selbst eine Einführung in die Logik, wobei er sagt, daß er dann, wenn er darüber bei anderen Autoren etwas Geeignetes gefunden hat, dies textgenau übernommen habe, ohne aber in diesem Zusammenhang einen Namen zu nennen. Tatsächlich ist der ganze bei Ibn Tumulūs dann folgende Text nichts anderes als die Abschrift des zweiten Kapitels von al-Fārābīs IhsāÞ al-Ýulūm (De mentlich bekannt sind ÝAbd Allāh, der Arzt und am Hof in Marrakesch tätig war, außerdem wird ein weiterer Sohn, Abū al-Qāsim Ahmad, genannt, der Jurist und Richter war. Vgl. Burnett 1999. ¹¹² Die Nachricht stammt aus den Quodlibeta des Aegidius Romanus (um 1243–1316), einem erbitterten Gegner des Averroismus. Zit. in Burnett 1999, S. 261. Dieser Bericht wurde von den Historikern meist für eine Legende gehalten: Der unfromme Friedrich II . verbindet sich mit den Söhnen des Erzketzers Averroes! Burnett führt aber gute Gründe dafür an, diese Nachricht doch ernst zu nehmen. Diese Neubewertung führt auch zu einer neuen Sicht der Vermittlung von Texten des Averroes an den lateinischen Westen. ¹¹³ Ibn Tumulūs (Abentomulus), Introducción al arte de la lógica, hrsg. u. übers. v. M. Asín Palacios, Madrid 1916, S. 3–27. ¹¹⁴ Ebd., S. 24.

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scientiis). Weder Averroes noch dessen Schriften zur Logik werden erwähnt. Kannte er sie nicht, oder wollte er auch eine implizite Bezugnahme auf Werke des Averroes vermeiden?¹¹⁵ Ibn Tumulūs sprach von Widerständen, und die Situation für philosophische Tätigkeit im strengen Sinn des Averroes wurde in al-Andalus tatsächlich mehr als ungünstig. Aber nicht nur politisch, auch kulturell hatte eine Philosophie wie die des Averroes keinen Ort mehr. Klare Begriffserläuterungen und methodologische Abgrenzungen entsprachen nicht dem »Zeitgeist« und waren nicht gefragt. Selbst die mālikitischen Juristen gingen synkretistische Kompromisse ein, der Widerstand gegen die Schriften al-Gazālīs ließ sich angesichts des zunehmenden Erfolges von dessen Wiederbelebung des Glaubens nicht aufrecht erhalten, und die überall gegenwärtige sūfīsche Mystik konnte auch nicht zurückgedrängt werden. Ein mālikitischer Jurist konnte also jetzt ohne weiteres gleichzeitig Anhänger der Bewegung der Sūfis sein, und wie das zusammenpaßte, brauchte er auch nicht zu erklären. Niemand sah sich veranlaßt, eine diesbezügliche »entscheidende Abhandlung« zu verfassen. Die Entscheidende Abhandlung des Averroes versuchte auf eine Frage zu antworten, die gar nicht mehr gestellt wurde. Am Ende des 14. Jahrhunderts faßte Ibn Ialdūn, der große Historiker aus al-Andalus, seine Sicht der Geschichte der falsafa in folgender Weise zusammen: Die rationalen Wissenschaften, die für den Menschen in Anbetracht dessen, daß er Verstand besitzt, natürlich sind, gehören

¹¹⁵ Daß Ibn Tumulūs tatsächlich ein Schüler Ibn Rušds war, dürfe nach der Arbeit von Aouad, M., Les sources du Livre de la Rhétorique d’Ibn Tumulūs, disciple d’Averroès, in: Mélanges de l’Université SaintJoseph LV I (1999–2003), S. 57–105, als gesichert gelten können. In diesem Buch zur Rhetorik sind inhaltliche Bezugnahmen auf Averroes vorhanden, die aber von Aouad erst in mühsamer Kleinarbeit aufgedeckt werden konnten. Für einen Leser damals war dieser Zusammenhang kaum erkennbar.

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nicht speziell zu einer Religionsgemeinschaft, sondern werden von den Angehörigen aller religiösen Gemeinschaften betrieben und können von ihnen in gleicher Weise geistig erfaßt und erforscht werden. […] Als die Regierungsmacht und Dynastie [der Muslime] ihren Höhepunkt erreicht hatte, eine seßhafte Kultur voller Wohlstand entstanden war, die kein anderes Volk kannte, und die Muslime zu Meistern in den Gewerben und Wissenschaften geworden waren, dürstete es sie danach, diese weisheitlichen Wissenschaften kennenzulernen, da sie durch die Bischöfe und Priester der [christlichen] Untertanen von ihnen vernommen hatten und es die Gedanken des Menschen [von Natur aus] zu diesen Wissenschaften hinzieht. […] Muslimische Wissenschaftler beschäftigten sich eifrig mit diesen [griechischen] Wissenschaften und beherrschten [alsbald] deren Disziplinen. […] Sie schrieben all das in systematischen Werken nieder und übertrafen in diesen Wissenschaften ihre Vorgänger. Zu den größten [Philosophen] in der islamischen Gemeinschaft zählten Abū Nasr al-Fārābī und Abū ÝAlī b. Sīnā im Mashriq,¹¹⁶ der Richter Abū Þl-Walīd b. Rushd und der Wezir Abū Bakr b. SāÞigh (b. Badjdja)¹¹⁷ in al-Andalus und noch weitere, die dieses hohe Maß [an philosophischem Wissen] in diesen Wissenschaften erreichten. Diese Männer konnten sich des Ruhmes und eines guten Rufes erfreuen.¹¹⁸

Bis zu diesem Punkt ist der Bericht beschreibend und liest sich als positive Wertung. Dann jedoch erfolgt die Beurteilung der Geschichte der falsafa, die vermutlich von der Mehrzahl der Zeitgenossen Ibn Ialdūns in den Ländern des Islam geteilt wurde: ¹¹⁶ Dies ist der Osten der Länder des Islam. ¹¹⁷ Vgl. Art. Ibn Baffa im Anhang. ¹¹⁸ Ibn Ialdūn, The Muqaddimah, III , S. 111 und S. 115 f. Übers. nach Buch der Beispiele. Die Einführung al-Muqaddima, übers. v. M. Pätzold, S. 246.

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Es gelang diesen Wissenschaften, auf die islamische Gemeinschaft und ihre Angehörigen Einfluß zu nehmen. Sie beeindruckten viele Menschen, die sich zu ihnen hingezogen fühlten und ihren Anschauungen folgten. Wer so verfuhr, beging eine Sünde. »Wenn Allah wollte, würden sie es nicht tun.« [Koran 6. 137 (138)] Später, als im Maghrib und in al-Andalus die Lebenskraft der Zivilisation schwand und mit ihrem Rückzug auch die Wissenschaften eingingen, blieben von ihnen in beiden Ländern nur wenige Spuren. Man kann auf sie bei einzelnen Persönlichkeiten stoßen, die aber unter der Kontrolle der sunnitischen religiösen Gelehrten stehen.¹¹⁹

Diese »einzelnen Persönlichkeiten« beschäftigten sich aber nicht mit den Schriften des Averroes. Während also in al-Andalus und in den übrigen Ländern des Islam bei den Arabern die philosophischen Schriften des Averroes nicht gelesen wurden und dessen Rechtfertigung der Philosophie nach islamischem Recht in der Entscheidenden Abhandlung überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde oder überhaupt nicht bekannt war, gewannen nicht nur die Aristoteles-Kommentare des Averroes, sondern sogar dessen Entscheidende Abhandlung einen erheblichen Einfluß bei den in den islamischen Ländern lebenden Juden. Al-Andalus spielte dabei allerdings kaum noch eine Rolle, da die den Juden gegenüber äußerst intolerante Politik der Almohaden viele Juden veranlaßt hatte, das Land zu verlassen. Auch die Familie des Mose ben Maimon (Maimonides, 1138–1204), ein Zeitgenosse des Averroes und wie dieser in Córdoba geboren, war gezwungen gewesen, zunächst Córdoba, dann 1159 al-Andalus und schließlich 1165 Marokko, also den Herrschaftsbereich der Almohaden überhaupt, zu verlassen. Der »Rationalismus« des Maimonides blieb aber prägend für die jüdische Religionsphi¹¹⁹ Ibn Ialdūn, The Muqaddimah, III , S. 116 f. Übers. nach Buch der Beispiele. Die Einführung al-Muqaddima, übers. v. M. Pätzold, S. 251.

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losophie der weiteren Periode des Mittelalters. Der Einfluß des Averroes verstärkte sich in dieser Periode sogar noch, wie schon der spätere Streit um das Werk des Maimonides zeigte.¹²⁰ Auch wenn diese weiteren Diskussionen sich dann außerhalb der Länder des Islam, vor allem in Südfrankreich, abspielten, blieb der Kontakt mit der arabischen Kultur noch für eine längere Zeit erhalten.¹²¹ Um die Mitte des 13. Jahrhunderts vertrat Isaak Albalag (genaue Lebensdaten sind nicht bekannt) eine ziemlich radikale These der Aufteilung von Offenbarung für das Volk und Philosophie für die Gebildeten,¹²² wobei er sich – eigentlich nicht zu Recht (vgl. dazu weiter unten 2.5) – auf Averroes berief. Am Ende des 13. oder am Beginn des 14. Jahrhunderts wurde eine hebräische Übersetzung der Entscheidenden Abhandlung hergestellt.¹²³ Im 13. Jhd. stellte der Jude Shem Tov Fala¹²⁰ Vgl. dazu z. B. Vajda, G., Introduction à la pensée juive du moyen âge, Paris 1947, S. 146–151, Guttmann, J., Die Philosophie des Judentums, Wiesbaden 1985, S. 206–220, Simon, H. u. M., Geschichte der jüdischen Philosophie, München 1984, S. 156–165. ¹²¹ Manche Kommentare des Averroes sind nicht mehr im arabischen Original erhalten, wohl aber in hebräischen Übersetzungen, die dann manchmal als Ausgangspunkt für die lateinischen Übersetzungen dienten. Der im vorliegenden Zusammenhang interessanteste Fall ist dabei der Kommentar des Averroes zur Politeia Platos, der nur in einer – an zahlreichen Stellen unzuverlässigen – hebräischen Übersetzung erhalten ist. Diese Übersetzung wurde von Samuel ben Jehuda 1320 fertiggestellt. 1331 stellte Joseph Caspi eine hebräische Kurzfassung her. Elia del Medigo (1460–1493) fertigte auf Anregung Pico della Mirandolas 1491 eine lateinische Übersetzung des hebräischen Textes des Samuel ben Jehuda an. Vgl. Niewöhner 2003, S. 76–78. Auch der Kommentar zur Nikomachischen Ethik ist nur in einer (mangelhaften) hebräischen Übersetzung erhalten. ¹²² Vgl. Vajda, G., Isaac Albalag, Paris 1960. ¹²³ Diese Übersetzung ist in vier Handschriften (nicht alle sind vollständig) erhalten (zwei davon liegen in Leiden, je eine in Oxford und Paris). Vgl. Golb, N., The Hebrew Translation of Averroes’ Fasl almaqāl, in: Proceedings of the American Academy for Jewish Research 25 (1956), S. 91–113, und 26 (1957), S. 41–64. Vgl. auch die ältere Schrift

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qera (1225–1295) eine der jüdischen Problematik angepaßte Adaptation der Entscheidenden Abhandlung in Dialogform in hebräischer Sprache her.¹²⁴ Das Interesse, das die Entscheidende Abhandlung bei den Juden im Unterschied zu den Muslimen – die Lateiner kannten diesen Text überhaupt nicht – fand, ist jedenfalls bemerkenswert. Eine eindeutige Erklärung dafür gibt es nicht. Man kann zunächst darauf hinweisen, daß Averroes die Zeit seiner Verbannung in Lucena verbrachte, einer hauptsächlich von Juden bewohnten Stadt. Wichtiger aber dürfte die im jüdischen Denken dieser Zeit häufig diskutierte Frage nach der rationalen Rechtfertigung des Glaubens gewesen sein.¹²⁵ Nicht nur die Entscheidende Abhandlung, sondern auch der Tahāfut atTahāfut wurden ins Hebräische übersetzt. Und auch Ibn Tufails Hayy ibn Yaqzān, der sich ja, wenn auch in Romanform, mit einer ganz ähnlichen Problematik befaßt, erhielt eine hebräische Fassung. Im Unterschied zu al-Andalus und dem islamischen Bereich überhaupt blieb dieser Rationalismus bei den Juden weiterhin wirksam und an Averroes orientiert. Die Situation der Diaspora wurde von den Juden als Herausforderung an die rationale Rechtfertigung ihres Glaubens verstanden, während die Muslime in den Ländern des Islam meinen konnten, über eine unerschütterliche Gewißheit zu verfügen und somit auch die Anstrengungen eines Averroes als ein letztlich überflüssivon Steinschneider, M., Die hebräischen Übersetzungen des Mittelalters, Berlin 1893, S. 277 f. ¹²⁴ Im 15. Jhd. übersetzte Elia del Medigo dann diesen Text unter dem Titel Epistola dialogi ins Lateinische. Vgl. Dahan, G., Epistola dialogi. Une traduction latine de l’Igeret ha-vikuah de Shemtov Ibn Falaqera. Etude et traduction, in: Sefarad 39 (1979), S. 1–112. Da schon im hebräischen Text Falaqueras kein Hinweis auf die Herkunft des Großteils des Textes aus dem Fasl des Averroes gegeben wurde, konnte dann auch der Leser der lateinischen Übersetzung nichts über die Herkunft dieser Schrift wissen. Zu del Medigo vgl. auch Vajda, G., Introduction à la pensée juive du moyen âge, Paris 1947, S. 192 f. ¹²⁵ Auf beide Faktoren weist Urvoy 1990, S. 190, hin.

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ges Unternehmen angesehen werden konnten. Wenn schon Interpretationen des Korans erforderlich schienen, wandte man sich lieber an die sūfīstische Symbolik, die al-Gazālī empfohlen hatte. Maßgeblich für die weitere religionsphilosophische Rezeption des Averroes bei den Juden wurde Mose ben Joshua von Narbonne (1300–1362), der neben zahlreichen Kommentaren zu den Aristoteles-Kommentaren des Averroes – es beginnt jetzt die Periode der Superkommentare – sowohl den Führer der Unschlüssigen (besser: der Verwirrten)¹²⁶ des Maimonides als auch den Hayy ibn Yaqzān des Ibn Tufail kommentierte. Die Grundlage einer Entwicklung der jüdischen Religionsphilosophie in Richtung »Aufklärung« wurde also von Juden gelegt, deren Umgangssprache Arabisch war und die die Werke des Averroes und unter diesen auch die Entscheidende Abhandlung kannten.¹²⁷ Am Ende der Entscheidenden Abhandlung gab Averroes seiner Hoff nung Ausdruck, daß seine Arbeit einen Ausgangspunkt für andere liefern würde, die nach ihm kommen würden. Diese Hoff nung ist in Erfüllung gegangen, allerdings nicht bei den arabischen Muslimen, sondern bei den zunächst noch arabischsprachigen Juden.¹²⁸ Die weitere Entwicklung, während der in der jüdischen Kultur eine »Ergänzung« auch in der Kabbala gesucht wurde, liegt außerhalb des vorliegenden Zusammenhangs einer Einleitung zum Fasl al-maqāl des Averroes.

¹²⁶ Mose ben Maimon, Führer der Unschlüssigen, übers. v. A. Weiss, Hamburg 1972. ¹²⁷ Vgl. Hayoun 2002. ¹²⁸ Zur Geschichte des jüdischen Averroismus vgl. Hayoun / de Libera 1991, S. 43–74.

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. Grundprobleme der »Entscheidenden Abhandlung« . Ein Rechtsgutachten (fatwa) Es geht hier zunächst einmal um den Buchtitel und das genus litterarium der Entscheidenden Abhandlung. Liest und interpretiert man die Entscheidende Abhandlung von den Fragestellungen des lateinischen Averroismus her, so kann sich leicht ein falscher Blickwinkel ergeben. Man könnte dann meinen, es handle sich hier um eine Auseinandersetzung über das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung, von Philosophie und Theologie oder um eine Quaestio disputata de fide et ratione. Dies ist aber nicht der Fall. Es handelt sich bei dieser Schrift weder um einen philosophischen noch um einen theologischen Traktat, sondern um ein Rechtsgutachten (fatwa). Der Ausgangspunkt ist aš-šarÝ oder aššari Ýa, das islamische, als Offenbarung aufgefaßte Gesetz. Die Geltung des islamischen Gesetzes wird dabei vorausgesetzt, steht also überhaupt nicht zur Diskussion. Dieser Charakter eines Rechtsgutachtens ist schon bei der Übersetzung des Buchtitels zu berücksichtigen. Dazu zwei Bemerkungen: (1) Im Buchtitel steht Fasl al-maqāl. Dies wurde von M. Müller mit »Die entscheidende Abhandlung« übersetzt, und ihm folgten praktisch alle Übersetzungen: französisch Traité décisif (L. Gauthier), Discours décisif (M. Geoff roy), englisch Decisive treatise (Ch. Butterworth), italiensch Trattato decisivo (M. Campanini). Ich habe keinen Grund gesehen, von der Übersetzung Müllers abzugehen. Philologisch ist dazu allerdings zu sagen, daß es bei all diesen Buchtiteln so scheint, als ob im arabischen Text ein Substantiv und ein Adjektiv stünden. Dies ist aber nicht der Fall. Es handelt sich um eine Genetivkonstruktion, die bedeutet: »Die Entscheidung / Unterscheidung / das Urteil der Rede / Abhandlung«.¹²⁹ G. Hourani übersetzt zwar nicht im Buchtitel, wohl aber in der Einleitung völlig zu Recht: decision (or distinction) of the dis¹²⁹ Vgl. El Ghannouchi 2002, S. 139.

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course.¹³⁰ Die Wiedergabe des Buchtitels in der üblichen Form ist aber übersetzungstechnisch durchaus gerechtfertigt. Der Buchtitel sollte aber jedenfalls auch in der Weise gelesen werden, daß es hier um eine Handlung geht, also im genauen Sinn des Wortes eine Abhandlung vorliegt, in der etwas entschieden wird, in der somit etwas zur Entscheidung steht. Etwas problematischer ist der folgende Punkt. (2) Für den Gegenstand dieser Abhandlung steht im arabischen Text ittisal. Dies wird von Müller durch »Harmonie« wiedergegeben, und ihm folgen zahlreiche Übersetzer, z. B. englisch harmony (G. Hourani), französisch l’accord (L. Gauthier), italienisch l’accordo (F. Lucchetta, M. Campanini). Mit dieser Übersetzung wird jedoch das Ergebnis der Urteilsfindung schon vorausgesetzt. Der arabische Ausdruck ittisal kann zwar »Verbundensein« oder »Vereintsein« bedeuten, hat aber ebenso die neutralere Bedeutung von »Verbindung«, »Beziehung« oder »Zusammenhang«.¹³¹ Diese neutralere Bedeutung dürfte dem Sachverhalt eher entsprechen.¹³² Hourani übersetzt in der Einleitung (im Unterschied zum Buchtitel) ittisal mit connection,¹³³ damit stimmt auch Butterworth überein,¹³⁴ und Geoff roy übersetzt ebenso mit connexion.¹³⁵ Noch geeigneter – und dem arabischen ittisal durchaus entsprechend – scheint aber das noch neutralere rapport zu sein, das Gauthier in sei-

¹³⁰ Hourani, Harmony, Einleitung, S. 1. Ähnlich Hayoun / de Libera 1991, S. 19: décision de la question. ¹³¹ Vgl. auch den Ausdruck fami Ý, d. h. »Zusammenschluß« im § 14. ¹³² Vgl. El Ghannouchi 2002, S. 140. ¹³³ Hourani, Harmony, Einleitung, S. 1. ¹³⁴ Butterworth sagt in seiner Einleitung, S. XIX, daß die genaueste Übersetzung des Buchtitels so lauten müßte: Book of decisively judging the statement and determining the connection between the Law and wisdom. Nagel 1994 a, S. 108, gibt den Titel in folgender Weise wieder: Das letzte Wort und Darlegung der Verbindung zwischen dem offenbarten Gesetz und der Philosophie. ¹³⁵ Geoff roy, Discours, S. 103. De Libera 1996, S. 10, sagt ganz richtig dazu, daß connexion weder accord, noch harmonie, noch conciliation, noch reconciliation bedeutet.

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ner für die weitere Diskussion grundlegenden Arbeit zu diesem Thema verwendet.¹³⁶ Dem entspricht das relation, das Ghannouchi vorschlägt.¹³⁷ Es ist auch zu beachten, daß Averroes im § 37, der als Abschluß und Zusammenfassung des vorausgegangenen Teiles der Entscheidenden Abhandlung gedacht ist, von »Gespräch« oder »Diskussion« (takallum) zwischen Gesetz und Philosophie spricht, ittisal also durch takallum interpretiert wird. Also verwende ich im Deutschen »Verhältnis« als Übersetzung von ittisal, dies läßt zunächst offen, ob dieses Verhältnis eine Verbindung oder sogar eine Harmonie, also eine Übereinstimmung, darstellt. Am Beginn des Manāhif verweist Averroes zusammenfassend auf die Entscheidende Abhandlung und spricht in diesem Zusammenhang von der mutabaqa von Gesetz und Philosophie. Müller gibt dies mit »Übereinstimmung« wieder,¹³⁸ I. Najjar übersetzt diesen Ausdruck mit harmony,¹³⁹, M. Mahdi spricht sogar von identity.¹⁴⁰ Mit dem Ausdruck mutabaqa wird tatsächlich eine stärkere Verbindung als mit ittisal ausgesagt, man muß dabei aber berücksichtigen, daß Averroes mutabaqa mit Blick auf den schon verfaßten Traktat der Entscheidenden Abhandlung gebraucht, er dessen Resultat also schon voraussetzen kann, während das ittisal im Buchtitel des Fasl auf das Problem einer Rechtsfrage bezogen ist, die erst einmal beantwortet werden muß, die also das Resultat nicht schon vorwegnehmen darf.

¹³⁶ Gauthier, La théorie d’Ibn Rochd (Averroès) sur les rapports de la religion et de la philosophie. Paris 1909. ¹³⁷ El Ghannouchi 2002, S. 145, schlägt folgenden Buchtitel vor: La distinction du discours et l’établissement de la relation entre la loi religieuse et la philosophie. ¹³⁸ Manāhif, S. 27. ¹³⁹ Faith and Reason, S. 16. ¹⁴⁰ Mahdi 1984, S. 192.

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Das von Averroes gestellte Rechtsproblem ist, wie die Beschäftigung mit Philosophie und Logik ¹⁴¹ von den Rechtsquellen her beurteilt werden kann und soll. Diese Frage, als von einem Philosophen explizit gestellte, ist innerhalb der Geschichte der arabischen Philosophie eine Neuheit. Wenn sie gestellt wurde, dann – wie vor allem bei al-Gazālī – von den Gegnern der Philosophie, nicht aber von seiten der Philosophen selbst. Sicher war das Rechtsgutachten des Averroes auch dadurch verursacht, daß Averroes gleichzeitig Richter und Philosoph war, er also eine Kompetenz ins Spiel bringen konnte, über die weder ein al-Fārābī noch auch ein Ibn Sīnā (Avicenna) verfügte, die Vereinigung dieser beiden Tätigkeiten und Kompetenzen in einer Person ist aber zur Erklärung dieser Schrift nicht ausreichend. Dahinter steht die Einsicht des Averroes, daß hier zwei Bereiche vorlagen, die beide mit einem Universalitätsanspruch zur Geltung gebracht wurden, was ein sachlich äußerst wichtiges Problem darstellte, das einen potentiellen Konfl iktsstoff abgab. Es ging daher auch nicht einfach um eine Rechtfertigung der Philosophie gegenüber engstirnigen mālikitischen Juristen, sondern um ein Grundproblem der islamischen Kultur und Gesellschaft gegenüber dem Anspruch griechischer Philosophie, das sich in allen Rechtsschulen und in allen politischen Konstellationen zwangsläufig ergeben mußte. Auch al-Fārābī hatte das Problem gesehen und es in der Weise gelöst, daß er den Bereich der Offenbarungswahrheiten, d. h. des Gesetzes, dem Bereich der Vernunftwahrheiten als dessen Verbildlichung unterordnete.¹⁴² Die Rechtswissenschaft kommt bei al-Fārābī überhaupt erst dort ins Spiel, wo kein idealer Gesetzgeber / Philosoph / Prophet vorhanden ist, der souverän und autonom die den philosophischen Einsichten entsprechenden praktischen Lösungen und ¹⁴¹ Philosophie und Logik werden hier wie auch sonst häufig in der arabischen Philosophie unterschieden. Vgl. dazu Anm. 9 im Kommentar. ¹⁴² Al-Fārābī, De scientiis, S. 121.

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deren adäquate Versinnbildlichungen findet.¹⁴³ Diese Lösung al-Fārābīs mag zwar philosophisch attraktiv und ausreichend erscheinen, und Averroes kannte diese Lösung auch, konkret argumentativ aber entsprach sie nicht mehr der im 12. Jhd. faktisch gegebenen historischen und gesellschaftlichen Situation der Länder des Islam. Die Zeit des Propheten lag lange zurück und war unter maßgeblichem Einfluß der Hadīu- und Rechtsgelehrten in der Form einer idealen Gründerzeit verklärt und beinahe »entgeschichtlicht« worden, die Realität der Gegenwart war hingegen durch die inzwischen fest etablierten Rechtsschulen und der diesen entsprechenden Rechtspraxis bestimmt. Die Vorstellung eines frei und souverän Gesetzte schaffenden Philosophen / Propheten war in einem einmaligen, unüberbietbaren und definitiven Ereignis festgelegt, und die Späteren hatten nur die Aufgabe, dieses grundlegende normative Ereignis in all seinen Dimensionen in eine rechtsverbindliche Form zu bringen. Jeder Ausgangspunkt, der dieser Realität nicht Rechnung getragen hätte, wäre reine philosophische Spekulation gewesen. Die Periode, in der al-Fārābī lebte, war endgültig vorbei, die Rechtsgelehrsamkeit und ihre Vertreter als zweitbeste Lösung im Sinne al-Fārābīs von der Höhe der Staatsphilosophie aus zu betrachten und legitimierend einzuordnen, war nicht mehr möglich. Mit dem islamischen Recht wurde schon seit mehr als einem Jahrhundert eine universale und lückenlose Ordnung angenommen, von der aus jeder Rechtsanspruch legitimiert werden mußte. Eine Umkehrung dieser Legitimationsrichtung ist in der islamischen Gesellschaft des 12. Jahrhunderts – und spätestens schon in der Zeit seit der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts – nicht denkbar. Das islamische Gesetz kann niemals »vor dem Richterstuhl der Vernunft« stehen; daß es der Vernunft entspricht, ist vorausgesetzt und bedarf keiner Legitimation. Schon im inneren Bereich des Rechts hatte al-Fuwainī (1028–1085) damit gerechnet, daß das »Tor der selbständigen Urteilsfindung« geschlossen ¹⁴³ Al-Fārābī, De scientiis, S. 123 f., und Book of Religion, S. 98 f.

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sein könnte,¹⁴⁴ und al-Gazālī (1059–1111) hatte dies dann unmißverständlich ausgesprochen.¹⁴⁵ Welcher Richter sollte es sich anmaßen können, den Propheten oder das Gesetz zur Überprüfung vor sein philosophisches Tribunal zu einer »selbständigen Urteilsfindung« zu zitieren? Es wäre daher verfehlt, die Tatsache, daß es sich bei der Entscheidenden Abhandlung um ein Rechtsgutachten handelt, als etwas »Äußerliches« oder konkret historisch Bedingtes anzusehen. Ibn Tufail war in seinem Hayy ibn Yaqzān literarisch frei, sich einen »Philosophen als Autodidakten« zu erfinden und eine entsprechende Romanform als literarische Gattung zu wählen, in der dann der Philosoph seine Erkenntnisse denen der Offenbarungsreligion gegenüberstellt. In »wissenschaftlicher« Form konnte ein Averroes die Frage der Berechtigung und Funktion der Philosophie nur in der Form eines Rechtsgutachtens behandeln, in dem das Gesetz die undiskutierbare Grundlage darstellte; hier hatte er keinerlei Freiheit der literarischen Gattung. Was auch immer in der islamischen Kultur als »Rationalität« und als »Philosophie« vorgebracht werden kann, es steht immer der als Gesetz aufgefaßten Offenbarung gegenüber, wird von diesem Gesetz her beurteilt und muß sich dieser Beurteilung stellen.¹⁴⁶ Wird also die Frage nach dem Verhältnis von Gesetz (aš-šarÝ) und Philosophie (hikma, falsafa) im Rahmen eines Rechtsgutachtens gestellt, so ist mit diesem genus litterarium zugleich auch die zentrale Sachfrage gestellt.¹⁴⁷ Form

Vgl. Art. Iftihād im Anhang. Vgl. Nagel 1988, S. 364 f. Vgl. Campanini, Einleitung zu Averroes, L’Incoerenza, S. 31. Leaman nennt diese (auch von mir vertretene) Sicht die standard interpretation, der er nicht zustimmt, und meint, daß islamische Philosophen über Religion und Philosophie schreiben konnten, ohne dabei durch die Frage des Verhältnisses der beiden Bereich beunruhigt zu sein, es sei denn in Schriften, die, wie die Entscheidende Abhandlung, ausdrücklich diesem Thema gewidmet sind. Vgl. z. B. Leaman 1980 b, bes. S. 536.

¹⁴⁴ ¹⁴⁵ ¹⁴⁶ ¹⁴⁷

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und Inhalt stehen hier in einer inneren Beziehung.¹⁴⁸ Averroes betreibt, wie er es schon auf der ersten Seite der Entscheidenden Abhandlung eindeutig klar macht, eine selbständige, von Glaubensvorgaben unabhängige Philosophie nicht, weil diese an und für sich von Interesse ist, sondern weil sie eine religiöse, vom Gesetz verbindlich auferlegte Verpfl ichtung darstellt.¹⁴⁹ Jede vom Gesetz her durch eine Rechtsbewertung (hukm) qualifizierte Tätigkeit stellt, auch wenn sie eine – in unseren Augen – völlig profane Handlung ist, eine Unterwerfung unter den Willen Gottes (islam), unter die dem Menschen auferlegte »Belastung« (taklif) dar, und ihre Ausführung ist daher Gottesdienst. Philosophische Tätigkeit ist also in den Augen des Averroes wie alle vom Recht bewerteten Handlungen eine Form des Gottesdienstes. Dieser dem westlichen Leser widersprüchlich scheinende Zusammenhang ist für den Muslim Averroes in keiner Weise widersprüchlich, sondern die selbstverständliche und einzig mögliche Rechtfertigung philosophischer Tätigkeit.

. Der Gegenstand des Rechtsgutachtens: die Tätigkeit (fiÝl) des Philosophierens Im Recht werden menschliche Handlungen nach dem islamischen Recht (fiqh) beurteilt.¹⁵⁰ Das Rechtsgutachten des Averroes behandelt also im Prinzip nicht bestimmte philosophische Thesen oder ein philosophisches System, sondern das Philosophieren als eine Handlung oder eine Tätigkeit (fiÝl), die wie jede andere Handlung eines Muslims dem Gesetz unterworfen ist (§ 2). Im zweiten Teil der Abhandlung behandelt Averroes auch ¹⁴⁸ Eine solche innere Beziehung von Form und Inhalt ist auch in der Lehre von der Unnachahmlichkeit des Korans enthalten. Vgl. Art. IÝ fāz im Anhang. ¹⁴⁹ Vgl. Alonso 1942, S. 134. ¹⁵⁰ Vgl. Art. Fiqh im Anhang.

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bestimmte philosophische Auffassungen wie Zeitlichkeit oder Ewigkeit der Welt, Gottes Erkenntnis der Einzeldinge und die Unsterblichkeit der Seele (§§ 17–22 und § 32). Aber auch hier kann es nicht um den philosophischen Beweis solcher Thesen gehen – solche Fragen liegen außerhalb der Kompetenz des Rechtsgelehrten –, sondern nur um die rechtlich einzig relevante Frage, wie jemand zu beurteilen ist, der bestimmte Auffassungen äußert. Nicht bestimmte Beweise und nicht einmal bestimmte Beweismethoden selbst stehen also zur Diskussion, sondern im Prinzip einzig die Frage nach der rechtlichen Beurteilung philosophischer Beweistätigkeit innerhalb einer vom islamischen geoffenbarten Gesetz bestimmten Rechtsordnung. Es geht dabei auch nicht um das, was jemand in seinem Inneren denkt und dort vielleicht als bewiesen ansieht – dies entzieht sich der Beurteilung des Richters –, sondern nur um das, was jemand in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringt. Es geht also nicht um Überzeugungen, sondern um Äußerungen (Þalfaz, Pl. von lafz) im rechtlich relevanten Sinn des Aussprechens von etwas im »Äußeren«, d. h. um etwas, das sprachlich und in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Eine solche Äußerung liegt dann vor, wenn sie schriftlich niedergelegt und somit dokumentiert ist oder wenn sie vor Zeugen – die im islamischen Recht sehr wichtig sind – vorgebracht wurde. Solche Äußerungen als öffentliche Handlungen unterliegen der rechtlichen Beurteilung. Averroes setzt sich an diesem Punkt mit der rechtlichen Frage auseinander, ob jemand, der bestimmte Auffassungen in Hinsicht auf die genannten Punkte öffentlich vertritt, als »Ungläubiger« (kafir) bezeichnet werden darf (vgl. z. B. § 16), so wie dies al-Gazālī behauptet hatte. In der Entscheidenden Abhandlung werden also grundsätzlich keine theoretischen Fragen der Philosophie und auch keine »persönlichen« Glaubensüberzeugungen diskutiert, und es wäre ein Irrtum, diesen Traktat in dieser Hinsicht zu lesen oder zu interpretieren. Averroes darf prinzipiell solche Fragen in dem vorgegebenen Rahmen eines Rechtsgutachtens nicht diskutieren. Ein Rechtsgut-

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achten ist ein öffentliches, an alle gerichtetes Dokument, das somit auch nur das enthalten kann und darf, was allen nicht nur zugänglich, sondern auch verständlich ist. Die Diskussion philosophischer Thesen ist aber einer bestimmten Einzelgruppe, einer Elite vorbehalten, und es ist nach Averroes verpfl ichtend, solche Fragen nicht in Schriften niederzulegen, die der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich sind (vgl. weiter unten 2.5). Wer sich nicht an diese Rechtsverpfl ichtung hält, der wird nach Averroes in Anwendung des Rechts als »Ungläubiger« bezeichnet, da er andere, die diesem philosophischen Begreifen nicht gewachsen sind, zum Unglauben verleitet (§§ 35–36). Auch der berühmte Satz aus dem § 12 der Entscheidenden Abhandlung, daß eine Wahrheit der anderen nicht entgegengesetzt sein kann, der gerne als Beweis dafür herangezogen wird, daß Averroes keine Theorie der »doppelten Wahrheit« vertreten hat, sollte zunächst einmal nicht in einem erkenntnistheoretischen, sondern in einem rechtlichen Sinn gelesen werden. Es geht dabei um das für die islamische Rechtspraxis zentrale und für die Wahrheitsfindung entscheidende Element des Zeugnisablegens, bei dem eine im Prinzip einfache Regel gilt, die Averroes gar nicht theoretisch begründet, sondern für deren Geltung er sich auf den Konsens (ifma Ý)¹⁵¹ der Gemeinschaft der Muslime beruft: Sind zwei (oder entsprechend der bestimmten Regelung mehrere) Zeugen erforderlich und geladen und schildern diese einen Sachverhalt übereinstimmend in ein und derselben Weise, so liefert dies eine ausreichende Basis für eine Rechtsentscheidung des Richters, denn es gilt eben: Eine Wahrheit kann der anderen nicht entgegenstehen. Averroes bleibt dabei genau im Rahmen der Terminologie des Rechts: Das eine Zeugnis legt für das andere Zeugnis ab (šahida).¹⁵²

¹⁵¹ Vgl. Art. IfmāÝ im Anhang. ¹⁵² Das im § 12 gebrauchte Verb šahida wird als Fachbegriff des Rechts im Sinne von »eine Zeugenaussage machen« oder »als Zeuge

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. Der Rechtsstatus (hukm) der Philosophie als Verpfl ichtung (wafib) Erwartungsgemäß fällt das Rechtsgutachten des Averroes über die Tätigkeit des Philosophierens positiv aus. Die zentrale Argumentation des Averroes, um die Rechtfertigung philosophischer Tätigkeit vom Koran her zu liefern, ist folgende: (1) Es gibt einen äußeren Grund dafür: Der Koran selbst fordert zu einer solchen Tätigkeit auf. (2) Es gibt einen inneren Grund: Es gibt Stellen im Koran, deren Interpretation ausschließlich durch philosophische Tätigkeit geliefert werden kann. Schon der Koran beschränkt allerdings diese Tätigkeit der Interpretation auf eine bestimmte Gruppe von Auserwählten. Und somit ist die Rechtfertigung philosophischer Tätigkeit mit einer Begrenzung verbunden. Das erste Argument soll kurz in 2.3 dargestellt werden, das zweite im folgenden Punkt 2.4 und die genannte Einschränkung in 2.5. Averroes arbeitet bei der gesamten Argumentation ausschließlich mit einer Terminologie, die jedem islamischen Juristen und Theologen geläufig war. Averroes stellt die rechtlich äußerst wichtige Frage, ob es sich bei der Beschäftigung mit der Philosophie um eine Verpfl ichtung (wafib) oder nur um eine Empfehlung (mandub) handelt. Averroes denkt hier streng innerhalb des vom islamischen Recht (fiqh) aufgestellten Schemas der Rechtsqualifikationen (Þahkam, Pl. von hukm).¹⁵³ Eigentlich würde man erwarten, daß es für die Legitimierung der Beschäftigung mit Philosophie ausreicht, wenn gezeigt werden kann, daß eine solche Tätigkeit nicht verboten und sogar empfohlen ist. Averroes hingegen optiert für eine Verpfl ichtung. Dies ist zunächst überraschend. Dabei muß allerdings sofort gesagt werden, daß die Texte aus dem Koran, die Averroes im § 2 für die Behauptung liefert, daß es sich um unterschreiben« verwendet. Zum Fachbegriff šahid für »Zeugnis« vgl. EI 2 IX, Sp. 207 a–208 b. ¹⁵³ Zu diesen Fachbegriffen des Rechts vgl. Art. Fiqh im Anhang.

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eine Verpfl ichtung handelt, einen Rechtsgelehrten seiner (und unserer) Zeit kaum davon überzeugt hätten, daß es sich dabei nicht bestenfalls um eine Empfehlung handelt.¹⁵⁴ Auch der Hinweis am Ende dieses Paragraphen auf die unzähligen weiteren Verse, die man noch anführen könnte, ist nicht sonderlich beweiskräftig. Rein textintern und exegetisch überzeugt das Argument des Averroes somit nicht, und man kann auch nicht sagen, daß der Nachweis der Verpfl ichtung durch Heranziehen anderer Texte geliefert werden könnte. Im Koran wird durchgehend behauptet, daß der islamische Glaube mit der Vernunft übereinstimmt und die Vernunft betätigt werden soll (nazar); daraus aber eine Verpfl ichtung zu philosophischer Tätigkeit abzuleiten, geht über den Text hinaus. Daß Averroes persönlich davon überzeugt war, daß sein Textnachweis ausreicht, sei dabei in keiner Weise in Zweifel gezogen. Auch die islamischen Theologen (mutakallimun) hatten ein ganz ähnliches Problem, wenn sie nachzuweisen versuchten, daß die Theologie (kalam)¹⁵⁵ durch schon im Koran auffindbare diesbezügliche Aufforderungen legitimiert sei. Auch diese Nachweise blieben unbefriedigend. Der Textnachweis des Averroes aus dem Koran ist also problematisch, Averroes hält sich mit seiner Koranexegese aber durchaus im Rahmen des zu seiner Zeit Üblichen. Dies läßt sich an einem Beispiel gut nachweisen. Im § 11 zieht Averroes den Koranvers XVI , 125 heran, um zu zeigen, daß schon im Koran die drei Methoden (turuq, Pl. von tariq) – philosophischer Beweis, Dialektik, Rhetorik (vgl. dazu weiter unten 2.4) – vorgesehen sind. Auch hier läßt sich die exegetische Stringenz bezweifeln. Aber genau denselben Vers verwendete schon al-Gazālī für genau denselben Nachweis,¹⁵⁶ und al-Gazālī steht sicher nicht unter dem Verdacht philosophischer Voreingenommenheit. ¹⁵⁴ Vgl. Hourani, Harmony, Einleitung, S. 20, und S. 84, Anm. 14. ¹⁵⁵ Vgl. Art. Kalām im Anhang. ¹⁵⁶ Vgl. dazu im Kommentar Anm. 87, dort auch das Zitat der Stelle.

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Es gibt aber auch einen außerhalb der Exegese von Korantexten liegenden Grund, warum Averroes für die Verpfl ichtung optierte. Averroes argumentiert hier – sicher aus auch ganz persönlicher Überzeugung – im Sinne der almohadischen Lehre, und in dieser wurde eine rationale – wenn auch nicht im technischen Sinn philosophische – Gotteserkenntnis für alle Gläubigen gefordert.¹⁵⁷ Es gibt nach almohadischer Auffassung ein allgemein verpfl ichtendes »rationales Minimum«, ohne das der Glaube der Muslime keinen Bestand hat. Averroes teilt diese Meinung. Daß an diesem Punkt eine Nähe der Auffassungen von Ibn Tūmart und Averroes zu den MuÝtaziliten¹⁵⁸ besteht, ist dabei kaum zu bestreiten. Daß Averroes über die »Schwäche« des Schriftnachweises für dieses »rationale Minimum« ziemlich rasch hinweggehen kann, erklärt sich vermutlich letztlich daraus, daß sein Rechtsgutachten nicht verfaßt worden ist, um eine ideenpolitische Entscheidung herbeizuführen, sondern um einer schon gefallenen ideenpolitischen Entscheidung die rechtliche Begründung nachzuliefern. Hinter der Behauptung der philosophischen Tätigkeit als Verpfl ichtung stand also auch ein deutlich politisches Anliegen. Der gegenwärtige Herrscher Abū YaÝqūb Yūsuf war philosophisch interessiert und kompetent, die Verpfl ichtung zu einem »rationalen Minimum« für die Masse der Gläubigen und zu philosophischer Tätigkeit für eine Elite sollte gleichsam in die almohadische Verfassung hineingeschrieben werden. Das kam auch den Interessen der (wenigen) Philosophen entgegen, die dadurch eine politisch wichtige Beraterrolle erhalten konnten, so wie ja Ibn Tufail eine solche Rolle am Hof in Marrakesch gehabt hatte. Damit wäre auch ein Gegengewicht gegen die faktisch immer und an allen Höfen einflußreichen Juristen (fuqaha Þ) geschaffen, und gleichzeitig würde der Einfluß der Theologen (mutakallimun) zurückgedrängt. Diese politische Absicht geht aus dem abschließenden § 60 der Entscheidenden Abhand¹⁵⁷ Vgl. Geoff roy 1999, S. 32–34, und Art. Almohaden im Anhang. ¹⁵⁸ Vgl. Art. MuÝtaziliten im Anhang.

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lung hervor, in dem Averroes beinahe panegyrisch auftritt und den Eindruck erweckt, als seien die Rechte jener, die den »Pfad der Vernunftüberlegung« beschreiten, durch den »siegreichen Befehl« der Almohaden-Herrscher in seiner Gegenwart schon gesichert.¹⁵⁹ Das verpfl ichtend geforderte »rationale Minimum« besteht nach Averroes in dem teleologischen Gottesbeweis, wie er in § 2 aufgeführt wird. Dieser Beweis wird vom Volk, von der »Masse«, nicht in formallogischer Weise erfaßt, und Averroes vermeidet in diesem Zusammenhang den Fachbegriff für »Beweis« (burhan) und begnügt sich mit dem Ausdruck »Hinweis« (dalala).¹⁶⁰ Beweise im formallogischen Sinn sind der Elite, den »Leuten des Beweises« (Þahl al-burhan), vorbehalten. Die Berufung auf die zweckmäßige Ordnung der Welt als »rationaler Kern« war aber keineswegs ein neutraler, von allen akzeptierter Ausgangspunkt. Mit dem Beweis aus der Zweckmäßigkeit der Weltordnung nimmt Averroes Voraussetzungen an, die nicht schon solche der Gesamtheit der Muslime sind. Hier kann er sich nicht auf einen Konsens der muslimischen Gemeinschaft oder auf einen solchen der islamischen Gelehrten berufen. In al-Andalus waren zur Zeit des Averroes vor allem die Schriften al-Gazālīs verbreitet, und im Manāhif setzt sich Averroes auch häufig mit al-Fuwainī auseinander, also mit einem bedeutenden AšÝariten und Lehrer al-Gazālīs. Die AšÝariten nahmen aber eine Form des Atomismus an, in der aus der – vermeintlich – beobachtbaren Ordnung keine metaphysisch geltenden Schlüsse gezogen werden durften.¹⁶¹ Auch die AšÝariten leiteten also aus dem Ko¹⁵⁹ An anderer Stelle äußert Averroes allerdings eine, wenn auch sehr zurückhaltende Kritik an dem Staat der Almohaden, der nicht dem idealen Staat im Sinne Platos entspricht. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 124, On Plato’s »Republic«, S. 121. ¹⁶⁰ Vgl. Anm. 15 im Kommentar und Art. ÝInāya im Anhang. ¹⁶¹ Nagel 1988, S. 226, stellt dazu fest: »Zweckmäßigkeitserwägungen sind nicht verboten; aber man muß wissen, daß sie letzten Endes ohne Belang sind.« Al-Gazālī verwendet allerdings gelegentlich

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ran die Verpfl ichtung zur Vernunftüberlegung (nazar) ab, gelangten aber zu völlig anderen Ergebnissen, die mit denen des Averroes unvereinbar waren. Der Ausgangspunkt des Averroes ist also keineswegs so neutral, wie er auf den ersten Blick aussieht, sondern steht in manchem den muÝtazilitischen Auffassungen nahe, was ja eigentlich von dem »rationalistischen« Ausgangspunkt des Averroes her zu erwarten ist, auch wenn er sagt, daß von den Lehren der MuÝtaziliten in al-Andalus nicht viel bekannt war. Wenn also Averroes von einer Verpfl ichtung zur Philosophie spricht, so setzt er dabei voraus, daß dies eine Verpfl ichtung zu aristotelischer Philosophie sei, was aber eben nicht von allen anerkannt wurde. Eine Verpfl ichtung zur Philosophie konnte auch durch eine atomistische (AšÝariten), eine neuplatonische (Ibn Sīnā) oder eine mit einer höheren, mystischen Erkenntnis arbeitende Philosophie (Sūfīs) eingelöst werden.

. Das Erfordernis der Philosophie im Bereich des Gesetzes: Interpretation (ta Þwil) Der zweite Teil des Arguments des Averroes lautet: Die Philosophie ist in der Gemeinschaft der Muslime eine Verpfl ichtung, weil eine vollständige und adäquate Interpretation des Korans an einigen Stellen nur durch den Einsatz der Philosophie erreicht werden kann. Bei der Begründung auch dieser These arbeitet Averroes wiederum ausschließlich mit Begriffen, die auch bei islamischen Juristen und Theologen verwendet wurden und die schon eine lange Tradition terminologischer und sachlicher Diskussionen aufweisen konnten. Der Basis-Begriffsrahmen ist der folgende: Es gibt im Koran Stellen, deren Sinn offenkundig (muhkam) ist, und solche, deren Sinn dunkel oder zweideutig – beide Begriffsbedeutungen sind möglich und wurden verwendurchaus auch eine Form des teleologischen Gottesbeweises, vgl. Art. ÝInāya im Anhang.

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det – ist (mutašabih, vgl. § 46). Folglich gibt es für solche Stellen einen äußeren, d. h. wörtlichen, Sinn (zahir, vgl. § 13 u. ö.) und einen inneren Sinn (batin, vgl. § 14 u. ö.). Averroes weiß, daß es in den Schulen große Meinungsverschiedenheiten (ijtilaf, vgl. § 14) darüber gibt, bei welchen Stellen ein solcher verborgener innerer Sinn vorliegt. Er tendiert dahin, die Zahl solcher Stellen möglichst gering zu halten, und kommt damit den in al-Andalus verbreiteten Zāhiriten,¹⁶² die gar keinen solchen inneren Sinn zulassen wollten, so weit wie möglich entgegen. Dem gesamten Koran einen äußeren und einen inneren Sinn zuzuschreiben, wie dies manche Mystiker versuchten, lehnt Averroes ab (vgl. § 14, 3. Absatz). Folglich ist an einigen, aber eben wirklich nur an ganz wenigen Stellen eine Interpretation (ta Þwil, vgl. § 14 u. ö.) erforderlich.¹⁶³ Man muß sich dabei aber ganz klar machen, daß für Averroes die Frage der Identifizierung der Stellen, die als »dunkel« bezeichnet werden und bei denen daher eine Interpretation erforderlich wird, nicht eine Frage der Texthermeneutik ist, sondern von philosophischen Fragen her diktiert ist. Es ist nicht so, daß bei jenen Stellen, die philologisch gesehen dunkel sind, die Philosophie zu Hilfe gerufen wird, sondern so, daß dort, wo die Philosophie herangezogen werden soll, der Text aber nicht genau das liefert, was von der Philosophie her erforderlich wäre, diese Stellen als dunkel und interpretationsbedürftig bezeichnet werden. Dieser methodologische Rahmen ist schon auf den ersten Blick problematisch, stellt aber keine Erfindung des Averroes dar. Nicht nur die MuÝtaziliten, auch die AšÝariten wurden zu ihren Interpretationen z. B. der Gottesprädikate nicht durch philologische, sondern durch theologische Probleme veranlaßt. Man muß also schon innerhalb der traditionellen »arabischen Wissenschaften« zwei – allerdings auch schon in der Tradition häufig miteinander verbundene – Aspekte unterscheiden. Der eine Aspekt ist sprachlicher, der andere theologischer Art, und ¹⁶² Vgl. zu den Zāhiriten Art. Ibn Hazm im Anhang. ¹⁶³ Vgl. Art. TāÞwīl im Anhang.

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somit sind hier auf der einen Seite die Grammatiker und Literaturtheoretiker, auf der anderen Seite die Theologen und auch die Juristen mit der Frage der Interpretation beschäftigt, und in sehr vielen Fällen waren diese Funktionen in ein und derselben Person vereinigt. Zunächst gibt es den sprachlichen Aspekt des Textes des Korans. Bei dem Vorgehen nach sprachlichen Gesichtspunkten gab es innerhalb der traditionellen Textauslegung interpretationsbedürftige Stellen, bei denen ein metaphorischer Sinn angenommen wurde, der nach linguistischen und eventuell nach ästhetischen und rhetorischen Kriterien identifiziert werden sollte.¹⁶⁴ Auf der anderen Seite gibt es den theologischen Aspekt. Dieser war vor allem um die entscheidende Frage der Gottesprädikate konzentriert, bei denen anthropomorphe Ausdrücke vermieden werden sollten, wobei aber die Frage bestand, welche Ausdrücke denn nun als »anthropomorph« betrachtet werden durften oder sollten und welche nicht (vgl. z. B. § 30 in der Entscheidenden Abhandlung). Bei dieser Frage bestand – um nur die großen Schulen zu nennen – zwischen den MuÝtaziliten, die sehr viel interpretieren wollten, und den Hanbaliten, die möglichst gar nichts interpretieren wollten, eine beinahe unendlich differenzierbare Variationsbreite. Auch Polemik war nicht selten im Spiel. Die strengen Literalisten z. B. wurden mit dem auch von Averroes gebrauchten Schimpfwort »Hašwīya« bezeichnet (vgl. § 4).¹⁶⁵ Allen, die meinten, daß Interpretationen in irgendeiner Form zugelassen werden sollen und müssen, war es klar, daß die Sprachwissenschaft allein die Interpretationsprobleme nicht lösen konnte. Deshalb war es aber noch keineswegs ausgemacht, daß, und wenn ja, welche Rolle die Philosophie bei der Interpretation spielen sollte. Averroes ist aber nicht der erste, der die These vertritt, daß die Philosophie dabei eine geradezu entscheidende Rolle spielt. Im Prinzip hatten schon die MuÝtaziliten, auch wenn sie nicht ausdrücklich von Philo¹⁶⁴ Vgl. Heinrichs 1984, S. 113 f. ¹⁶⁵ Vgl. im Kommentar Anm. 51.

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sophie sprachen, diese Richtung vorgezeichnet. Auch Ibn Sīnā (Avicenna) hatte Zweifel daran geäußert, durch grammatische, stilistische und rhetorische Methoden, d. h. durch die des tafsir, zu einer Entscheidung darüber gelangen zu können, welche Stellen des Korans als Metaphern aufzufassen sind.¹⁶⁶ Es muß zuerst durch die Philosophie festgestellt werden, welche Stellen nicht wörtlich aufgefaßt werden dürfen. Ein typisches Beispiel dafür sind bei Ibn Sīnā die heiklen Stellen über das Jenseits (maÝad). Vom Wortlaut her gehören diese Texte zu den klarsten und eindeutigsten im Koran überhaupt. In diesem Fall besteht philologisch gesehen keinerlei Interpretationsbedarf. Allein die Philosophie entscheidet hier nach Ibn Sīnā, an welchen Stellen ein batin hinter dem zahir gesucht werden muß.¹⁶⁷ Genau genommen wird in solchen Fällen die Interpretationsbedürftigkeit des Textes durch die theologische oder philosophische Fragestellung überhaupt erst hervorgebracht. Averroes stimmt im Prinzip mit dieser Auffassung der philosophischen Kriterien der Auswahl interpretationsbedürftiger Stellen überein. Dies betriff t aber ausschließlich theoretische Fragen, die praktischen Fragen des Gesetzes bleiben davon völlig unberührt (vgl. zu diesen Fragen 2.6). Mit dieser von der Philosophie her geforderten Interpretation wird aber nicht schon eine einfache Überordnung der Philosophie gegenüber der Offenbarung eingeführt, wie dies bei al-Fārābī der Fall gewesen war, da nach Averroes – mit einer ziemlich »dialektisch« hergestellten Rückkopplung – die Tätigkeit der Philosophie selbst vom Gesetz her gefordert ist: Der Koran fordert Vernunftüberlegungen, und durch bestimmte Vernunftüberlegungen wird dann festgelegt, welche Stellen des Korans interpretationsbedürftig sind. Das mag zirkulär oder jedenfalls »sophistisch« klingen, ist aber gar nichts anderes als die Konkretisierung des Verhältnisses von Gesetz und Philosophie, ¹⁶⁶ Avicenna, Epistola sulla vita futura, S. 48–50. ¹⁶⁷ Diese These ist deutlich šīÝitisch. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 22.

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auf die weiter oben im letzten Satz von 2.1 nachdrücklich hingewiesen worden ist. Es ist auffällig, daß der einzige vergleichbare Zeitgenosse des Averroes, wie dieser in Córdoba geboren und arabischsprachig, der große jüdische Jurist, Arzt, Theologe und Philosoph Moses ben Maimon (Maimonides), genau dieselbe Strategie verfolgte und noch dazu bei genau denselben theoretischen Fragen wie Averroes. Auch in der jüdischen Kultur bestand eine Spannung zwischen der Tendenz einer wörtlichen und einer philosophisch erforderlichen Auslegung der Heiligen Schriften. M.-R. Hayoun stellt dazu fest: »Maimonides muß gesehen haben, daß zwischen diesen beiden Grundsätzen der Schriftauslegung, die beide gleichermaßen von ihm anerkannt wurden, eine unaufhebbare Spannung bestand. Diese Einsicht bewog ihn dann auch, die allegorische Exegese genau zu begrenzen. […] Die mehrdeutigen Wörter, die Maimonides interpretierte, betrafen nie die Gesetze der Tora. Die Neuinterpretation biblischer Wörter und Wendungen beschränkte sich auf philosophische Lehren, die man im Bibeltext wiederfinden konnte, etwa: das Wesen Gottes, die Eigenschaftslosigkeit Gottes, die ewige Schöpfung des Alls, die Vorsehung, Gerechtigkeit und Allwissenheit Gottes, die Selbstmitteilung Gottes durch die Propheten usf. Diese Lehren konnten und sollten im Schrifttext aufgedeckt werden, selbst wenn man dazu vom Wortsinn des Textes abweichen mußte. Kein Gebot jedoch und kein Verbot des Gesetzes durfte lediglich sinnbildhaft verstanden und gedeutet werden.«¹⁶⁸ Die Aufzählung der von Maimonides als interpretationsbedürftig angesehenen Fragen liest sich wie ein Inhaltsverzeichnis des Manāhif des Averroes. Die praktischen Fragen – Gebote und Verbote – des Gesetzes, der Tora, sind aber nach Moses ben Maimon nie interpretationsbedürftig, das Gesetz steht nicht zur Diskussion. Genau dasselbe gilt bei Averroes. ¹⁶⁸ Hayoun, M.-R., Maimonides. Arzt und Philosoph im Mittelalter, München 1999, S. 177.

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Der Führer der Unschlüssigen des Moses ben Maimon (Maimonides) wurde zwischen 1190 und 1200 (auf Arabisch, aber mit hebräischen Buchstaben geschrieben) fertiggestellt. Maimonides hielt sich seit langer Zeit in Fustat (Alt-Kairo) auf. Da er die Aristoteles-Kommentare des Averroes zwar empfiehlt, sie aber vermutlich zur Zeit der Abfassung des Führers der Unschlüssigen nicht selbst kannte, ist es m. E. auch eher unwahrscheinlich, daß er die Entscheidende Abhandlung kannte.¹⁶⁹ Wenn aber keine Abhängigkeit angenommen wird, dann ist die Ähnlichkeit der Interpretations-Vorschläge und Interpretations-Grenzen von Averroes und Maimonides um so aufschlußreicher. Den beiden großen Vertretern der »Religionen des Buches«, die sich mit aristotelischer Philosophie beschäftigten, drängte sich offenbar ein und dieselbe Verteidigungsstrategie und Methodologie im Umgang mit ihren Heiligen Schriften auf. Die Übereinstimmung ergibt sich außer der in Bibel und Koran ähnlichen sprachlichen und theologischen Problemstellung aus der beiden gemeinsamen Tradition der arabischen, von al-Fārābī geprägten Philosophie. Anders als bei al-Fārābī mußte aber jetzt im 12. Jhd. in beiden Religionsgemeinschaften die Legitimität der Philosophie über ihr Interpretationspotential in Hinsicht auf die Heiligen Schriften begründet werden. Philosophie stellt sich als religiöse Pfl icht der Elite dar. Und so stellt J. Guttmann fest: »So sieht Maimonides seine philosophische Aufgabe zugleich als eine religiöse, und das Pathos dieses religiösen Rationalismus ist der Grundton des More Nebukim [= Führer der Unschlüssigen].«¹⁷⁰ Sind also innerhalb der Strategie des Averroes jene Stellen interpretationsbedürftig, die nicht oder nicht in ausreichendem Maß mit den philosophischen Auffassungen übereinstimmen, drängen sich also die »dunklen« Stellen gar nicht vom Wortlaut des Textes, sondern vom philosophischen Interesse her auf, so ¹⁶⁹ Eine solche Kenntnis scheint Hayoun ebd., S. 162, anzudeuten. ¹⁷⁰ Guttmann, J., Die Philosophie des Judentums, Wiesbaden 1985, S. 178.

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ist es auch – bei Beschränkung der Philosophie auf die Elite – nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar schädlich, solche Interpretationen dem Volk darzulegen. Besonders schädlich wäre ein solches Vorgehen dort, wo das Abgehen vom Wortlaut beim Volk Folgen haben würde, die dazu führen müßten, daß dieses bestimmte Vorstellungen, wie z. B. das letzte Gericht, nicht mehr ernst nimmt. Also muß in der Darlegung für die »Masse« streng am Wortlaut festgehalten werden (vgl. auch weiter unten 2.5). Averroes läßt keinen Zweifel an dem gesellschaftspolitischen Hintergrund seiner Auffassung, der seiner Meinung nach jedoch eine grundsätzliche, in der Funktion der Religion begründete Rechtfertigung hat: Der Hauptzweck des Wissens für die große Menge ist nur die Praxis; und je nützlicher etwas für die Praxis ist, desto mehr ist es vorzuziehen.¹⁷¹

Averroes nimmt in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der islamischen Gelehrten an, daß es eigentlich nur ganz wenige theoretische Grundsätze des Glaubens gibt und daß diese gleicherweise für das Volk wie auch für die gebildete Elite gelten. Es geht nur um die Kenntnisse, die »für alle Menschen unumgänglich nötig« sind: »Kenntnis Gottes, der Engel, der edlen Wesen, der Glückseligkeit«.¹⁷² Stellt man in Rechnung, daß die Frage der Engel nicht sonderlich problematisch war, spätantike Philosophen hatten deren Existenz ebenso selbstverständlich angenommen wie die Muslime, so zeigt sich, daß der Bereich der theoretischen Grundsätze, die Anlaß zu Fragen geben konnten, gar nicht sehr groß war. Dem Volk muß erklärt werden, daß es sich dabei um dunkle Stellen handelt, d. h. »man sagt über all diese Stellen, daß sie dunkel seien«.¹⁷³ Die Vorstellung der »Dunkel¹⁷¹ Manāhif, S. 69, Faith and Reason, S. 67. ¹⁷² Manāhif, S. 120, Faith and Reason, S. 123. Ganz ähnlich Avicenna, Epistola sulla vita futura, S. 86 f. ¹⁷³ Manāhif, S. 62, Faith and Reason, S. 59.

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heit« kommt aber nach Averroes eigentlich nur in ganz wenigen Fällen und mit Bezug auf ganz wenige Menschen zum Einsatz. Im allgemeinen gilt: Bei den Gelehrten und der großen Menge gibt es keine Dunkelheit in der Religion.¹⁷⁴

Der Arzt Averroes stellt für diese beiden Gruppen die Diagnose, daß es sich bei denen, für die es hier keine Dunkelheit gibt, um die »Gesunden« handelt.¹⁷⁵ Probleme können nur dort auftreten, wo es sich um Dinge der jenseitigen Welt handelt, für die es keine Bilder in der diesseitigen Welt gibt. Ein Beispiel eines solchen Falles führt Averroes in der Entscheidenden Abhandlung im § 30 an, wo für die Herabkunft des Korans von einer Richtung (fiha) von »oben« gesprochen werden soll, ohne damit von Gott Raum und Körperlichkeit auszusagen.¹⁷⁶ Die Gelehrten haben dafür eine philosophische Interpretation, aber der Menge fallen diese Probleme gar nicht auf und sollen ihr auch gar nicht auffallen. Für die wenigen aus der »Masse«, denen hier Zweifel kommen, gilt, daß ihnen gesagt werden muß, daß dies »dunkle« Verse sind, deren Deutung nur Gott allein kennt.¹⁷⁷ So die Auskunft von Averroes. Averroes ist aber zuversichtlich: Dies widerfährt aber nur bei den wenigsten Versen des Korans und zwar den wenigsten Menschen.¹⁷⁸

Und wieder diagnostiziert der Arzt Averroes: Jene aber sind krank, und die Kranken machen die kleinste Anzahl aus. […] Dies sind die Dialektiker und Scholastiker (mutaManāhif, S. 68, Faith and Reason, S. 65. Manāhif, S. 68, Faith and Reason, S. 66. Vgl. dazu im Kommentar Anm. 208. Über die eigenartige – explizit zweideutige – Strategie des Averroes bei der Auslegung des berühmten Verses Sure III , 7, vgl. im Kommentar Anm. 137 und 214. ¹⁷⁸ Manāhif, S. 68, Faith and Reason, S. 66.

¹⁷⁴ ¹⁷⁵ ¹⁷⁶ ¹⁷⁷

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kallimun). Das ärgerlichste, was der Religion von Leuten dieser Klasse widerfährt, ist, daß sie vieles von dem interpretieren, wovon sie glauben, daß es nicht nach seinem Wortlaut gilt; und sagen, diese Interpretation ist nicht die beabsichtigte: sondern Gott hat es bloß in der Form des Dunklen vorgebracht, um seine Diener zu erproben und zu prüfen. Behüte uns Gott vor einer solchen Meinung!¹⁷⁹

Zwischen den philosophisch Wissenden und den einfach dem Wortlaut des Korans Folgenden gibt es keine »gesunde« Mitte: Deswegen gehören sie [d. h. die Scholastiker] weder zu den Wissenden noch zur gläubigen für wahr haltenden Menge: sie gehören nur zu denjenigen, in deren Herzen eine Abweichung und in deren Herzen eine Krankheit ist.«¹⁸⁰

Eine positive Funktion der Interpretationen der dialektischen Theologen gibt es also nach Averroes nicht. Diese »Lösung« des Averroes entspricht aber nicht dem Verlauf der Geschichte der Interpretation des Korans bis zu seiner Zeit, und man kann auch die Frage stellen, ob er mit seiner Sicht den Problemen und Lösungsversuchen der islamischen Theologen gerecht wird. Es handelte sich bei deren Problemen keineswegs immer um »Scheinprobleme der Theologie«.¹⁸¹ Das Problem, das am Ursprung aller Interpretation von Stellen des Korans liegt, war, wie schon erwähnt, allen islamischen Theologen von Anfang an klar und steht am Beginn der islamischen Theologie (kalam).¹⁸² Es geht um die Interpretation der anthropomorphen Ausdrücke, die im Koran für die Eigenschaften und Tätigkeiten Gottes verwendet

¹⁷⁹ Manāhif, S. 68, Faith and Reason, S. 66. ¹⁸⁰ Manāhif, S. 91, Faith and Reason, S. 91. ¹⁸¹ Zur Geschichte der islamischen Theologie vgl. den ausgezeichneten Überblick in Nagel 1994 a. ¹⁸² Vgl. Art. Kalām im Anhang.

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werden.¹⁸³ Daß bei den zahlreichen anthropomorphen Ausdrükken des Korans erhebliche Fragen auftauchten, war nicht nur ein Problem einer gebildeten Elite, sondern eines, das auch zahlreichen einfachen Gläubigen auffallen mußte. Ebenso waren, um nur ein weiteres Beispiel anzuführen, im Koran in Hinsicht auf Freiheit oder Determiniertheit der Handlungen des Menschen gegensätzliche Aussagen zu finden, was auch bei Menschen ohne besondere Bildung zu Fragen führen mußte.¹⁸⁴ Irgend jemand mußte ja schließlich versuchen, auf diese und ähnliche Fragen Antworten zu finden. Diese Fragen waren unabhängig von jeder Beeinflussung durch »fremde« Philosophien und auch schon vor jener Periode aufgetreten, in der die griechische Philosophie von den Arabern rezipiert wurde. Und jene, die diese Fragen aufgegriffen hatten, waren eben die islamischen Theologen, die mutakallimun. Die beiden wichtigsten Schulen, die sich später mit den Fragen der Interpretation beschäftigt haben, waren seit dem 9. Jhd. die MuÝtaziliten und die AšÝariten,¹⁸⁵ die Diskussion war also schon Jahrhunderte alt und hatte hunderte von Büchern hervorgebracht.¹⁸⁶ Die bekanntesten Theologen der AšÝariten waren al-Fuwainī und al-Gazālī, die Averroes beide in der Entscheidenden Abhandlung erwähnt (§ 15, 1. Absatz). Averroes hält allerdings im großen und ganzen die Interpretationen der MuÝtaziliten für besser als die der AšÝariten (vgl. § 43). Der Kalām hatte also eine durchaus »vernünftige« Aufgabe, und wenn sich auch manche ihrer Vertreter in »Haarspaltereien« verfingen, ist es doch ungerecht, generell zu sagen, daß »in ihren Herzen eine Krankheit ist«. Die islamischen Theologen (mutakallimun) waren verständlicherweise überzeugt, daß ausschließlich sie über die Fragen der Interpretation von Aussagen des Korans zu entscheiden hätten und daß etwa abweichende Auffas¹⁸³ ¹⁸⁴ ¹⁸⁵ ¹⁸⁶

Vgl. Art. TāÞwīl im Anhang. Vgl. Art. Iitiyār im Anhang. Vgl. die Art. MuÝtaziliten und AšÝariten im Anhang. Einen guten Überblick liefern Nagel 1994 a und Urvoy 2006.

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sungen der Philosophen von den islamischen Rechtsgelehrten – die manchmal mit den Theologen identisch waren, wie etwa die beiden eben Genannten – rechtlich zu beurteilen waren. Die Diskussion nicht nur über einzelne Interpretationen, sondern über die Interpretationskompetenz war somit unausweichlich. Die Philosophen, die sich als gläubige Muslime betrachteten,¹⁸⁷ mußten daher nun ihrerseits eine Verhältnisbestimmung ihrer philosophischen Tätigkeit gegenüber der schon älteren Interpretationstätigkeit der Theologen liefern. Das methodologische Grundmodell für diese Verhältnisbestimmung hatte al-Fārābī aufgestellt, und Averroes hat es übernommen, allerdings ohne die Voraussetzungen und Konsequenzen dieses Modells ebenso klar zu machen, wie dies bei al-Fārābī der Fall ist. In dieser Verschiedenheit der Ausdrücklichkeit der Darlegung spiegelt sich auch die Verschiedenheit der Lebensumstände der beiden wieder, auf die schon weiter oben in 1.1 hingewiesen wurde. Der noch offeneren Situation im Bagdad des 10. Jahrhunderts steht die restriktivere Situation in al-Andalus im 12. Jhd. gegenüber. Doch zunächst zum Modell al-Fārābīs und dem entsprechenden des Averroes. Al-Fārābī geht aus von der spätantiken Erweiterung des aristotelischen Organons, das außer den Kategorien, Peri Hermeneias, der 1. und 2. Analytik, der Topik und den Sophistischen Widerlegungen auch die Rhetorik und die Poetik enthielt.¹⁸⁸ Das erste dieser Bücher behandelt die einfachen Ausdrücke, das zweite die einfachen, nicht zusammengesetzten Aussagen. In diesen beiden Büchern geht es also noch nicht um Argumente. Argumente stellen zusammengesetzte Aussagen dar, und – da die 1. und die 2. Analytik als eine einzige Argumenta-

¹⁸⁷ Es gab in den Ländern des Islam, vor allem in den frühen Jahrhunderten, durchaus auch arabische und aus islamischen Familien stammende »unabhängige Denker«, für die diese Problemstellung gar nicht bestand. Vgl. zu diesen Urvoy, D., Les penseurs libres dans l’Islam classique, Paris 1996. ¹⁸⁸ Vgl. al-Fārābī, De scientiis, S. 55–59.

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tionsweise zusammengefaßt werden können – ergeben sich fünf Rede- und Argumentationsformen, die jeweils ein bestimmtes Ergebnis beim Angesprochenen, d. h. beim Hörer, erzielen und die wiederum einzelnen Büchern des aristotelischen Organons entsprechen: »Sicherheit herstellende [1. und 2. Analytik], Meinung liefernde [Topik = Dialektik], Irrtum hervorrufende [Sophistische Widerlegungen], Überzeugung vermittelnde [Rhetorik], und Vorstellungen erzeugende [Poetik].«¹⁸⁹ Insofern es um das Hervorbringen wahrer Überzeugungen geht, können die Sophistischen Widerlegungen entweder unberücksichtigt bleiben oder als kritisches Instrument der anderen Argumentationsformen aufgefaßt werden, und da Poetik und Rhetorik als Argumentationsformen einander sehr nahe stehen und in eine Form zusammengefaßt werden können, ergeben sich drei Grundformen: (1) Syllogistische Beweise, die Sicherheit herstellen, (2) Dialektik, die Meinungen erzeugt, (3) Rhetorik, die Überzeugungen hervorbringt, die durch Vorstellungen, d. h. Bilder, die die Poetik liefert, gestützt sind.¹⁹⁰ Dies sind nun genau die drei Methoden (tariq, Pl. turuq), die Averroes in den §§ 26–28, 33, 35, 39–40, 44, und 55 der Entscheidenden Abhandlung anführt, die jeweils eine verschiedene Form der Zustimmung (tasdiq) hervorrufen: (1) mit Beweisen (qiyas, burhan) arbeitend und Sicherheit hervorrufend ( yaqini), (2) mit Dialektik (fadal) arbeitend und eine Meinung hervorrufend (zanni), (3) mit Rhetorik arbeitend (jitabi) und Poetik verwendend (šiÝri) und eine Zustimmung aufgrund von Bildern (Þamval, Pl. von mival, Þašbah, Pl. von šibh) hervorrufend. ¹⁸⁹ Al-Fārābī, De scientiis, S. 53, vgl. Vorstudien der Philosophie, S. 86 f. ¹⁹⁰ Vgl. al-Fārābī, Book of Religion, S. 97 f.

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Diesen drei Methoden entsprechen drei Rede- und Argumentationsformen: (1) Philosophie (falsafa, hikma),¹⁹¹ (2) (dialektische) Theologie (kalam), (3) Predigt (mauÝiza). Averroes kann dieses auf al-Fārābī zurückgehende Schema im kulturpolitischen Umfeld seiner Zeit verhältnismäßig problemlos übernehmen, da auch Ibn Tūmart das almohadische Glaubensbekenntnis in drei Formen vorgelegt hatte: (1) Argumente für die Grundlehren, (2) Ergebnis dieser Argumente, ohne aber diese selbst anzuführen, (3) Darlegung der Grundlehren in Reimprosa.¹⁹² Es ergibt sich also eine eindeutige sachliche Rangordnung: Argumentierendes Denken hat den Vorrang, für die Predigt steht die Reimprosa zur Verfügung und für die Theologie bleibt eigentlich gar keine besondere Funktion, sie folgt einfach dem argumentierenden Denken, ohne es selbst zu erreichen. Dasselbe galt schon bei al-Fārābī, der sich zu diesem Punkt sehr explizit äußert: Alle diese Dinge erkennt man auf eine von zwei Weisen. Einmal nämlich prägen sich dieselben den Seelen so, wie sie vorhanden sind, direkt ein oder es geschieht dies (indirekt) durch Analogie oder im Gleichnis. Dies letztere findet dadurch statt, daß in ihren Seelen jene ähnlichen Abbilder entstehen. Gelehrte der Vorzugsstadt sind nun diejenigen, welche all dies durch Beweis (burhan) und die Einsicht ihrer Seelen erkennen, die aber, welche den Gelehrten nahe stehen, erkennen dies alles, so wie es in der Einsicht der Gelehrten vorhanden ist, dadurch, daß sie ihnen dann Folge leisten, ihre Aussprüche für wahr halten und ihnen vertrauen. Die übrigen aber erkennen dies alles nur im ähnelnden Gleichnis (mival), denn sie haben nicht die Beschaffenheit in

¹⁹¹ Zum Unterschied von hikma und falsafa vgl. im Kommentar Anm. 8. ¹⁹² Urvoy 1974, S. 30–32, und 2006, S. 472.

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ihrem Geist, die Dinge, so wie sie vorhanden sind, zu verstehen, weder von Natur noch durch Gewohnheit.¹⁹³

Die grundlegende Einteilung ist also die in Erkenntnis durch Beweis und die durch Bilder. Hier ist im Prinzip keine eigene Funktion für die islamische Theologie, also den Kalām gegeben.¹⁹⁴ Die Angehörigen der mittleren Gruppe können nur den wahrhaft Erkennenden Folge leisten, sie müssen deren Aussagen für wahr halten und müssen ihnen vertrauen. Averroes ist an diesem Punkt vorsichtiger und weniger explizit. Die drei Methoden werden in der Entscheidenden Abhandlung durchgehend angeführt, einzelne Thesen des Kalām werden auch kritisch analysiert, der Kalām selbst wird aber – jedenfalls explizit – in seiner Berechtigung nicht in Frage gestellt. Der Sache nach ist die Tendenz der Eliminierung des Kalām aber auch bei Averroes vorhanden, wie weiter oben durch die Kennzeichnung der mutakallimun als »Kranke« genügend deutlich wird. Der Manāhif ist in Wirklichkeit eine philosophische Theologie, die eine daneben existierende islamische Theologie überflüssig macht: Denn es steht nicht in der Macht der Dogmatik, von diesem Umfang der Kenntnis Einsicht zu erlangen, da der höchste Grad der Dogmatik nur dialektische, nicht demonstrative Weisheit ist.¹⁹⁵

Wenn Averroes seine Auffassung in prinzipieller Hinsicht darlegt, spricht er dann auch einfach von zwei Methoden, der »Methode der Auserwählten« und der »Methode der großen Menge«.¹⁹⁶ Die Methode für alle unterschiedslos liegt im rhe¹⁹³ Al-Fārābī, Musterstaat X X XII , arab. S. 69 f., dt. S. 111. ¹⁹⁴ Al-Fārābī hatte für den Kalām keine Sympathie, vgl. die nicht sehr wohlwollende Darstellung desselben in De scientiis, S. 125–135. ¹⁹⁵ Manāhif, S. 57 f., Faith and Reason, S. 52 f. ¹⁹⁶ Manāhif, S. 46, Faith and Reason, S. 37. Auch in Zu Platons Politeia, S. 45 u. S. 87, On Plato’s »Republic«, S. 17 f. u. S. 71, spricht Averroes nur von zwei Methoden des Lehrens: Demonstrative Beweise für die Elite, Rhetorik und Poetik für die Menge.

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torischen Darlegen des uninterpretierten Wortlauts des Korans (= Predigt), und dies ist auch der ausschließliche Weg des Heils für die Menge, die »Hauptmedizin«, die durch Interpretationen für die Menge nur verdorben wird. Die Geschichte der mutakallimun wird damit zu einer Geschichte verfehlter und irregeleiteter Ärzte, die selbst krank sind und andere krank machen: Die ersten, welche die Hauptmedizin modifiziert haben, waren die Iārifiten,¹⁹⁷ dann nach ihnen die MuÝtaziliten, dann die AšÝariten, dann die Sūfīs; dann kam Abū Hāmid, und damit hat der Gießbach die Städte überschwemmt.¹⁹⁸

Averroes hält dies für eine Fehlentwicklung, die letztlich nur überflüssige Probleme und Komplikationen hervorgebracht hat, im Ärztejargon des Averroes ausgedrückt: unwirksame Medikamente für eingebildete Krankheiten. Bei den eigentlichen Streitpunkten zwischen Kalām und Philosophie – Schöpfung, Gottes Erkenntnis der Einzeldinge, Seelenlehre – beschränkt Averroes sich auf eine Kritik der seiner Auffassung nach falschen Auffassungen der islamischen Theologen und verweist bei der Darstellung der eigenen Auffassungen bei entscheidenden Punkten häufig auf die Grenzen der menschlichen Vernunft, arbeitet also mit dem, was R. Arnaldez treffend eine »agnostische Klugheit« (une prudence agnostique) nennt.¹⁹⁹ Averroes läßt in den für die Allgemeinheit bestimmten Schriften größte Vorsicht walten. Konfl iktfälle sollen, wenn irgendwie möglich, erst gar ¹⁹⁷ Die Iārifiten vertraten rigoros die Auffassung, daß der Glaube ohne die entsprechenden Handlungen nichtig ist. Sie bildeten eine eigene Sekte, da sie das Kalifat ÝAlīs (reg. 656–661) wegen dessen Verhalten nicht anerkannten. Die Iārifiten hatten schon zur Zeit der Abbasiden keine politische Bedeutung mehr, der Einfluß ihres ethischen Rigorismus ist jedoch auch später bei manchen Autoren zu spüren. Zu den MuÝtaziliten, den AšÝariten, den Sūfīs und Abū Hāmid (al-Gazālī) vgl. die entsprechenden Art. im Anhang. ¹⁹⁸ Manāhif, S. 70, Faith and Reason, S. 68. ¹⁹⁹ Arnaldez 1957, S. 107, vgl. auch Arnaldez 2000, S. 126.

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nicht auftreten. Auch die auffälligen und für alle Averroesinterpreten und -übersetzer problematischen Stellen in der Entscheidenden Abhandlung, in denen Averroes seinen Anspruch philosophischer Interpretationen durch ein »vielleicht« oder »möglicherweise« entschärft,²⁰⁰ könnten aus dieser Absicht heraus verstanden werden. Man muß aber sehen, daß die Problematik, die Averroes unter dem Stichwort taÝwil behandelt, eine andere ist als jene, die die MuÝtaziliten, die AšÝariten und al-Gazālī dabei im Auge hatten. Für diese hatte sich die Forderung nach Interpretation aufgrund theologischer Probleme ergeben, die mit der Glaubensverkündigung zusammenhingen, bei Averroes hingegen sind es philosophische und gesellschaftspolitische Fragen, die ihn zur Frage der Interpretation führten. Die Haltung des Averroes, der alle Interpretationen von Texten des Korans vom Volk fernhalten will, wirft allerdings ein nicht unerhebliches Problem auf. Die Vertreter des Kalām, und dabei vor allem die MuÝtaziliten und die AšÝariten, hatten bei ihrer Forderung, verschiedene Stellen des Korans auch dem Volk gegenüber, d. h. in der Predigt, zu interpretieren, doch ein echtes Problem erkannt. Bei der unbefangenen Lektüre des Textes des Korans ergeben sich an vielen Stellen Fragen des richtigen Verstehens, und dies galt nicht nur für eine intellektuelle Elite, sondern auch für viele »einfache« Gläubige, und es galt auch schon für die früheste Generation der Gläubigen.²⁰¹ Schon in den Hadīuen geht es ja nicht nur um Fragen des Rechts, sondern, wenn auch in viel geringerem Ausmaß, um Fragen des Glaubensverständnisses (falls man diese Unterscheidung überhaupt anwenden will). Und die islamischen Theologen versuchten, diese Fragen zu beantworten, auch wenn ihre Lösungsvorschläge vielleicht nicht immer überzeugen und ²⁰⁰ Vgl. zu diesen Ausdrücken im Kommentar Anm. 40. ²⁰¹ Auch bei den Christen trat das Problem der Interpretation etwa der Ausdrücke, die Gott Körperlichkeit zuschrieben, ja schon sehr früh, so etwa bei Origenes im 2. Jhd. auf. Vgl. Schupp 2003, II , S. 31–34.

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manche – oder auch viele – ihrer Erklärungen möglicherweise tatsächlich mehr Verwirrung als Aufklärung bewirkt haben. Modern ausgedrückt kann man aber sagen, sie hätten ein Minimum an religiöser »Aufklärung« für das Volk als unumgänglich erkannt und hätten sich deshalb für eine solche »Aufklärung« eingesetzt. Bei Averroes hingegen wird »Aufklärung« für die Gebildeten zur religiösen Verpfl ichtung erklärt und gleichzeitig für das Volk verboten.²⁰² Averroes arbeitet bei seiner Kritik an den mutakallimun mit der aus der platonischen Philosophie stammenden Einordnung der Sophisten als »Lehrern«, die über keine wirklichen, d. h. beweisenden Argumente verfügen und die mit ihrem Halb-Wissen nur das Volk verwirren (vgl. z. B. § 53). Es gibt für Averroes letztlich gar keinen methodologischen Ort für den Kalām, er stellt (mit Plato) ziemlich kategorisch eine Alternative auf: Platon [hat] die rhetorische und poetische Methode benützt, um der Masse die theoretische Wissenschaft beizubringen. Es gibt nämlich zweierlei: Entweder man lernt diese Wissenschaft aus Demonstrationen oder man lernt sie gar nicht.²⁰³

Damit ist eine Entweder-Oder-Alternative aufgestellt. Die Frage der Interpretation der Texte des Korans und ihrer Beziehung zur Philosophie führt somit nicht nur zu der gesellschaftspolitischen Frage des Verhältnisses von Masse und Elite, vielmehr ist in der Lösung der Frage der Interpretation bei Averroes diese gesellschaftspolitische Einteilung schon als Voraussetzung mitenthalten. Dies ist eigentlich nicht überraschend. Der Ausgangspunkt ²⁰² Eine solche strikte Trennung und eine solches Verbot dürfte bei Maimonides nicht vorliegen. Er scheint den »normalen Leser« nicht von der Lektüre seines Führers der Unschlüssigen ausschließen zu wollen. Vgl. O. Leaman, Moses Maimonides, London – New York 1990, S. 17. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß der allgemeine Bildungsstand der Mitglieder der jüdischen Gemeinden dieser Zeit höher gewesen sein dürfte als der der arabisch-islamischen Gemeinschaften. ²⁰³ Zu Platons Politeia, S. 41, On Plato’s »Republic«, S. 10.

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der Entscheidenden Abhandlung war ein Problem des Rechts, und jede Frage des Rechts ist immer gleichzeitig eine Frage der Ordnung der Gesellschaft.

. Der gesellschaftliche Ort der Philosophen: Elite (jawass) und Masse (fumhur)²⁰⁴ Die Einteilung der Gesellschaft in Elite und Masse ist weder eine spezifisch arabische noch eine spezifisch islamische Vorstellung, sie erhielt allerdings im arabischen und islamischen Bereich eine besondere Form. Die Einteilung der Mitglieder einer Religionsgemeinschaft in einfache Gläubige und Erkennende oder Erleuchtete findet sich bei vielen Gruppierungen, so bei den Pythagoreern, den Christen, den Manicheern und vielen anderen. Mit dem Auftreten des Islam war mit Muhammad und den ersten, den »rechtgeleiteten Kalifen« automatisch eine göttlich legitimierte Elite vorgegeben. In dieser Elite vereinigten sich religiöses Wissen und Herrschaftsmacht. Mit dem Streit um die Nachfolge, also der ersten theologisch-rechtlichen Frage, begann sich eine weitere Elite herauszubilden, die der Rechtsgelehrten (Ýulama Þ), die dann große Macht ausübten, und zwar sowohl dann, wenn sie die Herrscher unterstützten, wie auch dann, wenn sie diese oder deren Legitimität angriffen. Vielen Vertretern der in den ersten Jahrhunderten der islamischen Zeitrechnung sich herausbildenden Rechtsschulen war ein ausgeprägtes Elitebewußtsein eigen. Diese Elite war eine von Gelehrten des religiösen Wissens, die – bei gleichzeitig bewußt gepflegter Distanz, um sich die Unabhängigkeit zu wahren – die Nähe zur Macht ebenso suchten wie die Herrscher sich die Unterstützung dieser Elite zu sichern versuchten. Die Idealvorstellung blieb die ²⁰⁴ Der gebräuchlichere Begriff für »Masse« ist Ý amma oder Pl. Ýawamm, wenn Averroes in diesem Text den Ausdruck fumhur bevorzugt, scheint damit keine Bedeutungsverschiedenheit verbunden zu sein.

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des religiösen, weisen und gerechten Herrschers, der mit seiner Familie und seiner Umgebung die wesentliche Elite bilden sollte. Dies stellte einen Anknüpfungspunkt für die Vertreter der Philosophie dar. Von da her wird es verständlich, daß vom Anfang bis zum Ende der Periode der falsafa (also etwa bis ins 13. Jhd. hinein) die platonische Staatsphilosophie eine große Anziehungskraft auf die Vertreter der falsafa ausübte, die von dieser Verbindung von Herrschaft und Wissen aus auch ihre eigene politische Teilnahmeberechtigung an der Elite rechtfertigen wollten. Daher war die Politeia Platos die zentrale Schrift politischer Philosophie bei den arabisch-islamischen Philosophen. Dies gilt für al-Fārābī am Beginn ebenso wie für Averroes am Ende dieser Entwicklung.²⁰⁵ Im Unterschied zu den Rechtsgelehrten (fuqaha Þ), die über einen allgemein anerkannten Elite-Status verfügten, ist es den Philosophen nie gelungen – und eigentlich haben sie das auch gar nicht versucht –, sich als eine gesellschaftlich sichtbare EliteGruppe zu etablieren, auch wenn einzelne, wie z. B. al-Kindī (801–866) in Bagdad bei dem Kalifen al-MaÞmūn, Ibn Sīnā an verschiedenen ŠīÝiten-Höfen Persiens und schließlich auch Ibn Tufail und Averroes bei den Almohaden-Herrschern, einflußreiche Stellungen innehatten. Sie hatten diese Stellung aber auch gar nicht als Philosophen inne, sondern aufgrund irgendeiner anderen am Hofe wichtigen Funktion. In den verschiedenen islamischen Gesellschaften vom 8. bis zum 12. Jhd., also in der Periode, in der die aristotelisch-platonischen Philosophen eine Rolle gespielt haben, waren die Philosophen (falasifa) als Gruppe

²⁰⁵ Einen Überblick dieser Entwicklung liefert Rosenthal 1958. Eine mögliche Erklärung, dafür, daß die Politik des Aristoteles nie ins Arabische übersetzt wurde, obwohl ihr Vorhandensein bekannt war, könnte – ohne daß es dafür irgendeinen historischen Beweis gibt – die sein, daß die frühen Übersetzer die »Unbrauchbarkeit« dieser Politik in der islamischen Gesellschaft gesehen hatten und deshalb gleich auf deren Übersetzung verzichteten.

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und somit als eine mögliche Elite-Gruppe überhaupt nicht vorhanden²⁰⁶ und können in dieser Hinsicht in keiner Weise mit den Rechtsgelehrten, aber auch nicht einmal mit den vergleichsweise weniger einflußreichen islamischen Theologen (mutakallimun) verglichen werden. Ein Problem stellte die Abgrenzung von Elite und Masse dar. Zwar war – unübersehbar seit der Zeit der Abbasiden mit ihrem Hof in Bagdad – die Abtrennung von Herrschaftselite und deren Umgebung vom Volk ziemlich eindeutig und sogar architektonisch und städtebaulich unübersehbar, die personale Trennung der Elite von Rechtsgelehrten und Volk war aber nicht ebenso einfach möglich, da die Rechtsgelehrsamkeit keine (unmittelbare) Quelle von Einnahmen darstellte und die Rechtsgelehrten somit auch keinen eigenen Berufsstand bildeten, sondern immer auch einem Brotberuf nachgehen mußten (die Philosophen teilten mit ihnen dieses Schicksal). Jeder Gelehrte gehörte damit sowohl der Elite wie dem Volk an. Diese »Doppelfunktion« oder auch »Personalunion« wird für die weiter unten dargestellte Lösung des Averroes nicht unerheblich sein. Vom gesellschaftlichen Vorhandensein einer Elite-Masse-Teilung zur Aufstellung einer diese rechtfertigenden Theorie überzugehen, ist natürlich ein nicht unwesentlicher Schritt. Möglicherweise wurde das Elite-Masse-Schema auch zunächst gar nicht zur Legitimierung der Elite vorgebracht, sondern im umgekehrten Sinn als Kritik an der Haltung der MuÝtaziliten (muÝtazila bedeutet »die sich absondern«) und der AšÝariten, denen vorgeworfen wurde, die einfachen Gläubigen gering zu schätzen bis zu dem Punkt, diese als Gläubige zweiter Klasse zu betrachten. Die Wendung in ein positives Elitebewußtsein war aber absehbar. Die Sunniten standen einem Auseinanderfallen der islamischen Gemeinschaft in einfache Gläubige und Erleuch²⁰⁶ Gebräuchliche Ausdrücke in Darstellungen der Geschichte der Philosophie wie »die Bagdader Schule« sind in dieser Hinsicht etwas irreführend.

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tete zurückhaltender gegenüber als andere Gruppen wie etwa die ŠīÝiten und die IsmāÝīliten. Aber schon bei dem AšÝariten al-Fuwainī deutete sich diese Entwicklung eines Auseinandertretens an.²⁰⁷ Die Zweiteilung wurde dann besonders durch die Bewegung der Sūfīs gefördert, die auch bei den AšÝariten zunehmend Einfluß gewann. Es bildet sich also die Gestalt des geistlichen Führers heraus, die gerade in einer Zeit des politischen Autoritätsverfalls des Kalifats große Anziehungskraft ausüben mußte, da die Emire zwar politische Autorität erlangen konnten, aber keine religiöse Autorität besaßen.²⁰⁸ Den geistlichen Führern standen also jetzt die einfachen Gläubigen gegenüber. Al-Gazālī führte nur eine schon vorgegebene Entwicklung zu ihrer Konsequenz, und in diesem Kontext wird er eben nicht nur zu einem »Lehrer« oder einem Rechtsgelehrten, sondern zu einem »Meister«. An Aristoteles orientierte Philosophen konnten nicht anstreben, »Meister« in dem genannten Sinn zu sein. Aber als Lehrer (ohne Schulen) nahmen sie doch am Elitebewußtsein der Gelehrten teil. Auch Averroes führt als einen der Gründe, warum jemand nicht zu der Kunst der Interpretation des höheren Sinnes gelangt, das Fehlen eines guten Lehrers an (§ 10 und § 36). Für die Rechtfertigung dieses Elitebewußtseins bot bei den Philosophen Platos Politeia, die sie jedenfalls durch die arabische Übersetzung der Zusammenfassung Galens kannten, den gewünschten theoretischen Hintergrund. Wenn der Herrscher Philosoph sein sollte, so war der Lehrer der Philosophie unverzichtbar, und dies hob ihn weit über die »Masse« hinaus. Entsprechend geringschätzig war bei den Philosophen die (platonisch abgestützte) Beurteilung der »Masse«.²⁰⁹ Ibn Sīnā (Avicenna) sagt einmal ²⁰⁷ Nagel 1988, S. 85, S. 271, und S. 394, Anm. 258. ²⁰⁸ Vgl. Nagel 1988, S. 104 f. ²⁰⁹ Cahen 1977, S. 205, stellt für das 11. Jhd. für den Osten und für das 12. Jhd. für al-Andalus eine wachsende Aufspaltung in Führungselite und Masse fest, was zu einer kulturellen Verarmung beider Seiten

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von den Menschen, die zu dieser Masse gehören, daß bei ihnen die animalische Seele stärker ist als die rationale Seele, und zwar bis zu dem Punkt, daß die letztere so gut wie nicht-existent und ohne jede Kraft zum Handeln ist.²¹⁰ Die arabischen Philosophen meinten dabei, in der Tradition der Griechen zu stehen. Viele arabische Philosophen und Wissenschaftler hatten sich aber ihr eigenes Bild der griechischen Philosophie zurechtgelegt, das auch Sokrates und Aristoteles einbezog. Der bedeutende Wissenschaftler al-Bīrūnī (973–1048), ein Zeitgenosse Ibn Sīnās, mit dem er auch brieflich in Kontakt stand, sagte einmal: Jedoch erwiesen sich die Griechen als überlegen, weil es in ihrem Lande Philosophen gab, welche gereinigte Prinzipien für die Elite, nicht für die breite Masse, aufstellten, denn nur die Elite ist fähig, einer wissenschaftlichen Untersuchung und Erörterung zu folgen, während die Volksmassen nur zu Leichtsinn und Hartnäckigkeit imstande sind, wenn ihnen nicht genug Furcht und Schrecken eingejagt wird.²¹¹

Dies heißt im Klartext: Vorstellungen wie Himmel und Hölle, sinnenhafte Belohnung und Strafe nach dem Tod, Eingreifen der Götter oder des einen Gottes in das irdische Leben usw. sind erforderlich, um das Volk zu disziplinieren, gelten aber selbstverständlich nicht für die Gebildeten, die wissenschaftlich Aufgeklärten. Al-Bīrūnī führt dann auch gleich Sokrates als Beispiel für jemand an, der sich an diese Regel nicht gehalten hat und der die entsprechenden Folgen zu tragen hatte (ebd.), was al-Bīrūnī ohne Mitleid einfach feststellt. Wer leichtsinnig Philosophie unter das Volk bringt, wird zu Recht bestraft. Für ein Verständnis der sophistischen Aufklärung, in der ja bewußt verführte, die im Zusammenhang einer allgemeinen institutionellen und ökonomischen Erstarrung zu sehen ist. ²¹⁰ Avicenna, Epistola sulla vita futura, S. 90 f. ²¹¹ Al-Bīrūnī, In den Gärten der Wissenschaft, übers. v. G. Strohmaier, Leipzig 1991, S. 166.

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sucht wurde, Philosophie für die »Masse« brauchbar zu machen, war hier kein Platz. Die arabische Sicht der Sophisten war ausschließlich vom Blickwinkel Platos und dem der elitären Neuplatoniker aus bestimmt, und dieser Blickwinkel paßte gut zu der eigenen Sicht. Wie die Elite in al-Andalus, zu der sich auch Averroes zählte, von der Masse dachte, läßt sich aus einer Bemerkung Ibn Tufails ersehen, der von seinem autodidaktischen Philosophen bei dessen naiver Vorstellung, das Volk aufklären zu können, sagt: Zu dieser Annahme wurde er verleitet, weil er meinte, alle anderen Menschen hätten auch eine überlegene natürliche Veranlagung, ein durchdringendes Denkvermögen und eine standhafte Seele. Er hatte keine Ahnung, wie groß ihre Dummheit, ihre Unvollkommenheit, ihre Unüberlegtheit und ihr Wankelmut waren; sie waren genauso stumpfsinnig wie Vieh – nein, sie irren noch eher vom Weg ab! (Sure X XV, 44)²¹²

Und so mußte der Philosoph, der Mann der Elite, zu der Einsicht gelangen: Aber aufgrund der Mangelhaftigkeit ihrer Veranlagung erstrebten sie die Wahrheit nicht mit der ihr angemessenen Methode, erreichten sie nicht mit Hilfe der erforderlichen ernsthaften Untersuchung und fanden zu ihr auch nicht den richtigen Zugang. Sondern sie wollten zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen, indem sie den Traditionariern folgten. Da gab er [d. h. der autodidaktische Philosoph] den Glauben auf, daß er sie bekehren könnte, und verlor die Hoff nung, daß sie von ihm etwas annehmen würden. […] Daraus wurde ihm mit uneingeschränkter Gewißheit klar, daß es nicht möglich war, mit ihnen auf unverhüllte Weise zu sprechen.²¹³

²¹² Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 108. ²¹³ Ebd. S. 110 f.

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Soweit Ibn Tufail. Das Elite-Bewußtsein bei Ibn Tufail hat ebenso wie das des Ibn Baffa in dessen Lebensführung des Einsamen einen deutlich erkennbaren resignativen Unterton. Averroes drückt sich weniger drastisch aus, der Sache nach ist seine Einschätzung aber von der seiner Vorgänger nicht weit entfernt. Averroes spricht im § 11 und im § 43 der Entscheidenden Abhandlung von der Menge, »in deren Naturanlagen nichts Größeres ist als dies«. Die Masse ist für ihn vergleichbar mit den Menschen aus Platos Höhlengleichnis, die die Höhle nie verlassen haben und die ihr Leben lang nur Schattenbilder sehen, während einzig die Philosophen aus der Höhle ans Licht herausgetreten sind.²¹⁴ Von theoretischen Kenntnissen braucht die Masse nur die praktisch nützlichen Anwendungen zu kennen, wie das z. B. bei Seeleuten oder Kamelführern zu sehen ist, die sich an den Sternen orientieren,²¹⁵ ohne etwas von Astronomie zu verstehen. In der allgemeinen Einschätzung der Masse triff t sich also Averroes mit vielen seiner (elitären) Zeitgenossen. Bei Averroes liegt jedoch eine gegenüber der Verwendung des Elite-Masse-Schemas bei den islamischen Theologen wie bei den Mystikern neue Entwicklung vor. Weiter oben war in 2.4 gezeigt worden, daß in der Methodologie des Averroes die Dialektik als eigenes Verfahren zurücktritt und eigentlich aufgehoben wird, es bleiben als entscheidende Methoden nur die des wörtlichen Verständnisses des Korans und die der philosophischen Interpretation der »dunklen« Stellen desselben übrig. Auch Ibn Sīnā (Avicenna) hatte eigentlich nur mit einer solchen Zweiteilung gearbeitet.²¹⁶ Genau dieser Zweiteilung entspricht nun auch die Einteilung in Masse und Elite bei Averroes. Die Elite (jawass) sind die »Leute des Beweises« (Þahl al-burhan), denen gegenüber alle anderen, also

²¹⁴ Zu Platons Politeia, S. 102, On Plato’s »Republic«, S. 94 f. ²¹⁵ Zu Platons Politeia, S. 104 f., On Plato’s »Republic«, S. 98. ²¹⁶ Vgl. Avicenna, Epistola sulla vita futura, S. 42–62, und diesbezüglich Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 76.

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die einfachen Gläubigen wie auch die Kalām-Gelehrten, zur »Masse« (fumhur) werden: Ich meine hier unter der großen Menge all diejenigen, welche sich mit den demonstrativen Künsten nicht beschäftigen, gleichviel ob sie sich der Dogmatik (kalam) bemächtigt haben oder nicht.²¹⁷

Averroes spricht im Manāhif ganz einfach von der »großen Menge, besonders der Dialektiker unter ihnen«.²¹⁸ Und in der Entscheidenden Abhandlung faßt er im § 27 die dialektischen und die rhetorischen Methoden unter jenem Verfahren zusammen, das allen Menschen gemeinsam ist.²¹⁹ Aber auch diese Bestimmung triff t noch nicht den genauen Sinn der Unterscheidung bei Averroes. Es ergibt sich nämlich bei Averroes gar nicht eine Zweiteilung der Gemeinschaft der Muslime (maÝšar al-muslimin), sondern nur eine »Auserwählung« einer bestimmten Gruppe innerhalb der Gemeinschaft der Muslime, aber in der Weise, daß diese Auserwählten deshalb nicht »Abgesonderte« werden, sondern gleichzeitig zur Menge, also zum fumhur, gehören. Es tritt also keine Aufspaltung der islamischen Gesellschaft ein, sondern nur eine besondere Qualifi kation eines bestimmten (kleinen) Teils. Averroes weist an zahlreichen Stellen der Entscheidenden Abhandlung darauf hin, daß es eine Methode der Erkenntnis der für die Glückseligkeit erforderlichen Wahrheiten gibt, die allen gemeinsam ist (muštarak). Die Methode der Auserwählten wird dann gleichsam auf dieses allen gemeinsame Verständnis aufge²¹⁷ Manāhif, S. 57, Faith and Reason, S. 52. ²¹⁸ Manāhif, S. 90, Faith and Reason, S. 90. ²¹⁹ Averroes rückt also Dialektik und Rhetorik sowohl in Hinsicht auf die Methode als auch in Hinsicht auf deren Gegenstandsbereich viel näher aneinander, als dies bei Aristoteles der Fall ist. Vgl. Blaustein 1992, S. 273–277. Damit rücken aber auch die Dialektiker – die islamischen Theologen – und die durch Rhetorik Überzeugten – das einfache Volk – näher aneinander und werden schließlich zu einer einzigen Gruppe zusammengefaßt.

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setzt als etwas Zusätzliches, nicht aber als Ersatz des ersteren. Die Grundlage dieser Auffassung ist eine gleichzeitig religiöse und philosophische These: Der Mensch erreicht die Glückseligkeit nicht als isoliertes Individuum, sondern als Mitglied einer Gesellschaft.²²⁰ In diesem Punkt unterscheidet Averroes sich grundlegend von Ibn Baffa und Ibn Tufail,²²¹ die beide dem Erkennenden und Wissenden den Weg in die Einsamkeit, in die jedenfalls innere Absonderung von der Gesellschaft wiesen, ganz entsprechend der Konzeption der spätantiken Platoniker und der frühen christlichen Einsiedlermönche. Averroes hingegen folgt al-Fārābī und dessen These, daß die Glückseligkeit nur in der Gesellschaft erreicht werden kann, womit er gegenüber der gesellschaftsresignativen Plato-Interpretation der Spätantike den politischen Plato wiederherstellte.²²² Noch deutlicher als in der Entscheidenden Abhandlung äußert sich Averroes zu dieser gesellschaftlichen Einbindung des Philosophen in die Gesellschaft im abschließenden Kapitel des Tahāfut. Die Religionen sind ein notwendiges Element der Gesellschaft, und jeder einzelne Mensch ist verpfl ichtet, die beste in seiner Zeit zur Verfügung stehende Religion zu wählen.²²³ Dies gilt uneingeschränkt auch für den Philosophen, der Philosoph ist also keineswegs der Verpfl ichtung enthoben, eine Religion zu wählen. Daran, daß Averroes den Islam für die beste und endgültige Religion hielt, gibt es keinen Zweifel, und der Schritt zu einer rein philosophischen Religion ist bei Averroes aufgrund der genannten Voraussetzungen nicht denkbar (vgl. auch den folgenden Punkt 2.6). Der einzelne Mensch ist Mitglied einer Kultur- und Religionsgemeinschaft und kann sich nicht von dieser ablösen, auch

²²⁰ Vgl. Art. SaÝāda im Anhang. ²²¹ Vgl. die Art. Ibn Baffa und Ibn Tufail im Anhang. ²²² Vgl. al-Fārābī, Musterstaat, und Staatsleitung, kurzer Überblick in De scientiis, S. 113–123. Zu Averroes vgl. vor allem dessen Kommentar Zu Platos Politeia, On Platos »Republic«. ²²³ Tahāfut, S. 583, Incoherence, S. 360.

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dann nicht, wenn er durch Bildung zu höheren Erkenntnissen gelangt ist und somit zur Elite gehört: Aber da die Elite sich nur vervollkommnet und ihre volle Glückseligkeit in Beziehung zur Masse erlangt, ist die allgemeine Unter weisung [der Religion] notwendig für die Existenz und das Leben dieser besonderen Gruppe sowohl im jugendlichen Alter wie im Alter der Erwachsenen – daran besteht kein Zweifel –, also dann, wenn sie das erreicht, was für sie kennzeichnend ist.²²⁴

Diese Elite wird von Averroes in der Entscheidenden Abhandlung (§ 14, 4. Absatz) mit den »im Wissen fest Gegründeten« (ar-rasijun fi l-Ýilm) gleichgesetzt, die im Koran in Sure III , 7 genannt werden, und diese werden dann mit den »Leuten des Beweises« (Þahl al-burhan), also den Philosophen vom Fach, identifiziert. Diese Gleichsetzung ergibt sich zwar mit Notwendigkeit aus den Voraussetzungen des Averroes, es kann aber sehr wohl bezweifelt werden, daß sie sich exegetisch aus dieser Koranstelle ergibt.²²⁵ Daß Averroes mit dieser Gleichsetzung bei den islamischen Theologen, also vor allem den mutakallimun der AšÝariten, keine Zustimmung gefunden hätte, kann vorausgesetzt werden, aber auch die MuÝtaziliten hätten ihm nicht zugestimmt. Weder islamische Juristen noch islamische Theologen irgendeiner Schule hätten die These akzeptiert, daß sich einzig die Philosophen als die »im Wissen fest Gegründeten« bezeichnen durften, dies traf den Nerv ihres Selbstverständnisses und ihres Verständnisses der Einteilung der Aufgaben und Kompetenzen innerhalb der islamischen Gesellschaft. Und da uns keinerlei Reaktion von dieser Seite überliefert ist, bleibt nur der Schluß, daß sie die Schriften, in denen diese These deutlich ausgesprochen wurde, überhaupt nicht zu Gesicht bekommen

²²⁴ Tahāfut, S. 582 f., Incoherence, S. 360. Übers. v. F. S. ²²⁵ Hourani, Harmony, S. 24.

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haben (diese Vermutung wurde schon weiter oben in 1.2 ausgesprochen). Averroes legt größten Wert darauf, daß die philosophischen Interpretationen den einfachen Gläubigen nicht mitgeteilt werden, und der Richter Averroes stellt jeden Verstoß gegen dieses Verbot unter die schärfste im islamischen Recht vorgesehene Beurteilung: »Unglaube« (kufr, vgl. § 45). Die Grenze zwischen Elite und Masse wird hier sehr scharf gezogen. Dies nicht beachtet zu haben ist einer der wichtigsten Vorwürfe in der Auseinandersetzung mit al-Gazālī. Es ist ziemlich deutlich, daß Averroes al-Gazālī zwar auch den Vorwurf machte, daß dessen Interpretationen nicht wissenschaftlich waren, sein Hauptvorwurf sich aber darauf richtete, daß al-Gazālī diese Interpretationen dann auch noch den einfachen Gläubigen vorlegte, sie also unter der »Menge« verbreitete (vgl. z. B. § 35 und § 36).²²⁶ Die philosophischen Interpretationen dürfen also nur unter der Elite kursieren, und dies hat für den Juristen Averroes in seinem Rechtsgutachten Die entscheidende Abhandlung juristische und administrative Konsequenzen. Nach Averroes sind Bücher, die philosophische Beweise enthalten, ausschließlich der Elite vorbehalten (§ 51). Sie sind also bibliothekarisch unter Verschluß zu halten. Warum dieses so ausführlich und nachdrücklich behandelte Verbot der Weitergabe philosophischer Interpretation an solche, die nicht zur Elite gehören? Zunächst: Bestimmte philosophische Erkenntnisse wurden schon bei den Griechen geheimgehalten, und die arabischen Philosophen kannten diese Tradition. Al-Fārābī interpretiert nicht nur Plato, sondern auch Aristoteles in dieser Weise:

²²⁶ Dieser Vorwurf ist allerdings nur eingeschränkt gültig, da auch al-Gazālī betont, daß bestimmte Lehrmeinungen nur vor Gleichgesinnten erwähnt werden dürfen, die auf einer bestimmten Stufe des Verstehens angelangt sind. Vgl. al-Gazālī, Das Kriterium des Handelns, S. 237. Zu al-Gazālīs Haltung vgl. auch Anm. 229 im Kommentar.

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Wer nun ein Weniges von dem, was wir andeuteten, verstehen will, denn der größte Teil davon ist schwer verständlich und liegt fern ab, der blicke mit seinem Verstand auf das, was wir erwähnten, und gehe nicht ausschließlich den Worten nach. Vielleicht erfaßt er dann etwas von dem, was mit dieser allegorischen und änigmatischen Rede erzielt wird, denn beide [Plato und Aristoteles] haben sich damit viel Mühe gegeben. Aber nach ihnen gab es bis auf unsere Tage solche, deren Ziel nicht die Wahrheit war, sondern deren Mühe nur der Partei- und Tadelssucht galt. Da verdrehten sie denn und änderten, doch konnten sie trotz des Eifers, der Sorgfalt und des großen Strebens diese Worte weder enthüllen, noch erklären.²²⁷

Das Verfahren des Verschlusses philosophischer Bücher vor der Menge meint al-Fārābī vor allem bei Plato vorzufinden. Diese Geheimhaltung soll seiner Auffassung nach allerdings weniger administrativ, sondern schon durch die Sprach- und Darstellungsform gesichert werden: [Plato] wählte dazu die Rätsel- und die Dunkelrede, um seine Wissenschaft und seine Weisheitslehre zwar den Büchern anzuvertrauen, jedoch in der Weise, daß nur die dazu Berechtigten und des Verständnisses Würdigen, durch Fleiß und Forschung, durch Untersuchung und eifriges Studium, sie verstehen konnten.²²⁸

Daß bei Aristoteles eine andere sprachliche Form vorliegt, wußte al-Fārābī, er meinte aber, daß die Methoden der beiden großen Weisen nur scheinbar verschieden seien und berief sich dabei auf einen angeblichen Brief des Aristoteles, den dieser an Plato geschrieben haben soll und in dem es heißt: Wenn ich [d. h. Aristoteles] auch diese Wissenschaften und die darin enthaltenen Weisheitslehren in Büchern niederlegte, so ordnete ich dieselben doch so, daß nur die Fachleute dazu ge-

²²⁷ Al-Fārābī, Die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles, S. 51. ²²⁸ Ebd. S. 9.

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langen; auch sprach ich darüber in solchen Ausdrücken, daß nur die Angehörigen (Gelehrten) sie erfassen können.²²⁹

Dies war sicher nicht die Auffassung des Aristoteles, der für alle Menschen schrieb, da, wie er gleich im ersten Satz der Metaphysik sagt, alle Menschen von Natur aus nach Wissen streben.²³⁰ Die Schwierigkeit der Terminologie bei Aristoteles ergibt sich von den Problemen der erforschten Gegenstände her, wie es etwa in der Metaphysik ganz deutlich ist, sie ist aber durch keinerlei Geheimhaltungsstrategie motiviert. Die arabischen Philosophen stellten einen Zusammenhang zwischen der Schwierigkeit der Philosophie und dem gesellschaftlichen Problem der Parteibildung her. Dieser Zusammenhang ist keineswegs evident. Die normale gesellschaftliche Folge der Schwierigkeit der Philosophie ist ja eine ganz andere und beinahe entgegengesetzte, nämlich ihre Wirkungslosigkeit. Schon bei al-Fārābī taucht jedoch ein dann bei den arabischen Philosophen öfters erwähnter Zusammenhang auf, der auch bei Averroes eine wichtige Rolle spielt: Die Philosophie ist schwer verständlich, und wenn sie in die falschen Hände gerät, ist nur Streit und Parteisucht die Folge. Averroes sieht einen ähnlichen Vorgang in der islamischen Gemeinschaft. Der Grund für Streit, Haß und Krieg liegt seiner Auffassung nach in den Streitigkeiten, die mit den vom Volk ja gar nicht verstandenen Interpretationen, seien diese nun falsch oder auch richtig, verbunden sind (§ 52). In der idealen Urgemeinde hielt man sich einfach an die praktischen Gebote, Interpretationen gab es so gut wie keine, und wenn jemand eine Interpretation aufstellte, so behielt er dies für sich. Die Spaltungen setzten erst mit den verschiedenen und öffentlich gemachten Interpretationen ein (§ 56). Mögen auch andere Motive wie etwa der Schutz der Philosophen vor den Juristen dahintergestanden haben, der von Averroes explizit ²²⁹ Ebd. S. 11. Vgl. zu diesem Brief Rosenthal, F., Al-Mubashshir ibn Fātik, in: Oriens 13/14 (1960/1961), S. 132–158. ²³⁰ Aristoteles, Metaphysik I, 1, 980 a 21.

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angeführte Grund, die Philosophie von der Menge fernzuhalten, ist jedenfalls, daß er meint, daß dadurch ein Beitrag zur Beseitigung des Schul- und Parteienstreits der islamischen Gemeinschaft geleistet würde. Der Grund der Geheimhaltungsdisziplin ist somit letztlich nicht ein philosophischer oder theologischer, sondern ein gesellschaftspolitischer. Averroes sieht daher die Lösung dieses ja tatsächlich für die Muslime auch schon vor seiner Zeit erheblichen Problems des Parteienstreits, das auch Teil der politischen und militärischen Schwäche war, in der Rückkehr zu einem einfachen und diskussionsfreien Glauben des Volkes, in dem – wie es die andere Interpunktion des Verses der Sure III , 7, liefert (§ 30) – alle »dunklen« Verse in ihrem definitiven Sinn allein Gott anheim gestellt werden.²³¹ Über die Beziehung von Interpretationen und Parteiungen kann man verschiedener Meinung sein. Averroes sieht einen wichtigen Faktor der Parteiungen in den verschiedenen Interpretationen, möglicherweise ist die umgekehrte Richtung überzeugender: Die Vertreter verschiedener Parteiungen versuchten ihre Auffassungen durch Interpretationen zu rechtfertigen. In dem Anliegen, das Averroes hier zur Sprache bringt, triff t er sich aber in jedem Fall mit der tiefen Sehnsucht unzähliger Muslime aller Jahrhunderte, mögen sie nun einfache Gläubige oder Gelehrte sein, die unendlich vielen und nie endenden Meinungsverschiedenheiten (ijtilaf ) zu überwinden. Bei allen Meinungsverschiedenheiten, die Averroes und al-Gazālī trennten, in dieser Sehnsucht waren sie miteinander zutiefst verbunden. Und es war die Hoffnung des Averroes, daß letztlich auch alle »Meinungsverschiedenheiten« zwischen dem Gesetz und der Philosophie durch Interpretationen überwunden werden könnten.²³² ²³¹ Zur Auslegung von Sure III , 7, vgl. im Komm. Anm. 137 und 214. ²³² Vielleicht erklärt sich die Tatsache, daß Averroes Inkonsistenzen manchmal einfach stehen ließ, aus diesem muslimisch geradezu metaphysischen Harmoniebedürfnis, das an der Realität immer wieder scheiterte.

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Für die Philosophie und für die sie vertretenden Philosophen ergibt sich durch die von Averroes aufgestellten Verbote allerdings eine gewaltige Selbstbeschränkung. Ihre Auffassungen und die Bücher, in denen diese niedergelegt werden, dürfen nicht verbreitet werden, sie dürfen nur in den eng umschriebenen Kleingruppen der Auserwählten zirkulieren. Die Philosophie hat somit keinerlei öffentliche Bedeutung mehr. Auch eine etwaige Beratertätigkeit eines Philosophen bei einem Herrscher spielt sich – unbemerkt vom Volk – im Inneren des Palastes ab. Und dies bedeutet, daß der Richter Averroes eben auch dafür verantwortlich ist, daß seine eigenen Aristoteles-Kommentare nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Als Faktum stellt Averroes realistisch fest, daß in seiner Zeit in vielen Staaten die Bürger keinen Nutzen von den wirklich weisen Menschen ziehen.²³³ Unter den genannten und von Averroes ausdrücklich geforderten Bedingungen ist es allerdings auch kaum ersichtlich, wie die Bürger von den weisen Menschen Nutzen ziehen könnten, wenn sie von deren Existenz und deren Schriften möglichst gar nichts wissen sollen. Damit aber gelangte Averroes auf einem anderen Weg faktisch zu derselben Selbstisolierung der Philosophie wie Ibn Baffa und wie sein eigener Förderer Ibn Tufail, die beide für den Rückzug des Philosophen aus der Gesellschaft plädiert hatten. Sie alle verstanden sich als Elite, aber sie gehörten einer Minderheit an, die, wenn auch in verschiedener Weise und mit verschiedenen Reaktionen, ahnte, daß sie auf verlorenem Posten stand.²³⁴ Dies galt selbst dann, wenn gelegentlich, wie zur Zeit des Averroes, ein Kalif sich – privat – als Philosoph verstand. Und wenn dieser die Unterstützung des Volkes und der Juristen, die als einzige das Volk beeinflussen konnten, brauchte, mußte auch noch der letzte Rest der Philosophie verschwinden, wobei der sicherste Weg, die Verbreitung philosophischer Bücher zu ²³³ Zu Platons Politeia, S. 89, On Plato’s »Republic«, S. 76. ²³⁴ Nagel 1988, S. 356 f. Hourani 1960, S. 156, spricht von der Entscheidenden Abhandlung als von the last efforts of philosophy to survive.

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verhindern, der war, sie einfach zu verbrennen, was 1195 im Zusammenhang mit der Verbannung des Averroes auch tatsächlich angeordnet wurde. Averroes konnte von den Ereignissen nicht unbedingt überrascht sein, er war ein hellsichtiger Beobachter seiner Zeit. Aber seine Äußerungen diesbezüglich sind nicht eindeutig. Im abschließenden § 60 der Entscheidenden Abhandlung setzt er die Unterscheidung von Masse und philosophischer Elite voraus, und es wurde seiner Auffassung nach viel Gutes für jene auf den Weg gebracht, die den Pfad der Vernunftüberlegung beschreiten. Die Herrscher, die dies ermöglicht haben, sind nach der – für diese schmeichelhaften – Feststellung des Averroes die Almohaden. Averroes kennt jedoch auch eine andere Einteilung in Masse und Elite, und auch die wird wieder auf die Almohaden bezogen: Unter den Menschen gibt es zwei Klassen. Die eine Klasse wird die Masse genannt, und die andere Klasse die der Mächtigen, wie es mit den Menschen in Persien ist, und wie es für viele von diesen unseren Staaten zutriff t. Dabei wird die Masse von den Mächtigen beraubt, und die Mächtigen übertreiben dabei, ihnen den Besitz wegzunehmen, sodaß dies sie bisweilen zur Tyrannei führt, wie [es] in dieser unserer Zeit und in diesem unseren Staat geschieht.²³⁵

Hier steht nun der Masse eine ganz andere »Elite« gegenüber. Ob der Almohaden-Herrscher Abū YaÝqūb Yūsuf diese Zeilen gelesen hat, ist einigermaßen fraglich, hätte er sie aber gelesen, wäre schon dies für ihn ein ausreichender Grund gewesen, um solche Bücher verbrennen zu lassen. In unserem Zusammenhang – auch für den folgenden Punkt 2.6 – ist die Beobachtung aufschlußreich, daß Averroes manchmal scharf Probleme sieht und Fragen von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet, er dabei aber zu widersprüchlichen Aussagen gelangt, die zu ²³⁵ Zu Platons Politeia, S. 118, On Plato’s »Republic«, S. 112.

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vereinen ihm nicht gelingt bzw. die er stehen läßt, ohne zu einer definitiven Entscheidung zu gelangen. Dies ist wichtig, um auch die Entscheidende Abhandlung richtig einordnen zu können, die eben doch nicht so »entscheidend« ist, wie es der Titel glauben machen möchte.

. Gesetz (šari Ýa) und Philosophie (hikma, falsafa)²³⁶ In 2.1 wurde betont, daß es sich bei der Entscheidenden Abhandlung um ein Rechtsgutachten und nicht um einen philosophischtheologischen Traktat über Glaube und Wissen handelt. Die Sachproblematik des Verhältnisses von Gesetz und Philosophie ist aber in dieser Rechtsfrage mit enthalten und soll daher abschließend kurz behandelt werden. Wenn von der Grundüberzeugung der islamischen Philosophen von der Übereinstimmung von Philosophie und Offenbarung gesprochen wird, verbindet der westliche Leser damit andere Vorstellungen als der islamische. An diesem Punkt besteht nämlich ein eindeutiger und zentraler Unterschied zwischen der Auffassung der arabisch-islamischen Philosophen und der der christlich-lateinischen Philosophen bzw. Theologen des Mittelalters.²³⁷ Auch letztere nahmen ²³⁶ Zum Unterschied von hikma und falsafa vgl. im Kommentar Anm. 8. ²³⁷ Interessanterweise stehen die arabischen Philosophen den griechischen Philosophen / Theologen der Antike (Klemens von Alexandrien, Origenes usw.) näher als den lateinischen Philosophen / Theologen des Mittelalters. Die arabischen Philosophen hatten aber von diesen keine, jedenfalls keine direkte Kenntnis. Allerdings bestanden in der frühen Periode der arabischen Philosophie, also im 9. und 10. Jhd. gute Kontakte zu nestorianischen Christen. Vgl. z. B. O’Leary de Lacy, How Greek Science Passed to the Arabs, London 1949, S. 47– 72. Von der Sache her wäre z. B. ein Vergleich von Origenes und alFārābī wesentlich aufschlußreicher als einer von Thomas von Aquin und Averroes.

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an, daß keine Widersprüche zwischen Philosophie und Offenbarung bestehen, so z. B. Thomas von Aquin: Es steht nämlich fest, daß das, was von Natur aus in die Vernunft hineingelegt ist, das im höchsten Grade Wahre ist, und zwar so sehr, daß nicht einmal zu denken möglich ist, es sei falsch. Ebensowenig darf man das, was im Glauben festgehalten wird, als falsch ansehen, da es ja so sichtbar von Gott her bestätigt wurde. Da nun der Gegensatz zum Wahren allein das Falsche ist, wie bei der Prüfung ihrer Begriffsbestimmungen ganz klar wird, ist es unmöglich, daß den Prinzipien, die die Vernunft von Natur aus erkennt, die genannte Wahrheit des Glaubens entgegengesetzt ist.²³⁸

Es gibt also auch für Thomas nur eine Wahrheit, aber vom Menschen her gesehen, ist ein Teil der Wahrheiten der Vernunft von sich aus ohne Offenbarung unzugänglich: Aus dem zuvor Gesagten ist also unmittelbar ersichtlich, daß die Absicht des Weisen sich auf eine zweifache Wahrheit der göttlichen Dinge zu richten hat und auf die Beseitigung der entgegengesetzten Irrtümer; zu der einen kann das Forschen der Vernunft gelangen, die andere aber übersteigt jede Anstrengung der Vernunft. Ich spreche aber von einer zweifachen Wahrheit der göttlichen Dinge nicht von seiten Gottes, der die eine und einfache Wahrheit ist, sondern von seiten unserer Erkenntnis, die sich hinsichtlich der Erkenntnis des Göttlichen verschieden verhält.²³⁹

Nach der Auffassung des Thomas von Aquin gibt es also eine Schnittklasse von Wahrheiten der Vernunft und der Offenbarung und eine Klasse von Wahrheiten, die zwar mit der Vernunft nicht in Widerspruch stehen, aber von ihr aus nicht erreichbar sind. Eine ähnliche Auffassung wird von al-Gazālī vertreten. Es ²³⁸ Thomas von Aquin, Summa contra gentiles I, c. 7, übers. v. K. Albert / P. Engelhardt, Darmstadt 1974, I, S. 25. ²³⁹ Ebd. S. 29.

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ist also – entgegen der häufig vertretenen Auffassung – nicht gerechtfertigt, Thomas von Aquin bei dieser zentralen Frage mit Averroes in Verbindung zu bringen, und wenn schon überhaupt eine Parallele gesucht wird, so findet sie sich in der Auffassung al-Gazālīs. Die Grundvoraussetzung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung bei al-Gazālī ist aber eine prinzipiell andere als bei al-Fārābī und Averroes, insofern nach der Auffassung al-Gazālīs »die Vernunft keineswegs aus sich heraus alle Fragen umfassend beantworten kann«.²⁴⁰ Vernunft und Offenbarung sind nach al-Gazālī wie nach Thomas von Aquin einander nicht entgegengesetzt, aber nicht koextensiv. Daraus ergibt sich al-Gazālīs Unterscheidung in Gesetzes- bzw. Religionswissenschaften (al-Ýulum aš-šari Ýa) und Vernunftwissenschaften (alÝulum al-Ýaqliya).²⁴¹ Die vollkommene und vollständige Erkenntnis der Wahrheit findet sich nur in der Gesetzeswissenschaft bzw. in der auf dieser aufbauenden und diese weiterführenden Mystik. Auch bei Averroes gibt es einen Bereich der Vernunft und einen der Offenbarung, d. h. des Gesetzes, diese unterscheiden sich aber – jedenfalls was die theoretischen Erkenntnisse betriff t – nicht durch eine Teilklasse von Wahrheiten, die die Vernunft von sich aus nicht erreichen kann, sondern einzig durch die Sprach- und Argumentationsformen. Eine Klasse von theoretischen Wahrheiten, die der Vernunft von sich aus nicht zugänglich ist, gibt es nach Averroes nicht (vgl. aber weiter unten zwei problematische Textstellen). Jedenfalls gibt es eine solche nicht für die Auserwählten – so nach der einen Auslegung von Sure III , 7 –, während es – nach der anderen Auslegung von Sure III , 7 – für die Masse eine solche Klasse von Wahrheiten gibt, deren Auslegung aber einzig Gott vorbehalten ist.²⁴² Für die Auserwählten gilt also eine Verhältnisbestimmung, wie ²⁴⁰ Al-Gazālī, Der Erretter aus dem Irrtum, S. 31. ²⁴¹ Vgl. Bakar 1998, S. 207–210. ²⁴² Zu den beiden Auslegungen vgl. im Text § 16, § 30 und § 47 und die Anm. dazu.

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sie auch bei al-Fārābī vorliegt. Diese entscheidend verschiedene Verhältnisbestimmung von Vernunft und Offenbarung bedeutet selbstverständlich, daß letztlich auch schon die Bestimmung der Begriffe von »Vernunft« und »Offenbarung« in der christlichen und der islamischen Philosophie eine verschiedene ist, jedenfalls was al-Fārābī und Averroes betriff t. Es handelt sich hier um eine ganz entscheidende und grundlegende Auffassung der islamischen Philosophen. Die präziseste und schärfste Formulierung dieser Auffassung stammt von al-Fārābī: Die theoretischen und praktischen Wahrheiten der Philosophie finden in der Religion einen poetischen, dem Volk verständlichen Ausdruck, und das, was in der Philosophie mit Beweisen erkannt wird, wird in der Religion ohne Beweise mit Hilfe der Rhetorik und mit geeigneten Bildern, also mit Hilfe der Poetik vermittelt. Daraus ergibt sich in erkenntnistheoretischer Hinsicht eine Überlegenheit und Vorordnung der Philosophie gegenüber der Religion.²⁴³ Diese Auffassung liegt auch dem philosophischen Roman Hayy ibn Yaqzān des Ibn Tufail, des Förderers des Averroes, zugrunde. Die These von der (restfreien) Übereinstimmung von Philosophie und Offenbarung findet sich bei Averroes explizit in der Entscheidenden Abhandlung im § 12. Averroes begnügt sich jedoch mit der Feststellung der Übereinstimmung, ohne eine genetische Erklärung des Verhältnisses von Philosophie und Religion zu liefern, wie sie bei al-Fārābī vorliegt. In Hinsicht auf die praktischen Prinzipien nimmt Averroes, wie schon in 2.5 festgestellt wurde, eine generelle Übereinstimmung der Vorschriften des Gesetzes, wie sie durch den Propheten vermittelt wurden, mit den allgemeinen Prinzipien an, ohne diese Frage im einzelnen zu behandeln.²⁴⁴ Dies war auch durchaus möglich, ²⁴³ Vgl. z. B. al-Fārābī, Book of Religion, S. 97 f. Modern ausgedrückt, würden wir sagen, daß das Besondere der Religion nicht im theoretischen, sondern im kommunikativen Bereich liegt. ²⁴⁴ Diese These des Averroes ist aber mit dem Problem behaftet, daß auf dieser sehr allgemeinen und abstrakten Ebene gar nicht mehr von

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da in der islamischen Gelehrtenwelt diese These im allgemeinen anerkannt und nicht bestritten wurde. Das bekannteste und einflußreichste Werk, in dem diese Übereinstimmung vertreten wurde, war Miskawayhs (932–1030) Taheīb al-Þailāq (The Refinement of Character).²⁴⁵ Al-Gazālī verwendete dieses Werk in ziemlich großem Umfang in seiner Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften und vertrat ebenso die Auffassung, daß diese auf der griechischen Ethik beruhende Sittenlehre (Þajlaq) mit Koran und Hadīu grundsätzlich übereinstimmt.²⁴⁶ Es ist ein eigentlich erstaunliches Phänomen, daß es im islamischen Denken vom ersten Kontakt mit der griechischen Philosophie an Konfl ikte über einige zentrale theoretische Fragen der Metaphysik und Physik gegeben hat, deren wichtigste ja in der Entscheidenden Abhandlung zur Sprache kommen, während nirgends von einem Konfl ikt zwischen griechischer Ethik und šari Ýa die Rede ist. Möglicherweise haben die in den Traktaten arabischer Philosophen immer wieder aufgeführte jenseitsorientierte Seelenauffassung irgendwelchen Eigenheiten des islamischen Rechts, also der šari Ýa gesprochen werden kann. Vgl. Schacht 1977, S. 155. Sie ist außerdem mit dem Problem behaftet, daß Averroes dort, wo er in einem einzelnen Fall – bei den Rechten und Pfl ichten der Frauen – auf Details eingeht, er selbst zugestehen muß, daß die allgemein postulierte Übereinstimmung gar nicht vorhanden ist. Averroes referiert in Zu Platons Politeia, S. 59 f. und S. 68–74, On Plato’ »Republic«, S. 40–42, und S. 57–66, das Eigentums- und Familienrecht, das Plato für die Wächter vorsieht, wie dieses aber aus denselben allgemeinen, wenn auch »weit entfernten« Prinzipien wie die entsprechenden Bestimmungen für diese Bereiche innerhalb der šari Ýa abgeleitet werden könnte, bleibt mehr als unklar. Urvoy 1998, S. 152, und Niewöhner 2003, S. 81–88, beurteilen die Rolle, die Averroes in diesem Zusammenhang den Frauen zuspricht, zu Recht positiv, es bleibt aber eben die Frage nach den Gründen der Konsequenzlosigkeit solcher Überlegungen bei Averroes. ²⁴⁵ Engl. Übers. von C. K. Zuryak, Beirut 1968, französ. Übers. von M. Arkoun unter dem Titel Traité d’éthique, Damaskus 1969. 2 ²⁴⁶ Vgl. Walzer in EI I, Sp. 328 a–b. Vgl. auch Art. ÞAilāq im Anhang.

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Platos und die darauf beruhende jenseitsorientierte asketische und ethische Grundhaltung alle anderen Fragen in den Hintergrund gedrängt. Und als seit dem 9. Jhd. der Einfluß sūfīscher Tendenzen auf die islamische Ethik immer stärker wurde, konnten diese wiederum mit neuplatonischen Auffassungen der griechischen Spätantike, die die Araber durch eine große Zahl entsprechender Texte in Übersetzungen zur Verfügung hatten, gut in Verbindung gebracht werden. Ein Konfl ikt schien sich daher nur gegenüber der aristotelischen Seelenlehre zu ergeben, aber dieser gehörte nach der traditionellen Auffassung eben in den Bereich der theoretischen Philosophie. Daß in der aristotelischen theoretischen und praktischen Philosophie ein und dasselbe Verständnis von Vernunft und Rationalität leitend ist und daß daher eine solche Aufteilung hinter dem Anspruch philosophischen Denkens zurückbleibt, ist auch dem großen Kommentator Averroes wie seinen islamischen Vorgängern letztlich verborgen geblieben.²⁴⁷ Die systematische Zuordnung von Philosophie und Religion wird bei al-Fārābī innerhalb einer Theorie der Prophetie vorgenommen.²⁴⁸ Bei al-Fārābī läuft der Vorgang im Bereich der praktischen Philosophie ganz parallel zu dem im Bereich der theoretischen Philosophie ab. Der Herrscher / Philosoph / Pro²⁴⁷ Soweit ich sehe, triff t sich dies mit der Analyse von Arnaldez 1977, der zum Abschluß seines Beitrags, S. 259, zu der ziemlich scharfen Zusammenfassung gelangt: In der arabischen Philosophie fi nden wir une sorte de cécité intellectuelle en face des problèmes véritablement philosophiques. Es bleibt zu hoffen, daß die Beurteilung von Arnaldez wie auch die meine sich als falsch erweisen. ²⁴⁸ Vgl. dazu Daiber, H., The Ruler as Philosopher: A New Interpretation of al-Fārābī’s View, in: Mededelingen der Koninklijke Nederlandse Akademie van Wetenschappen, afd. Letterkunde 49/4, Amsterdam – Oxford – New York 1986, S. 5–21, und ders., Prophetie und Ethik bei Fārābī, in: Wenin, Chr. (Hrsg.), L’Homme et son univers au moyen âge, Louvain-la-Neuve 1986, S. 729–753. Weiters Mahdi, M., Prophecy and Revelation, in: ders., Alfarabi and the Foundation of Islamic Political Philosophy, Chicago – London 2001, S. 147–170.

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phet erkennt und verwirklicht bei sich selbst das, was Tugend ist, und bildet dann sein Volk entsprechend dieser Einsicht durch entsprechende Gesetze.²⁴⁹ Die Einsicht in die Prinzipien gewinnt er aus der Ethik des Aristoteles, also der Nikomachischen Ethik.²⁵⁰ Außer der Einsicht in die Prinzipien benötigt er dafür wie der Arzt Erfahrung, wie diese Prinzipien in konkreten Situationen in konkrete Handlungsanweisungen umgesetzt werden: Diese Fähigkeit ermöglicht es, die Bedingungen herauszufinden, nach denen die Handlungen, Gebräuche und Gewohnheiten entsprechend einem bestimmten Volk, einer bestimmten Stadt oder einem bestimmten Stamm und entsprechend den jeweiligen Gegebenheiten und Umständen angemessen eingerichtet werden.²⁵¹

Dies ist gut beobachtet. Tatsächlich bot der (vorhandene oder behauptete) Rückgriff auf Bräuche und Gewohnheiten klugen Herrschern in islamischen Staaten einen Handlungsspielraum neben der šari Ýa, um Regelungen entsprechend den tatsächlichen gesellschaftlichen Bedingungen zu treffen.²⁵² Folgt nach al-Fārābī – der auch hier richtig diagnostiziert – dem idealen Gesetzgeber ein ihm Ebenbürtiger, so steht es diesem frei, entsprechend den neuen Verhältnissen in seiner Zeit Festlegungen seines Vorgängers zu verändern oder neue einzuführen.²⁵³ Steht einmal kein idealer Gesetzgeber zur Verfügung, der diese Aufgabe wahrnehmen kann, so muß in der Kunst des Rechts (fiqh) ²⁴⁹ Al-Fārābī, The Attainement of Happieness, S. 36 f. und S. 45–47. ²⁵⁰ Al-Fārābī, De scientiis, S. 119. Der Kommentar al-Fārābīs zur Nikomachischen Ethik, der noch im 12. Jhd. in al-Andalus zitiert wurde, ist allerdings verloren gegangen, was eine große Lücke im Verständnis al-Fārābīs bedeutet. ²⁵¹ Al-Farabi, De scientiis, S. 121. 2 ²⁵² Vgl. Art. ÝĀda in EI I, Sp. 170 a–b, Nagel 2001, S. 275–283, und Art. Fiqh im Anhang. ²⁵³ Al-Fārābī, Book of Religion, S. 99.

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eine Lösung gemäß der Absicht des Gründers gefunden werden.²⁵⁴ Angewandt auf die Entscheidende Abhandlung des Averroes müßte dies entsprechend bedeuten: Ergibt sich irgendwo ein Problem oder eine »dunkle« Stelle im Gesetz in Hinsicht auf die praktischen Regelungen, so wird durch die Philosophie eine Interpretation geliefert und ist ein Rückgriff auf allgemeinere Prinzipien erforderlich, so steht dafür die philosophische Ethik oder die Staatsphilosophie zur Verfügung, so wie sie vor allem in der Nikomachischen Ethik des Aristoteles und in der Politeia Platos vorliegt. Auch die Nomoi Platos könnten dabei herangezogen werden, zu denen schon al-Fārābī eine Zusammenfassung verfaßt hatte.²⁵⁵ Von all dem ist in der Entscheidenden Abhandlung aber nicht nur nicht die Rede,²⁵⁶ es gibt dort dafür auch nicht einmal den geringsten Raum. Dies entspricht zwar der almohadischen Auffassung, in der einer »rationalistischen« Theologie eine rein »positivistische« Rechtsauffassung gegenübersteht, dies ist aber innerhalb der Geschichte der Lehren der Rechtsschulen nicht unbedingt die einzig mögliche Haltung eines Rechtsgelehrten des 12. Jahrhunderts. Eigentlich erstaunlicherweise bezogen die Mālikiten mehr als alle anderen Rechtsschulen und fast im Unterschied zu diesen bei neu auftretenden Rechtsfragen Überlegungen über das Gemeinwohl ein, die beinahe philosophisch oder zumindest muÝtazilitisch klingen. Dies bezeugen sehr deutliche Äußerungen des Abū al-Qāsim ibn Fuzaiy (1294–1340), eines in Granada lebenden mālikitischen Juri-

²⁵⁴ Al-Fārābī, De scientiis, S. 123. ²⁵⁵ Al-Fārābī, Compendium legum Platonis, hrsg. v. F. Gabrieli, London 1952 (Nachdruck Nendeln 1973). ²⁵⁶ Averroes verfaßte den Mittleren Kommentar zur Nikomachischen Ethik 1177, also vor der Entscheidenden Abhandlung. Der arabische Text dieses Kommentars ist nicht erhalten. Dieser Kommentar wurde 1243/1244 von Hermann dem Deutschen ins Lateinische übertragen. Auch eine hebräische Übersetzung ist erhalten. Vgl. weiter oben Anm. 118.

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sten.²⁵⁷ Da dieser seine Auffassungen als schon traditionell vorstellt, müßten sie auch schon zur Zeit des Averroes bekannt gewesen sein. Selbstverständlich gelten solche Überlegungen zum Gemeinwohl bei den Mālikiten nur für Fragen neuer Art, in keiner Weise wird eine solche Überlegung zur Begründung des Gesetzes oder des Prophetentums herangezogen. Im Prinzip aber ist eine solche Begründung möglich, und bei al-Fārābī gewinnt man den Eindruck, daß sein Philosoph / Prophet seine Gesetze in Hinsicht auf das Gemeinwohl entwirft, denn das Ziel der Gesetze ist die Herstellung der bestmöglichen gesellschaftlichen Bedingungen zur Erreichung der Glückseligkeit der Bewohner eines Staates.²⁵⁸ Demgegenüber steht eine philosophische genetische Rekonstruktion der Entstehung des Gesetzes und damit eine philosophische »Hinterfragung« und Begründung des Gesetzes, wie sie al-Fārābī in seiner Theorie des Prophetentums unternommen hat, bei Averroes nicht mehr auf dem Programm (vgl. dazu auch die abschließenden Bemerkungen dieses Abschnitts). Bei Averroes gibt es keine Theorie des Prophetentums.²⁵⁹ Averroes führt den Propheten ein als ein Faktum, und für die An²⁵⁷ Vgl. Nagel 2001, S. 260 f. ²⁵⁸ Al-Fārābī, De scientiis, S. 113–119. ²⁵⁹ Die Tatsache, daß Averroes – im Unterschied zu seinem jüdischen Zeitgenossen Maimonides – an keiner Stelle die bei den islamischen Philosophen seit al-Fārābī verbreitete Theorie des Prophetentums aufgreift, fi ndet auch Rosenthal 1971, S. 76 f., sehr sonderbar. Als Erklärung dafür führt er an, daß Averroes die neuplatonischen Voraussetzungen dieser Theorie ablehnte. Meiner Auffassung nach suchte Averrroes gar keine Theorie des Prophetentums. Der Prophet war eine Größe für sich geworden, auch die für al-Fārābi wichtige Verbindung von Herrscher und Prophet wird bei Averroes mit einem großen Fragezeichen versehen, der Herrscher braucht kein Prophet zu sein. Über Herrscher kann man diskutieren, über den Propheten nicht. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 88, On Plato’s »Republic«, S. 72. Auch in der Charakterisierung des Prophetentums bei Averroes, die van Riet 1978, S. 170, gibt, sind m. E. keine Elemente enthalten, die seine Auffassung von der traditionell sunnitischen unterscheiden würden.

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erkennung dieses Faktums greift er auf das aus dem islamischen Recht stammende Argument des Konsenses zurück und nimmt in Hinsicht auf das Vorhandensein von Propheten einen Konsens der Philosophen²⁶⁰ und überhaupt aller Menschen an: Die Philosophen und alle Menschen […] stimmen darin überein, daß es unter den Menschen Individuen gibt, die eine Offenbarung erhalten, daß sie den Menschen Dinge des Wissens und schöne Handlungen verkünden, durch die ihr Glück vollkommen wird, und sie von falschen Glaubenssätzen und häßlichen Handlungen abhalten sollen. Dieses ist die Rolle der Propheten.²⁶¹

Der Prophet verkündet also die Gebote der »schönen Handlungen« und die Verbote der »häßlichen Handlungen«. Es sollte aber gelten, daß das besondere religiöse Gesetz einer Nation nicht weit von dem allgemeinen Gesetz entfernt sein sollte.²⁶² Wie schon erwähnt, geht Averroes auf den Nachweis des Zutreffens dieser These in Hinsicht auf die šari Ýa nicht weiter ein. Was das Religionsgesetz lehrt, ist durch die Botschaft des Propheten und den Konsens legitimiert. Im § 15 verweist Averroes bei den Fragen der praktischen Gesetzesregelungen auch tatsächlich nur auf den Konsens (Þifma Ý)²⁶³ der islamischen Gemeinschaft, hier kann alles mit einer sicheren Methode (tariq yaqini) entschieden werden, und bei Fragen der Interpretation des Gesetzes verweist er im § 4 auf die üblichen Verfahren der islamischen Juristen.²⁶⁴ ²⁶⁰ Was Aristoteles zu diesem Konsens beigetragen hat, verrät uns Averroes allerdings nicht. ²⁶¹ Manāhif, S. 98, Faith and Reason, S. 98. Rosenthal 1958, S. 185, sagt in diesem Zusammenhang zu Recht, daß bei Averroes eine traditional interpretation or rather definition of prophecy vorliegt, wodurch sich Averroes von den übrigen arabisch-muslimischen Philosophen unterscheidet. ²⁶² Zu Platons Politeia, S. 89, On Plato’s »Republic«, S. 75. An diesem Punkt bleiben erhebliche Fragen offen. Vgl. weiter oben Anm. 241. ²⁶³ Vgl. Art. ÞIfmāÝ im Anhang. ²⁶⁴ Vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang.

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Die allgemeinen Normen der praktischen Philosophie spielen also bei der Interpretation der Gesetze keine Rolle, und Averroes ist der Überzeugung, daß es im praktischen Bereich auch gar keine dunklen Stellen im Gesetz gibt. Im Bereich der in der islamischen Kultur äußerst wichtigen Fragen der kultischen Praxis gibt es für die Philosophen überhaupt nichts zu interpretieren. Das Allgemeine ist in diesem Bereich im Einzelnen durch die Festlegungen des Propheten konkretisiert. Averroes ist der Überzeugung, daß er in dieser Auffassung auch mit Plato übereinstimmt, also »philosophisch« legitimiert ist: Er [d. h. Plato] sagte: Die Gesetze, die für die religiösen Versammlungen, Gebete, Opfer und Weihegaben festgelegt sind, die die Seelen zur Demut und zur Erhöhung Gottes und der Engel führen, überläßt er den Geboten Gottes durch seine Propheten. Er scheint zu meinen, daß es sich um göttliche Dinge handelt, und was davon in den Staaten vorhanden ist, sollen wir anerkennen, wie sie sind, weil sie gewissermaßen allen religiösen Lehren und gesetzlichen Grundlagen gemeinsam sind.²⁶⁵

Für den Nachweis dafür, daß Muhammad Prophet ist, benötigt man keine äußeren Zeichen wie Wunder und ähnliches – der Hinweis auf solche äußeren Zeichen war bei vielen Gelehrten und beim Volk sehr beliebt –, die im Koran niedergelegte Offenbarung beweist sich aus sich selbst.²⁶⁶ Dies ist das auch in der Entscheidenden Abhandlung im § 58 herangezogene und von allen Muslimen anerkannte Argument der Unnachahmlichkeit (ÞiÝ faz) des Korans.²⁶⁷ Averroes bewegt sich bei der Frage des Verhältnisses von Gesetz und Philosophie ganz in dem – aber eben nicht unproblema-

²⁶⁵ Zu Platons Politeia, S. 63 f., On Plato’s »Republic«, S. 48. Averroes bezieht sich dabei auf Plato, Politeia 427 a–c. ²⁶⁶ Manāhif, S. 99 f., Faith and Reason, S. 100 f. ²⁶⁷ Vgl. Art. ÞIÝ fāz im Anhang.

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tischen – Rahmen des Almohadismus.²⁶⁸ Bei Ibn Tūmart, dem Gründer der Bewegung, steht neben einer rationalen Theologie eine ganz positiv konzipierte Rechtsauffassung, zwei Haltungen, die man mit Recht als »unverbundenes Nebeneinander« oder sogar als »Widerspruch« bezeichnen kann.²⁶⁹ Wenn sich bei Ibn Tūmart ein Reformgedanke in Hinsicht auf das Recht findet, so ist es der des Zurückgehens auf die ursprünglichen Quellen, es geht also nur darum, das Recht von späteren Überlagerungen zu befreien. Aber dies wollten im Prinzip ja alle Rechtsschulen, die Rechtsauffassung Ibn Tūmarts bleibt also durchaus innerhalb der islamischen sunnitischen Orthodoxie.²⁷⁰ Bei Averroes ist Interpretation ausschließlich ein Problem bei theoretischen Fragen, es gibt also keinen Raum für philosophische Interpretation bei praktischen Fragen. Und im übrigen benötigt die »praktische Wissenschaft« (Ýilm al-Ýamali), die im § 38 aufgeführt wird, auch keinerlei Ergänzung. Für die äußeren Handlungen ist die Rechtswissenschaft (fiqh) zuständig, für die seelischen Handlungen die »Asketik« (zuhd). Hier geht es nicht um Interpretation, sondern um »gehorsame Ausführung«. Die Rechtsauffassung des Averroes ist also durchaus traditionell. Und diese Rechtsauffassung ruht auf einer ebenso traditionell orthodoxen Auffassung des Prophetentums. Es gibt allerdings einige wenige Stellen im Tahāfut und im Manāhif, die der von Averroes in der Entscheidenden Abhandlung gegebenen Verhältnisbestimmung von islamischer Offenbarung und Vernunft im theoretischen Bereich zu widersprechen scheinen und die alle Interpreten vor größte Probleme gestellt haben: Wir müssen bei allem, das die menschliche Vernunft nicht erfassen kann, Zuflucht beim Gesetz (šarÝ) suchen. Denn die Erkenntnis, die sich durch die Annahme der Offenbarung ergibt, vervoll-

²⁶⁸ Vgl. weiter oben 1.1 und Art. Almohaden im Anhang. ²⁶⁹ Urvoy 1974, S. 32 f. ²⁷⁰ Vgl. Brunschvig 1976 a, S. 281–293.

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kommnet die Vernunfterkenntnis. Alles das, was die Schwäche der menschlichen Vernunft nicht zu erreichen imstande ist, wird von Gott – erhaben ist er – durch die Offenbarung gegeben.²⁷¹

Eine ziemlich ähnliche Stelle findet sich im Manāhif, wo Averroes im Zusammenhang der Fragen der Seelenlehre und der Glückseligkeit sagt: Man weiß, daß die religiösen Gesetze (aš-šaraÝi), welche der Koran an Wissen und Praxis enthält, nicht zu dem gehören, was durch Lernen (bit-taÝllum), sondern [*] durch Offenbarung (bilwahy) erworben wird. […] Und dieses alles oder der größte Teil davon, kann bloß durch Offenbarung eingesehen werden, oder die Erklärung durch Offenbarung ist vorzüglicher. Ferner die vollständige Kenntnis Gottes kann nur durch die Kenntnis aller existierenden Wesen erreicht werden. Dann muß der Gesetzgeber zu allem diesen noch das Maß dessen erkennen, durch welches die große Menge von dieser Kenntnis glücklich wird und welche Methode eingeschlagen werden muß für diese Kenntnis. All dieses, oder vielmehr der größte Teil davon, wird durch kein Lernen (taÝallum), keine Kunst (sinaÝa) und keine Weisheit (hikma) erlangt. Dieses weiß mit Bestimmtheit, der sich mit den Wissenschaften abgibt, besonders mit der Gesetzgebung, mit der Aufstellung von Regeln und mit der Belehrung über die Zustände der Eschatologie [besser: des jenseitigen Lebens]. Da dies alles auf die möglich vollkommenste Weise im Koran gefunden wird, so weiß man, daß dieses durch göttliche Offenbarung bewirkt ist, und daß der Koran die Rede Gottes enthält, welche er auf die Zunge seines Propheten gelegt hat.«²⁷² (Der Text ist allerdings nicht ganz sicher. An der mit »[*]« gekennzeichneten Stelle fügen Hourani 1962, S. 36, und ebenso Najjar in Faith and Reason, S. 100, ein »nur« (only) ein.)

Beide Stellen stammen aus Schriften, die nach der Entscheidenden Abhandlung, aber vermutlich in kurzem Zeitabstand von der²⁷¹ Tahāfut, S. 255, Incoherence, S. 152. Übers. v. F. S. ²⁷² Manāhif, S. 100 f., Faith and Reason, S. 100–102.

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selben entstanden sind und die die dort aufgeworfene Problematik weiter und ausführlicher behandeln. Es gibt im Prinzip drei Möglichkeiten der Interpretation dieser Stellen. (1) Man kann Zweifel daran haben, daß Averroes an diesen Stellen wirklich seine Meinung äußert,²⁷³ d. h. man nimmt an, daß Averroes dann, wenn er sagt, daß die Offenbarung Erkenntnisse oder Regeln des sittlichen Verhaltens liefert, die die Vernunft nicht erlangen kann, Zugeständnisse an seine Gegner macht. (2) Man nimmt an, daß Averroes auch an diesen Stellen nichts anderes als sonst immer sagt, d. h., daß das, was die Vernunft nicht erreichen kann, nur die von der Offenbarung gelieferte rhetorische und poetische Darstellung dieser Wahrheiten ist, die Erklärung durch die Offenbarung also nur in dieser Hinsicht »vorzüglicher« ist, aber keine davon verschiedenen Erkenntnisse liefert. (3) Man nimmt an, daß Averroes jedenfalls in den genannten Schriften irgendeiner Art von »Fideismus« Ausdruck verleiht.²⁷⁴ Geht man davon aus, daß (1) Averroes eine Haltung zuschreibt, für die es keinerlei Beleg gibt, muß man sich mit (2) und (3) auseinandersetzen. Obwohl das Begriffspaar »Rationalismus« – »Fideismus« aus der christlich-lateinischen Diskussion um Glaube (fides) und Vernunft (ratio) stammt, die es in dieser Form im Islam nie gegeben hat und deren Terminologie daher in diesem Zusammenhang besser nicht verwendet werden sollte, kann es in einer kurzen abschließenden Stellungnahme doch eine gewisse Orientierung liefern. Die Interpretation der genannten Stellen bei Averroes hängt sicher auch mit der jeweiligen eigenen philosophischen Position des Interpreten zusammen. Ein rationalistischer Interpret wird geneigt sein, einen »rationalistischen« Averroes aufzufinden, und im Sinne von (2) interpretieren, ein offenbarungsgläubiger Interpret wird sich freuen, daß ²⁷³ Vgl. z. B. Gauthier 1909, S. 131, Hourani, Harmony, S. 26 f., und 1962, S. 37. ²⁷⁴ Vgl. z. B. Tornero 1981, S. 110–116, Badawi 1998, S. 61 (un fidéism de plus en plus accentué), Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 106 f.

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Averroes schließlich doch »fideistische« Einschränkungen zugesteht und sich (3) anschließen. Es soll nun nicht versucht werden, den schon zahlreichen Interpretationen noch eine weitere hinzuzufügen. Nehmen wir jedoch an, daß es Averroes gar nicht in erster Linie um eine polemische Auseinandersetzung mit den Mālikiten und AšÝariten ging, sondern zunächst einmal um eine Klärung der Frage für sich selbst, d. h. für Averroes ganz persönlich und für die kleine Gruppe der »Elite«, so kann man vermuten, daß Averroes sich hier vor eine Problematik gestellt sah, für die er keine definitive Lösung fand. Er war auf der einen Seite überzeugter Muslim und wußte, daß im muslimischen Glauben »fideistische« Voraussetzungen mitgegeben waren. Dies galt jedenfalls für den Volksglauben. Averroes war aber auf der anderen Seite auch überzeugter Aristoteliker und wußte, daß in der aristotelischen Philosophie »rationalistische« Voraussetzungen mitgegeben waren, die keinen Raum für fideistische Zusätze ließen. Und dann hatte er noch einen »Meta-Glauben«, nämlich, daß es eine und nur eine Wahrheit gibt. Zudem wollte er die Menschen seiner Gesellschaft nicht in »einfache Gläubige« und »Auserwählte« aufteilen, sondern meinte, daß auch die Auserwählten Mitglieder der allgemeinen Gemeinschaft blieben, also deren Voraussetzungen auch für die Auserwählten, die Elite, galten. Es gelang Averroes aber letztlich nicht, diese verschiedenen Voraussetzungen in einer übergreifenden und konsistenten Theorie zusammenzufassen. Irgendetwas fehlte Averroes bei der Verbindung von Philosophie und Koran, so daß die angezielte und angenommene Gleichung hermeneutisch nicht restlos aufging. Was war es? Bei al-Fārābī wird die Verbindung von Philosophie und Offenbarung durch seine schon erwähnte Theorie der Prophetie genetisch abgestützt: Der Herrscher / Philosoph / Prophet ²⁷⁵ findet für die philosophischen Wahrheiten die für das Volk geeigneten Bilder, »dazu aber muß er der Sprache mäch²⁷⁵ Nach al-Fārābī, The Attainement of Happiness, S. 46, ist die Idee des Imams, des Philosophen und des Gesetzgebers eine einzige.

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tig sein, um seine gute Vorstellung jedem in der Sprache, die er versteht, kund zu tun«.²⁷⁶ Bei al-Fārābī war ein Prophet – etwas respektlos ausgedrückt – ein sehr guter Philosoph, der dazu noch über hervorragende poetische und rhetorische Fähigkeiten verfügte, die ihm zwar keine neuen und weiteren Erkenntnisse brachten, ihn aber für eine wirksame Tätigkeit als Prediger, Gesetzgeber und Sittenlehrer des Volkes qualifizierten. Allerdings: Was man im 10. Jhd. in Bagdad äußern durfte, konnte man nicht gleichermaßen im strengen al-Andalus des 12. Jahrhunderts vorbringen und vielleicht auch gar nicht denken.²⁷⁷ In al-Fārābīs Theorie gab es im Prinzip eine Klasse »Propheten«, so daß Muhammad nur als einer von ihnen, wenn auch als der bedeutendste, angesehen werden konnte, worauf al-Fārābī aber gar nicht eigens eingeht. Aber schon eine solche Einordnung konnte angesichts des allgemeinen und immer stärker gewordenen Glaubens an die Einmaligkeit und Unübertreff lichkeit des Propheten als Beeinträchtigung der Würde Muhammads betrachtet werden. Der aus einer berühmten Familie stammende mālikitische Jurist ÝIyād ben Mūsā al-Yahsubī (1088–1149), der für kurze Zeit in Granada und später in Ceuta Richter gewesen war, hatte ein wichtiges Werk über Muhammad verfaßt,²⁷⁸ und man kann an²⁷⁶ Al-Fārābī, Musterstaat X XV II , S. 94. ²⁷⁷ Vom Standpunkt eines westlichen »Aufklärers« ergibt sich folgende Einschätzung: Etwas wie »Averroes oder der Triumph des Rationalismus« – so der Titel des 2002 von R. G. Khoury herausgegebenen Symposiums-Bandes – hat es nicht gegeben. Wenn man schon von »Rationalismus« in der islamischen Kultur sprechen will, so ist man dazu vor allem bei al-Fārābī berechtigt, bei Averroes ist nur noch ein eingeschränkter oder auch eingeschüchterter und apologetischer Rationalismus anzutreffen. Dies lag nicht an Averroes, sondern an den gesellschaftlichen Bedingungen seiner Zeit. Vgl. Hourani 1985, S. 274 f., der auch feststellt, daß Averroes die Auffassung al-Fārābīs unter dem Druck der Zeitumstände abschwächte (softened). ²⁷⁸ Muhammad, Messenger of Allah. Ash-Shifa of Qadi ÝIyad. Übers. v. A. A. Bewley. Granada 1991. Daß al-Yahsubī, ein Anhänger und Amtsträger der Almoraviden, später von den Almohaden des Amts entho-

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nehmen, daß Averroes dieses Werk kannte. In dieser Schrift setzt sich al-Yahsubī mit der bisher nicht bearbeiteten Frage auseinander, welche Strafen für eine Beleidigung Muhammads vorgesehen werden sollen, und kommt zu dem Ergebnis, daß dafür die Todesstrafe verhängt werden müsse, die selbst im Fall der Reue zu vollstrecken sei.²⁷⁹ Es war also auch für Angehörige der »Elite« ratsam, gar keine philosophische Theorie des Prophetentums aufzustellen, denn schon die reine Aufstellung einer solchen konnte leicht als Behauptung der Überlegenheit der Philosophie über das Prophetentum ausgelegt werden. In al-Andalus galt auch für die gebildete Elite, was der am Almohadenhof einflußreiche Promotor des Averroes, Ibn Tufail, über al-Fārābīs Theorie der Prophetie gesagt hatte: Nebst all dem verbreitete er [d. h. al-Fārābī] auch seine verwerfliche Ansicht über die Prophetie, die gemäß seiner Behauptung der Vorstellungskraft angehören soll, wobei er gleichzeitig der Philosophie gegenüber der Prophetie den Vorzug einräumt.²⁸⁰

»Der Philosophie gegenüber der Prophetie den Vorzug einräumen« war in den Ländern des Islam im 12. Jhd. nicht mehr möglich. Der Prophet und somit das Gesetz konnten in ihrem Ursprung und in ihrem Geltungsbereich keiner philosophischen Analyse unterzogen werden, sondern nur gegebenenfalls interpretiert werden. Wie schon gesagt: Der Prophet kann die Philosophie legitimieren, nicht aber kann die Philosophie den Propheten legitimieren. Das geoffenbarte Gesetz ist in der Entscheidenden Abhandlung der nicht hinterfragte und nicht hinterfragbare Ausgangspunkt. Die Philosophie muß vom Gesetz her geben und in Marrakesch unter eine Art Hausarrest gestellt wurde, war rein politisch motiviert und konnte den Einfluß dieses Werkes in keiner Weise beeinträchtigen. ²⁷⁹ Vgl. Nagel 1994 b, S. 482–486. Nagel stellt dies in den Zusammenhang einer im Laufe der Zeit immer stärker werdenden »Tabuisierung« des Propheten. ²⁸⁰ Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 10 f.

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rechtfertigt werden, eine Rechtfertigung des Gesetzes von der Philosophie her steht überhaupt nicht zur Diskussion. Entweder die Philosophie kann – als autonomer Bereich! – in der islamischen Kultur und Gesellschaft vom Gesetz her gerechtfertigt werden, oder sie kann dort überhaupt nicht gerechtfertigt werden. Eine andere Argumentationsrichtung ist gar nicht möglich. Und so legte Averroes keine philosophische Theorie der Prophetie und des Gesetzes vor. Damit blieb – aus unserer Sicht, die noch zu der al-Fārābīs, aber nicht mehr zu der des Averroes eine Nähe hat – eine Lücke der Verbindung von Philosophie und Gesetz, die Averroes nicht zu schließen vermochte und die zu schließen aus seiner Sicht auch gar kein Grund bestand, da diese Lücke eben für ihn gar nicht existierte. Und dies wiederum bedeutet, daß ihn diese Position zu »zweideutigen« Äußerungen führte, die von außen gesehen wie Zugeständnisse eines Rationalisten an den Fideismus aussehen, die aber letztlich ein Zeichen dafür sind, daß bei Averroes Vernunft und philosophische Tätigkeit etwas anderes bedeuteten als für uns. Die Tätigkeit der Vernunft und somit die Tätigkeit des Philosophen ist für Averroes ein Auftrag Gottes, der ihm vom Propheten verkündet wurde. Und damit sind wir sehr weit von Aristoteles entfernt. Es ist nicht einmal paradox, daß Averroes dabei zum treuesten Aristotelesausleger wurde, der zu seiner Zeit überhaupt möglich war. Jedes Wort des Aristoteles muß so genau analysiert und überlegt werden, wie es der strengste Ausleger den Worten des Propheten gegenüber tut. Es bleibt in der Entscheidenden Abhandlung ein Grundproblem, das Averroes meint, mit der Unterscheidung in theoretische und praktische Fragen lösen zu können, wobei für die theoretischen, d. h. metaphysischen Fragen letztlich die Philosophie, für die praktischen letztlich die šari Ýa zuständig ist. Dies ist im Prinzip auch die persönliche Arbeitsteilung des Averroes in seine Tätigkeit als Aristoteles-Kommentator und als Rechtsgelehrter bzw. Richter. Dabei ist eine Unterscheidung von Metaphysik und Recht vorausgesetzt, die einer Trennung der beiden Berei-

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che gleichkommt, wobei aber die Grundfrage unausgesprochen bleibt. Diese Trennung von theoretischen und praktischen Fragen ist nicht so unproblematisch, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Es läßt sich bei den AšÝariten und bei al-Gazālī eine innere Beziehung von Metaphysik und Rechtstheorie nachweisen,²⁸¹ und dies gilt ebenso für alle Rechtsschulen, soweit diese sich überhaupt mit Fragen der Metaphysik beschäftigten. Bewußt überspitzt und angreif bar ausgedrückt, geht es um folgendes Problem: Der willensbestimmte Gott der islamischen Religion, wie er von den AšÝariten und von al-Gazālī zum Ausdruck gebracht wird – und zu Recht hat sich diese Auffassung zu dem ausgebildet, was man »sunnitische Orthodoxie« nennen kann – »muß« sich für die praktischen Anweisungen für das Leben der Menschen in einer šari Ýa äußern, da es keine Naturordnung gibt, aus der entsprechende Regeln abgeleitet werden könnten, und da die Menschen, die zur Gänze unter dem Willen Gottes stehen, nicht das Recht haben dürfen, sich selbst konventionell solche Regeln zu geben. Dieser Gott »braucht« daher Propheten, die seinen Willen und sein Gesetz verkünden, und er »braucht« auch die Gelehrten, also die Ýulama Þ, die sich um die genaue Interpretation und Anwendung dieses Gesetzes kümmern.²⁸² Der sich selbst denkende Gott (noêsis noêseos) der aristotelischen Philosophie ist die Zielursache des Menschen, und er kann sogar wie bei Averroes (unaristotelisch) als mit Willen ausgestattete Wirkursache bestimmt werden,²⁸³ aber er »braucht« keine šari Ýa, in der sein Wille verkündet wird, und entsprechend »braucht« er weder Propheten noch Rechtsgelehrte im Sinne der Ýulama Þ. Der die Welt mit Weisheit teleologisch ordnende Gott überläßt es den Menschen, aus dieser geordneten Welt die Grundregeln für ihre Handlungen herauszufinden und für einzelne Fragen des Zusammenlebens konventionell Übereinkünfte zu treffen, ²⁸¹ Vgl. Nagel 1988, S. 224 f. Dies gilt auch für die MuÝtaziliten. ²⁸² Vgl. Hourani 1985, S. 275. ²⁸³ Vgl. im Kommentar Anm. 169.

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die dann gegebenenfalls konventionell abgeändert werden können. All dies kann von Philosophen und Gesetzgebern autonom herausgefunden und geregelt werden. Und hier liegt das eigentliche Problem der Entscheidenden Abhandlung. Der im ersten Teil des § 2 vorgestellte Gott der Philosophen (falasifa) braucht keine šari Ýa, die zu seiner Erkenntnis verpfl ichtet, und somit ist der im zweiten Teil des § 2 eingeführte Gott der šari Ýa, der eine Verpfl ichtung (wafib) zu seiner Erkenntnis auferlegt, ein anderer Gott. Theorie und Praxis so aufzuteilen, daß in der Theorie der hikma oder falsafa der eine, in der Praxis der šari Ýa aber der andere vorausgesetzt wird, kann nur zu einer sehr äußerlichen »Verbindung« (ittisal) führen. Die weiter oben angeführten problematischen (»fideistischen«) Äußerungen des Averroes dürften ein Hinweis darauf sein, daß Averroes sich irgendwie dieser Problematik bewußt war, aber keine Lösung dafür wußte. Bei Averroes und somit in seiner Entscheidenden Abhandlung bleiben Fragen offen, die auch in der Zukunft Anlaß zu weiteren Diskussionen geben werden, und zwar sowohl bei den Philosophen im Bereich der islamischen Kultur selbst als auch bei den Orientalisten und Islamwissenschaftlern und Philosophen der westlichen Kultur. Vielleicht werden wir aber auch nicht über die »entscheidende Beurteilung« hinausgelangen, die Franz Rosenthal vor einem halben Jahrhundert ausgesprochen hat: »Averroes war in erster Linie ein Muslim und in zweiter Linie ein Schüler von Plato, Aristoteles und deren Kommentatoren, aber er war nicht immer konsistent und unzweideutig.«²⁸⁴

²⁸⁴ Rosenthal 1958, S. 177: »He was a Muslim first and a disciple of Plato, Aristotle and their commentators second, but I do not deny that Ibn Rushd is not always consistent and unambiguous.«

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. Text und Textgeschichte Vom Kitāb Fasl al-maqāl sind zwei arabische Handschriften erhalten: ²⁸⁵ (1) Madrid, Biblioteca Nacional, ms. 5013, 7 Blatt. Die Handschrift ist in einer kleinen maghrebinischen Schrift geschrieben.²⁸⁶ Diese Abschrift ist nicht sehr sorgfältig kopiert, es finden sich aber keine Versuche von Textverbesserungen. Geschrieben wurde die Handschrift 1234/1235. Sie ist also nur um etwas mehr als 50 Jahre nach der Entstehung des Textes entstanden. Am Beginn des Textes wird Ibn Rušd als Autor genannt. Außer dem Fasl enthält diese Handschrift als ersten Teil, geschrieben von ein und demselben Kopisten, den arabischen Text der Bücher II –IV der Kulliāt, also der medizinischen Enzyklopädie des Averroes (lat. Colliget).²⁸⁷ (2) Escorial, ms. 632, fol. 1–18 ro.²⁸⁸ Diese Handschrift ist in einer großen und reich verzierten maghrebinischen Schrift geschrieben. Es handelt sich dabei um eine sorgfältig gearbeitete ²⁸⁵ Alle folgenden Angaben stammen, falls nicht anders angegeben,

aus Hourani, Fasl, Einleitung S. 7–11. Vgl. auch Geoff roy, Discours, S. 97–99. Hourani führt ebd. S. 9 f. eine weitere, in Kairo liegende, etwa vom Ende des 19. Jahrhunderts stammende Handschrift an, die er jedoch für eine moderne Abschrift von Müllers Edition hält. Diese Handschrift enthält aber gegenüber dem Text von Müller einige Varianten (die natürlich auch von dem modernen Kopisten stammen können). Diese Handschrift wird in der Edition von M. ÝAmāra, Kairo 1969, berücksichtigt. ÝAmāra hält sie für eine späte Abschrift eines von der Handschrift im Escorial abhängigen Textes. Geoff roy, Discours, S. 98, läßt die Frage der Herkunft offen und verwendet an einer Stelle eine Lesung dieser Handschrift. ²⁸⁶ Photokopien von Seiten beider Handschriften fi nden sich in Hourani, Fasl. ²⁸⁷ Derenbourg, H.: Notes sur les manuscrits arabes de Madrid, in: Saavedra, E. (Hrsg.), Homenaje a D. Francisco Codera en su jubilación del profesorado. Estudios de erudición oriental, Zaragoza 1904, S. 587 f. ²⁸⁸ Derenbourg, H.: Les manuscrits arabes de l’Escurial I, Paris 1884, S. 437–440.

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Kopie, die aber Versuche von Textverbesserungen enthält. Die Handschrift enthält Marginalanmerkungen, durch die der Text verbessert wird (und die interessanterweise manchmal mit Lesungen aus (1) übereinstimmen). Geschrieben wurde diese Handschrift 1323/1324 in Almería. Außer dem Fasl enthält diese Handschrift den arabischen Text der sog. Damīma, des Manāhif und ein Kompendium logischer Schriften des Averroes. Der einzige nicht von Averroes stammende Text dieser Handschrift enthält eine Anfrage eines sonst nicht bekannten Ibn Malīh an Averroes über das Absolute, das Mögliche und das Notwendige.²⁸⁹ Die Handschrift des Escorial ist nicht von der der Biblioteca Nacional kopiert, da sie zahlreiche Stellen enthält, die in letzterer nicht enthalten sind. Die beiden Handschriften hängen aber irgendwie zusammen, da sich verschiedene fehlerhafte Lesungen in beiden finden. Vermutlich gehen beide Handschriften auf eine gemeinsame Quelle zurück. Eine lateinische Übersetzung der Entscheidenden Abhandlung aus dem Arabischen wurde nie hergestellt. Aus der Gruppe der selbständigen philosophisch-theologischen Arbeiten des Averroes wurde einzig die Damīma ins Lateinische übersetzt. Der Übersetzer war Raymondo Martín, ein spanischer Dominikaner, der mit Thomas von Aquin in Kontakt stand und der diesem auch Material für die zur Auseinandersetzung mit den Muslimen gedachte Summa contra gentiles zur Verfügung stellte. Aus diesem Fehlen einer lateinischen Übersetzung der Entscheidenden Abhandlung ergibt sich schon, daß dieser Text im lateinischen Averroismus keine Rolle spielen konnte. Im arabischen Bereich wurde er nur ganz selten angeführt, in der biographischen und bibliographischen Schrift Ibn Abī UsaibiÝas (nach 1194–1270) ÝUyūn al-AnbāÞ (Die Quellen der Nachrichten) wird der Titel allerdings genannt.²⁹⁰ Der sehr kenntnisreiche Historiker ²⁸⁹ Ebd. I, S. 440. ²⁹⁰ Ibn Abī UsaibiÝa, ÝUyūn al-AnbāÞ, hrsg. v. A. Müller, Königsberg 1884, II , S. 77.

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Ibn Ialdūn (1332–1406), der selbst aus dem Maghreb stammte, führt diesen Text nicht an. Der Text blieb in der westlichen Kultur auch in der Neuzeit zunächst unbekannt. Auch Ernest Renan, der 1852 sein bekanntes Buch Averroès et l’Averroism veröffentlichte, kannte die Entscheidende Abhandlung nicht. Den ersten Hinweis auf diesen Text gab Salomon Munk 1859.²⁹¹ Die erste Edition des Textes stellte der Orientalist Marcus Joseph Müller 1859 her. Diese Edition beruht nur auf der Handschrift aus dem Escorial. Der erste Hinweis auf die Madrider Handschrift stammt aus dem Jahr 1903 von H. Derenbourg.²⁹² Seit 1895 erschienen in Kairo verschiedene, auf der Edition Müllers basierende Editionen. Eine erste kritische, aber wieder nur auf der Handschrift des Escorial beruhende Edition stellte Léon Gauthier 1942 her. Die erste kritische Edition beider arabischen Handschriften wurde von Georges Hourani 1959 veröffentlicht. In dieser Edition sind auch relevante Stellen der hebräischen Übersetzungen berücksichtigt. Hourani gibt der Handschrift aus der Biblioteca Nacional an zahlreichen Stellen den Vorzug, da diese älter ist, der Schreiber keine Verbesserungen versucht zu haben scheint und ihre Lesungen grammatikalisch und stilistisch mehr anderen Texten von Averroes entsprechen.²⁹³ Hourani verwendet aber in seiner Textausgabe berechtigterweise keine der beiden Handschriften als Basistext, der von ihm edierte Text ist also eine Rekonstruktion der nach Vermutung des Editors dem Original am nächsten stehenden Textfassung. Dies ist bei dieser Handschriftenlage die einzig richtige Editionsmethode. Die Edition von Hourani ist bis heute maßgeblich. Auf ihr baut auch die Edition von 1996 ²⁹¹ Munk, S.: Mélanges de philosophie juive et arabe, Paris 1859 u. ö., S. 438 und S. 455–458. ²⁹² Derenbourg, H.: Les manuscrits arabes de l’Escurial II , 1, Paris 1903, S. XIX , und ders. Notes sur les manuscrits arabes de Madrid, in: Saavedra, E. (Hrsg.), Homenaje a D. Francisco Codera en su jubilación del profesorado. Estudios de erudición oriental, Zaragoza 1904, S. 587 f. ²⁹³ Hourani, Fasl, Einleitung, S. 8.

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von Marc Geoff roy auf,²⁹⁴ und das gleiche gilt für den arabischen Text in der Ausgabe von Charles Butterworth von 2001, die auf einer von Muhsin Mahdi hergestellten Überarbeitung des Textes von Hourani beruht.²⁹⁵ Dieser Text wird in der vorliegenden Ausgabe ohne Eingriffe reproduziert. Einige (wenige und unerhebliche) Druckfehler dieser Textausgabe werden in der angefügten Liste der Corrigenda aufgeführt. Der Text von Mahdi / Butterworth enthält keinen textkritischen Apparat, für den auf die Ausgabe von Hourani oder auf die von ÝAmāra verwiesen werden muß. An einigen problematischen Stellen wird im Kommentar auf textkritische Fragen auf der Basis des Apparats von Hourani eingegangen. Die Paragrapheneinteilung und -zählung wurde aus der Ausgabe von Butterworth übernommen. Sie dient vor allem praktischen Zwecken wie z. B. zu Verweisen im Kommentar. Es wäre auch eine davon etwas verschiedene Einteilung denkbar.²⁹⁶ Die Zahlen in eckigen Klammern im arabischen Text beziehen sich auf die Seitenzahlen der von M. J. Müller 1859 hergestellten ersten Edition des Textes. Auf eine weitere Unterteilung des Textes durch Untertitel, wie Butterworth dies vornimmt, wurde verzichtet. Ein sich vom Text her ergebender Einschnitt liegt eigentlich nur am Beginn von § 11 oder von § 12 vor.²⁹⁷

²⁹⁴ Geoff roy, Discours, S. 98. ²⁹⁵ Butterworth, Treatise, Einleitung, S. XI. ²⁹⁶ Geoff roy, Discours, z. B. hat eine andere Einteilung. Müller, Harmonie, nimmt keine Einteilung vor. Auch Hourani, Harmony, nimmt keine Einteilung vor, unterteilt den Text aber durch eingefügte Zusammenfassungen. ²⁹⁷ Hourani, Harmony, S. 50, läßt das neue Kapitel mit § 12 (unserer Zählung) beginnen, Butterworth, Treatise, S. 8, mit § 11.

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. Zu Übersetzung Kommentar, Anhänge Über die Probleme der Übersetzungen ist schon viel geschrieben worden, was hier nicht wiederholt werden soll. Die Probleme waren auch schon den Arabern, die die philosophischen und wissenschaftlichen Texte aus dem Griechischen übersetzten, sehr wohl bekannt und bewußt. Der arabische Philologe und Literaturtheoretiker as-Safadī (1297–1363) merkte an, daß bei diesen Übersetzungen aus dem Griechischen zwei verschiedene Methoden angewandt wurden. Die erste ist diese: Nach dieser Methode studiert der Übersetzer jedes einzelne griechische Wort und seine Bedeutung, sucht sich ein arabisches Wort von entsprechender Bedeutung aus und benutzt es. Dann geht er zum nächsten Wort über und macht es ebenso, bis er schließlich den Text, den er übersetzen will, ins Arabische übertragen hat.²⁹⁸

Also die »wortgetreue« Übersetzung. Die andere Methode ist die folgende: Hier faßt der Übersetzer einen ganzen Satz ins Auge, macht sich dessen Inhalt klar und drückt ihn dann im Arabischen mit einem sinngleichen Satze aus, ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Wörter sich entsprechen oder nicht.²⁹⁹

Also die »sinngemäße« Übersetzung. Erwartungsgemäß hält asSafadī die zweite Methode für die bessere. Zu der ersten Methode merkt er an: Erstens lassen sich nicht für alle griechischen Wörter entsprechende arabische Ausdrücke finden, und darum bleiben bei dieser Methode viele griechische Wörter unübersetzt. Zweitens stimmen besondere syntaktische Verbindungen nicht immer mit ähnlichen der anderen Sprache überein, und dann verursacht auch

²⁹⁸ Rosenthal 1965, S. 34. ²⁹⁹ Ebd.

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der Gebrauch von Metaphern, wie sie häufig in jeder Sprache vorkommen, weitere Fehler.³⁰⁰

Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Die Probleme sind semantischer und syntaktischer Art, wobei letztere besonders dort sehr heikel werden, wo es sich um Sprachen verschiedener Sprachfamilien handelt, wie dies beim Griechischen und Arabischen, beim Arabischen und Lateinischen und in unserem konkreten Fall beim Arabischen und Deutschen der Fall ist. Genau dieselben Probleme der Übersetzungen aus dem Arabischen kannten auch schon die lateinischen Übersetzer, die im 13. Jhd. in Toledo und in anderen Städten in Spanien und dann auch in Sizilien arbeiteten. Ein Beispiel: Bei der Übersetzung von alFārābīs IhsaÞ al-Ýulūm unter dem lateinischen Titel De scientiis arbeitete Gerhard von Cremona (um 1114–1187), also ein lateinischer Zeitgenosse des Averroes, eher nach der ersten der eben beschriebenen Methoden, während Dominicus Gundissalinus (um 1110–1181), ein weiterer Zeitgenosse, eher nach der zweiten Methode arbeitete.³⁰¹ As-Safadī merkt an, daß bei der ersten Methode vieles unübersetzt bleibt, er sagt aber nicht, wie dies bei der zweiten Methode vermieden werden kann. In Wirklichkeit sind natürlich beide Methoden Idealtypen, und jeder Übersetzer arbeitet irgendwo zwischen diesen beiden Extremen, jeweils tendenziell dem einen oder dem anderen Extrem angenähert. Auch bei den beiden neueren Übersetzungen aus dem Französischen von M. Geoff roy und aus dem Englischen von Ch. Butterworth, die als Referenzübersetzungen von mir häufig herangezogen wurden, könnte man vielleicht bei Geoff roy eine Nähe zur zweiten Methode, bei Butterworth eine Nähe zur ersten Methode sehen. Handelt es sich um einen Text aus einer fernen Periode und aus einer fremden Kultur, bei dem man sich oft nicht ³⁰⁰ Ebd. ³⁰¹ Gut vergleichbar in den beiden Editionen von De scientiis, in der Version Gerhards von Cremona, Hamburg 2005, in der Version des Dominicus Gundissalinus, Freiburg 2006.

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sicher ist, ob man, wie as-Safadī es wünscht und voraussetzt, den Sinn wirklich genau verstanden hat, liegt es oft nahe, eher in der Richtung der ersten Methode zu arbeiten. Dies hat natürlich seine Konsequenzen. Daher als Beispiel eine Bemerkung zur Semantik. Es geht u. a. darum, Assoziationen zu vermeiden, die möglicherweise irreführen. Als Beispiel seien zwei Ausdrücke aus § 27 genommen: Þamval (Pl. von mivl) und Þašbah (Pl. von šibh). Geoffroy übersetzt diese beiden Ausdrücke mit symboles et allégories.³⁰² Durch diese Übersetzung wird die Assoziation zur griechischen, vor allem stoischen Hermeneutik nahegelegt, die wir aus der Homerexegese kennen. Ob bei Averroes etwas wie »Symbol« oder »Allegorie« gemeint ist, soll nicht schon durch die Übersetzung vorentschieden werden. Butterworth übersetzt mit likenesses and similarities,³⁰³ dies ist vielleicht weniger »genau«, läßt aber einen größeren Interpretationsspielraum offen. Der Bedeutungsbereich vieler arabischer Wörter ist im Vergleich zu anderen Sprachen unvergleichlich weiter. Deshalb wähle ich in solchen Fällen möglichst neutrale Ausdrücke und weise ggf. in den Anmerkungen auf die Probleme der Terminologie hin.³⁰⁴ Auch für den Satzbau der Übersetzung, also für die Syntax, hat die genannte methodologische Tendenz ihre Konsequenzen. Die vorliegende deutsche Übersetzung ist an vielen Stellen bewußt holprig, schwerfällig und wirkt gespreizt. Die Übersetzung ist zugegebenermaßen nicht elegant und nicht angenehm zu lesen. Damit ist ein »Verfremdungseffekt« gegeben, der jedoch bewußt so eingesetzt wird.³⁰⁵ Der Text ist ein Rechtsgutach³⁰² Geoff roy, Discours, S. 141. ³⁰³ Butterworth, Treatise, S. 19. ³⁰⁴ In manchen Fällen wird eine Übersetzungshilfe dadurch gegeben, daß bestimmte arabische Ausdrücke mit der Zeit in den Übersetzungen aus dem Griechischen standardisiert wurden. Vgl. dazu z. B. Endreß 1989 und 1992, und Th illet 1994. ³⁰⁵ Daß ich auch in einem gut lesbaren Stil schreiben kann, wurde von den Rezensenten meiner Geschichte der Philosophie im Überblick allgemein anerkannt.

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ten eines islamischen Juristen aus dem 12. Jhd.; und der Stil dieses Textes entspricht nicht einfach dem persönlichen Stil des Averroes, sondern auch dem Stil dieser literarischen Gattung dieser Zeit.³⁰⁶ Für seine Zeit war der Fasl in einem eleganten Arabisch geschrieben,³⁰⁷ das aber eben nicht das gesprochene Arabisch der Gegenwart ist. Der Leser sei darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Text auf einen heutigen arabischsprachigen Leser genauso schwerfällig und gespreizt wirkt und auch er bei manchen Worten nicht weiß, was genau damit gemeint ist bzw. gemeint war. Der Satzbau des Textes ist häufig sehr komplex – er wirkt auch auf einen heutigen Araber sehr kompliziert – und muß in der Übersetzung in irgendeiner Weise aufgelöst werden. Dem dienen die Hinzufügungen in eckigen Klammern. Diese Hinzufügungen sind ausschließlich syntaktischer Art, d. h. es sollen damit die im Arabischen häufig verwendeten und gelegentlich im Deutschen nur schwer wiedergebbaren Verknüpfungen durch Präpositionen und Pronomina etwas durchsichtiger gemacht werden. Gelegentlich wurden in der Übersetzung zu lange Sätze unterteilt, wobei dann öfters das wa, das häufig einfach den Satzbeginn kennzeichnet, unübersetzt blieb und praktisch durch den Punkt ersetzt wird. Selbstverständlich wurde die ältere deutsche Übersetzung Müllers herangezogen, ebenso alle anderen Übersetzungen, die im Literaturverzeichnis angegeben sind. Auf besonders heikle terminologische Fragen wird im Kommentar eingegangen, wobei dann gelegentlich auch die entsprechenden Begriffe vor allem aus den englischen und französischen, gelegentlich aber auch aus den italienischen Übersetzungen sowie der spanischen Übersetzung zum Vergleich aufgeführt werden.

³⁰⁶ Zahlreiche gute Beispiele für Texte von Rechtsgelehrten auch aus früheren Perioden fi nden sich in Nagel 2001. ³⁰⁷ Hourani, Harmony, Einleitung, S. 40: The work in Arabic is elegant in a manner that no translation can reproduce.

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Alle Koranzitate werden nach der Koranübersetzung von R. Paret zitiert. Im Kommentar soll vor allem auf Ausdrücke hingewiesen werden, die in der islamischen Kultur und besonders im islamischen Recht eine spezifische Bedeutung haben, ohne daß es aber in der Übersetzung sofort ersichtlich wäre, daß es sich hier um einen Fachbegriff des Rechts oder der Theologie handelt. Außerdem sollen bei Sachfragen wie z. B. zur Mathematik und zur Astronomie Informationen über den Wissensstand geliefert werden, der zur Zeit des Averroes in al-Andalus vorausgesetzt werden kann. Und schließlich soll auch auf andere Schriften des Averroes Bezug genommen werden, die zum besseren Verständnis der Entscheidenden Abhandlung herangezogen werden können, wobei vor allem der Manāhif, also die Schrift Die Erklärung der Beweismethoden hinsichtlich der Glaubensvorstellungen der Religion, wichtig ist. In den Anhängen werden Informationen zu Personen und Sachen geliefert, die für den Leser wichtig sein dürften, deren Aufführung im Kommentar aber den Rahmen desselben geprengt hätte. Es handelt sich dabei um Stichworte, die im Prinzip auch in der Encyclopaedia of Islam, im Lexikon des Mittelalters oder in anderen Nachschlagewerken nachgelesen werden könnten. Da manche Leser solche Werke aber nicht gleich zur Hand haben werden, dürfte für sie ein solcher Anhang doch die Lektüre erleichtern. Außerdem wird bei diesen Stichworten auf die Situation in al-Andalus und auf Beziehungen zu Averroes mehr eingegangen, als dies in den bekannten Nachschlagewerken der Fall ist. Das arabisch-deutsche Wörterverzeichnis bezieht sich ausschließlich auf den Text des Fasl al-maqāl, arabische Wörter, die im Kommentar oder in den Anhängen verwendet werden, wurden also nicht in dieses Verzeichnis aufgenommen. Der Zweck dieses Verzeichnisses ist also vor allem philologischer Art, d. h. es geht darum, einen Überblick über die von Averroes in diesem Zusammenhang verwendete Terminologie zu liefern.

AV ER ROE S DA S BUCH DER EN T S CH E I DEN DEN A BH A N DLU NG U N D DER U R T E I L SFÄ L LU NG Ü BER DA S V ER H Ä LT N IS VON GE SE T Z U N D P H I L O S OPH I E

das buch der entscheidenden abhandlung und der urteilsfällung über das verhältnis von gesetz und philosophie Im Namen Gottes des Gnädigen und Barmherzigen. Gott segne Muhammad und seine Familie¹ und schenke ihm Frieden.

(1) Der Rechtsgelehrte,² der Imam,³ der Richter,⁴ der einzigartige Gelehrte⁵ Abū al-Walīd Muhammad ibn Ahmad ibn Rušd – möge Gott an ihm Wohlgefallen haben – sagte: Preis sei Gott⁶ mit allen Lobpreisungen, und es werde ein Gebet für Muhammad [gesprochen], seinen erwählten Diener und Gesandten. Das Ziel dieser Rede ist es, daß wir aus der Sicht der rechtsbezogenen Überlegung⁷ untersuchen, ob die Überlegung über die Philosophie⁸ und die Wissenschaften der Logik ⁹ vom Gesetz¹⁰ erlaubt, verboten oder angeordnet ist, und zwar entweder als Empfehlung oder als Verpfl ichtung.¹¹ (2) So sagen wir also: Wenn die Tätigkeit ¹² der Philosophie nicht mehr¹³ ist als die Vernunftüberlegung über die existierenden Dinge¹⁴ und die Betrachtung derselben, insofern sie ein Hinweis¹⁵ auf den Hersteller¹⁶ sind – ich meine damit, insofern sie Hergestelltes sind, da die existierenden Dinge aufgrund der Erkenntnis ihres Herstellungscharakters auf den Hersteller hinweisen, und je vollständiger die Erkenntnis ihres Herstellungscharakters ist, um so vollständiger ist die Erkenntnis des Herstellers¹⁷ –, und wenn das Gesetz die Erwägung¹⁸ der existierenden Dinge empfohlen hat und dazu angespornt hat, dann ist es klar, daß das, worauf dieser Name [d. h. »Philosophie«] hinweist, vom Gesetz her entweder verpfl ichtend oder empfohlen ist.¹⁹ Daß das Gesetz zur Erwägung der existierenden Dinge durch die Vernunft aufruft ²⁰ und deren Erkenntnis durch sie fordert,

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ist klar aus verschiedenen Versen aus dem Buch Gottes – gesegnet und erhaben ist er. Dies ist z. B. sein – erhaben ist er – Ausspruch: »Denkt (darüber) nach, (ihr alle), die ihr Einsicht habt!« [LIX , 2].²¹ Dies ist ein Text ²² zur Verpfl ichtung ²³ der Anwendung von beiden, von Vernunft-Schlußfolgerungen und von Gesetzes-Schlußfolgerungen.²⁴ Und dies ist zum Beispiel sein – erhabenen ist er – Ausspruch: »Haben sie denn keine Betrachtungen über die Herrschaft (Gottes) über Himmel und Erde angestellt, und (darüber), was alles Gott geschaffen hat?« [VII , 185]. Dies ist ein Text zum Ansporn zur Vernunftüberlegung ²⁵ über alle existierenden Dinge. Und Gott – erhaben ist er – hat zur Kenntnis gebracht, daß einer jener, die er durch dieses Wissen²⁶ ausgezeichnet und erhöht hat, Abraham ist – der Friede sei mit ihm –, und so sagte er – erhaben ist er – : »Und so zeigten Wir dem Abraham die Herrschaft (Gottes) über Himmel und Erde, und er sollte …« bis [zum Ende] des Verses.²⁷ [VI , 75] Und er – erhaben ist er – sagte: »Sehen sie denn nicht die Kamele (und denken darüber nach), wie sie geschaffen worden sind, den Himmel, wie er emporgehoben worden ist?« [LX X XVIII , 17–18]²⁸ Und er sagte: »(Leute), die über die Erschaff ung von Himmel und Erde nachsinnen« [III , 191],²⁹ und so weiter mit den Versen, die gar nicht aufgezählt werden können. (3) Da entschieden worden ist,³⁰ daß das Gesetz die Überlegung³¹ über die existierenden Dinge mit Hilfe der Vernunft und die Betrachtung derselben zur Verpfl ichtung gemacht hat, und da die Betrachtung nicht mehr ist als das Herausfinden und die Erschließung des Unbekannten aus dem Bekannten³² – und dies ist die Schlußfolgerung³³ oder [die Herleitung] durch Schlußfolgerung –, deshalb ist es verpfl ichtend, daß wir unsere Überlegung über die existierenden Dinge mit Hilfe der Vernunft-Schlußfolgerung³⁴ in Gang setzen. Und es ist klar, daß diese Art der Überlegung, zu der das Gesetz aufruft und zu der es drängt, die vollständigste Art der Überlegung mit der vollständigsten Art der Schlußfolgerung ist, und diese wird »Beweis« genannt.³⁵

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(4) Da das Gesetz zur Erkenntnis Gottes – erhaben ist er – und aller durch ihn existierenden Dinge mit Hilfe des Beweises gedrängt hat, und da es das Vorzüglichere oder sogar eine unumgängliche Angelegenheit für den ist, der Gott – gesegnet und erhaben ist er – und die übrigen existierenden Dinge mit Hilfe des Beweises erkennen will, daß er zunächst darangeht, die Arten der Beweise und ihre Bedingungen zu erfassen, und dann das, wodurch sich die beweisende Schlußfolgerung, die dialektische Schlußfolgerung, die rhetorische Schlußfolgerung und die sophistische³⁶ Schlußfolgerung unterscheiden;³⁷ und da dies nicht möglich ist, wenn er nicht darangeht, vorher das zu erfassen, was die Schlußfolgerung an sich³⁸ ist, wie viele Arten es von ihr gibt und welche von ihnen [tatsächlich] eine Schlußfolgerung ist und welche von ihnen nicht entsprechend einer Schlußfolgerung ist, und da dies auch wiederum nicht möglich ist, wenn er nicht darangeht, vorher die Teile des Beweises zu erfassen, aus denen er zusammengesetzt ist – ich meine damit die Prämissen und deren Arten –, deshalb ist es für den an das Gesetz Glaubenden,³⁹ der dessen Befehl zur Vernunftüberlegung über die existierenden Dinge gehorsam folgt, vielleicht⁴⁰ verpfl ichtend, daß er sich vor der Vernunftüberlegung daranmacht, jene Dinge zu erfassen, die bei der Vernunftüberlegung die Stelle von Werkzeugen bei der Arbeit einnehmen.⁴¹ So wie der Rechtsgelehrte aus dem Befehl zum Verstehen der Rechtsbewertungen⁴² die Verpfl ichtung zur Erkenntnis der Rechts-Schlußfolgerungen⁴³ entsprechend ihren Arten ableitet, welche von ihnen also eine Schlußfolgerung ist und welche von ihnen nicht einer Schlußfolgerung entspricht, ebenso muß der [Gott]⁴⁴ Erkennende aus dem Befehl zur Vernunftüberlegung über die existierenden Dinge die Verpfl ichtung zur Erkenntnis der Vernunft-Schlußfolgerung und deren Arten ableiten. Dies ist für ihn sogar angemessener,⁴⁵ denn wenn der Rechtsgelehrte aus seinem – erhabenen ist er – Ausspruch »Denkt (darüber) nach, (ihr alle) die ihr Einsicht habt« [LIX , 2] die Verpfl ichtung zur Erkenntnis der Rechts-Schlußfolgerung ableitet, um

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wie viel angemessener ist es dann, daß der Gott Erkennende daraus die Verpfl ichtung zur Erkenntnis der Vernunft-Schlußfolgerung ableitet. Und niemand darf sagen: »Diese Art der Überlegung über die Vernunft-Schlußfolgerung ist eine unzulässige Neuerung,⁴⁶ da es sie in der Frühzeit⁴⁷ nicht gegeben hat.« Denn auch die Überlegung über die Rechts-Schlußfolgerung und ihre Arten ist etwas, das erst nach der Frühzeit herausgefunden wurde, und sie wird nicht als unzulässige Neuerung angesehen,⁴⁸ also muß dies auch bei der Überlegung über die Vernunft-Schlußfolgerung [fest] geglaubt⁴⁹ werden. Dafür gibt es einen Grund, dies ist aber nicht der Ort, um ihn zu erwähnen.⁵⁰ Im übrigen bejahen die meisten Anhänger dieser Religion die Vernunft-Schlußfolgerung, ausgenommen die kleine Gruppe der strengen Literalisten,⁵¹ und diese werden durch die Texte [des Korans] widerlegt. (5) Da entschieden worden ist, daß aufgrund des Gesetzes die Überlegung über die Vernunft-Schlußfolgerung und ihre Arten eine Verpfl ichtung ist, ebenso wie die Überlegung über die Rechts-Schlußfolgerung eine Verpfl ichtung ist, ist es klar, daß dann, wenn keiner von denen, die uns vorausgegangen sind, eine Untersuchung über die Vernunft-Schlußfolgerung und ihre Arten unternommen hat, es für uns eine Verpfl ichtung ist, mit der Untersuchung darüber zu beginnen, und daß dabei der Spätere sich auf den Früheren stützt, so daß die Erkenntnis davon vervollkommnet wird.⁵² Denn es ist schwierig oder unmöglich, daß ein einzelner Mensch zur Gesamtheit dessen, was er davon braucht, nur von sich aus und von Anfang an gelangt, wie es genauso schwierig ist, daß ein einzelner die Gesamtheit dessen herleitet, was er von der Erkenntnis der Arten der RechtsSchlußfolgerung braucht. Um wie viel mehr gilt dies dann für die Erkenntnis der Vernunft-Schlußfolgerung! (6) Wenn jemand anderer als wir dies schon untersucht hat, dann ist es klar, daß wir verpfl ichtet sind, uns auf das zu stützen, was der gesagt hat, der uns bei dem, was wir anstreben, vorausge-

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gangen ist, gleichgültig, ob jener andere unserer Religion angehört oder nicht angehört. Denn bei dem Instrument, das für ein Schlachtopfer ⁵³ zulässig ist, wird in Hinsicht auf die Gültigkeit des Schlachtopfers nicht in Betracht gezogen, ob das Instrument jemandem gehört, der unserer Religion angehört oder nicht angehört, wenn nur mit ihm die Bedingungen der Gültigkeit erfüllt sind.⁵⁴ Und ich meine mit »nicht angehörig« jene Alten, die vor der Religion des Islam diese Dinge überlegt haben. (7) Wenn sich die Sache so verhält und die Alten alles, was an Überlegung bei der Angelegenheit der Vernunft-Schlußfolgerungen gebraucht wird, schon in vollkommenster Weise untersucht haben, dann ist es vielleicht angebracht, daß wir ihre Bücher zur Hand nehmen und überlegen, was sie darüber gesagt haben, und wenn alles richtig ist, werden wir es von ihnen übernehmen, und wenn etwas darin ist, was nicht richtig ist, werden wir darauf aufmerksam machen.⁵⁵ (8) Wenn wir diese Art der Vernunftüberlegung beendet haben und wir die Instrumente erworben haben, mit denen wir imstande sind, die existierenden Dinge und den Hinweis ihres Herstellungscharakters zu betrachten – denn wer den Herstellungscharakter nicht erkennt, der erkennt [das Ding] nicht als Hergestelltes, und wer etwas nicht als Hergestelltes erkennt, der erkennt nicht den Hersteller –, dann ist es vielleicht ⁵⁶ verpfl ichtend, daß wir mit der Untersuchung über die existierenden Dinge beginnen gemäß der Ordnung und der Art und Weise, die wir von der Kunst der Erkenntnis durch beweisende Vernunftschlüsse gewonnen haben. Und es ist auch klar, daß dieses Ziel in Hinsicht auf die existierenden Dinge von uns nur durch eine Abfolge der Untersuchung darüber vollständig erreicht wird und der eine nach dem anderen [kommt], wobei der Spätere sich auf den Früheren stützt, nach dem Muster dessen, was in den mathematischen Wissenschaften geschieht.⁵⁷ Denn wenn wir annähmen, daß die Kunst ⁵⁸ der Geometrie und ebenso die Kunst der Astronomie in dieser unserer Zeit nicht existierte, und wenn ein einzelner Mensch ganz auf sich

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allein gestellt wünschte, die Ausmaße der Himmelskörper zu bestimmen, ihre Formen und ihre Entfernungen voneinander,⁵⁹ so wäre dies für ihn nicht durchführbar – wie zum Beispiel das Ausmaß der Sonne im Vergleich zu dem der Erde zu erfassen und anderes von den Ausmaßen der Planeten –, und wäre er auch von Natur aus der intelligenteste der Menschen, es sei denn durch Offenbarung oder durch etwas, das der Offenbarung ähnlich ist.⁶⁰ Vielmehr, wenn ihm gesagt würde, daß die Sonne ungefähr hundertfünfzig oder hundertsechzig mal größer ist als die Erde, dann würde er diese Aussage als eine Verrücktheit von seiten dessen einschätzen, der sie ausgesprochen hat, und dabei ist dies eine Angelegenheit, für die in der Astronomie ein Beweis erbracht wurde, bezüglich dessen Bestehen bei keinem der Leute dieser Wissenschaft ein Zweifel besteht.⁶¹ Und es ist dafür nicht⁶² ein Beispiel aus der Kunst der Mathematik erforderlich, [da auch] die Vernunftüberlegung über die Kunst der Grundsätze der Rechtswissenschaft und die Rechtswissenschaft⁶³ selbst erst über einen langen Zeitraum hin vervollkommnet wurde. Wenn heute jemand ganz auf sich allein gestellt wünschte, zur Gesamtheit der Argumente⁶⁴ zu gelangen, die die führenden Köpfe⁶⁵ der Leute der [Rechts-]Schulen⁶⁶ über die umstrittenen Fragen hergeleitet haben, die beim Disput unter ihnen darüber im größten Teil der Länder des Islam außer im Maghreb⁶⁷ behandelt wurden, dann würde er verdienen, deshalb ausgelacht zu werden, da dies für ihn unmöglich ist, wobei noch hinzukommt, daß dies schon erledigt ist.⁶⁸ Diese Sache ist schon an sich klar, nicht nur hinsichtlich der theoretischen Künste,⁶⁹ sondern auch hinsichtlich der praktischen. Denn sicher gibt es unter ihnen keine Kunst, die einer ganz für sich allein hervorbringen kann. Wie könnte dies also bei der Kunst der Künste⁷⁰ – und dies ist die Philosophie – sein? (9) Wenn sich dies so verhält, dann ist es vielleicht für uns verpfl ichtend, wenn wir bei jenen, die uns bei früheren Völkern vorausgegangen sind, eine Überlegung über die existierenden Dinge und eine Betrachtung darüber entsprechend dem antref-

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fen, was die Bedingungen des Beweises fordern, daß wir das überlegen, was sie darüber gesagt haben und was sie darüber in ihren Büchern niedergelegt haben. Und wir werden das, was davon mit der Wahrheit übereinstimmt, von ihnen übernehmen,⁷¹ und wir werden uns darüber freuen und ihnen dafür danken, und wenn etwas davon nicht mit der Wahrheit übereinstimmt, werden wir darauf aufmerksam machen und davor warnen, und wir werden sie dafür von Schuld freisprechen.⁷² (10) Es ist also daraus klar geworden, daß die Überlegung über die Bücher der Alten eine Verpfl ichtung aufgrund des Gesetzes ist, da die Absicht und das Ziel in deren Büchern genau jenes Ziel ist, zu dem uns das Gesetz drängt, und daß jemand, der einem zur Vernunftüberlegung Fähigen die Überlegung darüber verbietet – und ein solcher ist jemand, der zwei Dinge vereinigt, von denen das erste angeborene⁷³ Intelligenz ist, das zweite aber gesetzentsprechende Gerechtigkeit⁷⁴ und sittliche Tugend⁷⁵ –, den Menschen das Tor⁷⁶ verwehrt, zu dem das Gesetz die Menschen zur Erkenntnis Gottes ruft, und dies ist das Tor der Vernunftüberlegung, das zur wahren Erkenntnis von ihm führt, und dies [d. h. das Verbot der Vernunftüberlegung] ist das Äußerste an Unwissenheit und Entfernung von Gott – erhaben ist er. Wenn jemand bei der Vernunftüberlegung vom rechten Weg⁷⁷ abgewichen und zu Fall gekommen ist – entweder wegen eines angeborenen Mangels oder wegen der fehlerhaften Ordnung seiner Überlegung oder wegen der Übermacht seiner Triebe oder weil er keinen Lehrer gefunden hat, der ihn auf den richtigen Weg zum Verständnis dessen gebracht hat, was darin [d. h. in diesen Büchern] enthalten ist, oder wegen des Zusammentreffens dieser Ursachen oder wegen mehr als einer derselben⁷⁸ –, so ergibt sich daraus nicht, daß sie [d. h. diese Bücher] für jemanden, der zur Vernunftüberlegung darüber geeignet ist, verboten werden sollen. Die Art des Schadens, die ihretwegen [d. h. der Bücher wegen] eintritt, ist etwas, das in akzidenteller und nicht in substantieller Weise erfolgt, und es besteht keine Verpfl ichtung, daß etwas, das von seiner Natur und seinem Wesen her

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nützlich ist, aufgegeben wird, weil darin in akzidenteller Weise ein Schaden vorhanden ist. Und deshalb sagte er [der Prophet] – der Friede sei mit ihm – zu einem, dem er befohlen hatte, seinem Bruder wegen dessen Durchfall Honig zu trinken zu geben, und dessen Durchfall zunahm, als er ihm Honig zu trinken gab, und der sich deshalb beklagte: »Gott hat die Wahrheit gesagt, aber der Bauch deines Bruders hat gelogen.«⁷⁹ Wir sagen sogar, daß jemand, der einem, der dazu befähigt ist, die Überlegung über die Bücher der Philosophie deshalb verwehrt, weil angenommen wird, daß einige verabscheuungswürdige Menschen aufgrund ihrer Überlegungen darüber in die Irre gegangen sind, vergleichbar ist mit jemand, der Durstigen das Trinken kühlen, erfrischenden Wassers verwehrt, bis sie vor Durst umkommen, weil es einige Menschen gab, die sich dabei verschluckt haben, so daß sie daran gestorben sind. Denn der Tod durch sich mit Wasser verschlucken ist eine akzidentelle Sache, wogegen [der Tod] durch Durst eine wesentliche und notwendige Sache ist. Und das, was bei dieser Kunst vorgekommen ist, ist etwas Akzidentelles, das [auch] bei den übrigen Künsten vorkommt. Für wie viele Rechtsgelehrte wurde das Recht eine Ursache für ihren Mangel an Enthaltsamkeit und ihr Eintauchen in die diesseitige Welt! Ja, wir finden sogar, daß die meisten der Rechtsgelehrten von dieser Art sind, während ihre Kunst in wesentlicher Weise die praktische Tugend erforderte. Daher liegt es nicht fern, daß auch bei der Kunst, die die wissenschaftliche Tugend erfordert, das vorkommt, was bei der Kunst vorkommt, die die praktische Tugend erfordert. (11) Da dies alles entschieden worden ist und da wir, die Gemeinschaft der Muslime, überzeugt sind, daß dieses unser göttliches Gesetz wahr ist und daß es auf diese Glückseligkeit⁸⁰ aufmerksam macht und zu ihr aufruft, die in der Erkenntnis Gottes – mächtig und gewaltig ist er – und seiner Schöpfung⁸¹ besteht, so ist gewiß für jeden Muslim entschieden, welcher der Weg der Zustimmung⁸² ist, den seine Veranlagung und seine Natur erfordert.

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Und dies ist so, weil die Naturanlagen der Menschen in Hinsicht auf die Zustimmung von verschiedener Güte sind. Unter ihnen gibt es solche, die aufgrund des Beweises zustimmen, und unter ihnen gibt es solche, die aufgrund dialektischer Reden⁸³ zustimmen, eine Zustimmung, die [aber] so ist wie die des Anhängers des Beweises aufgrund des Beweises, da es in ihren Naturanlagen nichts Größeres als dies gibt, und es gibt solche, die aufgrund rhetorischer Reden zustimmen, eine Zustimmung, die aber so ist wie die des Anhängers des Beweises aufgrund beweisender Reden.⁸⁴ Dies ist so, denn wenn dieses unser göttliches Gesetz die Menschen vermittels dieser drei Wege aufruft, dann wurde die Zustimmung zu ihm für jeden Menschen allgemein eingeführt, ausgenommen einer, der es mit seiner Zunge hartnäckig ablehnt oder für den darin [d. h. im Gesetz] keine Wege der Berufung zu Gott – erhabenen ist er – entschieden worden sind wegen seiner eigenen Vernachlässigung derselben.⁸⁵ Und deshalb wurde er [der Prophet] – der Friede sei mit ihm – auserwählt zur Sendung zu »den roten und den schwarzen«,⁸⁶ ich meine, weil sein Gesetz die [verschiedenen] Wege zur Berufung zu Gott – erhabenen ist er – enthält, und dies ist offenkundig in seinem Ausspruch: »Ruf (die Menschen) mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit ihm auf eine möglichst gute Art.« (XVI , 125)⁸⁷ (12) Da dieses Gesetz wahr ist und zur Vernunftüberlegung aufruft, die zur Erkenntnis der Wahrheit führt, wissen wir, die Gemeinschaft der Muslime, mit Bestimmtheit, daß die beweisende Überlegung nicht zu einem Widerspruch mit dem führt, was im Gesetz steht, da die Wahrheit der Wahrheit nicht entgegengesetzt ist, sondern mit ihr in Einklang steht und für sie Zeugnis ablegt.⁸⁸ (13) Da sich dies so verhält, wenn also die beweisende Überlegung zu irgendeiner Art der Erkenntnis irgendeines existierenden Dinges führt, dann kann dieses existierende Ding nicht ermangeln, daß es im Gesetz entweder mit Schweigen über-

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gangen oder darin zur Kenntnis gebracht wird.⁸⁹ Wenn zutriff t, daß es mit Schweigen übergangen wird, dann liegt hier kein Widerspruch vor, und dies entspricht der Stellung der gesetzlichen Bestimmungen, die mit Schweigen übergangen werden und die der Rechtsgelehrte mittels Rechts-Schlußfolgerungen herleitet.⁹⁰ Und wenn das Gesetz darüber spricht, dann kann der äußere Sinn⁹¹ des Ausspruchs nicht ermangeln, entweder mit dem übereinzustimmen, zu dem der Beweis führt, oder von ihm verschieden zu sein. Ist er [d. h. der äußere Sinn] übereinstimmend, so ist hier nichts weiter zu sagen. Ist er davon verschieden, dann wird hier seine Interpretation erforderlich. Der Sinn von Interpretation ist:⁹² das Herausholen der Bedeutung der Äußerung⁹³ aus der eigentlichen Bedeutung in die übertragene Bedeutung – ohne daß dabei gegen den Gebrauch der arabischen Sprache bei der übertragenen Rede verstoßen wird –, so wie bei der Benennung eines Dinges durch etwas, das ihm ähnlich ist, oder das seine Ursache ist, oder das seine Folge ist, oder das ihm angenähert ist, oder sonst etwas von den Dingen, die bei der Kennzeichnung der Arten der übertragenen Redeweise aufgezählt werden.⁹⁴ (14) Da der Rechtsgelehrte dies bei vielen gesetzentsprechenden Rechtsentscheidungen durchführt, um wie viel angemessener ist es, daß dies ein Angehöriger der Wissenschaft des Beweises durchführt. Der Rechtsgelehrte verfügt nur über eine Schlußfolgerung, die auf Vermutung beruht, während der [beweisend] Erkennende über eine Schlußfolgerung verfügt, die auf Gewißheit beruht.⁹⁵ Und wir behaupten nachdrücklich, daß bei all dem, wo der Beweis auf etwas hinführt, bei dem der äußere Sinn des Gesetzes davon verschieden ist, dieser äußere Sinn eine Interpretation gemäß der Regel der Interpretation im Arabischen⁹⁶ zuläßt. Kein Muslim bezweifelt diese Aussage und kein Gläubiger hat dabei Bedenken.⁹⁷ Die Zunahme der Gewißheit darüber ist erheblich bei jedem, der sich diesem Gedanken widmet und ihn erprobt und der das Ziel des Zusammenschlusses⁹⁸ von Ver-

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nunftgemäßem und Überliefertem⁹⁹ verfolgt. Wir sagen sogar, daß es keine Äußerung über irgendetwas im Gesetz gibt, die ihrem äußeren Sinn nach verschieden ist von dem, zu dem der Beweis hinführt, ohne daß dann, wenn das Gesetz in Betracht gezogen wird und die übrigen Teile desselben durchforscht werden, unter den Aussprüchen des Gesetzes etwas gefunden wird, das seinem äußeren Sinn nach die Interpretation bezeugt oder ihrer Bezeugung nahekommt.¹⁰⁰ Wegen dieses Gedankens sind die Muslime übereingekommen,¹⁰¹ daß es nicht verpfl ichtend ist, daß alle Aussprüche des Gesetzes ihrem äußeren Sinn nach aufgefaßt werden, und daß nicht alle von ihnen durch Interpretation aus ihrem äußeren Sinn herausgeholt werden, sie sind aber verschiedener Meinung¹⁰² darüber, welche von ihnen interpretiert und welche nicht interpretiert werden sollen. Die AšÝariten¹⁰³ zum Beispiel liefern eine Interpretation für den Vers über den Aufstieg [II , 29]¹⁰⁴ und die Überlieferung¹⁰⁵ über das Herabsteigen,¹⁰⁶ während die Hanbaliten¹⁰⁷ ihn seinem äußeren Sinn nach auffassen.¹⁰⁸ Der Grund für das Vorliegen eines äußeren und eines inneren Sinnes im Gesetz liegt in der Verschiedenheit der natürlichen Veranlagungen der Menschen und in der Unterschiedlichkeit ihrer Fähigkeiten zur Zustimmung. Und der Grund für das Vorliegen entgegengesetzter Äußerungen in ihm [d. h. dem Gesetz] liegt darin, daß die in der Wissenschaft Gefestigten auf die [Notwendigkeit einer] Interpretation aufmerksam gemacht werden, die zwischen ihnen [d. h. den Äußerungen] Übereinstimmung herstellt.¹⁰⁹ Auf diesen Gedanken deutet sein – erhabenen ist er – Hinweis in dem Ausspruch hin: »Er ist es, der die Schrift auf dich herabgesandt hat. Darin gibt es (eindeutig) bestimmte Verse« [usw.] bis zu seinem Ausspruch: »diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind« [III , 7].¹¹⁰ (15) Wenn nun jemand sagt: »Es gibt im Gesetz Dinge, bei denen die Muslime einen Konsens gebildet haben, daß sie entsprechend ihrem äußeren Sinn aufgefaßt werden, und Dinge, die entsprechend ihrer Interpretation aufgefaßt werden, und

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Dinge, bei denen sie verschiedener Meinung sind; ist es nun erlaubt, daß der Beweis bei etwas zu einer Interpretation führt, bei dem sie einen Konsens gebildet haben, es seinem äußeren Sinn nach aufzufassen, oder etwas seinem äußeren Sinn nach aufzufassen, bei dem sie einen Konsens gebildet haben, daß eine Interpretation vorgenommen werden soll?« Wir sagen: Wenn der Konsens aufgrund einer sicheren Methode feststeht, dann ist dies nicht rechtsgültig, wenn hingegen der Konsens darüber ein [nur] vermuteter ist, dann könnte dies rechtsgültig sein.¹¹¹ Und deshalb sagten Abū Hāmid,¹¹² Abū al-MaÝālī¹¹³ und andere in der Überlegung Hervorragende¹¹⁴ außer diesen beiden, daß jemand, der mit der Interpretation von Dingen wie diesen¹¹⁵ gegen den Konsens verstößt, nicht des Unglaubens¹¹⁶ bezichtigt werden darf. Was dir ein Hinweis darauf sein könnte, daß der Konsens bei theoretischen Angelegenheiten nicht mit einer sicheren Methode entschieden wird, so wie es möglich ist, daß er in praktischen Angelegenheiten entschieden wird,¹¹⁷ ist, daß es nicht möglich ist, daß der Konsens über eine bestimmte Frage in einer bestimmten Epoche entschieden wird, es sei denn, diese Epoche ist durch uns zeitlich festgelegt ¹¹⁸ und alle Gelehrten, die es in dieser Epoche gab, sind uns bekannt – ich meine, bekannt als Personen und in ihrer gesamten Anzahl –, und es ist uns über diese Frage die Lehre eines jeden einzelnen von ihnen in einer lückenlosen Tradition¹¹⁹ überliefert; und zu all dem muß für uns noch dazu gesichert sein,¹²⁰ daß die Gelehrten, die es in jener Periode gab, darin übereinstimmten, daß [bei dieser Frage] nicht ein äußerer und ein innerer Sinn im Gesetz vorliegt, und daß es verpfl ichtend ist, daß das Wissen über jede Frage vor niemandem verborgen werden darf ¹²¹ und daß es für das Gesetzeswissen für die Menschen nur eine Methode gibt.¹²² Es ist überliefert worden, daß viele jener des ersten Beginns [des Islam] die Ansicht zu vertreten pflegten, daß es im Gesetz einen äußeren und einen inneren Sinn gibt und daß es nicht verpfl ichtend ist, daß jemand den inneren Sinn kennt, der nicht zu

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den Leuten der Wissenschaft darüber gehört und der nicht in der Lage ist, ihn zu verstehen.¹²³ Al-Buiārī¹²⁴ zum Beispiel berichtet über ÝAlī ibn Abī Tālib¹²⁵ – möge Gott Wohlgefallen an ihm finden –, daß dieser sagte: »Sprecht zu den Menschen über das, was sie erkennen [können]. Wollt ihr, daß Gott und sein Gesandter der Lüge bezichtigt werden?«¹²⁶ und ähnliches dieser Art, das von einer Gruppe der frühen Anhänger [des Islam] berichtet wird. Wie könnte man sich vorstellen, daß uns ein Konsens über irgendeine der theoretischen Fragen überliefert ist, wenn wir doch mit Gewißheit wissen, daß nicht eine einzige der Epochen der Gelehrten ermangelt, die der Ansicht sind, daß es im Gesetz Dinge gibt, bei denen es nicht erwünscht ist, daß alle Menschen sie in ihrem wahren Sinn¹²⁷ kennen? Und dies ist so im Unterschied zu dem, was bei den praktischen Angelegenheiten geschieht, da alle Menschen der Ansicht sind, daß diese allen Menschen gleichermaßen enthüllt werden sollen, und für das Vorliegen eines Konsenses hierüber genügt es uns, daß die Frage weit verbreitet ist und daß uns darüber keine Meinungsverschiedenheit überliefert ist. Dies ist nun ausreichend für das Vorliegen eines Konsenses bei den praktischen Angelegenheiten im Unterschied zu der Sachlage bei den wissenschaftlichen Angelegenheiten. (16) Und wenn du sagtest: Wenn es nicht verpfl ichtend ist, jemand, der bei der Interpretation gegen den Konsens verstößt, des Unglaubens zu bezichtigen, weil diesbezüglich ein Konsens nicht vorstellbar ist, was sagst du dann über die Philosophen unter den Anhängern des Islam wie Abū Nasr¹²⁸ und Ibn Sīnā?¹²⁹ Denn Abū Hāmid¹³⁰ hat in seinem berühmten Buch Die Inkohärenz beide mit Entschiedenheit des Unglaubens bei drei Fragen bezichtigt:¹³¹ bei der Aussage über die Ewigkeit der Welt, [bei der Frage] ob er – erhaben ist er – die Einzeldinge nicht erkennt – erhaben ist er darüber –, und bei der Interpretation dessen, was darin [d. h. im Gesetz] über die Auferstehung der Körper¹³² und über den Zustand¹³³ des künftigen Lebens steht. Wir sagen: Der offenkundige Sinn seiner Aussage darüber ist

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der, daß er [d. h. Abū Hāmid] diese beiden diesbezüglich nicht mit Entschiedenheit des Unglaubens bezichtigt, da er in dem Buch Die Unterscheidung erklärt hat, daß die Bezichtigung des Unglaubens wegen Verletzung des Konsenses [nur] eine Möglichkeit ¹³⁴ darstellt.¹³⁵ Und es ist aus dem von uns Gesagten klar, daß es nicht möglich ist, daß bei Fragen wie diesen ein Konsens zur Entscheidung gebracht werden kann, weil von vielen der frühen Anhänger [des Islam], ganz zu schweigen von anderen außer ihnen, berichtet wird, [daß sie der Meinung waren], daß es Interpretationen gibt, bei denen es nicht verpfl ichtend ist, daß sie offen ausgesprochen werden, außer vor den Leuten der Inter pretation.¹³⁶ Dies sind »diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind« – denn wir bevorzugen, bei diesem seinem – erhaben ist er – Aussspruch bei »diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind« [III , 7] Halt zu machen.¹³⁷ Wenn also die Leute der Wissenschaft die Interpretation nicht kennen würden, so hätten sie keinen Vorzug der Zustimmung, der sie zu einem Glauben¹³⁸ verpfl ichten würde, der bei denen, die nicht Leute der Wissenschaft sind, nicht gefunden wird. Gott hat sie schon als die an ihn Glaubenden gekennzeichnet, und dies wird nur jenem Glauben zugeschrieben, der aufgrund des Beweises zustandekommt, und dieser [Glaube]¹³⁹ ergibt sich nur zusammen mit der Wissenschaft der Interpretation.¹⁴⁰ Jene Gläubigen, die nicht Leute der Wissenschaft sind, sind Leute, deren Glaube daran¹⁴¹ nicht aufgrund des Beweises zustandekommt. Wenn daher jener Glaube, durch den Gott die Gelehrten gekennzeichnet hat, ihnen eigentümlich ist, dann ist es verpfl ichtend, daß er durch Beweis zustandekommt, und wenn er durch Beweis zustandekommt, dann kommt er ausschließlich zusammen mit der Wissenschaft der Interpretation zustande. Denn Gott – erhaben ist er – hat schon verkündet, daß es dafür¹⁴² eine Interpretation gibt, die die Wahrheit ist, und der Beweis liegt nur dann vor, wenn er zur Wahrheit führt. Und wenn sich dies so verhält, dann ist es nicht möglich, daß

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bei den Interpretationen, durch die Gott die Gelehrten ausgezeichnet hat, ein vollständiger Konsens zur Entscheidung gebracht wird, und dies ist von sich aus für jeden richtig Denkenden klar.¹⁴³ (17) Und überdies sind wir der Ansicht, daß Abū Hāmid in Hinsicht auf die peripatetischen Philosophen¹⁴⁴ einen Irrtum begangen hat, insofern er sie bezichtigte, gesagt zu haben, daß er – heilig und erhaben ist er – die Einzeldinge ganz und gar nicht erkenne.¹⁴⁵ Sie sind vielmehr der Ansicht, daß er – erhaben ist er – sie mit einer Erkenntnis¹⁴⁶ erkennt, die unserer Erkenntnis derselben [d. h. der Einzeldinge] unähnlich ist. Und dies ist deshalb so, weil unsere Erkenntnis derselben eine Wirkung des erkannten Dinges ist, so daß sie [d. h. die Erkenntnis] hervorgebracht wird, wenn dieses [d. h. das Ding] hervorgebracht wird, und sich verändert, wenn dieses sich verändert. Und die Erkenntnis, die Gott – gepriesen sei er – von der Existenz hat, ist das Gegenteil davon, sie ist nämlich die Ursache des erkannten Dinges, das das existierende Ding ist.¹⁴⁷ Wer somit die eine der beiden Erkenntnisweisen mit der anderen in eine Ähnlichkeit setzt,¹⁴⁸ der setzt die Wesenheiten von Entgegengesetzten und deren besondere Eigenschaften in eins, und dies ist der höchste Grad der Unwissenheit.¹⁴⁹ Wenn der Name »Erkenntnis« von der hervorgebrachten Erkenntnis und von der ewigen ausgesagt wird, dann wird dies mit der bloßen Gemeinsamkeit des Namens ausgesagt,¹⁵⁰ so wie viele Namen von Entgegengesetzten ausgesagt werden, wie zum Beispiel al-falal [»gewaltig«] von Großem und Kleinem ausgesagt wird und as-sarim [»abtrennend«] von Licht und Finsternis ausgesagt wird. Und deshalb gibt es hier keine Definition,¹⁵¹ die beide Erkenntnisweisen gemeinsam umfaßt, so wie es sich die Theologen unserer Zeit einbilden. Wir haben dieser Frage schon eine Abhandlung gewidmet, zu der wir von einigen unserer Gefährten veranlaßt wurden.¹⁵² Wie kann man sich einbilden, daß die Peripatetiker sagen, daß er – gepriesen sei er – die Einzeldinge nicht mit einer ewigen Er-

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kenntnis erkennt, wenn sie doch die Ansicht vertreten, daß das wahre Traumgesicht Ankündigungen von Einzeldingen enthält, die in zukünftiger Zeit geschehen werden, und daß diese ankündigende Erkenntnis sich im Menschen während des Schlafes ereignet ¹⁵³ aufgrund der ewigen Erkenntnis, die alles leitet und Macht über es hat? Und sie sind der Ansicht, daß er nicht nur die Einzeldinge nicht in der Weise erkennt, wie wir sie erkennen, sondern [daß er] auch die Allgemeinbegriffe [nicht so erkennt wie wir], da die von uns erkannten Allgemeinbegriffe ebenfalls durch die Natur des existierenden Dinges verursacht sind, während die Sache bei dieser [seiner] Erkenntnis sich umgekehrt verhält. Und deshalb ist das, wozu der Beweis geführt hat, das, daß diese [seine] Erkenntnis erhaben ist darüber, durch »allgemein« oder »partikulär« beschrieben zu werden.¹⁵⁴ Und so macht die Meinungsverschiedenheit über diese Frage keinen Sinn, ich meine, sie [d. h. die Philosophen] des Unglaubens oder des Nicht-Unglaubens zu bezichtigen. (18) Was die Frage der Ewigkeit der Welt oder ihr [zeitliches] Hervorgebrachtsein betriff t,¹⁵⁵ so ist meiner Meinung nach die Meinungsverschiedenheit darüber zwischen den Theologen der AšÝariten und den alten Philosophen beinahe nur auf eine Meinungsverschiedenheit über die Benennung zurückzuführen,¹⁵⁶ besonders in Hinsicht auf einige der Alten. Und dies ist so, weil sie darin übereinstimmen, daß es drei Arten von existierenden Dingen gibt, zwei extreme und eine mittlere zwischen den beiden Extremen. Und sie stimmen bei der Benennung der beiden Extreme überein, sind jedoch verschiedener Meinung bei der mittleren. Eines der Extreme ist ein existierendes Ding, das aus etwas anderem als aus sich selbst existiert und durch etwas, ich meine durch eine Wirkursache¹⁵⁷ und aus einer Materie,¹⁵⁸ und die Zeitdauer geht ihm – ich meine seiner Existenz – voraus. Und dies ist der Fall bei dem Zustand der Körper, deren Entstehung durch Sinneswahrnehmung erfaßt wird, wie zum Beispiel die Entstehung des Wassers, der Luft, der Erde, der Lebewesen, der

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Pflanzen und anderer mehr.¹⁵⁹ Und die Gesamtheit der Alten und der AšÝariten stimmen in der Benennung dieser Art von exisitierenden Dingen mit »hervorgebracht« überein. Das diesem entgegengesetzte Extrem ist ein Existierendes, das nicht aus etwas und durch etwas ist und dem keine Zeitdauer vorausgeht, und auch bei diesem stimmt die Gesamtheit der beiden Gruppen in der Benennung »ewig« überein. Und dieses Existierende wird durch den Beweis erfaßt,¹⁶⁰ und dieses ist Gott – gesegnet und erhaben ist er –, der der Bewirker von allem und von dessen Existenz ist, und der sein Erhalter¹⁶¹ ist – Preis sei ihm und erhaben ist sein Rang. Die Art von Existierendem, die zwischen diesen beiden Extremen liegt, ist ein Existierendes, das nicht aus etwas ist und dem keine Zeitdauer vorausgeht, dessen Existenz aber durch etwas ist – ich meine damit: durch einen Bewirker –, und dies ist die Welt in ihrer Gesamtheit. Alle stimmen bezüglich des Vorhandenseins dieser drei Eigenschaften¹⁶² der Welt überein.¹⁶³ Die Theologen lassen gelten, daß ihr keine Zeitdauer vorausgeht – beziehungsweise müssen sie dies [annehmen], weil die Zeitdauer für sie etwas ist, das mit den Bewegungen und den Körpern verbunden ist. Und sie stimmen mit den Alten [Philosophen] auch darin überein, daß die zukünftige Zeitdauer unbegrenzt ist und ebenso die zukünftige Existenz. Sie sind nur verschiedener Meinung in Hinsicht auf die vergangene Zeitdauer und die vergangene Existenz. Denn die Theologen sind der Ansicht, daß sie begrenzt ist, und dies ist die Lehre Platos¹⁶⁴ und seiner Anhängerschaft, während Aristoteles und seine Gruppe der Ansicht sind, daß sie unbegrenzt ist, so wie dies der Fall bei der Zukunft ist.¹⁶⁵ (19) Somit ist die Sache bei diesem anderen [d. h. dem zuletztgenannten] existierenden Ding klar, daß es [einerseits] eine Ähnlichkeit mit dem wirklich entstandenen Existierenden aufweist und [andererseits eine Ähnlichkeit mit] dem ewig Existierenden. Wer also mehr beeindruckt ist von der Ähnlichkeit mit dem Ewigen als von der Ähnlichkeit mit dem Hervorgebrach-

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ten, der nennt es »ewig«, wer aber mehr beeindruckt ist von der Ähnlichkeit mit dem Hervorgebrachten, der nennt es »hervorgebracht«, in Wahrheit aber ist es weder wirklich hervorgebracht noch auch wirklich ewig, denn das wirklich Hervorgebrachte ist notwendigerweise vergänglich,¹⁶⁶ und das wirklich Ewige hat keine Ursache. Unter ihnen gibt es auch die, die es »auf immerwährend hervorgebracht«¹⁶⁷ nennen, und dies sind Plato und seine Anhänger, weil ihrer Auffassung nach die Zeitdauer in Hinsicht auf das Vergangene begrenzt ist. (20) Die Lehren über die Welt sind somit nicht ganz und gar voneinander entfernt, so daß einige [Anhänger] von ihnen des Unglaubens bezichtigt werden sollten und andere nicht des Unglaubens bezichtigt werden sollten. Denn sicher ist es für Auffassungen,¹⁶⁸ bei denen sich diese Sache so verhält, erforderlich, daß sie in höchstem Maß voneinander entfernt sind – ich meine damit, daß sie einander entgegengesetzt sind –, so wie es die Theologen bezüglich dieser Frage meinen, ich meine damit, daß der Name »Ewigkeit« und der von »Hervorgebrachtsein« bezüglich der Welt als ganzer zu den Entgegengesetzten gehören. Aus dem von uns Gesagten ist es schon klar, daß sich die Sache nicht so verhält.¹⁶⁹ (21) Zu all dem kommt noch hinzu, daß diese Auffassungen über die Welt nicht dem äußeren Sinn des Gesetzes entsprechen, denn wenn der äußere Sinn des Gesetzes erforscht wird, dann wird aus den darin stehenden Versen, die den Bericht über die Entstehung¹⁷⁰ der Welt enthalten, deutlich, daß ihre Form¹⁷¹ in Wahrheit hervorgebracht ist, aber das Sein selbst und die Zeitdauer an beiden Extremen kontinuierlich fortgesetzt ist,¹⁷² ich meine damit, daß sie nicht aufhören.¹⁷³ Und dies, weil sein – erhaben ist er – Ausspruch: »Er ist es, der Himmel und Erde in sechs Tagen geschaffen hat, während sein Th ron (bis dahin) über den Wassern schwebte« [XI , 7] seinem äußeren Sinn nach fordert, daß es ein Existierendes vor diesem Existierenden gab, und dieses ist der Th ron und das Wasser, und eine Zeitdauer vor dieser Zeitdauer, ich meine, eine die mit der Form dieses Existie-

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renden, die die Maßzahl der Bewegung¹⁷⁴ der Himmelssphäre ist,¹⁷⁵ verbunden ist. Und auch sein – erhaben ist er – Ausspruch: »(Er wird seine Drohung wahr machen) am Tag, da die Erde gegen eine andere eingetauscht wird und (ebenso) die Himmel« [XIV, 48] fordert seinem äußeren Sinn nach, daß es ein zweites Existierendes nach diesem Existierenden gibt. Und sein – erhaben ist er – Ausspruch: »Hierauf richtete er sich zum Himmel auf, der (damals noch) aus (formlosem) Rauch bestand« [XLI , 11] fordert seinem äußeren Sinn nach, daß die Himmel aus etwas erschaffen wurden.¹⁷⁶ (22) Auch in ihrer Aussage über die Welt entsprechen die Theologen nicht dem äußeren Sinn des Gesetzes, sondern interpretieren ihn.¹⁷⁷ Denn im Gesetz steht nicht, daß Gott zusammen mit dem reinen Nichtsein existierte, und es findet sich auch niemals ein Text dazu darin [d. h. im Gesetz]. Wie soll man sich also bei der Interpretation dieser Verse durch die Theologen vorstellen, daß sich ein Konsens darüber ergibt, wenn der äußere Sinn über die Existenz der Welt, den wir aus dem Gesetz festgestellt haben, auch schon von einer Gruppe der Philosophen festgestellt wurde?¹⁷⁸ (23) Es scheint, daß jene, die hinsichtlich der Interpretation dieser schwierigen Fragen verschiedener Meinung sind, entweder das Richtige getroffen haben und belohnt werden oder einen Irrtum begangen haben und entschuldigt werden sollen.¹⁷⁹ Denn die Zustimmung zu etwas aufgrund eines Hinweises, der in der Seele auftritt, ist etwas Zwangsläufiges, nicht etwas Freiwilliges,¹⁸⁰ ich meine damit, daß es nicht an uns liegt, nicht zuzustimmen oder zuzustimmen, so wie es an uns liegt, aufzustehen oder nicht aufzustehen. Und wenn die Voraussetzung der Rechtsverpfl ichtung¹⁸¹ die freie Wahl¹⁸² ist, dann soll jemand, der einem Irrtum wegen einer Unklarheit,¹⁸³ die dabei auftritt, zustimmt, entschuldigt werden, wenn er zu den Leuten der Wissenschaft gehört. Und deshalb sagt er – der Friede sei mit ihm – : »Wenn der Richter sich angestrengt ¹⁸⁴ hat und er das Richtige triff t, dann wird er eine zweifache Belohnung er-

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halten, und wenn er einen Irrtum begeht, wird er eine einfache [Belohnung] erhalten.«¹⁸⁵ Wer ist nun ein größerer Richter als jener, der über die Existenz urteilt, ob es sich also so verhält oder nicht so verhält? Und diese Richter sind die Gelehrten, die Gott für die Interpretation [des Gesetzes] auserwählt hat, und der Irrtum, der entsprechend dem Gesetz vergeben wird, ist nur jener Irrtum, der bei Gelehrten vorkommt, wenn sie die schwierigen Dinge überlegen, deren Überlegung ihnen das Gesetz übertragen hat. (24) Der Irrtum, der von irgendeiner anderen Art von Menschen herkommt, ist reine Sünde, ganz gleich ob es ein Irrtum in theoretischen oder in praktischen Angelegenheiten ist. Und so wie der Richter, der unwissend in Hinsicht auf die Überlieferung¹⁸⁶ ist, nicht entschuldigt wird, wenn er bei einem Urteil einen Irrtum begeht, genauso wird der Richter über die existierenden Dinge dann, wenn bei ihm die Voraussetzungen für das Urteil nicht vorhanden sind, nicht entschuldigt, vielmehr ist er entweder ein Sünder oder ein Ungläubiger.¹⁸⁷ Und wenn bei dem Richter über Erlaubtes oder Verbotenes vorausgesetzt wird, daß bei ihm die Grundlagen für eine selbständige Urteilsbildung¹⁸⁸ zusammentreffen – und dies ist die Kenntnis der Grundsätze¹⁸⁹ und die Kenntnis der Ableitung aus diesen Grundsätzen durch Schlußfolgerung –, um wie viel angemessener ist es dann, daß dies beim Richter über die existierenden Dinge vorausgesetzt wird, ich meine damit, daß er die Vernunftgrundsätze¹⁹⁰ und die Methode der Ableitung daraus kennt. (25) Insgesamt gibt es zwei Arten des Irrtums in Hinsicht auf das Gesetz: Entweder ist es ein Irrtum, der entschuldigt wird bei einem, der zu den Leuten der Überlegung über die Sache gehört, bei der der Irrtum vorkommt, so wie der erfahrene Arzt entschuldigt wird, wenn er einen Irrtum in der Kunst der Medizin begeht, oder der erfahrene Richter, wenn er einen Irrtum bei einem Urteil begeht. Nicht entschuldigt aber wird einer, der nicht zu den Leuten dieser Sache gehört.

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Oder es ist ein Irrtum, der bei keinem einzigen Menschen entschuldigt wird, der vielmehr, wenn er bei den Grundsätzen¹⁹¹ des Gesetzes vorkommt, Unglaube ist, und wenn er bei etwas vorkommt, das aus den Grundsätzen abgeleitet ist, eine unzulässige Neuerung ist.¹⁹² (26) Dieser Irrtum ist genau jener Irrtum, der bei Dingen vorkommt, zu deren Erkenntnis alle Arten von Methoden¹⁹³ [der Verwendung] der Hinweise führt, und deshalb ist die Erkenntnis dieser Sache von dieser Seite her für alle [Menschen] möglich. Und dies ist zum Beispiel die Anerkennung [der Existenz] Gottes – gesegnet und erhabenen ist er –, der prophetischen Sendungen und der jenseitigen Glückseligkeit und des jenseitigen Elends.¹⁹⁴ Dies ist so, weil zu diesen drei Grundsätzen die drei [d. h. jede der drei] Arten von Hinweisen hinführen,¹⁹⁵ deren kein Mensch zur Erteilung der Zustimmung zu dem ermangelt,¹⁹⁶ dessen Erkenntnis ihm aufgetragen wurde, ich meine die rhetorischen, dialektischen und beweishaften Hinweise. Wer Dinge wie diese bestreitet, wenn sie eines der Grundsätze des Gesetzes sind, der ist ein Ungläubiger, der sich mit seiner Zunge, wenn auch nicht mit seinem Herzen hartnäckig widersetzt,¹⁹⁷ oder [der sich widersetzt] aufgrund seiner Nachlässigkeit, seine Aufmerksamkeit auf die Erkenntnis des Hinweises auf sie [d. h. die Grundsätze] zu richten, denn wenn er zu den Leuten des Beweises gehört, wurde ihm durch den Beweis ein Weg zur Zustimmung eingerichtet, und wenn er zu den Leuten der Dialektik gehört, dann durch die Dialektik, und wenn er zu den Leuten der [Zuhörer der] Predigt gehört, dann durch die Predigt. Deshalb sagte er – der Friede sei mit ihm –: »Es wurde mir befohlen, die Leute zu bekämpfen, bis sie sagen: ›Es gibt keinen Gott außer Allāh‹¹⁹⁸ und sie mir glauben«,¹⁹⁹ er will damit [sagen]: durch welche der Methoden der drei Glaubenswege auch immer, die ihnen entspricht. (27) Was die Dinge betriff t, die wegen ihrer Verborgenheit nur durch den Beweis erkannt werden können, war Gott so gütig zu seinen Dienern, für die es wegen ihrer natürlichen Veran-

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lagungen oder wegen ihrer Gebräuche, oder wegen des Mangels der Mittel zur Erlangung der Unterweisung keinen Pfad zum Beweis gibt, daß er für sie Bilder ²⁰⁰ und Gleichnisse²⁰¹ derselben [d. h. der verborgenen Dinge] formte und sie zur Zustimmung aufgrund jener Bilder aufrief, da jene Bilder es ermöglichen, daß die Zustimmung aufgrund der Hinweise erfolgt, die allen gemeinsam sind, ich meine der dialektischen und der rhetorischen. Und dies ist der Grund, warum das Gesetz in einen äußeren und einen inneren Sinn aufgeteilt ist.²⁰² Denn der äußere Sinn besteht aus jenen Bildern, die für diese Bedeutungen geformt sind, und der innere Sinn besteht aus jenen Bedeutungen, die sich nur den Leuten des Beweises enthüllen. Und diese [Bilder und Bedeutungen] sind die vier oder fünf Arten von existierenden Dingen, die Abū Hāmid im Buch Die Unterscheidung auff ührt.²⁰³ (28) Wenn es, wie wir gesagt haben, zutriff t, daß wir eine Sache in sich selbst mit Hilfe der drei Methoden erkennen, dann brauchen wir für sie nicht ein Bild zu formen, und wenn sie sich in ihrem äußeren Sinn darstellt, führt zu ihr keine Interpretation. Wenn diese Art des äußeren Sinnes die Grundsätze betriff t, dann ist einer, der ihn interpretiert, ein Ungläubiger, so wie zum Beispiel jemand, der glaubt, daß es keine jenseitige Glückseligkeit und kein [jenseitiges] Elend gibt und daß mit dieser Aussage nur angezielt wird, die Menschen untereinander in Hinsicht auf ihre Körper und ihre Sinnesempfindungen unversehrt zu bewahren, und daß dies ein Kunstgriff ²⁰⁴ ist und daß das Ziel des Menschen nur seine sinnliche Existenz ist.²⁰⁵ (29) Wenn dies für dich entschieden worden ist, dann ist es für dich aus dem von uns Gesagten offenkundig, daß es einen äußeren Sinn [bestimmter Stellen] des Gesetzes gibt, dessen Interpretation nicht erlaubt ist, und es dann, wenn seine Interpretation bei Grundsätzen vorgenommen wird, dies Unglaube ist und es bei etwas, das nach den Grundsätzen kommt,²⁰⁶ eine unzulässige Neuerung ist. Und es gibt auch einen äußeren Sinn, bei dem für die Leute des Beweises die Interpretation verpfl ichtend

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ist und bei dem es für sie Unglaube ist, ihn nach seinem äußeren Sinn aufzufassen, während die Interpretation und das Abgehen vom äußeren Sinn für jene, die nicht Leute des Beweises sind, Unglaube oder eine unzulässige Neuerung ihrerseits ist. (30) Zu dieser Art gehört der Vers über den Aufstieg [Gottes in den Himmel] und die Überlieferung ²⁰⁷ über den Abstieg.²⁰⁸ Deshalb sagte er – der Friede sei mit ihm – über die schwarze [Frau], als sie ihm verkündete, daß Gott im Himmel war: »Setze sie in Freiheit, denn sie ist wahrlich eine Gläubige«,²⁰⁹ denn sie gehörte nicht zu den Leuten des Beweises. Und der Grund dafür ist, daß es für die Art von Menschen, die zur Zustimmung nur aufgrund der Vorstellung ²¹⁰ gelangen – ich meine damit, daß diese einer Sache nur dann zustimmen, wenn sie sich diese vorstellen können –, schwierig ist, die Zustimmung zu einem Ding zu geben, wenn es nicht mit einem vorstellbaren Ding in Beziehung steht. Dies triff t auch auf jene zu, die diese Beziehung nur als den Ort [Gottes] verstehen, und dies sind jene, die in der Überlegung über den Glauben²¹¹ der Körperlichkeit ein wenig über die Stufe der ersten Art hinausgegangen sind.²¹² Und daher ist die Antwort auf jene über ähnliche [Verse] wie diese, daß sie zu den dunklen Stellen²¹³ gehören und daß der Haltepunkt in seinem – erhaben ist er – Ausspruch [hier] ist: »Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Gott.« [III , 7]²¹⁴ Die Leute des Beweises stimmen in Hinsicht auf diese Art [von Versen] darin untereinander überein, daß sie zu jenen gehören, die interpretiert werden müssen, sie sind aber vielleicht ²¹⁵ verschiedener Meinung in Hinsicht auf ihre [d. h. dieser Art von Versen] Interpretation, und dies wegen der Stufe der Erkenntnis des Beweises, die jeder einzelne einnimmt. (31) Es gibt eine dritte Art [von Versen] im Gesetz, die zwischen diesen beiden Arten [hin und her] schwankt und bei der ein Zweifel auftritt. Eine Gruppe von jenen, die sich mit der Vernunftüberlegung beschäftigen, schließen sie [d. h. diese Art von Versen] an den äußeren Sinn an, bei dem eine Interpretation

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nicht erlaubt ist, und andere schließen ihn an den inneren Sinn an, bei dem es den Gelehrten nicht erlaubt ist, ihn nach dem äußeren Sinn aufzufassen. Und dies ist so wegen der Schwierigkeit und Dunkelheit dieser Art [von Versen]. Und wer dabei einen Irrtum begeht, der soll entschuldigt werden, ich meine, wenn er zu den Gelehrten gehört. (32) Wenn gesagt wird: Wenn es klar ist, daß es im Gesetz diesbezüglich drei Stufen gibt, auf welche der drei Stufen gehört dann eurer Meinung nach das, was darin über die Merkmale des zukünftigen Lebens²¹⁶ und seine Zustände steht? Dann sagen wir: Bezüglich dieser Frage ist es eine klare Angelegenheit, daß sie [d. h. diese Frage] zu jener Art gehört, bei der es Meinungsverschiedenheiten gibt. Und dies ist so, weil wir eine Gruppe, die für sich den Beweis beansprucht, sehen, die sagt, daß es verpfl ichtend sei, sie [d. h. diese Merkmale] ihrem äußeren Sinn nach aufzufassen, da es keinen Beweis gibt, der zur Unmöglichkeit des äußeren Sinnes führt, und dies ist die Methode der AšÝariten.²¹⁷ Eine andere Gruppe von denen, die sich auch mit dem Beweis beschäftigen, interpretieren sie [d. h. diese Merkmale], sie unterscheiden sich aber untereinander erheblich in deren Interpretation. Und zu dieser Art ²¹⁸ wird Abū Hāmid gezählt und viele der Sūfīs.²¹⁹ Und unter ihnen gibt es auch solche, die beide Interpretationen verbinden, so wie dies Abū Hāmid in einigen seiner Bücher tut.²²⁰ (33) Es scheint, daß dann, wenn einer der Gelehrten einen Irrtum in Hinsicht auf diese Frage begeht, er entschuldigt wird, wenn er aber das Richtige triff t, er Dank oder Belohnung erhält, und dies dann, wenn er die Existenz [des zukünftigen Lebens] anerkennt und er sie in irgendeiner Interpretationsweise interpretiert, die nicht zur Verneinung von dessen Existenz führt. Und nur die diesbezügliche Leugnung der Existenz ist Unglaube, weil dies einen der Grundsätze des Gesetzes betriff t und es etwas ist, zu dem die Zustimmung erteilt wird mit Hilfe der drei Methoden, die »den roten und den schwarzen« gemeinsam sind.²²¹

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(34) Gehört jemand nicht zu den Leuten der Wissenschaft, so besteht für ihn die Verpfl ichtung, sie [d. h. die Merkmale des künftigen Lebens] nach ihrem äußeren Sinn aufzufassen, ihre Interpretation durch ihn ist Unglaube, da sie zu Unglauben führt. Und deshalb sind wir der Ansicht, daß für jeden der Menschen, deren Pfl icht ²²² der Glaube an den äußeren Sinn ist, die Interpretation durch ihn Unglaube ist, da er zu Unglauben führt, und wenn einer der Leute der Interpretation diese ihm enthüllt, dann ruft er ihn zum Unglauben auf, und einer, der zum Unglauben aufruft, ist [selbst] ein Ungläubiger. (35) Deshalb ist es verpfl ichtend, daß die Interpretationen nur in Büchern niedergelegt werden, die mit Beweisen arbeiten, denn wenn sie in Büchern stehen, die mit Beweisen arbeiten, dann gelangen nur jene zu ihnen, die zu den Leuten des Beweises gehören.²²³ Wenn sie hingegen in anderen Büchern als solchen, die mit dem Beweis arbeiten, niedergelegt werden, und in denen poetische und rhetorische oder dialektische Methoden verwendet werden, so wie Abū Hāmid dies macht,²²⁴ so ist dies ein Fehler gegenüber dem Gesetz und gegenüber der Philosophie. Der Mann strebte nur Gutes an, und dies, indem er wünschte, daß dadurch die Zahl der Leute der Wissenschaft zunähme, aber es nahm dadurch die Zahl der Leute der Verderbtheit ²²⁵ zu, nicht [ganz] ohne Zunahme der Leute der Wissenschaft.²²⁶ Und dadurch gelangte eine Gruppe dazu, die Philosophie anzuschwärzen, eine andere Gruppe dazu, das Gesetz anzuschwärzen, und eine Gruppe zur Verbindung von beiden.²²⁷ Und es scheint, daß dies eines der Ziele seiner Bücher war. Ein Hinweis darauf, daß er damit die Gemüter ²²⁸ darauf aufmerksam zu machen wünschte, ist, daß er in seinen Büchern nicht einer bestimmten einzelnen Schule anhing, sondern daß er mit den AšÝariten ein AšÝarit, mit den Sūfīs ein Sūfī und mit den Philosophen ein Philosoph war,²²⁹ so als ob von ihm gesagt würde: An einem Tag [bin ich] Jemenit, wenn ich jemand aus Jemen treffe,

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Und wenn ich einen MaÝadditen treffe, dann bin ich ein Adnānit.²³⁰ (36) Was für die Imame der Muslime verpfl ichtend ist, ist, daß sie von seinen Büchern jene verbieten, die Wissenschaft enthalten, außer für jene, die zu den Leuten der Wissenschaft gehören, so wie es für sie ebenso verpfl ichtend ist, daß sie für jene, die nicht zu den Leuten derselben [d. h. der Wissenschaft] gehören, die Bücher verbieten, die mit Beweisen arbeiten. Allerdings ist der Schaden, der die Menschen durch die Bücher triff t, die mit Beweisen arbeiten, leichter, denn meist beschäftigen sich nur Leute mit hervorragenden natürlichen Veranlagungen mit Büchern, die mit Beweisen arbeiten, und diese Art [von Menschen] kommt nur wegen des Mangels an praktischer Tüchtigkeit zu Schaden sowie durch Lektüre ohne Ordnung und dadurch, daß sie diese [Bücher] ohne einen Lehrer [in Angriff ] nimmt.²³¹ Sie [diese Bücher] aber ganz und gar zu verbieten verhindert das, wozu das Gesetz aufruft, weil dies der hervorragendsten Art von Menschen und der hervorragendsten Art der existierenden Dinge ein Unrecht ²³² zufügt. Denn die Gerechtigkeit ²³³ gegenüber der hervorragendsten Art der existierenden Dinge besteht darin, daß jene sie in ihrem höchsten Grad erkennen, die im höchsten Grad für ihre Erkenntnis vorbereitet sind, und diese stellen die hervorragendste Art von Menschen dar. Denn je größer der Wert eines existierenden Dinges ist, desto größer ist der Frevel ihm gegenüber, der in der Unkenntnis von ihm besteht. Und deshalb sagte er – erhaben ist er –: »Geselle (dem einen) Gott nicht (andere Götter) bei! (Ihm andere Götter) beigesellen ist ein gewaltiger Frevel.« [X X XI , 13]²³⁴ (37) Dieses ist es also, wovon wir der Ansicht waren, daß es in Hinsicht auf diese Art der Überlegung niedergelegt werden sollte, ich meine damit die Diskussion zwischen dem Gesetz und der Philosophie und die Rechtsbewertungen²³⁵ der Interpretation in Hinsicht auf das Gesetz. Wäre dies nicht bei den Menschen weit verbreitet und wären diese Fragen, die wir erwähnt haben, nicht weit verbreitet, hätten wir es nicht als erlaubt erach-

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tet, darüber [auch nur] einen Buchstaben zu schreiben, und wir müßten uns nicht bei den Leuten der Interpretation dafür entschuldigen, weil die Angelegenheit dieser Fragen so ist, daß sie [nur] in Büchern erwähnt werden soll, die mit Beweisen arbeiten. Gott ist es, der führt und für das Rechte Erfolg verleiht. (38) Du mußt wissen, daß das vom Gesetz Angezielte ausschließlich das Lehren des wahren Wissens und des wahren Handelns ist. Und das wahre Wissen ist die Erkenntnis Gottes – gesegnet und erhaben ist er – und aller existierenden Dinge, wie sie sind, und besonders der hervorragenden²³⁶ unter ihnen und die Erkenntnis der jenseitigen Glückseligkeit und des jenseitigen Elends. Und das wahre Handeln besteht im gehorsamen²³⁷ Ausführen der Handlungen, die zur Glückseligkeit führen, und im Vermeiden der Handlungen, die zum Elend führen,²³⁸ und die Erkenntnis dieser Handlungen ist jene, die »praktische Wissenschaft« genannt wird.²³⁹ Diese [Handlungen] werden in zwei Teile eingeteilt. Die eine betriff t die äußeren, körperlichen Handlungen, und die Wissenschaft von diesen ist jene, die »Rechtswissenschaft« genannt wird.²⁴⁰ Und der zweite Teil betriff t die seelischen Handlungen, wie zum Beispiel die Dankbarkeit, die Geduld und weitere sittliche Haltungen,²⁴¹ zu denen das Gesetz aufruft oder die es verbietet, und die Wissenschaft von diesen ist jene, die »Asketik«²⁴² und »Wissenschaften des Jenseits« genannt wird. Dieser [Wissenschaft] wandte sich Abū Hāmid in seinem Buch zu, und weil die Menschen sich von dieser Art [der Handlungen] abgewandt und sich ganz der zweiten [d. h. der anderen]²⁴³ Art ergeben hatten, obwohl diese Art [d. h. die Asketik] für die Frömmigkeit,²⁴⁴ die die Ursache der Glückseligkeit ist, wichtiger ist, nannte er sein Buch Die Wiederbelebung der Wissenschaften der Religion.²⁴⁵ Wir sind aber von unserem Weg abgewichen, also wollen wir auf ihn zurückkehren. (39) Wir sagen: Da das vom Gesetz Angezielte die Unterweisung im wahren Wissen und im wahren Handeln ist und da die

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Unterweisung in zwei Arten besteht, nämlich in Begriffsbildung und in [der Hervorbringung] der Zustimmung,²⁴⁶ so wie dies die Leute der Wissenschaft der Theologie²⁴⁷ erklärt haben, und da es für die Menschen drei Methoden [der Hervorbringung] der Zustimmung gibt – beweishaft, dialektisch und rhetorisch – und zwei Methoden der Begriffsbildung, entweder durch die Sache selbst oder durch ein Abbild von ihr,²⁴⁸ und da nicht alle Menschen die Naturveranlagungen haben, die Beweise zu akzeptieren und auch nicht die dialektischen Reden, ganz zu schweigen von beweisenden [Reden] in Anbetracht der Schwierigkeit der Unterweisung über beweisende Reden und der Erfordernis der langen Zeit dafür bei jemandem, der zum Erlernen derselben fähig ist, das vom Gesetz Angezielte aber die Unterweisung aller [Menschen] ist, deshalb ist es erforderlich, daß das Gesetz alle Arten der Methoden der Zustimmung und alle Arten der Methoden der Begriffsbildung enthält. (40) Da von den Methoden zur Zustimmung einige den meisten Menschen gemeinsam sind – ich meine damit, daß die Zustimmung aufgrund derselben zustandekommt – und dies die rhetorischen und dialektischen sind, wobei die rhetorischen gemeinsamer als die dialektischen sind,²⁴⁹ und da unter ihnen solche sind, die besondere für ganz wenige Menschen sind, und dies die mit Beweisen arbeitenden sind und da das vorrangige Ziel des Gesetzes die Fürsorge²⁵⁰ für die größte [Zahl von Menschen] ist, ohne zu vernachlässigen, die Auserwählten [auf die ihnen entsprechende Methode] aufmerksam zu machen, deshalb sind die meisten der im Gesetz dargelegten Methoden jene Methoden, die den meisten [Menschen] beim Zustandekommen der Begriffsbildung und der Zustimmung gemeinsam sind. (41) Es gibt im Gesetz vier Arten dieser Methoden:²⁵¹ Die eine ist, obwohl sie allen [Menschen] gemeinsam ist, doch eine besondere in beiden Hinsichten, ich meine damit, daß sie bezüglich der Begriffsbildung und der Zustimmung sicher ist, obwohl sie rhetorisch oder dialektisch ist. Diese Schlußfolgerungen sind jene, deren Prämissen faktisch²⁵² sicher sind, ob-

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wohl sie [nur] allgemein anerkannt oder vermutet sind,²⁵³ und deren Schlußsätze faktisch für sich selbst und nicht als Bilder aufgefaßt werden. Für diese Art von Gesetzesaussagen gibt es keine Interpretation, und wer sie bestreitet oder interpretiert, der ist ein Ungläubiger. Die zweite Art ist jene, deren Prämissen sicher sind, obwohl sie [nur] allgemein anerkannt oder vermutet sind, und deren Schlußsätze Bilder der Dinge sind, die als Schlußsätze angezielt wurden. Und diese – ich meine die Schlußsätze – sind der Interpretation zugänglich. Die dritte [Art] ist deren Umkehrung, und zwar so, daß die Schlußsätze die Dinge selbst sind, die als ihre Schlußsätze angezielt wurden, während die Prämissen [nur] allgemein anerkannt oder vermutet sind, ohne daß es faktisch zutriff t, daß sie sicher sind. Und auch diese – ich meine ihre Schlußsätze – sind nicht der Interpretation zugänglich, wohl aber mögen ihre Prämissen einer solchen zugänglich sein. Die vierte [Art] ist jene, deren Prämissen allgemein anerkannt oder vermutet sind, ohne daß es faktisch zutriff t, daß sie sicher sind, und deren Schlußsätze Bilder von dem sind, was als Schlußsätze angezielt wurde. Bei diesen ist die Interpretation für die Auserwählten Pfl icht,²⁵⁴ während es für die Menge Pfl icht ist, sie in ihrem äußeren Sinn stehen zu lassen. (42) Im allgemeinen gilt, daß bei allen diesen [Aussagen des Gesetzes], bei denen dies zulässig ist, die Interpretation nur durch den Beweis erfaßt wird und daß dann diese Interpretation eine Pfl icht für die Auserwählten ist, während es für die Menge Pfl icht ist, sie in beiden Hinsichten – ich meine damit die Begriffsbildung und die Zustimmung – nach ihrem äußeren Sinn aufzufassen, da in ihren Naturanlagen nicht mehr als dies vorhanden ist. (43) Jenen, die Überlegungen über das Gesetz anstellen, mögen Interpretationen in den Sinn kommen aufgrund des Vorranges, die die einen der [allen] gemeinsamen Methoden gegenüber den anderen aufweisen, um die Zustimmung hervorzu-

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rufen, ich meine dann, wenn der Hinweis²⁵⁵ der Interpretation eine größere Überzeugungskraft ²⁵⁶ hat als der Hinweis des äußeren Sinnes. Interpretationen dieser Art sind für die Menge,²⁵⁷ und es ist möglich, daß sie eine Pfl icht für jene werden, deren Vernunftkräfte bis zur dialektischen Kraft gelangt sind. Unter diese Art fallen einige der Interpretationen der AšÝariten und der MuÝtaziliten, wenn auch die MuÝtaziliten in ihren Aussagen meistens vertrauenswürdiger sind.²⁵⁸ Die Menge, die nicht mehr als rhetorische Reden [auffassen] kann, hat die Pfl icht, sie [d. h. diese Aussagen des Gesetzes] in ihrem äußeren Sinn zu belassen, und es ist ihnen nicht erlaubt, diese Interpretationen überhaupt zu kennen. (44) Es gibt somit in Hinsicht auf das Gesetz drei Arten von Menschen:²⁵⁹ Die eine Art gehört überhaupt nicht zu den Leuten der Interpretation, und dies sind jene, die nur der Rhetorik zugänglich sind und die die überwiegende Menge darstellen, und dies ist so, weil niemand, der gesunden Verstandes ist, dieser Art der Zustimmung ermangelt. Eine [zweite] Art ist jene der Leute der dialektischen Interpretation, und dies sind die Anhänger der Dialektik entweder nur von Natur aus oder von Natur aus und aus Gewohnheit.²⁶⁰ Eine [dritte] Art sind die Leute der sicheren Interpretation, und dies sind die Anhänger des Beweises von Natur aus und durch Kunst, ich meine damit die Kunst der Philosophie.²⁶¹ Und diese Interpretation darf den Leuten der Dialektik nicht dargelegt werden, geschweige denn der Menge. (45) Wenn etwas von diesen Interpretationen jemandem dargelegt wird, der dazu [d. h. zum Verständnis derselben] nicht fähig ist – besonders von den mit Beweisen arbeitenden Interpretationen wegen ihres Entferntseins von den [allen] gemeinsamen Erkenntnissen –, so führt dies den, der sie darlegt, und ebenso den, dem sie darlegt wird,²⁶² zum Unglauben. Der Grund dafür ist, daß die Interpretation zwei Dinge enthält: die Aufhebung des äußeren Sinnes und die Aufstellung des interpretierten [Sin-

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nes]. Wenn für jemanden, der zu den Leuten des äußeren Sinnes gehört, der äußere Sinn aufgehoben wurde und für ihn der interpretierte [Sinn] nicht aufgestellt wurde, dann führt ihn dies zum Unglauben, wenn dieser [äußere Sinn] zu den Grundsätzen des Gesetzes gehört. Und deshalb dürfen Interpretationen nicht der Menge darlegt werden, und sie dürfen nicht in rhetorischen oder dialektischen Büchern aufgestellt werden – ich meine Bücher, in denen die Aussagen entsprechend diesen beiden Arten niedergelegt sind –, so wie Abū Hāmid dies tat. (46) Gegenüber dieser Art [von Menschen] ist es in Hinsicht auf den äußeren Sinn [bestimmter Aussagen], bei dem der Zweifel, ob es ein äußerer Sinn ist, für sich selbst für alle offenkundig ist, die Kenntnis seiner Interpretation ihnen aber nicht möglich ist, verpfl ichtend, zu erklären und zu sagen, daß er dunkel ist und daß niemand außer Gott ihn kennt, und daß bei seinem – erhaben ist er – Ausspruch hier Halt gemacht werden muß: »Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Gott.« [III , 7]²⁶³ Und in ähnlicher Weise wie hier erfolgt auch die Antwort auf die Frage über die dunklen Angelegenheiten, zu deren Verständnis es für die Menge keinen Weg gibt, wie zum Beispiel sein – erhaben ist er – Ausspruch: »Man fragt dich nach dem Geist. Sag: Der Geist ist Befehl von meinem Herrn. Aber ihr habt nur wenig Wissen erhalten.« [XVII , 85]²⁶⁴ (47) Jemand, der diese Interpretationen einem darlegt, der für diese [d. h. für deren Verständnis] nicht fähig ist, ist ein Ungläubiger, da er die Menschen zum Unglauben aufruft. Und dies steht im Gegensatz zum Aufruf des Gesetzgebers, besonders dann, wenn es verderbte Interpretationen der Grundsätze des Gesetzes sind, so wie dies bei einer Gruppe von Leuten unserer Zeit vorkommt. Denn wir haben unter ihnen Gruppen beobachtet, die meinen zu philosophieren und die mit ihrer erstaunlichen Weisheit ²⁶⁵ Dinge wahrgenommen haben, die in jeder Hinsicht in Widerspruch zum Gesetz stehen – ich meine [Dinge], die keine Interpretation zulassen –, und [die meinen,] daß die Verpfl ichtung bestehe, diese Dinge der Menge darzulegen. Und in-

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dem sie ihre verderbten Überzeugungen²⁶⁶ der Menge darlegten, wurden sie der Grund für den Untergang der Menge und für ihren eigenen Untergang im Diesseits und im Jenseits. (48) Es besteht eine Ähnlichkeit der Absicht dieser [Leute] – gegenübergestellt der Absicht des Gesetzgebers²⁶⁷ – mit jemandem, der sich an einen erfahrenen Arzt wendet, der die Absicht hat, die Gesundheit aller Menschen zu bewahren und ihre Krankheiten zu beseitigen,²⁶⁸ indem er für sie Anweisungen, die allgemeine Zustimmung finden sollen, über die Verpfl ichtung der Anwendung der Dinge festlegt, die ihre Gesundheit bewahren und ihre Krankheiten beseitigen, und über die Vermeidung der entgegengesetzten Dinge. Es ist ihm nicht möglich, [zu bewirken,] daß sie alle zu Ärzten werden, weil der, der die Dinge, die die Gesundheit bewahren und die Krankheit beseitigen, mit Beweismethoden kennt, der Arzt ist. Dann geht ²⁶⁹ dieser zu den Leuten und sagt ihnen: »Diese Methoden, die jener Arzt für euch festgelegt hat, entsprechen nicht der Wahrheit« und macht sich²⁷⁰ an deren Abschaff ung, bis sie bei ihnen [tatsächlich] abgeschaff t sind. Oder er sagt: »Dafür gibt es Interpretationen«, sie [d. h. die gewöhnlichen Menschen] aber verstehen sie nicht, und so gelangen sie durch diese [Interpretationen] zu keiner Zustimmung in Hinsicht auf das Tun.²⁷¹ Bist du nun der Ansicht, daß die Menschen, deren Zustand²⁷² ein solcher ist, irgendetwas von den für die Bewahrung der Gesundheit und die Beseitigung der Krankheit nützlichen Dingen tun werden? Oder wird der, der ihnen die Abschaff ung dessen, wovon sie überzeugt gewesen waren, dargelegt hat, imstande sein, sie – ich meine die [Dinge zur] Bewahrung der Gesundheit – bei ihnen zur Anwendung zu bringen? Nein, vielmehr wird er nicht imstande sein, sie bei ihnen zur Anwendung zu bringen, und sie werden dazu nicht imstande sein, und der Untergang wird sie rings umgeben. (49) Dies ist der Fall, wenn er ihnen zutreffende Interpretationen über diese Dinge darlegt, weil sie diese Interpretation nicht verstehen, ganz zu schweigen [von dem Fall], daß er ih-

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nen verderbte Interpretationen vorlegt. Denn er wird ihnen die Sache so interpretieren, daß sie nicht der Ansicht sein werden, daß es da eine Gesundheit gibt, die bewahrt werden muß, und eine Krankheit, die beseitigt werden muß, ganz zu schweigen davon, daß sie zu der Ansicht kommen könnten, daß es Dinge gibt, die die Gesundheit bewahren und die Krankheit beseitigen. Und dies ist der Zustand in Hinsicht auf das Gesetz, wenn jemand der Menge oder einem, der dazu nicht fähig ist, eine Inter pretation darlegt, und deshalb ist er einer, der es verdirbt und [die Menschen] von ihm abwendet, und wer [die Menschen] vom Gesetz abwendet, der ist ein Ungläubiger. (50) Dieser Vergleich ist sicher, und er ist nicht dichterisch, wie jemand sagen könnte, da er eine genaue Verhältnisbestimmung darstellt. Und dies ist so, weil das Verhältnis des Arztes zur Gesundheit der Körper so ist wie das Verhältnis des Gesetzgebers zur Gesundheit der Seelen, ich meine damit, daß der Arzt derjenige ist, der danach strebt, die Gesundheit der Körper zu bewahren, wenn sie vorhanden ist, und sie wiederherzustellen, wenn sie verschwunden ist, und der Gesetzgeber derjenige ist, der dies in Hinsicht auf die Gesundheit der Seelen anstrebt.²⁷³ Diese Gesundheit ist das, was »Frömmigkeit«²⁷⁴ genannt wird. Das kostbare Buch hat in mehr als einem Vers dargelegt, daß sie [d. h. die Frömmigkeit] durch die gesetzentsprechenden Handlungen angestrebt werden soll, und so sagte er – erhaben ist er – : »Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben, zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist. Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein.« [II , 183] Und er – erhaben ist er – sagte: »Weder ihr Fleisch noch ihr Blut gelangt zu Gott, wohl aber die Gottesfurcht (die ihr) eurerseits (empfindet und an den Tag legt).« [X XII , 37] Und er sagte: »Das Gebet verbietet (zu tun), was abscheulich und verwerflich ist.« [X XIX , 45] Und so fort in vielen anderen Versen, die das kostbare Buch in diesem Sinne enthält. Der Gesetzgeber strebt diese Gesundheit nur durch Gesetzeswissen und Gesetzeshandlung an, und diese Gesundheit ist jene,

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aus der sich die jenseitige Glückseligkeit und aus deren Gegenteil sich das jenseitige Elend ergibt. (51) Es ist dir also daraus schon klar geworden, daß die zutreffenden Interpretationen – geschweige denn die verderbten – nicht in Büchern niedergelegt werden dürfen, die für die Menge bestimmt sind. Die zutreffende Interpretation ist das Gut,²⁷⁵ das der Mensch festhalten soll und das er festhielt, während alle [anderen] existierenden Dinge davor zurückscheuten, ich meine jene, die in seinem – erhaben ist er – Ausspruch erwähnt werden: »Wir haben (nach Beendigung des Schöpfungswerkes) das Gut (des Heils?), das (der Welt) anvertraut werden sollte, (zuerst) dem Himmel, der Erde und den Bergen angetragen« [und so weiter bis zum Ende] des Verses. [X X XIII , 72]²⁷⁶ (52) Wegen der Interpretationen – und besonders wegen der verderbten unter ihnen – und wegen der Meinung, daß es verpfl ichtend sei, daß sie in Hinsicht auf das Gesetz allen [Gläubigen] dargelegt werden, entstanden die Parteiungen des Islam bis zu dem Punkt, daß sie sich gegenseitig des Unglaubens oder der unzulässigen Neuerung bezichtigten. So interpretierten die MuÝtaziliten viele Verse und viele Überlieferungen²⁷⁷ und legten ihre Interpretation der Menge dar, und dasselbe taten die AšÝariten,²⁷⁸ auch wenn es [bei ihnen] weniger Interpretation gab. Durch diese [Interpretationen] stürzten sie die Leute in Zwist, Haß und Kriege, rissen das Gesetz in Stücke und spalteten die Menschen in alle Arten von Parteiungen.²⁷⁹ (53) Zu all dem kommt noch hinzu, daß die Methoden, denen sie zur Aufstellung ihrer Interpretationen folgten, weder mit der Menge [übereinstimmend] waren noch auch mit den Auserwählten. Sie waren [es] nicht mit der Menge, weil sie dunkler waren als die der Mehrheit gemeinsamen Methoden, und sie waren [es] nicht mit den Auserwählten, denn wenn sie [d. h. die Methoden] betrachtet werden, so werden sie als mangelhaft in Hinsicht auf die Bedingungen des Beweises befunden, und dies erfaßt einer, der die Bedingungen des Beweises kennt, bei der geringsten Betrachtung.²⁸⁰ Vielmehr sind viele der Grund-

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sätze, auf denen die AšÝariten ihre Erkenntnisse aufbauen, sophistisch,²⁸¹ denn sie bestreiten viele notwendige Dinge, wie zum Beispiel die Beständigkeit der Akzidentien, das Einwirken einiger Dinge auf andere, die Existenz notwendiger Ursachen für die verursachten Dinge, die substanziellen Formen und die mittleren [Ursachen].²⁸² (54) Jene von ihnen, die Vernunftüberlegungen anstellen, haben den Muslimen Gewalt angetan in dem Sinne, daß eine Gruppe der AšÝariten jeden, der die Existenz des Schöpfers²⁸³ – gepriesen sei er – nicht mit jenen Methoden erkannte, die sie in ihren Büchern für seine Erkenntnis niedergelegt haben,²⁸⁴ des Unglaubens bezichtigte, während in Wahrheit sie die in die Irre gehenden Ungläubigen sind. Von hier ab waren sie dann verschiedener Meinung, indem eine Gruppe sagte: »Die erste der Pfl ichten ist die Vernunftüberlegung«, während eine [andere] Gruppe sagte: »der Glaube«.²⁸⁵ Ich meine, daß dies deshalb [geschah], weil sie nicht erkannten, welche der Methoden jene sind, die allen gemeinsam sind, durch deren Tore das Gesetz alle Menschen aufruft, während sie meinten, daß es [nur] eine einzige Methode gibt, und so verfehlten sie die Absicht des Gesetzgebers,²⁸⁶ gingen in die Irre und führten [andere] in die Irre. (55) Wenn jemand sagte: »Wenn diese Methoden, denen die AšÝariten und andere der Leute der Vernunftüberlegung ²⁸⁷ folgten, nicht die allen gemeinsamen Methoden sind, mit denen der Gesetzgeber auf die Belehrung der Menge abzielt und ohne die ihre [d. h. der Menge] Unterweisung nicht möglich ist, welche sind dann diese Methoden in diesem unserem Gesetz?«, dann antworten wir: Es sind dies jene Methoden, die einzig im kostbaren Buch niedergelegt sind, und wenn das kostbare Buch betrachtet wird, dann werden darin die drei Methoden gefunden, die es für alle Menschen gibt, und dies sind die gemeinsamen Methoden für die Belehrung der Mehrzahl der Menschen sowie [die Methode] für die der Auserwählten. Und wenn die Angelegenheit diesbezüglich betrachtet wird, wird es offenbar, daß

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keine für die Belehrung der Menge gemeinsamen Methoden gefunden werden [können], die besser als die darin erwähnten Methoden sind. (56) Wer also diese [Aussagen] durch eine Interpretation verändert, die nicht für sich selbst offenkundig ist oder die allen offenkundiger ist als diese – und dies ist eine Sache, die es nicht gibt –, der macht ihre Weisheit ²⁸⁸ und die von ihnen angezielte Handlung zur Erlangung der menschlichen Glückseligkeit zunichte. Und dies ist ganz offenkundig aus der Situation jener der Frühzeit [des Islam] und der Situation jener, die nach ihnen kamen. Denn jene der Frühzeit gelangten zu vollkommener Tugend und Frömmigkeit nur durch die [praktische] Anwendung dieser Aussprüche ohne Interpretationen derselben, und wenn einer von ihnen zu einer Interpretation gelangte, dann war er nicht der Ansicht, daß er sie darlegen sollte. Und als jene, die nach ihnen kamen, die Interpretation anwandten, nahm ihre Frömmigkeit ab und nahmen ihre Meinungsverschiedenheiten zu, ihre gegenseitige Zuneigung ²⁸⁹ verschwand und sie spalteten sich in Parteiungen auf. (57) Es ist verpfl ichtend für jeden, der diese unzulässige Neuerung vom Gesetz entfernen will, daß er auf das kostbare Buch bedacht ist, um aus diesem die Hinweise²⁹⁰ aufzunehmen, die [darin] über jedes einzelne Ding existieren, die uns zum Glauben aufgetragen sind, und daß er sich bei seiner Überlegung um ihren [d. h. der Hinweise] äußeren Sinn bemüht, so weit ihm dies möglich ist, ohne etwas davon zu interpretieren, es sei denn, die Interpretation ist für sich selbst offenkundig – ich meine damit eine von allen geteilte Offenkundigkeit. Wenn nämlich die Aussprüche, die im Gesetz für die Belehrung der Menschen niedergelegt sind, erwogen werden, dann scheint es, daß man mit ihrer Hilfe²⁹¹ an einen Punkt gelangt, wo aus ihrem äußeren Sinn nichts herausgeholt werden kann, was nicht seinem äußeren Sinn entspricht, es sei denn, jemand gehört zu den Leuten des Beweises. Und diese besondere Eigenschaft wird bei keinen anderen Aussprüchen vorgefunden.

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(58) Die Aussprüche des Gesetzes, die im kostbaren Buch für alle dargelegt sind, haben drei besondere Eigenschaften, die auf die Unnachahmlichkeit [des Korans]²⁹² hinweisen: Die erste ist, daß nichts gefunden wird, das wirkungsvoller als sie [d. h. als die Aussprüche des Korans] ist, um bei allen eine Überzeugung ²⁹³ und Zustimmung hervorzurufen. Die zweite ist, daß sie aufgrund ihrer Natur eine Hilfe gewähren, die bis an einen Punkt gelangt, an dem für sie [d. h. die Aussprüche] keine Interpretation offensteht, es sei denn – wenn etwas von ihnen interpretiert werden kann – für die Leute des Beweises. Und die dritte ist, daß sie für die Leute der Wahrheit einen Hinweis enthalten, der sie auf die wahre Interpretation aufmerksam macht.²⁹⁴ Und dies wird weder in den Lehren der AšÝariten noch in den Lehren der MuÝtaziliten gefunden, ich meine damit, daß ihre Interpretation weder eine Hilfe gewährt ²⁹⁵ noch auch einen Hinweis enthält, der auf die Wahrheit aufmerksam macht, noch auch [überhaupt] wahr ist. Und deshalb haben die unzulässigen Neuerungen zugenommen. (59) Wenn wir die Muße hätten, wäre es unser Wunsch, uns diesem Ziel zu widmen und es verwirklichen zu können, und wenn Gott uns die Lebensdauer gewährt, werden wir davon niederschreiben, so viel wir vermögen,²⁹⁶ und es könnte sein, daß dies der Ausgangspunkt für jemand ist, der nachher kommt. Unsere Seele ist in größter Betrübnis und [größtem] Schmerz wegen des Eindringens der verderbten Willkürmeinungen²⁹⁷ und der verkehrten Überzeugungen in dieses Gesetz, besonders was davon durch solche hervorgerufen wurde, die sich selbst mit der Philosophie in Verbindung bringen. Denn die Schädigung von Seiten eines Freundes ist schwerwiegender als die Schädigung von Seiten eines Feindes – ich meine damit, daß die Philosophie die Gefährtin des Gesetzes und deren Milchschwester ist, so daß die Schädigung, die von jenen herkommt, die mit ihr verbunden sind, die schwerste Schädigung überhaupt ist, wobei noch die Feindschaft, der Haß und der Streit, der sich zwischen beiden erhebt, hinzukommen, während die beiden von Natur

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aus Gefährten und von ihrem Wesen und ihrer Veranlagung her Einträchtige sind. Und viele unwissende Freunde von jenen, die sich selbst mit ihm [d. h. dem Gesetz] in Verbindung bringen, haben ihm schon Schaden zugefügt, und dies sind die darin existierenden Parteiungen. Aber Gott weist allen den richtigen Weg, führt alle zur Liebe zu ihm, vereint ihre Herzen in Frömmigkeit ihm gegenüber und beseitigt bei ihnen Haß und Zwist durch seine Gnade und Barmherzigkeit. (60) Gott hat schon viele dieser Übel, Unwissenheiten und in die Irre führenden Pfade durch seinen siegreichen Befehl ²⁹⁸ beseitigt und hat dadurch den Weg für viel Gutes bereitet, besonders für jene Art [von Menschen], die den Pfad der Vernunftüberlegung beschreiten und die die Erkenntnis der Wahrheit anstreben. Und es ist so, daß er ²⁹⁹ die Menge zur Erkenntnis Gottes – gepriesen sei er – mit einer mittleren Methode aufgerufen hat, die oberhalb des niedrigen Niveaus der Autoritätshörigen³⁰⁰ liegt, aber unterhalb des Streits der Theologen, und er hat die Auserwählten auf die Verpfl ichtung zu vollständiger Überlegung über die Wurzel³⁰¹ des Gesetzes aufmerksam gemacht. Gott ist der, der Erfolg gewährt und mit seiner Gnade dahin führt.

COR R IGEN DA

S. 12, Z. 5 S. 12, Z. 10 S. 16, Z. 1 S. 16, Z. 8 S. 26, Z. 4 S. 30, Z. 11 S. 32, Z. 8 u. 12 S. 36, Z. 12 S. 36, Z. 16 S. 38, Z. 7 S. 42, Z. 1 u. 2 S. 44, Z. 2 S. 44, Z. 16 u. 17 S. 48, Z. 2 S. 50, Z. 4 S. 62, Z. 13 S. 64, Z. 6 S. 64, Z. 8 S. 66, Z. 3 S. 66, Z. 7 S. 72, Z. 12 S. 74, Z. 2

KOM M EN TA R

¹ Mit »Familie« sind nur die engsten Familienangehörigen Muhammads gemeint. Zu dem Eulogion vgl. Art. Tasliya in EI² X, Sp. 358 b–359 a. ² Der Ausdruck faqih bezeichnete ursprünglich, so noch sehr deutlich in den Hadīuen (vgl. Art. Hadīu im Anhang), den Verstehenden, den, der Einsicht hat in den richtigen Weg der Gottesverehrung und der auch die entsprechenden Handlungen kennt. Eine Verengung und Spezialisierung des Ausdrucks, der dann zur Bezeichnung einer Personengruppe (fuqahaÞ) verwendet wird, bildete sich seit dem 8. Jhd. heraus. Mit faqih wird nun der Rechtsgelehrte bezeichnet, es kommt durch diesen Titel also die durch Studium erworbene Fachkompetenz zum Ausdruck. ³ »Imam« bezeichnet nach Averroes Zu Platons Politeia, S. 87, On Plato’s »Republic«, S. 72, ganz allgemein jemanden, der in seinen Handlungen Vorbildfunktion hat, dem also die anderen in ihren Handlungen folgen. ⁴ Der Ausdruck al-qaci bezeichnet – im Unterschied zu faqih – den Richter, also eine offizielle und öffentliche Stellung und Funktion, die vom Kalifen bzw. dessen Repräsentanten für eine bestimmte Zeit übertragen wird. Zur Zeit der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung, also 1179/1180, war Averroes Kadi von Sevilla. Vgl. Einleitung 1.2. Averroes verfaßte aber diesen Text nicht in seiner Funktion als Kadi – es lag ja diesbezüglich aktuell keinerlei Rechtsfall vor –, sondern als Rechtsgelehrter, also als faqih. Zu der nicht unproblematischen Stellung eines Kadi vgl. Art. Fiqh (letzter Absatz) im Anhang. ⁵ Mit Ýallama (von derselben Wurzel abgeleitet Ýalim, Pl. ÝulamaÞ), d. h. »Gelehrter«, bezeichnet sich hier Averroes nicht als Philosophen und Aristoteles-Kommentator, sondern als Rechtsgelehrten. Averroes spricht ja hier in erster Linie als Autorität des Rechts. Averroes hatte in dieser Periode sein bedeutendes Rechtswerk Bidāyat veröffentlicht.

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⁶ Allah wird in der vorliegenden Übersetzung durch »Gott« wiedergegeben, wobei »Gott« in diesem Kontext als Eigenname aufgefaßt wird, wogegen Þilah als Allgemeinbegriff aufgefaßt wird und durch »Gottheit« übersetzt wird (vgl. § 26). ⁷ Die Übersetzung von nazar stellt ein Problem dar. M. J. Müller übersetzte es mit »Spekulation«, ebenso M. Campanini ital. mit speculazione (gelegentlich aber auch mit análisi), Ch. Butterworth übersetzt es mit reflection. Sowohl »Spekulation« wie auch »Reflexion« sind aber im Deutschen eng an den Kontext idealistischer Transzendentalphilosophie gebunden, der selbstverständlich im vorliegenden Zusammenhang irreführend wäre (M. J. Müller studierte bei Schelling!). G. Hourani übersetzt nazar mit study, M. Geoff roy mit étude. Im Deutschen hat man aber bei »Studium der Philosophie« das Problem, daß man dabei zunächst an einen »Studiengang Philosophie« denkt, also an ein Curriculum, aber einen Studiengang Philosophie hat es in der arabischen mittelalterlichen Kultur nie gegeben, weder im Osten, noch auch im Maghreb oder in al-Andalus. Im Arabischen bringt nazar eine objektbezogene Wahrnehmung zum Ausdruck, bedeutet als0 zunächt einmal das »Sehen«, so ist z. B. Ýilm an-nazar der Fachbegriff für »Optik«. In Übersetzungen aus dem Griechischen wurde das arab. nazar häufig für das griech. theoría verwendet. Dieser griechische Begriff hat aber eine sehr große Bedeutungsbreite, die von der aristotelisch-wissenschaftlichen theoría bis zur neuplatonischen und beinahe mystischen theoría reicht. Ganz ähnlich wird nazar im arabischen Bereich sowohl für wissenschaftliche Erkenntnis wie auch für intuitive Erkenntnis bis hin zur mystischen Schau gebraucht. Andererseits wird nazar aber auch wieder zur Bezeichnung des methodischen Vorgehens im Bereich des islamischen Rechts (fiqh) und der islamischen Theologie (kalam) verwendet, bedeutet hier also »Überlegung« oder »Analyse«. Zu beachten ist auch, daß bei der Frage, auf welche Gebiete sich nazar erstreckt, ein arabischer Leser vermutlich weniger im Rahmen der griechischen Unterscheidung von »theoretisch / praktisch« (nazari / Þamali) dachte, wie sie Averroes im § 15 und § 24 der Entscheidenden Abhandlung heranzieht, sondern eher im Rahmen der Unterscheidung von Gesetzes- und Vernunftwissenschaft (Ýilm aš-šariÝi / Ýilm al-Ýaqli). Ganz parallel zu dieser letzteren Unterschei-

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dung verläuft die in der Entscheidenden Abhandlung grundlegende Unterscheidung der beiden Schlußverfahren juridischer und syllogistischer Art (qiyas aš-šariÝi / qiyas al-Ýaqli), auf die Averroes in den §§ 2–5 zu sprechen kommt. Vgl. dazu Art. Qiyās im Anhang. An verschiedenen Stellen übersetzt Geoff roy im Discours nazar franz. mit examen rationel, was m. E. den Sinn gut trifft. Um dem breiten Anwendungsbereich von nazar gerecht zu werden, legt es sich daher am ehesten nahe, nazar durch das im Deutschen etwas schwerfällige, aber neutrale »Vernunftüberlegung« wiederzugeben. Vgl. auch Art. Nazar in EI² VII , Sp. 1050 a–1051 b. Gerhard von Cremona (um 1114–1187), der wichtigste Übersetzer arabischer philosophischer und wissenschaftlicher Texte ins Lateinische, verwendete zur lat. Wiedergabe von nazar bzw. Ýilm al-Ýaqli häufig das lat. ratiocinatio, was »Vernunftüberlegung« ziemlich nahe kommt. Vgl. z. B. al-Fārābī, De scientiis, S. 22 u. ö. In der vorliegenden Übersetzung der Entscheidenden Abhandlung wird in Zusammenhängen, in denen schon von »Vernunft« oder »Schlußfolgerung« die Rede ist, nazar verkürzt mit »Überlegung« übersetzt. ⁸ Averroes gebraucht hier in der einleitenden Fragestellung den Ausdruck falsafa, also ein griech. Fremdwort. Im weiteren verwendet Averroes dann aber nur selten falsafa, an zahlreichen anderen Stellen – so auch schon im Buchtitel – verwendet er dafür den arab. Ausdruck hikma. Man könnte im Prinzip falsafa durch »Philosophie« und hikma durch »Weisheit« wiedergeben, was lexikographisch gesehen auch das eigentlich Korrekteste wäre. Entsprechend übersetzt z. B. Butterworth im Treatise hikma engl. durchgehend mit wisdom. Eine Unterscheidung »Philosophie – Weisheit« legt jedoch den Bezug auf die griech. Unterscheidung philosophía – sophía nahe, die aber bei Averroes in der Entscheidenden Abhandlung mit Sicherheit nicht angesprochen ist. In der Entscheidenden Abhandlung werden falsafa und hikma fast durchgehend synonym gebraucht, weshalb in der vorliegenden Übersetzung sowohl falsafa als auch hikma durch »Philosophie« wiedergegeben wird (kontextgebunde Ausnahmen in § 47 und § 56). Auch Hourani übersetzt in Harmony hikma mit engl. philosophy, und ebenso Geoff roy im Discours mit franz. philosophie. Möglicherweise verwendet Averroes in der Entscheidenden Abhandlung vorwiegend hikma anstelle von falsafa, weil seine Schrift in der

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literarischen Gattung eines Rechtsgutachtens sich an solche richtet, die erst vom Nutzen der Philosophie überzeugt werden sollen, und für diese ist der koranische Ausdruck hikma eher »einladend« als der als griech. Fremdwort »belastete« Begriff falsafa. Zur Wortwurzel h-k-m und den Ableitungen mit ihren sehr verschiedenen Bedeutungen vgl. Gauthier 1904. ⁹ Die Wortwurzel Ý-l-m in ihren verschiedenen Ableitungen findet schon im Koran breiteste Anwendung. Das Adjektiv Ýalim z. B. ist ein Gottesprädikat, mit dem die Allwissenheit Gottes ausgedrückt wird. Das Substantiv Ýilm kann sowohl »Wissenschaft« im strengen Sinn als auch »Wissen« in einem allgemeinen Sinn bedeuten. Mit Ýilm wird sehr häufig das religiöse Wissen oder eine der religiösen Offenbarung zugeordnete Wissenschaft bezeichnet. Die einzelnen Wissenschaften, so auch die griechischen Wissenschaften, werden demgegenüber als Ýilm mit Hinzufügung eines spezifizierenden Adjektivs gebraucht, wie z. B. im vorliegenden Fall Ýilm al-mantiq für »Logik« oder wie im § 8 Ýilm al-handisa für »Geometrie« und Ýilm al-haiÞa für »Astronomie«. Vgl. das Stichwort Ýilm im Wörterverzeichnis. Zur Wissenschaftseinteilung in der arabischen Tradition vgl. al-Fārābī, De scientiis, und ebd. Einleitung S. XIX –XLI . Mit dem Ausdruck »Wissenschaft der Logik« ist keine wissenschaftstheoretische Bestimmung der Logik gemeint, es ist damit also nicht die stoische Einteilung angesprochen, in der die Logik als eine eigene Wissenschaft neben den beiden anderen Wissenschaften der Physik und der Ethik aufgefaßt wird. In anderen Zusammenhängen verwendet Averroes für die Logik auch den Ausdruck sanÝa, der dem lat. ars entspricht und durch den genau die aristotelische Auffassung der Logik als Instrument wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens zum Ausdruck kommt. Vgl. auch im Text § 6. Mit der Nebeneinanderstellung von »Philosophie« und »Wissenschaften der Logik« im Text der Entscheidenden Abhandlung ist jedoch vermutlich weniger eine wissenschaftstheoretische, sondern eher eine rechtliche Frage angesprochen. Die Logik wurde auch von zahlreichen Juristen und Theologen anerkannt, die im übrigen der Philosophie ablehnend gegenüberstanden. Dies gilt z. B. für den bedeutenden andalusischen Gelehrten Ibn Hazm (vgl. Art. Ibn Hazm im Anhang), aber auch für den der östlichen Tradition zugehörigen

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al-Gazālī (vgl. Art. al-Gazālī im Anhang). Auch ein etwas jüngerer Zeitgenosse des Averroes, der bedeutende ašÝaritische Theologe Fair ad-dīn ar-Rāzī (1149–1210), setzte sich entschieden und erfolgreich für die Verwendung der Logik ein, und in der Folge fand die Logik sogar Eingang in den Studiengang der madrasa. Die Frage der rechtlichen Beurteilung war daher in Hinsicht auf die Logik und in Hinsicht auf die Philosophie im Sinne vor allem der Naturphilosophie und der Metaphysik eine ziemlich verschiedene. Kaum jemand wurde wegen Verwendung der Logik als »Ungläubiger« (kafir) bezeichnet, wohl aber wenn er bestimmte philosophische Thesen metaphysischer Art vertrat, worauf Averroes in der Entscheidenden Abhandlung in den §§ 16–22 ja auch ausführlich eingeht. ¹⁰ Für »Gesetz« steht aš-šarÝ, sonst häufig auch aš-šariÝa (so auch im Buchtitel), d. h. das geoffenbarte Gesetz des Islam (das entsprechende Adjektiv »gesetzlich / dem Gesetz entsprechend« ist šariÝi). Beide Ausdrücke beziehen sich auf ein und dasselbe, also auf das geoffenbarte religiöse Gesetz, bei aš-šarÝ wird jedoch der Offenbarungscharakter betont, während bei aš-šariÝa der Gesetzescharakter betont wird. Mit aš-šariÝa wurde häufig der Koran zusammen mit der Sunna, also der Überlieferung, bezeichnet. Vgl. zu letzterer Art. Hadīu im Anhang. Averroes scheint diesen Ausdruck aber vorwiegend im engeren Sinn nur auf den Koran zu beziehen. Vgl. Allard 1952/1954, S. 15 f. Der westliche Leser sei nachdrücklich daran erinnert, daß bei aš-šariÝa, d. h. bei »das Gesetz«, sofort und immer die Assoziation »der Koran und die Überlieferung« vorhanden sein sollte und nicht die eines westlichen Gesetzes. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. Da in der Entscheidenden Abhandlung »Gesetz« ausschließlich im Sinne des islamischen religiösen Gesetzes gebraucht wird, ist es nicht erforderlich, diesen Ausdruck spezifizierend mit »religiöses Gesetz« (M. J. Müller) bzw. legge religiosa (M. Campanini), oder mit loi révélée (M. Geoff roy), d. h. »geoffenbartes Gesetz«, wiederzugeben. Die Spezifizierung durch »religiös« bzw. »geoffenbart« könnte sogar irreführend sein, denn es könnte sich dann die Annahme nahelegen, daß es neben dem »religiösen« oder »geoffenbarten« Gesetz auch noch ein »staatliches« Gesetz gegeben habe. Für die islamischen Gesellschaften ist es aber eben kennzeichnend, daß es nur dieses

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eine Gesetz gibt, das alle, auch die nach unserem Verständnis zivilen oder staatlichen Bereiche abdeckt. Es wird also in der Übersetzung »Gesetz« ohne weitere Hinzufügung gesetzt, da eine solche im islamischen Verständnis überflüssig ist. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 7, Anm. 17. Wie aus der Schrift Zu Platons Politeia hervorgeht, war sich Averroes völlig im klaren darüber, daß es auch ein nicht-religiöses, also säkulares Recht geben kann und gibt, das im Idealfall von einem Herrscher-Philosophen aufgestellt und eingeführt wurde. Dieser Sachverhalt wurde von den islamischen Philosophen auch terminologisch berücksichtigt. Von Menschen aufgestellte Gesetze wurden mit dem dem griech. Ausdruck nómos nachgebildeten arab. Fremdwort namus (Pl. nawamis) bezeichnet, das genau von dem von Gott geoffenbarten Gesetz (šariÝa) unterschieden wurde. Averroes war jedoch überzeugt, daß dieses menschliche Gesetz, soweit es allgemeingültig und nicht nur territorial ist, im islamischen, auf göttlicher Offenbarung beruhenden Gesetz, in vollkommener und unüberbietbarer Weise verwirklicht ist, also nicht neben diesem Gesetz gilt. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 89, On Plato’s »Republic«, S. 74 f. Für Averroes ist also das ideale Gesetz des idealen Staates in der šariÝa enthalten, diese ist also auch in Zukunft nicht überbietbar. Vgl. Rosenthal 1971, S. 88. ¹¹ Zur rechtlichen Qualifizierung der einzelnen Handlungen vgl. im Anhang Art. Fiqh. Zur Sachfrage des Rechtsstatus (hukm) der Philosophie im Rahmen des islamischen Gesetzes nach der Auffassung von Averroes vgl. Einleitung 2.3. ¹² Vgl. Einleitung 2.2. ¹³ Averroes schränkt hier den Bereich der Philosophie auf die Untersuchung der teleologischen Strukturen der Welt und den teleologischen Gottesbeweis ein, was einen engen Gegenstandsbegriff der Philosophie ergibt. Vgl. Hourani, Harmony, S. 83. Leaman 1980 a, S. 172, hat dagegen eingewandt, daß das in der Entscheidenden Abhandlung enthaltene Verständnis von Philosophie nicht so eng ist, wie Hourani dies annimmt, sondern alle Bereiche der aristotelischen Philosophie umfaßt. Hourani hat jedoch in Studia Islamica 56 (1982), S. 185, gegen Leaman ausdrücklich an seiner Interpretation festgehalten. Vom Text her scheint mir die Auffassung Houranis die richtige, und es gibt auch weitere Hinweise dafür, daß dies tatsäch-

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lich die Auffassung des Averroes jedenfalls seit der Zeit der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung war. Vgl. Einleitung 1.2. ¹⁴ Zur Wiedergabe des arab. al-maufud wird der Ausdruck »existierendes Ding« verwendet. Maufud ist vom Verbalstamm wafada, d. h. »finden«, abgeleitet, bedeutet also ursprünglich »das Gefundene«, wurde aber mit der Zeit zum Fachbegriff für »Existierendes / Seiendes«. Da es im Arabischen keine Kopula »ist« gibt, hatten schon die arabischen Übersetzer erhebliche Probleme bei der Wiedergabe des griech. eînai (»sein«) und to ón (»das Seiende«). Einen guten Überblick über die verschiedenen Lösungsversuche gibt alFārābī in seinem Kitāb al-Hurūf (Book of Letters), hrsg. v. M. Mahdi, Beirut 1970, S. 112 f., wo u. a. auch der Ausdruck al-maufud aufgeführt wird. (Eine dt. Übersetzung dieses sehr aufschlußreichen Textes findet sich in Endreß 1989, S. 137 f.) Averroes konnte also bei der Wahl dieses Ausdrucks schon auf eine lange und kritisch reflektierte Tradition zurückgreifen. ¹⁵ Arab. dalala und ähnlich dalil entspricht dem griech. sêmeíon, bedeutet also zunächst »Hinweis / Zeichen«. Die Korrespondenz zu diesem griech. Begriff wirft aber einige Probleme auf. Der Gebrauch von dalil im Sinne von griech. sêmeíon dürfte bei den KalāmTheologen dem stoischen Gebrauch dieses Begriffs nahestehen, so daß dessen Verwendung eher sprachtheoretisch als ontologisch oder empirisch-wissenschaftlich zu interpretieren ist. Zum stoischen Gebrauch vgl. HWBPh XII , Sp. 1156–1158. Auf den stoischen Hintergrund von dalil weist auch van den Bergh im Kommentar zu Averroes, Tahāfut, S. 179, hin. Der Ausdruck dalil wird aber in der arabischen Philosophie manchmal auch im Sinne von burhan, also mit der Bedeutung von »Beweis« gebraucht, so daß sich eine Entsprechung zum aristotelischen Begriff apódeixis ergibt (vgl. Anm. 35). Vgl. Art. Dalīl in EI² II , Sp. 101 b–102 b. Man muß also bei dalil mit einer ziemlich großen Bedeutungsbreite rechnen. Dasselbe gilt für das entsprechende Verb dalla. Da in der Entscheidenden Abhandlung der Ausdruck burhan in ganz präziser Weise für »Beweis« im genau technischen Sinn der 2. Analytik des Aristoteles gebraucht wird, legt sich zur Unterscheidung von burhan, also von »Beweis«, für dalala / dalil die Übersetzung mit dem neutraleren und allgemeineren Ausdruck »Hinweis« nahe. Vgl. Müller, Harmonie, S. 1 u. ö.,

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wo dalla mit »hinweisen« übersetzt wird. Hourani, Harmony, S. 44, übersetzt dalil mit indication, und sagt ebd. S. 83, Anm. 9, daß dalil weniger beinhaltet als demonstration, d. h. weniger als »Beweis«. Dem folgt Butterworth, Treatise, S. 1 u. ö., der auch indication verwendet. Anders Geoff roy, Discours, S. 175, Anm. 2, der sich ganz bewußt für preuve, also für »Beweis« entscheidet. Die terminologische Unterscheidung von »Hinweis« (dalil) und »Beweis« (burhan) liegt aber auch deshalb nahe, weil Averroes in der Entscheidenden Abhandlung sehr deutlich die »Leute des Beweises« (Þahl al-burhan), also die »Elite« (al-jassa) von der »Masse« (al-fumhur ) abhebt. Es gilt für beide Gruppen, daß sie mit Hinweisen arbeiten, aber nur für die Elite, daß sie mit Beweisen arbeitet. Die Wurzel d-l-l ist koranischen Ursprungs, Averroes vermeidet sie zur Wiedergabe von »beweisen / Beweis« im strengen Sinn, da sie von den Vertretern des Kalām terminologisch besetzt worden war, und zwar für dialektische Verfahren, die Averroes nicht als Beweise anerkannte. Averroes verwendet dalil vorwiegend für die Argumentationsformen, die in der Rhetorik verwendet werden. Vgl. Three Short Commentaries, arab. S. 176–181, engl. S. 67–69. Im übrigen rückt Averroes die Vertreter der dialektischen und der rhetorischen Verfahren sehr nahe aneinander und stellt sie so den Vertretern des wissenschaftlichen Beweises als eine einzige Gruppe gegenüber. Vgl. Einleitung 2.4 und 2.5. Averroes folgt in der Entscheidenden Abhandlung mit der Verwendung von dalala / dalil vermutlich Ibn Tūmart (so Urvoy 1998, S. 138). Zu Ibn Tūmart vgl. Art. Almohaden im Anhang. Durch die Verwendung von dalil vermeidet Averroes eine Festlegung auf die genauere Form, in der dieser Hinweis zur Sprache gebracht und argumentativ eingesetzt werden soll. ¹⁶ Das Verb sanaÝa bedeutet ganz allgemein »etwas herstellen«, wobei deutlich das Handwerksmodell im Hintergrund steht. Das entsprechende Partizip masnuÝ (Pl. masnuÝat) bedeutet demgemäß »etwas Hergestelltes« oder »ein Produkt« und saniÝ bedeutet »Hersteller«. Bei der Übersetzung war auf jeden Fall »Geschöpf«, »Schöpfung« und »Schöpfer« zu vermeiden, da diese Ausdrücke sehr häufig mit einem ganz bestimmten metaphysisch-theologischen Modell verbunden sind (»Schöpfung aus Nichts«), das bei Averroes mit Sicherheit nicht vorliegt. Die bewußte und sorgfältige

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Begriffswahl des Averroes läßt sich daraus ersehen, daß er nicht das Verb jalaqa verwendet, das im folgenden Absatz in den Koranzitaten Sure VII , 185, und LXXXVIII , 17, gebraucht wird, das »schaffen« im theologischen Sinn bedeutet, dem auch das jalq im Sinne von »Schöpfung« im folgenden Zitat Sure III , 191, entspricht. Bei dem von Averroes herangezogenen Handwerksmodell könnte in entfernter Weise die Vorstellung des Demiurgen des Timaios Platos im Hintergrund stehen. Vgl. Hourani, Harmony, S. 84, Anm. 10, und de Libera 1996, S. 15. Averroes verwendet diese Wortwurzel nur im § 11 in dem formelhaften Ausdruck »Gott und seine Schöpfung (majluqat)«. ¹⁷ Zum teleologischen Gottesbeweis des Averroes vgl. Art. ÝInāya im Anhang. ¹⁸ Averroes verwendet hier den Ausdruck iÝtibar für »Erwägung«, dessen Bedeutung der von nazar (vgl. Anm. 7) sehr nahe steht. Bei iÝtibar ist jedoch auch der Aspekt der Bewertung, wie z. B. der Hochachtung, des betrachteten Gegenstandes mitgegeben. ¹⁹ Vgl. Einleitung 2.3. ²⁰ Das Verb daÝa und das entsprechende Substantiv daÝwa (Pl. daÝwat) hat im Arabischen im Kontext religiöser, rechtlicher und politischer Sprache eine emphatische Bedeutung, die im Deutschen durch »einladen / rufen« bzw. »Einladung / Ruf« nur unzureichend wiedergegeben wird. Mit daÝa ist ein befehlendes (Þamr) und geradezu schöpferisches Wort Gottes gemeint, so z. B. in dem Koranvers: Und zu seinen Zeichen gehört es, daß Himmel und Erde auf seinen Befehl (Þamr) (fest)stehen (ohne einzufallen oder zu schwanken). Schließlich, wenn er euch mit (lautem) Ruf aus der Erde zu sich zitiert, kommt ihr gleich (aus den Gräbern) hervor. (Sure X X X , 25)

Entsprechendes gilt auch vom »Ruf« des Propheten, der im höchsten Sinn ein »Berufener« ist und der dann selbst wieder zum »Rufenden« wird. Vgl. dazu z. B. den Vers Sure XVI , 125, den Averroes im § 11 zitiert. Dieser »Ruf« ist immer auch ein Befehl, dem »Ruf« zum Glauben entspricht die unbedingte Unterwerfung des Menschen, also Islam. Dasselbe gilt dann auch vom Inhalt des »Rufes«, also der im Koran und in der Sunna niedergelegten Botschaft,

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die selbst wieder die Menschen im Sinn eines Befehls »ruft«. Mit daÝwa wurde aber auch religiös-politische Propaganda bezeichnet, so vor allem die der ŠīÝiten und IsmāÝiliten. Vgl. Art. DaÝwa in EI² II , Sp. 168 a–170 b. Ein »Ruf« wurde auch an die Vertreter »unerlaubter Neuerungen« (vgl. Art. BidÝa im Anhang) gerichtet, um sie zur Umkehr zu bewegen, bevor an ihnen die vom Gesetz vorgesehene Strafe vollzogen wurde. Wenn Averroes daher an dieser und an zahlreichen weiteren Stellen davon spricht, daß das Gesetz einlädt bzw. ruft, so wird damit eine Verpflichtung auferlegt, die auf einem befehlenden Wort beruht, also alles andere als eine unverbindliche Aufforderung oder Einladung. Wer diesem »Ruf« nicht folgt, der ist ein Ungläubiger. ²¹ Dieser Koranvers war ein geradezu klassischer Text der Verteidiger von Schlußfolgerungen (qiyas) im Bereich des Rechts. Vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang. ²² Nass ist ein theologisch-juristischer Fachbegriff. Der Begriff selbst kommt weder im Koran noch im Hadīu vor, sondern stammt aus der Theorie der Wurzeln des Rechts (vgl. Art. Fiqh im Anhang) und bezeichnet einen Ausspruch des Korans oder des Hadīu, in dem – ohne jede weitere Interpretation – eine eindeutige Rechtsregelung für einen spezifischen Fall vorliegt. Vgl. EI² VII , Sp. 1029 a. ²³ Einige Zeilen vorher hatte Averroes die Frage gestellt, ob die Anwendung von Vernunftüberlegungen nur empfohlen, oder sogar verpflichtend sei. Hier spricht er sich nun eindeutig für eine Verpflichtung aus. Es ist leicht ersichtlich, daß die im folgenden angeführten Koranstellen für den von Averroes gewünschten Nachweis einer Verpflichtung nicht wirklich ausreichen. Vgl. Hourani, Harmony, S. 84, Anm. 14. Es stellt sich auch rein textinterpretatorisch die Frage, ob in den angeführten Koranversen tatsächlich ein Aufruf zu einer rationalen Gotteserkenntnis enthalten ist oder ob in ihnen nicht vor allem ein Aufruf zum Gotteslob angesichts der wohlgeordneten Welt angezielt ist. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 87. ²⁴ Zu diesen beiden Formen von Schlußfolgerungen vgl. Art. Qiyās im Anhang. ²⁵ Im Koranvers der Sure VII , 185, wird das Verb nazara gebraucht (in der Koranübersetzung Parets mit »Betrachtungen an-

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stellen« wiedergegeben). Averroes nimmt in seiner folgenden Erläuterung sofort nazar im Sinne von Vernunftüberlegungen über die existierenden Dinge auf. Im folgenden Koranvers Sure LXXXVIII , 17, übersetzt Paret nazara mit »sehen«. Zur Übersetzung von nazar vgl. Anm. 7. ²⁶ Das arab. Ýilm wird in der Übersetzung durch »Wissen« oder »Wissenschaft« wiedergegeben (vgl. Anm. 9) im Unterschied zu maÝifa, das mit »Erkenntnis« übersetzt wird. Lexikographisch werden die beiden Ausdrücke als beinahe synonym angegeben. Ein Unterschied scheint allerdings darin zu bestehen, daß Ýilm eher auf das Wissen von Allgemeinem, maÝifa hingegen mehr auf die Erkenntnis von Einzelnem bezogen ist. Eine Besonderheit von maÝifa liegt allerdings darin, daß dieser Ausdruck bevorzugt für mystische Erkenntnis gebraucht wurde, so daß dann Ýarif zur Bezeichnung des Mystikers wurde. In dieser Verwendungsweise wird dann mit maÝifa eine oberhalb der beweisenden liegende Erkenntnisweise zum Ausdruck gebracht, die also auch als »Illumination« bezeichnet werden kann. Vgl. Art. MaÝifa in EI² VI , Sp. 568 b–570 a. Der Ausdruck maÝifa wurde aber weiterhin auch für die »normale« Erkenntnis gebraucht, und einzig diese Verwendung liegt im Text des Averroes vor. ²⁷ Das Ende des Koranverses lautet: »Und er sollte einer von denen sein, die (von der Wahrheit) überzeugt sind.« ²⁸ Geht es darum, zu zeigen, wie die Erschaffung der Tiere zielgerichtet auf den Nutzen des Menschen hin angelegt ist, lag für einen Beduinen natürlich der Hinweis auf das Kamel besonders nahe. Die Eigenschaften des Kamels schienen geradezu »vorsehungsmäßig« auf das Leben der Beduinen in der Wüste hin ausgerichtet zu sein. Das Kamel spielte daher auch schon in der vorislamischen Dichtung eine große Rolle. Vgl. Art. Ibil in EI² III , Sp. 666 b–667 a. ²⁹ In diesem Koranvers steht für »nachsinnen« das Verb tafakara, das Averroes in der Entscheidenden Abhandlung nicht verwendet, es entspricht aber der Bedeutung des Verbs nazara (vgl. dazu Anm. 7). ³⁰ »Es ist entschieden worden« (taqarrara, V. Stamm von qarra) ist im Sinne eines Gerichtsentscheids zu verstehen. Vgl. auch das von der selben Wortwurzel abgeleitete Substantiv taqrir im Sinne

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von »Entscheidung« oder »Urteilsfällung« im Titel der Entscheidenden Abhandlung und Urteilsfällung. Wahrscheinlich wäre »es ist festgestellt worden« besser lesbar, um aber den Leser während des ganzen Textes darauf aufmerksam zu machen, daß es sich hier um ein Rechtsgutachten handelt, in dem mit einzelnen Schritten eine Rechtsbewertung und Rechtsentscheidung herbeigeführt werden soll, soll diese Rechtsterminologie beibehalten werden. ³¹ An dieser Stelle steht ausdrücklich an-nazar bi l-Ýaql, d. h. »Überlegung mit Hilfe der Vernunft«. Vgl. Anm. 7. ³² Nach der aristotelischen Beweistheorie müssen die Prämissen eines Schlusses bekannter (gnôrimôtéron) und früher (protérôn) sein als der Schlußsatz. Vgl. Aristoteles, 2. Analytik 2, 71 b 17–22. ³³ Qiyas wird hier mit »Schlußfolgerung« übersetzt, womit in einem ganz allgemeinen umgangssprachlichen Sinn gemeint ist: »daraus folgt, daß …« oder »daraus kann man schließen, daß …«. Dieser sehr allgemeine Sinn von qiyas war in der arabischen Philosophie traditionell eingeführt. Die beiden wichtigsten Formen von Schlußfolgerungen finden sich im Recht und in der Philosophie. Vgl. Art. Qiyās im Anhang. ³⁴ An dieser Stelle steht ausdrücklich al-qiyas al-Ýaqli, d. h. »Vernunft-Schlußfolgerung«. Vgl. Art. Qiyās (2) im Anhang. ³⁵ Burhan ist der zur Zeit des Averroes in der arabischen Terminologie längst fest eingeführte Fachbegriff für den Beweis (apódeixis) im Sinne der aristotelischen Beweistheorie der 2. Analytik 2, 71 b 16–18. Die 2. Analytik spielte in der arabischen Philosophie eine ganz entscheidende Rolle. Sie war von den spätantiken Kommentatoren, die mehr an der Metaphysik interessiert waren, vernachlässigt worden, und al-Fārābī hat für sich in Anspruch genommen, sie wieder »entdeckt« zu haben. Vgl. den berühmten Text bei Ibn Abī UsaibiÝa (nach 1194–1270) zur Biographie al-Fārābīs (in Rosenthal 1965, S. 74–76), der Anlaß zur Kulturtheorie »Von Alexandrien nach Bagdad« gegeben hat. Auf die zentrale Rolle der 2. Analytik hat al-Fārābī in De scientiis, S. 59, hingewiesen: »In der Logik werden dem vorrangigen Ziel nach Untersuchungen nur wegen des vierten Teils [= 2. Analytik] unternommen. Die übrigen Teile werden nur wegen des vierten erstellt.« Al-Fārābī hat dann auch einen großen Kommentar zur 2. Analytik verfaßt: Kitāb al-Burhān, hrsg.

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v. M. Fakhry, Beirut 1987. Dieser Kommentar wurde maßgeblich für alle späteren Autoren. Averroes hat ein Kompendium (arab. und in zwei hebr. Übersetzungen erhalten), einen Mittleren Kommentar (arab., hebr. und lat. erhalten) und einen Großen Kommentar verfaßt (arab. nicht erhalten, hebr. und lat. Übersetzung des hebr. Textes erhalten). ³⁶ Für »sophistisch« steht hier mugalati, ein Adjektiv, das vom Verb galita, d. h. »einen Fehler / Irrtum begehen«, abgeleitet ist. Dies ist der arab. Ausdruck für das griech. Fremdwort sufistaÞi, das Averroes im § 53 verwendt. ³⁷ Zu »beweisenden«, »dialektischen« und »rhetorischen« Argumenten vgl. Einleitung 2.4. Vgl. auch Art. Qiyās im Anhang. ³⁸ Für »an sich« steht arab. mutlaq, ein im Recht häufg gebrauchter Fachbegriff, der etwa »unbedingt« bedeutet. Vgl. Brunschvig 1976 b, S. 185. ³⁹ Mit muÞmin ist der an das islamische Gesetz Glaubende gemeint, was auch im Text durch den spezifizierenden Ausdruck »an das Gesetz« (bi aš-šarÝ) zum Ausdruck gebracht wird. Dies ist auch die meist gebrauchte, aber nicht die einzig mögliche Verwendung dieses Ausdrucks, da muÞmin auch in nicht-religiösem Zusammenhang verwendet werden kann, z. B. als »der an Astrologie Glaubende«. Zu den verschiedenen Gebrauchsweisen von muÞmin vgl. Art. MuÞmin in EI² VII , Sp. 554 a–b. ⁴⁰ Im arab. Text steht qad yafibu, was nach den Regeln der Grammatik bedeutet: »es ist vielleicht verpflichtend«. Da die Konstruktion qad + Imperfekt im folgenden noch mehrmals vorkommt (§§ 4, 7, 8, 9, 15, 30), kann an der Korrektheit des Textes nicht gezweifelt werden. Diese Ausdrucksweise stellt eine Abschwächung des sonst von Averroes vertretenen Verpflichtungsgrades dar. Butterworth, Treatise, S. XXIV , nennt dieses qad + Imperfekt zu Recht troublesome, übersetzt aber dann doch korrekt und konsequent ebd. S. 3 mit perhaps comes under the obligation. Vgl. auch Mahdi 1984, S. 199 f. und S. 307 f., Anm. 16, wo Mahdi ausdrücklich von einem Zögern (hesitation) bei Averroes spricht. Auch Müller, Harmonie, S. 2, übersetzt »mag es … erforderlich sein«, bringt also eine verminderte Verpflichtung zum Ausdruck. Eine Ausnahme der Übersetzung findet sich nur bei Geoff roy, Discours, S. 107, der dieses

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qad + Imperfekt mit certes, d. h. »sicher« übersetzt und dies in einer Anm. auf S. 180 ausführlich erläutert, wobei er zwar auf (wenige) weitere Beispiele eines ähnlichen Gebrauchs bei Averroes hinweist, allerdings auch feststellt, daß dieser Gebrauch nicht dem überwiegenden Gebrauch entspricht. Es scheint mir allerdings unwahrscheinlich, daß Averroes in einer Schrift, die ein Rechtsgutachten (fatwa) darstellt, sich an mehreren entscheidenden Stellen vom normalen Sprachgebrauch entfernt, so daß aus einem rechtlich relevanten »vielleicht« ein »sicher« wird. Daß sich durch die Abschwächung mit »vielleicht / möglicherweise« Probleme der Interpretation ergeben, sei dabei selbstverständlich unbestritten. Die so getroffene Abschwächung stellt eigentlich eine Inkonsequenz dar. Man kann auch nicht ausschließen, daß Averroes mit dieser Formulierung gegnerischen mālikitischen Lesern entgegenkommen wollte. Einer gelegentlich etwas unentschiedenen Haltung des Averroes, die sich dann in zweideutigen Aussagen widerspiegelt, begegnet man auch in anderen Zusammenhängen. Vgl. Einleitung 2.6. ⁴¹ Dem Vergleich liegt die Unterscheidung nazar (»Theorie«) – Ýamal (»Praxis«) zugrunde. Vgl. Anm. 7. Dem Werkzeug bei der praktischen Tätigkeit entspricht die Logik als Instrument der theoretischen Tätigkeit. Averroes faßte die Logik im Sinne des Aristoteles als Instrument (griech. órganon = arab. Þala) auf. Auch im § 6 im Text verwendet Averroes im Vergleich der Logik mit dem Opfermesser für »Instrument« den Ausdruck Þala. Mit Þala wurde bei den arabischen Philosophen traditionell die Logik als Instrument der Wissenschaften gekennzeichnet. Vgl. z. B. al-Fārābī, Introductory Risālah on Logic, hrsg. v. D. M. Dunlop, in: The Islamic Quarterly 2 (1955), arab. S. 227, engl. S. 232. Es besteht daher kein Grund, zu sagen, daß er die Logik as merely a tool betrachtet, so Butterworth, Treatise, Einleitung, S. XXIV . ⁴² Ahkam (Pl. von hukm) ist ein Fachbegriff des Rechts und bedeutet »Rechtsbewertung« oder »Rechtsentscheidung«. Es geht dabei nicht um die Frage des Vorliegens eines Sachverhalts, sondern um die rechtliche Bewertung eines Sachverhalts, wobei mit »Bewertung« immer auch gemeint ist: »Wert für das Jenseits«. Eine Handlung wird entsprechend den fünf Qualifikationen (verpflichtend, empfohlen, erlaubt, tadelnswert, verboten) beurteilt, mit denen

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die vom Recht ge- bzw. verbotenen Handlungen gekennzeichnet werden. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. ⁴³ Averroes verwendet an dieser Stelle u. ö. statt qiyas für »Schlußfolgerung« den Ausdruck miqyas (Pl. maqayis), was zunächst »Meßgerät« bedeutet. In bezug auf den Text der Entscheidenden Abhandlung liegt kein Bedeutungsunterschied von qiyas und miqyas vor. Vgl. Hourani, Harmony, S. 86, Anm. 30. ⁴⁴ Daß es hier um die Gotteserkenntnis geht, ergibt sich aus der genauen Parallelität zum folgenden Satz, in dem ausdrücklich gesagt wird, daß es sich um die Erkenntnis Gottes handelt. ⁴⁵ Die Form einer Folgerung »um wie viel mehr« ist das Argument a fortiori (bi l-Þahra), das auch bei Schlußfolgerungen im Recht häufig verwendet wurde, aber auch dort keine ganz klar definierte Form hat. Vgl. Brunschvig 1970, S. 19. ⁴⁶ Die Feststellung des Averroes, daß es in der frühesten Zeit noch keine Analogieschlüsse zur Rechtsfindung gegeben habe, trifft zu. Dies hat natürlich nicht zahlreiche islamische Rechtsgelehrte (bis heute) daran gehindert, den Versuch zu unternehmen, nachzuweisen, daß schon der Prophet solche angewandt habe. Vgl. Nagel 2001, S. 158 f. Zu »unzulässige Neuerung« vgl. Art. BidÝa im Anhang. Die Qualifikation »unzulässige Neuerung (bidÝa)« oder »ketzerisch« ist schwächer als die von »Unglaube (kufr)«. Mit diesen Qualifikationen ergeben sich bei al-Gazālī gegenüber al-Fārābī und Ibn Sīnā (Avicenna) folgende Beurteilungen: Alles, was von der aristotelischen Philosophie uns gemäß den Übertragungen dieser beiden Männer als authentisch gilt, läßt sich hinsichtlich des Glaubens und des Unglaubens in drei Kategorien fassen: (a) einen Teil, auf Grund dessen sein Anhänger für ungläubig erklärt werden muß, (b) einen Teil, auf Grund dessen sein Anhänger als Ketzer betrachtet werden muß, (c) einen Teil, den man prinzipiell nicht zurückweisen muß. (Al-Gazālī, Der Erretter aus dem Irrtum, S. 18 f.)

Und dann gelangt al-Gazālī in Hinsicht auf bestimmte Lehren bei

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al-Fārābī und Ibn Sīnā, die als »Unglaube« bzw. als »unzulässige Neuerung« bezeichnet werden müssen, zu der Zusammenfassung: Die Summe ihrer Irrtümer liegt in zwanzig Fragen. In drei von ihnen müssen sie für Ungläubige, in siebzehn für ketzerische Erneuerer gehalten werden. (Ebd., S. 24)

Alle diese Fragen behandelt al-Gazālī im einzelnen im Tahāfut al-Falāsifa (The Incoherence of the Philosophers). Auf die drei Fragen, bei denen sie nach al-Gazālī als Ungläubige bezeichnet werden müssen, geht Averroes in der Entscheidenden Abhandlung in den §§ 17–22 und § 33 f. ein. Alle Fragen im einzelnen behandelt Averroes in seinem Tahāfut at-Tahāfut / The Incoherence of the Incoherence. ⁴⁷ Die Vorstellung der »Frühzeit«, also des Glaubens und Handelns der »Altvordern«, der »Urgemeinde«, der »ersten Gefährten« und der »rechtgeleiteten Kalifen«, hat in der islamischen Kultur eine regulative und organisierende Funktion. Wichtige Begriffe wie der der »Neuerung« (vgl. Art. BidÝa im Anhang) sind nur in Gegenüberstellung zur »Frühzeit« zu begreifen, aber auch Begriffe wie »selbständige Überlegung« (vgl. Art. ÞIftihād im Anhang) und »Schlußfolgerung« (vgl. Art. Qiyās im Anhang) sind nur in diesem Rahmen verstehbar, da sie in irgendeiner Form den Gedanken zum Ausdruck bringen, daß in der »Frühzeit« und von den »Altvordern« nicht alles vollständig geregelt worden ist, trotzdem aber diese »Frühzeit« normierend für alle folgenden Zeiten ist. Entsprechend können auch die Grundpositionen der verschiedenen Schulen des Rechts und der Theologie nach ihrer Einschätzung der »Vollständigkeit« der Lehren der Frühzeit eingeordnet werden. Im Bereich des Rechts hielten die Hanbaliten und die Mālikiten die Lehren der »Frühzeit« für am vollständigsten. Die verschiedenen Auffassungen über das Maß der Vollständigkeit der Lehren der »Altvordern« bestimmten und begrenzten den Spielraum für die »Spätgeborenen«. Dies hat zur Folge, daß bei einer hohen Einschätzung der Vollständigkeit der Frühzeit fast alle Neuerungen als unzulässige Neuerungen angesehen werden. Auch für die Einschätzung der Autorität eines Lehrers spielt der chronologische Faktor der Nähe zur »Frühzeit« eine erhebliche Rolle.

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Für moderne westliche Leser liegt hier eine Verklärung der Frühzeit, also eine Art umgekehrte Utopie zugrunde. Im Prinzip liegt diese Geschichtsvorstellung aber jeder Religion und Gesellschaft zugrunde, die von einer »endgültigen Offenbarung« ausgeht (wie dies auch in der jüdischen und der christlichen Religion der Fall ist). Dieser »Frühzeit« gegenüber müssen spätere Entwicklungen fast notwendigerweise in eine »Verfallsgeschichte« eingeordnet werden, deren »Heilung« in der Rückkehr zu den »Ursprüngen«, den »Wurzeln« und den »Quellen« gesucht wird. Auch bei Averroes ist diese Sicht der Geschichte vorhanden. Er sieht eine Entwicklung von der idealen Staatsordnung, wie sie Plato konstruiert hatte zur Timokratie Platos auch innerhalb der Geschichte der arabischen Staaten. Die Herrschaft der »rechtgeleiteten Kalifen« entsprach dem idealen Staat, seit der Zeit MuÝāwiyas (reg. 661–680), also des Gründers der Umaiyaden-Dynastie, setzte sich die Timokratie durch, und nach der Auffassung des Averroes gilt dies auch für die Regierungsform seiner Zeit. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 124, On Plato’s »Republic«, S. 121. Dabei stand Averroes den Regierenden seiner Zeit nahe und meinte sogar, daß diese durchaus den idealen Staat realisieren könnten! Vgl. Zu Platons Politeia, S. 89, On Plato’s »Republic«, S. 75. Aber auch eine solche gegenwärtige oder zukünftige Verwirklichung könnte letztlich nichts anderes sein als eine Wiederherstellung des Ursprünglichen. Im Prinzip liegt auch der Aristoteles-Kommentierung des Averroes die Vorstellung zugrunde, daß die ursprüngliche Wahrheit der aristotelischen Philosophie durch »Spätere« – so vor allem durch Ibn Sīnā – verfälscht und mißverstanden wurde, und nun wiederhergestellt werden soll. Zu der Frage des »Fortschritts« der Erkenntnis vgl. Anm. 52. ⁴⁸ Die Begründung der Notwendigkeit von qiyas im Bereich des Rechts ist bei Averroes eine rein verstandesmäßige: Der Unbegrenztheit der Fälle steht eine begrenzte Anzahl expliziter Texte gegenüber, es ist also irgendeine Form der Herleitung von Handlungsnormen für die nicht explizit aufgeführten Fälle erforderlich. Für die Tatsache der Erfordernis von qiyas ist also kein Nachweis aus dem Koran erforderlich. Diese rein rationale Begründung wurde schon vor Averroes von einzelnen ŠafiÝten und MuÝtaziliten vertreten. Vgl. Brunschvig 1976 b, S. 180 f.

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⁴⁹ Das Verb iÝtaqada drückt eine feste Überzeugung aus. Vgl. Anm. 82. ⁵⁰ Zunächst sagt Averroes ganz einfach: Wenn Schlußfolgerungen im Bereich des Rechts keine unzulässige Neuerung sind, dann muß das gleiche auch für Schlußfolgerungen im Bereich der Vernunftüberlegungen gelten. Dann aber sagt er, daß es dafür eine Begründung gibt, für die aber hier nicht der Ort ist, sie dazulegen. Die Interpretation dieses Verweises ist nicht eindeutig. Gauthier, Traité, S. 40, Anm. 15, meinte, daß es sich um einen textinternen Verweis handle, d. h. die Frage würde an anderen Stellen der Entscheidenden Abhandlung behandelt, wobei er auf den ersten Absatz von § 14 und auf § 24 (nach der Zählung der vorliegenden Ausgabe) hinweist. An keiner dieser beiden Stellen wird aber wirklich etwas über die Frage der Syllogismen als Neuerung gesagt. Es ist also eher anzunehmen, daß es sich um einen textexternen Verweis handelt, d. h. Averroes will sagen, daß der Zusammenhang der Entscheidenden Abhandlung nicht der geeignete Ort für die Behandlung dieser Frage ist. Sucht man dann in den beiden anderen mit der Entscheidenden Abhandlung zusammenhängenden Schriften, also dem Manāhif und der Damīma, so findet man dort aber auch keine Ausführungen, die die fehlende Erklärung liefern würden. Dann bleibt aber doch die Frage, warum Averroes nicht gleich hier den Grund zumindesten kurz andeutet, Abschweifungen kommen ja in der Entscheidenden Abhandlung auch an anderer Stelle vor, so z. B. im § 37, wo Averroes selbst am Ende des Paragraphen sagt, daß er von der eigentlichen Argumentationslinie abgekommen ist. Eine m. E. gute – und vielleicht die einzig mögliche – Vermutung liefert Geoff roy, Discours, S. 181 f., Anm. 19: Die Begründung dafür, daß hier, d. h. in der Entscheidenden Abhandlung nicht der Ort ist, über diesen Grund zu sprechen, liegt darin, daß dieser Grund zu den Fragen gehört, die in einem für die breite Öffentlichkeit bestimmten Buch nicht behandelt werden sollen. Es handelt sich hier also um eine Anwendung der im § 35 der Entscheidenden Abhandlung ausdrücklich ausgesprochenen Regel. Geoff roy äußert ebd. die weitere Vermutung, daß der eigentliche Grund, warum die Verwendung von Vernunftschlüssen keine unzulässige Neuerung ist, in der von al-Fārābī übernommenen Auffassung von der Priorität der Philosophie vor der Religion

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liegt. Ob und in welcher Weise bei Averroes diese Übernahme vorausgesetzt werden kann, ist eine weitere Frage. Die These von der Priorität der Philosophie gegenüber der Religion wird bei Averroes doch viel vorsichtiger als bei al-Fārābī und nur mit Einschränkungen vertreten. Vgl. dazu Einleitung 2.4. ⁵¹ Hašwiya ist eine polemische Bezeichnung, die für Vertreter einer extrem wortgetreuen Auslegung angewandt wurde, die keinerlei Interpretation antropomorpher Ausdrücke im Koran zuließen. Vgl. dazu Art. Hašwīya in EI² III , Sp. 269 b. Das Urteil des Averroes über die Hašwīya läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die Anhänger der Hašwīya-Schule behaupten, daß der Weg der Erkenntnis Gottes die bloße Autorität sei, nicht der Verstand; nämlich, daß bei dem Glauben an seine Existenz, zu dessen Fürwahrhalten alle Menschen verpfl ichtet sind, es hinreiche, daß er von dem Gesetzgeber mitgeteilt sei und man daran glaube, wie man durch die Autorität auch die Zustände der Eschatologie [d. h. der Belohnung und Bestrafung der Menschen beim Endgericht] und anderes dergleichen, was dem Verstand unzugänglich ist, mitgeteilt erhalten hat. Bei dieser irrenden Schule ist es klar, daß sie hinter dem Zwecke des Gesetzes bezüglich der Methode zurückbleibt, welche für alle, als zur Kenntnis der Existenz Gottes führend, aufgestellt und von welcher aus es die Menschen berufen hat, dieselbe zu bekennen. Nämlich es erhellt aus mehr als einer Stelle des Korans, daß er in ihr die Menschen zum Fürwahrhalten der Existenz Gottes durch rationelle Beweisführungen, die in bestimmten heiligen Texten ausgedrückt sind, auffordert. […] Es ist aber nicht unmöglich, daß es Menschen gibt, bei denen die Blödigkeit des Verstandes und die Stumpfheit der Naturanlage einen solchen Grad erreichen, daß sie nichts von religiösen Beweisführungen verstehen, die der Gesetzgeber für die große Menge aufgestellt hat. Solche Menschen sind aber sicherlich in verschwindend kleiner Anzahl, und wenn sie existieren, so ist ihre Pfl icht, bloß auf Autorität hin zu glauben. Dies ist die Lage der Hašwīya gegenüber dem Wortlaut der Religion. (Manāhif, S. 28 f., Faith and Reason, S. 18 f.)

Averroes erwähnt die Hašwīya auch kurz in seinem Kurzen Kommentar zur Rhetorik, vgl. Three Short Commentaries, S. 74. Nicht

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alle strengen Literalisten können jedoch in diesem sehr abschätzigen Sinn als Hašwīya bezeichnet werden. Es ist auch nicht genau auszumachen, wer genau mit Hašwīya gemeint ist. Vgl. Halkin, A. S., The Hashwiyya, in: Journal of the American Oriental Society 54 (1934), S. 1–28. Halkin nennt im Zusammenhang der Frage der Koraninterpretation die Mālikiten und die Hanbaliten. Vgl. die Art. Mālikiten und Hanbaliten im Anhang. Von den großen Rechtsschulen waren die Hanbaliten die strengsten Literalisten, und sie werden von Averroes auch gelegentlich erwähnt. In al-Andalus hatten die Hanbaliten aber nur wenige Anhänger, dort waren hingegen die Mālakiten und die Zāhiriten einflußreich, von denen die letzteren sich nur auf den äußeren, d. h. wörtlichen Sinn (zahir) des Korans stützen wollten. Vgl. Art. Zāhiriyya in EI² XI , Sp. 394 a–396 b. Der bedeutendste Lehrer der Zāhiriten, die aber nie einen Rang wie den der vier großen Rechtsschulen erlangten, war Ibn Hazm. Vgl. zu diesem den Art. Ibn Hazm im Anhang. ⁵² Der Gedanke eines Fortschritts der Erkenntnis war den griechischen Philosophen ebenso geläufig wie den arabischen. Ein einfaches Modell im Sinne der modernen Vorstellung eines »Fortschritts der wissenschaftlichen Erkenntnis« konnte sich aber bei den arabischen Philosophen angesichts der Annahme einer endgültigen und unüberholbaren Offenbarung nicht ergeben. Jeder »Fortschritt« mußte als tieferes Eindringen in das Verstehen des »Ursprungs« legitimiert werden. Vgl. Anm. 47. Aber auch die spätantiken griechischen Philosophen des Mittel- und Neuplatonismus (vor allem Numenios und Jamblichos) waren auf der Suche nach einer »alten« und »ursprünglichen« Weisheit gewesen, die jedenfalls im Keim schon alles enthalten sollte. Vgl. Schupp 2003, I, S. 405–407. Auch die spätantiken griechischen Aristoteleskommentatoren, die eine überaus große Bedeutung für die arabischen Philosophen erhalten sollten, arbeiteten innerhalb des Rahmens: Erkenntnisfortschritt durch kommentierenden Rückgriff auf die »alten« Texte. Die Tätigkeit des Averroes der Kommentierung der aristotelischen Schriften, die er letztlich für »vollkommen« hielt, bewegte sich in einem ähnlichen methodologischen Rahmen, vgl. Nassar 2002, S. 128–133, und dieser Rahmen wiederum war von dem einer sehr textgetreuen Koranexegese gar nicht so sehr verschieden. Auf einer bestimmten

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– höheren oder tieferen – Ebene gab es eine unausgesprochene Übereinstimmung zwischen dem Koran-Exegeten Ibn Hazm und dem Aristoteles-Kommentator Ibn Rušd, also Averroes. Die Spannung von Erkenntnisforschritt und Rückbezug auf autoritative »alte« Texte war den lateinischen Philosophen des 12. Jahrhunderts ebenso bewußt wie Averroes. Bernhard von Chartres (gest. 1130) einer der frühen lateinischen Naturphilosophen des 12. Jahrhunderts erfand für das Selbstverständnis der innerhalb dieser Spannung denkenden Philosophen das treffende Bild der Zwerge, die weiter und klarer sehen können als ihre Vorgänger, weil sie auf den Schultern von Riesen sitzen. Vgl. Johannes von Salesbury, Metalogicon III , 4. Das philosophische Selbstverständnis des Averroes dürfte davon gar nicht sehr verschieden gewesen sein. ⁵³ Theologisch gesehen kennt der Islam eigentlich überhaupt keine Opfer. Daß dies einen wichtigen Unterschied zu anderen Religionen und auch zu der arabischen vorislamischen Religion darstellt, war auch schon den frühen Generationen der Muslime deutlich. In der Überlieferung wird in deutlicher Abgrenzung festgestellt, daß das Gebet das Opfer der Frommen ist. Vgl. Art. Qurbān in EI² V, 436 b. Unter den fünf Säulen des Islam ist nicht von irgendeinem Opfer die Rede. Auch das Opferfest in Mekka (ÝId al-Qurban), bei dem Schafe geschlachtet werden, was auch bis heute in jedem muslimischen Haus geschieht, ist als reine Erinnerung an das Opfer Abrahams gedacht. Allerdings unterliegt jedes Schlachten Regeln, die im Religionsgesetz festelegt sind. Geoff roy, Discours, S. 184 f., Anm. 24 u. 25, weist darauf hin, daß Averroes sich in seinem Rechtswerk Bidāyat mit den entsprechenden rechtlichen Fragen beschäftigt. ⁵⁴ Das Beispiel des Instruments, das für ein Opfer verwendet wird, exemplifiziert sehr gut den instrumentellen Charakter der Logik und gleichzeitig die Irrelevanz des Herstellers oder Besitzers des Instruments für die Gültigkeit der Handlung. Vgl. Leaman 1988, S. 146. Vgl. auch Anm. 41. ⁵⁵ Das Prinzip der kritischen Prüfung der Ansichten der Früheren und das damit verbundene Prinzip der Akkumulation des Wissens gehört zu den methodologischen Grundsätzen des Aristoteles. Vgl. z. B.:

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Die Betrachtung der Wahrheit ist in einer Hinsicht schwer, in einer andern leicht. Dies zeigt sich darin, daß niemand sie in genügender Weise erreichen, aber auch nicht ganz verfehlen kann, sondern ein jeder etwas Richtiges über die Natur sagt, und wenn sie einzeln genommen nichts oder nur wenig zu derselben beitragen, so ergibt sich doch aus der Zusammenfassung aller eine gewisse Größe. (Aristoteles, Metaphysik II 1, 993 a 30 b 4, übers. v. H. Bonitz, Hamburg 1978, S. 71. )

Die Formulierung des Averroes trifft sich ziemlich genau mit dem, was Aristoteles an anderer Stelle sagt, nämlich, daß wir bei der Untersuchung einer Sache »die Ansichten all der früheren Philosophen mit heranziehen, die etwas über sie geäußert haben, damit wir das zutreffend Gesagte übernehmen, und wenn nicht zutreffend, es vermeiden.« (Aristoteles, Über die Seele I 2, 403 b 20–24, übers. v. H. Seidl, Hamburg 1995, S. 13) Die Akkumulation des Wissens und die Diskussion der verschiedenen einander widerstreitenden Problemlösungen (ijtilaf, vgl. Entscheidende Abhandlung § 14 u. ö.) wurden von den arabischen Juristen und Theologen bis zum Exzess betrieben. Die Aristoteles-Kommentare des Averroes sind – bei allen ihnen zukommenden Verdiensten – auch unter diesem Aspekt zu sehen. ⁵⁶ Zu »vielleicht« vgl. Anm. 40. ⁵⁷ Die mathematischen Wissenschaften umfaßten folgende Gebiete: Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik, Optik, Gewichtsmessungen und Technik (nützliche Erfindungen). Vgl. dazu z. B. al-Fārābī, De scientiis, S. 64–89. Das Beispiel der Mathematik legte sich für Averroes vermutlich aus verschiedenen Gründen nahe: (1) In der Mathematik war es evident, daß ein Fortschritt nur dann stattfinden kann, wenn zunächst das schon Erreichte studiert wird. Die Araber hatten die Elemente Euklids (um 300 v. Chr.), die Arithmetica des Nikolaus von Gerasa (1. Hälfte 2. Jhd. n. Chr.), die Konika des Apollonios von Perge (um 240 – um 170 v. Chr.), die Sphaerica des Theodosios (2. Hälfte 2. Jhd. v. Chr.), die Sphaerica des Menelaos (um 100 n. Chr.) und mehrere Schriften des Archimedes (287–212 v. Chr.), so vor allem die Schriften Über Kugel und Zylinder und Über Kreismessung in arabischen Übersetzungen

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zur Verfügung. Sie beschäftigten sich seit dem 7. Jhd. mit Fragen der Mathematik und seit dem 9. Jhd. fand bei den arabischen Mathematikern eine eigenständige Weiterentwicklung statt, wobei diesen selbst wie auch deren Biographen durchaus bewußt war, daß sie gegenüber der griechischen Mathematik Fortschritte erzielt hatten. Besonders wichtig wurde die zwischen 813 und 833 entstandene Algebra al-Iwārizimīs, die auch den Juristen bekannt war, da im 2. Teil dieses Werkes auch Anwendungen der Algebra z. B. auf Fragen der im islamischen Recht ziemlich komplizierten Berechnung von Erbanteilen enthalten waren. (2) Die Mathematik war die erste nicht-islamische Wissenschaft, die in al-Andalus Eingang gefunden hatte. Vgl. Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 9. Bei dem Verweis auf die Mathematik handelte es sich also um ein Beispiel einer etablierten und bekannten Wissenschaft. (3) Die mathematischen Wissenschaften waren ein »neutraler« Boden, dessen wissenschaftstheoretischer Status auch bei Korangelehrten unumstritten war. Auch al-Gazālī erkannte dies ohne Einschränkung an: Sie [die mathematischen Wissenschaften] umfassen die Arithmetik, die Geometrie und die Astronomie. Diese Wissenschaften beziehen sich weder in bejahender noch in verneinender Form auf religiöse Themen, sondern auf beweisbare Fragen, die nicht abgeleugnet werden können, sobald man sie einmal verstanden und erkannt hat. (Al-Gazālī, Der Erretter aus dem Irrtum, S. 19)

Averroes konnte also fordern, »nach dem Muster« der Mathematik vorzugehen, ohne befürchten zu müssen, auf Vorbehalte islamischer Juristen zu treffen. ⁵⁸ Die Ausdrücke sinaÝa (»Kunst« im Sinne von lat. ars) und Ýilm (»Wissenschaft« im Sinne von lat. scientia) werden von Averroes wie auch von den anderen arabischen Philosophen oft ohne Unterschied gebraucht. So wird im vorausgegangenen Satz von den »mathematischen Wissenschaften« gesprochen und jetzt hier von der »Kunst der Geometrie«. ⁵⁹ Für die Fragen der Astronomie waren für die arabischen Philosophen zwei Textgruppen der antiken griechischen Philosophie

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und Wissenschaft maßgeblich: Der Almagest des Ptolemaios und die Schriften De Caelo und die Physik des Aristoteles. Zur Zeit des Averroes hatte der Text des Almagest bereits eine lange Textgeschichte durchlaufen. Vom Almagest gab es bereits im 3. Jhd. eine mittelpersische Übersetzung, dann auch eine syr. Übersetzung. Im 9. Jhd. wurden vom Almagest zwei arab. Übersetzungen hergestellt, eine von al-Iaffāf und eine weitere von Ishāq ibn Hunayn, die dann von Tābit ibn Qurra, der selbst ein hervorragender Astronom war, verbessert wurde. Ptolemaios beschäftigte sich vor allem mit Problemen der mathematischen Beschreibbarkeit und Berechenbarkeit der Sterne, Aristoteles hingegen vor allem mit Fragen der Physik, also besonders mit Fragen der verschiedenen Bewegungen. Diese beiden Formen der Astronomie waren zur Zeit des Averroes in bestimmten Grundvoraussetzungen unvereinbar. Auch die Aristoteliker waren sich aber der Stärke der Voraussagemöglichkeiten bewußt, die die ptolemeische Astronomie lieferte. Vgl. Vernet / Samsó 1997, S. 292 f. Averroes kannte diese Problematik und war der Überzeugung, daß eine neue Astronomie gefunden werden sollte. Die Astronomie des 12. Jahrhunderts bewegte sich aber nicht nur auf dem Niveau der spätantiken Quellen. Die Weiterentwicklung der Astronomie mit der damit verbundenen Mathematik – besonders wichtig war die Entwicklung der Trigonometrie – hatte bei den Arabern sofort nach der Übersetzung der entsprechenden Texte nicht nur aus dem griech., sondern auch aus dem persischen und indischen Bereich eingesetzt. Seit dem 8. Jhd. setzten die arabischen Wissenschaftler besonders auf die Entwicklung immer präziserer Meßgeräte und auf wiederholte empirische Beobachtungen. Vgl. Morélon, R., L’astronomie arabe orientale entre le VIII e et le XI e siècle, in: Rashed, R. (Hrsg.), Histoire des sciences arabes, Paris 1997, I, S. 35– 69. Zur Berechnung des Erddurchmessers wurde schon zur Zeit des Kalifen al-MaÝmun (reg. 813–833) eine wissenschaftliche Expedition unternommen, deren mathematisch kalkulierte Ergebnisse den heutigen Berechnungen erstaunlich nahe kommen. Vgl. Kennedy, E. S., Géographie mathématique et cartographie, in: ebd. I, S. 219 f. Die Zahl der an astronomischen Forschungen beteiligten Wissenschaftler war sehr groß, die bekanntesten davon sind al-Bīrūnī (973–1048) und al-Haiuam (965–1040/1041). Auch in al-Andalus

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erreichte die Astronomie ein sehr hohes Niveau. Im Jahrhundert vor Averroes, also im 11. Jhd., wurde in al-Andalus besonders der mathematische Aspekt der Astronomie weiterentwickelt. Der vielleicht bekannteste Astronom dieser Periode in Spanien war azZarqālluh (Anfang 11. Jhd. – 1100), der sich 25 Jahre lang mit Beobachtungen und Berechnungen der Sonne beschäftigte und der auch maßgeblich an den Forschungen teilnahm, die zu den bekannten »Toledaner Tafeln« führten. Vgl. Vernet / Samsó 1997, S. 280–289. Bei der Abfassung des späten Großen Kommentars zu De Caelo mußte Averroes allerdings einsehen, daß er seinen Jugendplan einer »Reform der Astronomie« nicht verwirklichen konnte und er sich mit der Darlegung von Grundzügen derselben begnügen mußte. Eine auf aristotelischer Basis beruhende »neue Astronomie« wurde im 12. Jhd. in al-Andalus von al-Bitrūfī (genaue Daten nicht bekannt), einem Schüler Ibn Tufails entwickelt, die aber wesentlich weniger »aristotelisch orthodox« ist als die des Averroes. Vgl. Vernet / Samsó 1997, S. 293–296. Averroes hat sich mit beiden Textgruppen – der des Ptolemaios und der des Aristoteles – beschäftigt. Er verfaßte ein Kompendium zum Almagest des Ptolemaios, das nur in einer hebr. Übersetzung erhalten ist. Vgl. Lay 1996. Er kannte auch die Schrift al-Haiuams Zweifel an Ptolemaios und nahm diese Einwände durchaus ernst. Vgl. Urvoy 1998, S. 102 f. In der Stellung des Averroes gegenüber der Astronomie des Ptolemaios scheint ein Wandel vor sich gegangen zu sein. Im Kompendium zur Metaphysik des Aristoteles (verfaßt 1174) scheint er sie zu akzeptieren, im Großen Kommentar zu derselben Schrift (verfaßt nach 1186) lehnt er sie ab. Vgl. Vernet / Samsó 1997, S. 293. Der Schwerpunkt der Arbeit des Averroes im Bereich der Astronomie lag allerdings nicht in der Auseinandersetzung mit Ptolemaios, sondern in der Kommentierung von De Caelo des Aristoteles. Von De Caelo waren zwei arab. Übersetzungen hergestellt worden, eine von Ibn al-Bitrīq (um 770 – um 830) und eine von Hunain ibn Ishāq (808–873), eine arabische Version ist erhalten, es ist aber nicht klar, welcher der beiden der Übersetzer derselben ist. Zwei der Kommentare des Averroes zu De Caelo sind vor der Entscheidenden Abhandlung entstanden, das Kompendium wurde 1159 abgefaßt (arab. erhalten, hebr. Übersetzung erhalten), der Mittlere

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Kommentar 1171 (arab. und in hebr. Übersetzung erhalten). Der Große Kommentar ist 1188 abgefaßt worden (arab. nicht erhalten, die lat. Übersetzung des Michael Scotus ist erhalten). Vgl. Peters 1968, S. 35 f. Die Astronomie gehörte aber nicht zu den Gebieten, in denen Averroes eigene Forschungsarbeit leistete, dafür fehlten ihm auch die mathematischen Fachkenntnisse für diese zu seiner Zeit schon sehr fortgeschrittene Disziplin. Averroes blieb auf diesem Gebiet ein »gebildeter Amateur«. Vgl. Urvoy 1998, S. 65. Er wußte jedoch, daß die Astronomie durch weitere empirische Forschung ausgebaut werden mußte und unternahm auch selbst empirische Beobachtungen, so z. B. als er bei einer Reise nach Marrakesch im Jahre 1153 einen Stern beobachten konnte, den er in al-Andalus nicht sehen konnte. Vgl. Urvoy 1990, S. 147 f. ⁶⁰ Der Ausdruck wahy bedeutet »Offenbarung« oder »Inspiration«, das entsprechende Verb ist waha. Es handelt sich dabei um einen Ausdruck, der schon im Koran verwendet wird. Vgl. z. B. »Also wir haben dir einen arabischen Koran geoffenbart.« (Sure XLII , 7) Sowohl im Koran als auch in den Hadīuen wird wahy vorwiegend auf religiöse Offenbarung und auf Muhammad bezogen, obwohl auch dem Satan die Möglichkeit zugesprochen wird, etwas »einzuflüstern«. Vgl. Art. Wahy in EI² XI , Sp. 53 b–54 b. Das Argument des Averroes lautet also etwa folgendermaßen: Wissenschaftliche Erkenntnis baut auf den Erkenntnissen früherer Forscher auf, anders als auf diesem Weg kommt niemand zu solchen Erkenntnissen. Die einzige Alternative dazu wäre Offenbarung. Da Offenbarung in diesem Bereich aber nicht stattfindet, bleibt nur der erste Weg, d. h. das Aufbauen auf den Erkenntnissen der Früheren. – Aus dieser Aussage darf also nicht abgeleitet werden, daß Averroes irgendetwas wie eine »übernatürliche« Offenbarung annimt. Vgl. Hourani, Harmony, S. 88, Anm. 42. ⁶¹ Im Almagest wird gesagt, daß das Volumen der Sonne 170 mal größer ist als das der Erde. Vgl. Ptolemy’s Almagest, übers. v. G. J. Toomer, London 1984, S. 257. Im Tahāfut, S. 207, Incoherence of the Incoherence, S. 125, spricht Averroes im selben Zusammenhang von »170 mal größer«, hat also dort die dem Text des Ptolemaios entsprechende korrekte Angabe. Warum Averroes in der Entscheidenden Abhandlung von »150 oder 160 mal größer« spricht, ist

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nicht recht klar. Möglicherweise hatte er den Ptolemaios-Text bei der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung nicht vor sich liegen und zitierte aus der (ungenauen) Erinnerung. Nimmt man die in Anm. 59 vermutete Chronologie an, so fällt die Abfassung der Entscheidenden Abhandlung in eine Periode nur einige Jahre nach der Abfassung des Kompendiums zur Metaphysik des Aristoteles, also in eine Periode, in der Averroes die Astronomie des Ptolemaios akzeptierte. ⁶² An dieser Stelle unterscheiden sich die beiden Handschriften in übersetzungsrelevanter Weise. Vgl. Hourani, Fasl, S. 10, Anm. 57. In der Handschrift der Biblioteca Nacional steht ma, also eine Verneinung. In der Handschrift des Escorial hingegen steht Þamma, was bedeutet: »was … betrifft«. Diese Lesung übernimmt Hourani für seine arabische Textversion, ebenso Geoff roy, Discours, S. 112. Dadurch ergibt sich die Übersetzung bei Hourani, Harmony, S. 47 f.: But what calls even more strongly for comparison with the art of mathematics in this respect is the art of the principles of law. Mahdi entscheidet sich in seiner Revision des Textes von Hourani für ma, und dies ist somit die Textversion bei Butterworth, Treatise, S. 6 (= unsere Textversion). Mir scheint die Textversion von Mahdi / Butterworth wegen der von Averroes angezielten Argumentation besser. Averroes will sagen: Wir brauchen hier gar nicht das – für manche seiner Leser ja doch nicht so bekannte – Beispiel der Mathematik und der Astronomie heranzuziehen, auch schon das allen bekannte Beispiel der Rechtwissenschaft liefert eine ausreichende Begründung. Averroes richtete sich in seiner Argumentation in der Entscheidenden Abhandlung ja in ganz besonderer Weise an die (mālikitischen) Juristen. Die Stützung der Argumentation durch die Behauptung einer Ähnlichkeit von Mathematik und Rechtswissenschaft wäre auch sachlich problematisch gewesen. Einer der einflußreichsten ašÝaritischen Juristen und Theologen, al-Fuwainī, mit dem sich Averroes an vielen Stellen nicht nur in der Entscheidenden Abhandlung, sondern auch im Manāhif auseinandersetzte, ließ keine wirkliche Ähnlichkeit von Mathematik und Rechtswissenschaft gelten: Die Mathematik beschäftigt sich »nur« mit abstrakten Verhältnissen, die auf wenigen Grundsätzen aufbauen, während im Recht eine ungeheure Fülle konkreter Situationen beurteilt werden

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muß und die Absicht Gottes dabei oft nur mit sehr viel Mühe festgestellt werden kann. Vgl. Nagel 1988, S. 266. Also: Etwas, das für die »einfache« Wissenschaft der Mathematik gilt, muß noch lange nicht auch für die »komplexe und entsprechend schwierige« Wissenschaft des Rechts gelten. ⁶³ Zu den Grundsätzen der Rechtwissenschaft vgl. Art. Fiqh im Anhang. ⁶⁴ Hier steht nicht burhan, also der Fachbegriff für den aristotelischen Beweis, sondern huffa, ein Ausdruck, der häufig im Recht verwendet wird, etwa im Sinn von »Beweismittel«, »Urkunde« oder »Dokument«. ⁶⁵ Der Ausdruck nazir (Pl. nuzzar) bedeutet zunächst ganz allgemein »Überlegender«, dann aber spezifischer »Leiter«, »Rektor einer Schule«. Zur Wortwurzel nazara vgl. Anm. 7. Averroes bezieht sich daher nicht auf alle Anhänger der Rechtsschulen, sondern auf die »führenden Köpfe« derselben. ⁶⁶ Der Ausdruck madhab (Pl. madahib) ist der Fachbegriff für die verschiedenen islamischen Rechtsschulen. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. ⁶⁷ Die umstrittenen Rechtsfragen (masaÞil al-jilaf) waren der wichtigste Gegenstand der Diskussionen der Rechsschulen des Ostens im Unterschied zum Maghreb und zu al-Andalus, wo im Einflußbereich der Mālikiten die zur Diskussion der Rechtsquellen (Þusul al-fiqh) gehörenden Fragen keine oder nur eine geringe Rolle spielten. Die Rechtsgelehrten dort konzentrierten sich auf die kasuistische Darstellung und Sammlung der Einzelentscheidungen (furuÝ). Eine der wenigen – aber doch vorhandenen – Ausnahmen dabei bildeten Averroes und schon sein Großvater. Vgl. Art. Mālikiten und Fiqh im Anhang. ⁶⁸ Schon im 10. Jhd. vertraten zahlreiche islamische Rechtsgelehrte die Auffassung, daß alle Rechtsfragen endgültig gelöst seien. Diese Auffassung setzte sich im 11. Jhd. weithin durch und wurde z. B. von dem ašÝaritischen Theologen und šafiÝtischen Juristen alFuwainī (dessen Werk den Bezugspunkt des Averroes im Manāhif darstellte) ausdrücklich vertreten. Dies führte zur Vorstellung, daß das »Tor der eigenen Urteilsfindung« (vgl. Art. Ifma im Anhang) »geschlossen« ist. Vgl. Nagel 1988, S. 9.

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⁶⁹ Der Ausdruck sinaÝa Ýilmiya, also eigentlich »wissenschaftliche Kunst«, ist eher ungewöhnlich. Üblicherweise ist sinaÝa, d. h. »Kunst«, oder Ýilm, d. h. »Wissenschaft«, der Oberbegriff, der dann in nazari, d. h. »theoretisch«, und Ýamali, d. h. »praktisch« unterteilt wird. Vgl. z. B. al-Fārābī: De scientiis, S. 65 und S. 67. Die klassische griechische Unterscheidung in theoretische und praktische Wissenschaften bzw. Künste wurde von den arabischen Philosophen ziemlich allgemein übernommen, so auch von al-Gazālī. Vgl. Bakar 1998, S. 204. Zur Unterscheidung »theoretisch – praktisch« vgl. auch Anm. 7 und Anm. 117. ⁷⁰ Der Ausdruck sinaÝa as-sinaÝa, d. h. »Kunst der Künste« (lat. ars artium) wird gewöhnlich nicht für die Philosophie als ganze gebraucht, sondern speziell für die Logik. ⁷¹ Die These, daß in der islamischen Kultur alles von anderen und früheren Völkern, was der Wahrheit entspricht, aufgenommen werden soll, ist ein feststehender (apologetischer) Topos der islamischen Philosophen, der seit al-Kindī immer wieder verwendet wurde. Er ergibt sich konsequent aus der Auffassung, daß in der islamischen Offenbarung alle Wahrheiten in irgendeiner Form enthalten sind. Vgl. z. B. al-Kindī, On First Philosophy, übers. v. A. Ivry, Albany 1974, S. 58. Dieser Topos entspricht dem der lógoi spermatikói (der »verstreuten Wahrheiten«) der christlichen Apologeten des 2. Jahrhunderts, die diese These ihrerseits von den Stoikern übernommen hatten. Mit der Aufforderung der Suche nach den von anderen und früheren Völkern gefundenen Wahrheiten unterscheidet Averroes sich sehr deutlich von Ibn Tufail, dessen Philosoph im Hayy ibn Yaqzān auf einer Insel allein lebend alle Wahrheiten von sich aus findet. Vgl. Art. Ibn Tufail im Anhang. Es könnte damit eine indirekte Kritik an Ibn Tufail gemeint sein, wie Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 32, meint, dies ist aber eher nicht anzunehmen, bei der Enscheidenden Abhandlung und dem Hayy ibn Yaqzān handelt es sich um Schriften ganz verschiedener Literaturgattungen mit ganz verschiedenen Zielen: Ibn Tufail will zeigen, daß der Mensch von sich aus und ohne Offenbarung alle Wahrheiten finden kann, Averroes will zeigen, daß die Menschen bei der Suche nach der Wahrheit auf andere Menschen anderer Völker und früherer Zeiten zurückgreifen sollen, die Offenbarung spielt bei dieser Argumentationslinie gar keine Rolle.

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⁷² Bei den Christen war es seit der Zeit der Apologeten (2. Jhd.) ein beliebtes Argument, »Irrtümer« bei den Philosophen der griechischen Antike dadurch zu »entschuldigen«, daß diese noch nicht über die Offenbarung verfügten. Bei den Philosophen im Bereich des Islam wurde ein solches Argument nicht verwendet und konnte auch gar nicht verwendet werden, da diese nie behaupteten, daß die Offenbarung etwas hinzubringt, was die Vernunft nicht auch von sich aus erreichen kann. Für die islamischen Philosophen lieferte die Offenbarung »Anregungen« für die Philosophie, aber in keiner Weise »Ergänzungen«. Die islamischen Philosophen trauten eben in entscheidender Weise der Vernunft mehr zu als ihre christlichen Kollegen, sie haben im Unterschied zu diesen keine Verwendung für eine »vom Glauben erleuchtete Vernunft«. Vgl. Einleitung 2.6. Wenn also überhaupt eine »Entschuldigung« erforderlich schien, so mußte dies philosophieintern geschehen. Die Haltung des Averroes ist dabei genau die gleiche wie die des Aristoteles, die in den bekannten Schlußsätzen der Sophistischen Widerlegungen ausgesprochen ist: Erhalten wir nun bei Betrachtung einer Theorie […] den Eindruck, daß sie, verglichen mit den anderen, durch wissenschaftliche Überlieferung stetig gewachsenen Disziplinen, gut ausgefallen ist, so bleibt uns allen, beziehungsweise unseren Zuhörern, nur übrig, mit den Mängeln dieser Theorie nachsichtig, für ihre Errungenschaften aber recht dankbar zu sein. (Aristoteles, Sophistische Widerlegungen 34, 184 b 3–8, übers. v. E. Rolfes, Hamburg 1968, S. 68)

Der Wortlaut bei Averroes erinnert deutlich an diese Stelle bei Aristoteles. ⁷³ Mit dem Ausdruck fitra ist die Art und Weise gemeint, mit der ein Mensch von Gott erschaffen wurde: »Richte nun dein Antlitz auf die (einzig wahre) Religion! […] (Das ist) die natürliche Art (fitra), in der Gott den Menschen erschaffen hat«. (Sure XXX , 30) Vgl. Art. Fitra in EI² II , 931 b–932 a. Das Gesetz hat genau die Aufgabe, dem Menschen den Weg zu weisen, diese fitra bei sich zu verwirklichen. ⁷⁴ Bei dem Ausdruck Ýadala handelt es sich um einen Fachbegriff des Rechts, der aber in seiner genauen Definition ziemlich umstrit-

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ten war. In einem ganz allgemeinen Sinn wird damit die Qualifikation einer Person gekennzeichnet, die die moralischen und religiösen Verpflichtungen einhält. Besonders wichtig wurde dieser Begriff im Recht zur Kennzeichnung der Qualitäten einer Person, die als Zeuge in einem Verfahren herangezogen werden konnte, wobei auch hier wieder die genauen Bedingungen umstritten waren. Vgl. Art. ÝAdl in EI² I, 209 b–210 a. Mit dem Ausdruck facila (Pl. facail) wurden die verschiedensten Arten von Brauchbarkeiten und Tüchtigkeiten bezeichnet. Es gab in der arabischen Literatur eine ganze Literaturgattung, die sich mit der Güte oder Vortrefflichkeit einzelner Gegenstände, Personen oder Gruppen beschäftigte. Vgl. Art. Fadīla in EI² II , Sp. 728. Im philosophischen Gebrauch diente facila zur Wiedergabe des griech. aretê. Vgl. den Titel von al-Fārābīs Musterstaat (Al-madīna al-fadīla). Der Gegensatz zu Ýadala ist die Unwissenheit um das rechte Handeln (fahl), die am Ende des Absatzes genannt wird. Diese Unwissenheit ist also nicht eine einfache Ignoranz, sondern bedeutet jene Unkenntnis des richtigen gesetzlichen Weges, die zur Entfernung von Gott führt, wie ebd. auch ausdrücklich gesagt wird. ⁷⁵ Zur Unterscheidung von »Gesetz« und »Sittlichkeit« vgl. Art ÞAilāq im Anhang. ⁷⁶ Das Tor hat in der islamischen Kultur (wie auch in vielen anderen Kulturen) eine große Symbolkraft. Besonders symbolhaltig waren die Tore der Stadtmauern und das Tor der Karawansereien, die nachts geschlossen wurden und so den Eingang verwehrten. In der Architektur ist in der islamischen Baukunst die Ausgestaltung der Portale eine verhältnismäßig späte Erscheinung. Bis zum Ende des 9. Jahrhunderts waren auch die Eingänge in die Moscheen nicht besonders ausgestaltet (vgl. z. B. die Moschee von Córdoba). Seit dem 10. Jhd. finden sich in Ägypten (vermutlich unter dem Einfluß römischer Prunkbögen) prächtiger ausgestaltete Portale. Das wichtigste und am meisten nachgeahmte Modell ist das in Syrien entstandene Stalakiten-Portal, von dem sich das älteste erhaltene Beispiel in einer Madrasa in Aleppo (Ende 12. Jhd.) findet. ⁷⁷ Der Ausdruck tariq wird bereits im Koran verwendet (vgl. z. B. Sure XX, 104). Tariq und tariqa werden meist synonym gebraucht. Tariq bedeutet zunächst »Weg« im ganz konkreten Sinn,

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dann »Weg« oder »Methode« im übertragenen Sinn. Tariq wurde dann auch in einem speziellen Sinn vom »Weg« der Sūfīs gebraucht, behielt aber immer auch den allgemeinen Sinn von »Methode«. Vgl. Art. Tarīqa in EI² X, Sp. 243 b–246 a, und Art. Sūf ī im Anhang. Bei Averroes liegt in der Entscheidenden Abhandlung, wo dieser Ausdruck häufig verwendet wird, selbstverständlich der allgemeine Sinn von »Weg« oder »Methode« vor. ⁷⁸ Hinter dieser »Fehlerliste« steht in positiver Sicht das antike Modell des idealen Philosophen, wie es von Plato in der Politeia dargestellt worden war, das die Araber seit al-Fārābī als das Modell des idealen Philosophen / Imams übernommen hatten. Dieses Modell wird von al-Fārābī in The Attainment of Happiness, S. 48, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Plato aufgenommen. Al-Fārābī erwähnt dieses Modell auch innerhalb der Darstellung der politischen Philosophie in De scientiis, S. 123, und geht im Musterstaat XXVIII , S. 94–96, besonders auf die natürlichen Voraussetzungen des idealen Philosophen / Herrschers ein. Averroes nimmt all dies in seinem Kommentar Zu Platons Politeia auf. ⁷⁹ Vgl. Wensinck, Concordance I, S. 191, dt. Übers. in al-Buiārī, Sahīh, Auswahl Ferchl, S. 397. Das Ende des Berichts ebd. besteht darin, daß Muhammad sagt: »Gib ihm nochmals Honig!«, worauf der Schluß folgt: »Der Mann kam dieser Anweisung nach, und sein Bruder wurde wieder gesund.« Der Anlaß des Berichts ist ebd. die Mitteilung: »Der Prophet aß gern Honig und Süßigkeiten.« – Von der Biene wird im Koran gesagt: »Aus dem Leib der Bienen kommt ein für die Menschen heilsames Getränk von verschiedenen Arten heraus. Darin liegt ein Zeichen für Leute, die nachdenken.« (Sure XVI , 69). Dies ist jedenfalls ein gutes Beispiel über die Art des »Nachdenkens über Zeichen« oder »Hinweise«, von der der Koran spricht, und über die Art der Argumentation, die von den Hadīuen in solchen Zusammenhängen verwendet wird. Bei Averroes liegt aus verständlichen Gründen in der Entscheidenden Abhandlung die Tendenz vor, solches Nachdenken über Hinweise philosophisch zu sehr zu belasten. Vgl. Anm. 7. ⁸⁰ Zu »Glückseligkeit« vgl. Art. SaÝāda im Anhang. ⁸¹ Zu dem theologischen Ausdruck majluqat, der »Schöpfung / die geschaffenen Dinge« bedeutet, vgl. Anm. 16.

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⁸² Die Ausdrücke tasdiq und iÝtiqad drücken beide eine feste Glaubensüberzeugung aus. Bei vielen AšÝariten werden beide praktisch synonym verwendet. Die meisten Autoren scheinen aber einen Unterschied der beiden Ausdrücke anzunehmen. Mit tasdiq wird der Akt des festen, d. h. gesicherten Urteils über eine bestimmte Auffassung bezeichnet, mit iÝtiqad die Zustimmung zu einer solchen Auffassung. Vgl. Art. IÝtiqād in EI² IV , Sp. 279 a–b. Dies bedeutet, daß aus dem gesicherten Urteil die feste Zustimmung folgt, daß aber nicht notwendigerweise das Umgekehrte gilt, da eine feste Zustimmung vorhanden sein kann, ohne daß ein zugrundeliegendes gesichertes Urteil vorliegt. Averroes zieht den Ausdruck tasdiq, den er sehr häufig verwendet, vor, iÝtiqad kommt nur in § 30, § 57 und § 59 vor und es fällt auf, daß tatsächlich in keinem der drei Fälle von Überzeugungen die Rede ist, die auf einem gesicherten Urteil beruhen, in § 59 ist sogar von »verkehrten« (muharraf) Überzeugungen die Rede. Zu tasdiq, das lat. u. a. durch verificatio wiedergegeben wurde, vgl. Art. Tasawwur / Tasdīq im Anhang. Die Problematik objektiver und subjektiver Gewißheit ist auch in der lateinischen Philosophie bekannt, dort unter der Zweideutigkeit des Ausdrucks certitudo, der entweder eine certitudo res cognitae (vgl. arab. tasdiq) oder eine certitudo assensus (vgl. arab. iÝtiqad) bezeichnen kann. Die lat. Übersetzer des 12. Jahrhunderts wie z. B. Gerhard von Cremona waren sich bei der Wiedergabe von iÝtiqad unsicher, gingen einfach auf die Wortwurzel zurück und verwendeten dann credulitas für die Übersetzung. Vgl. al-Fārābī, De scientiis, S. 164, Anm. 18. ⁸³ Der Ausdruck qaul (Pl. Þaqwal, Þaqawil) bedeutet »Rede«, »Äußerung«, »Bericht«, »Argument« usw., ich bleibe aber mit der Übersetzung »Rede«, »Ausspruch« oder. »Aussage« (letzteres nicht im Sinn von »Satz«, sondern im Sinne einer öffentlichen Kundgabe wie z. B. in »Aussage vor Gericht«) dem Verb qala möglichst nahe, das zunächst »sprechen« oder »sagen« bedeutet, da in der arabischen Kultur das gesprochene Wort einen eindeutigen Vorrang vor der abstrakten Äußerung oder dem Argument hat. Es geht bei allen drei Redeweisen eben darum, eine Überzeugung hervorzurufen, modern ausgedrückt: Bei den Reden, um die es hier geht, ist nie nur ein Aussageinhalt oder eine Argumentation gemeint, sondern immer der performative und kommunikative Charakter des konkret gespro-

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chenen Wortes mitgemeint, so wie der »Weg« (tariq) nicht (nur) eine abstrakte Methode bezeichnet, sondern einen konkreten Gesprächsverlauf, und so wie die Zustimmung (tasdiq) der Abschluß bzw. das Ergebnis eines kommunikativen Prozesses ist. Gleich im folgenden Absatz wird auch vom Gesetzt gesagt, daß es daÝa, was bedeutet »es ruft herbei« oder »es lädt ein«, und ebenso gilt für qala, daß jemand angesprochen wird, und für qaul, daß es sich um eine »Anrede« handelt, die immer auch als »Anspruch« verstanden wird. Zu »rufen« vgl. Anm. 20. ⁸⁴ Zu den drei Menschengruppen oder »Klassen« vgl. Einleitung 2.4 und 2.5. ⁸⁵ Zu der bei Averroes nicht unproblematischen Frage der Eigenverantwortung des Menschen und der Vorherbestimmung vgl. Art. Iitiyār im Anhang. ⁸⁶ Vgl. Wensinck, Concordance I, S. 513. Mit der Sendung des Propheten »zu den roten und den schwarzen« ist die Universalität des Auftrags Muhammads ausgesprochen, während die anderen Propheten immer nur zu einem bestimmen Volk gesandt wurden. Der Islam ist somit die universale Religion. Im Manāhif nimmt Averroes dieses Bild nochmals auf und kommentiert es in folgender Weise: Deswegen sind die früheren Religionen vor dem Islam einem Volke speziell mit Ausschluß eines anderen gegeben worden, während unsere Religion allen Menschen insgesamt auferlegt wurde. (Manāhif, S. 102 f., Faith and Reason, S. 103 f.)

⁸⁷ Averroes zieht hier einen Koranvers heran, in dem Begriffe verwendet werden, die für seine Argumentation in systematischer Hinsicht wichtig sind: hikma, d. h. »Weisheit« bzw. »Philosophie« und fidal, d. h. »Streitgespräch«, das bei Averroes für »Dialektik« im Sinn des kalam bzw. der Diskussion mit Argumenten entsprechend der aristotelischen Topik steht. Der dritte Ausdruck mauÝiza hasaba, also »edle Predigt« bezieht sich im Sinne von Averroes eindeutig auf die Rhetorik. Genau dieselbe Interpretation des Koranverses XVI , 125, findet sich schon bei al-Gazālī: Gott hat gelehrt, daß manche Menschen durch Philosophie berufen sind, und manche durch Ermahnung, und manche durch

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Disputation. Wenn die, die durch Predigt aufgerufen sind, mit Philosophie gespeist werden, erleiden sie Schaden, […] und wenn Dialektik bei jenen zur Anwendung gebracht wird, die durch Philosophie aufgerufen sind, sind sie dadurch angewidert. (The Correct Balance, S. 288, übers. v. F. S.).

⁸⁸ In diesem Paragraphen ist die Grundvoraussetzung des Averroes ausgesprochen: Die Wahrheit der Philosophie steht nicht nur nicht im Gegensatz zur Wahrheit der Offenbarung und stimmt auch nicht nur mit ihr überein, vielmehr verweist jeweils die eine Wahrheit auf die andere. Vgl. auch Einleitung 2.6. ⁸⁹ Die Vorstellung, daß das geoffenbarte Gesetz vollständig ist, d. h. alle Fragen beantwortet, konnte nur dadurch aufrecht erhalten werden, daß gesagt wurde, daß einiges mit Schweigen übergangen wurde, also in dieser verborgenen Weise doch auch im Gesetz berücksichtigt ist. Die Vorstellung der Vollständigkeit des Gesetzes gehörte im 12. Jhd. bereits zum Grundbestand der Auffassungen der Rechtsgelehrten. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. ⁹⁰ Zu den Schlußfolgerungen im Recht (al-qiyas aš-šariÝi) und zu den durch Folgerungen abgeleiteten Bewertungen (Þahkam) vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang. ⁹¹ Zum äußeren und inneren Sinn des Korans vgl. Einleitung 2.4 und Art. TāÞwīl im Anhang. ⁹² Zu »Interpretation« vgl. Einleitung 2.4 und Art. TāÞwīl im Anhang. ⁹³ Zu dalala, d. h. »Hinweis« vgl. Anm. 15. Für »Äußerung« steht arab. lafz, was im fachphilosophischen Gebrauch zur Wiedergabe des griech. Ausdrucks phonê semantikê verwendet wurde, wie ihn Aristoteles in De Interpretatione 16 a 19 gebraucht. ⁹⁴ Die Übersetzung von haqiqi und mufazi ist etwas problematisch und nicht auf den ersten Blick verständlich. Vgl. dazu auch Art. TāÞwīl im Anhang. Der Ausdruck haqiqi bedeutet in seiner ersten Bedeutung »wahr«, »unverfälscht«, »authentisch«. Butterworth, Treatise, S. 9, übersetzt mit true significance, weist aber ebd., S. 52, Anm. 15, auf die Problematik der Stelle hin. Haqiqi kann jedoch auch »eigentlich« bedeuten, und Müller, Harmonie, S. 7, übersetzt entsprechend: »den Sinn des Wortes aus seinem eigentlichen Sinn in seinen

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figürlichen Sinn herauszuholen«. Hourani, Harmony, S. 50, übersetzt mit real significace, und auch Geoff roy, Discours, S. 119, übersetzt mit sens propre, so wie auch schon Alonso, Teología, S. 163, mit significado proprio. Mit haqiqi ist also hier die ursprüngliche, wörtliche Bedeutung eines Ausdrucks oder eines Textes gemeint. Der Ausdruck mufazi wird lexikographisch durch »metaphorisch« wiedergegeben. Dem folgen auch Alonso, Teología, S. 163, und Hourani, Harmony, S. 50. Müller, Harmonie, S. 7, übersetzt mufazi mit »figürlicher Sinn«, ganz ähnlich Butterworth, Treatise, S. 9, mit figurative, und Geoff roy, Discours, S. 119, der mit sens tropique übersetzt. Der Interpretationsvorgang wird also terminologisch so dargestellt, daß aus einem wahren, ursprünglichen Sinn eine übertragene, metaphorische Bedeutung »herausgeholt« werden soll. Hourani, Harmony, S. 93, Anm. 62, weist zu Recht darauf hin, daß haqiqi hier annäherunsweise äquivalent mit zahir, und mufazi mit batin ist. Die Verständnisschwierigkeit ergibt sich daraus, daß der heutige Leser dieses hermeneutische Verfahren der Interpretation mit der genau umgekehrten Begrifflichkeit darstellt: Der geoffenbarte Text wird bei bestimmten Ausdrücken oder Aussagen (= wörtlicher Sinn) als Metapher verstanden, aus dem dann der wahre, eigentliche (= philosophische) Sinn »heraussgeholt« wird. Der Sachverhalt ist aber trotz umgekehrter Terminologie ein und derselbe: Dem wörtlichen, als metaphorisch aufgefaßten Sinn wird durch die Interpretation ein »höherer« (= eigentlicher) Sinn zugeordnet. Averroes selbst gebraucht im § 15 haqiqi in der Bedeutung von »höherer« (= wahrer) Sinn. Vgl. Anm. 127. Ebenso wird im § 27 gesagt, daß der äußere Sinn, d. h. der Wortsinn, aus den Bildern besteht, die für die (wahren) Bedeutungen geformt wurden. Diese Umkehrung der Begrifflichkeit wird auch von Averroes-Interpreten zwanglos und ohne einen besonderen Hinweis vorgenommen. Vgl. z. B. Alonso 1942, S. 148. ⁹⁵ Mit der Auffassung, daß die durch qiyas im Sinn des juristischen Fachterminus gewonnenen Aussagen bzw. Bewertungen nur auf Meinungen beruhen, trifft sich Averroes mit der Mehrzahl der Rechtsgelehrten. Vgl. Brunschvig 1976 b, S. 182. Die Ausdrücke »Meinung« (zann) und »auf Meinung beruhend« (zanni) erhielten ihre Bedeutung zunächst im Recht und hatten dort eine negative Konnotation im Sinne von »unsicher«, »zweifelhaft«. Vgl. die Art.

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RaÞy und Qiyas (1) im Anhang. Im Unterschied zu den Schlußfolgerungen im juristischen Sinn beruhen die Schlußfolgerungen im logischen Sinn auf einem Beweis (burhan) und sind somit sicher (yaqin). Vgl. Art. Qiyas (2) im Anhang. ⁹⁶ Wörtlich: »gemäß der arabischen Interpretation«. ⁹⁷ Mit der allgemeinen Behauptung, daß alle Muslime der Meinung sind, daß an einigen Stellen eine Interpretation erforderlich ist, trifft sich Averroes mit dem, was al-Gazālī in der Tafriqa sagt, vgl. Rechtgläubigkeit, S. 67–69. Al-Gazālī stellt dort fest, daß nicht nur die MuÝtaziliten und die AšÝariten mit Interpretationen arbeiten, sondern sogar die Hanbaliten an einigen wenigen (genau: an drei) Stellen Interpretationen vorlegen. Vgl. Art. TāÞwīl im Anhang. Auf Ibn Hazm und die in al-Andalus einflußreichen Zahiriten geht al-Gazālī nicht ein, diese lehnten jedoch Interpretationen überhaupt ab. Vgl. Art. Ibn Hazm im Anhang. Die Problematik ist aber doch etwas subtiler. Nach der im vorausgehenden Absatz von Averroes dargelegten Auffassung entscheidet praktisch der Philosoph, welche Stellen im Koran eine Interpretation erfordern. Die Hanbaliten hätten einen solchen Anspruch überhaupt nicht diskutiert. Vgl. Art. Hanbaliten im Anhang. Aber auch kein ašÝaritischer Theologe hätte dies zugestanden. Ein solcher hätte eine Interpretation erst dann zugestanden, wenn aus inneren Gründen des Verständnisses des Korans, d. h. weil die wörtliche Interpretation zu rational nachweisbar unmöglichen Konsequenzen führt, eine Interpretation zwingend erforderlich erscheint, für die aber dann er allein zuständig ist. Vgl. Art. AšÝariten im Anhang. Am ehesten hätten noch die MuÝtaziliten der Auffassung des Averroes zugestimmt, aber auch diese verstanden Interpretationen primär als Aufgabe des Theologen, nicht des Philosophen. Vgl. Art. MuÝtaziliten im Anhang. Hätte wirklich kein Muslim die These bezweifelt, daß es dem Philosophen zusteht, festzustellen, wo der Koran interpretationsbedürftig ist und der Beweis des Philosophen dann auch die richtige Interpretation liefert, hätte Averroes im Prinzip seine Entscheidende Abhandlung gar nicht zu schreiben gebraucht. ⁹⁸ Der Ausdruck famiÝ bedeutet ganz allgemein »Zusammenfügung« oder »Zusammenschluß«, und ich übersetze ihn in diesem neutralen Sinn entsprechend der neutralen Übersetzung von

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ittisal im Buchtitel der Entscheidenden Abhandlung. Vgl. Einleitung 2.1. Hourani, Harmony, S. 51, und Butterworth, Treatise, S. 9, übersetzen famiÝ mit reconciling, ähnlich Geoff roy, Discours, S. 121, mit conciliation. Da im ersten Absatz des § 14 von einem Gegensatz die Rede ist, ist es ohne Zweifel berechtigt, nun von einer »Versöhnung« zu sprechen. Ich verstehe den vorliegenden Satz jedoch eher als die allgemeine These des Averroes von der Zusammengehörigkeit von Gesetz und Philosophie, aus der dann umgekehrt folgt, daß dort, wo dem Wortlaut nach ein Widerspruch auftritt, der Nachweis der Vereinbarkeit durch eine entsprechende Interpretation möglich sein muß. ⁹⁹ Das von Averroes – und von vielen anderen Autoren – verwendete Wortspiel des Zusammenschlusses von maÝqul (»Vernunftgemäßes«) und manqul (»Überliefertes«) läßt sich im Deutschen nicht wiedergeben. ¹⁰⁰ Die These, daß die Interpretation, d. h. der innere Sinn einer dunklen Stelle im Koran immer durch den äußeren Sinn einer anderen Stelle bestätigt werden könne, ist nur schwer haltbar. Vgl. Hourani, Harmony, S. 25. Tatsächlich wurde diese Auffassung aber von einer Gruppe von Korangelehrten vertreten, vor allem von solchen muÝtazilitischer Prägung. Ein bekannter Vertreter dieser Auffassung ist z. B. az-Zamaišarī (1075–1144). Vgl. Syamsuddin 1999, S. 69. Interessant dabei ist, daß die Vertreter dieser Auffassung bei der »Verteidigung« des Vorhandenseins dunkler Verse (mutašabihat) im Koran, die nur durch eindeutige Verse (muhkamat) interpretiert werden können, auf den »Nutzen« der dunklen Verse mit dem Argument hinwiesen, daß dadurch die Unterscheidung zwischen den Gelehrten und der Masse deutlich würde und die Gelehrten dadurch zu intellektueller Anstrengung herausgefordert würden. Vgl. Kinberg 1988, S. 161–163. Für die These, daß hinter dem Vorhandensein von Widersprüchen im Koran die »Absicht« Gottes stünde, die Gelehrten zu Interpretationen herauszufordern, gibt es weder im Koran noch auch in der Tradition irgendeinen Anhaltspunkt. Vgl. Hourani, Harmony, S. 95, Anm. 74. Auch Averroes scheint auf die These anzuspielen, daß in der Erfordernis der Interpretation bestimmter Koranstellen eine Herausforderung an die Auserwählten enthalten ist. Es ist allerdings fraglich, ob die These, daß ein dunk-

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ler Vers immer durch einen mit einem offenkundigen Sinn erklärt werden könne, für das Argumentationsziel des Averroes wirklich dienlich ist. In diesem Fall hätte die Philosophie gar keine wirkliche Interpretations-Funktion, sondern wäre nur das Selektionsinstrument für den »wahren« Sinn, d. h. für das Auffinden der Stellen, in denen schon im äußeren Sinn die Wahrheit direkt ausgesprochen ist. Einen strukturell verschiedenen inneren Sinn gäbe es dann eigentlich überhaupt nicht, der gesamte Interpretationsprozeß bliebe rein textintern. Die Philosophie würde zu einer nur vorübergehend erforderlichen Hilfsdisziplin der Koranexegese (was vielleicht die eigentliche Intention der MuÝtaziliten in ihrem Gebrauch der Philosophie war). Möglicherweise versucht Averroes hier den im vorausgehenden Absatz erhobenen und für viele Rechtsgelehrte nicht akzeptablen Anspruch, daß der Philosoph bestimmt, wann und wo interpretiert werden muß und er überdies der einzig kompetente Interpret ist, abzumildern. Dies ist aber eben nicht möglich, ohne daß die Grundintention, die Averroes in der Entscheidenden Abhandlung vertritt, im Prinzip aufgegeben würde. Ein ähnliches, aber nicht identisches Problem ergab sich bei der sog. Abrogation, bei der bei offensichtlich einander widersprechenden Versen des Korans (vgl. z. B. Sure VIII , 65 f.) der Widerspruch durch die Gelehrten dadurch beseitigt wurde, daß der chronologisch auf eine frühere Situation bezogene Vers als durch den späteren »aufgehoben« (nasij) bezeichnet wurde. Vgl. EI² VII , Sp. 1009 b–1012 a. In diesem Fall wird zwar auch ein Vers durch einen anderen durch eine Art Selektionsverfahren »interpretiert«, es handelt sich aber bei dem interpretierten, d. h. »aufgehobenen«, Vers um keinen »dunklen« Vers. Entsprechend gibt es für die Philosophie bei diesem Verfahren keine Funktion. Auch dieses Verfahren dient jedoch wie das vorher genannte dem Nachweis der Widerspruchsfreiheit der Aussagen des Korans. Vgl. auch Art. IÝfāz im Anhang. ¹⁰¹ Von demselben Stamm famaÝa, d. h. »vereinigen«, ist ÞifmaÝ abgeleitet, das der Fachbegriff für »Konsens« ist. Vgl. Art. ÞIfmāÝ im Anhang. ¹⁰² Das entsprechende Substantiv zum Verb ijtalafa, d. h. »verschiedener Meinung sein«, ist ijtilaf, das Averroes im § 17 verwendet. Dies ist der Fachbegriff für die Meinungsverschiedenheiten

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zwischen den verschiedenen Schulen des Rechts und zwischen verschiedenen Meinungen innerhalb einer einzelnen Schule. Vgl. Art. Iitilāf in EI² III , Sp. 1061 b–1062 b. Der Gegenbegriff zu ijtilaf ist die Übereinstimmung, der Konsens, also ÞifmaÝ. Vgl. Art. ÞIfmāÝ im Anhang. ¹⁰³ Vgl. Art. AšÝariten im Anhang. ¹⁰⁴ Sure II , 29: »Er ist es, der euch alles, was auf der Erde ist, geschaffen und sich hierauf zum Himmel aufgerichtet und ihn zu sieben Himmeln geformt hat.« ¹⁰⁵ Zu »Überlieferung« vgl. Art. Hadīu im Anhang. ¹⁰⁶ Vgl. Wensinck, Concordance, VI , S. 414. In diesem Hadīu wird davon gesprochen, daß Gott in die untere (d. h. sublunare) Welt herabgestiegen ist. ¹⁰⁷ Vgl. Art. Hanbaliten im Anhang. ¹⁰⁸ Der Streitpunkt betrifft die Frage, ob Gott ein Ort und eine Ortsbewegung zugeschrieben werden dürfe. Die Hanbaliten faßten Auf- und Abstieg im wörtlichen Sinn auf, während die AšÝariten verschiedene metaphorische Auslegungen vornahmen, etwa im Sinne von »Gott neigt sich barmherzig zu den Menschen herab«. ¹⁰⁹ Vgl. Anm. 100. ¹¹⁰ Die Stelle Sure III , 7, spielte eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der Lehre von der Interpretation (taÞwil). Vgl. den vollständigen Text des Verses in Anm. 137. ¹¹¹ Averroes verwendet hier das Verb sahha, das auf die korrekte Ausführung einer Handlung bezogen ist, sahih bedeutet »rechtsgültig«, das Gegenteil ist batil, also »rechtlich ungültig«. Diese Kategorien betreffen vor allem die formalen Grundbestandteile (rukn, Pl. Þarkan) und die Bedingungen (šart, Pl. šurut) der Gültigkeit einer Handlung. Vgl. EI² VIII , Sp. 836 a–b. Diese Geltungskategorien sind also zu unterscheiden von den Bewertungskategorien wie »verpflichtend«, »verboten« oder »erlaubt«. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. ¹¹² Zu Abū Hāmid, vgl. Art. Al-Gazālī im Anhang. Die Bezugsstelle bei al-Gazālī findet sich in der Tafriqa, Rechtgläubigkeit, S. 80. Auf diese Stelle bei al-Gazālī nimmt Averroes auch Bezug im Manāhif, S. 72, Faith and Reason, S. 70. ¹¹³ Abu al-MaÝālī al-Fuwainī (1028–1085), ein bedeutender Jurist und Theologe, gehörte zu den AšÝariten, deren Auffassungen

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er aber nicht in allen Punkten vertrat. Al-Fuwainī versuchte, die ašÝaritischen Auffassungen auch in der Lehre von den Grundlagen des Rechts (Þusul al-fiqh) zur Geltung zu bringen. Er legte großen Wert auf rationale, auch auf der aristotelischen Beweislehre aufbauende Argumentationen. Al-Fuwainī war einer der Lehrer al-Gazālīs. Vgl. Art. AšÝariten im Anhang. Averroes setzt sich im Manāhif an mehreren Stellen mit Auffassungen al-Fuwainīs auseinander. Zu al-Fuwainī vgl. Nagel 1988. Die Bezugsstelle bei al-Fuwainī findet sich in dessen Schrift Al-Burhān f ī l-Þusūl al-fiqh (Der Beweis in den Grundlagen des Rechts), hrsg. v. A. ad-Dīb, Kairo 1980, I, S. 724 (Angabe übernommen aus Geoff roy, Discours, S. 193, Anm. 59). ¹¹⁴ Hier steht im arab. Text ÞaÞimma (Pl. von Þimam), vgl. § 1, wo sich Averroes selbst als »Imam« bezeichnet. ¹¹⁵ Aus dem folgenden Abschnitt wird deutlich, daß es sich bei den »Dingen wie diesen« um theoretische, nicht um praktische Fragen handelt. ¹¹⁶ Kufr ist ist in erster Linie eine Kategorie des Rechts, nicht eine der Theologie. Es wird z. B. von al-Gazālī in der Tafriqa ausdrücklich festgestellt, daß »Unglaube« eine rechtliche Beurteilung (hukm šarÝi) darstellt (vgl. Rechtgläubigkeit, S. 59), und an diesem Punkt besteht keinerlei Unterschied zu der Auffassung des Averroes. Für einen Ungläubigen (kafir) ist schon im Koran die ewige Höllenstrafe vorgesehen. Eher problematisch war die Frage, wie die Lage der Ungläubigen im diesseitigen Leben zu beurteilen war. Ein wichtiger Gesichtspunkt dabei war die Frage, ob jemand im Unglauben aufgewachsen ist – so vor allem die Anhänger der »Religionen des Buches« – oder ob jemand Muslim war, dann aber durch seine Auffassungen oder Handlungen zum Ungläubigen geworden ist. Für solche »Abtrünnige« (murtadd) war seit den Hadīuen die Todesstrafe vorgesehen. Fraglich war allerdings, ob es die Möglichkeit einer reuigen Rückkehr geben solle, was z. B. die Hanbaliten nicht zulassen wollten, oder ob diesen Ungläubigen vorher die Möglichkeit einer solchen reuigen Rückkehr gegeben werden sollte, was die Mehrzahl der Juristen annahm. Vgl. Art. Kāfir in EI² IV , Sp. 407 b–409 a, und Art. Murtadd in EI² VII , Sp. 634 a–636 b. Bei al-Fārābī und Ibn Sīnā handelt es sich aus der Sicht al-Gazālīs um solche »Abtrünnige«.

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¹¹⁷ Die hier zugrundeliegende Unterscheidung in »theoretisch« (nazari) und »praktisch« (Ýamali) ist von den Griechen übernommen, und damit war aus dieser Tradition heraus ein Vorrang der Theorie mitgegeben, was sich z. B. bei al-Fārābī zeigt: Die Denkkraft zerfällt in eine praktische und eine theoretische. Die praktische ward dazu bestimmt der theoretischen zu dienen, die theoretische Kraft aber dient keinem Anderen, vielmehr ist sie dazu da, um zum Glück zu führen. (Al-Fārābī, Der Musterstaat X XIII , S. 74)

Auch al-Gazālī stimmt grundsätzlich dieser Einordnung zu: Sie [die verschiedenen Schulen] stimmen darin überein, daß Erfolg und Heil nicht anders zu erreichen sind als durch Wissen und Handeln gemeinsam, obwohl sie darin einig sind, daß das Wissen erhabener als das Handeln ist – so als ob das Handeln das Wissen ergänzt und von diesem geleitet wird, damit es [das Handeln] sich in richtiger Weise verwirklicht. (Al-Gazālī, Das Kriterium des Handelns, S. 94)

Demgegenüber ist die von Averroes im letzten Satz des Abschnitts für denselben Sachverhalt gebrauchte Unterscheidung von Ýamali und Ýilmi, also eigentlich »wissenschaftlich«, weniger gebräuchlich, da ja normalerweise Ýilm als Oberbegriff für nazari und Ýamali gebraucht wird. Eine ähnliche Unterscheidung findet sich allerdings auch bei al-Gazālī, wobei Ýamali auf das Recht (fiqh) bezogen wird. Vgl. Art. ÝAmal in EI² I, Sp. 427 b. Averroes verwendet die übliche Unterscheidung von »theoretisch / praktisch« (nazari / Þamali) im § 15 und § 24 der Entscheidenden Abhandlung, der hier im § 15 gebrauchten Unterscheidung Ýilmi / Ýamali dürfte also keine spezifische Bedeutung zukommen. Letztlich hat die griechische Unterscheidung in theoretische und praktische Wissenschaften im arabisch-islamischen Bereich aber nie jene Ordnungsfunktion erhalten, die sie in der griechischen Philosophie gehabt hatte. Für die arabischen Theologen wie auch für die Philosophen blieb die Einteilung in »arabische« und »fremde« Wissenschaften immer der entscheidende Gesichtspunkt. Vgl. Anm. 7. Dies gilt erwartungsgemäß für al-Gazālī. Vgl. Bakar 1998, S. 217. Auch al-Fārābī, der versucht

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hatte, über diese Unterscheidung hinauszugelangen, erreichte nicht eine in allen Punkten einheitliche und stimmige Lösung. Vgl. alFārābī, De scientiis, Einleitung, S. XIX –XXXVIII . Am Ende des Abschnitts im Text kommt Averroes nochmals auf die Unterscheidung in theoretische und praktische Fragen zu sprechen. Das Argument des Averroes lautet dort: Die praktischen Fragen betreffen alle Menschen, und da ein innerer Sinn des Korans nur einer Elite, also einer Minderheit zugänglich ist, darf es bei den praktischen Fragen keinen inneren Sinn geben. Vgl. Leaman 1988, S. 151. Der leitende Gesichtspunkt ist also auch hier: Die praktischen Fragen, die »alle« angehen, werden von den »arabischen / islamischen Wissenschaften« behandelt, während die Gruppe jener theoretischen Fragen, die nur die »wenigen« angehen, die sind, die mit Hilfe und mit den Methoden der »fremden Wissenschaften« bearbeitet werden. Vgl. auch Einleitung 2.6. ¹¹⁸ Averroes verwendet hier den allgemeinen Ausdruck zaman für »Zeit / Periode«, ob er bewußt den Ausdruck tabaqa vermeidet, läßt sich nicht feststellen. Mit dem Ausdruck tabaqa, d. h. etwa »Schicht« war nämlich das für die Hadīt-Gelehrten und entsprechend für die Juristen schwierige Problem verbunden, wie überhaupt Perioden, für die ein Konsens festgestellt werden sollte, in ihren zeitlichen Grenzen festgelegt werden sollten. Vgl. zu diesem Problem z. B. die Auffassung al-Fuwainīs, eines für Averroes wichtigen Referenzautors, in Nagel 2001, S. 229 f. ¹¹⁹ Der Ausdruck tawatur ist ein – allerdings nicht genau definierter – Fachbegriff der Wissenschaft der Überlieferung, der besagt, daß eine Tradition des Propheten Muhammad von den ersten Gefährten an durch mehrere Überlieferungslinien (isnad) gewährleistet ist. Vgl. Art. Hadīu im Anhang und EI² X, Sp. 381 b–382 a. ¹²⁰ Mit dem Verb sahha ist gemeint, daß etwas rechtsgültig gesichert ist. Vgl. Anm. 111. ¹²¹ Averroes scheint hier vorauszusetzen, daß ein Konsens durch eine »stillschweigende« gegenteilige Meinung aufgehoben werden könnte, so daß die Rechtsgelehrten einer Periode zu einer Äußerung zu jeder ihnen bekannten umstrittenen Frage verpflichtet werden müßten, damit es keine verborgenen Meinungen geben könnte, die den Konsens aufheben könnten. Dies widerspricht jedoch den Re-

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geln des islamischen Rechts, das Beurteilungen grundsätzlich nur auf überprüfbare und bezeugte Äußerungen bezieht. Hourani 1960, S. 151, nennt diese Voraussetzung des Averroes zu Recht unsound legal reasoning. ¹²² Die Bedingungen für einen Konsens (ifmaÝ) bei theoretischen Fragen, die Averroes hier aufstellt, sind extrem streng und eng. Sie entsprechen aber dem, was die meisten muslimischen Rechtsgelehrten für einen solchen Konsens fordern. Faktisch ist die Liste dieser Bedingungen aber eher der Nachweis dafür, daß ein Konsens bei theoretischen Fragen unerreichbar ist, worauf Averroes im folgenden Abschnitt auch selbst hinweist. Vgl. Bello 1989, S. 46. Auch alGazālī stellt in der Tafriqa kaum erfüllbare Kriterien für den Nachweis eines Konsenses auf: Dieser Vorgang gehört zu den schwer verständlichen Dingen. Denn die Bedingungen dieses Konsens sind erfüllt, wenn sich die Rechtsgelehrten an ein und demselben Ort versammeln und dann über ein und denselben Gegenstand mit deutlichen Worten übereinstimmen. Schließlich müssen sie noch auf ihrer Einigung beharren – eine zeitlang bei einem Volke und nach Ablauf der Epoche bei einem anderen Volke. Oder aber ein Imām korrespondiert mit den fernen Ländern und empfängt zu ein und derselben Zeit ihre Fatwas. (Al-Gazālī, Rechtgläubigkeit, S. 80)

Die Tatsache, daß im islamischen Recht in Hinsicht auf die Kriterien für den Konsens wie auch für die Zuverlässigkeit von Hadīuen von frühester Zeit an nicht selten unerfüllbare Bedingungen aufgestellt worden sind, wird auch von modernen islamischen Rechtsgelehrten anerkannt. Vgl. Nagel 2001, S. 162 f. Manchmal enfernten sich die Rechtsgelehrten in ihren Überlegungen ziemlich weit von dem, was in der gesellschaftlichen Wirklichkeit faktisch gegeben oder durchführbar war. Vgl. auch Art. Fiqh im Anhang. ¹²³ Der Sinn dieser Stelle ist problematisch ebenso wie der der entsprechenden Stelle am Ende des ersten Absatzes von § 16. An beiden Stellen wird gesagt, daß es für jene, die nicht zu den Leuten der Wissenschaft bzw. des Beweises gehören, nicht verpflichtend ist, den inneren Sinn, d. h. die Interpretationen, zu kennen. Dies bedeutet aber, daß es ihnen prinzipiell erlaubt ist, diesen inneren Sinn zu

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kennen, und dies widerpricht einem Grundprinzip des Averroes in der gesamten Entscheidenden Abhandlung, vgl. z. B. § 46 und § 47, wo es ausdrücklich verboten wird, die Interpretationen jenen dazulegen, die nicht in der Lage sind, sie zu verstehen. Man würde also den Text in folgener Form erwarten: »daß es verpflichtend ist, daß jene den inneren Sinn nicht kennen«, während im Text steht: »daß es nicht verpflichtend ist, daß jene den inneren Sinn kennen«. Die Negation steht also im Text nicht an der Stelle, an der sie zu erwarten wäre. Der Text ist aber in beiden Handschriften genau so überliefert und die Übersetzung ist nur in letzterer Form möglich. Butterworth, Treatise, S. 11, übersetzt entsprechend: it is not obligatory for someone to know about the inner sense if he is not an adept in knowledge. Ebenso entsprechend übersetzt Geoff roy, Discours, S. 125: il ne faut pas que connaissent le caché ceux qui ne sont pas hommes à en posséder la science. Ob an dieser Stelle bei Averroes eine Inkonsistenz vorliegt oder ob er bewußt eine Abschwächung vornimmt, soll hier nicht entschieden werden. Klar aber ist, daß eine solche Abschwächung konsistent nicht durchführbar ist. ¹²⁴ Al-Buiārī (810–870) stellte unter dem Buchtitel Sahīh (= »der Gesunde«) die wichtigste Sammlung der Überlieferung der Taten und Entscheidungen Muhammads zusammen. Vgl. Art. Hadīu im Anhang. Zu diesem Zweck unternahm er ausgedehnte Reisen in die Zentren der islamischen Staaten von Chorasan bis Ägypten, wo er seinen Angaben nach mehr als 1000 »Autoritäten« traf und deren Berichte sammelte. Enscheidend für die »Gesundheit« einer Überlieferung sind die Traditionsketten (isnad, vgl. auch tawatur in Anm. 119). Der Sahīh ist nach Sachgruppen eingeteilt, die den Einteilungen des Rechts (fiqh) entsprechen, es werden aber auch Fragen des Glaubensbekenntnisses wie Schöpfung oder Himmel und Hölle behandelt. Al-Buiārī kann aber keiner bestimmten Rechtsschule zugeordnet werden. Seine Sammlung wurde zunächst als eine unter anderen angesehen, seit etwa dem 10. Jhd. galt sie aber als die bedeutendste Sammlung der sunnitischen Tradition. Vgl. die dt. Auswahl-Sammlung Sahīh al-Buiārī. Nachrichten von Taten und Aussprüchen des Propheten Muhammad. ¹²⁵ ÝAli ibn Alī Tālib, der letzte der »rechtgeleiteten« Kalifen (reg. 656–661), einer der frühesten Gefährten des Propheten, Vetter Mu-

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hammads und mit dessen Tochter Fatima verheiratet. Nach Kämpfen um das Kalifat wurde er in Kufa ermordert und mit MuÝāwiya (reg. 661–680) begann die Herrschaft der Umaiyaden. ¹²⁶ Vgl. Wensinck, Concordance, V, S. 553. ¹²⁷ An dieser Stelle verwendet nun Averroes haqiqi, d. h. »wahr«, mit Bezug auf den »inneren« Sinn (batin) im Unterschied zu dem Gebrauch von haqiqi in der Definition von »Interpretation« im § 13. Vgl. dazu Anm. 94. ¹²⁸ Vgl. Art. Al-Fārābī im Anhang. ¹²⁹ Vgl. Art. Ibn Sīnā (Avicenna) im Anhang. ¹³⁰ Vgl. Art. Al-Gazālī im Anhang. ¹³¹ Diese drei Fragen behandelt al-Gazālī im Tahāfut al-Falasifa (Incoherence of the Philosophers) in ausführlichen, nach Problemen geordneten Kapiteln, die jeweils einer bestimmten Frage gewidmet sind: Problem I (Schöpfung / Ewigkeit der Welt), Problem XIII (Gottes Erkenntnis der Einzeldinge), Problem XX (Auferstehung der Körper / Paradies / Hölle). Der Aufbau der Erwiderung des Averroes im Tahāfut at-Tahāfut (Incoherence of the Incoherence) folgt dieser Kapiteleinteilung al-Gazālīs. Denselben Vorwurf des Unglaubens mit Hinweis auf diese drei Fragen erhebt al-Gazālī im Erretter aus dem Irrtum, S. 24. Vgl. Anm. 46. Die beiden wichtigsten Fragen waren für al-Gazālī wohl die der körperlich und sinnlich erfahrbaren Belohnung und Bestrafung im Jenseits und die der Erkenntnis Gottes der Einzeldinge. Eine Leugnung dieser beiden Wahrheiten wird von al-Gazālī auch in der Tafriqa als Unglaube bezeichnet (Rechtgläubigkeit, S. 73 f.), während dort das Problem der Zeitlichkeit der Schöpfung nicht angesprochen wird. ¹³² Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, muß es ganz klar sein: Bei dieser »Auferweckung der Körper« geht es nicht um irgendetwas, das mit der Vorstellung einer »Unsterblichkeit« des Menschen als ein leib-seelisches Wesen auch nur das Geringste zu tun hat. Eine solche Lehre gibt es im Islam nicht und sie ist dort auch gar nicht denkbar. Im Koran wird unmißverständlich festgestellt: »Alles ist dem Untergang geweiht, nur er [d. h. Gott] nicht.« (Sure XXVIII , 88) Die Ungläubigen stellen die Frage: »Sollen wir etwa, wenn wir (erst einmal) vermoderte Knochen sind, in einer neuen Schöpfung auferweckt werden?« (Sure XVII , 49) Für den

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Muslim gehört es jedoch zu den ganz zentralen Bestandteilen seines Glaubens, daß eine solche Auferweckung stattfinden wird. Für diese »Auferweckung« wird bei Averroes der koranische Ausdruck hašr verwendet, der wörtlich »Versammlung« bedeutet. »Und am Tag (des Gerichts), da er (d. h. Gott) sie (d. h. die Menschen) )(zu sich) versammelt! Es ist (ihnen dann), als ob sie (seit ihrem Tod) nur eine Stunde des Tages (im Grab) verweilt hätten.« (Sure X , 45) Bei dieser Auferweckung handelt sich also um keinerlei Fortleben, sondern um eine zweite Schöpfung, die ganz ausdrücklich zur ersten Schöpfung (jalq) in Parallele gesetzt wird (vgl. Sure XXI , 104). Vgl. Art. Qiyāma in EI² V , Sp. 235 b–236 b. ¹³³ Wörtlich: »die Zustände«. Der Ausdruck hal (Pl. Þahwal) war ein Fachbegriff, der ursprünglich aus der Medizin stammte, dann aber auch in der Grammatik und im Recht und schließlich besonders in der Mystik Verwendung fand. Vgl. EI² III , Sp. 83 b–85 a. ¹³⁴ Der Ausdruck ihtimal bedeutet »Möglichkeit«, »denkbarer / wahrscheinlicher Fall«. Hourani, Harmony, S. 97, Anm. 86, schlägt tentative vor. Es handelt sich also um eine nicht eindeutige, aber mögliche Lesung / Interpretation eines Textes oder eine mögliche Beurteilung eines Falles, wobei eine definitive Entscheidung offen gelassen wird oder aus prinzipiellen Gründen nicht möglich ist. ¹³⁵ Der Tahāfut entstand 1095, also vor der »Krise« al-Gazālīs (vgl. Art. Al-Gazālī im Anhang), während die Tafriqa etliche Jahre später, also nach der »Krise« verfaßt wurde. Vgl. G. F. Hourani, The Chronology of Ghazālīs Writings, in: Journal of the American Oriental Society 79 (1959), S. 227 und S. 232. Griffel vermutet in der Einleitung zu Rechtgläubigkeit, S. 44, eine Entstehungszeit in den Jahren 1106–1109, und nimmt ebd., S. 8, als Entstehungsgrund eine gewisse Leichtfertigkeit der Richter bei der Verurteilung wegen Unglaubens an. Bei diesen beiden Schriften liegt also nicht nur ein Zeitabstand, sondern auch eine wesentlich veränderte »geistige Situation« al-Gazālīs vor. Ob Averroes der Zeitabstand der Abfassung der beiden Schriften bekannt war, wissen wir nicht, seine hier vorliegende Bemerkung legt dies aber nahe. Averroes nimmt hier jedenfalls an – oder unterstellt –, daß al-Gazālī in der Tafriqa seine Auffassung, die er im Tahāfut vertreten hat, modifiziert habe. Dies trifft aber nicht zu. Al-Gazālī bezichtigt auch in der Tafriqa

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die Philosophen des Unglaubens wegen deren Leugnung der Auferstehung der Körper und der Leugnung der Erkenntnis Gottes der partikulären Ereignisse. Die Bezichtigung des Unglaubens beruht dabei darauf, daß hier von den Philosophen eine Interpretation vorgenommen wird, ohne daß ein demonstrativer Beweis dafür vorliegt, daß der wörtliche Sinn unmöglich ist. Vgl. Al-Gazālī, Rechtgläubigkeit, S. 73. Al-Gazālī stellt in dieser Schrift nur fest, daß es für den einzelnen oft sehr schwierig ist, festzustellen, ob bei einer bestimmten Frage ein Konsens vorliegt oder nicht, da dies eine sehr breite Kenntnis der entsprechenden Schriften voraussetzt. Wenn daher jemand gegen den Konsens verstößt, es aber nicht nachgewiesen ist, daß es für ihn feststeht, daß hier ein Konsens vorliegt, so befindet er sich zwar in einem Irrtum, darf aber deswegen noch nicht des Unglaubens bezichtigt werden. Vgl. AlGazālī, Rechtgläubigkeit, S. 80. Für die Bezichtigung des Unglaubens ist also die Verletzung des Konsenses nur ein, nicht aber das einzige Kriterium. ¹³⁶ Vgl. Anm. 123. ¹³⁷ Der gesamte Vers hat folgenden Wortlaut: Er ist es, der die Schrift auf dich herabgesandt hat. Darin gibt es (eindeutig) bestimmte Verse – sie sind die Urschrift – und andere, mehrdeutige. Diejenigen nun, die in ihrem Herzen (vom rechten Weg) abschweifen, folgen dem, was darin mehrdeutig ist, wobei sie darauf aus sind, (die Leute) unsicher zu machen und es (nach ihrer Weise) zu deuten. Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Gott. Und diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind, sagen: »Wir glauben daran. Alles (was in der Schrift steht) stammt von unserem Herrn.« Aber nur diejenigen, die Verstand haben, lassen sich mahnen. (Sure III , 7)

Es gibt also Verse, die in ihrem Sinn eindeutig bestimmt, also evident und klar sind (ayat muhkamat), und solche die dunkel und / oder mehrdeutig sind (mutašabihat) und die dann eine Deutung (taÞwil) erhalten. Vgl. Art. TāÞwīl im Anhang. Der Text des Korans läßt im folgenden Satz durch eine verschiedene Interpunktion zwei einander geradezu kontradiktorische Lesungen zu. Die eine ist die folgende, d. h. kein Punkt zwischen »Gott« und »und diejenigen«:

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Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Gott und diejenigen, die ein gründliches Wissen haben [= die im Wissen fest gegründet sind]. (Sie) sagen: »Wir glauben daran. Alles (was in der Schrift steht), stammt von unserem Herrn.«

Bei dieser Satztverbindung ergibt sich, daß Gott und die im Wissen fest Gegründeten die Deutung kennen. Alle jene, die einen inneren, der Interpretation zugänglichen Sinn annehmen (MuÝtaziliten, AšÝariten usw.) folgen dieser Lesung. Eine entscheidende Rolle spielte diese Lesung bei den ŠīÝiten. Vgl. Art. TaÞwīl in EI² X, Sp. 391 b. Ein direkter šīÝitischer Einfluß im al-Andalus des 12. Jahrhunderts ist nicht anzunehmen – indirekte Einflüsse über Schriften Ibn Sīnās (Avicennas) oder al-Gazālīs sind jedoch durchaus möglich und wahrscheinlich –, diese Lesung entspricht aber auch der des Mālik ibn Anas, also des Gründers der Rechtsschule der Mālikiten, und Averroes stammte aus einer Familie, die dieser Rechtsschule verpflichtet war. Vgl. Art. Mālikiten im Anhang. Averroes bevorzugt es also entsprechend dieser Interpunktion erst nach »die im Wissen fest gegründet sind« Halt zu machen, d. h. einen Punkt zu setzen. Averroes kennt aber auch die alternative Interpunktion, mit der statt der Satzverbindung eine Satztrennung zwischen »Gott« und »Und diejenigen« vorgenommen wird, so daß sich folgende Lesung ergibt: Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Gott. Und diejenigen, die ein gründliches Wissen haben [= die im Wissen fest gegründet sind], sagen: »Wir glauben daran. Alles (was in der Schrift steht), stammt von unserem Herrn.«

Mit dieser Lesung liegt jegliche Interpretation (taÞwil) außerhalb der Reichweite der menschlichen Vernunft, es bleibt nur der Glaube (Þiman). Alle strengen Literalisten (Hanbaliten, Zāhīriten usw.) schließen sich dieser Lesung an. A. Th. Khoury führt in Der Koran, Übersetzung und wissenschaftlicher Kommentar IV , Gütersloh 1993, S. 38, auch die erstere Lesung an (der er bescheinigt, daß die Mehrzahl der Theologen sie für richtig hält), stellt jedoch dann fest, daß die gängige Lesart die letztere ist, so daß sich also für diese ergibt: »Nur Gott kennt den wahren Inhalt der mehrdeuti-

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gen Koranverse.« Die Fortsetzung dieses Koranverses lautet dann nach der Koranübersetzung von Paret entsprechend der gängigen Lesart: »das Eindeutige und das Mehrdeutige gehören zur Offenbarung Gottes, deshalb glauben wir, ohne nach einer näheren, uns entzogenen Deutung zu fragen.« Averroes schließt auch diese Lesung nicht aus und verwendet sie sogar selbst weiter unten in § 30. Wie sich aus der dortigen Verwendung ergibt, gilt aber der Koranvers mit diesem Haltmachen nur für jene, die nicht zu den »Leuten des Beweises« zählen. Vgl. Anm. 214. Zur Problematik des Verhältnisses klarer Verse (ayat muhkamat) und dunkler Verse (ayat mutašabihat), an der die gesamte Frage der Interpretation (taÞwil) orientiert ist, vgl. Kinberg 1988, und Syamsuddin 1999. Vgl. auch Art. TāÞwīl im Anhang. ¹³⁸ Mit dem im Koran an unzähligen Stellen gebrauchten Ausdruck Þiman wird der islamische Glaube schlechthin bezeichnet. Im Koran wird mit Þiman sowohl der Glaubensakt als auch der Glaubensinhalt bezeichnet. ¹³⁹ »Dieser« könnte sich syntaktisch auf »Beweis« oder auf »Glaube« beziehen. Die Handschrift des Escorial hat aber eine Marginalglosse, vgl. Hourani, Fasl, S. 17, Anm. 140, die den Bezug auf »Beweis« ausschließt, was auch besser in den Zusammenhang paßt. ¹⁴⁰ Averroes setzt hier voraus, daß die im Koran erwähnten »im Wissen fest Gegründeten« mit den »Leuten des Beweises«, also den Philosophen, gleichzusetzen sind. Diese Gleichsetzung findet sich auch im Manāhif, wo er von den »Meistern der Demonstration [= des Beweises]« sagt: Dieses sind die Gelehrten, welche Gott mit seiner Wissenschaft ausgezeichnet hat und deren Zeugnis er im Koran mit seinem Zeugnis und dem Zeugnis der Engel zusammengestellt hat. (Manāhif, S. 39, Faith and Reason, S. 29) Zu der Rede Gottes mag wohl auch dasjenige gehören, was er in die Seelen der Gelehrten, welche die Erben der Propheten sind, vermittelst der Demonstration wirft. (Manāhif, S. 54, Faith and Reason, S. 48 f.)

Diese Gleichsetzung hätte sicher keiner der Korangelehrten irgendeiner Schule akzeptiert. Hourani, Harmony, S. 98, Anm. 89, weist

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darauf hin, daß Ibn Taymīya (vgl. Art. Hanbaliten im Anhang) diese Auffassung kritisierte. Vgl. auch Ibn Taymīya, Against the Greek Logicians, übers. v. W. B. Hallaq, Oxford 1993, S. 100 f. ¹⁴¹ Der arabische Text mit biha entspricht sowohl der Handschrift des Escorial wie auch der der Biblioteca Nacional, vgl. Hourani, Fasl, S. 17, Anm. 142. Hourani korrigiert dies aber im Text zu bihi und bezieht dies somit auf Gott, entsprechend die Übersetzung in ders., Harmony, S. 54, mit belief in Him. Das selbe findet sich im Text bei Geoff roy, Discours, S. 126 f., und dem entspricht die Übersetzung mit qui croient en lui. Butterworth / Mahdi hingegen belassen das biha im Text und Butterworth, Treatise, S. 54, Anm. 29, bezieht dies auf die zur Diskussion stehenden Koranverse. Ich folge dieser Lesung, die ja auch den beiden Handschriften entspricht. ¹⁴² D. h. für die »dunklen Verse«, vgl. dazu Anm. 137. ¹⁴³ Das Argument des Averroes ist folgendes: Die »Leute des Beweises« (Þahl al-burhan) sind eine Minderheit, nicht nur innerhalb der Gesamtheit der Gläubigen, sondern auch innerhalb der kompetenten Gelehrten (ÝulamaÞ), da ja zu diesen jedenfalls auch die Rechtsgelehrten (fuqahaÞ) und auch die – von Averroes sehr kritisch betrachteten – islamischen Theologen (mutakallimun) zählen; wenn also für einen Konsens die Übereinstimmung der Gelehrten erforderlich ist, so kann diese im Fall der Interpretationen, die ausschließlich von den »Leuten des Beweises« – also einer kleinen Gruppe der Gelehrten – aufgestellt werden können, grundsätzlich nicht vorhanden sein. Vgl. Art. IfmāÝ im Anhang. Außerdem vertritt Averroes als konsequenter Aristoteliker die Auffassung, daß dann, wenn etwas durch einen wissenschaftlichen Beweis herausgefunden wurde, die Zustimmung anderer dazu keine weitere Bestätigung bringt. Bei theoretischen Fragen wird einzig aufgrund der in der 2. Analytik niedergelegten Regeln eines gültigen Beweises entschieden, und die Fragen, um die es hier im Zusammenhang der Interpretation geht, sind einzig solche theoretischer Art. Wissenschaftstheoretisch betrachtet ist ein Konsens nur bei dialektischen Argumenten relevant, bei denen es um allgemein akzeptierte (mašhur) Meinungen geht, nicht aber bei wissenschaftlichen Beweisen (burhan). Vgl. Art. RaÞy / Zann (2) im Anhang.

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¹⁴⁴ Im Text steht hukamaÞ (Pl. von hakim), was »Weiser« oder »Philosoph« bedeuten kann. Entsprechend zu hikma, das in der vorliegenden Übersetzung sachgemäß mit »Philosophie« übersetzt wird (vgl. Anm. 8), wird hier auch hakim mit »Philosoph« übersetzt. Der Ausdruck mašaÞi ist die wörtliche Wiedergabe von »herumgehend« = »Peripatetiker«. Es wäre unsachgemäß, von »peripatetischen Weisen« zu sprechen. ¹⁴⁵ Vgl. al-Gazālī, Tahāfut al-falāsifa (Incoherence of the Philosophers), Problem XIII , S. 134–143. Aristoteles nahm nicht an, daß Gott auch die Einzeldinge erkennt, Gott beschäftigt sich nur mit dem Allgemeinen. Diese bei Aristoteles eigentlich gar nicht besonders wichtige Frage wurde in der islamischen wie auch in der christlichen Philosophie – die lateinischen Philosophen diskutierten dieses Proplem unter dem Stichwort der futura contingentia – zu einem ganz zentralen Diskussionspunkt. Die Frage war deshalb so wichtig, weil es in ihr um die Grundlage des Glaubens an die Vorsehung (arab. Ýinaya, griech. prónoia, lat. providentia) ging. Vgl. Art. ÝInāya im Anhang. So wie die Christen überzeugt waren, daß jedes Haar auf dem Haupt eines Menschen von Gott gezählt ist (Mt. 10, 30), so waren und sind die Muslime überzeugt, daß kein Blatt zu Boden fällt, ohne daß Gott darüber Bescheid weiß (Sure VI , 59). Die Vorstellung der Allmacht und Allwirksamkeit Gottes zusammen mit seiner vollständigen Kenntnis aller Einzeldinge ergibt dann allerdings das Problem der Prädestination. Vgl. dazu Art. Iitiyār im Anhang. ¹⁴⁶ Der Ausdruck Ýilm Þallah kann sowohl als »Erkenntnis Gottes« wie auch als »Wissen Gottes« wiedergegeben werden. Ich übersetze hier mit »Erkenntnis« bzw. »Erkenntnisweise Gottes«, da man eher von der »Erkenntnis der partikulären Dinge« als vom »Wissen um die partikulären Dinge« spricht. Auch kommt mit »Erkenntnis«, wofür noch genauer »das Erkennen« gesagt werden könnte, der Charakter der Aktualität besser zum Ausdruck, und es ist ja gerade auch dieser – jedenfalls in der »normalen« Vorstellung – mit dem Entstehen der Dinge verbundene »zeitliche« Aktualitätscharakter der Erkenntnis Gottes, der das Problem des zur Diskussion stehenden Gottesprädikats darstellt. In jedem Fall ist zu beachten, daß es im vorliegenden Zusammenhang nicht um die Erkenntnis be-

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stimmter Einzeldinge geht, sondern um die göttliche bzw. menschliche Art und Weise der Erkenntnis der Einzeldinge. ¹⁴⁷ Averroes beschäftigt sich mit dieser Frage außer in der Damīma auch ausführlich im Tahāfut, Problem XIII , S. 455–468, Incoherence of the Incoherence, S. 275–285, und kurz im Manāhif, S. 52, Faith and Reason, S. 46. ¹⁴⁸ Mit der Wortwurzel š-b-h können Worte gebildet werden, die sowohl »Ähnlichkeit« wie auch »Dunkelheit« oder »Zweifelhaftigkeit« zum Ausdruck bringen. Vgl. in Anm. 137 die »dunklen /mehrdeutigen« (mutašabihat) Verse. Das Substantiv šubha wird im Recht im Sinne von »nur scheinbar erlaubt« (vgl. im Text § 23) und in der Philosophie im Sinne von »zweifelhaftes« oder »ungültiges« Argument verwendet, ist also negativ besetzt. Vgl. Art. Šubha in EI² IX , Sp. 492 b–493 a. Im vorliegenden Zusammenhang handelt es sich um diese rechtlich / philosophisch negativ besetzte Konnotation. Demgegenüber hat die Anwendung von Ähnlichkeiten oder Vergleichen in der Rhetorik eine positive Bedeutung und gehört dort zu den rhetorischen Figuren (vgl. im Text § 13). Vgl. Art. Tašbīh in EI² X , Sp. 341 a–b. ¹⁴⁹ Mit fahl ist ganz genau Un-Wissenheit gemeint, d. h. das Gegenteil von Wissen (Ýilm). Ibn Tūmart stimmt mit dieser traditionellen Bestimmung überein (vgl. Brunschvig 1976 a, S. 287), und dasselbe gilt für Averroes. ¹⁵⁰ ÞIštirak al-Þism ist der philosophische Fachbegriff für »Homonymie« im Sinne von Aristoteles, Kategorien 1, 1 a 1–5, d. h. »homonym« werden Dinge genannt, die nur den Namen (griech. ónoma, arab. Þism) gemeinsam (griech. koinón, arab. muštarik) haben, während die zum Namen gehörigen Begriffe des Wesens (griech. ousía, arab. dat, Pl. dawat) verschieden sind. Die aristotelische Begriffsbestimmung findet sich auch bei Averroes im Taliīs Kitāb al-Maqulāt, hrsg. v. M. Bouyges, Beirut 1932, S. 6, engl. in den Middle Commentaries on Aristotle’s Categories and De interpretatione, S. 26 f. Menschliche und göttliche Erkenntnis haben also nach Averroes nur einen gemeinsamen Namen, sind aber dem Wesen nach verschieden. Die Vorstellung al-Gazālīs, daß es zwischen der göttlichen und der menschlichen Erkenntnis eine Analogie gebe, wird von Averroes abgelehnt. Dies sagt Averroes auch in der Damīma :

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Dieser Irrtum kommt davon her, daß man von dem entstandenen Wissen auf das ewige Wissen schließt: dies ist aber ein Schluß (qiyas) vom Diesseitigen auf das Jenseitige; und man kennt wohl das Fehlerhafte dieses Schlusses. […] Somit ist es notwendig, daß es bei Gott für die existenten Dinge ein anderes, unqualifiziertes Wissen (Ýilm Þ ajar la yukafu) gebe, und das ist das ewige. (Damīma, S. 130 f., Epistle Dedicatory, S. 41 f.)

In diesem Zitat wird qiyas sowohl von Hourani, Harmony, S. 74, als auch von Butterworth, Epistle Dedicatory, S. 41, durch analogy wiedergegeben, was den Sinn richtig trifft. Der Ausdruck »Analogie« ist also in diesem Fall besser als der von Müller in Damīma, S. 130, verwendete Ausdruck »Schluß«, außer man spezifiziert dies durch »Rechts-Schlußfolgerung«. Vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang. Es handelt sich in diesem Fall tatsächlich um eine Art von Analogie, die von Averroes in philosophichen Kontexten abgelehnt wird. Vgl. auch Mahdi 1964, S. 120. Die Ablehnung einer solchen Analogie ist schon in der Lehre Ibn Tūmarts enthalten. Vgl. Geoff roy 1999, S. 42 f. Zwischen der menschlichen und der göttlichen Erkenntnisweise besteht also nach Averroes keine Analogie, es handelt sich bei der Erkenntnisweise Gottes um eine »andere« Erkenntnisweise, eine, die la yukafu (wörtlich: »die nicht geformt / gestaltet ist«). Dieser letztere Ausdruck wird von Hourani, Harmony, S. 75, durch unqualified wiedergegeben, ähnlich von Butterworth, Epistle Dedicatory, S. 42, durch non qualified, was genau dem »unqualifiziert« in der Übersetzung von Müller im obigen Zitat entspricht. D. h. in der göttlichen Erkenntnis ist sowohl die Erkentnis der Universalia wie auch der Particularia völlig von der menschlichen Erkenntnis derselben verschieden und kann durch keinerlei Analogie »erklärt« werden. Arnaldez 1957, S. 28, spricht in diesem Zusammenhang von einer Erkenntnis, die dem Menschen unbegreifbar (inconcevable) ist. Die Frage, was der menschliche Verstand von dieser göttlichen Erkenntnisweise überhaupt begreifen und aussagen kann, stellt sich dann allerdings, und Arnaldez 1957, S. 106, spricht in diesem Zusammenhang durchaus zu Recht von agnosticism. Für die Annahme einer göttlichen Erkenntnis, die weder universell noch auch partikulär ist, und die überdies noch in der göttlichen Wirkursächlichkeit der Existenz der Dinge begründet ist, gibt es jedenfalls bei Aristoteles

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keinen Anhaltspunkt. Averroes entfernt sich hier deutlich von den Auffassungen seines Meisters. Vgl. Jolivet 1982, S. 236. ¹⁵¹ Der Ausdruck hadd entspricht in philosophischen Kontexten dem griech. orismós, d. h. »Definition«, und wird somit unterschieden von »Beschreibung« (rasm). Vgl. EI² III , Sp. 21 a–22 a. Beide Ausdrücke werden von Averroes in seinem Kurzen Kommentar zur Topik als Fachbegriffe aufgeführt. Vgl. Three Short Commentaries, arab. S. 160, engl. S. 52. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es darauf an, daß hier tatsächlich eine Definition vorliegt und nicht nur eine Beschreibung, die weniger strengen Bedingungen, z. B. Angabe von Merkmalen, unterliegt. Vgl. auch Anm. 154. ¹⁵² Dies ist die Schrift Damīma. Diese Schrift war mit ziemlicher Sicherheit von Averroes dem Sultan Abū YaÝqūb Yūsuf gewidmet worden. Vgl. Einleitung 1.2. ¹⁵³ In der Damīma, S. 131, Epistle Dedicatory, S. 42, hatte Averroes zu den Traumgesichten noch »Prophetie« (wahy) und »Inspirationen« (ilhamat, Pl. von ilham) hinzugefügt. Es besteht kein Grund für die Annahme, daß Averroes in der Entscheidenden Abhandlung mit dem Weglassen von »Prophetie« und »Inspirationen« eine Korrektur an der Damīma vornehmen wollte. Man könnte höchstens vermuten, daß Averroes es aus Gründen der Klugheit vermeiden wollte, die wegen des damit verbundenen Vorsehungsglaubens ohnedies schon heikle Frage der göttlichen Erkenntnis der Einzeldinge noch zusätzlich mit der Frage der Prophetie und sogar mit der des Propheten selbst zu belasten. Al-Gazālī hatte im Tahāfut, S. 136 f., für die göttliche Erkenntnisweise nach der Auffassung der aristotelischen Philosophen als Beispiel herangezogen, daß Gott dann zwar das allgemeine Wissen haben konnte, daß es Propheten gibt, er aber nichts von dem Einzelereignis, daß Muhammad sich zum Propheten ausgerufen hatte, wissen konnte. Auch in Inconsistence of the Inconsistency (Tahāfut at-Tahāfut), S. 277, berichtet Averroes zwar von diesem Beispiel al-Gazālīs, geht in seiner Erwiderung dann aber auf dieses Beispiel nicht ein. Averroes kann sich bei der These, daß Traumgesichte einen göttlichen Ursprung haben, nicht auf Aristoteles berufen. Es gibt eine aristotelische Schrift innerhalb der Parva naturalia, die unter dem lat. Titel De divinatione per somnum bekannt ist. Teile der Parva na-

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turalia waren schon im 9. Jhd. von Hunain ibn Ishāq ins Arabische übersetzt worden. Wie Averroes in der Einleitung zur Epitome, S. 4, sagt, waren auch zu seiner Zeit in al-Andalus nicht alle Teile der Parva naturalia in arab. Übersetzung vorhanden. Der Teil über De divinatione per somnum lag aber in einer arabischen Übersetzung vor. Es ist allerdings zu beachten, daß der arabische Text erheblich vom ursprünglichen aristotelischen Text abweicht und möglicherweise auf einer stoischen Überarbeitung beruht. Vgl. Pines in Jolivet 1978, S. 172. Die Schrift des Averroes stellt zudem keinen Kommentar, sondern eine (weiterführende) Zusammenfassung (hizana = »Schatzkammer / Schrank«) des aristotelischen Textes dar. Averroes verfaßte die Epitome 1170, also vor der Entscheidenden Abhandlung. In De divinatione per somnum lehnt Aristoteles die Meinung, daß Träume von Gott verursacht werden, ausdrücklich ab, vgl. ebd. 2, 463 b 12–15. Auch nimmt Aristoteles ebd. 1, 462 b 20–22 nicht an, daß solche warnenden Träume bei Weisen besonders häufig sind, sondern schreibt sie eher den »unteren« Schichten der Bevölkerung zu. Die Auffassung des Aristoteles kann also nicht für die Erklärung von Prophetie oder Inspiration herangezogen werden. Averroes kommt auch im 4. Buch der Epitome der Metaphysik, S. 127, kurz auf Traumgesichte und Warnungen für die Zukunft zu sprechen, bleibt aber dort bei einer naturalistischen Erklärung. Auch in den Schriften al-Fārābīs konnte Averroes keine Unterstützung für eine Beziehung von Traumgesichten und Prophetie finden. Al-Fārābī, ohne Zweifel ein Peripatetiker, zählt Traumgesichte in De scientiis, S. 79, unter die Astrologie, die nicht zu den Wissenschaften im strengen Sinn des Wortes gehört. Vgl. auch Mahdi 1964, S. 129, Anm. 24. Der einzige Weg, vom Peripatetiker al-Fārābī her eine Brücke zu den Traumgesichten des Averroes zu schlagen, wäre al-Fārābīs Auffassung von der Rolle der Vorstellungskraft in der Prophetie: Es ist dann nicht ausgeschlossen, daß ein Mensch, wenn seine Vorstellungskraft die höchste Vollkommenheit erreicht hat, im Wachen vom schaffenden Intellekt die gegenwärtigen und zukünftigen Teildinge oder deren Abbilder im Sinnlichen annimmt, er auch die Abbilder des Intelligiblen und das andere erhabene Vorhandene empfängt, und es sieht. Dann entsteht ihm durch das vom Intel-

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ligiblen Angenommene eine Prophetie über die göttlichen Dinge und bildet dies die höchste Stufe, zu der es die Vorstellungskraft bringt, so wie auch die höchste Staffel, welche der Mensch mit seiner Vorstellungskraft erreicht. Unter diesem steht dann der, der von diesem allen etwas im Wachen und etwas im Schlaf sieht, so wie auch der, welcher all dies sich zwar in seiner Seele vorstellt aber nicht mit seinem Auge sieht, dann folgt darunter der, der dies alles nur in seinem Schlaf sieht. (Al-Fārābī, Musterstaat X XV, S. 82 f.)

Man muß sich aber klar machen: (1) Al-Fārābīs Weg vom aktiven Intellekt zu den gegenwärtigen und zukünftigen Teildingen geht über die Vorstellungskraft, die mit der Sinnlichkeit verbunden ist, die eine Partikularisierung der intelligiblen Inhalte bewirkt. Ein Rückschluß auf eine Erkenntnis von Einzeldingen im aktiven Intellekt oder gar im göttlichen Intellekt verbietet sich also, da dort von Sinnlichkeit nicht gesprochen werden kann. Für die Erkenntnis Gottes von Einzeldingen bringt also diese Auffassung al-Fārābīs nichts. (2) Von den im Traum gesehenen partikulären Bildern hält al-Fārābī offensichtlich nicht viel. Für diese ist keinerlei göttlicher Einfluß erforderlich. Auch von hier aus läßt sich also nichts für einen Rückschluß auf eine göttliche Erkenntnis von Einzeldingen gewinnen. Averroes hat an keiner Stelle die Theorie der Prophetie al-Fārābīs aufgenommen. Vgl. auch Einleitung 2.6. Nichsdestoweniger scheint Averroes eine »Anregung« al-Fārābīs aufgenommen zu haben. In seinem Kommentar zu Aristoteles, Parva naturalia findet sich, S. 39–53, ein Abschnitt über Träume, in dem erwartungsgemäß die sinnliche Vorstellungskraft (tajyil) die entscheidende Rolle spielt, in dem aber auch die Prophetie mit einbezogen wird und Träume auch mit der Vorstellung zukünftiger partikulärer Ereignisse in Verbindung gebracht werden. Averroes sagt ebd. S. 42 f., daß solche Vorstellungen durch den aktiven Intellekt bewirkt werden. Dabei ist aber ein entscheidender Punkt zu berücksichtigen. Bei al-Fārābī stellte der aktive Intellekt die unterste Stufe der Emanationen des Göttlichen dar, bei Averroes hingegen ist er einfach ein Aspekt der Tätigkeiten der menschlichen Seele, hat also keinerlei spezielle Verbindung mit dem Göttlichen. Vgl. Arnaldez 2000, S. 117 f.

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Und damit verfehlt die – aristotelisch ohnedies nicht haltbare – Heranziehung von Träumen den entscheidenden Punkt. Averroes kann nicht nachweisen, daß die in Träumen vorkommende Voraussicht zukünftiger Ereignisse in irgendeiner Weise durch göttlichen Einfluß bewirkt wird, und eigentlich geht die Argumentation des Averroes in dem gesamten Abschnitt in die genau entgegengesetze Richtung: Durch die Befreiung von bewußter Verstandestätigkeit kombiniert die Vorstellungskraft – in einigen Fällen sogar ganz zutreffend – Möglichkeiten partikulärer Ereignisse. Aber dies alles hat mit der göttlichen Erkenntnis von Einzeldingen überhaupt nichts zu tun. ¹⁵⁴ Für »beschreiben« verwendet Averroes das Verb wasafa, dem das Substantiv wasf für »Beschreibung« entspricht. Der Ausdruck wasf spielt eine sehr bedeutende Rolle in der arabischen Poetik. Vgl. EI² XI , Sp. 153 a–158 a. In der Philosophie hat dieser Begriff keine spezifische Bedeutung, dort wird für »Beschreibung« der Ausdruck rasm verwendet. Vgl. Anm. 151. Philosophisch wichtig ist jedoch das von derselben Wurzel abgeleitete Substantif sifa, das »Merkmal« bedeutet, das von Averroes im folgenden § 18 verwendet wird. Vgl. Anm. 162. ¹⁵⁵ Averroes wurde mit dieser Frage schon bei seinem ersten Zusammentreffen mit Abū YaÝqūb konfrontiert. Daß ihm gerade dieses Problem vorgelegt wurde, ist nicht überraschend, da die Frage nach der Ewigkeit oder Zeitlichkeit der Welt in der arabischen Kultur des Mittelalters eine Art Testfrage in Hinsicht auf die Verhältnisbestimmung von Philosophie und Koran darstellte. Bei diesem ersten Zusammentreffen antwortete Averroes zunächst ausweichend. Vgl. Einleitung 1.1. Averroes behandelt diese Frage auch im Manāhif, S. 79–92, Faith and Reason, S. 78–91, und sehr ausführlich im Tahāfut, 1.–4. Problem, wobei die Frage der Zeitlichkeit vor allem im 2. Problem, S. 118–146, Incoherence of the Incoherence, S. 69–87, diskutiert wird. Averroes hat sich mit dieser Frage auch in einer eigenen kleinen Schrift auseinandergesetzt (Worms 1900, S. 66–70). Auch in der jüdischen Philosophie des Mittelalters spielte diese Frage eine große Rolle, so bei Moses Maimonides. Vgl. dazu Schupp 2003, II , S. 293–296. Und dasselbe wird dann für die christliche Philosophie und Theologie des Mittelalters gelten, wobei in der jüdischen wie in

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der christlichen Philosophie häufig Bezug auf Averroes genommen wurde. In den bekannten Verurteilungen von 1277 in Paris wurde die Auffassung des Naturphilosophen über die Ewigkeit der Welt der Auffassung des Gläubigen über die Zeitlichkeit der Welt scharf gegenübergestellt, und das gleichzeitige Bekenntnis zu beiden galt als Standardbeweis für die These der »doppelten Wahrheit«. Vgl. ebd. II , S. 416. Vgl. auch Aegidius Romanus, De erroribus philosophorum in Anm. 178. Daß Averroes einer solchen These ausdrücklich widersprochen hätte, geht aus dem § 12 der Entscheidenden Abhandlung eindeutig hervor. Zur Interpretation des Averroes dieses für ihn nur scheinbaren Gegensatzes vgl. Anm. 169. ¹⁵⁶ Averroes hat ganz recht, wenn er sagt, daß es sich hier im Grunde um einen Streit um Worte handelt, auch wenn er dies wahrscheinlich etwas anders verstand als wir heute. Auch dem in scholastischer Theologie und Philosophie Geschulten fällt es schwer, der Diskussion zwischen al-Gazālī im Tahāfut (Incoherence) und Averroes im Tahāfut at-Tahāfut (Incoherence of the Incoherence) zu folgen bzw. zu begreifen, wo denn eigentlich der Unterschied der Positionen der beiden liegt. Vgl. zur ganzen Frage auch Kogan 1985 a. ¹⁵⁷ Der Ausdruck sabab faÝil bedeutet genau »Ursache des Wirkenden«, ist aber in diesem Zusammenhang eher ungewöhnlich. Mit sabab ist sonst in der Entscheidenden Abhandlung »Grund« im Sinne von lat. ratio und nicht von lat. causa efficiens gemeint. Der sonst von Averroes für »Wirkursache« meist verwendete Ausdruck ist Þala faÝila, d. h. »Instrument des Wirkenden« oder bloß faÝil, d. h. »Wirkender«. ¹⁵⁸ Für »Materie« verwendet Averroes madda (Pl. mawadd). Dies war der Ausdruck, der am häufigsten, aber nicht ausschließlich, zur Wiedergabe des griechischen, von Aristoteles verwendeten Ausdrucks hýlê gebraucht wurde. Neben madda wurde in der arabischen Philosophie auch der von griech. hýlê als Fremdwort übernommene arab. Ausdruck hayula gebraucht. Vgl. Art. Hayūlā in EI² III , S. 328 a–329 b. Schon seit al-Fārābī zogen die arabischen Philosophen den Ausdruck madda vor. Dieser Ausdruck steht im Zusammenhang einer arabischen Wortwurzel, in der die Bedeutung »Ausdehung« enthalten ist. Es wurde daher die Vermutung geäußert, daß bei der Wahl von madda der platonische Ausdruck chôra eine

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Rolle gespielt haben könnte. Einen philologischen Nachweis dafür gibt es aber bisher nicht. Vgl. Thillet 1994, S. 47–51. ¹⁵⁹ Im Kurzen Kommentar zur Topik verwendet Arverroes dieses Argument als Voraussetzung einer Induktion (istiqraÞ): »Feuer, Luft, Wasser und Erde sind Körper; sie sind hervorgebracht (muhdav); also ist der Körper hervorgebracht.« Three Commentaries, arab. S. 155, engl. S. 49. ¹⁶⁰ Zu dem Beweis vgl. im Text § 2 und § 3. ¹⁶¹ Averroes bezeichnet Gott nicht nur als den »Bewirker« (faÝil), sondern auch als den »Erhalter« (hafiz), was besonders gegenüber den AšÝariten wichtig war, da für diese die ständige Tätigkeit Gottes zum Erhalt der Welt eine grundlegende These war. Im Unterschied zu den AšÝariten betrachtet Averroes die Erhaltung der Welt aber nicht als ständige Neuschöpfung, sondern als eine auch durch Zweitursachen vermittelte Tätigkeit Gottes. Vgl. auch Art. ÝInāya im Anhang. Auch in der lateinischen Philosophie und Theologie des Mittelalters wird neben der Schöpfung der Welt (creatio) immer auch die Erhaltung / Bewahrung (conservatio = creatio continua) aufgeführt. ¹⁶² Der Ausdruck sifa stammt ursprünglich aus der Grammatik und bedeutet »Beschreibung«. Dieser Ausdruck wurde dann von den islamischen Theologen übernommen, um »Attribut« oder »Eigenschaft« (vor allem Eigenschaften Gottes) zu bezeichnen. Vgl. Art. Sifa in EI² IX , Sp. 551 a–552 a. Im vorliegenden Zusammenhang ist ganz allgemein »Eigenschaft« oder »Qualität« gemeint. ¹⁶³ Averroes vereinfacht hier den Sachverhalt in unzulässiger Weise. Vgl. Nagel 1994 a, S. 170: »Averroes unterschiebt den AschÝariten eine von ihnen niemals verfochtene Ansicht, wenn er behauptet, ›alle seien sich über jene Dreiheit des Existierenden einig‹.« ¹⁶⁴ Ob Averroes die Auffassung Platos im Timaios richtig interpretiert – was eher nicht der Fall ist – sei dahingestellt. Jedenfalls gilt folgendes: Plato sagt ganz klar, was seine »Schöpfungsgeschichte« ist: Wenn wir also über diese Dinge eine Dichtung (mýthos) zu hören bekommen, die auf Wahrscheinlichkeit Anspruch hat, so können wir ganz zufrieden sein und brauchen nichts weiter zu verlangen. (Timaios 29 d, übers. v. O. Apel, Hamburg 1988, S. 47)

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Platos Erzählung gehört daher nicht in den Bereich der Wissenschaft, sondern in den der Poetik und der Rhetorik. Diese eindeutige wissenschaftstheoretische Zuordnung Platos wurde jedoch weder von der spätantiken griechischen Tradition, noch auch von den arabischen und lateinischen Philosophen des Mittelalters übernommen, sie alle faßten den Mythos Platos als eine wisenschaftliche und philosophische Theorie auf. Schon al-Fārābī, Philosophy of Plato, S. 65, sagt, daß im Timaios die göttlichen und die natürlichen Dinge so betrachtet werden, wie der Intellekt sie auffaßt. Averroes setzt zwar die Auffassung der islamischen Theologen inhaltlich mit der Platos in Parallele, damit ist aber kaum gemeint, daß er auch die Argumente Platos in Hinsicht auf die Zeitlichkeit der Welt wie die der Theologen als (nur) dialektische Argumente auffaßte. Averroes unterschied bei Plato sehr wohl wissenschaftliche und dialektische Argumente. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 141 f., On Plato’s Republic, S. 148 f. Wichtiger dürfte die Gegenüberstellung der Auffassung Platos zu der des Aristoteles sein. Averroes hielt die Auffassung Platos zur Zeitlichkeit der Welt vermutlich für eine zwar als wissenschaftlich konzpierte, aber eben auf nicht zutreffenden Prämissen beruhende These. ¹⁶⁵ Averroes hat richtig gesehen, daß Unterschiede in der Auffassung vom Ursprung der Welt bei Plato und Aristoteles vorliegen und daß die Auffassungen der muslimischen Theologen denen Platos eher nahestehen als denen des Aristoteles, während al-Fārābī in seiner – allerdings zur Verteidigung der Philosophie und für ein breites Publikum abgefaßten – Schrift Die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles, S. 43, meinte, daß die Auffassung der Religionslehrer von der Schöpfung aus Nichts »in den Worten dieser beiden Philosophen eine Stütze« finde. ¹⁶⁶ Mit dem Ausdruck fasid wird auf die aristotelische Schrift De generatione et corruptione Bezug genommen, deren arabischer Titel Al-kaun wa al-fasād lautet, wobei arab. kaun dem griech. génesis (lat. generatio), und fasad dem griech. phthorâ (lat. corruptio) entspricht. Vgl. EI² IV , Sp. 794 b–795 b. Zum älteren, einen moralischen Sinn ausdrückenden Gebrauch von fasad, der im § 35 der Entscheidenden Abhandlung Verwendung findet, vgl. Anm. 225. Die Schrift des Aristoteles Über Entstehen und Vergehen wurde von Hunayn ibn

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Ishāq ins Syrische und von Ishāq ibn Hunayn ins Arabische übersetzt. Weitere Übersetzungen wurden von Abū ÝUtman ad-Dimašqi (9./10. Jhd.) und Ibrahim ben Bakkūs (10. Jhd.) hergestellt. Keine dieser Versionen ist erhalten. Averroes verfaßte zu dieser Schrift ein Kompendium (arab. erhalten, ebenso die hebr. Übersetzung, eine lat. Übersetzung wurde vom hebr. Text her erstellt) und einen Mittleren Kommentar (arab. erhalten, ebenso die hebr. Übersetzung, die lat. Übersetzung wurde vom arab. Text her erstellt). Vgl. Peters 1968, S. 37. Kommentare aus der Zeit vor Averroes sind nicht erhalten, es muß aber einen Kommentar al-Fārābīs gegeben haben, da ein solcher bei Averroes erwähnt wird. ¹⁶⁷ Averroes ist allerdings ausdrücklich der Auffassung, daß der Ausdruck huduv eine unerlaubte Neuerung der islamischen Theologen darstellt, die folglich schon gar nicht bei der Unterweisung der Menge verwendet werden darf: In diesem Falle ist aber der Ausdruck »Entstehung« (huduv) und »Ewigkeit« (qidam) in der Religion eine Neuerung und veranlaßt großes Bedenken, welche zum Verderben der Glaubenssätze der großen Menge führt, besonders der Dialektiker unter ihnen. (Manāhif, S. 90, Faith and Reason, S. 90)

Averroes sieht bei der Frage der Darlegung der Lehre von der Entstehung der Welt für die große Menge keinerlei Anlaß, überhaupt irgendeine Interpretation vorzunehmen und stellt fest, »daß die Methode, welche die Religion zum Unterricht der Menge über die Entstehung der Welt anwendet, zu den einfachen, von allen anerkannten Methoden gehöre« (Manāhif, S. 79 f., Faith and Reason, S. 90). ¹⁶⁸ Vgl. Art. RaÞy im Anhang. ¹⁶⁹ Im § 18 sagt Averroes, daß die Meinungsverschiedenheit der islamischen Theologen und der Philosophen auf ein nicht genügend geklärtes Verständnis der Benennung, d. h. der dabei verwendeten sprachlichen Ausdrücke, zurückzuführen ist. Jetzt im § 20 präzisiert Averroes dies, indem er sagt, daß es ein Mißverständnis ist, die Ausdrücke »das Ewige« (al-qidam) und »das Hervorgebrachte« (al-huduv) als einen Gegensatz zu betrachten. Ein Gegensatz läge nur dann vor, wenn »ewig« als »ursachelos« definiert würde

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(vgl. § 19), denn dann hätte man den Gegensatz von »ursachelos« und »verursacht / hervorgebracht«. Eine solche Definition wäre aber nicht korrekt, da »Ursacheloses« zwar »Ewiges« ist, »Ewiges« aber nicht notwendigerweise »Ursacheloses« ist. Vgl. auch Tahāfut, S. 124, Incoherence of the Incoherence, S. 72 f. Tatsächlich liegen hier zwei sehr verschiedene Bedeutungen von »ewig« vor. Vgl. Allard 1952/1954, S. 50 f. Die als notwendig angesehene Verbindung der Begriffe »Ewigkeit« und »Ursachelosigkeit« geht auf die MuÝtaziliten zurück. Vgl. Nagel 1988, S. 123 f. Demgegenüber will Averroes vielleicht folgendes sagen: »ewig« ist eine Zeitkategorie, »verursacht« ist eine Kausalkategorie, und zwischen zwei kategorial verschiedenen Begriffen einen Gegensatz aufzustellen, ist ein Kategorienmißverständnis. Der Begriff »ewig« ist sowohl mit dem Begriff »ursachelos« wie auch mit dem Begriff »verursacht / hervorgebracht« kompatibel, nur muß man sich dabei im klaren sein, daß man dann den Begriff »ewig« mit zwei gänzlich verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Um diese Komplikation und mögliche Mißverständnisse zu vermeiden, schlägt Averroes vor, den Ausdruck »Ewigkeit« beim Sprechen über die Welt überhaupt zu vermeiden. Im Tahāfut, S. 172, verwendet Averroes den Ausdruck huduv daÞim, also »immerwährend Hervorgebrachtes« und weist darauf hin, daß dieser Ausdruck besser ist als der der »Ewigkeit« (qidam). Letztlich läuft die Antwort des Averroes hinsichtlich der Verwendung des Begriffs »Ewigkeit« mit Bezug auf Gott und mit Bezug auf die Welt auf dasselbe hinaus wie vorher die Antwort auf die Frage der göttlichen und menschlichen Erkenntnis (Entscheidende Abhandlung § 17): So wie »Erkenntnis« kein analoger Begriff ist, der also analog auf Gott wie auf den Menschen angewandt werden kann, so ist »Ewigkeit« kein Begriff, der analog auf Gott wie auf die Welt angewandt werden kann, also ist es besser, ihn nur als göttliches Attribut zu verwenden und ihn mit Bezug auf die Welt überhaupt zu vermeiden, um keine Sprachverwirrung hervorzurufen. Averroes hält also mit Aristoteles an der Ewigkeit der Welt fest (empfiehlt aber in diesem Zusammenhang den Begriff »Ewigkeit« zu vermeiden), nennt aber mit klarem Unterschied zu Aristoteles Gott den »Hersteller« der Welt (vgl. § 2), bezeichnet Gott also als »Wirkursache«. Diese Bezeichnung ist entscheidend und Aver-

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roes war sich darüber völlig im klaren. Er wußte auch, daß die Bezeichnung Gottes als »Hersteller« für die Frage des Verhältnisses von Gesetz und Philosophie wesentlich wichtiger ist als die Frage der Bezeichnung der Welt als »ewig«. Es dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, daß an diesem Punkt der islamische Glaube eine entscheidende Rolle gespielt hat. Averroes wußte, daß bei der Frage der Ewigkeit der Welt bei entsprechender Interpretation – nicht für die »Masse«, wohl aber für die »Leute des Beweises« – eine Übereinstimmung zwischen dem islamischen Glauben und der Philosophie zu erreichen war, daß aber dem islamischen Glauben an den Schöpfer der Welt im philosophischen Bereich nur durch die Annahme der – in der aristotelischen Philosophie nicht gegebenen – Wirkursächlichkeit Gottes entsprochen werden konnte. Dieser wichtige Unterschied ist auch allen Averroes-Interpreten klar, vgl. z. B. Allard 1952/1954, S. 53 f., und Fakhry 2001, S. 89 f. Allerdings ist nach Averroes die göttliche Wirkursächlichkeit wiederum völlig verschieden von der innerweltlichen Wirkursächlichkeit. Vgl. Manāhif, S. 90, Faith and Reason, S. 90, wo Averroes sagt, »daß die Entstehung der Welt nicht der Entstehung, wie sie im Diesseitigen vorkommt, gleich ist«. Dies zu begreifen, ist wichtig für den Philosophen, das Volk sollte aber mit solchen Fragen und somit auch mit den Ausdrücken »Entstehung« und »Ewigkeit« gar nicht befaßt werden, und die Theologen sollten wissen, daß es sich dabei um unzulässige Neuerungen handelt. Vgl. das Zitat in Anm. 167. ¹⁷⁰ Der Ausdruck Þifad bedeutet wörtlich »das in die Existenz Treten«, es ist vom selben Wortstamm wie wufud, dh. »Existenz / Sein« bzw. »Existierendes« abgeleitet, das im Text nach einigen Worten folgt und dort mit »Sein« wiedergegeben wird. Auch hier vermeidet Averroes den theologischen Begriff jalq, d. h. »Schöpfung«, der im darauffolgenden Koranvers Sure XI , 7, in der Verbalform jalaqa, d. h. »schaffen« gebraucht wird. Vgl. auch Anm. 16. Es geht hier bei Averroes nicht um eine »Schöpfung aus Nichts«, sondern um eine neue Form, durch die die Welt in ihrer jetzigen Form hergestellt wird. Zur Auffassung des Averroes zur Entstehung der Welt vgl. auch Allard 1952/43 und Kogan 1984. ¹⁷¹ Arab. sura (Pl. suwar), bedeutet »Form / Gestalt / Bild / Abbild«. Mit diesem Ausdruck wird das griech. eîdos (lat. forma) wie-

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dergegeben, für das aber auch andere arab. Ausdrücke verwendet wurden. Sura wird als Fachbegriff für »Form« in der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre verwendet. Vgl. z. B. al-Fārābī, De scientiis, S. 242 f., Anm. 18. Genau dieselbe arabische Terminologie findet sich bei Averroes, Tahāfut, S. 211: madda (Materie), sura (Form), faÝil (Wirkursache), gaya (Ziel). ¹⁷² Daß die Vorstellung einer Urmaterie, eines »Urwassers« auch in der Bibel gleich zu Beginn der Genesis erwähnt wird, ist bekannt. In gnostisierenden Kreisen des Judentums in der Spätantike wird dieser »Urmaterie« auch eine gewisse »Widerständigkeit« gegen die Formgebung bei der Schöpfung der Welt zugeschrieben, so daß in ihr auch ein Grund des Übels gefunden werden konnte. Solche Vorstellungen bewegten sich dann am Rand dualistischer Modelle, die auch durch zoroastrische Gedanken in der Spätantike verbreitet waren. Auch mittel- und neuplatonische Philosophen der spätantiken griechischen Philosophie waren von solchen Vorstellungen beeinflußt. Ebenso war der Dualismus des Manicheismus in den islamisierten Gebieten Syriens und Persiens präsent. Auch dort, wo keine Lehre eines guten und eines bösen Gottes vertreten wurde, war die Vorstellung einer neutralen bis schwach widerständigen Urmaterie, aus der heraus Gott die Welt formte, weit verbreitet und latent in den verschiedensten Konzeptionen enthalten. Schon bei der Herausbildung des Kalām war die Auseinandersetzung mit dualistischen Konzeptionen ein wichtiges Thema gewesen. Die Vorstellung einer »Urmaterie«, die metaphysisch vor der Materie der sinnlich erfahrbaren Körper liegt, und die eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Welt durch Gott spielt, war aber auch in »häretischen« sūfīstischen Kreisen der islamischen Kultur verbreitet und einflußreich. Besonders bei den stark asketisch ausgerichteten frühen Sūfīs des 8. und 9. Jahrhunderts war mit der Weltverachtung ein negativ besetztes Materieverständnis mitgegeben. In alAndalus war diese Auffassung von dem gnostisch-neuplatonischen Mystiker Ibn Masarra (883–931) vertreten worden, wurde im 11. Jhd. in Almería, dem damaligen Zentrum der spanischen Sūfīs aufgenommen und gelangte mit Ibn Barrafān (1. Hälfte 12. Jhd.) von dort aus auch nach Sevilla, und schließlich wurde diese Auffassung dann auch von Ibn ÝArabī (1165–1240) wieder aufgegriffen. Aver-

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roes bezieht sich hier aber nicht auf solche Vorstellungen, sondern auf die im Koran wie in der Bibel vorhandene Vorstellung einer der geformten Welt vorausliegenden – und prinzipiell wertneutral gedachten – Urmaterie. Im Unterschied zur Bibel gibt es aber im Koran keinen ausführlichen Schöpfungsbericht, die Aussagen über die Schöpfung finden sich an ganz verschiedenen Stellen und lassen einen ziemlich großen Spielraum der Interpretation. Auch die von Averroes im § 21 angeführten Koranstellen drängen keinerlei engen Begriffsrahmen auf. ¹⁷³ Wörtlich: »nicht abgeschnitten sind«. ¹⁷⁴ Arab. Ýadd haraka = griech. arithmós kinêseôs = lat. mensura motus, d. h. die Definition der Zeit nach Aristoteles, Physik IV , 11, 219 b 2. ¹⁷⁵ Mit der Frage der Form der Himmelskörper beschäftigte sich Averroes in einer eigenen Schrift, die unter dem Titel De substantia orbis bekannt ist. Diese Schrift besteht vermutlich aus sechs ursprünglich unabhängigen kurzen Traktaten, die wahrscheinlich Antworten auf Fragen darstellen, die Averroes gestellt worden waren. Es handelt sich also um keinen Kommentar, sondern um später zusammengefaßte selbständige Schriften. Die Reihenfolge der Traktate entspricht daher nicht notwendigerweise der Reihenfolge der Entstehung. Da De substantia orbis aus ursprünglich selbständigen Texten besteht, ist es verständlich, daß Averroes verschiedene Punkte an mehreren Stellen behandelt und Wiederholungen vorkommen. Am Ende des sechsten Traktats schreibt Averroes, daß dieser Text im Jahre 574 Hifra in Marokko verfaßt wurde, was dem Jahre 1178 entspricht. Die Schrift De substantia orbis ist also nur kurze Zeit vor der Entscheidenden Abhandlung verfaßt worden und ihr Inhalt kann als Beispiel dafür gelten, was Averroes als demonstrative philosophische Beweise ansieht, die das Volk nicht verstehen kann, die aber auch außerhalb der Reichweite der mutakallimun, also der islamischen Theologen, liegen. In diesen Traktaten verwendet Averroes vor allem Prinzipien aus den aristotelischen Schriften der Physik und De caelo, er zieht aber auch spätantike Kommentare zu diesen Schriften heran. Der Text von De substantia orbis ist arabisch nicht erhalten. Erhalten ist eine anonyme hebr. Übersetzung. Die beste und vollständigste hebr. Übersetzung ist im Kommentar

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des Mose ben Joshua von Narbonne (1300–1362) enthalten. Eine lat. Übersetzung wurde in den Jahren zwischen 1227 und 1235 vom arab. Text her erstellt und stammt vermutlich von Michael Scotus (vor 1200 – um 1235). Diese lat. Übersetzung enthält nicht alle der einzelnen Traktate und wurde später von Abraham von Balmes (um 1440–1523) durch Hinzufügung weiterer Kapitel ergänzt, die er aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzte. Die Schrift De substantia orbis erfreute sich bei hebräischen wie bei lateinischen Autoren des Mittelalters und der Renaissance großer Beliebtheit, was sich schon aus den zahlreichen Kommentaren ergibt, die zu ihr verfaßt wurden. Zur Textgeschichte vgl. A. Hyman, Einleitung zu De substanti orbis, S. 13–28. Die Frage, auf die sich Averroes in der Entscheidenden Abhandlung bezieht und die er in De substantia orbis ausführlich behandelt, ist die nach der metaphysischen Zusammensetzung der Himmelskörper. Bei den irdischen, d. h. sublunaren Körpern, wird durch die Zusammensetzung der Körper aus Materie und Form Entstehen und Vergehen (lat. generatio et corruptio, vgl. Anm. 166) erklärt. Die Himmelskörper sind jedoch – im aristotelischen Weltbild – unvergänglich, also stellt sich die Frage, ob auch sie aus Materie und Form zusammengesetzt sind. Die Antwort des Averroes besteht darin, daß er annimmt, daß auch die Himmelskörper aus Materie und Form bestehen, Materie und Form bei diesen aber ganz verschieden von denen der irdischen Körper sind. Die Form der Himmelskörper besteht in deren ewiger Bewegung. Diese Bewegung ist immerwährend, d. h. ewig, und die entsprechende Form ist daher immateriell und kann somit als »Seele« bezeichnet werden. Diese für den modernen Leser nicht leicht verständliche Folgerungskette ergibt sich aus den Prinzipien der aristotelischen Physik, Metaphysik und der Seelenlehre. ¹⁷⁶ Dies ist die einzige Stelle in der Entscheidenden Abhandlung, an der Averroes die Entstehung der Welt mit dem Verb jalaqa beschreibt. Von derselben Wortwurzel ist das Gottesprädikat abgeleitet, mit dem Gott als Schöpfer der Welt (jaliq) dem Geschaffenen (majluq) gegenübergestellt wird. Im vorliegenden Fall interpretiert jedoch Averroes nur den Text des Koranverses, den er als Belegstelle heranzieht, arbeitet also im Rahmen der schulüblichen Terminolo-

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gie. Es handelt sich also nicht um eine eigene terminologische Festlegung des Averroes. Vgl. auch Anm. 16 und Anm. 170. ¹⁷⁷ Mit Bezugnahme auf die im Text zuletzt zitierte Stelle Sure XLI , 11, sagt Averroes im Tahāfut, S. 396, Incoherence of the Incoherence, S. 239, daß die Behauptung der AšÝariten einer »Schöpfung aus Nichts« (min gair šayÞ) weder dem Text der Offenbarung noch auch der Auffassung der Philosophen entspricht. Die Interpretation der Koranverse durch »Schöpfung aus Nichts« hält Averroes daher nicht nur für falsch, sondern auch für schädlich und unerlaubt. Vgl. Manāhif, S. 90, Faith and Reason, S. 89. ¹⁷⁸ Averroes sagt also: Es gibt Auffassungen von nicht-islamischen und islamischen Philosophen, die mit dem äußeren Sinn des Korans übereinstimmen. Folglich ist eine Interpretation dieser Stellen durch die Theologen überflüssig und kann nur zu falschen Interpretationen führen, und bei solchen Interpretationen kann man sich auch nicht vorstellen, daß es dabei zu einem Konsens unter den Theologen oder zu einem Konsens der Theologen mit den islamischen Philosophen käme. Für das Zustandekommen eines solchen Konsenses sind selbstverständlich nur die islamischen Philosophen relevant, diese aber zählt Averroes eben auch zu jenen, die für das Vorhandensein eines Konsenses der islamischen Gelehrten in Betracht gezogen werden müssen, was die offiziellen ÝulamaÞ natürlich keineswegs zugestanden hätten. Vgl. Anm. 143, und Art. IfmāÝ im Anhang. Die Übereinstimmung der islamischen Philosophen mit den griechischen Philosophen ist dann nur eine weitere Bestätigung, die aber prinzipiell außerhalb des vom islamischen Recht vorgesehenen Konsenses liegt. Mit der Frage dieser faktisch vorliegenden Übereinstimmung von islamischen Theologen und griechischen Philosophen beschäftigt sich Averroes ausführlich in den Quaestiones in Physicis III , S. 4–7. Diese Quaestio war den lateinischen Philosophen und Theologen bekannt und bildete einen Hauptangriffspunkt gegen Averroes, so z. B. in De Errroribus Philosophorum des Aegidius Romanus (um 1243–1316). Vgl. P. Mandonnet, Siger de Brabant et l’Averroism Latin au XIII siècle, Löwen 1911, S. 8. ¹⁷⁹ Dies war die Auffasung der Mehrheit der Rechtsgelehrten. Nur die Hanbaliten vertraten die Auffassung, daß jene, die sich bei einer Rechtsentscheidung irren, sich wegen ihrer Fehlentscheidung

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versündigen, auch wenn sie alles, was in ihren Kräften stand, eingesetzt hatten. Vgl. auch Anm. 185 und Nagel 1988, S. 331. Es stellt sich auch die Frage, vor welchem Tribunal über einen Irrtum eines Rechtsgelehrten entschieden werden kann. Hourani 1960, S. 152, meint, daß hier eine höhere Autorität als die des Konsenses der übrigen Rechtsgelehrten erforderlich sei, so daß dann nur Gott als Richter beim Endgericht in Frage käme. ¹⁸⁰ Zu »Freiwilligkeit« vgl. Art. Iitiyār im Anhang. ¹⁸¹ Der Ausdruck taklif ist ein Fachbegriff der Theologie und des Rechts, mit dem eine von Gott den Menschen auferlegte Verpflichtung bezeichnet wird. Es handelt sich bei diesem Ausdruck um eine ganz zentrale Vorstellung des islamischen Glaubens, der durch »Rechtsverpflichtung« nur sehr unzureichend wiedergegeben wird. Vgl. dazu Art. Fiqh, 1. Absatz, im Anhang. Umstritten war die Frage, wie solche Verpflichtungen erkannt werden können. Die MuÝtaziliten vertraten die Auffassung, daß es Verpflichtungen gebe, die auch durch die Vernunft erkannt werden können, und solche, die nur durch die Offenbarung erkannt werden können. Demgegenüber vertraten die AšÝariten die Auffassung, daß die einzige Quelle der Erkenntnis der Verpflichtungen die Offenbarung sei. Vgl. Art. Taklīf in EI² X, Sp. 138 b–139 b. Averroes steht – im Gefolge von Ibn Tūmart (vgl. Art. Almohaden im Anhang) – in diesem Punkt der muÝtazilitischen Position nahe. ¹⁸² Zu »freie Wahl« vgl. Art. Iitiyār im Anhang. ¹⁸³ Mit dem Ausdruck šubha wird eine »Zweideutigkeit« bezeichnet, die also einen Zweifel auslöst und eine Interpretation erfordert. Vgl. auch Anm. 148. ¹⁸⁴ Das entsprechende Substantiv zu dem hier gebrauchten Verb iftahada ist iftihad. Vgl. dazu Art. Iftihād im Anhang. ¹⁸⁵ Vgl. Wensinck, Concordance, I, 20. Diese Lehre wurde aš-Šafi zugesprochen, vgl. Nagel 1988, S. 332. Die Grundlage dieser Auffassung ist jedoch allen Rechtsschulen gemeinsam: Im Koran wird an zahlreichen Stellen betont, daß Gott den Menschen nicht über seine Kräfte belastet, vgl. z. B. Sure II , 286. ¹⁸⁶ Die sunna ist der gute Brauch, die gute Gewohnheit, wie sie vom Propheten und der Urgemeinde überliefert ist, die dann zur Norm wurde. Diese Überlieferung war zunächst mündlich und

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wurde dann in den Hadīuen-Sammlungen schriftlich festgehalten. Die Grundlage des islamischen Rechts ist der Koran und die Überlieferung. Es geht bei der Kenntnis der Überlieferung also nicht um Rechtsgeschichte im westlichen Sinn, sondern um eine für die Gegenwart normgebende Tradition. Recht und Überlieferung sind daher untrennbar verbunden. Vgl. Art. Fiqh und Hadīu im Anhang. ¹⁸⁷ Es ist – jedenfalls für den westlichen Leser – durchaus interessant, zu sehen, daß die Einordnung des »Ungläubigen« (kafir) in der islamischen Gesellschaft wesentlich präziser ist als die des »Sünders« (avim, lat. peccator, ein in der lateinischen Theologie sehr belasteter Begriff ). Ersterer wird rechtlich qualifiziert, letzterer moralisch, und die rechtliche Ordnung (vgl. Art. Fiqh im Anhang) ist eben in der islamischen Gesellschaft wesentlich präziser als die moralische Ordnung (vgl. Art. ÞAilāq im Anhang). T. Nagel 2001, S. 241, stellt dazu m. E. treffend fest: »Die Bezugnahme der SchariaGelehrten auf die Lebenswirklichkeit erfolgt demnach unter einem stillschweigend vorausgesetzten islamischen Deutungshintergrund. Nur ausnahmsweise wird dieser von den Kennern des Gesetzes eigens bedacht, und zwar unter dem Stichwort des sündhaften (avim) Menschen.« ¹⁸⁸ Vgl. Art. Iftihād im Anhang. ¹⁸⁹ Der Ausdruck Þasl, (Pl. Þusul) bedeutet ursprünglich »Wurzel«, im Zusammenhang von Recht und Theologie dann »Prinzip / Grundsatz«. Die Unterscheidung von »Wurzeln« und »Ableitungen« gehört zum kategorialen Rüstzeug aller dogmatischen Religionssysteme, sie ist aber letztlich selbst eine unbewiesene dogmatische Voraussetzung. Und so gilt (auch) für den Islam, was Nagel, 1988, S. 363, zu Recht feststellt: »Denn ›Wurzel‹ und ›Ableitung‹ sind letzten Endes willkürliche Gesichtspunkte. Einen Sachverhalt, der für den einen noch dem ersten angehört, mag der Gegner schon dem zweiten zuordnen. Unanfechtbare Kriterien gibt es nicht.« Die Frage war jedoch in der islamischen Theologie dadurch weniger problematisch, insofern es bei den islamischen Theologen allgemeine Auffassung war, daß der theoretische Grundbestand des Glaubens, die »Wurzeln«, minimal sei, und bei den Ableitungen eine gewisse Liberalität der Beurteilung deren Gültigkeit gefordert wurde. So sagt z. B. al-Gazālī:

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Die Gegenstände religöser Spekulation zerfallen in zwei Teile. Ein Teil hängt mit den Grundsätzen der Glaubenslehre zusammen, ein anderer Teil mit den Ableitungen. Es gibt genau drei Grundsätze des Glaubens: der Glaube an Gott, an seinen Gesandten und an das Jüngste Gericht. Alles andere ist Ableitung. Wisse: Bei den Ableitungen gibt es ursprünglich keine Verurteilung aufgrund von Unglaube. (Al-Gazālī, Rechtgläubigkeit, S. 75 f.)

Genau die gleiche kurze Aufzählung der drei theoretischen Grundartikel, der »Wurzeln« (Þusul) des islamischen Glaubens, findet sich bei Averroes im § 26 der Entscheidenden Abhandlung. In diesem Bereich gibt es nach Averroes auch gar keine Erkenntnisprobleme und ein Irrtum ist hier unentschuldbar, wie Averroes im § 25 sagt. Bei Ableitungen aus diesen theoretischen Grundartikeln ist Averroes der gleichen Meinung wie al-Gazālī, nämlich, daß hier kaum definitive Entscheidungen erreichbar sind (vgl. § 15). Das eigentliche Problem der Ableitungen stellte sich eben gar nicht bei den theoretischen Fragen, sondern im Recht, wo die Frage der Berechtigung von Schlußfolgerungen überhaupt und, wurden solche anerkannt, die der gültigen Schlußfolgerungen ein zentrales Thema der Überlegungen über die Grundlagen und Ableitungen war. Vgl. Art. Qiyās (1) im Anhang. ¹⁹⁰ Für »Gundsätze« steht hier ÞawaÞil (Pl. von Þawwal, d. h. »Erster«). Dies ist – im Unterschied zu dem im Recht gebrauchten Ausdruck Þusul, vgl. Anm. 189 – der im philosophischen Gebrauch häufig verwendete Ausdruck für »Prinzip / Grundsatz«, der seit den Übersetzern der aristotelischen Texte für griech. prôtos, d. h. »Erster«, und archaí, d. h. »Ursprünge« gebraucht wurde. ¹⁹¹ Der Ausdruck mabadiÞ (Pl. von mabdaÞ), der von badaÞa, d. h. »anfangen« abgeleitet ist, bedeutet auch wieder – wie Þusul und ÞawaÞil – »Prinzipien / Grundsätze«. ¹⁹² Vgl. Art. BidÝa im Anhang. ¹⁹³ Es geht hier um die drei Methoden, die schon im § 11 aufgeführt wurden (Rhetorik, Dialektik, wissenschaftlicher Beweis), und die auch am Ende dieses Abschnitts wieder aufgeführt werden. Zu den verschiedenen Beweismethoden vgl. Einleitung 2.4 und Art. Qiyās (2) im Anhang.

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¹⁹⁴ Averroes spricht hier ausdrücklich von der »jenseitigen Glückseligkeit und dem jenseitigen Elend«, es bleibt aber bestehen, daß er darüber nur sehr wenig auszusagen hatte. Vgl. Hourani 1962, S. 31. In Hinsicht auf die Argumentationsstrategie des Averroes fällt folgendes auf: Es gibt die drei großen Konfliktsthemen zwischen Korangelehrten und Philosophen: (1) Die Kenntnis Gottes der Einzeldinge, (2) die Ewigkeit der Welt, (3) die Körperlichkeit des Menschen im Jenseits. Vgl. § 16. Bei diesen drei Fragen hatte al-Gazālī den islamischen Philosophen Unglauben vorgeworfen. Vgl. Anm. 131. In Hinsicht auf (1) und (2) liefert Averroes in der Entscheidenden Abhandlung in den §§ 17–22 kurze, aber verhältnismäßig präzise Antworten. Bevor er jedoch auf (3) zu sprechen kommt, beschäftigt Averroes sich in den §§ 23–31 ziemlich ausführlich mit der Frage der Funktion der Bilder und Gleichnisse, erklärt dann im § 32, daß es für diese Bilder verschiedene Interpretationen gibt, und im § 34, daß das Volk die Bilder für das zukünftige Leben nach ihrem Wortsinn auffassen muß und daß die Interpretationen der »Leute der Wissenschaft« dem Volk nicht mitgeteilt werden dürfen. Und zur Sicherheit weist Averroes im § 33 nochmals – er hatte dies schon im § 23 ausgeführt – darauf hin, daß jemand von den »Leuten der Wissenschaft«, der bei der Interpretation dieser schwierigen Fragen irrt, entschuldigt werden muß. Entscheidend ist also nur, das künftige Leben als Tatsache anzuerkennen, die nähere Interpretation ist demgegenüber sekundär. In den §§ 35 und 36 betont er dann, daß die Interpretationen nur in Büchern, die sich mit Beweisen beschäftigen, dargelegt werden dürfen, daß diese Bücher aber für den Gebrauch der Gelehrten – natürlich auschließlich für diesen Gebrauch – nicht verboten werden dürfen. Und im § 37 geht Averroes schließlich zu anderen Fragen über, ohne aber seine eigene Interpretation zum Problem (3), also zur Frage der Körperlichkeit des Menschen im Jenseits, dargelegt oder wenigstens angedeutet zu haben, im Unterschied zu den Problemen (1) und (2). Es legt sich dabei einfach die Vermutung nahe, daß Averroes es hier, d. h. in einer Schrift, die für die Öffentlichkeit und nicht nur für die Gelehrten bestimmt war, vermeiden wollte, seine eigene Interpretation klar zu explizieren. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 50 f. Die Auffassung des Averroes dürfte sein, daß es keine sol-

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che Körperlichkeit gibt, womit er mit dem übereinstimmt, was bei al-Fārābī im Book of Religion, S. 101, vorausgesetzt wird, und was am ausführlichsten und präzisesten von Ibn Sīnā (Avicenna) in der Epistola sulla vita futura dargelegt wird. Inwieweit der Kommentar des Averroes zu Über die Seele des Aristoteles für seine eigene Auffassung herangezogen werden darf, ist nicht sicher auszumachen, da er dort eben »nur« kommentiert. In theologischem Zusammenhang sagt Averroes, allerdings in eher indirekter Weise, von der Seele, daß es sich dabei um die »Existenz eines für sich bestehenden Wesens, das nicht Körper ist«, handelt (Manāhif, S. 63, Faith and Reason, S. 60). Eine Stellungnahme, die für die eigentliche Meinung des Averroes aufschlußreich ist, findet sich auch in seinem Kommentar zu Platos Politeia. Averroes will dort nur Argumente aufnehmen, die seiner Ansicht nach demonstrativ sind, es handelt sich also um eine Schrift, die für die »Leute des Beweises« gedacht ist. Am Ende dieser Schrift findet sich eine aufschlußreiche Bemerkung über die Sprachform der platonischen Äußerungen zur Seelenlehre: Ferner erwähnt er [d. h. Plato] danach eine rhetorische oder dialektische Erörterung, worin er erklärt, daß die Seele unsterblich ist. Ferner folgt darauf eine Erzählung, worin er beschreibt, zu welcher Lieblichkeit und Annehmlichkeit die Seelen der Glücklichen und Gerechten gelangen, und wohin die gequälten Seelen. Wir haben schon mehr als einmal bekanntgemacht, daß diese Erzählungen nichts sind, weil die Tugenden, die aus ihnen hervorgehen, keine wahren Tugenden sind; wenn sie aber Tugenden genannt werden, so nur weil der Name gleich lautet. Sie gehören auch zu den fernliegenden Nachahmungen, und das ist schon vorher unter den Nachahmungen erörtert worden und hat uns zu einer solchen Unwahrheit geführt. Es ist auch nicht notwendig, damit der Mensch tugendhaft werde; es ist nur besser und leichter für den Menschen, tugendhaft zu werden. Aber wir sehen hier viele Menschen, die an ihren Gesetzen und Religionsgesetzen festhalten und dabei diese Erzählungen nicht haben, die nicht weniger erreichen als die Leute, die diese Erzählungen haben. Überhaupt gehören diese Erzählungen zu dem, worüber die Alten uneins waren, und Platon hat sich dadurch verwirren lassen. (Zu Platons Politeia, S. 141 f., On Plato’s »Republic«, S. 148 f.)

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Es gibt also Gläubige und Gesetzestreue, die ohne moralischen Schaden ohne solche »Erzählungen« auskommen, und die diese Erzählungen als rhetorisch verwendete Bilder begreifen. Diese Auffassung war schon Tradition bei den arabischen Philosophen. Al-Fārābī faßte platonische Bilder wie die von der »Heimkehr der Seele in ihre Welt« als Allegorien auf, als »zarte und feine Begriffe«, die nur auf diese Weise ausgedrückt werden können. Vgl. al-Fārābī, Harmonie zwischen Plato und Aristoteles, S. 49. ¹⁹⁵ Gemeint ist: Es gibt drei grundlegende Glaubensartikel und jede der drei Methoden führt zur Erkenntnis aller drei Glaubensartikel. ¹⁹⁶ Gemeint ist: Jedem Menschen steht zumindesten eine der drei Methoden zur Verfügung. ¹⁹⁷ Die Unterscheidung von »Zunge« und »Herz« hatte seit der Zeit al-AšÝaris zu großen Diskussionen geführt. Dieser hatte die Ansicht vertreten, daß es eine Unterscheidung zwischen Muslimen und Gläubigen gebe, insofern erstere mit der Zunge Gott anerkennen, aber nur der als »Gläubiger« bezeichnet werden dürfte, der Gott mit der Zunge und mit dem Herzen anerkenne. Auch al-Gazālī verwendete diese Unterscheidung, so sagt er z. B. in der Tafriqa mit Bezug auf eine gut gesicherte Überlieferung: Der Mensch mag die Überlieferung mit seiner Zunge leugnen, es ist aber ausgeschlossen, in seinem Herzen darüber unwissend zu sein. (Al-Gazālī, Rechtgläubigkeit, S. 76)

Es gehörte aber zu den Grundsätzen fast aller Rechtsgelehrten, sich einzig auf die objektiv beobachtbaren Handlungen zu beziehen und auf die inneren Absichten des Handelnden nur insofern, als diese sich aus äußeren Kennzeichen ableiten lassen, nicht aber auf das, was »im Herzen« stattfindet, da die Beurteilung dieser inneren Absicht Gott allein möglich ist und daher nur Gott zusteht. Mit der Unterscheidung von »Zunge« und »Herz« war also häufig weniger ein rechtlicher, sondern eher ein moralischer Vorwurf verbunden. Averroes wirft den AšÝariten – mit großer Wahrscheinlichkeit zu Unrecht – im Manāhif vor, daß sie mit sophistischen Argumenten Dinge vertreten, die ihrer »besseren Einsicht« widersprechen:

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Denn sie sagen mit der äußeren Rede Dinge, welchen ihre innere Rede widerspricht [wörtlich : Sie geben mit ihrer Zunge zu, was sie in ihrem Herzen verneinen]. Dieses ist die Frucht des Parteieifers und der persönlichen Zuneigung. Die Annäherung an solche Reden kann Ursache werden, daß man sich der durch den gesunden Menschenverstand begreiflichen Dinge entschlägt, wie wir dies bei solchen eintreten sehen, die in der Methode der AšÝariten geschickt und in ihr seit ihrer Jugend eingeübt sind. (Manāhif, S. 91 f., Faith and Reason, S. 91)

Mit der Redewendung, daß etwas mit der Zunge gesagt, im Herzen aber verneint wird (oder umgekehrt) steht auch das Problem der taqiya (vom Verb waqa, d. h. »sich in Acht nehmen« abgeleitet) in Verbindung, also der »Vortäuschung«, wenn das offene Bekenntnis – mit der Zunge – eine Gefahr für das Leben bedeutet. Eine solche Vortäuschung bei Glaubensfragen bedeutet eigentlich die äußere Verleugnung des wahren Glaubens. Diese taqiya wurde jedoch von den islamischen Rechtsgelehrten allgemein als erlaubt angesehen – ausgenommen ist selbstverständlich der Prophet – und wurde von einigen Juristen sogar als geboten angesehen, wenn dies im Interesse der Gemeinschaft war. Die taqiya wurde vor allem von den ŠīÝiten – also einer häufig unterdrückten Minderheit – praktiziert und wurde als für sie kennzeichnend angesehen, auch die IsmāÝiliten waren dafür bekannt und bei ihrer Propagandatätigkeit unter Sunniten dafür berüchtigt. Die ethischen Probleme, die mit der taqiya verbunden sind, waren den islamischen Rechtsgelehrten durchaus bewußt und wurden in zahlreichen Traktaten zu diesem Thema diskutiert. Vgl. Art. Taqiyya in EI² X, Sp. 134 b–136 a. ¹⁹⁸ Im ersten Fall steht im Text Þilah, also »Gott«, im zweiten das als Eigenname gebrauchte Allah. ¹⁹⁹ Vgl. Wensinck, Concordance, I, S. 99, dt. Übers. in al-Buiārī, Sahīh, Auswahl Ferchl, S. 36. ²⁰⁰ Der Ausdruck mivl (Pl. Þamval) und ähnlich der im § 39 verwendete Ausdruck mival (Pl. Þamvila, muvul) entspricht dem griech. parádeigma, wie es z. B. in der Rhetorik des Aristoteles 2, 1356 b 2–24, verwendet wird, was am ehesten mit »Beispiel« wiedergegeben werden kann. Im vorliegenden Zusammenhang verwendet Averroes

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mivl und mival entsprechend dem Gebrauch, der auch im Kurzen Kommentar zur Rhetorik an mehreren Stellen vorliegt. Vgl. Three Short Commentaries, Register, S. 138. Bei der Bestimmung der Bedeutung von mivl und mival muß auch das griech. eikôn herangezogen werden. Vgl. Wolfson 1973, S. 481. Geoff roy, Discours, S. 141, übersetzt Þamval mit symboles, was m. E. schon zu viel Interpretation mit sich bringt. Hourani, Harmony, S. 59, übersetzt Þamval mit images, Butterworth, Tratise, S. 19, mit liknesses. Ich übernehme »Bilder« aus Müller, Harmonie, S. 16. Da Averroes bei mivl und mival mit der Terminologie aus der Rhetorik arbeitet, läßt sich durch ein Beispiel aus seinem Kurzen Kommentar zur Rhetorik am besten verdeutlichen, wie er diesen Begriff gebraucht. Wenn wir z. B. in dem Fall eines weniger bekannten Prädikats für ein bestimmtes Subjekt dieses Prädikat erklären wollen, ziehen wir ein Beispiel eines bekannteren Falles heran, also etwa: »Honig verdünnt, weil Zucker sich auflöst«. Vgl. Three Short Commentaries, S. 71. ²⁰¹ Auch hier können wir zur Erklärung von šibh (Pl. Þašbah) auf den Kurzen Kommentar zur Rhetorik zurückgreifen. Averroes erläutert dort solche »Gleichnisse« mit folgendem Beispiel: »Der König ist in der Stadt wie die Gottheit in der Welt, und ebenso wie die Gottheit eine ist, so soll auch der König einer sein.« Vgl. Three Short Commentaries, S. 71. Geoff roy, Discours, S. 141, übersetzt Þašbah mit allégories, was m. E. schon zu viel Interpretation mit sich bringt. Hourani, Harmony, S. 59, übersetzt Þašbah mit liknesses, Butterworth, Treatise, S. 19, mit similarities. Ich übernehme »Gleichnisse« aus Müller, Harmonie, S. 16. ²⁰² Gemeint ist: Der Text des Gesetztes hat – an einigen Stellen – einen äußeren und einen inneren Sinn. Averroes will jedoch nur für ganz wenige Stellen einen solchen zweifachen Sinn zulassen. Vgl. Einleitung 2.4. ²⁰³ In der Tafriqa, vgl. Rechtgläubigkeit, S. 60 f., führt al-Gazālī folgende fünf Erkenntnisweisen existierender Dinge an: (1) dati, d. h. wesentlich, (2) hissi, d. h. durch Sinneserfahrung, (3) jiyali, d. h. durch die Vorstellungskraft, (4) Ýaqli, d. h. durch den Verstand, (5) šibhi/šabih, d. h. durch Ähnlichkeit. Averroes führt im Manāhif, S. 125, Faith and Reason, S. 130, mit ausdrücklichem Bezug auf die Tafriqa al-Gazālīs genau und mit der Zahlenangabe »fünf« diese

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Erkenntnisweisen an. Warum Averroes hier in der Entscheidenden Abhandlung von »vier oder fünf« Erkenntnisweisen spricht, ist unklar und umstritten (möglicherweise ist die Erklärung von »vier oder fünf« aber einfach die, daß Averroes bei der Abfassung der Entscheidenden Abhandlung die Tafriqa al-Gazālīs nicht zur Hand hatte und er daher aus dem Gedächtnis zitierte). Am ehesten legt es sich nahe, (1) abzutrennen, da al-Gazālī von dieser Erkenntnisweise sagt: Dies ist die reale Existenz, die außerhalb unserer sinnlichen Wahrnehmung und unseres Verstandes feststeht. Jedoch macht sich die sinnliche Wahrnehmungskraft und der Verstand ein Bild davon, man sagt dann: »Er nimmt es begreifend auf.« (Rechtgläubigkeit, S. 61)

Im Manāhif findet sich die folgende Einteilung, die auch wieder eine Einteilung »fünf = eins + vier« enthält: Die Ideen, die sich in der Religion finden, sind von fünf Arten. Zunächst teilen sie sich in zwei Klassen, wovon eine unteilbar ist, die andere geteilt, und zwar in vier Arten. Die erste, unteilbare Art ist, daß die Idee, welche ausdrücklich ausgesprochen ist, gerade die ist, die an und für sich existiert. Die zweite Art mit vier Unterabteilungen ist die, daß die ausdrücklich in der Religion gelehrte Idee nicht die wirklich existierende ist, sondern ein Ersatz dafür infolge einer Versinnbildlichung. (Manāhif, S. 124, Faith and Reason, S. 128 f.)

Die Einteilung al-Gazālīs ist allerdings mit der von Averroes nur schwer vergleichbar, obwohl Averroes sie in Manāhif, S. 125, Faith and Reason, S. 129 f., damit ausdrücklich in Zusammenhang bringt. Al-Gazālī arbeitet – außer bei (5) – mit einer aus der philosophischen Tradition bekannten Einteilung der Seelenfähigkeiten, wogegen Averroes eher beweistheoretisch vorgeht und die Einteilung nach dem vornimmt, ob etwas durch ein nahes oder fernes Wissen als Bild erkannt wird und dann durch ein nahes oder fernes Wissen erkannt wird, wofür es ein Bild ist. Die philosophische Interpretation der Elite ist dann dadurch gekennzeichnet, daß jemand »durch ein nahes Wissen weiß, daß es ein Bild ist, und nur durch

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ein fernes Wissen, wofür es ein Bild ist«. Es fällt dabei auf, daß diese Interpretation in der Einteilung al-Gazālīs der Erkenntnisweise (5) = šibhi entspricht, die allerdings keine Entsprechung unter den bekannten Seelenfähigkeiten hat, und daß Averroes ebd. diese Interpretation mit dem bekannten Ausdruck der »dunklen / mehrdeutigen« (mutašabihat) Verse kennzeichnet. Vgl. zu diesem Ausdruck Anm. 137 und Art. TāÞwīl im Anhang. ²⁰⁴ Hila bedeutet »Trick«, »Kunstgriff«, z. B. im militärischen Bereich »Kriegslist«, im technischen Bereich »nützliche Erfindungen« (vgl. al-Fārābī, De scientiis, S. 89). Besonders wichtig wurde dieser Begriff im islamischen Recht. Es geht dabei um Verfahren, ein offensichtliches Gebot oder Verbot des Korans zu umgehen. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist das Zinsverbot, das im Koran unmißverständlich ausgesprochen ist, das aber den Erfordernissen des Handels und auch Pachtverträgen nicht entsprach. Also wurden »Kunstgriffe« erfunden, um Zinsgeschäfte bei verbalem Festhalten am Text des Korans zu ermöglichen. Die strengen Traditionalisten lehnten hiyal (Pl. von hila) selbstverständlich ab, verschiedene Rechtsschulen wie die Hanafiten und in einzelnen Fällen auch die Mālikiten zeigten sich den praktischen Bedürfnissen entgegenkommender. Vgl. Art. Hiyal in EI² III , Sp. 510 b–513 a. Sowohl im technischen wie im rechtlichen Bereich gab es zahlreiche und umfangreiche Traktate, die sich nur mit hiyal befassen. ²⁰⁵ Die bloße Erhaltung der körperlichen Unversehrtheit entspricht dem, was Averroes als das unterste Niveau der Vorstellungen von der Glückseligkeit ansieht. Vgl. Averroes, Zu Platons Politeia, S. 93, On Plato’s »Republic«, S. 80. Averroes folgt dabei dem Schema al-Fārābīs. Vgl. al-Fārābī, The Political Regime, S. 43, und Musterstaat XXIX , S. 98 f. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sich Averroes hier auch auf einen anderen Text al-Fārābīs oder zumindest auf eine Nachricht über eine Auffassung al-Fārābīs bezieht, die in der Umgebung des Averroes zirkulierte. Al-Fārābī hatte einen – allerdings nicht erhaltenen – Kommentar zur Nikomachischen Ethik des Aristoteles verfaßt, in dem er möglicherweise eine radikale aristotelische Position vertrat. Jedenfalls berichtet Ibn Tufail (der dies wiederum von Ibn Baffa übernommen hat) von al-Fārābī:

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Schließlich sagt er im Kommentar zur Ethik etwas über die menschliche Glückseligkeit und daß sie nur im diesseitigen Leben liege, worauf er am Ende noch sinngemäß beifügt, wenn jemand etwas anderes behaupte, dann sei dies dummes Zeug und Altweiber-Geschwätz. (Ibn Tufail, Hayy Ibn Yaqzān, S. 10)

Die Interpretation dieser Nachricht ist allerdings umstritten. Vgl. dazu Ph. Vallat, Farabi et l’Ecole d’Alexandrie, Paris 2004, S. 102– 126. Es waren aber jedenfalls bei den Arabern Nachrichten aus der griechischen Antike bekannt, die in dem Sinn verstanden werden konnten, daß Vorstellungen wie Himmel und Hölle einfach der Disziplinierung der Masse dienten. So berichtet – zustimmend – al-Bīrūnī (973–1048), der auch in brieflichem Kontakt mit Ibn Sīnā (Avicenna) stand, daß die Elite der Griechen solche Vorstellungen verwendete, um der Masse des Volkes Furcht und Schrecken einzujagen. Vgl. Al-Bīrūnī, In den Gärten der Wissenschaft. Ausgewählte Texte aus den Werken des muslimischen Universalgelehrten, übers. v. G. Strohmaier, Leipzig 1991, S. 167. Vgl. auch Einleitung 2.5, dort der Text dieser aufschlußreichen Stelle. ²⁰⁶ D. h.: Etwas, das aus den Grundsätzen abgeleitet ist. Vgl. Art. Qiyas (1) im Anhang. ²⁰⁷ Vgl. Art. Hadīu im Anhang. ²⁰⁸ Vgl. im Text § 14 und die Anm. dazu. Ausdrücke, die von »Aufstieg« oder »Abstieg« sprechen, kommen im Koran häufig vor und sind in der islamischen Theologie sehr wichtig. Besonders bedeutsam war die Rede vom »Herabsteigen« oder »Herabkommen« (tanzil) der Offenbarung. Vgl. z. B. Sure XVII , 82, XX , 2 und 4, und LXXVI , 23. Ausdrücke, die also »Richtung«, »Gegend« oder »Lage« bezeichnen, sollten somit in irgendeiner Weise in Beziehung auf Gott zulässig sein, was auch Averroes anerkennt: Denn alle Religionen sind darauf gebaut, daß Gott im Himmel ist und daß von diesem die Engel die Offenbarung zu den Propheten herabbringen, daß vom Himmel die heiligen Bücher herabgesendet werden […]. (Manāhif, S. 65, Faith and Reason, S. 63)

Die MuÝtaziliten lehnen das Sprechen von einer solchen »Richtung« oder einer »Gegend« grundsätzlich ab, und dem folgten die

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AšÝariten im Gefolge von al-Fuwainī. Vgl. Manāhif, S. 65, Faith and Reason, S. 62. Diese Ablehnung beruht allerdings nach Averroes auf einer unrichtigen Überlegung: Das Bedenken, welches die Leugner der Gegend (fiha) zu der Verneinung bestimmte, ist ihre Ansicht, daß die Bejahung der Gegend die Bejahung des Raumes (makan) und die Bejahung des Raumes die Bejahung der Körperlichkeit (fismia) herbeiführen. Wir sagen aber, daß dies alles nicht notwendig ist: denn die Gegend ist etwas anderes als der Raum. (Manāhif, S. 65, Faith and Reason, S. 63)

Die Erläuterungen, die Averroes dann aber im folgenden im Manāhif gibt, sind alles andere als klar und einleuchtend. Averroes will bei der Rede von Gott, von den Engeln und von der Offenbarung Ausdrücken wie »oben« oder »von oben herabkommend« ein Minimum an räumlicher Bedeutung belassen und will gleichzeitig negieren, daß sie einen Raum bezeichnen. Ein etwas besseres Verständnis der Auffassung des Averroes läßt sich dadurch erreichen, daß man in dem obigen und dem folgenden Zitat fiha nicht mit »Gegend«, sondern mit »Richtung« übersetzt. Vgl. die Übersetzung von Najjar in Faith and Reason, S. 63, durch direction. Damit ist die Schwierigkeit allerdings nicht wirklich behoben, denn auch bei »Richtung« ist in irgendeiner Weise die Vorstellung des Raumes (makan) mitgegeben. Schließlich bleibt aber für Averroes doch (wieder einmal) nur der Hinweis darauf, daß wir uns davon keine Vorstellung machen können: Hieraus erhellt für dich, daß die Bejahung der Gegend [besser: der Richtung] in Religion und Verstand notwendig ist und daß sie in der Offenbarung vorkommt und sie auf dieselbe gebaut ist und daß die Aufhebung dieses Prinzips die Aufhebung der Religion wäre; und daß der Grund der Schwierigkeit, diese Idee mit der Verneinung der Körperlichkeit verständlich zu machen, darin liegt, daß in der diesseitigen Welt keine Analogie existiert. (Manāhif, S. 67, Faith and Reason, S. 64 f.)

Möglicherweise versuchte Averroes hier eine Kompromißformel zu finden, die den islamischen Orthodoxen etwas entgegenkam. Im folgenden werden ja im Text der Entscheidenden Abhandlung jenen,

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die zwar keine Körperlichkeit, aber doch Räumlichkeit bei der Gottesvorstellung annehmen, nicht direkt verurteilt (vielleicht ist es aufschlußreich, daß dabei die Textlesung unklar ist, vgl Anm. 212). Ibn Tūmart war an diesem Punkt – übereinstimmend mit den MuÝtaziliten – radikaler und konsequenter, er lehnte jede Vorstellung irgendeiner Räumlichkeit ab. Vgl. Geoff roy 1999, S. 46. ²⁰⁹ Vgl. Wensinck, Concordance, I, S. 117. ²¹⁰ Der Ausdruck tajyil, d. h. »(sinnliche) Vorstellung« ist ein zentraler Begriff der Poetik. Das von derselben Wortwurzel abgeleitete arab. jyal entspricht dem griech. phantasía. Vgl. Heinrichs 1969, S. 149, ders. 1978, S. 284–289, und Endreß 1992, S. 54. Die Poetik des Aristoteles wurde, ausgehend von der syr. Übersetzung Ishāq ibn Hunains (um 845–910) von Abū Bišr Mattā (870–940), einem Lehrer al-Fārābīs, ins Arabische übersetzt. Diese – schon damals als unzureichend betrachtete – Übersetzung ist erhalten. Eine – aber nicht erhaltene – verbesserte Übersetzung stellte Yahyā ibn ÝAdī (893/894–974), ein Schüler al-Fārābis, her. Al-Fārābī verfaßte einen kurzen Kommentar zur Poetik und eine Zusammenfassung der Grundprinzipien der Poetik. Vgl. al-Fārābī, Canons of the Art of Poetry, in: Cantarino, V., Arabic Poetics in the Golden Age, Leiden 1975, S. 110–116. Averroes verfaßte vor 1159 eine kurze Zusammenfassung der Poetik (erhalten arab., aber mit hebr. Buchstaben geschrieben, hebr. Übersetzung erhalten, lat. Übersetzung von Abraham von Balmes) und stellte 1174 einen Mittleren Kommentar fertig (arab. erhalten, hebr. Übersetzung von Todros Todrosi im Jahre 1337, von letzterer aus eine lat. Übersetzung von Jacobo Mantino (gest. 1549), und eine lat. Übersetzung vom arab. Text aus von Hermann dem Deutschen, hergestellt im Jahre 1256). Vgl. Peters 1968, S. 20–30. Eine neue Edition der kurzen Zusammenfassung mit engl. Übersetzung wurde hrsg. von Ch. Butterworth, Three Short Commentaries, arab. S. 203–206, engl. S. 83 f. Der gesamte Text dieser kurzen Zusammenfassung umfaßt also weniger als zwei Seiten! Diese Kürze ist auf den ersten Blick erstaunlich, sie wird jedoch erklärlich aus dem Gegenstand der Poetik. Die arabischen Philosophen konnten, da sie keinerlei Kenntnis der griechischen Literatur hatten, mit der Poetik des Aristoteles kaum etwas anfangen. Nicht zu vergessen ist dabei, daß es eine sehr umfangreiche Literatur zur arabischen

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Dichtungslehre gab und schon damals die altarabische Dichtung als ein Höhepunkt der arabischen Kultur überhaupt angesehen wurde. Von der griechischen Poetik wurden also nur einige ganz allgemeine Begriffe übernommen und einer davon war eben der der phantasiegeformten »Vorstellung«, also tajyil, ein Begriff, den Averroes auch in seiner Zusammenfassung aufführt. Vgl. Three Short Commentaries, S. 203 f. Für Averroes war naürlich die praktische Verwendung solcher Vorstellungen besonders wichtig. So wie in der Entscheidenden Abhandlung, so betont er auch in der Zusammenfassung, daß solche Vorstellungen dazu dienen, der Menge (fumhur) bestimmte theoretische Gehalte in bildhafter Form zu vermitteln und die Menge dazu zu bewegen, bestimmte Handlungen auszuführen oder zu meiden. Vgl. Three Short Commentaries, arab. S. 205, engl. S. 84. Vgl. auch Einleitung 2.5. ²¹¹ Zu »Glaube / Überzeugung« (iÝtiqad) vgl. Anm. 82. ²¹² Der letzte Teil dieses Satzes ist textlich problematisch: (1) Das Prädikat: Mahdi / Butterworth lesen baÝudu Ýan. Dies entspricht dem Text der Handschriften im Escorial und in der Biblioteca Nacional. Bei Hourani, Fasl, S. 25, und Geoff roy, Discours, S. 142, findet sich hingegen die vermutete Lesung šadaw Ýala, so daß die engl. Übersetzung dann lautet: they advanced beyond, so Hourani, Harmony, S. 60 und S. 105, Anm. 136; ähnlich die französ. Übersetzung bei Geoff roy, Discours, S. 143: se haussent … au-dessus. Die Lesung baÝudu Ýan trifft den Sinn »sie gingen darüber hinaus« aber eigentlich noch genauer. Es ist also durchaus möglich, bei der Lesung der beiden Handschriften zu bleiben. (2) Syntax und Sinn des Satzes: Hourani, Fasl, S. 25, und Anm. 223, und ders. Harmony, S. 60, und S. 105, Anm. 137, fügt nach an-nazar die Worte bi-inkar, d. h. »Verneinung«, ein. Dadurch ergibt sich die Übersetzung: »mit der Verneinung der Körperlichkeit«. Dem folgt Geoff roy, Discours, S. 142, und S. 204, Anm. 102, wo er sich mit seiner Einfügung auf Hourani beruft. Campanini, Trattato, S. 86, und S. 144, Anm. 56, schlägt die Streichung von iÝtiqad vor. Mahdi / Butterworth, Treatise, S. 20, fügen dem Text nichts hinzu und streichen nichts. Dadurch wird aber der Satz syntaktisch problematisch. Fügt man hingegen (mit Gauthier, Traité, S. 19) ein bi im Text zu iÝtiqad hinzu, so ergibt sich ein Text mit der Übersetzung: »in der Überlegung über den Glau-

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ben der Körperlichkeit«. Der Ausdruck »Glaube der Körperlichkeit« wäre dann ganz allgemein im Sinn des Topos »Körperlichkeit / Räumlichkeit« zu verstehen. Mit jenen der ersten Stufe, die also eine Körperlichkeit Gottes annehmen, sind die Hanbaliten gemeint. Vgl. Manāhif, S. 60, Faith and Reason, S. 57. Die Gruppe der zweiten Stufe, also jener, die Gott zwar keine Körperlichkeit, wohl aber Räumlichkeit zuschreiben, wird von Averroes nicht mit bestimmten Vertretern in Verbindung gebracht. Es gab aber in Gruppen der Sūfīs tatsächlich Vorstellungen gnostischer Art, die Gott zwar keine Körperlichkeit zuschrieben, von ihm aber unendliche Räumlichkeit aussagten, nicht zuletzt, um die Allgegenwart Gottes verständlich und »fühlbar« zu machen. ²¹³ Der Ausdruck »dunkel« oder »mehrdeutig« (mutašabih) geht auf den Beginn des hier zitierten Koranverses zurück, wo vom Koran gesagt wird, daß es darin eindeutig bestimmte Verse und andere, mehrdeutige gibt. Vgl. Anm. 137. ²¹⁴ Zur Interpretation von Sure III , 7, vgl. § 14 und Anm. 137, und Entscheidende Abhandlung § 46. Die Behauptung, daß es Stellen im Koran gibt, deren Interpretation nur Gott kennt, für die es also keine menschlich zugängliche Interpretation gibt, ist jedoch für Averroes selbst etwas, das nur zum Glauben der Masse gehört. Wie aus der Fortsetzung der Textstelle bei Averroes hervorgeht, nimmt er für die Elite sehr wohl an, daß sie eine Interpretation vornehmen kann und soll. Faktisch schlägt Averroes vor, der Masse eine Lesung des Textes vorzulegen, die er nicht für richtig hält, hier wird also ganz einfach der äußere Sinn verändert, um die Masse nicht zu beunruhigen. Dies ist eine für den modernen Leser nicht akzeptable Taktik, wie auch Hourani, Harmony, S. 35 f. feststellt. Zeitgeschichtlich könnte man dies auch als Verheimlichung der wahren Überzeugung (taqiyya) vestehen, was in der islamischen Kultur unter bestimmten Umständen erlaubt war. Vgl. Anm. 197. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 66 f., möchte dies in diesem Fall zwar nicht annehmen, ganz von der Hand zu weisen ist diese Vermutung aber doch nicht, wie die etwas gewundenen Erklärungen von Lucchetta selbst zeigen. ²¹⁵ Zu »vielleicht« vgl. Anm. 40. ²¹⁶ Der Fachbegriff für »zukünftiges Leben (und seine Merkmale)« ist maÝad. Ibn Sīnā (Avicenna) hatte diesem heiklen Begriff

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eine eigene Untersuchung gewidmet, die Ar-risāla f ī l-maÝād (Epistola sulla vita futura), in der er sich auch ausführlich mit der Frage der Interpretation der entsprechenden koranischen Aussagen beschäftigt. Diese Schrift war nicht für ein allgemeines Publikum gedacht, sondern richtete sich an die Gelehrten. Es ist anzunehmen, daß sowohl al-Gazālī bei seiner diesbezüglichen Verurteilung als auch Averroes bei seiner Verteidigung der entsprechenden Interpretationen diese Schrift Ibn Sīnās kannte. ²¹⁷ Die Forderung ašÝaritischer Theologen, nur dann vom äußeren, wörtlichen Sinn durch eine Interpretation abzugehen, wenn durch einen Beweis nachgewiesen ist, daß dieser äußere Sinn unmöglich ist, ist bei einem geoffenbarten und somit autoritativen Text legitim. Ibn Sīnā wußte dies genau. Daher sagte er in der Epistola sulla vita futura, S. 122 f., ganz ausdrücklich, daß es durch eine beweishafte Erklärung (bayan burhani) nachgewiesen ist, daß es unmöglich ist (la mumkin), daß der Körper nach dem Tod in den Körper zurückkehrt. Der Grundgedanke Ibn Sīnās dabei ist – platonisch / neuplatonisch mit gnostischen Elementen –, daß die Seele eine selbständige geistige Substanz ist, für die der Körper nur ein Wohnort (mahall, maskin) ist, der der Seele wesentlich äußerlich bleibt (jarif ad-dat), ebd., S. 144. Das Ziel der Seele, ihre wahre und vollendete Glückseligkeit, besteht daher in der rein geistigen Gottesschau, vgl. ebd. S. 88 f. Für die vollkommen gereinigte Seele wäre daher die Rückkehr in einen Körper ein Hindernis für die vollendete Glückseligkeit und eine bleibende Verminderung derselben. Averroes kann einer solchen platonisierenden Seelenauffassung nicht zustimmen und vertritt demgegenüber die aristotelische Auffassung von der Seele als der Form des Körpers, wie es in seinem Kommentar zu De anima des Aristoteles deutlich wird. Es bleibt aber bestehen, daß eine klare Aussage darüber, daß die koranischen Vorstellungen einer jenseitigen körperlichen Belohnung bzw. Bestrafung in ihrem wörtlichen Sinn beweisbar unmöglich sind, wie sie sich bei Ibn Sīnā findet, bei Averroes keine Parallele hat. ²¹⁸ Das huwa nach al-sinf ist syntaktisch störend. Geoff roy, Discours, S. 144, streicht es. Es steht aber sowohl in der Handschrift des Escorial als auch in der der Biblioteca Nacional. Vgl. Hourani, Fasl, S. 21.

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²¹⁹ Bei den Sūfīs hatten sich praktisch zwei verschiedene Disziplinen herausgebildet. Die eine, die prinzipiell allen zugänglich war, war die auf philologischen und stilistischen Kenntnissen gegründete Interpretation des äußeren Sinnes (zahir) der Texte des Korans (tafsir), während die höhere Auslegung (taÞwil), d. h. die des inneren Sinnes (batin), den »Meistern« und selbstverständlich in erster Linie den Imāmen vorbehalten war, die diese Interpretationen ihren Schülern nur entsprechend deren Fortschritten im geistlichen Leben schrittweise mitteilten. Vgl. Art. TaÞwīl in EI² X, Sp. 391 b–392 a. Vgl. auch Art. Sūf ī im Anhang. ²²⁰ Die Kritik von Averroes ist nur zum Teil berechtigt, da sie die persönliche, intellektuelle und religiöse Entwicklung al-Gazālīs und somit auch die Chronologie seiner Werke nicht berücksichtigt. Vgl. Art. al-Gazālī im Anhang. Al-Gazālī beschäftigte sich vor seiner »Bekehrung« mit dem Kalām ašÝaritischer Prägung und wandte sich später der sūfīschen Mystik zu, wobei er sich deutlich vom Kalām absetzte und diesen sogar gelegentlich überhaupt verwarf. Allerdings hat sich al-Gazālī vom Kalām auch in dieser letzten Periode nicht ganz abgewandt. Vgl. Puig Montada 1992, S. 129. Vgl. auch G. Hourani, The Chronology of Ghazālīs Writings, in: Journal of the American Oriental Society 79 (1959), S. 225–233, und A Revised Chronology of Ghazālīs Writings, in: ebd. 104 (1984), S. 289–302. ²²¹ Streng genommen sind die drei Methoden zwar für alle Menschen zusammengenommen ausreichend, sie sind aber nicht alle drei allen Menschen muštarak, d. h. »gemeinsam«. Vgl. § 11 und § 40. ²²² Mit farc, d. h. »Pflicht«, ist in den meisten Rechtsschulen dasselbe gemeint wie mit wa g˘ib, vgl. zu letzerem Art. Fiqh im Anhang. ²²³ Zu dieser »Bücherstrategie« vgl. Einleitung 2.5. ²²⁴ Eine präzise Klassifikation der Schriften al-Gazālīs nach diesen drei Methoden dürfte allerdings kaum möglich sein. Al-Gazālī war sich aber sehr wohl bewußt, daß philosophische, durch Beweis herbeigeführte Interpretationen dem Volk nicht vorgelegt werden dürfen. Darauf macht er in der Tafriqa ausdrücklich aufmerksam: In den Fällen, wo die Möglichkeit zur Interpretation – und sei es nur als fernliegende Metapher – besteht, müssen wir uns mit einem

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apodiktischen Beweis befassen. Wenn er überzeugend ist, muß man ihm zustimmen. Aufgrund eines mangelhaften Verständnisses beim einfachen Volk kann bei Erklärung dieser Fälle ein Schaden entstehen. Eine solche Erklärung wäre dann eine Neuerung. (Al-Gazālī, Rechtgläubigkeit, S. 77)

Bei den Sunniten, so auch bei al-Gazālī, gab es aus Gründen der Verständnisgrenzen des Volkes Einschränkungen, Interpretationen in der Predigt zu verwenden, aber kein prinzipielles Verbot. Deshalb sind auch bei al-Gazālī die Grenzen der Interpretationen, die dem Volk mitgeteilt werden dürfen, nicht streng gezogen, was Averroes ihm dann zum Vorwurf macht. Das von Averroes geforderte rigorose Verbot ist tatsächlich der Praxis al-Gazālīs entgegengesetzt. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 59. ²²⁵ Der Ausdruck fasad ist koranischen Ursprungs und bezeichnet die völlige religiös-moralische Verdorbenheit. Dieser Gebrauch findet sich auch im Kalām, und Averroes verwendet fasad hier im § 35 vermutlich in diesem Sinn. Im Recht wird mit diesem Ausdruck die Ungültigkeit eines Rechtsaktes bezeichnet. Zum philosophisch kosmologischen Gebrauch, in dem fasad dem lat. corruptio entspricht, vgl. Anm. 166. ²²⁶ Der Leser könnte hier eher erwarten, daß Averroes folgendes sagt: »Al-Gazālī wollte die Anzahl der Leute der Wissenschaft vergrößern, in Wirklichkeit aber hat er nur die Zahl der Leute der Verwirrung vergrößert.« Gauthier, Traité, S. 21, hat entsprechend die Negation laysa gestrichen. Dasselbe tut Hourani, Fasl, S. 27, Anm. 250, obwohl die Negation sowohl in der Handschrift des Escorial als auch in der der Biblioteca Nacional steht. Dieser Streichung entspricht dann auch die Übersetzung in Hourani, Harmony, S. 61. Mahdi / Butterworth, Treatise, S. 21, lassen die Negation im Text stehen, ebenso Geoff roy, Discours, S. 146, vgl. auch ebd. S. 206, Anm. 108. Dies ist m. E. richtig. Averroes ist in seinem Urteil gerecht und vorsichtig und will sagen: Al-Gazālī hatte zwar eine gute Absicht, aber aufs Ganze gesehen ist die Zunahme der Anzahl der Leute der Verwirrung doch wesentlich größer als die Anzahl der wenigen, die er für die Wissenschaft gewinnen konnte. Dies stimmt auch mit dem überein, was Averroes im Manāhif über al-Gazālī sagt:

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Wenn man seine Wirkung untersucht, so wird klar, daß er beiden wesentlich schadet, nämlich Philosophie und Religion, und beiden nützt, aber bloß per accidens. (Manāhif, S. 72, Faith and Reason, S. 72)

²²⁷ Bei der dritten Gruppe geht es nicht um die Verbindung der beiden Formen des »Anschwärzens« oder »Schädigens« (so die Übersetzung von Müller, Harmonie, S. 18), sondern im Gegenteil um die Verbindung von Philosophie und islamischem Gesetz. Vgl. Hourani, Harmony, S. 107, Anm. 144, die Übersetzung ebd. S. 61, lautet daher: to reconcile the [first] two [groupes]. Dem folgen auch Geoff roy, Discours, S. 147, und Butterworth, Treatise, S. 22. ²²⁸ Der Ausdruck fitar (pl. von fitra) ist im vorliegenden Zusammenhang schwer übersetzbar. Er bedeutet ursprünglich »(natürliche) Veranlagung«. Vgl. Anm. 73. ²²⁹ Diesen Vorwurf wiederholt Averroes im Tahāfut : Er [d. h. al-Gazālī] behauptet, daß er in dem vorliegenden Buch [d. h. Tahāfut al-Falāsifa] keine bestimmte vorausgesetzte Lehre vertreten wollte, vielleicht deshalb, damit niemand meinen könnte, er verteidige die Lehren der AšÝariten. Aus anderen Büchern, die ihm zugeschrieben werden, geht aber hervor, daß er in der metaphysischen Wissenschaft bzw. in der göttlichen Wissenschaft auf die Philosophen zurückgreift. Wie offenkundig und wahr dies ist, geht aus seinem Buch Die Nische der Lichter hervor. (Tahāfut, S. 117, Incoherence of the Incoherence, S. 69, übers. v. F. S.)

Das Problem war allerdings al-Gazālī selbst durchaus bewußt. In seinem Buch Das Kriterium des Handelns sagt er ganz am Ende dieser Schrift: Vielleicht könntest du einwenden: Deine Rede in diesem Buch teile sich in eine, die mit der Lehrmeinung der Sūfī, und eine (andere), die mit derjenigen der Zāhirīten, der AšÝarīten und einiger (islamischer) Scholastiker übereinstimmt. Die Rede ist nur dann verständlich, wenn sie sich auf eine einzige Lehrmeinung stützt. Was ist das Wahre innerhalb dieser Lehrmeinungen? […] Die Lehrmeinung ist ein Oberbegriff für drei Bedeutungen: a) Etwas, wofür man im Wettstreit und in Streigesprächen Partei ergreift; b) das, was

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man durch Unterricht und Ermahnung befolgt; c) das, was man an Lehrsätzen, die einem einleuchten, in seinem Inneren glaubt. (Das Kriterium des Handelns, S. 236)

Nach al-Gazālī bezieht sich nur a) auf die Lehrmeinungen der verschiedenen Schulen, b) hängt von den Fähigkeiten des Ratsuchenden ab, und für c) gilt: Die Lehrmeinung in der dritten Bedeutung ist das, was der Mensch glaubt und als Geheimnis zwischen sich und dem allmächtigen und erhabenen Gott bewahrt in der Weise, daß kein anderer als der erhabene Gott davon Kenntnis hat und daß er die Lehrmeinung nur vor einem Gleichgesinnten erwähnt, der genauso wie er davon Kenntnis hat oder eine Stufe erlangt, die ihm ermöglicht, diese Lehrmeinung zu erfahren und zu verstehen. (Das Kriterium des Handelns, S. 237)

Auf welcher Bedeutungsebene al-Gazālī jeweils spricht, wird damit aber noch nicht entschieden, und somit bleibt vom Standpunkt der von Averroes geforderten methodologischen Trennung der Schriften und der jeweiligen Zuordnung einer derselben zu einer bestimmen Lesergruppe der gegen al-Gazālī erhobene Vorwurf bestehen. Faktisch war allerdings diese »Schwäche« einer der Gründe der weiten Verbreitung der Schriften al-Gazālīs, da eben jeder sich darin irgendwie wiederfinden konnte, der engstirnigste Jurist ebenso wie der abgehoben in seiner Symbolwelt lebende Sūfī und alle, die sich irgendwo dazwischen befanden. Es gibt durchaus gute Gründe dafür, die »offene« Strategie al-Gazālīs zu unterstützen und die »enge« Strategie des Averroes in Frage zu stellen. Vgl. Einleitung 2.5. ²³⁰ Der Vers stammt von ÝImrān ibn Hittan, einem Dichter aus dem 7. Jhd. Der Vers wird von al-Mubarrad in Al-Kāmil zitiert, hrsg. v. M. A. ÞIbrāhim, Kairo o. J., III , S. 170 (Angabe übernommen aus Geoff roy, Discours, S. 207, Anm. 111). ²³¹ Die schon in der griechischen Philosophie häufig aufgezählten Voraussetzungen erfolgreicher intellektueller Tätigkeit sind: gute natürliche Voraussetzungen, sittliche Rechtschaffenheit und ein geordnetes, durch kompetente Lehrer geleitetes Studium. Vgl. die Voraussetzungen des idealen Philosophen-Herrschers bei al-Fārābī, De scientiis, S. 123.

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²³² Das Verb zalama und das entsprechende Substantiv zulm, d. h. »Unrecht«, sind Ausdrücke, die im Koran sehr häufig verwendet werden. Sie stellen eine der wichtigsten negativen Bewertungen in der Sprache des Korans dar. Der Gegenbegriff zu zulm ist Ýadl, vgl. die folgende Anm. Der Anwendungsbereich dieser Ausdrücke in der islamischen Theologie, in der Ethik und im Recht ist sehr weit. Für zulm sind die schärfsten Strafen im Jenseits vorgesehen. In diesem Zusammenhang konnten die islamischen Theologen nicht die Frage der Zurechenbarkeit von Unrecht und Ungerechtigkeit vermeiden, d. h. hier stellte sich die Frage der Theodizee. Vgl. dazu Art. Iitiyār im Anhang. ²³³ Der Ausdruck Ýadl, d. h. »Gerechtigkeit«, ist koranischen Ursprungs, vgl. z. B.: »Wenn du aber (als Schiedsrichter strittiger Fragen) entscheidest, dann entscheide unter ihnen nach (Recht) und Gerechtigkeit. Gott liebt die, die gerecht handeln.« (Sure V, 42). ÝAdl ist ein Fachbegriff sowohl in der Theologie als auch im Recht. Vgl. auch Anm. 74. ²³⁴ Der koranische Vorwurf, Gott andere Götter beizugesellen richtet sich häufig gegen die christliche Trinitätslehre. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 59. ²³⁵ Averroes verwendet hier den Ausdruck Þahkam (Pl. von hukm), der der Fachbegriff für Rechtsentscheidungen und Rechtsbewertungen ist. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. Es geht hier also um das Ergebnis der bisherigen juridischen Untersuchung und die sich daraus ergebende Rechtsbewertung der philosophischen Interpretation, nicht um Regeln der Interpretation, so wie etwa im § 14 von qanun im Sinne einer Interpretationsregel im Arabischen die Rede ist. ²³⁶ Mit šarif (Pl. Þašraf) als Substantiv verwendet wurden schon im vorislamischen Arabisch herausragende Persönlichkeiten bezeichnet, also vor allem Stammeshäupter, eine Verwendung, die auch später erhalten blieb. Im islamischen Bereich wurden damit in erster Linie die zur Linie des Propheten gehörigen Personen bezeichnet, dann aber überhaupt Angehörige alter arabischer Familien. Vgl. EI² IX , Sp. 329 b–332 a. Auch das Adjektiv šarif hat daher eine religiöse Konnotation im Sinne von »verehrungswürdig«. ²³⁷ Der Ausdruck imtival bezeichnet die von Gott geforderte gesetzentsprechende Gehorsamsleitung, ganz parallel bezeichnet das

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folgende tafannub das gesetzentsprechende Vermeiden einer Handlung. ²³⁸ Im Unterschied zur »normalen« muslimischen Glaubensauffassung faßte Averroes, wie die MuÝtaziliten und die islamischen Philosophen, das jenseitige Glück und das jenseitige Elend nicht als göttliche Belohnung bzw. Bestrafung auf, sondern einfach als Folge der Handlungen. Das von Averroes verwendete Verb Þafida bedeutet aber ganz allgemein »nützlich sein für etwas«, läßt also die verschiedensten Interpretationen offen. Zu »Glückseligkeit« vgl. Art. SaÝāda im Anhang. ²³⁹ Die Satzkonstruktion im arab. Text mit huwa (maskulin) usw. ist nicht ganz korrekt, da eigentlich hiya (feminin) zu erwarten wäre. Geoff roy, Discours, S. 150, korrigiert entsprechend zu den Femininformen. Sowohl in der Handschrift Escorial als auch in der der Biblioteca Nacional findet sich aber die Maskulinkonstruktion. Hourani, Fasl, S. 29, beläßt diese Konstruktion und erklärt sie in der Anm. als Prädikatattraktion, d. h. bezogen auf das folgende Subjekt Ýilm. ²⁴⁰ Bei der Bewertung von Erlaubtheit oder Verbotensein einer Handlung waren für die islamischen Rechtsgelehrten die äußeren, eindeutig sichtbaren und überprüfbaren Handlungen maßgeblich. Vgl. Art. Fiqh im Anhang. ²⁴¹ Vgl. Art ÞAilāq im Anhang. ²⁴² Die Bedeutung des Ausdrucks zuhd entspricht ziemlich genau der von »Askese«. Gemeint sind damit eigentlich immer sowohl äußere Handlungen (äußere Abtötung) als auch innere Haltungen. Tatsächlich aber haben (so wie im christlichen Bereich) die äußeren – und oft spektakulären – Handlungen der Asketen das besondere Interesse der Gläubigen und der Schriftsteller hervorgerufen, wie aus zahlreichen Biographien von (islamischen wie auch christlichen) Heiligen hervorgeht. Die Anzahl der Schriften, die sich ausschließlich mit zuhd befassen, ist sehr groß. An vielen Stellen des Hadiu ist eher von Zurückhaltung und Mäßigung bei solchen asketischen Praktiken zu hören und Ähnliches gilt für viele Äußerungen späterer Gelehrter. Wirklichen Erfolg hatte dies aber kaum. Die Beschäftigung mit zuhd ist auch keineswegs auf die Sūfīs beschränkt, sondern gilt allgemein als wichtiges Element

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des religiösen Lebens jeden Muslims. Im Laufe der Entwicklung wurde zuhd vor allem als das Eingangsstadium, als die erste Stufe des Weges zu höherer Erleuchtung angesehen. Vgl. Art. Zuhd in EI² XI , Sp. 559 b–562 a. ²⁴³ Averroes kehrt hier die Reihenfolge seiner vorher angeführten Aufzählung um. Vgl. Hourani, Harmony, S. 108, Anm. 152. Der Sinn ist jedoch eindeutig: Die praktische Wissenschaft hat zwei Teile: (1) das Recht, (2) die Asketik. Die meisten Menschen haben sich nach der Auffassung al-Gazālīs ganz auf das Recht konzentriert und die Asketik vernachlässigt, obwohl diese letzere wichtiger ist. Averroes stimmt mit dieser Einschätzung al-Gazālīs überein. ²⁴⁴ Mit dem Ausdruck taqwa, der von der Wortwurzel her »Gottesfurcht« bedeutet, wird in erster Linie die innere Dimension des Glaubens (iman) angesprochen im Unterschied zu den äußeren rituellen Handlungen. Vgl. Art. Taqwā in EI² Suppl. 781 b–785 a. ²⁴⁵ IhyāÞ Ýulūm ad-dīn, 4 Bde., Kairo 1915. (Dieses Werk liegt bisher in keiner Übersetzung in eine westliche Sprache vor.) Dies ist das Hauptwerk al-Gazālīs, das auch in al-Andalus sehr einflußreich war. Vgl. Art. Al-Gazālī im Anhang. Der Ausdruck din, den al-Gazālī im Buchtitel für »Religion« gebraucht, ist nie zu einem genau definierten theologischen Fachbegriff geworden, läßt also einen ziemlich breiten Bedeutungsspielraum offen. Vgl. EI² II , Sp. 293 b–296 a. Din wird eher – aber eben auch nicht ausschließlich – für die Religion des Islam gebraucht, während milla allgemeiner ist und häufig auch auf andere Religionen angewendet wird. Vgl. dazu EI² VII , Sp. 61 a–64 a. Averroes verwendet milla im § 4 und § 6 der Entscheidenden Abhandlung und spezifiziert dort entsprechend durch »diese Religion« bzw. »unsere Religion«. ²⁴⁶ Zu »Begriffsbildung« und »Zustimmung« vgl. Art. Tasawwur im Anhang. ²⁴⁷ Hourani, Harmony, S. 63, und S. 109, Anm. 155, faßt an dieser Stelle kalam im Sinne von mantiq, d. h. von »Logik« auf, so daß sich die Übersetzung logicians ergibt. Dem folgt Geoff roy, Discours, S. 151, und S. 209, Anm. 121, und ebenso Campanini, Trattato, S. 95. Die Ausdrücke kalam und mantiq sind aber in wissenschaftlichen Kontexten doch ziemlich festgelegt, den einen Ausdruck für den anderen zu nehmen, ist m. E. weder korrekt noch auch erforderlich. Auch

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Butterworth, Treatise, S. 24, bleibt am Text orientiert und übersetzt mit dialectical theology. ²⁴⁸ Die beiden Ausdrücke »die Sache selbst« (aš-šai nafsuhu) und »Bild« (mival) können nicht direkt aus dem Kontext heraus erklärt werden. Wolfson 1973, S. 480 f., gibt den Hinweis, daß der Hintergrund dieser beiden Begriffe in einer auch bei al-Fārābī und al-Gazālī verwendeten weiteren Unterscheidung von tasawwur zu suchen ist. Bei al-Fārābī lesen wir (ich ersetze im Zitat »Vorstellung« durch »Begriffsbildung«): Zu den Begriffsbildungen, die nur durch eine andere voraufgegangene Begriffsbildung vollendet werden, gehört z. B., daß man unmöglich den Begriff »Körper« bilden kann, ohne vorher die Begriffe von »Länge«, »Breite« und »Tiefe« zu haben. Wenn nun auch eine Begriffsbildung einer anderen ihr vorhergehenden bedarf, so ist das doch nicht bei jeder Begriffsbildung nötig, vielmehr muß man zuletzt zu einer Begriffsbildung gelangen, die feststeht, ohne daß eine ihr voraufgehende Begriffsbildung damit verbunden würde. Dies gilt vom »Sein«, dem »Notwendigen« und dem »Möglichen«. Diese Begriffsbildungen verlangen nicht, daß man sich vor ihnen noch etwas, was sie mit umfaßt, denken müsse. Vielmehr sind diese Drei klare, richtige, dem Verstand angeborene Begriffe. Erstrebt nun jemand, diese Begriffe durch Worte klarzumachen, so ist dies nur eine Anregung für den Verstand, jedoch kann man sie nicht durch Etwas, was klarer als sie selbst wäre, deutlich machen. (Al-Fārābī, Hauptfragen, S. 92 f.)

Damit ist zwar der Ausdruck »die Sache selbst« für die erste Art so etwa erklärt, nicht aber die Verwendung von mival, also »Bild« für die zweite Art. Wolfson 1973, S. 481, verweist darauf, daß mival dem griech. eikôn entspricht und dieser Ausdruck bei Plato für Begriffe sinnlich wahrnehmbarer Dinge verwendet wird (die ja immer durch zusammengesetzte Begriffe beschrieben werden). Ganz überzeugt diese Lösung allerdings auch nicht. Vielleicht ist es weiterführend, auf den in Art. Tasawwur im Anhang erwähnten Text al-Fārābis, Kitāb al-Alfāz § 41, S. 87, zurückzugreifen, wo unter den Verfahren der Unterweisung auch mival aufgeführt wird, das man in diesem

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Kontext am ehesten durch das durch den Lehrer beigebrachte »Beispiel« wiedergeben könnte. Man käme dann in die Nähe dessen, was im Zitat weiter oben aus al-Fārābīs Hauptfragen als »Anregung für den Verstand« angesprochen wurde. Man könnte dann (sehr versuchsweise) den Zusammenhang in folgender Weise rekonstruieren: Eine Begriffsbildung (tasawwur ) kommt zustande entweder durch eigene Bildung des Begriffs (aš-šai nafsuhu) oder mit Hilfe eines Beispiels (mival), also einer Exemplifizierung des Begriffs durch einen Lehrer. – Möglicherweise könnte auch die Unterscheidung in »wesentliche / an und für sich« und »bildhafte« Erkenntnis herangezogen werden, die sowohl bei al-Gazālī wie auch bei Averroes Verwendung findet. Vgl. dazu Anm. 203. ²⁴⁹ Butterworth 1972 a, S. 195, verweist darauf, daß Averroes im Mittleren Kommentar zur Rhetorik den Unterschied zwischen Dialektik und Rhetorik nicht darin sieht, daß diese sich an verschiedene Menschengruppen wenden, sondern darin, daß sich dialektische Argumente eher an einen einzelnen Menschen richten, während rhetorische Argumente sich an große Menschengruppen richten. Dies entspricht der üblichen Sicht des Averroes, der ja die dialektischen Argumente – wenn er solche überhaupt zuläßt – auf die einzelnen Mitglieder der islamischen Theologen beschränken will, und er für die Menge nur rhetorische Argumente verwendet wissen will. ²⁵⁰ Zu Ýinaya, d. h. »Fürsorge« vgl. Art. ÝInāya im Anhang. ²⁵¹ Die folgende Einteilung ist eine, die Averroes bisher nicht verwendet hat. Das Einteilungsprinzip ist dabei die Qualifikation der Prämissen und Schlußfolgerungen, wobei die dialektischen und rhetorischen Sätze in eins gefaßt werden. Dieses Einteilungsprinzip wird dann mit dem der Interpretation kombiniert. Das Schema ist zwar logisch klar (vgl. de Libera 1996, S. 48 f.), ist aber mangels an Beispielen nicht sonderlich hilfreich, wie auch Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 64, feststellt. Averroes arbeitet hier mit zwei Unterscheidungen: (1) die Prämissen können sicher oder nicht sicher sein, (2) die Schlußsätze können die Sache selbst zum Ausdruck bringen oder können Bilder derselben sein. Sowohl bei (1) wie auch bei (2) besteht jedoch das Problem genau darin, nach welchen Kriterien Aussagen des Korans entsprechend diesen Kategorien identifiziert werden können. Vermutlich führt die hier verwendete Terminolo-

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gie auch nicht weiter als die klassische Unterscheidung von »eindeutigen« (muhkamat) und »dunklen / mehrdeutigen« (mutašabihat) Versen. Vgl. Anm. 137 und Art. TāÞwīl im Anhang. ²⁵² Averroes verwendet hier das Verb Ýaraca, und von derselben Wortwurzel wird auch Ýarac abgeleitet, das der philosophische Fachbegriff für »Akzidenz« ist. Es soll also zum Ausdruck gebracht werden, daß das Ergebnis dieser Methode Aussagen sind, die zwar sicher sind, dies aber nur in akzidenteller Weise, d. h. nicht aufgrund der Methode, die zu diesem Ergebnis geführt hat. Hourani, Harmony, S. 64, übersetzt Ýaraca mit are accidentally, ähnlich Geoff roy, Discours, S. 153, mit sont accidentellement, Butterworth, Treatise, S. 24 f., übersetzt mit happen to be. ²⁵³ Dem Ausdruck mašhur entspricht das éndoxos, d. h. »allgemein bekannt« oder »allgemein anerkannt«, der aristotelischen Erkenntnislehre und der logischen Qualifikation der Prämissen in der Topik. Vgl. z. B. al-Fārābī, De scientiis, S. 45–47. Im Kurzen Kommentar zur Topik (Three Short Commentaries, arab. S. 158 f., engl. S. 51) unterscheidet Averroes verschiedene Gruppen, mit Bezug auf die etwas als »allgemein bekannt« gelten kann: (a) bei allen, (b) bei den meisten, ohne daß bei den übrigen dabei Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind, (c) bei allen oder den meisten der Gelehrten (ÝulamaÞ), (d) bei den Fachleute einer bestimmten Kunst (z. B. der Medizin). Zu mašhur und maznun vgl. auch Art. RaÞy im Anhang. ²⁵⁴ Zu »Pflicht« vgl. Anm. 222. ²⁵⁵ Zu dalil, d. h. »Hinweis« vgl. Anm. 15. ²⁵⁶ Mit ÞiqnaÝ, d. h. der Überredung mit Überzeugungskraft, um eine Zustimmung (tasdiq) hervorzurufen, ist die zentrale Aufgabe der Rhetorik angesprochen. Averroes verwendet diesen Begriff und den fast gleichbedeutenden Ausdruck qanaÝa im Kurzen Kommentar zur Rhetorik auf jeder Seite. Vgl. Averroes, Three Short Commentaries, arab. S. 169–199, engl. S. 63–78. ²⁵⁷ Averroes gebraucht hier »Menge« im Sinn von allen, die nicht zur »Elite« gehören. Die Gruppe, von der hier gesprochen wird, ist nicht das Volk im allgemeinen, sondern die Gruppe der dialektischen Theologen (vgl. im § 44 die zweite Art von Menschen). Vgl. Hourani, Harmony, S. 111, Anm. 162. Zur Einordnung der dialektischen Theologen unter die »Menge« vgl. Einleitung 2.5.

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²⁵⁸ Vgl. Art. AšÝariten und MuÝtaziliten im Anhang. ²⁵⁹ Zu den drei Arten von Menschen vgl. Einleitung 2.4 und 2.5. ²⁶⁰ Hinter der Unterscheidung »Natur« (tabÝ) – »Gewohnheit« (Ýada), bzw. im folgenden Satz »Kunst« (sinaÝa), steht letztlich die aus der griechischen sophistischen Tradition stammende Unterscheidung von »Natur« (phýsis) und »Setzung« (thésis), die in einem weiteren Sinn auch als die von »Natur« und »Kultur« verstanden werden kann. Diese uns selbstverständlich erscheinende Unterscheidung war in der islamischen Kultur keineswegs so selbstverständlich, wie sich in der Auseinandersetzung zwischen MuÝtaziliten und AšÝariten zeigte (vgl. die entsprechenden Art. im Anhang), da bei den letzeren eine Unterscheidung zwischen Naturordnung und Gesetzesordnung innerhalb der göttlichen, überall unmittelbar wirksamen Ursächlichkeit aufgehoben bzw. von Anfang an nicht anerkannt wurde. Was dem Menschen als Naturordnung erscheint, ist in Wirklichkeit nichts anderes als die »Gewohnheit« der göttlichen Setzung. Vgl. Nagel 2001, S. 259, und weiter unten Anm. 282. ²⁶¹ Zu »Kunst der Philosophie« vgl. Anm. 58. ²⁶² Die Reihenfolge aktives und passives Partizip ist nach den Handschriften nicht eindeutig. Vgl. Hourani, Fasl, S. 33, Anm. 315. Butterworth / Mahdi folgen der Lesung der Bibliotea Nacional, woraus sich die im Text angegebene Übersetzung ergibt. Geoff roy, Discours, S. 156, folgt der Lesung der Handschrift aus dem Escorial, nach der sich die umgekehrte Reihenfolge, also passiv und aktiv, ergibt, so daß die dt. Übersetzung lauten müßte: »so führt sie den, dem sie dargelegt wird ebenso wie den, der sie darlegt, zum Unglauben.« Diese Lesung ist eigentlich besser, denn sie besagt, daß nicht nur der, dem die Interpretation zu Unrecht vorgelegt wird, zu einem Ungläubigen wird, sondern auch der Urheber selbst zum Ungläubigen wird. ²⁶³ Wörtliche Übersetzung: »Und niemand außer Gott kennt seine Interpretation.« Zu der problematischen Anwendung dieser Lesart der Koranstelle durch Averroes und zu den »dunklen Versen« vgl. Anm. 137. ²⁶⁴ In der Übersetzung Parets steht für Þamr anstelle von »Befehl« der Ausdruck »Logos«. »Befehl« entspricht der üblichen Wortbedeutung, wie auch Paret in seinem Kommentar zu Sure II , 109, fest-

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stellt. Diese Koranstelle wird entweder auf die Seele oder auf den Engel Gabriel als den Überbringer des Korans bezogen. An anderer Stelle erläutert Averroes kurz die Problematik dieser Koranstelle, die er auf die Seele bezieht: […] die Feststellung der Demonstration der Existenz eines für sich bestehenden Wesens, das nicht Körper ist, fällt für die große Menge schwer. (Manāhif, S. 63, Faith and Reason, S. 60)

Diese Koranstelle gehört also nach Averroes zu den »dunklen« oder »zweideutigen« Versen. ²⁶⁵ Bei dieser ironisch gemeinten Verwendung von hikma legt sich im Deutschen der Ausdruck »Weisheit« eher nahe als »Philosophie«. ²⁶⁶ Mit iÝtiqad wird eine feste Überzeugung bezeichnet. Diese muß aber nicht unbedingt religiöser Art sein, sie kann auch z. B. auf Wissenschaft (Ýilm) gegründet sein. Vgl. EI² IV , Sp. 279 a–b. Vgl. auch Anm. 82. Eine Überzeugung, also iÝtiqad, kann auch falsch sein. Vgl. § 47. ²⁶⁷ Mit »Gesetzgeber« (šariÝ) meint Averroes im vorliegenden Zusammenhang vermutlich nicht Gott, sondern den Propheten. Vgl. das Vorwort zum Manāhif : Ich beginne mit der Bestimmung dessen, wovon der Gesetzgeber wollte, daß es die große Menge in bezug auf Gott glauben soll, und der Methode, welche er im Koran hierbei angewendet wissen will. (Manāhif, S. 28, Faith and Reason, S. 17 f.)

N. B. in der Übersetzung Müllers fehlt nach »Gesetzgeber« das im Text des Manāhif stehende Eulogion »der Segen und Friede Gottes sei mit ihm«. Vgl. Faith and Reason, S. 18. Dieses Eulogion wird nur für Muhammad verwendet. Vgl. Art. Tasliya in EI² X, Sp. 358 b–359 a. ²⁶⁸ Zu Averroes als Arzt vgl. Einleitung 1.2. ²⁶⁹ Gauthier, Traité, S. 27, und Geoff roy, Discours, S. 160, haben anstelle von tahada die Lesung tasadda, also »gegenübertreten«, der Sinn des Satzes ist aber in beiden Lesungen ziemlich gleich, da tahada »den Weg zu etwas finden« oder »auf etwas verfallen« bedeutet.

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²⁷⁰ Es ist auffällig, daß Averroes hier für »sich daranmachen / beginnen« das Verb šaraÝa verwendet, von dem auch aš-šarÝ bzw. aššariÝa, also das islamische Gesetz, abgeleitet ist. Möglicherweise will er damit ausdrücken, daß der, der sich an die Abschaffung oder Interpretation der Vorschriften macht, sich die Rolle des religiösen Gesetzgebers, also des Propheten, anmaßt. ²⁷¹ Wesentlich ausführlicher legt Averroes diesen Vergleich dar in Manāhif, S. 69 f., Faith and Reason, S. 67 f. ²⁷² Zu hal, d. h. »Zustand« vgl. Anm. 133. ²⁷³ Der Vergleich der Tätigkeit des Gesetzgebers mit der des Arztes ist ein Topos, der in der arabischen und jüdischen Philosophie des Mittelalters häufig verwendet wurde. Averroes war ohne Zweifel die Verwendung dieses Vergleichs z. B. durch al-Fārābī bekannt. Vgl. al-Fārābī, De scientiis, S. 117, und Book of Religion, S. 104. ²⁷⁴ Zu taqwa vgl. Anm. 244. ²⁷⁵ Müller, Harmonie, S. 25, übersetzt amana mit depositum, ganz ähnlich Geoff roy, Discours, S. 163, mit dépôt, und Butterworth, Treatise, S. 29, mit deposit. Dies entspricht in etwa dem in der christlichen Theologie bekannten lat. depositum fidei, also dem »Glaubensgut«. Dies steht in der Nähe von »Gut (des Heils)«, wie die im Text gleich folgende Übersetzung des Koranverses durch Paret lautet. Die Übersetzung ist allerdings nicht sicher. Paret erklärt in seinem Kommentar zum Koran, S. 402 f., daß auch die Übersetzung »Gut des Lebens« möglich ist (also viel neutraler). A. Schimmel sagt in der Übersetzung des Korans von M. Henning, Stuttgart 1996, S. 408, in der Anmerkung zur Stelle, daß dieses »Gut« von den Kommentatoren verschieden aufgefaßt wird (Glaube, Religionsgesetz, das Leben mit Geburt und Tod u. a.). Beachtenswert ist auch, daß das depositum von den ŠīÝiten als die Gnosis, d. h. die höhere Interpretation (batin) angesehen wurde, die nur den »Erleuchteten«, in erster Linie selbstverständlich dem šīÝitischen Imām und seinen engen Vertrauten zugänglich ist. Averroes setzt dann an die Stelle des Imāms den Philosophen, und an die Stelle der šīÝitischen Gnosis die Philosophie. Vgl. Lucchetta, Accordo, Einleitung, S. 68. Die Meinung des Averroes, daß durch diesen Koranvers festgelegt sei, daß die Interpretationen nicht der Menge dargelegt werden dürfen, ist allerdings ziemlich fraglich. Vgl. Hourani, Harmony, S. 113, Anm. 182.

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²⁷⁶ Die Fortsetzung des Verses lautet: »Sie aber weigerten sich, es auf sich zu nehmen, und hatten Angst davor. Doch der Mensch nahm es (ohne Bedenken) auf sich. Er ist ja wirklich frevelhaft und töricht.« ²⁷⁷ Vgl. Art. Hadīu im Anhang. ²⁷⁸ Vgl. Art. MuÝtaziliten und AšÝariten im Anhang. ²⁷⁹ Die Sektenbildung ist allerdings schon älter als das Auftreten der MuÝtaziliten und AšÝariten. ²⁸⁰ Sophistisch ist nach Aristoteles u. a. ein Argument, in dem aus Sätzen geschlossen wird, die wahrscheinlich scheinen, es aber in Wirklichkeit nicht sind. Vgl. Aristoteles, Sophistische Widerlegungen 2, 165 b 7–8. Wie sofort aus dem im Text des Averroes folgenden Satz hervorgeht, geht es Averroes in der Auseinandersetzung mit den AšÝariten auch nicht um die Form der Beweise, sondern um die metaphysischen Prämissen, die in den Beweisen verwendet werden. Letzlich sind diese Ausgangssätze in der Einschätzung des Averroes aber sogar nicht einmal sophistisch, da sie nicht auf Sätzen aufbauen, die als wahrscheinlich im Sinne von »allgemein anerkannt« (griech. endóxon, arab. mašhur) bezeichnet werden können. ²⁸¹ Der Vorwurf, mit sophistischen Argumenten zu arbeiten, wurde gegen AšÝariten, ŠāfiÝiten und Hanafiten nicht nur von Averroes, sondern auch von dem sehr traditionsbewußten Ibn Hazm erhoben. Vgl. Nagel 2001, S. 232 f. Vgl. auch Art. Ibn Hazm im Anhang. ²⁸² Mit den »Mittleren« (wasaÞit, Pl. von wasita) sind die Sekundärursachen gemeint. Vgl. dazu auch Incoherence of the Incoherence, S. 144, wo sich Averroes für deren Annahme auf die Sinneserfahrung beruft. Der Diskussion um die Annahme von Zweitursachen (so Aristoteles und Averroes) oder der Annahme einer einzigen, göttlichen Ursache (so die AšÝariten) kommt eine für die Metaphysik zentrale Rolle zu. In der Darstellung des Averroes in der Entscheidenden Abhandlung bleibt jedoch die eigentliche, letztlich nicht metapysische, sondern theologische »Wurzel« der ašÝaritischen Metaphysik unausgesprochen. Im Manāhif hat Averroes dann diesen theologischen Hintergrund sehr deutlich ausgesprochen: Die Scholastiker unter den AšÝariten hat zu dieser Ansicht die Flucht vor der Behauptung der natürlichen Kräfte geführt, wel-

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che Gott mit den vorhandenen Dingen verbunden hat, wie er mit ihnen die Seelen und andere einflußreiche [besser: wirkende] Ursachen verbunden hat. Sie fl iehen aber vor der Behauptung dieser Ursachen aus Furcht, es möchte sich daran die Behauptung schließen, daß es wirkende Ursachen mit Ausschluß Gottes gebe. (Manāhif, S. 88, Faith and Reason, S. 87)

Die gesamte Metaphysik der AšÝariten ist bis in alle Einzelheiten von deren Gottesbegriff her bestimmt. Es ist für die AšÝariten zentral, Gott als einzige – und immer und überall direkt und unmittelbar wirkende – Ursache von allem anzusehen, da sie der Überzeugung sind, daß sich die Forderung dieser Grundvoraussetzung vom muslimischen Glauben her unabdingbar ergibt. Und um diese Grundvoraussetzung festhalten zu können, entwickelten sie eine Form des »Atomismus«, der daher authentisch arabisch-islamisch ist und, soweit die Forschung bisher reicht, weder aus der griechischen noch auch aus der indischen Philosophie übernommen ist. Vgl. Haq 1996, S. 54 f. Zum Atomismus der AšÝariten vgl. auch Corbin 1986, S. 178 f. Gegenüber Gott als der Alleinursache muß die gesamte Weltwirklichkeit in Einzelteile zerfallen, die für sich ohne die göttliche Ursache keinen Bestand haben (daß dies schlechterdings nichts mit dem Atomismus eines Demokrit zu tun hat, ist evident). Daher wird dann auch eine Unterscheidung wie die in (bleibende) Substanzen und (vorübergehende) Akzidenzien hinfällig. Und ebenso wird eine regelmäßige Abfolge von Ereignissen zu etwas rein Zufälligem, das nur durch den jeweils wirkenden göttlichen Willen in diese Reihenfolge gebracht wird und nur wegen der »Gewohnheit« des göttlichen Willens den Menschen als Regelmäßigkeit erscheint. Der Grund dieser »Gewohnheit« liegt im Wohlwollen Gottes gegenüber den Menschen. Also wird der Begriff einer innerweltlichen Kausalität hinfällig. Averroes hat diese ašÝaritische Metaphysik im Manāhif, S. 84–89, Faith and Reason, S. 83–88, näher dargestellt. Es muß nochmals betont werden, daß das, was Averroes hier in der Entscheidenden Abhandlung beinahe in einer Nebenbemerkung festellt, der eigentliche Graben ist, der Averroes von den AšÝariten und von al-Gazālī trennt. Die gesamte Argumentation des Averroes in der Entscheidenden Abhandlung gilt eben nur un-

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ter seinen aristotelisch-metaphysischen Voraussetzungen, hat aber unter ašÝaritisch-metaphysischen Voraussetzungen überhaupt keine Grundlage. Vgl. auch Art. ÝInāya im Anhang. Man darf sich allerdings auch die AšÝariten nicht als einen monolithischen Block vorstellen, die eben dargestellte Auffassung wurde deutlich z. B. von alFuwainī und al-Gazālī vertreten, der Atomismus wurde aber z. B. von dem sehr bedeutenden ašÝaritischen Theologen Fair ad-dīn ar-Rāzī (1149–1210) nicht vertreten. Allerdings wurde dieser wegen seiner aristotelischen Voraussetzungen auch angegriffen. ²⁸³ Averroes verwendet hier für »Schöpfer« in signifikanter Weise den Ausdruck al-bariÞ, da er den von ihm selbst im § 2 und § 8 gebrauchten Ausdruck as-saniÝ, der an das Handwerksmodell mit seiner Implikation einer teleologischen Weltordnung gebunden ist, im Zusammenhang der Metaphysik der AšÝariten selbstverständlich nicht verwenden darf. Vgl. Anm. 16. Und da es hier um eine Form rationaler Gotteserkenntnis geht, vermeidet er auch den an den religiösen Kontext gebundenen Ausdruck al-jallaq für »Schöpfer«. Vgl. Anm. 170. ²⁸⁴ Der rationale Weg der Gotteserkenntnis, den die AšÝariten als den einzig möglichen anerkennen, schließt sich unmittelbar und logisch durchaus konsequent an den in Anm. 282 genannten Atomismus an. Averroes faßt diesen Weg kurz zusammen: Die AšÝariten haben die Ansicht, daß das Fürwahrhalten der Existenz Gottes bloß durch den Verstand stattfindet. […] Ihre gewöhnliche Methode gründet sich auf die Auseinandersetzung, daß die Welt entstanden sei, und das Entstandensein der Welt gründet sich bei ihnen auf die Theorie, daß die Körper aus unteilbaren Teilen zusammengesetzt und daß der nicht weiter teilbare Teil entstanden sei und die Körper also infolge hiervon auch entstanden seien. (Manāhif, S. 29, Faith and Reason, S. 19)

²⁸⁵ Averroes nimmt hier eine Formulierung Ibn Tūmarts auf. Vgl. Geoff roy 1999, S. 36. Zu Ibn Tūmart vgl. Art. Almohaden im Anhang. Es war die Absicht Ibn Tūmarts über diese Gegenüberstellung von Vernunftüberlegung und Glaube hinauszugelangen. Vgl. Geoff roy 1999, S. 38–40. ²⁸⁶ Denselben Vorwurf erhebt Averroes im Manāhif :

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Sie wenden hierbei Methoden an, welche nicht die religiösen Methoden sind, auf welche Gott aufmerksam gemacht und von denen aus er die Menschen an ihn zu glauben berufen hat. (Manāhif, S. 29, Faith and Reason, S. 19)

Zu den nach Averroes religiösen Methoden und dem dem Koran entsprechenden Weg der Gotteserkenntnis vgl. im Text § 2 und § 60. Vgl. auch Einleitung 2.4 und Art. ÝInāya im Anhang. ²⁸⁷ Mit Þahl an-nazar, also mit »Leute der Überlegung« sind vor allem die MuÝtaziliten gemeint. Möglicherweise haben diese sich selbst diese Bezeichnung zugelegt. Vgl. Art. ÞAhl an-nazar in EI² I, Sp. 266 a, und Art. MuÝtaziliten im Anhang. ²⁸⁸ An dieser Stelle übersetzte ich dem Kontext entsprechend hikma mit »Weisheit« und nicht mit »Philosophie«. ²⁸⁹ Geoff roy S. 167, bezieht die Liebe auf Gott (l’amour [qu’ils portaient à Dieu]), Hourani, Harmony, S. 69, und Butterworth, Treatise, S. 31, beziehen die Liebe auf die anderen Gläubigen (love for one another). Dieser Bezug paßt besser in den Kontext. ²⁹⁰ Istidlal ist ein allgemeinerer Begriff als burhan (»Beweis«) und ist von derselben Wurzel abgeleitet wie dalil (»Hinweis«). Vgl. Art. Burhān in EI² I, Sp. 1326 b–1327 b. Zu dalil vgl. Anm. 15. ²⁹¹ Der Ausdruck nusra bedeutet »Hilfe« oder »Beistand«. Hourani, Harmony, S. 114, Anm. 190, hält die Übersetzung durch undertake is defence für nicht geeignet und gibt nusra mit mastering their meaning wieder. Diese Bedeutungsänderung ist ziemlich problematisch. Butterworth, Treatise, S. 32, hält an der eher wörtlichen Übersetzung mit in defending them fest. Man könnte dies dann so verstehen, daß Averroes hier den Wortsinn gegen die Interpretationen der MuÝtaziliten und AšÝariten verteidigen will (vgl. den folgenden § 58). Aber auch die Übersetzung bei Müller, Harmonie, S. 26, mit der ursprünglichen Bedeutung »Hilfe« ergibt einen durchaus guten Sinn, weshalb diese Übersetzung übernommen wurde. ²⁹² Vgl. Art. IÝfāz im Anhang. ²⁹³ Zu »Überzeugen« (ÞiqnaÝ) vgl. Anm. 256. ²⁹⁴ Die Behauptung des Averroes, daß sich im Gesetz »Hinweise« finden, die auf die Erfordernis einer Interpretation hindeuten, ist etwas problematisch. Man würde dann erwarten, daß die »dunk-

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len«, einer Interpretation bedürftigen Stellen durch einen philologischen Sachverhalt identifiziert würden. Dies ist aber bei Averroes nicht vorgesehen. Man gewinnt eher den Eindruck, daß Averroes dort, wo al-Gazālī Widersprüche zwischen Auffassungen der Philosophen und islamischen Lehren findet, Averroes erklärt, daß es sich bei den Versen im Koran, auf die sich diese Lehren stützen, um »dunkle« Stellen handle. Vgl. Einleitung 2.4. Eine ganz ähnliche Strategie findet sich schon früher bei den MuÝtaziliten. Vgl. Syamsuddin 1999, S. 68. ²⁹⁵ Gemeint könnte sein: Diese Interpretationen sind vom Text des Korans her gar nicht erfordert. ²⁹⁶ Averroes spricht hier von seinem Plan einer weiteren Schrift, den er dann mit dem Manāhif auch tatsächlich verwirklicht hat. Der Manāhif ist also vermutlich kurz nach der Entscheidenden Abhandlung entstanden. ²⁹⁷ Der Ausdruck ÞahwaÞ (Pl. von hawan) gehört demselben Wortstamm wie hawa, d. h. »Luft« an, es sind damit also willkürliche, haltlose Meinungen gemeint. ²⁹⁸ Der Ausdruck Þamr bedeutet »Befehl«, besonders auch den autoritativen Befehl des Herrschers. Es legt sich daher nahe, diese Stelle auf den damaligen Almohaden-Herrscher Abū YaÝqūb Yūsuf zu beziehen. So Müller, Harmonie, S. 27, Gauthier, Traité, S. 48, Anm. 77, Hourani, Harmony, S. 116, Anm. 196, Butterworth, Treatise, S. 55, Anm. 52. Selbstverständlich ist auch der siegreiche Befehl eines Herrschers letztlich nichts anderes als der siegreiche Befehl Gottes. ²⁹⁹ Der Bezug von »er« ist nicht eindeutig. Hourani, Harmony, S. 71, bezieht »er« auf Gott, ebenso Geoff roy, Discours, S. 171, Butterworth, Treatise, S. 33, hingegen bezieht »er« auf den vorher erwähnten Befehl. Sachlich ergibt sich dadurch kein Unterschied, vgl. die vorangegangene Anm. ³⁰⁰ Ein mutaqallid ist jemand, der dem taqlid entspricht, was der Fachterminus für »Autoritätsglaube« oder »blinde Übernahme« ist. Man muß allerdings sehen, daß mit dem Ausdruck taqlid sehr verschiedene Haltungen und im juristischen Bereich sehr verschiedene Verfahren verbunden sein konnten. Faktisch war die Berufung der alten Rechtsschulen auf taqlid viel flexibler als die spätere

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(vermeintliche) Flexibilität, die sich mit der Zurückweisung des taqlid durch aš-ŠáfiÝ ergibt. Vgl. Art. ŠāfiÝiten im Anhang. Seit etwa dem 9. Jhd. wurde mit taqlid hauptsächlich die undiskutierte Übernahme der Auffassungen eines Lehrers oder einer Schule gemeint. Vgl. Schacht 1977, S. 146 f. Averroes beklagt in seinem Rechtswerk Bidāyat das Übermaß von taqlid, das zur Zeit seines Großvaters bei den Mālikiten vorherrschend war und fordert eine Korrektur desselben durch eigene, auf dem Vergleich verschiedener Lösungen beruhende Entscheidungen. Der Spielraum solcher Entscheidungen ist jedoch auch bei Averroes ziemlich eng gesteckt. Vgl. Art. Iftihād im Anhang. ³⁰¹ Hier gebraucht Averroes Þasl im Singular, wobei nicht ein Grundsatz des Rechts gemeint sein dürfte, sondern die ganz allgemein gefaßte »Wurzel« der Offenbarung.

A N H A NG

1. PER S ON EN

Überblick Al-Fārābī Al-Gazālī Almohaden AšÝariten Hanafiten Hanbaliten Ibn Baffa (Avempace) Ibn Hazm

Ibn Sīnā (Avicenna) Ibn Tufail Iiwān as-Safā (Brüder der Reinheit) Mālikiten MuÝtaziliten ŠāfiÝiten Sūfī

Al-Fārābī Al-Fārābī (um 870–950) war türkischer Abstammung, schrieb aber alle seine Werke auf Arabisch. Seine Lehrer der Philosophie waren zum größten Teil nestorianische Christen, die auch als Übersetzer der Schriften der griechischen Philosophie und Wissenschaft eine herausragende Rolle gespielt hatten und auch zur Zeit al-Fārābīs noch spielten. Al-Fārābī verbrachte den größten Teil seines Lebens in Bagdad, verließ aber – vermutlich wegen der immer unsicherer werdenden Lage – diese Stadt und fand während der letzten Jahre seines Lebens Zuflucht am Hof des Hamdaniden Sayf ad-Dawla, eines großen Förderers von Dichtung und Wissenschaft. Al-Fārābī war der erste arabische Philosoph, der fast die Gesamtheit der aristotelischen Schriften (mit Ausnahme der Politik, die nicht übersetzt worden war) und einen guten Teil der spätantiken Aristoteleskommentare in arabischen Übersetzungen kannte (alFārābī selbst konnte ziemlich sicher nicht Griechisch). Die Bedeutung al-Fārābīs wurde von den arabischen Biographen rasch

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erkannt, schon bald erhielt er den Ehrentitel »der zweite Lehrer« (al-MuÝallim av-Vani), wobei Aristoteles als der erste Lehrer galt. In seinen Schriften beschäftigte sich al-Fārābī mit drei großen Themenkreisen: Logik, Politik und Musik. Al-Fārābī ist – trotz der umfangreichen Aristoteleskommentare des Averroes – der bedeutendste Logiker unter den arabischen Philosophen. In seinen logischen Schriften (die zum Großteil erst im 20. Jhd. gedruckt wurden) erweist sich al-Fārābī als konsequenter Aristoteliker. In seinen politischen Schriften, von denen die bekannteste Der Musterstaat ist, verwendet er jedoch eine eindeutig neuplatonische Metaphysik. Die offene Frage dabei ist allerdings, ob dies bedeutet, daß al-Fārābī selbst eine neuplatonische Metaphysik vertrat, oder ob er eine solche nur als die beste Form politischer Rhetorik betrachtete, insofern mit ihr eine hierarchisch geordnete Gesellschaft, an deren Spitze ein Philosoph-Prophet steht, als Abbild eines hierarchisch geordneten Kosmos, an dessen Spitze und Ursprung Gott steht, bildhaft wirksam dargestellt werden konnte. Wie auch immer sich das verhalten mag, schon allein die Tatsache, daß al-Fārābī sich in einem platonischen Kontext der politischen Philosophie zuwandte, bedeutete eine Abkehr von der spätantiken neuplatonischen Philosophie, die sich mit ihren individualistischen und religiös-mystischen Zielen längst von der Politik abgewandt hatte. Al-Fārābī hat also Plato als Theoretiker der Politik wiederentdeckt. In seiner Schrift über Die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles versuchte al-Fārābī zu zeigen, daß zwischen diesen beiden Autoritäten keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten bestehen. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob dies nicht primär dem Ziel diente, den Angriffen der Korangelehrten zu begegnen, die meinten, aus der Verschiedenheit philosophischer Auffassungen den Schluß ziehen zu können, daß Philosophie überhaupt nicht zur Wahrheitsfindung herangezogen werden könne. Es könnte sich also auch hier um ein primär rhetorisches Argument in apologetischer Absicht handeln. Aus einer weiteren Schrift über Die Philosophie Platos und Aristoteles’ geht hervor, daß sich al-Fārābī sehr wohl der Unterschiede der Auffassungen der beiden Autoritäten bewußt war, und an verschiedenen Stellen kritisiert er die platonische Ideenlehre. Die im arabischen Bereich einflußreiche pseudo-aristotelische Theologie

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des Aristoteles (in Wirklichkeit ein Exzerpt aus den Enneaden Plotins) führt al-Fārābī dabei nicht als Schrift des Aristoteles an. Al-Fārābīs Großes Buch der Musik ist das bedeutendste Werk zu diesem Thema, das jemals im arabischen Bereich verfaßt wurde. Daß al-Fārābī selbst ein ausgezeichneter ausübender Musiker war, wird glaubwürdig berichtet. Al-Fārābī beschäftigte sich nur ganz am Rande mit den beiden wichtigen »arabischen Wissenschaften« des Rechts (→ Fiqh) und der islamischen Theologie (→ Kalām) und war an beiden vermutlich auch nur wenig interessiert. Den Koran zitiert er nicht und Muhammad wird nur in formelhaften Einleitungssätzen genannt. Vom Philosophen-Herrscher-Propheten spricht er nur als einem allgemeinen Typus, ohne diesen Typus durch einen Eigennamen zu identifizieren. Der Unterschied zu Averroes ist hier sehr deutlich, wobei allerdings die völlig verschiedene politische und religiöse Situation in Bagdad in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts und in al-Andalus in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts zu berücksichtigen ist. Averroes versteht sich als Vertreter des islamischen Rechts, das auf die durch den Propheten Muhammad verkündete Offenbarung gegründet ist, und als solcher geht er an die Philosophie heran. Al-Fārābī versteht sich als Philosoph, der aus philosophischer Sicht der Religion ihre Funktion und ihre Stelle zuweist. Al-Fārābī steht – ziemlich bewußt – am Beginn der großen Entwicklung der griechisch beeinflußten islamischen Philosophie, Averroes steht – ohne sich dessen voll bewußt zu sein – an deren Ende. In al-Andalus wurden vor allem al-Fārābīs Schriften zur Logik geschätzt, wie aus der Einleitung Ibn Tufails (→) zu Hayy ibn Yaqzān hervorgeht. Ibn Baffa (→), der erste bedeutende Philosoph in al-Andalus, griff sehr deutlich auf die Schriften al-Fārābīs zurück. Averroes empfiehlt in seinem Kommentar zur Physik des Aristoteles, vor der Beschäftigung mit Fragen der Naturwissenschaften alle Schriften al-Fārābīs zur Logik zu studieren. Im Osten der Länder des Islam wurde der Einfluß al-Fārābīs bald durch die Schriften Ibn Sīnās (→) zurückgedrängt. Während die Schriften al-Fārābīs also im Osten kaum noch gelesen wurden, wurden sie in al-Andalus die Grundlage der philosophischen Arbeit. Averroes folgte al-Fārābī weithin im Bereich der Logik, kritisierte aber, vor allem im Tahāfut,

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an zahlreichen Stellen die neuplatonische Metaphysik al-Fārābīs. Dort, wo Averroes al-Fārābī – oft bis in den Wortlaut hinein – folgt, nennt er seinen großen Vorgänger nicht. Dies war allgemeine Praxis der arabischen Philosophen, die zwar häufig ihre griechischen, nicht aber ihre arabischen Vorgänger nennen, außer sie kritisieren eine Auffassung derselben. Dies ist zu beachten, um zu sehen, daß der Einfluß von al-Fārābī auf Averroes weit über die Stellen hinausgeht, an denen al-Fārābī namentlich genannt wird. Von al-Fārābī wurden nur sehr wenige Schriften ins Lateinische übersetzt, die wichtigste davon ist De scientiis (Über die Wissenschaften), die in der gekürzten und umgearbeiteten Version des Dominicus Gundissalinus (um 1110 – nach 1181) in der Philosophie des lateinischen Mittelalters einflußreich wurde.

Al-Gazālī Al-Gazālī (1059–1111) ist der mittelalterliche Gelehrte, der in den Ländern des Islam bis in unsere Gegenwart hinein den größten Einfluß ausübt. Über das Leben al-Gazālīs und die Motivation seiner Arbeiten sind wir durch autobiographische Bemerkungen informiert, die in seiner Schrift Der Erretter aus dem Irrtum enthalten sind. Al-Gazālī stammte aus einer frommen und an Fragen islamischer Gelehrsamkeit interessierten Handwerkerfamilie. Obwohl in Persien geboren, verfaßte al-Gazālī seine Schriften auf arabisch. Sein wichtigster Lehrer war al-Fuwainī (→ AšÝariten), der Leiter der Schule in Nīšāpūr. 1091 wurde al-Gazālī von dem bedeutenden Wezir Nizām al-Mulk, der sich für die Verteidigung des Sunnitentums einsetzte, an die von ihm gegründete Schule in Bagdad berufen. Solche Nizāmīya genannte Schulen hatte der Wezir an verschiedenen Orten gegründet, sie waren aber nicht Schulen des Staates, sondern im Prinzip und rechtlich gesehen fromme Stiftungen (waqf) des Wezirs als Privatmann. Wenige Jahre später geriet al-Gazālī jedoch in eine intellektuelle Krise, verließ Bagdad und ging nach Damaskus, dann nach Jerusalem und schließlich als Pilger nach Mekka. Während dieser Periode verfaßte er die Schrift Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften (IhyāÞ Ýulūm ad-dīn),

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die 1097 veröffentlicht wurde. Dieses Buch wurde eines seiner einflußreichsten Werke und wurde auch von den gegnerischen Hanbaliten (→) anerkannt. Nach seiner Rückkehr unterrichtete er noch einige Jahre an der Nizāmīya von Nīšāpūr, zog sich dann aber in seine Heimatstadt Tūs (Chorasan) zurück und widmete sich ganz mystischer Betrachtung und Unterweisung. Vermutlich in dieser letzten Periode ist die bekannte Schrift Die Nische der Lichter entstanden. Ein zentrales Problem der AšÝariten (→) wie auch das ganz persönliche Problem al-Gazālīs war das der Sicherheit der Erkenntnis. Die Angriffe al-Gazālīs auf die Philosophie waren vermutlich auch weniger durch die Irrtümer verursacht, die er meinte, bei den Philosophen feststellen zu können, sondern vielmehr durch seine Überzeugung, daß die Philosophie die von ihm gesuchte zweifelsfreie Sicherheit nicht bieten konnte. In einem großen zweiteiligen Werk setzte er sich 1093 mit der Philosophie, vor allem mit der alFārābīs (→) und Ibn Sīnās (→) auseinander. Im ersten Teil, den Lehrmeinungen der Philosophen (Maqāsid al-Falāsifa), stellte er die Hauptlehren der Philosophie nach der Einteilung Logik, Metaphysik und Physik dar, wobei er eine sehr gute Kenntnis der Philosophie bewies. Im zweiten Teil führte er dann seine Widerlegung der Philosophen (Tahāfut al-Falāsifa) durch. Dieser Teil erreicht allerdings nicht das Niveau des ersten Teils, neben eigentlich philosophischen Widerlegungen bzw. Nachweisen von Inkonsistenzen oder Widersprüchen findet sich hier auch viel Polemik, mit der einfach versucht wird, das Unternehmen der Philosophen, vor allem im Bereich der Metaphysik und der Physik, als nutzlose Tätigkeit hinzustellen. Das Hauptanliegen al-Gazālīs ist es, die Grenzen der Vernunfterkenntnis aufzuzeigen, um dann den Weg zu sicherer Erkenntnis zu eröffnen, die letztlich in der mystischen Erfahrung der Sūfīs (→) gefunden wird. Averroes wird dann gegen diese Widerlegung eine Widerlegung der Widerlegung (Tahāfut at-tahāfut) verfassen, in dem er sich Punkt für Punkt mit den Argumenten al-Gazālīs auseinandersetzt. Es handelt sich bei Averroes aber nicht um eine durchgängige Kritik, da er an verschiedenen Punkten, so vor allem in der Ablehnung der neuplatonischen Metaphysik, mit al-Gazālī übereinstimmt. Einen guten kurzen Überblick über die wichtigsten

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Werke al-Gazālīs liefert Averroes – aus seiner Sicht – im Manāhif, S. 70–72, Faith and Reason, S. 68–71. Al-Gazālīs Hauptwerk Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften war in al-Andalus umstritten. Bei den Almoraviden wurde es zunächst günstig aufgenommen, aber auch dort zeigte sich bald Widerstand dagegen, 1106 wurde es verboten. Die Mālikiten (→) hatten nicht vergessen, daß al-Gazālī sie als Traditionalisten kritisiert hatte. 1109 wurde dieses Werk in Córdoba öffentlich verbrannt und 1143 wurde nochmals in einem Brief des Sultans die Verbrennung angeordnet. Die rationalistische Lehre Ibn Tūmarts, des Gründers der religiös-politischen Bewegung der Almohaden (→), die dann auch die Almoraviden verdrängten, ließ keinen Platz für die Theologie al-Gazālīs (obwohl die Tradition fiktiv zur Erhöhung der Bedeutung Ibn Tūmarts diesen als Schüler al-Gazālīs aufführt). Trotzdem übten die Schriften al-Gazālīs weiterhin einen großen Einfluß in al-Andalus aus. Im 12. Jhd., also zur Zeit des Averroes, gab es zahlreiche Lehrer, die eine – im Prinzip auch schon bei al-Gazālī vorhandene – Verbindung von Recht, Theologie und Mystik in synkretistischer Art betrieben, was also genau das war, was Averroes ablehnte (vgl. den § 35 der Entscheidenden Abhandlung). Im Unterschied zu al-Gazālī als Theologen schätzte Averroes al-Gazālī als Juristen. Averroes beschäftigte sich mit der juristischen Schrift al-Gazālīs Al-Mustasfā min Ýilm al-usūl (Ausgewählte Themen aus der Wissenschaft der Quellen des Rechts) schon 1157, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt seiner gelehrten schriftstellerischen Tätigkeit. Dies ist die letzte große Schrift al- Gazālīs, die etwa zwei Jahre vor seinem Tod entstanden ist. Das Ergebnis der Bearbeitung dieses Textes durch Averroes war eine Kurzfassung der Schrift alGazālīs, die weithin dieser folgte (Text al-Gazālīs und Fassung des Averroes im Lit.-Verz. unter al-Gazālī, Ad-Darurī). Allerdings eliminierte Averroes in aufschlußreicher Weise das Einleitungskapitel al-Gazālīs, das sich mit der Logik beschäftigte, und ersetzte es durch eine allgemeine Einleitung über Wissenschaft und eine Lokalisierung der Rechtswissenschaft innerhalb einer Wissenschaftseinteilung, die an De scientiis al-Fārābīs erinnert. Vgl. Elamrani-Jamal 1996, S. 120.

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In der Entscheidenden Abhandlung gewinnt man den Eindruck einer rigorosen Entgegensetzung von Averroes und al-Gazālī. Dies ist aber nur mit Einschränkungen richtig. In der Analyse der Ursachen der Parteiungen im Islam und den gegenseitigen, häufig übertriebenen und ungerechtfertigten Verurteilungen und im Versuch, zu mehr Toleranz zu finden, trifft sich Averroes mit den Intentionen, die auch al-Gazālī in der Tafriqa (Über Rechtgläubigkeit) verfolgt, Averroes fordert nur zu einem gerechteren und verständnisvolleren Urteil über bestimmte Auffassungen der muslimischen Philosophen auf. Die Philosophen des lateinischen Mittelalters hatten eine völlig falsche Auffassung von al-Gazālī. Da vom Tahāfut, also den Lehrmeinungen und der Widerlegung der Philosophen nur der erste Teil, also die Lehrmeinungen bekannt war, nicht aber deren Widerlegung, faßten sie al-Gazālī als Vertreter der arabischen Philosophie auf. Dieser Irrtum wurde erst im 19. Jhd. bekannt und berichtigt.

Almohaden Der Name lautet eigentlich al-muwahhidun, was etwa »die Verkünder der Einsheit Gottes« bedeutet. Von der selben Wortwurzel ist tawhid, also die »göttliche Einsheit«, abgeleitet. Diese Bewegung geht auf den Berber Ibn Tūmart (um 1080–1130) zurück. Der Hintergrund der Bewegung ist in den sozialen und religiösen Spannungen der verschiedenen ethnischen Gruppen in Marokko zu sehen. Bei der Bewegung der Almohaden war ohne Zweifel der Widerstand der Berber gegen die herrschenden Araber ein wichtiger Faktor. Ibn Tūmart ging etwa 30-jährig zunächst nach Córdoba und dann über Mekka nach Bagdad. Er hielt sich dann mehrere Jahre im Orient auf. Die – allerdings unglaubwürdige – Legende erzählt von einem Treffen Ibn Tūmarts mit al-Gazālī (→). Um 1116 kehrte Ibn Tūmart nach Marokko zurück und begann, sich bei den Bebern für eine kompromißlose Einhaltung der religiösen Gesetze des Islam einzusetzen. Alle mußten ein kurzes Glaubensbekenntnis (Ýaqida) auswendig lernen und gemeinsam rezitieren. Ibn Tūmarts Ziele waren ursprünglich rein religiös, daraus entwickelte sich aber, beson-

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ders in der Zusammenarbeit mit dem hervorragenden Organisator und Feldherrn ÝAbd al-MuÞmin eine von einigen Berberstämmen ausgehende politische Bewegung, die sich den in Marokko und alAndalus herrschenden Almoraviden widersetze, denen sie moralischen Verfall vorwarfen. Nach dem Tod Ibn Tūmarts 1130 begann unter der Führung ÝAbd al-MuÞmins (reg. 1130–1163) die militärische Eroberung zunächst Marokkos, wo Marrakesch zur Hauptstadt wurde, dann weiterer großer Teile Nordafrikas bis Tripoli und Tunis und schließlich von al-Andalus, wo Sevilla zur Hauptstadt wurde. Der Höhepunkt der politischen und kulturellen Entwicklung von al-Andalus unter den Almohaden wurde zur Zeit der Regierung der Nachfolger ÝAbd al-MuÞmins, Abū YaÝqūb Yūsuf (reg. 1163–1184) und dessen Sohn Abū Yūsuf YaÝqūb al-Mansūr (reg. 1184– 1190) erreicht. Die Tätigkeit des Averroes in philosophischer, juristischer und medizinischer Hinsicht ist engstens mit diesen beiden zuletzt genannten Herrschern verbunden. Averroes fand sich durchaus in Übereinstimmung mit den Almohaden-Herrschern und deren theoretisch-praktischen Auffassungen. In seinem Kommentar Zu Platons Polteia, S. 89, Commentary on Plato’s »Republic«, S. 75, bemerkt er zu den von Plato geäußerten Zweifeln, daß der ideale Staat überhaupt verwirklicht werden könne, daß in seiner Zeit und mit den in seinem Land – also in al-Andalus – geltenden (islamischen) Gesetzen eine solche Verwirklichung des idealen Staates durchaus möglich sein könnte. Die Herrschaft der Almohaden in Spanien war aber nie definitiv gefestigt und mit der Niederlage Muhammad an-Nāsirs (reg. 1199–1213) und dem Sieg der Christen bei Las Navas de Tolosa von 1212 begann der Niedergang der Macht der Almohaden. Die Schriften Ibn Tūmarts sind im Buch Ibn Tūmarts zusammengefaßt (Le livre d’Ibn Toumert, hrsg. v. D. Luciani, Algier 1903). Sie stellen eine Sammlung kurzer Texte dar, bei denen einige nicht sicher authentisch sind. Die darin enthaltenen Lehren sind im Prinzip nicht originell und auch nicht immer konsistent. Die Theologie Ibn Tūmarts ist also nicht an sich bedeutend, sondern wurde wichtig nur als die offizielle Ideologie der Almohaden. Vgl. Watt 1985, S. 115. Während Ibn Tūmart im Rechtsbereich jede eigenständige rationale Tätigkeit (Þiftihad) ablehnte, forderte er ziemlich unver-

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mittelt eine streng rationale Erkenntnis der Existenz Gottes und seiner Eigenschaften. Vgl. Urvoy 1998, S. 50–52. Dieser Rationalismus, mit dem er der Auffassung der MuÝtaziliten (→) nahesteht, steht in deutlichem Gegensatz zu al-Gazālī und zu den AšÝariten. Er steht damit aber auch den falāsifa, also den Vertretern der griechischen Philosophie, nahe. Dieser Rationalismus war ein wichtiges Element der »Ideologie« der Almohaden (die allerdings auch mit Gewalt durchgesetzt wurde), die jedenfalls in Hinsicht auf die Akzeptanz griechischer Philosophie und auf den Vernunftgebrauch in der islamischen Kultur mit den Intentionen des Averroes übereinstimmte. Averroes verfaßte auch selbst, vermutlich in seiner Jugend, zwei – allerdings nicht erhaltene – Schriften zum almohadischen Glaubensbekenntnis (Ýaqida). Vgl. Urvoy 1998, S. 57–60. Auch die Entscheidende Abhandlung ist in diesem Kontext der almohadischen Lehre zu verstehen. Eine Grundthese der Entscheidenden Abhandlung, die Trennung in eine »populäre« Auffassung des Korans und in eine »wissenschaftlich-philosophische« Interpretation einzelner Stellen desselben enspricht auch einer politischen Zielsetzung der Almohaden: Der Kalif ist für den buchstäblichen Glauben der »Masse« ebenso verantwortlich wie für den Freiraum der philosophischen »Elite«, die allein für diese Interpretation zuständig ist – für die ašÝaritischen kalām-Theologen (→ Kalām, AšÝariten) bleibt da kein Platz.

AšÝariten Die AšÝariten sind eine sehr verbreitete Schule der islamischen Theologie (→ Kalām). Ihr Gründer war Abū al-Hasan al-AšÝarī (873/874–935/936). Er lebte in seinen frühen Jahren in Basra, später zog er nach Bagdad, wo er auch starb. Al-AšÝarī gehörte zunächst der Schule der MuÝtaziliten (→) an. Im Jahre 912/913 folgte eine durch Visionen hervorgerufene »Bekehrung«, die in vielen Legenden erzählt wird. In diesen Visionen soll Muhammad ihm gesagt haben, er solle zur wahren Tradition zurückkehren, aber den Kalām nicht aufgeben. Mit dieser »Kehre« wandte er sich faktisch der streng literalistischen Lehre der Hanbaliten (→) zu, wobei dann

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die Einbeziehung muÝtazilitischer Argumente fast unausweichlich zu nicht immer überzeugenden Kompromißlösungen führte. So wurden Ausdrücke, die Gott körperliche Eigenschaften (z. B. das »Sitzen auf dem Thron«) zuschreiben, zwar nicht wörtlich genommen, sie wurden aber auch nicht rein metaphorisch (z. B. »er ist erhaben«) interpretiert (→ TāÞwīl). Averroes sagt im § 43 der Entscheidenden Abhandlung, daß er die Interpretationen der MuÝtaziliten im allgemeinen für besser hält als die der AšÝariten. Der Koran wurde von den AšÝariten als ungeschaffene Rede Gottes aufgefaßt (→ IÝfāz). Die Allmacht Gottes rückte ins Zentrum der theologischen Überlegungen, für die menschliche Freiheit blieb da kein Raum (→ Iitiyār). Auch bei der Beschreibung des zukünftigen Lebens versuchte al-AšÝarī an dem Realitätsgehalt dieser Beschreibungen festzuhalten. Die AšÝariten wurden zur Zeit der Abbasiden nach dem Ende der Vorherrschaft der MuÝtaziliten (→) rasch zur vorherrschenden theologischen Schule, möglicherweie gerade wegen ihrer Kompromißlösungen. Als Bewegung wurden die AšÝariten durch al-Bāqillānī (Geburtsdatum unbekannt, gest. 1013) in Bagdad präsent. Faktisch haben sich die Auffassungen der AšÝariten fast überall durchgesetzt und stellen bis heute weithin das dar, was mit »islamischer Orthodoxie« gemeint ist. Dies galt schon zur Zeit des Averroes, wie dieser ausdrücklich feststellte. Vgl. Manāhif, S. 28, Faith and Reason, S. 17. Die AšÝariten hatten keine bevorzugte Beziehung zu einer bestimmten Rechtsschule, sondern waren in allen Richtungen des Rechts vertreten, außer bei den Hanbaliten, die den Kalām überhaupt ablehnten. Faktisch waren aber die AšÝariten unter den ŠāfiÝiten (→) besonders zahlreich vertreten. Zentral für Ethik und Recht war bei den AšÝariten wie bei den ŠāfiÝiten die Auffassung, daß die sittlichen und rechtlichen Vorschriften ausschließlich auf göttliche Gebote bzw. Verbote gegründet sind, nicht aber, wie es die MuÝtaziliten annahmen, auf eine rationale Einsicht in das, was von sich aus gut oder böse ist. Averroes lehnte diese Auffassung der AšÝariten ausdrücklich ab. Vgl. Manāhif, S. 113, Faith and Reason, S. 115. Im 11. Jhd. kam es bei den AšÝariten zu wichtigen Weiterentwicklungen, so daß man später von »Modernen« sprechen konnte. Vorbereitet wurde dies schon durch al-Fuwainī (1028–1085),

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der wirkliche Durchbruch kam aber mit al-Gazālī (→), der bei aller Gegnerschaft zur Philosophie doch die islamische Theologie vom Standpunkt rationaler Argumentation aus auf ein neues Niveau brachte. Seit dem 11. Jhd., gefördert von dem bedeutenden Wesir und Organisator sunnitischer Schulen Nizām al-Mulk, erlangten die AsÝariten in ihrer Verbindung mit den ŠāfiÝiten großen Einfluß, wurden aber nie die einzig geltende Schule. Die Stärke der ašaÝritischen Position lag darin, daß sie sowohl das Anliegen der MuÝtaziliten, d. h. das Streben nach intellektueller Sicherheit, aufnahmen als auch das Bedürfnis vieler Menschen nach einer »gelebten« Frömmigkeit, die über das Einhalten ritueller Gebete und rechtlicher Vorschriften hinausging. Die Verbindung der AšaÝriten mit den Sūfīs (→) war also eigentlich schon seit dem 10. Jhd. angelegt. In einer Zeit der Krisen der politischen Autorität, die mit dem Machtverlust der Kalifen gegeben war, gelang es ihnen so, nicht nur Gesetzeslehrer, sondern »Meister« hervorzubringen, die mit einer geistlichen Autorität ausgestattet waren. Die AšÝariten gewannen, besonders durch die Schriften al-Gazālīs, auch in al-Andalus großen Einfluß, haben dort aber keine selbständigen Theologen hervorgebracht, sie blieben immer abhängig von den östlichen Autoren. Avempace → Ibn Baffa Avicenna → Ibn Sīnā Brüder der Reinheit → Iiwān as-Safā

Hanafiten Die Rechtsschule der Hanafiten ging aus den Rechtstraditionen in Kūfa und Basra hervor. Sie betrachtet Abū Hanīfa (um 697–767) als ihren Gründer. Dieser stammte aus einer einfachen Familie, sein Großvater soll ein Sklave aus Kābul gewesen sein. Von Abū Hanīfas Leben ist wenig bekannt, er lebte in Kūfa, arbeitete als Handwerker und starb in Bagdad im Gefängnis, wobei die Gründe für seine Ver-

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urteilung nicht geklärt sind. Abū Hanīfa hat keine Werke verfaßt, seine mündlich weitergegebene Lehre wurde erst von einigen seiner Schüler niedergeschrieben. Die Leistung Abū Hanīfas liegt vor allem in der Systematisierung des zu seiner Zeit in Basra geltenden Rechts, er gebrauchte aber auch eigene Urteilsfindung (→ Iftihād, RaÞy) und Ableitungen aus dem Koran und der Überlieferung (→ Qiyas (1)) in großem Ausmaß. Nicht gut dokumentierten, nur auf einen einzigen Träger zurückgehenden Überlieferungen stand er sehr zurückhaltend gegenüber (→ Hadīu). Abū Hanīfa war auch als Theologe einflußreich. Seine theologischen Auffassungen entsprachen weithin denen der Bewegung der Murfiten, die auch in Basra ihren Ursprung hatte. Vgl. Art. MurfiÞa in EI2 VII, Sp. 606 a–607 b. Kennzeichnend für die frühen Murfiten war die Auffassung, daß der Glaube »unteilbar« sei, d. h. weder zu- noch abnehmen könne. Spätere Murfiten sahen sich gezwungen, jedenfalls die Möglichkeit einer Zunahme des Glaubens anzunehmen. In politischer Hinsicht waren die Murfiten und Abū Hanīfa wichtig durch ihr Eintreten für die Gleichberechtigung der arabischen und der nicht-arabischen Muslime, was sowohl den Murfiten als auch den Hanafiten viele Anhänger im Iran, in Transoxanien und unter den türkischen Stämmen brachte. Die Hanafiten, die ja ihren Ursprung im Irak hatten, waren die bevorzugte Rechtsschule der ersten Abbasiden und waren im Irak und in Syrien weit verbreitet, breiteten sich aber auch im Chorasan, in Afghanistan, in Zentralasien und Indien aus. In der frühen Zeit gab es auch im Maghreb neben den vorherrschenden Mālikiten zahlreiche Hanafiten. Seit den Seldschuken waren die Hanafiten die überall geltende Rechtsschule auch in Gebieten, die anderen Schulen folgten. Die hanafitische Theologie wurde von dem aus Samarkand stammenden al-Māturīdī (vor 874–943/947) weiterentwickelt und fand auch in späterer Zeit vor allem bei Anhängern der Hanafiten Gefolgschaft. Vgl. Art. Al-Māturīdī in EI2 VI, Sp. 846 a–847 a. Die sich von ihm herleitende Richtung stellt die zweite theologische Schule der Sunniten neben den AšÝariten (→) dar. Al-Māturīdī war rationalistischer als al-AšÝarī, stand also den MuÝtaziliten (→) näher als den AsÝariten. Die Erkenntnis Gottes ist seiner Auffassung nach für den Menschen möglich und verpflichtend, unabhängig von der

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Offenbarung. Zur Vermeidung antropomorpher Ausdrücke bei den göttlichen Attributen verwendete er metaphorische Interpretationen (→ TāÞwīl). Die Schriften al-Māturīdīs scheinen in al-Andalus wenig bekannt gewesen zu sein. Averroes steht aber jedenfalls sachlich manchen Auffassungen al-Māturīdīs nahe.

Hanbaliten Der aus Bagdad stammende Ahmad Ibn Hanbal (780–855) war zunächst vor allem daran interessiert, Texte der Überlieferung zu sammeln, wofür er ausgedehnte Reisen in den Irak, den Hifāz, den Jemen und nach Syrien unternahm. Das Ergebnis war der Musnad, eine Sammlung von Überlieferungen, die jedoch nach dem frühesten Garanten einer Traditionslinie zusammengestellt ist, was sie weniger handlich machte als die nach Sachgebieten zusammengestellte Sammlung al-Buiārīs (→ Hadīu). Während der Herrschaft des Kalifen al-MaÞmūn, der die Lehre der MuÝtaziliten (→) zum Staatsdogma erhob, wurde Ibn Hanbal verfolgt und konnte erst unter dem Kalifen Mutawakkil (reg. 847–861), der wieder die Sunna zur Geltung brachte, seine Lehrtätigkeit aufnehmen. Ibn Hanbal kann eigentlich nur in einem eingeschränkten Sinn als Gründer einer Rechtsschule angesehen werden, da er selbst – im Unterschied etwa zu aš-ŠāfiÝ (→ ŠāfiÝiten) – keine systematische Kodifizierung seiner Auffassungen vornehmen wollte. Eine solche Festlegung wurde erst von seinen beiden Söhnen und weiteren Schülern vorgenommen. Der zentrale Punkt seiner Ablehnung der muÝtazilitischen Lehre war seine kompromißlose Auffassung der Lehre von der Ungeschaffenheit (gayr majluq) des Korans. Ibn Hanbal vertrat eine wörtliche Auslegung des Korans ohne jede metaphorische Interpretation (→ TāÞwīl ). Er lehnte aber überhaupt jede Form einer islamischen Theologie (→ Kalām) ab, die er als ganze für schädlich hielt. Der Koran kann seiner Auffassung nach aus sich heraus vollständig verstanden werden. Um die authentische Lehre zu überprüfen, greift Ibn Hanbal auch auf den Konsens (→ ÞIfmāÝ) der frühen Anhänger des Islam zurück, sieht aber in ihm keine Quelle neben dem Koran und der Sunna. Auch die Schlußfolgerungen im Recht

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(→ Qiyās (1)) fanden nicht seine Billigung. Die späteren Hanbaliten ließen auch keine eigene Urteilsfindung (→ Iftihād) zu, die Auffassung Ibn Hanbals selbst ist jedoch diesbezüglich nicht gleichermaßen eindeutig. und so war es mögich, daß ausgerechnet der extrem rigoristische Hanbalit Ibn Taymīya (1263–1328), der durch seine kompromißlose Ablehnung der griechischen Logik (Against the Greek Logicians, übers. von W. B. Hallaq, Oxford 1993) in die Geschichte eingegangen ist, sich für eine Erneuerung der eigenen Urteilsfindung (ig˘tihad) einsetzte, womit er allerdings nicht besonders erfolgreich war. Bei der Beurteilung des Hanbalismus als traditionalistisch, anthropomorphistisch, intolerant usw. ist zu beachten, daß der Hanbalismus nicht in allen Punkten den Auffassungen Ibn Hanbals entspricht. Der Hanbalismus war zur Zeit der Abbasiden sehr weit verbreitet und bis ins 14. Jhd. in Syrien und im Irak maßgeblich. Die Hanbaliten sind die offizielle Rechtsschule im heutigen Saudi-Arabien. Der Hanbalismus war in al-Andalus so gut wie nicht vorhanden, seine Lehren waren aber bei gut informierten Rechtsgelehrten bekannt. In al-Andalus vertraten die Zāhiriten (→ Ibn Hazm) eine faktisch den Hanbaliten ähnliche Position.

Ibn Baffa Schon im 10. Jhd. hatten in al-Andalus einzelne sich mit Mathematik, Physik und Astronomie befaßt. Eine selbständige philosophische Arbeit begann in Spanien jedoch erst mit Ibn Baffa (Ende 11. Jhd. – 1138), der in Zaragoza geboren wurde, aber nach der Einnahme dieser Stadt durch die Christen nach Granada, Sevilla und schließlich nach Fez in Marokko ging. Ibn Baffa war nicht nur Philosoph, sondern auch Arzt, Dichter, Musiker und Politiker, wobei er viele Jahre lang auch als Wezir tätig war. Als er einmal in Játiva wegen Häresie eingekerkert wurde, erlangte der Großvater des Averroes seine Freilassung. Ibn Baffas Schriften hatten einen großen Einfluß auf Averroes, dieser war aber nicht Ibn Baffas Schüler. Ibn Baffas Philosophie stellte für Averroes das Bindeglied zwischen ihm selbst und der Philosophie al-Fārābīs dar.

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Ibn Baffa knüpfte nicht an Ibn Sīnā (→) an, sondern an alFārābī (→), also an die »ältere« Bagdader Schule. Er verfaßte mehrere Kommentare zu logischen Schriften al-Fārābīs. In seiner Schrift Kitāb an-Nafs (Buch über die Seele) vertritt er die Auffassung, daß die rationalen Seelen der Menschen in der Vereinigung mit dem aktiven Intellekt eine einzige sind (dies ist eine Form der Auffassung, die als »Monopsychismus« bekannt wurde). Eine ähnliche Auffassung findet sich dann auch bei Averroes. Die bekannteste Schrift Ibn Baffas ist Tadbīr al-mutawahhid (Die Lebensführung des Einsamen). In dieser Schrift übernimmt er nicht die politische Zielsetzung al-Fārābīs der Herbeiführung eines idealen Staates, dies hält er im al-Andalus seiner Zeit und in anderen Staaten und offensichtlich auch für die Zukunft für unmöglich. Der Philosoph ist in der nicht-idealen Gesellschaft »ein Fremder« (ein Ausdruck al-Fārābīs), seine Glückseligkeit ist also eine individuelle und private, womit er sich mit den Anliegen der Sūfīs (→) trifft. Averroes wird dem nicht folgen, wohl aber folgt ihm Ibn Tufail (→), der dieses Ziel nicht nur in der nicht-idealen, sondern in überhaupt jeder Gesellschaft für erstrebenswert hält. Es gab keine lateinischen Übersetzungen von Schriften Ibn Baffas, den Lateinern (die ihn Avempace nannten) war er nur über Zitate bei Averroes bekannt.

Ibn Hazm Ibn Hazm (994–1064) stammte aus Córdoba, verbrachte sein Leben aber wegen der wechselhaften politischen Ereignisse an verschiedenen Orten in al-Andalus. Er war zeitweise auch als Wezir im Dienste der Umaiyaden tätig, wurde aber zweimal eingekerkert, als diese die Macht verloren. Etwas resigniert zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück und widmete sich dem Studium und dem Unterricht. Ibn Hazm gilt als einer der größten Gelehrten der mittelalterlichen Kultur des Islam und er war einer der ganz wenigen, die in al-Andalus vor Averroes über eine so breite theologische, juristische und philosophische Bildung verfügten. Ibn Hazms Bedeutung geht aber über al-Andalus hinaus, da er auch Lehren, die aus

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dem islamischen Osten stammten und die in al-Andalus gar nicht präsent waren, diskutierte, und seine Schriften wiederum über alAndalus hinaus in den Ländern des Islam bekannt wurden. Bei ihm kommt auch das kulturelle Selbstbewußtsein der Muslime von alAndalus zum Ausdruck, die nicht mehr nur rezeptiv vom islamischen Osten abhängig sein wollten. Er stand in brieflichem Kontakt mit den wichtigsten Vertretern der islamischen Kultur seiner Zeit. Ibn Hazm war Theologe, Jurist, Historiker und Dichter. Sein Kitāb al-Fisal f ī l-milal (span. Übersetzung von M. Asín Palacios, Abenházam de Córdoba y su historia crítica de las ideas religiosas, Madrid 1927–1932) kann als das erste Werk der vergleichenden Religionswissenschaft angesehen werden. Ibn Hazm verfügte über eine breite und sehr genaue Kenntnis sowohl der islamischen Theologie und deren verschiedenen Richtungen als auch der jüdischen und der christlichen Theologie, er berücksichtigte aber auch die Skeptiker und die Atheisten. Schließlich vertritt er aber die Auffassung, daß alle philosophisch-theologischen Spekulationen zu nichts führen, und es daher keine andere Lösung gibt, als sich an den genauen Text des Korans zu halten. Sein literarisches Hauptwerk Tauq alhamāma (Das Halsband der Taube), eine literarisch-philosophische Reflexion über die Liebe, fand große Verbreitung. Ibn Hazm war ein strenger Literalist, anders als bei dem in dieser Hinsicht ähnlichen Ibn Hanbal (→ Hanbaliten) war seine Auffassung jedoch nicht nur auf einer Glaubenshaltung aufgebaut, sondern war in einer philosophisch-theologischen Sprachauffassung begründet. Die Sprache dient der Kommunikation, sie muß also funktionieren. Der Analyse der Sprache dient auch die Logik. Im Unterschied zu so gut wie allen anderen strengen Literalisten spielt also bei Ibn Hazm die aristotelische Logik eine wichtige Rolle. Und da die Sprache der Kommunikation zwischen allen Menschen dient und dafür Klarheit und Eindeutigkeit erforderlich ist, und da der Koran der Glaubens- und Handlungsmaßstab für alle Menschen ist, ist Ibn Hazm davon überzeugt, daß es im Koran nur einen wörtlichen und offenkundigen (zahir ) und keinen verborgenen Sinn (batin) geben kann (→TāÞwīl). Die Anhänger der von ihm ausgehenden theologischen und juristischen Richtung – die aber nie zu einer wirklichen »Schule« wurde – werden daher Zāhiriten ge-

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nannt. Mit seiner Koranauffassung unterscheidet sich Ibn Hazm in der Theologie von den MuÝtaziliten (→) und den AšÝariten (→) und im Recht von den Hanafiten (→) und den ŠāfiÝiten (→), die er auch an vielen Stellen einer ausdrücklichen Kritik unterzieht. Seine eigentlichen Gegner sind aber die Mālikiten (→), deren Vertreter die in al-Andalus maßgebliche und auch politisch einflußreiche Rechtsschule darstellten, die er aber als engstirnig und unvernünftig betrachtete. Ibn Hazm verfügte über eine breite Kenntnis aller Rechtsschulen, was ihn von der Mehrzahl der Rechtslehrer seiner Zeit in al-Andalus unterscheidet. Auch im Recht wollte er nicht über den offenkundigen Sinn des Korans und der Hadīuen hinausgehen. Das Auffinden neuer Rechtsentscheidungen durch Analogieschlüsse (→ Qiyās (1)), also Ableitung, lehnte er ab. Für ihn gibt es qiyas nur als »impliziten Sinn«, der aber rein formallogisch abgeleitet sein soll und somit zu keinen neuen Erkenntnissen führt. Averroes unterscheidet sich an zahlreichen entscheidenden Punkten, so bei der Zulassung von qiyas im Recht und bei der Zulassung eines inneren Sinns bei der Auslegung des Korans, von den Auffassungen Ibn Hazms. Trotzdem liegen bei Ibn Hazm und bei Averroes in Hinsicht auf die Sprache überhaupt und dann speziell in Hinsicht auf die Sprache des Korans Grundprinzipien vor, die gar nicht allzuweit voneinander entfernt sind. Ibn Hazm ist überzeugt, daß die Sprache ein Zeichensystem darstellt, das die Schöpfungsordnung abbildet. Und bei Averroes findet sich die aristotelische Überzeugung einer Übereinstimmung von Sprache und Wirklichkeit, die dann auch theologisch ohne allzu große Probleme geltend gemacht werden kann. Sowohl Ibn Hazm als auch Averroes lehnen die ašÝaritische Trennung von Sprache und Welt, der auch die Mālikiten gefolgt waren, ab. Bei beiden ist auch die alte und berühmte Frage des Verhältnisses von arabischer Grammatik und griechischer Logik entschärft. Trotz einer sehr verschiedenen Zielsetzung stimmen beide darin überein, daß die Logik für die Analyse der arabischen Sprache und somit auch für die Interpretation des Korans eine wichtige Rolle spielt. Für die korrekte Interpretation des Korans hat dann die arabische Grammatik und Rhetorik für Averroes eine ebenso große Bedeutung wie für Ibn Hazm. Im Vergleich zu dem methodologischen Synkretismus des al-Gazālī

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(→) steht Averroes dem methodologischen Purismus Ibn Hazms näher, auch wenn er dessen Einschränkungen nicht immer folgt. Ibn Hazm sah das Problem, daß mit den verschiedenen Interpretationen (→ TāÞwīl) und den verschiedenen, oft sehr vagen Analogieverfahren (→ Qiyās (1)) so ziemlich alles als »islamisch« gerechtfertigt werden konnte. Averroes lehnt diese Verfahren zwar nicht prinzipiell ab und tritt auch in der Entscheidenden Abhandlung ausdrücklich für diese Verfahren ein, versucht aber, ihre Anwendung auf ein Minimum zu beschränken, womit er strategisch den Intentionen Ibn Hazms folgt. In ihrer Abneigung gegenüber dem Kalām stimmen beide überein.

Ibn Sīnā Geboren wurde Ibn Sīnā (980–1037; bei den Lateinern Avicenna genannt) in einem Ort in der Nähe von Buchara. Seine Familie war türkischer Herkunft, seine Muttersprache war Persisch, er verfaßte aber den Großteil seiner Schriften auf Arabisch. Über sein Leben sind wir durch eine (etwas selbstgefällige) Autobiographie informiert. Vgl. Kraus 1911. Wir würden ihn heute berechtigterweise als »Überbegabten« bezeichnen. Seine begüterte Familie ermöglichte ihm einen ausgezeichneten Bildungsweg mit guten Lehrern und so verfügte Ibn Sīnā schon in sehr jungen Jahren über eine umfassende Kenntnis sowohl der »arabischen« als auch der »fremden«, d. h. griechischen Wissenschaften. Seinen Lebensunterhalt verdiente Ibn Sīnā sich vorwiegend durch seine Tätigkeit als Arzt. Um Geld zu verdienen und Ansehen zu gewinnen, arbeitete Ibn Sīnā hauptsächlich an verschiedenen persischen Höfen, wurde aber dadurch in die politischen Wirren seiner Zeit verwickelt, sodaß sein Leben sehr unruhig verlief. Im Bereich der Philosophie war Ibn Sīnā nach eigenen Angaben vor allem von al-Fārābī (→) beeinflußt, dessen Auffassungen im Bereich der Metaphysik er im Sinne des Neuplatonismus las. Die Philosophie Ibn Sīnās mündet schließlich in eine intellektualistisch konzipierte Mystik, was sicher nicht im Sinne al-Fārābīs war. Ibn Sīnā stand den šīÝitischen Auffassungen nahe, Averroes hingegen war Sunnit.

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Die Anzahl der Werke Ibn Sīnās ist sehr groß, neben den beiden großen Werken zur Medizin (arab. [= griech.] Qānūn, lat. Canon) und zur Philosophie (arab. ŠifāÞ, lat. Sufficientiae) verfaßte Ibn Sīnā zahlreiche kleinere Werke (einige auch auf Persisch), deren Authentizität in einigen Fällen umstritten ist. Ein spezielles Problem bildet die »orientalische Weisheit« Ibn Sīnās, auf die Ibn Tufail (→) gleich im ersten Satz seiner Einleitung zu Hayy ibn Yaqzān zu sprechen kommt. Dort verspricht er, etwas von den Geheimnissen der Orientalischen Weisheit kundzutun, von der schon der unübertroffene Scheich Abū ÝAlī ibn Sīnā sprach und erklärte: Wer die Wahrheit ohne Umschweife haben will, der muß sich dem Studium der »Orientalischen Weisheit« widmen und sich bemühen, sie sich anzueignen. (Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 3)

Von dieser Orientalischen Weisheit sind jedoch nur geringe Teile erhalten, und zwar zur Logik und zur Metaphysik (der Teil zur Logik ist in engl. Übersetzung zugänglich: Remarks and Admonitions. Part One: Logic, übers. v. Sh. C. Inati, Toronto 1984), die aber keine besondere »orientalische Weisheit« enthalten. Diese Schriften waren aber wenig verbreitet und es ist anzunehmen, daß sie in al-Andalus nicht zugänglich waren und somit Ibn Tufail sie auch gar nicht kennen konnte. Die mystische Ausrichtung Ibn Tufails im Hayy ibn Yaqzān ist also mehr die in al-Andalus verbreitete und beliebte neuplatonische und sūfistische Weisheit als die spezifische des Ibn Sīnā. Nach den erhaltenen Teilen der Orientalischen Weisheit Ibn Sīnās ist allerdings anzunehmen, daß diese im Prinzip auch nichts anderes enthielt als das, was Ibn Sīnā auch in seinen früheren Werken vertrat, es dürfte sich also nur um eine andere literarische Darstellungsform handeln. Vgl. Gutas 1994 und 2000. Es kann dabei durchaus angenommen werden, daß sich bei Ibn Sīnā in den späten Jahren die mystische Tendenz verstärkte, diese war aber auch schon vorher bei ihm vorhanden. Ibn Sīnā war auch mit Sūfīs (→) in Kontakt. Averroes hat den in den Schriften Ibn Sīnās enthaltenen heute sog. Neuplatonismus erkannt, und da für ihn Aristoteles der Maßstab der philosophischen Wahrheit war, hat er Ibn Sīnā in zahlreichen Punkten und an zahlreichen Stellen kritisiert. Im Bereich der

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Metaphysik kritisierte er vor allem die Emanationslehre sowie die bei Ibn Sīnā grundlegende Unterscheidung des Seins in Notwendiges und Kontingentes (Mögliches), die später für die lateinische Scholastik grundlegend werden sollte. In der Auseinandersetzung mit al-Fazālī (→), der al-Fārābī und Ibn Sīnā als Ungläubige bezeichnet hatte, ergibt sich bei Averroes sowohl im Manāhif als auch im Tahāfut an zahlreichen Stellen, daß er keinen Grund sieht, die (neuplatonischen) Auffassungen Ibn Sīnās zu verteidigen. Er stellt dann aber fest, daß die Konsequenz al-Gazālīs, damit einen Angriff auf die Metaphysik überhaupt zu begründen, unberechtigt ist, da Ibn Sīnā ja eben gar nicht die »richtige«, d. h. aristotelische, Metaphysik vertritt. Im Bereich der Philosophie waren die Schriften Ibn Sīnās im 11. und 12. Jhd. die am weitesten verbreiteten und am meisten gelesenen. Der auch für Averroes maßgebliche ausdrückliche Rückgriff auf al-Fārābī in al-Andalus entsprach also nicht den allgemeinen Tendenzen der Zeit. Ibn Sīnā stand für die »modernere« Philosophie, während Averroes – in der Nachfolge Ibn Baffas (→) – zeitgeschichtlich gesehen mit seinem Rückgriff auf die »ursprünglichen« Quellen aristotelischer Philosophie eine »traditionalistische« Position vertrat. Auch die christlichen Übersetzer in Toledo waren mehr an Avicenna als an al-Fārābī interessiert. Sowohl der Canon Avicennas als auch die Suffcientiae wurden ins Lateinische übersetzt und erlangten großen Einfluß. Die Sufficientiae gaben entscheidende Anstöße zur Entwicklung der lateinischen Scholastik, so auch zur Metaphysik des Thomas von Aquin. Der Canon blieb ein Standardwerk der Medizin bis in die Neuzeit hinein. Ibn Tūmart → Almohaden Ibn Tufail Über die Familie Ibn Tufails (um 1110–1185) und seine Ausbildung ist nichts bekannt. Er lebte in Marokko und im arabischen Teil Spaniens. Ibn Tufail war als Arzt in Granada tätig und wurde Leibarzt von Abū YaÝqūb Yūsuf, dem späteren Kalifen. Um 1160 stellte er Averroes dem späteren Kalifen vor und veranlaßte Averroes dann

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auf Anregung von Abū YaÝqūb Yūsuf zu den sog. Mittleren und den Großen Kommentaren der Schriften des Aristoteles. Vgl. Einleitung 1.1. Averroes war aber nicht der Schüler Ibn Tufails. Etwa in der Zeit von 1177–1182 ist Ibn Tufails berühmter philosophischer Roman Hayy ibn Yaqzān (Der Lebende, Sohn des Wachenden) entstanden. 1178 hielt sich Averroes in Marrakesch auf, wo Ibn Tufail als Arzt und Berater des Kalifen tätig war. Es ist anzunehmen, daß Averroes und Ibn Tufail sich bei dieser Gelegenheit getroffen haben und möglicherweise auch über Hayy ibn Yaqzān gesprochen haben. Wenige Jahre später (um 1180) verfaßte Averroes seine Entscheidende Abhandlung. Zwischen den beiden Schriften besteht eine gewisse Übereinstimmung, aber auch die erheblichen Unterschiede sind nicht zu übersehen. Beide Autoren verteidigen die Philosophie gegenüber den Rechtsgelehrten, beide sind der Meinung, daß zwischen Philosophie und Offenbarung in der Sache kein Unterschied besteht und daß die beim wörtlichen Sinn des Korans auftretenden Probleme durch Interpretation behoben werden können (→ TāÞwīl). Wenn aber Ibn Tufail die mystischen Tendenzen al-Gazālīs (→) und Ibn Sīnās (→) positiv aufnimmt und entsprechend schließlich ein sūfīstisch geprägtes Ziel der Philosophie vertritt, so konnte dies ohne Zweifel nicht die Zustimmung von Averroes finden. Vgl. Urvoy 1998, S. 131 f. In einem wichtigen Punkt beschäftigt Averroes sich allerdings mit einem Problem, das auch bei Ibn Tufail vorliegt und unterscheidet sich gleichzeitig von ihm. Beide sind der Meinung, daß das Volk, die »Menge / Masse«, die philosophischen Interpretationen nicht begreifen kann. In Ibn Tufails Erzählung wird aber vom Philosophen der Versuch unternommen, der »Menge« die Wahrheit in der »reinen« begrifflichen Form nahezubringen, dieser Versuch scheitert aber. Bei Averroes hingegen wird in der Entscheidenden Abhandlung ein solcher Versuch von vornherein ausdrücklich verboten und als Unglaube qualifiziert. Vgl. Einleitung 2.5. Averroes erwähnt die Schrift Ibn Tufails Hayy ibn Yaqzān an keiner Stelle (was aber eigentlich auch gar nicht zu erwarten ist). Ob Ibn Tufail und Averroes über ihre an den genannten Punkten verschiedenen Auffassungen gesprochen haben, wissen wir nicht. Das Verhältnis von Averroes und Ibn Tufail blieb jedenfalls stets gut, sonst wäre es kaum erklärlich, daß Averroes 1182 die Nachfolge Ibn Tufails als

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Leibarzt des Kalifen antrat, als Ibn Tufail dieses Amt aus Altersgründen aufgab.

Iiwān as-Safā Der Ursprungsort und die Ursprungszeit der sog. »Brüder der Reinheit« (ijwan as-safa) ist nicht mit Sicherheit feststellbar. Die am ehesten wahrscheinliche Annahme ist, daß es sich um eine Gruppe von islamischen Gelehrten handelte, die im 10. oder 11. Jhd. in Basra lebte. Berühmt geworden sind sie durch 52 Lehrbriefe, die nach Themen geordnet sind: Mathematik, Naturwissenschaft, Psychologie, Metaphysik und Theologie. Der synkretistische Charakter dieser Schriften ist nicht zu übersehen. Die Brüder der Reinheit zogen platonische, aristotelische, neuplatonische und gnostische Schriften heran. Die Bedeutung, die die Emanationslehre und die damit verbundene Lehre der Seinshierarchie bei den Brüdern der Reinheit hat, zeigt die wichtige Rolle, die der Neuplatonismus für sie hatte. Im ganzen verstanden sie ihre Lehren aber als Beiträge zur Erlösung der Seele, was wiederum einen deutlich gnostischen Hintergrund hat. Die islamische Offenbarung ist für sie eine, aber eben nur eine Quelle der »Weisheit«. Ihre Lehrbriefe fanden weite Verbreitung und üben bis heute Einfluß aus. Besonders bei den IsmāÝīliten waren diese Briefe sehr beliebt, die Brüder der Reinheit können aber nicht selbst als IsmāÝīliten angesehen werden. In Spanien waren die Briefe vor allem in Zaragoza seit dem 10. Jhd. bekannt. Der aus Madrid stammende, aber später in Córdoba tätige Astronom und Mathematiker al-Mafrītī (Mitte 10. Jhd. – um 1007) machte diese Briefe auch in Córdoba bekannt. Averroes lehnt in der Entscheidenden Abhandlung eine Popularisierung der Philosophie ausdrücklich ab, die Brüder der Reinheit werden dabei aber nicht erwähnt.

Mālikiten Die in al-Andalus vorherrschende Rechtsschule war die der Mālikiten. Diese Schule wird auf Mālik ibn Anas (zw. 708/715–796)

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zurückgeführt. Mālik lebte in Medina, gesicherte Nachrichten über sein Leben gibt es kaum, das meiste, was von ihm berichtet wird, ist legendenhaft. Er verfaßte den Kitāb al-MuwattaÞ, der das erste überlieferte islamische Rechtsbuch darstellt. Von diesem auf der Niederschrift mündlich vorgetragener Lehren beruhenden Werk gibt es mehrere Versionen mit teilweise verschiedenen Texten. Entwicklungsgeschichtlich gesehen ist dieses Rechtsbuch noch in die Zeit vor dem Entstehen einer eigentlichen Rechtswissenschaft einzuordnen, es zeigt jedoch sehr deutlich, wie in dieser frühen Phase das religiös bestimmte Rechtsdenken alle Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens zu durchdringen begann. Im MuwattaÞ ist die rituelle und juridische Praxis von Medina festgehalten, wie sie der Tradition (→ Hadīu) und dem zur Zeit Māliks in Medina geltenden Konsens (→ ÞIfmāÝ), der auch das dortige Gewohnheitsrecht umfaßte, entsprach. Lag für eine bestimmte Frage keine faktisch anerkannte Norm vor, so entschied Mālik mit eigener Urteilsfindung (→ RaÞy und Iftihād) in einem Ausmaß, das ihm später auch zum Vorwurf gemacht wurde. Mālik gründete selbst keine Schule, eine solche bildete sich mit Bezug auf ihn als »Gründer« erst heraus, als mit den ŠāfiÝten (→) – allerdings auch hier mit der konstruierten Rückführung auf einen »Gründer« – eine echte Schule (madhab) entstanden war. In der Folgezeit wurde eine große Anzahl von Kommentaren zum MuwattaÞ verfaßt. Die mālikitische Schule breitete sich seit dem 8. Jhd. in allen muslimischen Ländern aus, konnte sich aber bleibend und vorherrschend nur im Maghreb und in al-Andalus halten. Vgl. López Ortiz 1931. Die mālikitische Schule zeichnete sich durch eine besondere Härte gegenüber Häretikern aus, die als Störung der gesellschaftlichen Ordnung angesehen wurden und die aus der Gesellschaft ausgestoßen werden sollten. Ebenso feindlich standen die Mālikiten allen selbständigen intellektuellen Tätigkeiten gegenüber, die allesamt als potentiell oder aktuell subversiv angesehen wurden. Aber selbst das Studium des Korans und der Hadīten wurde nicht weiter betrieben, an deren Stelle trat das Studium von kasuistischen Lehrbüchern, in denen ausschließlich Entscheidungen von Einzelfällen (furuÝ) gesammelt wurden. Allerdings ließ die große Zahl der Einzelentscheidungen, deren Sammlung eine umfangreiche Literatur hervorgebracht hatte,

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doch einen gewissen Spielraum für Rechtsgutachter und Richter, der als »selbständige Urteilsfindung« (→ Iftihād ) bezeichnet wurde. Die Rigorosität und Enge der mālikitischen Rechtspraxis wurde auch dadurch etwas »aufgeweicht«, daß in ihr mehr als in anderen Schulen des Rechts auf den Brauch (Ýurf) zurückgegriffen wurde, obwohl dieser nicht als Rechtsquelle galt. Zur Zeit der Umaiyaden und der Almoraviden hatte eine Klasse von mālikitischen Richtern und Rechtsgelehrten in al-Andalus eine beinahe unbeschränkte politische Machtstellung inne, die häufig innerhalb von Familien weiter vererbt wurde. Auch Averroes stammte aus einer solchen Familie, auch wenn diese nur auf zwei Generationen zurückverfolgt werden kann. Der Großvater des Averroes war ein äußerst bedeutender und einflußreicher Richter und Rechtsgelehrter des Mālikismus gewesen und auch der Vater des Averroes war Richter, wenn auch weniger bedeutend als sein Vater. Schon al-Gazālī (→) kritisierte die starre Haltung der Mālikiten, die den Kontakt mit der religiösen Basis des Islam verloren hatten. Ibn Tūmart und die Almohaden (→) waren ausdrückliche Gegner der Mālikiten und beendeten teilweise, aber nicht ausreichend nachhaltig, deren politische Vormachtstellung. In der Auseinandersetzung Ibn Tūmarts mit den Mālikiten spielte auch deren politischer Einfluß bei den Almoraviden eine wichtige Rolle, so daß in der Auseinandersetzung mit diesen deren Mängel oft übertrieben wurden. Die Beschäftigung mit den Prinzipien des Rechts (usul al-fiqh, → Fiqh) in al-Andalus verstärkte sich dann tatsächlich unter den Almohaden, war aber auch schon vorher bei einzelnen Gelehrten vorhanden. Innerhalb dieser, von den Almohaden politisch geförderten Neubesinnung auf die Grundlagen des Rechts ist auch die Tätigkeit von Averroes als Rechtsgelehrter einzuordnen. Die Almohaden bemühten sich aber nicht um eine grundlegende Reform des Rechts, sie begnügten sich mit der Einsetzung von ihnen nahestehenden Richtern und so blieben die Mālikiten weiterhin nicht nur die maßgebliche Schule, sondern verfügten auch über eine erhebliche, nur oberflächlich eingeschränkte politische Machtposition. Schon zur Zeit gegen Ende des Lebens von Averroes gewannen die mālikitischen Richter und Rechtsgelehrten politisch wieder zunehmend mehr Einfluß, nicht zuletzt deshalb, weil die Herrscher de-

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ren Unterstützung – und vor allem deren großen Einfluß auf die »Masse« des Volkes – gegen das immer bedrohlicher werdende militärische Vordringen der Christen benötigten. Die Hauptursache dafür, daß Averroes 1197 in Ungnade fiel, wird von den meisten Forschern in der Gegnerschaft der Mālikiten gegen Averroes gesehen, der als wichtigster Exponent des von ihnen vehement abgelehnten »Intellektualismus« angesehen wurde.

MuÝtaziliten Die MuÝtaziliten sind die Vertreter einer theologischen Bewegung (→ Kalām), die im 8. Jhd. in Basra und Bagdad entstand, wobei Basra das intellektuell wichtigere Zentrum war. Der Name bedeutet »die sich absondern / die beiseite stehen«. Der Ursprung des Namens ist nicht eindeutig geklärt. Vermutlich sollte damit eine Gruppe bezeichnet werden, die theologisch-politisch »beiseite« stand, die also gegenüber den sich bekämpfenden Parteiungen eine unabhängige, neutrale Position einnehmen wollte (was aber dann faktisch nicht zutraf ). Als Gründer wird Wāsil ibn ÝAtā (699/700–748) genannt. Der erste bedeutende Vertreter, der dieser Gruppe die Richtung vorgab, war Abū al-Hueail al-ÝAllaf (um 750–840/850), der seit 818 in Bagdad tätig war. Ebenso wichtig war dessen Schüler an-Nazzam (gest. 835/845). Unter der Herrschaft des Kalifen al-MaÞmūn (reg. 813–833) wurde die Lehre der MuÝtaziliten zur offiziellen Staatsdoktrin erklärt, die in sehr intoleranter Weise durchgesetzt wurde, so wurde u. a. die mihna, eine Art Inquisition, eingeführt, die zahlreiche Opfer forderte. Im Jahre 849 beendete aber der Kalif al-Mutawakkil (reg. 847–861) diese Vorherrschaft der MuÝtaziliten und deren politischen Einfluß. Als theologische Bewegung bestand die MuÝtazila aber weiter und gewann auch Einfluß in der šīÝitischen und ismāÝīlitischen Theologie. Das vermutlich umfangreichste Werk muÝtazilitischer Theologie ist erst im 10. und zu Beginn des 11. Jahrhunderts von ÝAbd al-Fabbār (um 935–1025) verfaßt worden. Allerdings konnten die MuÝtaziliten nicht vermeiden, daß sie – vor allem bei den einfachen Gläubigen – den Eindruck erweckten, eine Lehre zu vertreten, die nur durch manchmal recht künstliche und gezwun-

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gene Interpretationen mit dem Koran verbunden zu sein schien (→ TāÞwīl), sodaß der, letztlich allerdings nicht gerechtfertigte Verdacht entstand, daß sie die Offenbarung im Koran doch nicht wirklich für unentbehrlich hielten. Als eigenständige Schule konnten sie sich daher auf die Dauer nicht halten. Die sunnitischen AšÝariten (→), die wichtige Lehrstücke und Argumentationsweisen der muÝtazilitischen Lehre übernommen hatten, verdrängten dann die MuÝtaziliten im theologischen Bereich und die Hanbaliten (→) verdrängten sie im juridischen Bereich. Zahlenmäßig waren die MuÝtaziliten nie, auch nicht in ihrer Blütezeit, bedeutend. Die Lehren der MuÝtaziliten blieben aber – wenn auch oft nur als abgelehnte – weiter erhalten und haben den gesamten Kalām (→) geprägt. In al-Andalus gab es keine MuÝtaziliten und Averrroes führt die MuÝtaziliten zwar als eine der wichtigen Schulen des Kalām an (Manāhif, S. 28, Faith and Reason, S. 17), geht aber auf deren Lehren nur selten ein und sagt selbst, daß er bei einigen ihrer Lehren kaum über Nachrichten verfügte (Manāhif, S. 42, Faith and Reason, S. 32 f.). Wie Averroes im § 43 der Entscheidenden Abhandlung feststellt, hält er zwar einige der metaphorischen Koran-Interpretationen der MuÝtaziliten für besser als die der AšÝariten, ist aber mit der Praxis der MuÝtaziliten, solche Interpretationen auch dem Volk mitzuteilen, grundsätzlich nicht einverstanden. In den Auffassungen Ibn Tūmarts und entsprechend in denen der Almohaden (→) gibt es ohne Zweifel Elemente, die der rationalistischen Grundtendenz der MuÝtaziliten nahestehen, ohne daß jedoch ein historischer Zusammenhang nachweisbar wäre. Auch bei Averroes stellt sich die Frage, ob er sich der Nähe einiger seiner Auffassungen zu denen der MuÝtaziliten bewußt war. Die MuÝtaziliten werden häufig als »Rationalisten« bezeichnet, was eine gewisse Berechtigung hat. Es ist aber dabei zu berücksichtigen, daß sie in keiner Weise die Offenbarung durch die Vernunft ersetzen wollten, sie verstanden sich vielmehr als Theologen, die die wahre Interpretation des Korans gefunden hatten, die allerdings mit den Vernunfterkenntnissen übereinstimmt. Es ist auch nicht zu übersehen, daß ihre Bemühungen um Rationalität in einem kulturellen Kontext standen, in dem auch die griechische Philosophie größere Bedeutung gewann. Es kommt sicher nicht von ungefähr, daß al-MaÞmūn auch der wichtigste Förderer der Übersetzung von

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Texten griechischer Philosophie ins Arabische war. Es war dies eine Periode, in der vieles auch bei der Interpretation des Korans und der Rolle der Hadīuen noch nicht festgelegt war und auch die Rolle der Philosophie in der islamischen Kultur erst einmal gefunden werden mußte. Die MuÝtaziliten kannten zwar die griechische Philosophie, ihr Rationalismus beruhte aber vermutlich nicht in der Übernahme »fremder« Konzeptionen, sondern stellte eine eigenständige philosophische Entwicklung dar, die auf die besonderen Voraussetzungen der islamischen Kultur bezogen ist. Vgl. Hourani 1985, S. 67–97. Die zentrale Lehre der MuÝtaziliten war die von der Einheit Gottes, weshalb die Interpretation der Attribute Gottes die – berechtigterweise – für den gesamten späteren Kalām entscheidende Frage wurde, die auch für die Methodologie islamischer Theologie maßgeblich wurde. Durch Attribute wie »Weisheit«, »Güte«, »Gerechtigkeit«, aber auch »Sehen« oder »Hören« durfte keinerlei Vielheit im Wesen Gottes ausgesagt werden. Die Vielheit der Attribute bringt also nur die Vielheit und eigentlich die Beschränktheit der menschlichen Erkenntnis zum Ausdruck, für die das Wesen Gottes letztlich unfaßbar ist. Dies aber hatte zur Konsequenz, daß die sehr zahlreichen anthropomorphen Ausdrücke zur Beschreibung Gottes und seiner Tätigkeiten, die im Koran verwendet werden, als Metaphern interpretiert werden mußten (→ TāÞwīl ). Die Abstraktheit dieses Gottesbegriffs und die »Entleerung« vieler Ausdrücke des Korans konnte allerdings dem »frommen Bedürfnis« der Mehrzahl der Gläubigen nicht Genüge tun. Eine weitere Konsequenz, die sich letztlich aus der Attributenlehre ergab, war die, daß der Koran nach Auffassung der MuÝtaziliten zwar auf die Weisheit Gottes zurückgeführt werden konnte, er aber in keiner Weise in ein Attribut Gottes selbst »hineingetragen« werden durfte. Die einzige Möglichkeit war es daher, den Koran als »geschaffen (majluq)« zu bezeichnen. Diese Auffassung schien aber dem »frommen Bedürfnis« auch wieder nicht zu genügen, da damit eine Beschränkung der Würde des Korans ausgedrückt zu sein schien. Die Frage der »Erschaffenheit« oder »Unerschaffenheit« des Korans spielte schon wegen ihres klar alternativen Charakters eine strategisch wichtige Rolle. Als daher der Kalif al-Mutawakkil im Jahre 849 die Lehre von der Unerschaffenheit des Korans offiziell

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anerkannte und öffentlich durchsetze, war die Zeit der Vorherrschaft der MuÝtaziliten beendet. Letztlich hängt auch die von den MuÝtaziliten vertretene Annahme des freien Willens des Menschen mit dem »reinen« Gottesbegriff der muÝtazilitischen Lehre zusammen. Gott muß von allen Unvollkommenheiten frei gehalten werden. Da die Unvollkommenheiten im menschlichen Bereich, also die bösen Taten, eine Ursache haben müssen, kann diese nur in einem von Gott unabhängigen Bereich – unter Ausschluß aller dualistischen, der Einsheit und Einheit Gottes widersprechenden Vorstellungen – , also im freien Willen des Menschen, gefunden werden. Dann aber müssen entsprechend auch die guten Taten vom freien Willen des Menschen abhängen. Und daraus wiederum ergibt sich, daß das ewige Schicksal des Menschen nicht nur von seinem Glauben, sondern auch von seinen guten oder bösen Taten abhängen muß. Die MuÝtaziliten nahmen also eine Art »Werkgerechtigkeit« an, was allerdings wiederum in Widerspruch zu der Auffassung von der Allmacht Gottes und der Prädestination zu stehen schien, wie diese in vielen Aussagen des Korans zum Ausdruck kommen (→Iitiyār). Also hatten auch an diesem Punkt viele Muslime den Eindruck, daß die MuÝtaziliten letztlich die Lehren des Korans nicht ganz ernst nahmen. Es war daher zu erwarten, daß sich eine Richtung herausbilden würde, die die theologisch legitimen Fragen der MuÝtaziliten aufnahm und auch der Vernunft eine »angemessene« Rolle zuerkannte, die aber gleichzeitig dem Glauben und der Frömmigkeit der einfachen Gläubigen und auch dem Wortlaut des Korans mehr Rechnung trug. Diese Aufgabe erfüllten die AšÝariten (→), deren Begründer selbst zunächst MuÝtazilit gewesen war. Daß sich dabei »Kompromißlösungen« ergaben, die hinter der Rationalitätsforderung der MuÝtaziliten zurückblieben und sich in mancher Hinsicht dem Literalismus der Hanbaliten (→) näherten, war ebenso zu erwarten. Originaltexte der MuÝtaziliten sind erst im 20. Jhd. im Rahmen einer – allerdings nicht sehr weit gehenden – Neubewertung des MuÝtazilismus ediert worden. Das große Werk al-Fabbārs wurde erst 1950 entdeckt. Die Darstellung der Lehren der MuÝtaziliten beruhte also für eine sehr lange Zeit (und vermutlich schon bei Aver-

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roes) nur auf den Berichten von Gegnern, was allerdings nicht bedeutet, daß diese Berichte notwendigerweise entstellt sind.

ŠāfiÝiten Aš-ŠāfiÝ (767–820) kann als der Begründer, nicht aber als der Gründer der šāfiÝitischen Rechtsschule angesehen werden, was allerdings für fast alle »Gründer« der islamischen Rechtsschulen gilt (→ Fiqh). Aš-ŠāfiÝ hatte den Vorteil, aus einer Familie zu stammen, die sich entfernter Verwandtschaft mit dem Propheten rühmen konnte. Nach der üblichen Ausbildung begab er sich nach Medina zu Mālik Ibn Anas (→ Mālikiten) zur Vervollständigung seiner Studien des Rechts, trennte sich dann aber von diesem. Aš-ŠāfiÝ bestritt, daß eine einzelne lokale Überlieferung – und nicht einmal die der Prophetenstadt Medina, auf die sich die Mālikiten beriefen – als die einzige für die Tradition der Praxis des Propheten geltende angesehen werden könne und dürfe. Es handelt sich bei aš-ŠāfiÝ also um eine Art »historisch-kritische« Grundauffassung, nach der eine einzelne Überlieferung nicht schon von sich aus und ohne genauere Prüfung als gesicherte Rechtsgrundlage angenommen werden darf. Wegen dieser – allerdings nur durch Nachfolger überlieferten – Kritik an der mālikitischen Lehre wurde er das Ziel einer Polemik dieser Schule gegen seine Auffassungen und seine Person. Aš-ŠāfiÝ traf auch einen weiteren bedeutenden Rechtsgelehrten, Ibn Hanbal, auch wieder einen »Gründer« einer Rechtsschule (→ Hanbaliten), scheint aber mit diesem keine näheren Kontakte gehabt zu haben. Schließlich ließ er sich in Ägypten nieder, wurde dort zunächst auch als Schüler Ibn Māliks gut aufgenommen, wurde aber wegen seiner von Ibn Mālik abweichenden Auffassungen dann Ziel der Kritik der ägyptischen Mālikiten. Nichtsdestoweniger war die Periode seiner Tätigkeit in Ägypten die erfolgreichste seines Lebens. In Ägypten verfaßte er auch sein Hauptwerk, die Risāla. Die Bedeutung aš-ŠāfiÝs liegt in der Begründung des Rechts, und es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn festgestellt wird, daß er die Lehre von den Quellen des Rechts (usul al-fiqh) eigentlich erst geschaffen und zum Rang einer Wissenschaft erhoben hat (→ Fiqh). Aš-ŠāfiÝ suchte

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einen Mittelweg zwischen den strengen Traditionalisten (→ Hanbaliten, Mālikiten), und jenen, die der eigenen Urteilsfindung einen großen Spielraum ließen (→ Hanafiten). Aš-ŠāfiÝī ist der bedeutendste Theoretiker des islamischen Rechts. Für die Ableitung von Rechtsnormen aus solchen im Koran und in der Sunna (→ Qiyās (1)) forderte er strenge Regeln, ebenso für den Konsens als Bestätigung des Rechts (→ IfmāÝ). Die in den Hadīuen enthaltene Überlieferung erhält mit aš-ŠāfiÝī jene entscheidende Rolle, die für die sunnitische Rechtsauffassung kennzeichnend werden sollte. Besonders rigoros war aš-ŠāfiÝī – in deutlichem Unterschied etwa zu Abū Hanīfa – bei der Forderung der Kenntnis des Arabischen für alle das Recht betreffenden Fragen. Das Arabische ist die Sprache der Offenbarung und ohne dessen Kenntnis können die Feinheiten des Rechts, z. B. die Unterscheidung allgemeingültiger und situationsabhängiger Bestimmungen, überhaupt nicht erfaßt werden. Und da der Prophet zu allen Menschen gesandt ist, müßten im Prinzip alle Menschen das Arabische erlernen. Mit aš-ŠāfiÝī beginnt allerdings die Rechtswissenschaft sich gegenüber der richterlichen Praxis und damit gegenüber der historischen und gesellschaftlichen Realität zu verselbständigen und diese manchmal aus dem Blick zu verlieren. Die Lehre von den Quellen des Rechts (usul al-fiqh) hat auch praktisch nur wenig Einfluß innerhalb der Gerichtspraxis erlangt. Aš-ŠāfiÝīs Interessen galten dem Recht (fiqh), nicht der islamischen Theologie (kalam). Spätere Traditionen suchten ihn mit der hanbalitischen oder der ašÝaritischen Theologie in Verbindung zu bringen, diese Verbindungen sind aber kaum durch die Schriften ašŠāfiÝīs zu stützen, sondern dienten eher späteren Versuchen der Legitimierung theologischer Positionen durch eine anerkannte Autorität des Rechts. Bei der engen Beziehung von Recht und Theologie in der islamischen Kultur ergab sich selbstverständlich nicht selten, daß ein bedeutender Jurist auch ein bedeutender Theologe war, wobei faktisch bestimmte Koinzidenzen von Rechts- und KalāmSchulen zu beobachten sind. Bedeutende Vertreter des šāfiÝtischen usul al-fiqh waren gleichzeitig auch ašÝaritische Theologen, also Vertreter des Kalām, die bekanntesten derselben sind al-Fuwainī (→ AšÝariten) und dessen Schüler al-Gazālī (→), die beide von Averroes in der Entscheidenden Abhandlung genannt werden. Es besteht

Personen

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zwar eine Nähe šāfiÝtischer Rechtslehre und ašÝaritischer Theologie, diese schließt aber andere Verbindungen nicht aus. Es gab unter den ŠāfiÝten auch einige, wenn auch nur wenige, MuÝtaziliten (→), aber auch einige, die islamische Theologie (kalam) als Disziplin neben dem Recht überhaupt ablehnten. Auch zu den Sūfīs (→) hatten die ŠāfiÝten im allgemeinen gute Beziehungen, wofür auch wieder al-Gazālī das bekannteste Beispiel ist. Die ŠāfiÝten waren in Ägypten und Syrien sehr einflußreich, waren aber auch im Hifāz, in Mekka und Medina vertreten. Auch in Bagdad, wo alle Rechtsschulen vertreten waren, waren sie gut repräsentiert. Im Chorasan waren sie lange Zeit in der Überzahl, wurden aber im 12. Jhd. von den Hanafiten zurückgedrängt. Im Maghreb und in al-Andalus hatte sie nur wenige Anhänger, ihre Lehren waren aber durch Rechtsgelehrte, die an anderen Orten studiert hatten, auch dort bekannt.

Sūfī Die Sūfīs erhielten ihren Namen von suf, dem Wollgewand, das die Asketen im Irak, in Ägypten und in Ostpersien trugen. Die Sūfīs selbst führten den Ursprung ihrer Bewegung selbstverständlich auf Muhammad und einige seiner Gefährten zurück. Historisch greifbar wird die Bewegung im 8. Jhd. und ihre Entstehung hat auch etwas mit den politischen Verhältnissen zu tun. Die Umaiyaden-Kalifen, die bis zum Jahre 750 an der Herrschaft waren, zeichneten sich durch eine recht unreligiöse Haltung aus, was eine herrscherfeindliche Reaktion der »Frommen« provozierte, ein Charakterzug, der bei den Sūfīs auch später erhalten blieb. Ein Vertreter dieser frühen, stark asketischen und weltabgewandten Sūfī-Bewegung war Hasan al-Basrī (gest. 728). Seit der Zeit der Abbasiden, die ihre Herrschaft mit ausgeprägt religiösen Zielen angetreten hatten, ergab sich ein weiterer Faktor, der eine Gegenbewegung der »Frommen« hervorrief bzw. verstärkte: Es bildeten sich jetzt die islamischen Rechtsschulen aus, und die juristische Praxis führte oft zu einem starren Legalismus, der dem Bedürfnis der »Frommen« nicht entsprach. In die Zeit der Abbasiden fällt auch der Kontakt mit christlichen Ere-

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miten im Irak, auch alte persische, zoroastrische Traditionen wurden wieder lebendig und es gab sogar Berührungen mit buddhistischen Gruppen. Schon in dieser frühen Zeit waren die Sūfīs besonders zahlreich unter den ŠīÝiten zu finden. Für die persischen Sūfīs des 9. Jahrhunderts war vor allem Abū Yazīd al-Bistāmī (gest. 874) das große Vorbild. Der bekannteste Mystiker der frühen sūfīstischen Bewegung ist al-Hallāf (857–922), der auch wieder aus Persien stammte. Der persische Anteil an der Sūfī-Bewegung ist somit unübersehbar, und die persische Kultur war eben eine andere als die arabische, aus der der Islam ursprünglich stammte. Die Schriften alHallāfs haben den Interpreten größte Schwierigkeiten bereitet. Von ihm stammen Aussprüche wie: »Ich bin der, den ich lieb’; Er, den ich liebe, ist ich, zwei Geister, doch in einem Leibe.« (A. Schimmel, Gärten der Erkenntnis. Das Buch der vierzig Sūf ī-Meister, Düsseldorf 1985, S. 52) Solche Sätze haben verständlicherweise dazu geführt, von Pantheismus zu sprechen. Die philosophische Interpretation bleibt aber schwierig, schon deshalb, weil die frühen Sūfīs ohne eine ersichtliche Beziehung zur Philosophie einfach ihre Frömmigkeit lebten und diese dichterisch zum Ausdruck brachten. Dies änderte sich im 10. Jahrhundert mit al-Gazālī (→), der der Überzeugung war, daß die Mystiker die Antwort auf jene Fragen geben, die die Philosophen eigentlich nicht einmal richtig zu stellen in der Lage sind. Er versuchte also, diese Fragen philosophisch richtig zu stellen und die Antworten der Mystik zu formulieren, womit eine Beziehung zwischen beiden Bereichen hergestellt war. Aber auch der philosophisch bestens geschulte al-Gazālī, inzwischen ja selbst Sūfī geworden, sah sich genötigt, den eben zitierten Ausspruch von al-Hallāf einschränkend zu kommentieren und schließlich zuzugeben, daß eine adäquate Erklärung kaum möglich war: Als sie (die Gnostiker) aus ihrem Rausch erwachten und ihr Verstand, der der Maßstab Gottes auf Erden ist, wieder Besitz von ihnen ergriff, erkannten sie, daß dies nicht die wahrhaftige Identität (mit Gott) ist, sondern ihr lediglich nahe kommt […]. Dieses wird in bezug auf denjenigen, der sich in diesem Zustand befindet, im metaphorischen Sinne »Identität« oder in der Sprache der Realität »Vereinigung« genannt. Hinter diesen Wahrheiten stehen Geheim-

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nisse, deren Erklärung jedoch sehr weit führen würde. (Al- Gazālī, Die Nische der Lichter, S. 24 f.)

Es gab in al-Andalus eine lange Tradition mystischer Tendenzen, die aber im allgemeinen in Gegensatz zu der dort vorherrschenden mālikitischen Rechtsschule (→ Mālikiten) standen. Wichtige Vertreter waren Ibn al-ÝArīf (1088–1141) und Ibn Barrafān (1. Hälfte 12. Jhd.), die sich auf den alten gnostisch-neuplatonischen Meister Ibn Masarra (883–931) stützten. Verstärkt wurde diese Tendenz dann durch die Schriften al-Gazālīs. Die bedeutendste SūfīSchule in al-Andalus im 12. Jhd. war in Sevilla. Sie war von Ibn alMufāhid (1090–1178) gegründet worden. Vgl. Urvoy 1990, S. 169 f. Im Umkreis der rationalen almohadischen Theologie (→ Almohaden) war eigentlich kaum viel Platz für Mystik, was aber die Ausbreitung sūfīstischer Tendenzen nicht verhindern konnte. Der für die Verbreitung der Sūfīs in al-Andalus entscheidende Mystiker war der in der Nähe von Sevilla geborene Abū Madyan (1126–1197), dessen Lebensdaten sich also fast genau mit jenen des Averroes decken. Abū Madyan hatte im Osten die Lehren und Methoden al-Gazālīs und anderer Mystiker erlernt und ließ sich nach seiner Rückkehr im Maghreb nieder. Er war weniger durch Schriften, sondern mehr durch sein Beispiel und seine Lehrtätigkeit einflußreich, sodaß auch der Almohaden-Herrscher Yūsuf YaÝqūb al-Mansur auf ihn aufmerksam wurde und ihn an seinen Hof in Marrakesch einlud. Auch der am Hof der Almohaden lebende Ibn Tufail (→) war eindeutig von Lehren der Sūfīs beeinflußt. Der bedeutendste Sūfī des 12./13. Jahrhunderts und möglicherweise der bedeutendste Sūfī überhaupt kam auch aus al-Andalus. Es war Ibn ÝArabī (1165–1240), also ein jüngerer Zeitgenosse des Averroes. Ibn ÝArabī wollte in irgendeiner Weise am Prestige des Averroes teilhaben. Und so berichtet er von einer Begegnung mit Averroes, der mit Ibn ÝArabīs Vater befreundet war. Diese Begegnung müßte um 1184 stattgefunden haben. Vgl. die französ. Übersetzung dieses Berichts in H. Corbin, L’imagination créatrice dans le soufisme d’Ibn ÝArabī, Paris 1958, S. 39 f. Ibn ÝArabī stellt diese Begegnung allerdings so dar, als ob dabei eine durch ihn veranlaßte »Bekehrung« des Averroes zur sūfīstischen Mystik oder jedenfalls eine Anerkennung deren höherer Erkennt-

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nisweise stattgefunden habe. Diese Begegnung könnte stattgefunden haben, die Darstellung, die Ibn ÝArabī davon gibt, ist aber völlig unglaubwürdig. Vgl. Urvoy 1990, S. 195. Der Muslim Averroes respektierte zwar die Sūfīs, bestritt aber, daß der Weg der Sūfīs der vom Koran vorgesehene Weg des Glaubens für alle Menschen sei, und der Aristoteliker Averroes konnte deren »höhere Erkenntnisse« nicht als nachweisbare Erkenntnisse akzeptieren. Averroes wußte aber, daß sich die Sūfīs zu seiner Zeit in al-Andalus großer Beliebtheit erfreuten und äußerte sich daher im Manāhif eher vorsichtig: Was die Sūfīs betriff t, so sind ihre Methoden nicht spekulativ [besser : vernunftgemäß], das heißt, sie bestehen nicht aus Prämissen und Syllogismen: sie behaupten, daß die Kenntnis Gottes und der anderen existierenden Wesen nur etwas sei, was die Seelen erlangen, wenn sie sich von den Hindernissen, die aus den Leidenschaften entstehen, losmachen und durch den Gedanken zu dem Objekt ihres Strebens vorangehen. Um dies zu bewahrheiten, rekurrieren sie auf den Wortlaut vieler Stellen des Korans. […] Wir aber behaupten, daß diese Methode, wenn wir auch ihre Existenz zugeben, doch nicht für die Menschen, insofern sie Menschen sind, allgemein ist; und wenn diese Methode für die Menschen beabsichtigt wäre, so würde die Methode der Spekulation [besser : Vernunftüberlegung] aufgehoben und für den Menschen bloß ein Tand sein, während doch der ganze Koran nur Aufforderung zur Spekulation [besser: Vernunftüberlegung] und Reflexion ist und auf die Methoden der Spekulation aufmerksam macht. (Manāhif, S. 42, Faith and Reason, S. 32)

Averroes akzeptiert zwar die asketische Praxis der Sūfīs als nützliche Voraussetzung von Erkenntnis, lehnt aber die Auffassung, daß dadurch selbst Erkenntnis erreicht würde, ausdrücklich ab (Manāhif, S. 42, Faith and Reason, S. 32).

2 . S ACH BE GR I F F E

Überblick Begriffsbildung / Zustimmung → Tasawwur / Tasdiq Fürsorge (göttliche) → ÝInaya Glückseligkeit → SaÝada Interpretation → TaÞwil Konsens → IfmaÝ Neuerung (unzulässige) → BidÝa Recht → Fiqh Schlußfolgerung → Qiyas Sittlichkeit → ÞAjlaq Theologie (islamische) → Kalam Überlieferung → Hadiv Überzeugung / Meinung → RaÞy / Zann Unvergleichbarkeit des Korans → IÝg˘az Urteilsfindung (selbständige) → Ig˘tihad Willensfreiheit → Ijtiyar

ÞAjlaq (Sittlichkeit) Averroes stellt im § 10 der Entscheidenden Abhandlung »gesetzesentsprechend« und »sittlich« nebeneinander, es handelt sich aber dabei nach der Auffassung des Averroes nicht um Synonyme, sondern um zwei Aspekte der Handlungen, die voneinander unterschieden werden müssen. Der Ausdruck »sittlich« (julqi) steht im Zusammenhang einer Ethik (Þajlaq, Pl. von julq), die auf traditionellen oder auf griechisch-philosophischen Grundsätzen aufgebaut sein konnte. Mit dem Stichwort Þajlaq, das hier mit »sittliche Haltung« wiedergegeben wird, ist die sehr vielschichtige – bis heute noch

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nicht umfassend geschriebene – Geschichte der islamischen Ethik angesprochen, die erst im 11. Jhd. zu einem gewissen Abschluß gelangte. Vgl. dazu EI2 I, Sp. 325 b–329 a. Es sind zwei Problemkreise zu unterscheiden, die aus dem Einfluß aus verschiedenen Kulturkreisen herrühren. Maßgeblich für den allgemeinen Rahmen war selbstverständlich der Koran, eine vielleicht aber noch wichtigere Rolle spielten die Hadīuen (→). In diesen Rahmen wurden vorislamische, vor allem in der altarabischen Dichtung weiter lebendige Traditionen eingebaut, dann wurden aber auch Elemente der persischen Ethik einflußreich. Einen wichtigen Anstoß zur systematischen Auseinandersetzung mit Fragen der Ethik lieferte die Diskussion der Lehren der MuÝtaziliten (→) und deren Betonung der individuellen Verantwortung für sittliche Handlungen (→ Iitiyār). Durchgesetzt hat sich dann aber die Auffassung der AšÝariten (→). Die Ethik-Auffassung der sunnitischen »Orthodoxie« fand dann im 9. Jhd. ihren maßgeblichen Ausdruck in den Schriften Ibn Qutaybas (828–889) zum adab, womit die Literatur zu allgemeiner, »humanistischer« Bildung gemeint ist. Eine ganz andere Entwicklung wurde durch die Begegnung mit der griechischen Philosophie angestoßen. Maßgeblich waren dabei vor allem die Politeia Platos (die jedenfalls in Exzerptform bekannt war), die Nikomachische Ethik des Aristoteles und einige kleinere Schriften Galens, und nicht zuletzt spätantike Schriften populärer Art. Das wichtigste und einflußreichste Werk dieser griechisch-philosophisch ausgerichteten Ethik war Miskawayhs (932–1030) Taheīb al-Þailāq (The Refinement of Character), das auch von al-Gazālī in seiner Schrift Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften ausgiebig verwendet wurde. In dieser Schrift ist auch der seit dem 9. Jhd. wirksame Einfluß sūfīstischen Gedankenguts verarbeitet (→ Sūf ī). In den zahlreichen Schriften zu Þajlaq im Sinne griechischer Philosophie wird immer von einer grundsätzlichen Übereinstimmung islamischer und griechischer Ethik ausgegangen, was im Grunde alles andere als evident ist. Vgl. auch Einleitung 2.6. Die Auffassung des Averroes, daß sittliche Urteile über »gut« und »böse« auf rationalen Überlegungen gegründet seien und nicht nur auf göttliche Befehle bzw. Verbote, ist eine muÝtazilitische Lehre, die weder bei den AšÝariten noch auch in irgendeiner islamischen

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Rechtsschule akzeptiert wurde. Im Manāhif stellt Averroes dazu fest: Die AšÝariten haben über Unrecht und Gerechtigkeit bezüglich Gottes eine Ansicht, die sich ebenso von dem Verstande als von der Religion entfernt, aufgestellt. […] nach ihrer Behauptung wird das diesseitige Wesen mit Gerechtigkeit und Unrecht qualifiziert, bloß deswegen, weil es in seinen Handlungen von dem religiösen Gesetz beherrscht wird, so daß, wenn der Mensch etwas nach dem Gesetz Gerechtes tut, er gerecht ist, und wenn er etwas tut, das das Gesetz für Unrecht erklärt, er ungerecht ist. Sie sagen weiter: Wenn jemand nicht verantwortlich ist und nicht unter der Herrschaft des Gesetzes steht, so exisitert für ihn keine Handlung, welche gerecht oder ungerecht wäre; ja seine Handlungen sind alle gerecht; und sie sind gezwungen zu sagen, daß es hier nichts gebe, was an und für sich gerecht oder ungerecht wäre. Denn die Gerechtigkeit ist selbstverständlich gut und die Ungerechtigkeit schlimm. (Manāhif, S. 113, Faith and Reason, S. 115)

Averroes stand mit dieser seiner Auffassung in seiner Zeit so ziemlich allein – Ibn Tufail (→) hätte ihm zugestimmt –, da diese Frage jedoch nicht im Zentrum der Diskussion zwischen Vertretern der islamischen Theologie und den Philosophen stand, vermied Averroes es, aus dieser wichtigen Frage einen öffentlichen Diskussionspunkt zu machen. Averroes war allerdings – entsprechend seiner generellen These in der Entscheidenden Abhandlung – überzeugt, daß »gut« und »böse« im Sinne der »Alten«, also der griechischen Philosophen, und im Sinne des islamischen Gesetzes übereinstimmten. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 93, On Plato’s »Republic«, S. 81. Zur gesamten Problematik von »gut« und »böse« bei Averroes vgl. Hourani 1962.

Bid Ýa (unzulässige Neuerung)

Mit bidÝa wird eine Überzeugung oder eine Praxis bezeichnet, die nicht auf die Zeit des Propheten zurückgeht. Eine Neuerung kann im Prinzip »gut« oder »schlecht« sein. Eine Neuerung stellt daher

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häufig, aber nicht notwendigerweise eine ketzerische Neuerung dar. Faktisch wird bidÝa aber hauptsächlich für »unzulässige Neuerungen« gebraucht. Begriff und Vorstellung von bidÝa haben es jedoch mit dem Problem zu tun, daß unzulässige Neuerungen nicht wirklich am Koran, sondern hauptsächlich an der Sunna, also an der Überlieferung (hadiv) gemessen wurden, und diese Überlieferungen selbst in ihren Qualifikationen umstritten waren, was den HadīuGelehrten auch durchaus bewußt war (→ Hadīu). Nagel 1988, S. 86, sagt zu Recht über bidÝa: »das Wort war von einer gefährlichen – oder auch nützlichen – Unschärfe«. Vgl. auch Art. BidÝa in EI2 I, Sp. 1199 a – b. Der Vorwurf »unzulässiger Neuerungen« wurde in den Auseinandersetzungen und Polemiken der verschiedenen Schulen des Rechts und der Theologie sehr häufig erhoben und stellte die letzte Stufe vor dem Vorwurf des »Unglaubens« (kufr) dar. In seiner Auseinandersetzung mit den Philosophen wirft z. B. al-Gazālī im Erretter aus dem Irrtum, S. 24, al-Fārābī und Ibn Sīnā (Avicenna) vor, bei zwanzig Fragen zu irren, wobei die beiden bei drei Fragen als Ungläubige und bei den siebzehn übrigen als ketzerische Erneuerer zu bezeichnen seien. Im ganzen der islamischen Kultur in den verschiedensten Bereichen zeigt sich die Tendenz, daß der wachsenden Furcht, dem Vorwurf »unerlaubter Neuerungen« ausgesetzt zu werden, die abnehmende Bereitschaft entspricht, eine eigene, selbständige Urteilsfindung zu unternehmen (→ Iftihād), was zu einer zunehmenden Immobilität führen mußte. Zur Zeit des Averroes war diese Entwicklung schon ziemlich fortgeschritten. Averroes muß sich in der Entscheidenden Abhandlung § 4, Abs. 3, mit dem Vorwurf auseinandersetzen, die Beschäftigung mit Philosophie überhaupt sei eine solche unzulässige Neuerung, wogegen er sich mit einem Analogieschluß entsprechend dem Gebrauch von Schlußfolgerungen im Recht (→ Qiyās (1)) verteidigt.

Fiqh (Recht)

Das Recht spielt im Islam eine Rolle, die überhaupt nicht überschätzt werden kann. Eigentlich sollte man gar nicht von einer »Rolle« des Rechts im Islam sprechen, denn im geoffenbarten Ge-

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setz (šariÝa) kommt die Absicht Gottes in Hinsicht auf den Menschen und die gesamte Schöpfung zum Ausdruck, der Islam ist nichts anderes als die Unterwerfung unter dieses Gesetz, und das Recht (fiqh) ist nichts anderes – so jedenfalls im Selbstverständnis der Rechtsgelehrten – als die konkrete Ausformulierung dieses Gesetzes. Der zentrale Begriff, der dies zum Ausdruck bringt, ist taklif, den Averroes im § 23 der Entscheidenden Abhandlung verwendet und der dort als »Rechtsverpflichtung« übersetzt wird, womit jedoch die zugleich theologische und juristische Dichte dieses für den islamischen Glauben zentralen Begriffs nur sehr unzureichend zum Ausdruck kommt. T. Nagel 2001, S. 12, stellt zu taklif, das er als »Belastung« wiedergibt, fest: »Die Belastung ist […] der letzte Grund für die Existenz des Rechts mit seinen vielfältigen Vorschriften; ein jenseits ihrer liegender läßt sich nicht mehr feststellen, denn der Mensch müßte dazu die verborgenen Motive des göttlichen Ratschlusses enträtseln. Die Belastung mit dem Gesetz bildet zugleich die eine Grundbefindlichkeit des Menschen als des mit Verstand begabten Geschöpfes Gottes, von der aus das gesamte Dasein gedeutet werden muß. […] Das Gesetz stellt sich daher als der Inbegriff dessen dar, was Gott mit seinem Schöpfungswerk im Sinn hat.« Die Vorstellung, daß alle Bereiche des Lebens in irgendeiner Weise durch die Bestimmungen des Korans geregelt seien, setzte sich jedoch erst im 8. Jhd. durch und wurde dann in die früheste Zeit zurückdatiert. Die Ausbildung rechtlicher Strukturen geht (wie im Judentum und im Christentum) allerdings schon auf die früheste Gemeindebildung zurück, wo Fragen des korrekten Kultes, der Ordnung der Familie, des Besitzes, des Handels usw. und – diese Fragen übergreifend – der Gemeindeführung geregelt werden mußten. Dieser Vorgang spielte sich auch in der Gemeinschaft der Gefährten des Propheten in Medina und in der unmittelbaren Nachfolge Muhammads ab. Auch Streitfälle sollten dem Propheten vorgelegt werden (vgl. Sure IV, 59). Religiöse, politische und rechtliche Autorität waren hier in einer Person vereint. Eine Trennung der Funktionen des Herrschens und der Rechtsprechung bildete sich erst in der Zeit der frühen Umaiyaden aus. Da der Rechtsprechende (al-qadi) jedoch nicht gesetzgebend ist, stellt sich seit dieser Periode die Frage nach den Prinzipien des Rechts, was mit der Zeit

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zur Entwicklung der Disziplin der Grundlagen des Rechts (Þusul al-fiqh) führen mußte. Auch theologische Fragen werden letztlich unter dem Gesichtspunkt des Rechts gesehen. So ist z. B. »Unglaube« (kufr) in erster Linie eine Kategorie des Rechts (vgl. Entscheidende Abhandlung § 15). Der Grundgedanke, der von aš-ŠāfiÝī (→ ŠāfiÝiten) klar formuliert wurde, ist der, daß jede Handlung eines Gläubigen durch das Recht bestimmt ist, also letztlich einer Beurteilung (hukm) durch das geoffenbarte Gesetz (šariÝa) unterliegt. Die Vorstellung, daß das Recht alle Handlungen auch des Alltags regelt, war allerdings nicht von Anfang an vorhanden, sondern bildete sich erst in der Zeit vom 8.– 10. Jhd. mit der Entwicklung der Methodenlehre des Rechts und der Überlieferung heraus. Für dieses Gesetz gibt es zwei Quellen (Þusul, Pl. von Þasl): der Koran und die Überlieferung (sunna), die in den Hadīuen (→) schriftlich festgehalten ist. Schon in frühester Zeit war es klar, daß es im Koran Stellen gibt, deren Sinn eindeutig ist und andere, deren Sinn verschiedene Interpretationen zuläßt. Auch die Tradition lieferte aber nicht in allen Fällen eine eindeutige Lösung für die verbindliche Auslegung solcher Stellen, und auch die Überlieferung enthielt selbst wiederum zahlreiche mehrdeutige Stellen. Das Problem der Interpretation war also von Anfang an vorhanden (→ TāÞwīl). Ebenso war klar, daß weder der Koran noch auch die Sunna eine explizite Antwort auf alle möglichen Rechtsfragen liefern kann. Wichtig war auch das wieder von aš-ŠāfiÝī im Unterschied zu früheren Rechtsgelehrten deutlich gemachte Bewußtsein, daß kein direkter Kontakt mit der frühen, ersten Gemeinde der islamischen Gemeinschaft mehr besteht (→ ŠāfiÝiten). Das Bewußtsein des Zeitabstandes gehört also in die Entstehung der Überlegungen über die Quellen des Rechts (usul al-fiqh) schon mit hinein. Es mußte daher auch zwischen verschiedenen Kategorien der Überlieferungen unterschieden werden (ununterbrochene, mehrfach bezeugte, nur als einzelne vorhandene, → Hadīu). Die Sicherheit einer Rechtsentscheidung bei Heranziehung der Überlieferung hängt also von der zeitlichen Nähe der Überlieferung zum Propheten, von der Kontinuität der Überlieferung und von der Zahl und Zuverlässigkeit der Zeugen ab. Trotz Koran und Überlieferung fanden sich aber doch Fälle, für die in den Quellen keine direkte Lösung auf-

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findbar war. Entsprechend wurde es erforderlich, für »neue« Situationen bzw. Fälle »neue« Lösungen zu finden, die doch der Überlieferung entsprechen, die also nicht als »unzulässige Neuerungen« (→ BidÝa) angesehen werden konnten. An diesem Punkt wurden die Fragen der Herleitungen von Rechtsentscheidungen aufgrund eigener – letztlich quellenunabhängiger – Urteilsbildung (→ RaÞy), aus ähnlichen Fällen (→ Qiyās (1)), des Konsenses (→ ÞIfmāÝ ) und selbständiger – quellenabhängiger – Urteilsfindung (→ Iftihād ) aktuell. Je größer der historische Zeitabstand wurde, umso dringlicher wurde die Entwicklung einer methodologisch expliziten und abgesicherten Rechtslehre. Während konkrete Rechtsentscheidungen seit den frühesten Zeiten des Islam von einzelnen gesammelt wurden und sich seit dem 9. Jhd. die verschiedenen Rechtsschulen herausbildeten, wurde die Methodologie der Behandlung der Rechtsquellen (Þusul al-fiqh), obwohl schon durch aš-ŠāfiÝī grundgelegt, erst seit dem 10. Jhd. zu einer eigentlichen Wissenschaft ausgebaut. Im Laufe der weiteren Entwicklung der Analyse der Rechtsquellen, bei der sich sehr früh die Überzeugung der »Vollständigkeit« der Offenbarung herausbildete, schied die eigene Rechtsentscheidung (raÞy) bald aus und seit dem 11./12. Jhd. wurde jedenfalls bei den Sunniten auch die selbständige Urteilsfindung (ig˘tihad) zumeist als nicht weiter praktizierbar angesehen, das »Tor des iftihad« wurde als »geschlossen« betrachtet, während bei den ŠīÝiten der iftihad weiter praktiziert wurde. Bei den Sunniten blieb also nur der Konsens (ÞifmaÝ) und die Ableitung (qiyas) von Entscheidungen aus Koran und Sunna übrig, um »neue« Fragen zu beantworten. Das gebietsweise und örtlich verschiedene Gewohnheitsrecht (Ýurf) wurde von den einzelnen Rechtsschulen in verschiedenem Ausmaß zwar – in methodologisch nicht eindeutig geklärter Weise – berücksichtigt, wurde aber nicht als Rechtsquelle anerkannt. Während in der frühen Zeit Rechtstraditionen eher lokal waren, bildeten sich etwa seit der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts Schulen (madahib) heraus, die an »Gründer« gebunden waren, wobei letztere eigentlich erst durch diesen Vorgang zu »Gründern« wurden, was manche von ihnen, so vor allem aš-ŠāfiÝī, selbst strikt abgelehnt hatten. Die frühe Entwicklung der verschiedenen Schulen der sunnitischen Rechtslehre, also vor allem der Mālikiten (→), Hanbali-

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ten(→), Hanafiten (→) und ŠāfiÝiten (→) ist im einzelnen ziemlich unübersichtlich und auch bisher nicht ausreichend erforscht. Faktisch galten in der Frühzeit auch lokale Rechtsgebräuche – sowohl arabische, wie auch griechisch-byzantinische und persisch-sassanidische – aus vorislamischer Zeit weiter, diese wurden aber dann in das entstehende islamische Recht integriert, also interpretierend mit Hilfe von oft legendenhaften Traditionen »islamisiert«. Die frühe Geschichte des islamischen Rechts ist nicht zuletzt deshalb schwer zu rekonstruieren, weil die erst später entstandenen Schulen des Rechts ihren Ursprung – auch wieder gestützt auf Legenden – auf frühe Perioden und »Gründer« zurückführen wollten und somit die historische Zuverlässigkeit der Quellen sehr schwer zu beurteilen ist. Maßgeblich für die Rekonstruktion dieser frühen Geschichte sind die Arbeiten von Schacht 1935, Motzki 1991, Hallaq 1997 und Nagel 2001, S. 155–326. Bei der Verbreitung dieser Schulen und ihrer Einflußbereiche sind zwei Faktoren zu beobachten. Zum einen wurden Lehren von berühmten Lehrern an Schüler weitergegeben, die aus verschiedenen Ländern kamen und dann wieder in diese zurückkehrten, sodaß sich die Schulen geographisch ausbreiteten. Zum anderen entwickelten sich Verbindungen von Anhängern eines Lehrers mit bestimmten Herrschern, so daß sich einzelne Schulen gegenüber anderen aufgrund politischer Bevorzugung in bestimmten Gebieten durchsetzten. Auf diese Weise ergab sich eine Art »Landkarte« der Einflußbereiche der verschiedenen Rechtsschulen, wobei allerdings auch Überschneidungen nicht selten waren. In den großen Städten waren allerdings meist alle Rechtsschulen vertreten. Jeder Muslim war im Prinzip gehalten, sich einer Rechtsschule zu verpflichten. In al-Andalus waren die Mālikiten (→) die vorherrschende Rechtsschule. Den in al-Andalus auch vertretenen Zāhiriten (→ Ibn Hazm) war es nicht gelungen, sich zu einer eigenen Rechtsschule auszubilden. Averroes stammte aus einer Familie mālikitischer Rechtsgelehrter und Richter und er selbst war seiner gesellschaftlichen Rolle nach in erster Linie Jurist. Averroes verfaßte 1167/1168 sein großes Rechtswerk Bidāyat al-muftahid wa-nihayāt al-muqtasid (etwa: Beginn für den, der sich um ein eigenes Urteil bemüht, Ende für den, der sich [mit dem Überlieferten] begnügt). Im Buchtitel ist der

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Ausdruck muftahid programmatisch, da damit die eigene Urteilsfindung (→ Iftihād) gegenüber der sklavischen Wiederholung überlieferter Lösungen (taqlid) gefordert wird, wobei das eigene Urteil dann bei Averroes allerdings eigentlich auch nur die Auswahl der besten vorliegenden Lösung oder die Schlußfolgerung aus Koran und Sunna bedeutet. In diesem Werk nimmt Averroes Bezug auf die Lösungen von umstrittenen Rechtsfragen (ijtilaf) aller Rechtsschulen, vor allem auf die der Mālikiten, Hanafiten und ŠāfiÝten, er bezieht aber auch Lösungen der Hanbaliten und Zāhiriten mit ein. Die Originalität des Vorgehens des Averroes liegt vor allem in diesem synoptischen Zugang, da die Diskussionen der Rechtsgelehrten sich meist innerhalb einer Schule abspielten. Averroes gibt dann jeweils jener Lösung den Vorzug, die ihm am besten begründet scheint, ohne Bevorzugung einer bestimmten Schule. Demgegenüber ist die Zahl der von Averroes selbst vorgeschlagenen Lösungen, d. h. die eigene Ableitung (qiyas) aus den anerkannten Rechtsquellen, verhältnismäßig gering. Die Freiheit gegenüber den verschiedenen Rechtsschulen bedeutete in al-Andalus vor allem die Freiheit gegenüber den Mālikiten, wobei mit »Freiheit« bei Averroes aber nicht viel mehr gemeint ist als nicht automatisch die mālikitische Lösung zu übernehmen. In dieser Hinsicht korrespondiert das juristische Programm des Averroes mit dem politischen Programm der Almohaden (→). Die Rechtsgelehrten und die Schulen des Rechts waren unabhängig von den Herrschern. Zur Zeit der Umaiyaden wurde in alAndalus das Amt des Kadi (qadi) eingeführt. Der Kadi wurde vom Herrscher ernannt. Die Einführung dieses Amtes wurde von den meisten Rechtsgelehrten aller Schulen wegen dessen Nähe zur und Abhängigkeit von der politischen Macht zunächst abgelehnt und als »unerlaubte Neuerung« (→ BidÝa) angesehen. Zwischen dem Kadi und den übrigen Rechtsgelehrten bestand also häufig eine gewisse Spannung. Auch viele Menschen aus dem Volk wandten sich bei Rechtsstreitigkeiten nicht an den Kadi, sondern an einen der (politisch unabhängigen) Rechtsgelehrten (mufti), die erst im 13. Jhd. auch unter die Kontrolle der Herrscher kamen. Die Rechtsgelehrten erstellten dann auch Gutachten, die der Kadi berücksichtigen oder sogar vollständig übernehmen konnte. Wenn Averroes sein

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Rechtsgutachten (fatwa) Die entscheidende Abhandlung während der Periode verfaßte, als er Kadi von Sevilla war, so bedeutete dies also keineswegs eine erhöhte Autorität des Gutachtens, sondern konnte von anderen Rechtsgelehrten – falls es überhaupt welche gab, die es zu Gesicht bekommen hatten – gerade wegen der Nähe des Autors zum Herrscher in Frage gestellt werden, was natürlich kein Rechtsgrund für den Zweifel, wohl aber eine Motivation für eine besonders genaue Prüfung sein konnte. Das Urteil des Richters bezieht sich im islamischen Recht immer nur auf die Ableitung der konkreten Entscheidung aus dem Recht, nicht auf die sittliche Beurteilung der Handlung. Im Recht ist die göttliche Ordnung konkretisiert, nicht eine abstrakte sittliche Ordnung, so jedenfalls nach der Auffassung aller Schulen außer der der MuÝtaziliten (→). Auch wenn Averroes die Auffassung vertritt, daß im islamischen Recht die Ethik, die auch die Philosophen gelehrt haben, in idealer Weise verwirklicht ist (Zu Platons Politeia, S. 89, On Plato’s »Republic«, S. 75), bleiben für Averroes methodisch korrekt die Aufgaben und Zielsetzungen des praktischen Philosophen und die des Richters zwei verschiedene und getrennte. Im islamischen Recht werden zwei Hauptteile unterschieden. Im ersten Teil werden die kultischen Vorschriften (Ýibadat), d. h. die Pflichten gegenüber Gott, behandelt, im zweiten die gesellschaftlichen und sittlichen Vorschriften (muÝamalat), d. h. die Pflichten gegenüber den anderen Menschen bzw. die Strafen bei deren Nichteinhaltung. Da aber auch letztere als göttliche Verpflichtungen angesehen wurden, dient diese Einteilung vor allem praktischen Zielen der Darstellung in den Lehrbüchern und stellt keine Ein- und Aufteilung der Glaubenshaltung dar. In Bezug auf das islamische Gesetz werden die menschlichen Handlungen in fünf Klassen der Bewertung (hukm, Pl. Þahkam) eingeteilt: (1) verpfl ichtend (wagib)

(5) verboten (makruh)

(2) empfohlen (mandub)

(4) abgeraten = empfohlen, nicht zu tun (haram)

(3) erlaubt = anheimgestellt (mubah)

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Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei dieser Klassifizierung eine stoische Einteilung eine Rolle gespielt hat. Vgl. Brunschvig 1970, S. 11. Bei der Begründung der Bewertung einzelner Handlungen versuchten die MuÝtaziliten (→) eine rationale Begründung über die Vorstellung des Gemeinwohls zu liefern, während die AšÝariten (→) sich auf die positiv textbezogene Quellenanalyse stützten. Im Laufe der Zeit, und zwar schon seit al-Fuwainī und al-Gazālī, wurden jedoch auch bei den AšÝariten solche Überlegungen über das Gemeinwohl einbezogen, die aber nie als Rechtsquelle angesehen wurden. Vgl. Nagel 2001, S. 267 f. Diese Einteilung der Bewertung von Handlungen ist der terminologische Hintergrund der grundlegenden Rechtsfrage im Hinblick auf die Tätigkeit des Philosophierens, die Averroes im § 1 der Entscheidenden Abhandlung zur Sprache bringt und im § 2 und § 3 beantwortet. Es gibt allerdings Grenzen des fiqh. Die šariÝa umfaßt nach der Auffassung der islamischen Rechtsgelehrten die Gesamtheit der Lebensbereiche des Einzelnen wie der Gemeinschaft. Dies wurde zwar in der Theorie nie in Frage gestellt, es entwickelten sich aber nichtsdestoweniger daneben Verfahren der Gesetzgebung und der Rechtssprechung, die Bereiche umfaßten, für die in der šariÝa keine Grundlagen vorhanden waren. Ein ohne Zweifel wichtiger Grund für diese Entwicklung war, daß die šariÝa keine ausreichende finanzielle Grundlage für die Herrscher der sich herausbildenden islamischen Staaten bot, es wurden also Steuer- und Abgabengesetze erlassen, die nicht durch Regeln abgedeckt waren, die mit Hilfe des fiqh gerechtfertigt werden konnten. Ebenso lieferte der fiqh keine Grundlage für die Entwicklung eines Verwaltungsrechts. Vgl. Nagel 2001, S. 282. Erwartungsgemäß wurden solche Gesetze von Rechtsgelehrten häufig in Frage gestellt, was auch wieder zu Spannungen zwischen diesen und den Herrschern führte. Im Prinzip wäre in diesem Bereich ein Feld für philosophische Begründungen gegeben gewesen. Es kam jedoch nicht dazu, nicht zuletzt deshalb, weil die Philosophen keine ausreichende gesellschaftliche Stellung innehatten, um gesellschaftlich wirksame Argumente einbringen zu können, aber auch, weil sie, wie es auch Averroes in der Entscheidenden Abhandlung zeigt, dieses Feld zur Gänze der šariÝa überlassen hatten

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und jeden Konflikt vermeiden wollten. Auch waren der Begriff und die Vorstellung des Gemeinwohls (maslaha), der die Schlüsselstellung für eine solche Argumentation hätte einnehmen müssen, schon längst von den islamischen Rechtsgelehrten okkupiert worden, um Begründungslücken im fiqh zu schließen. Vgl. Nagel 2001, S. 253– 275. Auch in der Rechtsprechung hatte sich schon seit dem 8. Jhd. neben dem nach der šariÝa urteilenden Kadi die Funktion des sahib al-mazalim (Pl. von mazlima, etwa: »ungerechte Handlung«) herausgebildet. Dies waren Richter, die vom Herrscher ernannt waren und die sich hauptsächlich mit Klagen über den Machtmißbrauch von Funktionären der Herrscher beschäftigten, die aber auch die Aufgabe hatten, gegebenenfalls die Entscheidungen des Kadis durchzusetzen. In einzelnen Fällen übernahmen sie dann sogar die Funktion einer Art Appellationsgerichts gegenüber Entscheidungen des Kadi. Die rechtstheoretische Grundlage der Funktion des sahib almazalim wurde nicht wirklich geklärt, seine Tätigkeit wurde von Kadis wie von Rechtsgelehrten nicht selten als Konkurrenzinstitution zur šariÝa betrachtet und wurde dementsprechend in ihrer Legitimität angezweifelt. Im ganzen stand hinter der Einrichtung dieses Rechtsinstruments der Versuch, das Rechtssystem gesellschaftlichen Problemen anzupassen, für deren Lösung die šariÝa keine Anhaltspunkte lieferte. Vgl. Art. Mazālim in EI2 VI, Sp. 933 b–935 b. Auch in al-Andalus gab es die Funktion des sahib al-mazalim, so z. B. in Córdoba, wo sowohl der Großvater des Averroes wie auch dieser selbst als Kadi tätig war. Vgl. Müller 1999, S. 333 f.

Hadiv (Überlieferung)

Hadīue sind Berichte von Episoden aus dem Leben des Propheten Muhammad, ihm zugeschriebene Aussprüche usw. Solche Berichte zirkulierten schon zu Lebzeiten des Propheten und dies verstärkte sich nach seinem Tod. Die Berichte waren zunächst nur mündlich. Als neue Probleme auftauchten, auf die im Koran keine oder keine eindeutige Antwort zu finden war, griff man zur Lösung derselben auch auf diese mündliche Tradition zurück. Einzelne begaben sich sogar auf weite Reisen, um Kenntnis von bisher nicht bekann-

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ten Berichten zu erlangen oder Bestätigung für schon bekannte zu finden. Wie in vielen Religionen war der Prozeß dieser Überlieferungen über den Gründer und seine ersten Gefährten unkontrolliert, unkontrollierbar und von Legenden durchsetzt. Viele Berichte waren auch dem – unbewußten – Interesse entsprungen, lokale Gebräuche durch einen Bezug zum Gründer zu legitimieren, manche wurden aber auch ganz bewußt erfunden, um bestimmte – gelegentlich auch »häretische« – Lehren zu stützen. Es gab auch berufsmäßige Hadīuen-Erzähler, die verständlicherweise an einem reichhaltigen und das Publikum anziehenden Inhalt ihres Repertoires interessiert waren und die dieses Repertoir gelegentlich selbständig »erweiterten«. Als zweite Rechtsquelle neben dem Koran waren die Hadīue zunächst umstritten. Verschiedene MuÝtaziliten wie z. B. an-Nazzam (gest. 835/845) standen den Hadīuen sehr zurückhaltend gegenüber und schrieben ihnen nur wenig Wert für die Erkenntnis zu (→ MuÝtaziliten). Es setzte sich dann aber die Auffassung aš-ŠāfīÝs (→ ŠāfiÝiten) durch, der die Hadīue als zweite Quelle des Rechts anerkannte. Abū Hanīfa (→ Hanafiten) ließ aber nur zweifelsfreie Überlieferungen zu, wobei sich aber die Frage ergab, nach welchen Kriterien die Zweifelsfreiheit beurteilt werden sollte. Bald entstanden Sammlungen der Hadīue, die entweder nach dem frühesten Zeugen oder nach Sachgebieten geordnet waren, wobei sich aus praktischen Gründen der leichteren Konsultierbarkeit der letztere Ordnungsgesichtspunkt durchsetzte. Eine frühe dieser Sammlungen ist der MuwattaÞ des Mālik ibn Anas (708/716–796), die für die Rechtsschule der Mālikiten (→) in al-Andalus, aus der auch Averroes hervorging, maßgeblich wurde. Die wichtigsten Sammlungen waren jedoch der Sahīh al-Buiārīs (810–870) und der Sahīh Muslims (817/821–875), die seit dem 10. Jhd. bei den Sunniten allgemein anerkannt wurden. Averroes beruft sich auf die Sammlung al-Buiārīs im § 15 der Entscheidenden Abhandlung. Die ŠīÝiten hatten ihre eigenen Sammlungen. Angesichts der oft offensichtlichen Unzuverlässigkeit der Berichte entwickelte sich eine eigene Wissenschaft des Hadīu (Ýilm alhadiv, Pl. Ýulum al-hadiv). Die Terminologie der Wissenschaft des Hadīu ist äußerst komplex und die Definitionen – und somit die

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Kriterien des Zutreffens – sind im einzelnen auch umstritten. Die Hadīue werden in Hinsicht auf ihre Zuverlässigkeit nach Graden eingeteilt: (1) sahih = gesund, (2) hasan = gut, (3) caÝif = schwach, bzw. saqim = unsicher. Die konkrete Qualifikation einzelner Hadīue war umstritten. Der zentrale Begriff der Wissenschaft des Hadīu ist isnad, das am besten durch »Überlieferungslinie« oder »Überlieferungskette« wiedergegeben werden kann. Die Frage der Kriterien der Authentizität von Überlieferungslinien wurde vor allem auch in der Wissenschaft der Grundlagen des Rechts (Þusul al-fiqh) behandelt (→ Fiqh). Die größte Sicherheit bietet ein Hadīu, das durch eine Tradition von den ersten Gefährten an durch mehrere Überlieferungslinien gewährleistet ist (mutawatir, vgl. tawatur im § 15 der Entscheidenden Abhandlung). Vgl. Art. Tawātur in EI2 X, Sp. 381 b–382 a, und Art. Mutawātir in EI2 VII, Sp. 781 b–782 a. Das Gegenteil davon ist eine Überlieferung, die nur durch eine einzige Überlieferungslinie (jabar al-wahid) bestätigt ist. Die Voraussetzung dieses Beweises durch mehrere Überlieferungslinien ist, daß die Unabhängigkeit verschiedener Traditionslinien, die ein und denselben Ausspruch oder Sachverhalt berichten, eine Garantie der Authentizität darstellt. Diese Voraussetzung ist nicht ganz unproblematisch. Bei Vorliegen mehrerer Überlieferungen zu ein und demselben Sachverhalt war auch die mehr oder große Übereinstimmung im Wortlaut des entscheidenden Ausspruchs von Bedeutung. Besonders wichtig war natürlich auch, daß eine Überlieferungslinie ununterbrochen (muttasil) ist und alle Glieder derselben zuverlässig sind. Damit wird die Zuverlässigkeit des Zeugen der Überlieferung zu einem wichtigen Kriterium, er muß einer sein, der »nicht lügt«, was auch wieder durch Zeugen bestätigt sein sollte, und so weiter. Es werden hier also historische Berichte einem rechtlichen Beurteilungsprozeß unterzogen, und das Ergebnis ist dann, wenn es als »sicher« beurteilt wird, selbst wiederum eine Quelle von Rechtsentscheidungen. Die Mehrzahl der Gelehrten des Hadīu waren der Ansicht, daß eine so – durch qualifizierte Zeugen in mehreren, unabhängigen und ununterbrochenen Überlieferungslinien – bezeugte Tradition echte Erkenntnis (Ýilm) darstellt und sicher (yaqini) ist, so daß sie nicht nur Meinung oder Vermutung (zann) hervorbringt. Über die für tawatur erforderliche Anzahl von erforderlichen

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Zeugen bestand unter den Gelehrten keine Übereinstimmung. AlGazālī legte sich auf keine bestimmte Anzahl fest. Vgl. Bello 1989, S. 37, Anm. 37. Und auch Averroes ließ die Frage offen, ob mehrere Traditionslinien für eine Rechtsverpflichtung erforderlich sind, oder ob auch eine einzige ausreicht. Vgl. Brunschvig 1976 b, S. 178. Bei der Frage der erkenntnistheoretischen Beurteilung auch einer noch so guten Überlieferung nahm Averroes nicht an, daß sie eine sichere (yaqini) Erkenntnis liefert. Sichere Erkenntnis gibt es nach Averroes nur bei einem wissenschaftlichen Beweis. Die gesamte Frage von tawatur und Þajbar mustafica, d. h. von vollständigen Berichten, wird von Averroes im Zusammenhang der Rhetorik behandelt. Vgl. Three Short Commentaries, arab. S. 192, engl. S. 75. In der Wissenschaft des Hadīu ist ohne Zweifel viel an historischer und auch kritischer Arbeit geleistet worden, und in der Theorie dieser Wissenschaft, zu der es eigene umfangreiche Werke gibt, wurde versucht, methodische Grundlagen und Kriterien der Beurteilung von Überlieferungen zu erarbeiten. Nichtsdestoweniger haben zahlreiche moderne westliche Forscher erhebliche und begründete Zweifel an zahlreichen Berichten, die über das hinausgehen, was von islamischen Gelehrten angezweifelt wurde. Die westliche historisch-kritische Methode arbeitet eben doch mit anderen Voraussetzungen und Kriterien. Es muß jedoch daran erinnert werden, daß die westliche historisch-kritische Methode auch verhältnismäßig jung ist und viele ihrer Resultate in Hinsicht auf die Bibel und deren Überlieferung von westlichen religiösen Traditionalisten nicht selten abgelehnt wurden und noch immer abgelehnt werden. Die Akzeptanz historisch-kritischer Methoden traf und trifft in allen drei »Religionen des Buches« auf erheblichen Widerstand.

IÝg˘az (Unvergleichbarkeit des Korans)

Averroes unterscheidet genau wahy, also »Offenbarung« vom Koran, den er in der Entscheidenden Abhandlung meist mit dem traditionellen Ausdruck al-kitab al-Ýaziz, d. h. »das wertvolle Buch« (§ 50 u.ö.) und einmal mit kitab Þallah, d. h. »das Buch Gottes« (§ 2) bezeichnet. Den Ausdruck wahy gebraucht Averroes in der Entscheiden-

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den Abhandlung in § 8 nur nebenbei und nicht im Zusammenhang des Korans. Die Unterscheidung von Offenbarung und Koran ist für Averroes erforderlich, da Offenbarung nicht notwendigerweise sprachlich erfolgt: Die Offenbarung ist das Eintreten jener Idee (maÝna) in die Seele dessen, dem die Offenbarung zuteil wird ohne Vermittlung eines Wortes (lafz), das Gott schaff t, sondern durch die Enthüllung (inkašaf ) jener Idee für ihn durch eine Aktion, welche Gott in der Seele des Angeredeten ausübt. (Manāhif, S. 53, Faith and Reason, S. 48)

Mit Hilfe dieser Unterscheidung gelingt es Averroes auch, zu der berühmten Diskussion über die Ungeschaffenheit des Korans Stellung zu nehmen. Die MuÝtaziliten (→) vertraten die Lehre von der Geschaffenheit des Korans, wogegen die AšÝariten (→) die Lehre von der Ungeschaffenheit des Korans verteidigten. Für die AšÝariten gilt: »Der Text des Korans ist ewig und ungeschaffen, der Vortrag seiner Worte ist geschaffen und zeitlich.« (Nagel 1994 a, S. 150) Die Lehre von der Ungeschaffenheit des Korans wurde nach der Mitte des 9. Jahrhunderts durch den Kalifen al-Mutawakkil (reg. 847–861) offiziell und mit politischen Mitteln durchgesetzt. Averroes versucht, wie öfters, eine vermittelnde Position zwischen den MuÝtaziliten und den AšÝariten einzunehmen. Er unterscheidet den sprachlichen Ausdruck, der geschaffen ist, von der Bedeutung desselben, der ungeschaffen ist, wobei er auch noch die konventionalistische Theorie der Sprache einbaut, insofern er die einzelnen Worte als menschliches Werk bezeichnet: Und so wird dir klar, daß der Koran, welcher die Rede (kalam) Gottes ist, ewig (qadim) ist, während der Ausdruck (lafz), der auf sie hinweist, von ihm geschaffen (majluq) ist, nicht von einem Menschen. […] Die einzelnen Buchstaben (huruf ) oder Wörter [steht nicht im Text! F. S.], die im Koran [besser: im geschriebenen Korantext (mushaf)] stehen, sind allerdings unser Werk mit Ermächtigung Gottes, und man darf sie nur mit Ehrfurcht ansehen. Denn sie weisen auf den Ausdruck (lafz) hin, der von Gott geschaffen ist, und auf die Idee (maÝna), welche nicht geschaffen ist (laysa

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majluq). Wer auf den Ausdruck mit Ausschluß der Idee sieht, das heißt, wer nicht unterscheidet, sagt, daß der Koran geschaffen ist, wer aber auf die Idee sieht, auf welche der Ausdruck hinweist, sagt, daß der Koran nicht geschaffen ist. Die Wahrheit liegt aber in der Vereinigung (Þ ifma Ý) beider Ansichten. (Manāhif, S. 54, Faith and Reason, S. 49)

Mit der Lehre von der Ungeschaffenheit des Korans ist eine weitere sehr bedeutsame Vorstellung der Glaubenswelt des Islam eng verbunden, nämlich die der »Unvergleichbarkeit« (iÝg˘az ) des Korans. Diese Vorstellung wurde von der 2. Hälfte des 9. bis zum Ende des 10. Jahrhunderts ausgearbeitet und blieb seither ziemlich unverändert bestehen. Der Grundgedanke dabei ist, daß der Koran als Offenbarung Gottes nicht durch äußere Wunder beglaubigt ist, sondern durch seine inneren Qualitäten, und gleichzeitig, daß der Prophet in erster Linie durch die Qualitäten des Korans als Prophet bestätigt wird. In der Auffassung der Unvergleichbarkeit des Korans kommt der innere Zusammenhang von Inhalt und Form der Offenbarung zum Ausdruck, insofern die Form nicht nur Ausdrucksmittel des Inhalts ist, sondern zugleich der entscheidende Beweis des Offenbarungscharakters selbst ist. Auch Averroes vertritt ausdrücklich diese Auffassung. Das Argument der Bestätigung eines Propheten durch Wunder, das bei manchen AšÝariten beliebt war, lehnt Averroes ausführlich und mit überzeugenden Gründen ab: Es gibt keine verstandesmäßige Begründung einer Verbindung zwischen Prophetentum und Wunder. Nicht irgendwelche außerordentlichen Fähigkeiten des Propheten beweisen das Vorhandensein einer Offenbarung, vielmehr ist umgekehrt der Koran als »Wunder« der »Beweis« der Wahrhaftigkeit des Propheten. Vgl. Manāhif, S. 92–97, Faith and Reason, S. 92–96. Die Rechtfertigung dieser Auffassung ist jedoch mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Wie im Koran selbst gesagt wird, ist dieser nicht das Wort eines Dichters (Sure LIX, 43), Kriterien der Poetik durften also im strengen Sinn nicht angewandt werden. Der Hauptakzent wurde also auf die rhetorischen Qualitäten gelegt, d. h. die unübertreffliche Überzeugungskraft. Aber auch hier ist Averroes vorsichtig: Er nimmt nicht an, daß die Rhetorik des Korans den höchsten Grad erreicht, »denn

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dies ist nicht sein Geschäft; er unterscheidet sich von dem Gewöhnlichen bloß durch das Mehr, nicht durch die Gattung« (Manāhif, S. 97, Faith and Reason, S. 98). Beim Nachweis der Unvergleichbarkeit des Korans wurde von islamischen Theologen besonderer Wert auf die Kraft der figürlichen Rede gelegt. Die bedeutende Rolle der Kunst der metaphorischen Rede, die dem Koran zugeschrieben wurde, brachte allerdings ihrerseits wieder das Problem der Interpretation derselben mit sich (→ TāÞwīl). Nicht nur Kritiker des Islam wie ar-Rewandī (820 – 2. Hälfte 9. Jhd.) waren nicht der Ansicht, daß die sprachlich-rhetorische Unvergleichbarkeit des Korans beweisbar sei, auch strenggläubige Muslime wie Ibn Hazm (→) und al-Fuwainī (→ AšÝariten) waren nicht überzeugt davon, daß sich die Unvergleichbarkeit des Korans durch seine stilistische Überlegenheit nachweisen ließe. Gelegentlich wurde es auch deutlich, daß es sich dabei um ein Postulat oder um einen Zirkelschluß handelte, so etwa, wenn gelegentlich die Behauptung vorgetragen wurde, nicht der Koran sei nach den Regeln der Grammatik zu beurteilen, sondern die Grammatik sei nach dem Sprachgebrauch des Korans zu beurteilen. Vgl. Art. ÞIÝfāz in EI2 III, Sp. 1019 b–1020 a. Nachdem die Lehre von der Ungeschaffenheit des Korans offiziell durchgesetzt worden war, wurde die Auffassung von der Unvergleichbarkeit des Korans immer stärker durch den Konsens bestätigt, sodaß die Diskussion um die stilistische und rhetorische Überlegenheit des Korans an Schärfe verlor. Averroes kommt auf die Unvergleichbarkeit des Korans im § 58 der Entscheidenden Abhandlung zu sprechen. Averroes weiß selbstverständlich ganz genau, daß die Überzeugung von der Unvergleichbarkeit und Unnachahmlichkeit des Korans sich nicht auf einen Beweis stützen kann, sondern ein rhetorisches Argument darstellt, das eine allgemeine Anerkennung gefunden hat. Vgl. Arnaldez 2000, S. 96. Die Gründe, die Averroes für die Unvergleichbarkeit des Korans anführt, sind auch tatsächlich nur rhetorisch gültig, denn sie sind genau aus der Vergleichbarkeit gewonnen: Durch die Vergleichung dieser Religion mit den übrigen Religionen […] fi ndet man, wenn man die im Koran enthaltenen Vorschriften, welche die zur Seligkeit führende Theorie und Praxis

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lehren, gegenüber dem Inhalt der übrigen geoffenbarten Bücher und Religionen betrachtet, daß jene hierin die übrigen Religionen in einem unendlichen Maß übertriff t. (Manāhif, S. 102, Faith and Reason, S. 103)

Dieses Übertreffen »in einem unendlichen Maß« ist aber eben nur ein rhetorisch gültiges Argument in einer islamischen Gesellschaft, die die Unvergleichbarkeit des Korans ohnedies schon durch den Konsens für bestätigt ansieht. Letztlich sind es zwei Gründe, aufgrund derer Averroes den Koran als unvergleichlich ansieht: (1) seine Bilder, die die Menge zu richtiger Praxis führen, sind für alle Menschen geeignet und überzeugend, und (2) sein Inhalt stimmt mit der Vernunft überein. Während Argument (1) von allen Korangelehrten geteilt wird, stellt (2) das spezifische Argument des Averroes dar, das zugleich das Ziel der gesamten Entscheidenden Abhandlung ist.

Ifma Ý (Konsens)

Mit »Konsens« (ifmaÝ) wird die übereinstimmende Auffassung entweder der Gesamtheit der Muslime oder der kompetenten Gelehrten (muftahid) bezeichnet. Im Laufe der Zeit wurde der letztere Gebrauch der vorherrschende. Unter Gelehrten (ÝulamaÞ) wurden dabei in erster Linie die Rechtsgelehrten (fuqahaÞ) und in zweiter Linie – mit großem Abstand – die islamischen Theologen (mutakallimun) verstanden. Die Theorie des Konsenses als Quelle von Rechtsentscheidungen wurde im Zusammenhang der allgemeinen Theorie der Grundlagen des Rechts (Þusul al-fiqh, → Fiqh) seit dem 8. Jhd. entwickelt. Vgl. Art. IfmāÝ in EI2 III, Sp. 1023 a–1026 a. Die zahlreichen und oft sehr detaillierten Überlegungen vieler Autoren über die Kriterien des Konsenses sind allerdings auch ein Zeichen dafür, daß unter den Muslimen ein solcher Konsens – außer in Hinsicht auf ganz grundlegende Fragen wie z. B. die »fünf Säulen des Glaubens« oder den Offenbarungscharakter des Korans – nur selten vorhanden war. Sowohl im Recht als auch in der Theologie und in der mit beiden verbundenen Politik herrschte seit frühester Zeit die Sektenbildung und der Parteienstreit vor. Schon die Trennung in

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Sunniten, ŠīÝiten und IsmāÝīliten gab nur wenig Hoffnung, der Vorstellung eines Konsenses der muslimischen Gläubigen einen konkreten Gehalt verleihen zu können. Die Vorstellung einer »einträchtigen Gemeinschaft« (famaÝa) wurde vor allem in eine idealisierte Frühzeit verlegt. In späteren Perioden wurde der Nachweis eines vorhandenen Konsenses problematisch, da es bei der Ausdehnung der muslimischen Herrschaftsgebiete faktisch – auch wenn man nur die Gelehrten berücksichtigt – unmöglich war, einen solchen Konsens zu verifizieren. Faktisch wurde daher der Konsens zwar immer wieder beschworen, als Argument in Fragen der Theologie oder des Rechts wurde er jedoch kaum herangezogen. »Schon aus rein formalen Gründen ist der Consensus der zeitgenössischen Rechtsgelehrten ein Hirngespinst; denn wie aš-ŠāfÝi […] dargelegt hat, es gibt keinen Weg, ihn festzustellen.« (Nagel 2001, S. 211) Aber schon die Begründung des Konsenses als Kriterium der Wahrheits- und Rechtsfindung war problematisch. Die MuÝtaziliten (→) waren der Auffassung, daß die Überzeugung, daß der Konsens der Muslime unfehlbar sei, rational nicht begründet werden könne. Ibn Hazm (→) vertrat die gleiche Auffassung und al-Gazālī (→) sah keine andere Möglichkeit, die Geltung des Konsenses als Wahrheitskriterium zu begründen, als das Postulat eines göttlichen Gnadenaktes einzuführen, da es ohne diese Annahme nicht möglich sei, zu behaupten, daß eine Gruppe von Menschen nicht irren könne. Damit ein Konsens vorliegt, ist es nach al-Gazālī erforderlich, daß die Gesamtheit der qualifizierten Personen übereinstimmt, eine Majorität genügt nicht. Qualifizierte Personen sind seiner Auffassung nach nur die voll ausgebildeten Kenner des Korans, der Überlieferung (hadiv) und der Schlußfolgerungen im Recht (qiyas), also die vollendeten Rechtsgelehrten (muftahid). Die Auffassung des Averroes, daß für den Konsens der ÝulamaÞ auch die Meinungen der Philosophen einbezogen werden müßten (Entscheidende Abhandlung § 22), hätte bei den islamischen Juristen sicher keine Zustimmung gefunden. Vgl. Hourani 1960, S. 152. Im Prinzip hätte die Vorstellung eines ifmaÝ als einer Quelle für Rechtsentscheidungen die Möglichkeit gegeben, historischen Veränderungen Rechnung zu tragen. Innerhalb der tatsächlichen Entwicklung ist es aber nicht dazu gekommen. Die Mālikiten (→)

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ließen überhaupt nur den Konsens der Gemeinde Medinas zur Zeit Māliks gelten. Wichtiger noch war der Einfluß aš-ŠāfiÝs (→ ŠāfiÝten) nach dem die Sunna (→ Hadīu) zwar zeitlich und räumlich weiter als bei den Mālikiten angesetzt wurde, aber systematisch so eng aufgefaßt wurde, daß alle Entscheidungen streng an ihr gemessen werden mußten. Letzteres wurde dann als einzig gültige Regel selbst als durch den Konsens bezeugt aufgefaßt. Und deshalb waren dann die Rechtsgelehrten der Auffassung, daß ein Konsens nur auf der Basis von Aussagen des Korans oder des Hadīu zustande kommen könne. Dieser Konsens ist dann aber eigentlich nur formal interpretativ, d. h. er liefert die Bestätigung des übereinstimmenden Verständnisses von bestimmten Versen des Korans und bestimmter Überlieferungen. Auch nach der Auffassung des Averroes stellt der Konsens keine eigene Quelle des Rechts neben Koran und Sunna dar, sondern hat nur Gültigkeit mit einer Basis (mustanad) in diesen. Dies entspricht der Auffassung der großen Mehrheit der sunnitischen Juristen. Vgl. Brunschvig 1976 b, S. 179 f. In al-Andalus wurde diese Auffassung auch von den Zāhiriten vertreten. Vgl. Turki 1978, S. 39. Allerdings wollten die Zāhiriten eigentlich eine weniger rigide Anwendung dieses Prinzips als die ŠāfiÝten, gewannen aber praktisch keinen Einfluß. Vgl. Schacht 1977, S. 146. Averroes geht auf den Konsens auch in seinem kurzen Kommentar zur Rhetorik ein. Vgl. Three Short Commentaries, S. 76 f. Aus dieser Einordnung des Konsenses in den Kontext der Rhetorik ergibt sich, daß der Konsens als Argument verwendet nach Averroes nur zu einer (bestenfalls gut begründeten) Vermutung (zann) führen kann. Vgl. ebd. arab. S. 169, engl. S. 63. Argumentativ zentral bei Averroes ist die in der Entscheidenden Abhandlung in § 15 vertretene Auffassung, daß es bei theoretischen Fragen keinen Konsens geben kann. Diese Auffassung ist bei Averroes unbedingt erforderlich, da er ja für die Elite Interpretationen annimmt, die der Menge nicht mitgeteilt werden dürfen. Ein Konsens der Gesamtheit der Muslime ist also bei solchen Fragen prinzipiell ausgeschlossen. Aber auch ein Konsens der Gelehrten kommt hier nicht in Frage, da diese philosophisch gebildete Elite sich auch nicht mit der Gruppe der vollendeten Rechtsgelehrten deckt, da letztere ja nicht notwendigerweise die erforderliche philosophische Bildung besitzen. Diese in der Ent-

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scheidenden Abhandlung im § 15 nur indirekt ausgesprochene Auffassung unterscheidet Averroes in grundlegender Weise von vermutlich allen muslimischen Rechtsgelehrten. Al-Gazālī betrachtet die Philosophen als »einfache« Gläubige, denen die Gelehrten (ÝulamaÞ) und deren Konsens gegenübergestellt werden kann, so daß einzelne Philosophen, deren Lehren nicht mit dem Konsens der Gelehrten übereinstimmen, als Ungläubige bezeichnet werden können. Averroes hingegen betrachtet die Philosophen, die ja entscheidende Interpretationen von Stellen des Korans liefern können und müssen, gleichsam definitionsgemäß als Gelehrte. Stimmen also deren Interpretationen nicht mit denen der übrigen Gelehrten überein, so besteht nach dieser Auffassung überhaupt kein Konsens und somit fällt – jedenfalls mit Bezugnahme auf einen Konsens – die Grundlage für die Bezeichnung der Philosophen als Ungläubige weg. Vgl. Hourani, Harmony, S. 31. Sieht man jedoch genau hin, so zeigt sich, daß bei Averroes die islamischen Theologen (mutakallimun) in die Gruppe der Dialektiker oder sogar in die »Masse« der einfachen Gläubigen »zurückgestuft« werden, also für einen Konsens bei Fragen, bei denen die Kenntnis wissenschaftlicher Beweismethoden erforderlich ist, gar nicht in Frage kommen. Es ist kaum anzunehmen, daß die islamischen Gelehrten dieser Einordnung zugestimmt hätten. Vgl. auch Einleitung 2.5. Sachlich relevant ist der Konsens bei Averroes eigentlich nur in praktischen Fragen. Vgl. Entscheidende Abhandlung § 15.

Iftihad (selbständige Urteilsfindung)

Mit iftihad ist die selbständige Urteilsfindung des Rechtsgelehrten gemeint. In der Auffassung von iftihad läßt sich eine deutliche Entwicklung feststellen. Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen: Die Bedeutung von iftihad nimmt in umgekehrter Proportion ab gegenüber der Bedeutung, die die Überlieferung, also hadiv, gewinnt (→ Hadīu). Bei Abū Hanīfa (→ Hanafiten) war die Ausbildung und formale Qualifikation der Überlieferung noch in der Phase der Ausbidlung und entsprechend groß war der Spielraum, den Abū Hanīfa der eigenen Urteilsbildung einräumte. Bei aš-Šāfī

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(→ Šāfiten) ist die Entwicklung und Formalisierung der Überlieferung weithin abgeschlossen und es besteht daher für aš-Šāfī eigentlich gar kein Grund mehr, auf eigene Urteilsfindung zurückzugreifen, ganz im Gegenteil scheint eine solche eher unangebracht zu sein. Spätere Generationen der Hanafiten werden dann dieser Entwicklung Rechnung tragen und die ursprünglichen Proportionen zu Gunsten der Überlieferung verschieben. Die Urteilsfindung des Rechtsgelehrten wird immer mehr zur Subsumption unter die Quellen des Rechts (→ Fiqh). Der für al-Andalus im 12. Jhd. maßgebliche Gründer der Almohaden-Herrscher Ibn Tūmart (→ Almohaden) ließ im Unterschied zu al-Gazālī (→) iftihad überhaupt nicht mehr zu. Vgl. Urvoy 1998, S. 50. Aber auch bei al-Gazālī diente das Eintreten für iftihad eigentlich nur noch zur Kritik an der »blinden Autoritätsgläubigkeit« (taqlid). Für al-Gazālī gilt zwar, daß »es für jeden einzelnen spekulativen Theologen Pflicht ist, selbständig zu forschen, und […] ihm die Nachahmung einer Autorität verboten ist« (Rechtgläubigkeit, S. 58), aber dann spricht er doch – im Zusammenhang der Erörterungen über die Vorstellungen über das Jenseits – eine sehr deutliche Warnung aus, wenn er sagt: Von hier aus ist es nicht weit, daß sich Zweifel in die Erörterung einiger Fragen aus den Bereichen der gesamten Interpretation […] einschleichen, und bald nimmt die Interpretation einen abwegigen Sinn an, es wird nach unsicherer Meinung geurteilt und führt schließlich zu eigenständiger Urteilsfindung, zu Iftihād. Na, und du weißt ja, daß dies das Problem mit Iftihād ist. (Rechtgläubigkeit, S. 90)

Ob bei Averroes demgegenüber ein wirklicher Unterschied vorhanden ist, kann bezweifelt werden. In der mālikitischen Rechtsauffassung (→ Mālikiten) bedeutete iftihad – entsprechend einem ziemlich frühen Gebrauch dieses Ausdrucks – die Entscheidung eines Richters innerhalb des (geringen) Ermessensspielraums, der ihm innerhalb der schon vorliegenden Einzelentscheidungen (furuÝ) blieb. Im abschließenden § 60 der Entscheidenden Abhandlung will Averroes sich über das niedrige Niveau der »Autoritätsgläubigen« (mutaqallid) erheben, und im § 24 führte er als Bedingung für selbständige Urteilsfindung die Kenntnis der Rechtsquellen und die

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Kenntnis der Regeln der Schlußfolgerung an, was aber bedeutet, daß bei Averroes wie bei fast allen sunnitischen Rechtsgelehrten seiner Zeit in der Folge der Lehre aš-ŠāfiÝīs (→ ŠāfiÝiten) mit iftihad eigentlich kaum etwas anderes als mit qiyas gemeint ist (→ Qiyās (1)), das Tor der eigenen Urteilsfindung also als »geschlossen« angesehen wird. Auch im Rechtswerk Bidāyat al-muftahid, in dem im Titel auf den, der das eigene Urteil anwendet (muftahid), Bezug genommen wird, bleibt Averroes innerhalb dieses Rahmens (→ Fiqh).

Ijtiyar (Willensfreiheit) / Qadar (Prädestination)

Ein wichtiges Problem der islamischen Theologie ist die Frage des Verhältnisses der Tätigkeit des allmächtigen Gottes (qadar, qudra) zu den Handlungen des Menschen. In dieser Frage enthalten ist die der Verantwortlichkeit des Menschen für seine Handlungen, also der Willensfreiheit (ijtiyar). Der westliche Leser muß dabei allerdings sehen, daß sich dieses Problem in der islamischen Kultur in einem »existentiell« ganz anderen Rahmen stellte als in der westlichen Kultur, in der diese Problematik immer in einem von der christlichen Tradition geprägten Lebensverständnis abgehandelt wurde und wird. Für den westlichen Menschen ist es, jedenfalls seit dem 12. Jhd. (vgl. Abaelard, Scito te ipsum, hrsg. u. übers. v. D. E. Luscombe, Oxford 1971) entscheidend, etwas aufgrund einer freien Entscheidung zu tun, wobei er es (notfalls) in Kauf nimmt, das Falsche zu tun. Für den Muslim hingegen ist es entscheidend, das – nach dem islamischen Recht – Richtige zu tun, wobei er es (notfalls) in Kauf nimmt, das Richtige nicht frei zu tun. Auch ist die Frage für den westlichen Leser zunächst einmal eine philosophische, für den muslimischen hingegen zunächst einmal eine Frage des Textes des göttlichen Gesetzes und der Überlieferung. Averroes war sich dieser Problematik ganz klar bewußt. Weder der Koran, noch auch die Überlieferung liefern eine eindeutige Entscheidung dieser Frage:

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Dieses ist eine der schwierigsten Fragen der Religion: denn wenn man die Beweise der Autorität hierüber betrachtet, so findet man sie einander entgegengesetzt; ebenso die Beweise des Verstandes. Was nun den Gegensatz der Beweise der Autorität betriff t, so findet er sich im Koran und in der Tradition. Im Koran: denn man triff t dort viele Verse, welche durch ihre Allgemeinheit darauf hinweisen, daß alles in einem bestimmten vorhergeordneten Maße existiert und der Mensch zu seinen Handlungen gezwungen ist. Auf der anderen Seite gibt es viele Verse, welche darauf hinweisen, daß der Mensch ein Verdienst bei seinem Tun habe und er zu seinen Handlungen nicht gezwungen sei. […] Auf dieselbe Weise finden sich widersprechende Traditionen […]. Deshalb haben sich die Muslime in zwei Parteien getrennt. (Manāhif, S. 104 f., Faith and Reason, S. 105–107)

Die strengsten Vertreter der Freiheit des menschlichen Willens waren die MuÝtaziliten (→). Demgegenüber vertrat Ibn Hanbal und entsprechend die Hanbaliten (→), daß alle Handlungen des Menschen und somit auch sein Schicksal im Jenseits im voraus von Gott bestimmt sind. Dies sind die »zwei Parteien« der Muslime, von denen Averroes spricht. Al-AšÝari (→ AšÝariten) versuchte zunächst eine zwischen diesen beiden vermittelnde Position einzunehmen, konnte aber keine konsistente Lösung finden und nahm schließlich doch an, daß alle Handlungen in all ihren Aspekten von Gott bewirkt sind. Seit dem 9. Jhd. vertraten auch viele Hanafiten (→) ähnlich wie die MuÝtaziliten die Lehre von der Willensfreiheit. AlFārābī bezog bei dieser Frage eine klarere Position. Er unterscheidet »willentlich / willensmäßig« (iradi) im Unterschied von »verstandesmäßig«, womit zunächst keinerlei Festlegung in Hinsicht auf die Frage der Freiheit oder Determination der willensbestimmten Handlungen getroffen ist. Al-Fārābī unterscheidet dann aber genau den allgemeineren Begriff »Wille« von dem der »Wahlfreiheit«: Wenn diese Intelligiblen dem Menschen zu Teil werden, so entsteht in ihm von Natur selbst schon Betrachtung, Überlegung, Erinnerung und Sehnsucht zum Folgern, sowie auch ein Hang und Begehr nach dem, was er geistig erfaßte und zum Teil erschloß, oder aber der Widerwille dagegen. Der Hang zu dem, was er erfaßte,

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ist im allgemeinen der Wille. Rührt nun dieser Hang her von der sinnlichen Vorstellung, nennt man ihn mit dem gemeinsamen Namen »Wille« (irada), rührt er aber her von Überlegung oder logischem Schluß, so nennt man ihn »Freiwahl« (ijtiyar). Diese letztere wird speziell nur am Menschen befunden. (Al-Fārābī, Musterstaat X X III , S. 72 f.; arab. S. 46)

Das Problem wird bei al-Fārābī rein von den Tätigkeiten des Menschen her analysiert und das Ergebnis ist von dem der MuÝtaziliten nicht weit enfernt. Vgl. auch al-Fārābī, Staatsleitung, S. 53 f., und Antworten auf vorgelegte Fragen, S. 161. Al-Fārābī lebte aber im 10. Jhd., Averroes im 12. Jhd., in dem die Sunniten weithin die Position der AšÝariten vertraten, und so mußte Averroes es vermeiden, in eine zu große Nähe zu den MuÝtaziliten gerückt werden zu können. Er versuchte daher, eine »vermittelnde« Position einnehmen, die mit einer entsprechenden Kompromißformel ausgestattet war. Averroes war sich der Problematik dieses Kompromisses, der ja inzwischen eine lange theologische Diskussionsgeschichte hinter sich hatte, durchaus bewußt: Offenbar ist es der Zweck der Religion, diese zwei Ansichten nicht getrennt zu halten, sondern sie durch eine Vermittlung, welche die Wahrheit in dieser Frage enthält, zu vereinigen. […] Wenn das so ist, so wird das Ausführen der uns zugeschriebenen Handlungen nur durch unseren Willen und durch das Zusammenstimmen der außer ihm liegenden Ursachen zustande gebracht, und diese sind es, welche man mit dem Namen »Bestimmung Gottes« bezeichnet. (Manāhif, S. 107, Faith and Reason, S. 108)

Ob die Lösung des Averroes wirklich die versprochene Vermittlung liefert, kann bezweifelt werden. Was Averroes zu diesen »äußeren Ursachen« sagt, rückt ihn doch ganz in die Nähe jener, die kompromißlos die Prädestination lehren. Vgl. Hourani 1962, S. 25– 28. Das »Außen« des Averroes ist nicht so »äußerlich« wie es das Wort nahelegt: Diese Ursachen, welche Gott von außen aus dienstbar gemacht hat, vervollständigen nicht nur die Handlungen, die wir ausüben wollen, oder verhindern sie, sondern sind auch Ursache, daß wir eines

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von zwei entgegengesetzten Dingen begehren; denn der Wille ist nichts anderes als eine Sehnsucht, die in uns als Folge irgendeiner Einbildung oder des Fürwahrhaltens einer Sache entsteht. Dieses Fürwahrhalten ist nicht infolge unseres freien Willens, sondern ist etwas, was von den Dingen, die außer uns sind, widerfährt. […] Es ist daher notwendig, daß unsere Handlungen in bestimmter Ordnung vorfallen, das heißt, daß sie zu bestimmten Zeiten und in einem bestimmten Maße vorfallen: dies ist nur deswegen notwendig, weil unsere Handlungen durch jene äußeren Ursachen verursacht sind; und alles Verursachte, das von bestimmten und verhängten Ursachen herkommt, ist bestimmt und verhängt. (Manāhif, S. 107, Faith and Reason, S. 108 f.)

Bei der Lektüre der im Manāhif, S. 109–113, Faith and Reason, S. 110–115, folgenden Darlegung gewinnt man den Eindruck, daß es für Averroes aber gar nicht entscheidend ist, die von den MuÝtaziliten und von al-Fārābī deutlich gestellte Frage nach »Wille« (irada) und »Freiwahl« (ijtiyar) weiter zu verfolgen, sondern sich mit den AšÝariten und deren Behauptung der unmittelbaren Bewirkung aller einzelnen Dinge durch Gott auseinanderzusetzen, der er eine über Zweitursachen vermittelte Schöpfungsordnung gegenüberstellt. Und so lautet seine Antwort: Du mußt wissen, daß, wenn jemand leugnet, daß die Ursachen mit der Ermächtigung Gottes die verursachten Dinge influenzieren, er die Weisheit und Wissenschaft aufhebt. Nämlich die Wissenschaft ist die Kenntnis der Dinge nach ihren Ursachen, und die Weisheit ist die Kenntnis der verborgenen Ursachen. (Manāhif, S. 112, Faith and Reason, S. 114)

Die Frage nach der Freiheit des Menschen verschwindet gleichsam hinter der Schöpfungsordnung und deren Erkenntnis und Befolgung durch den Menschen. Vgl. auch Art. ÝInāya. Wenn man es überspitzt ausdrücken wollte, könnte man sagen: Averroes ist gar nicht wirklich an der Frage von Freiheit und Prädestination interessiert, sondern an der der metaphysischen Erklärung der göttlichen Ordnung der Welt, innerhalb welcher sich die Handlungen des Menschen einfügen. Diese metaphysische Frage stellt tatsäch-

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lich den entscheidenden Diskussionspunkt gegenüber dem »Atomismus« der AšÝariten dar (vgl. Einleitung 2.5), der entscheidende Diskussionspunkt um die Freiheit wurde aber eben gar nicht von den AšÝariten aufgestellt, sondern von den MuÝtaziliten und den Hanbaliten. Im § 23 der Entscheidenden Abhandlung stellt Averroes fest, daß die Voraussetzung zur Rechtsverpflichtung die freie Wahl (ijtiyar) ist, auf die Frage, wie diese aber mit der universellen Verursachung in einer von Gott durchgängig und teleologisch geordneten Welt in Einklang zu bringen ist, bleibt Averroes eine eindeutige Antwort schuldig. Damit bleiben auch verschiedene Stellen, an denen Averroes von der freien Wahl spricht, in ihrem genauen Sinn unklar. So sagt er z. B. in Zu Platons Politeia, S. 101, On Plato’s »Republic«, S. 93, daß menschliche Vollkommenheit durch Aktualisierung der Potentialitäten erreicht wird, und »daß dies durch Wahl und freien Willen zu erreichen ist, weil die Natur dafür nicht genügt«, er geht dann aber nicht näher auf die Art und Weise dieser Aktualisierung ein, und genau darin wäre die Frage nach Freiheit und Prädestination enthalten. Man muß dabei allerdings berücksichtigen, daß bei Aristoteles, der großen Autorität des Averroes diese Problematik überhaupt nicht existiert. Aristoteles setzt zwar in seiner Ethik die Freiheit voraus, er liefert aber dafür keinen Beweis, der im Sinne des Averroes als burhan bezeichnet werden könnte, und Gott hat mit den menschlichen Handlungen, die zur sublunaren Welt gehören, überhaupt nichts zu tun. Averroes war sich durchaus im klaren darüber, daß seine Auffassung der mit Weisheit geordneten Schöpfung den Einwand des Übels in der Natur und der bösen Handlungen von Menschen hervorrufen mußte. Die Antwort ist – wie nicht anders zu erwarten – die der Bedingungen der besten aller möglichen Welten (gar nicht viel anders als bei Leibniz), d. h. entweder Gott schafft überhaupt nicht, dann bleibt viel Gutes unverwirklicht, wenn Gott aber schafft, so ist ein, wenn auch kleiner Teil von Übel unumgänglich: Und wenn man fragt: Was war für ein Bedürfnis da, eine Klasse von Geschöpfen zu schaffen, welche vermöge ihrer Natur für den Irrtum empfänglich sind, da dies doch der höchste Grad von Ungerechtigkeit ist? so antwortet man: Die göttliche Weisheit fordert

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dies, und es wäre ungerecht, wenn es anders wäre. Nämlich die Natur, von der der Mensch geschaffen ist, und die Konstitution, in der er zusammengesetzt ist, fordert, daß ein Teil der Menschen, und zwar der kleinere, durch ihre Natur schlimm sei, ebenso ergibt sich bei den Ursachen, die außerhalb der Menschen zu ihrer Leitung angeordnet sind, daß sie für einen Teil irreführend sind, während sie den größten Teil richtig leiten. (Manāhif, S. 115, Faith and Reason, S. 117 f.)

Warum es außer den guten Menschen »naturnotwendig« auch böse geben muß und warum die göttliche Weisheit fordert, daß einige äußere Ursachen für einige Menschen – die bösen – irreführend sein müssen, erklärt uns Averroes ebensowenig wie irgendein anderer Theoretiker der besten aller möglichen Welten. Für Averroes reicht die statistische Auskunft, daß Gott »die Ursachen des Irrtums nur geschaffen [hat], weil aus ihnen überwiegend die wahre Leitung in häufigeren Fällen als das Irreführen hervorgeht« (Manāhif, S. 116, Faith and Reason, S. 118). Die Weisheit Gottes kann also an einer statistisch nachweisbaren günstigen Häufigkeitsverteilung der guten Ergebnisse abgelesen werden! Averroes war sich dabei durchaus der Problematik bewußt, die sich aus diesen »Ursachen des Irreführens« für die Verkündigung ergeben, in der ja auf die Einhaltung des Gesetzes gedrängt werden muß. Vgl. dazu den abschließenden Teil des Art. TāÞwīl.

ÝInaya (göttliche Fürsorge) Bei Averroes ist der Ausgangspunkt der Gotteserkenntnis die Erkenntnis eines vernünftigen Plans, der der Welt zugrunde liegt, es geht also um eine Form des teleologischen Gottesbeweises. Die Hinweise (dalil, Pl. dalaÞil), die der Mensch aus der Beobachtung der Welt erhält, betreffen in erster Linie die natürliche Lebensordnung des Menschen und die dieser entsprechende sinnvoll und zielgerichtete Einrichtung der Welt. Averroes nennt dafür zwei Methoden (tariq, Pl. turuq, eigentlich »Weg«), die aber beide auf der Teleologie beruhen. Nach der Auffassung des Averroes sind es genau diese

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Methoden, auf die der Koran hinweist. Die erste ist »die Methode der Einsichtnahme von der Fürsorge (Ýinaya) für den Menschen und daß alle existierenden Wesen seinetwegen geschaffen sind, wir wollen dies den Beweis der Fürsorge nennen« (Manāhif, S. 45, Faith and Reason, S. 33). Die entsprechende Überlegung gründet sich auf zwei Grundsätze: (1) daß alle existierenden Wesen, die da sind, für die Existenz des Menschen angemessen sind; (2) daß diese Übereinstimmung mit Notwendigkeit von einem Agens, das sie beabsichtigt und will, herkommt, indem unmöglich diese Übereinstimmung als Resultat des Zufalls angesehen werden kann. (Manāhif, S. 43, Faith and Reason, S. 33)

Die Betonung der zugrundeliegenden, auf der Weisheit Gottes beruhenden Absicht und die Zurückweisung des Zufalls als Grund der Ordnung ist gegen den Atomismus und die Leugnung innerweltlicher Kausalursächlichkeit (= Okkasionalismus) der AšÝariten (→) gerichtet, wie dies z. B. in al-Gazālīs Tahāfut al-Falāsifa, S. 166, also schon auf der ersten Seite des berühmten Kap. XVII zum Ausdruck kommt. In seiner Erwiderung darauf in Inconsistence of Inconsistency, S. 319, sagt Averroes dazu, daß ohne Ursachenerkenntnis von der auch von den Theologen anerkannten Harmonie der Welt gar nicht gesprochen werden kann. Die zweite Methode ist eigentlich nur eine Erweiterung oder Vertiefung der ersten: Die andere Methode beschäftigt sich mit der wundervollen Hervorbringung der Wesenheiten der existierenden Dinge, wie die Hervorbringung des Lebens (Organischen) aus dem Unorganischen, der Sinneswahrnehmungen und des Verstandes; wir wollen dieses den Beweis der wundervollen Hervorbringung nennen. (Manāhif, S. 43, Faith and Reason, S. 33)

Eine Form des teleologischen Gottesbeweises findet sich schon bei al-Fārābī und bei diesem sogar – was bei al-Fārābī ganz selten ist – mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Übereinstimmung mit dem Koran:

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So aber haben wir in dieser Frage einen Weg, den wir wandeln können, und wodurch dann die Sache der Religionsgesetze (šariÝa) so klar wird, daß sie als sehr richtig und wahr gelten müssen. Dies gilt nun von solchen Aussprüchen wie dem, daß der herrliche Schöpfer die ganze Welt leite, ihm auch nicht das Gewicht eines Chardelkorns verborgen bleibe [Sure XXI, 47, und XXI, 16] und keiner von den Teilen der Welt seiner Fürsorge (Ýinaya) entgehe. Denn wir bewiesen in Beziehung hierauf, dass die allgemeine Fürsorge die Einzeldinge umfasse und ein jeder von den Teilen und den Zuständen der Welt an der festesten und sichersten Stelle stehe. Dies beweisen die Bücher von der Anatomie und dem Nutzen der Glieder sowie ähnliche Sätze in der Physik. (Al-Fārābī, Die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles, S. 41)

Ein einfacher Beweis von der Geschöpflichkeit auf den Schöpfer gehörte zu den Grundlagen der Glaubenskonzeption Ibn Tūmarts und somit der Almohaden (→). Averroes geht mit dem Beweis aus der Fürsorge aber über die Konzeption Ibn Tūmarts hinaus, der meist unmittelbar von der Erkenntnis des Geschaffenseins auf den Schöpfer schloß. Die Anregung, diese Form des Gottesbeweises zu verwenden, geht aber doch auf Ibn Tūmart zurück. Vgl. Geoff roy 1999, S. 32 f. Für Averroes legte sich der Hinweis auf die Fürsorge Gottes auch deshalb nahe, weil diese eine entscheidende Rolle im Koran spielt, auch wenn sie dort weniger naturphilosophisch und eher politisch und militärisch verstanden wird. Die ständige Fürsorge Gottes für den Menschen soll dem Muslim nicht zuletzt durch die über den ganzen Tag verteilten Gebetszeiten immer wieder bewußt gemacht werden. Der Ausdruck »Fürsorge« (Ýinaya) ist allerdings nicht selbst koranischen Ursprungs und wurde auch von den frühen islamischen Theologen nicht verwendet. Der Gebrauch dieses Ausdrucks geht auf die arabischen Philosophen zurück. Averroes verwendet Ýinaya im § 40 der Entscheidenden Abhandlung. Der Sache nach ist die Vorstellung der Fürsorge Gottes allerdings ganz deutlich im Koran enthalten, so z. B. im Gottesprädikat al-Hafiz, d. h. »der Bewahrer« (vgl. Entscheidende Abhandlung § 18, 3. Absatz). Averroes ist daher berechtigt, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die beiden genannten Wege im Koran enthalten sind:

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Diese beiden Beweisführungen sind die religiösen Beweisführungen. Daß die Verse des Korans, die auf die zur Existenz des Schöpfers hinführenden Beweise aufmerksam machen, sich auf diese beiden Gattungen beschränken, ist für jeden, der die betreffenden Verse einer genauen Betrachtung unterwirft, klar. (Manāhif, S. 44, Faith and Reason, S. 35)

Diesen Beweis wiederholt Averroes nochmals im Manāhif, S. 79– 84, Faith and Reason, S. 78–84. Man muß sich allerdings im klaren darüber sein – und vermutlich war sich auch Averroes darüber im klaren – daß die Annahme einer auf das Wohl des Menschen gerichteten göttlichen Schöpfung innerhalb des »normalen« Verständnisses etwas mit sich bringt, das wie eine Beschränkung der Allmacht Gottes aussieht: Gott kann – wenn er überhaupt eine Welt mit Menschen schaffen will – nur die für den Menschen »beste aller möglichen Welten« schaffen: Du weißt […], daß die Menschen das für das edelste Kunstwerk halten, wovon sie gestehen, daß es nicht in einer vollkommeneren und trefflicheren Form sein könnte als in der, in welcher es der Künstler hervorgebracht hat. (Manāhif, S. 87, Faith and Reason, S. 87)

Die Vorstellung der Hervorbringung der besten aller möglichen Welten war eng mit dem Ausdruck Ýinaya verbunden. Dieser Zusammenhang war vor allem von Ibn Sīnā (→) ausgearbeitet worden, ist aber bei diesem mit dem deterministischen Emanationsmodell »belastet«, nach dem mit Notwendigkeit aus Gott nur der Gedanke der besten aller möglichen Welten hervorgehen kann und dieser dann wiederum mit Notwendigkeit aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergeht. Vgl. Art. ÝInāya in EI2 III, Sp. 1203 a – b. Die Annahme eines solchen notwendigen Hervorgehens war selbstverständlich für die islamischen Theologen unannehmbar, sie war aber auch für Averroes unannehmbar, da er das neuplatonische Emanationsmodell grundsätzlich ablehnt. Wird jedoch die Vorstellung der Hervorbringung der besten aller möglichen Welten mit der einer freien göttlichen Schöpfungstätigkeit verbunden, dann ist damit immer die Problematik der Erklärung des Übels verbunden.

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Vermutlich haben die AšÝariten (→) aus ihrer Diskussion mit den MuÝaziliten (→) über die Frage, ob Gott nur das Gute wollen könne, das Problem erkannt: Die Behauptung einer vernünftig zielgerichteten und für den Menschen fürsorglich gut eingerichteten Welt führt letztlich in das unlösbare Theodizee-Problem. Für die Theologen und Mystiker legte es sich daher nahe, Ýinaya in einem ganz allgemeinen Sinn als göttliche, frei verfügte Gnade zu verstehen, die im Rahmen der Glaubensvorstellung der göttlichen souveränen Macht (qadar), die vor allen für die Menschen bestimmten Vorstellungen von »gut« und »böse« liegt, von der Theodizee-Problematik unberührt ist. Zur Behandlung des Problems des Übels bei Averroes vgl. Art. Iitiyār. Averroes ist selbstverständlich überzeugt, daß sein teleologischer Gottesbeweis allen formalen Anforderungen eines Beweises genügt. Da Averroes in der Entscheidenden Abhandlung an verschiedenen Stellen al-Gazālī (→) wegen dessen mangelnder Beweisform angreift, ist es erwähnenswert, daß al-Gazālī einen Gottesbeweis aufgrund der Ordnung der Dinge in der Welt anführt, der dem teleologischen Gottesbeweis des Averroes ziemlich ähnlich ist, und alGazālī diesen Beweis dann ganz ausdrücklich in die logische Form eines hypothetischen Syllogismus bringt. Es ist dabei durchaus interessant, daß der hypothetische Syllogismus eine von den Stoikern bevorzugte Beweisform darstellt. Vgl. al-Gazālī, El justo medio, S. 137, dazu Campanini, L’Incoerenza, Einleitung, S. 38. Die Meinungsverschiedenheit von Averroes und al-Gazālī ist aber letztlich gar nicht eine Frage der Form, sondern – was Averroes natürlich genau wußte – eine des Inhalts. Die »Teleologie« beweist bei al-Gazālī keine kausal durchsichtige, zielgerichtete und für das menschliche Handeln zuverlässige Welt, sondern ist nur ein Hinweis auf die Güte Gottes, der durch seine freie Entscheidung die Welt meist so einrichtet, daß sich die Menschen darin nach Gewohnheiten orientieren können (auch die Vorstellung von Kausalität als einer auf Gewohnheit beruhende »Erkenntnis« ist bei den Stoikern anzutreffen). Die Anerkennung einer geordneten Welt ist also bei al-Gazālī und bei den AšÝariten eigentlich der Anlaß für ein Dankgebet und ein Gotteslob, nicht für eine Gotteserkenntnis.

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Kalam (islamische Theologie) Kalam, wörtlich »Rede«, ist nach der Definition al-Fārābīs »die Fähigkeit, aufgrund deren jemand die festgelegten Lehren und Handlungen, die der Gründer der Religionsgemeinschaft aufgestellt hat, verteidigen und alles das, was ihnen entgegensteht, mit Reden zurückweisen kann« (De scientiis, S. 125). Al-Fārābī unterstreicht also die apologetische Funktion des Kalām, auch wenn gesagt werden muß, daß es auch eine nicht-apologetische Aufgabe des Kalām gab, die in der spekulativen Durchdringung des Glaubensgutes (ÝaqaÞid) bestand. Die apologetische Funktion war aber auch nach der Auffassung der Mehrzahl der mit dem Kalām beschäftigten Gelehrten (mutakallimun) vorherrschend. Entsprechend stellte der bedeutendste Historiker der arabisch-islamischen Welt, Ibn Ialdūn (1332–1406) fest, daß nach dem Sieg der sunnitischen Orthodoxie, als es also keine inneren Gegner mehr gab, der Kalām zum Stillstand kam. Nichtsdestoweniger ist seiner Auffassung nach die Kenntnis des Kalām immer noch für einzelne Menschen aus Bildungsgründen nützlich (The Muqaddima, III, S. 54.). Es muß allerdings festgestellt werden, daß der Stillstand des Kalām nicht nur dem Sieg des Sunnitentums, sondern auch inneren Gründen der Erstarrung zuzuschreiben ist. Vgl. Gardet 1977. (Einen guten Überblick über die Entwicklung des kalam liefert Nagel 1994 a.) Der Kalām erhielt nie einen Platz im Curriculum der »islamischen« Wissenschaften und wurde dementsprechend auch nicht in der madrasa gelehrt. Vgl. Makdisi 1983, S. 81. Die maßgebliche Disziplin der islamischen Welt war und ist das Recht, also fiqh und usul al-fiqh (→ Fiqh), und nicht kalam. Ursprünglich waren allerdings Theologie und Recht in einer einzigen Disziplin enthalten, die sich sowohl mit den grundlegenden Glaubensinhalten wie mit den praktischen Verhaltensregeln beschäftigte. Das entsprechende Verb zu fiqh ist faqiha, das zunächst ganz allgemein »verstehen« oder »begreifen« bedeutet. Die beiden Bereiche entwickelten sich jedoch in selbständiger Weise, so daß im 10. Jhd. die Trennung praktisch vollzogen war, auch wenn beide Disziplinen häufig von ein und denselben Personen vertreten wurden. In einem Streit zwischen Theologen und Juristen war der Sieg der Juristen vorauszusehen. Obwohl man den Kalām mit Recht als »islamische

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Theologie« bezeichnen kann, verbietet sich eine Parallelisierung mit der christlichen Theologie, da die Stellung und Funktion dieser beiden Disziplinen trotz der Parallelität verschiedener Fragestellungen (z. B. Schöpfung, Prädestination, Seelenlehre) in den jeweiligen Kulturen eine völlig verschiedene ist. Die häufig gebrauchte Bezeichnung des kalam als »Scholastik« und der mutakallimun als »Scholastiker« ist daher eher irreführend. Die christlichen Theologen arbeiteten innerhalb der von einem Lehramt gesteckten Grenzen und das Lehramt bediente sich bei der Grenzsetzung der Arbeit der Theologen. Im Islam gibt es kein Lehramt. Keiner der islamischen Lehrer der Theologie hat jemals eine gesellschaftliche Bedeutung erlangt, wie sie ein Thomas von Aquin in der lateinischen Welt des Mittelalters und darüber hinaus erhielt. Auch die überragende Bedeutung eines al-Gazālī beruhte nicht auf seinen Schriften zur Theologie, sondern auf denen zur Rechtswissenschaft und zur Mystik. Dieser Zusammenhang ist wichtig, um zu sehen, daß die Entscheidende Abhandlung, in der Averroes als prominenter Jurist spricht, kulturell und gesellschaftlich gesehen bedeutender ist als der Manāhif, in dem Averroes – vorübergehend – als islamischer Theologe tätig wird. Erste theologische Streitfragen ergaben sich aus der Aufspaltung der islamischen Gemeinde in die rivalisierenden Gruppen der Iārifiten, ŠīÝiten und Sunniten. Die Auseinandersetzung um die Legitimation dieser politisch-religiösen Richtungen war sowohl rechtlicher wie auch theologischer Art, so daß sich ein eigenes, vom Recht unterschiedenes Gebiet des kalam erst herauskristallisieren mußte. Es ist daher kaum möglich, genau anzugeben, wann sich die islamische Theologie, also Ýilm al-kalam als selbständige Disziplin herausbildete. Diskussionen mit Dualisten (Zoroastrier, Mazdaisten) mögen eine gewisse Rolle gespielt haben, der Kalām war aber von Anfang an entscheidend durch inner-islamische Diskussionen geprägt und er ist entstanden nicht aus dem Bedürfnis einer rationalen Durchdringung des Glaubens, sondern aus dem Bewußtsein, daß dieser Glaube in seiner ursprünglichen Reinheit nicht mehr vorhanden war, was sich in den Parteiungen deutlich manifestierte. »Der kalam ist nicht unislamisch, aber er ist die – laut al-AšÝarī notwendige – Begleiterscheinung des Zerfalls der unangefochtenen Gläubigkeit des Anfangs.« (Nagel 1994 a, S. 148)

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Der Kalām erfeute sich auch bei der großen Menge der Gläubigen, der »Masse«, nie allzu großer Beliebtheit, jedenfalls in keiner Weise einer, die mit der der Prophetenüberlieferung (→ Hadīu) oder des Rechts (→ Fiqh) vergleichbar wäre. Viele der Fragen, die die islamischen Theologen diskutierten, waren dem Volk einfach unverständlich. Zu der Unbeliebtheit hatte zudem die Intoleranz der Kalifen beigetragen, die zunächst eine der frühesten wenn nicht überhaupt die früheste Gruppe der islamischen Theologen, die MuÝtaziliten (→), bevorzugt hatten und zur Durchsetzung ihrer Ideen eine regelrechte Inquisition (mihna) eingerichtet hatten. Und als die Kalifen sich dann den Gegnern der MuÝtaziliten, vor allem den Hanbalien (→) und AšÝariten (→) zuwandten, versuchten sie diese Politik auch wiederum mit einer ebenso funktionierenden Inquisition durchzusetzen. Von Anfang an war im Kalām auch ein – im einzelnen allerdings nicht genau definierbarer – Einfluß griechischer Philosophie vorhanden, die Ausbildung des Kalām fällt ja auch in die Periode, in der die meisten Übersetzungen griechischer philosophischer Texte ins Arabische hergestellt wurden. Die Einzelheiten und das Ausmaß dieses Einflusses sind aber umstritten. Die wichtigsten Schulen des sunnitischen Kalām waren die MuÝtaziliten (→) und die AšÝariten (→), aber auch die Nachfolger al-Māturīdīs (→ Hanafiten) waren einflußreich. In manchen Fällen ist es aber nicht möglich, genau festzustellen, ob ein bestimmter Theologe eher al-AšÝari oder eher al-Māturīdī folgte, und selbst der Einfluß muÝtazilitischer Gedanken blieb erhalten. Im 9. Jhd. bildete sich, zunächst bei den MuÝtaziliten, ein Schema der Kalām-Lehrbücher heraus, das zum Standard wurde. An erhaltenen vollständigen Texten greifbar ist dieses Schema allerdings erst im 10. Jhd., wobei dann vor allem ašÝaritische Traktate wie die Ibn al-Bāqillānīs (gest. 1013) vorbildlich wurden. Diese Traktate enthielten folgende Teile: (1) Logik, (2) Erkenntnislehre und Metaphysik mit den theologisch wichtigen Unterscheidungen des Seins (Erkennbares / Nichterkennbares, Existierendes / Nicht-Existierendes, Ewiges / Kontingentes bzw. Notwendiges / Mögliches, Substanz / Akzidenz), (3) die Eigenschaften Gottes, die Handlungen Gottes (u. a. Prädestination, letztes Gericht), (4) die Gebote Gottes, wie sie durch den Propheten verkün-

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det wurden. Diese Lehrbücher enthielten also auch umfangreiche Teile philosophischen Inhalts, die manchmal sogar den Umfang der theologischen Teile übertrafen. Die Teile zur Philosophie waren jedoch häufig sachlich unzureichend und ungenau und die Teile zur Theologie wiederum standen nicht selten unverbunden neben oder sogar in Gegensatz zu diesen philosophischen Voraussetzungen, ohne daß dies aufgearbeitet wurde. Vgl. Gardet 1977, S. 102. In der Periode nach Averroes, also nach 1200 verstärkte sich die Behandlung dieser philosophischen Probleme und entsprechend wurden die diese Fragen behandelnden Teile der Lehrbücher immer umfangreicher. Dies wurde nicht zuletzt dadurch möglich, daß über den Weg der Logik auch Fragen der Metaphysik Eingang in die offiziellen islamischen Schulen (madrasa, Pl. madaris) gefunden hatten. Vgl. Rudolph 2004, S. 86–90. Ob das philosophische Niveau dieser Lehrbücher allerdings das der Aristoteles-Kommentare des Averroes (die den Autoren dieser Lehrbücher gar nicht bekannt waren) erreichte, muß die Forschung erst noch feststellen. In seiner Auseinandersetzung vor allem mit den AšÝariten im Manāhif folgt Averroes ziemlich genau diesem Schema und er hat dabei vor allem den Iršād al-Fuwainīs (→ AšÝariten) vor Augen. Allerdings fehlen aus diesem Schema die Teile zur Logik und Metaphysik, da Averroes überzeugt ist, daß diese Gebiete ausreichend und vollständig durch die Schriften des Aristoteles und seine eigenen Kommentare abgedeckt sind. Dadurch wird die Kritik der ašÝaritischen Theologie durch Averroes allerdings auch etwas problematisch, da deren Argumentation etwa bezüglich der Eigenschaften und Handlungen Gottes gerade auf diesen metaphysischen Voraussetzungen beruht, Averroes diese Metaphysik aber nicht systematisch analysiert und kritisiert, sondern jeweils punktuell im Kontext einzelner Fragen behandelt. Im Prinzip hält aber Averroes das ganze Unternehmen des Kalām für größtenteils überflüssig und schädlich, und er sieht in ihm einen der wichtigsten Faktoren des Streits und der Parteiungen unter den Muslimen. Vgl. Entscheidende Abhandlung §§ 47–49. Für Averroes ist der Koran, ein sparsamer Gebrauch der Überlieferung, Sprachwissenschaft und Philosophie ausreichend. Kalām braucht er eigentlich gar nicht. Vgl. auch Einleitung 2.4 und 2.5.

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Qiyas (Schlußfolgerung)

Der Begriff qiyas stammt ursprünglich aus den »arabischen Wissenschaften« des Rechts, der Grammatik und der Theologie. Seit dem 9. Jhd. wurde qiyas im Rahmen der Übersetzungen der aristotelischen Schriften für »Syllogismus« verwendet. Der Buchtitel der Übersetzungen der 1. Analytik des Aristoteles lautet Kitāb alQiyās (Das Buch der Schlußfolgerung). Aufgrund dieses breiten Anwendungsbereichs muß »Schlußfolgerung« in einem entsprechend weiten Sinn verstanden werden. Dies war auch allen arabischen Autoren bewußt und deshalb gebrauchten sie, außer dies ist durch den Kontext eindeutig, meist einen spezifizierenden Ausdruck, so auch Averroes: qiyas aš-šariÝi steht für »Rechts / Gesetzes-Schlußfolgerung« im Unterschied zu qiyas al-Ýaqli, das für »Vernunft-Schlußfolgerung / Syllogismus« steht. Vgl. in der Entscheidenden Abhandlung § 2 und § 5. (1) Rechts-Schlußfolgerungen Im Rahmen der »arabischen Wissenschaften« fand qiyas seine wichtigste, aber auch umstrittenste, Anwendung im Bereich des Rechts (→ Fiqh), wobei hier aber auch die Grammatik eine wichtige Rolle spielte, da die genaue Auslegung des Wortlauts entscheidend für den Sinn eines Satzes sein konnte. Aus einem Satz konnten aber verschiedene Schlußfolgerungen gezogen werden. Die Notwendigkeit solcher Schlußfolgerungen ergab sich daraus, daß zahlreiche rechtliche Fragen auftauchten, für die im Koran und in den Hadīuen keine explizite Regelung vorlag. Da solche Probleme schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt auftraten, geht auch die Diskussion um qiyas auf eine sehr frühe Periode, nämlich auf das 8. Jhd. zurück. Von aš-ŠāfiÝī (→ ŠāfiÝiten) wurde eine grundlegende Unterscheidung eingeführt: (1) qiyas Ýilla bzw. maÝna, d. h. eine Schlußfolgerung mit Hilfe eines Grundes oder einer Ursache (Ýilla). Bei dieser Form der Schlußfolgerung wird von einer gesetzlichen Regelung für einen bekannten partikulären Fall (asl = »Wurzel«) aufgrund eines gemeinsamen Kennzeichens (maÝna, d. h. »Sinn« oder »Bedeutung«) bzw. einer gemeinsamen Ursache (Ýilla) auf einen weite-

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ren partikulären Fall (farÝ, Pl. furuÝ, d. h. »Zweig /Ableitung«) geschlossen, so daß die selbe gesetzliche Bewertung (hukm) wie im ersten Fall gerechtfertigt ist. Seit dem 9. Jhd. wurde statt maÝna nur noch der Ausdruck Ýilla verwendet. Der Grund oder die Ursache (Ýilla) der Übertragung einer Regelung von einem auf einen anderen Fall ist selbstverständlich der entscheidende Punkt dieser Form der Schlußfolgerung und entsprechend gab es bei jenen, die solche Schlußfolgerungen überhaupt zuließen, zahlreiche und sehr komplizierte Kontroversen darüber, wann und unter welchen Bedingungen eine Ýilla zur Anwendung kommen durfte. Obwohl Ýilla manchmal in Angleichung an den Syllogismus als »Mittelbegriff« bezeichnet wird, ist zu beachten, daß Ýilla keinen Allgemeinbegriff darstellt, sondern auch wieder einen partikulären Begriff. Es handelt sich also weder um deduktives noch auch um induktives Schließen, sondern um eine Art Extrapolation eines Falles auf einen anderen Fall. Wenn z. B. die Strafe für eine bestimmte Handlung einer Sklavin die Hälfte der Strafe für eine freie Frau sein soll (Sure IV, 30), so kann dies auf einen männlichen Sklaven übertragen werden, wobei der Grund der Schlußfolgerung die Feststellung »ist Sklave« ist. Vgl. Art. Qiyās in EI2 V, Sp. 240 a. (2) qiyas šabah, d. h. Schlußfolgerung aufgrund einer Ähnlichkeit. Da eindeutige Kriterien der Ähnlichkeit im Recht nur schwer definierbar sind, galt diese Form der Schlußfolgerung als schwach. Von manchen, die (1) zuließen, wurde doch (2) abgelehnt. Da es sich bei qiyas nicht um eine formallogische Ableitung aus dem geoffenbarten Gesetz handelt, kann dem Ergebnis nicht Sicherheit (yaqin) zugesprochen werden, es bleibt eine Meinung, der eine hohe Wahrscheinlichkeit (galib az-zann) zukommt (→RaÞy / Zann). Um die Sicherheit zu erhöhen, wurde auch versucht, Bewertungen, die aufgrund von qiyas aufgestellt worden waren, durch Konsens (→ ÞIfmāÝ) weiter abzustützen. Zwischen den maßgeblichen Rechtsschulen war die Anwendung von solchen Schlußfolgerungen umstritten. Die ŠafiÝiten (→), deren Gründer aš-ŠáfiÝī die theoretische Basis dafür gelegt hatte, akzeptierten sie; die Hanafiten (→), deren Gründer Abū Hanīfa die Lehre systematisch ausgearbeitet hatte, akzeptierten sie ebenso; die Hanbaliten (→) hingegen wie auch die ŠīÝiten lehnten qiyas gänzlich ab; die Zāhiriten (→ Ibn

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Hazm) schlossen qiyas im Sinne der genannten Rechtsableitungen vollständig aus und wollten einzig den offenkundigen Sinn des Gesetzes bzw. mit Ibn Hazm rein formallogische Folgerungen gelten lassen, die also keine sachliche Erweiterung mit sich brachten; Ibn Tūmart (→ Almohaden) ließ (1) zu, nicht aber (2). Die verbreitetste Auffassung wurde die der Hanafiten. Vgl. zum Ganzen Art. Qiyās in EI2 V, Sp. 238 b–242 a. (2) Vernunft-Schlußfolgerungen In der späten Antike war das aristotelische Organon (Kategorien, Peri Hermeneias, Topik, 1. und 2. Analytik, Sophistische Widerlegungen) erweitert worden, so daß jetzt auch die aristotelische Rhetorik und die Poetik dazugezählt wurden. Die syrischen und arabischen Übersetzer und Philosophen übernahmen dieses Schema. Da Schlüsse immer zwei Prämissen voraussetzen, in den Kategorien aber nur einfache Ausdrücke und in Peri Hermeneias nur einfache Aussagen behandelt werden, kommen für Schlüsse nur die in den übrigen aristotelischen Büchern der Logik behandelten Argumentationsformen in Frage. Nach dieser Auffassung gab es fünf Arten von Schlüssen: demonstrative, topische, sophistische, rhetorische und poetische. Vgl. al-Fārābī, De scientiis, S. 45–53. Den verschiedenen Syllogismen und den ihnen entsprechenden Beweisen wurden verschiedene Wahrheitsgrade zugesprochen. Auch dies war eine schon aus der Tradition übernommene Lehre in der arabischen Philosophie. Al-Fārābī faßt dies beinahe tabellarisch in folgender Weise zusammen: Der Beweis wird in seinem Buch über den Beweis (burhan) gelehrt. Einige Teile dieses Buches lehren die Figur des Beweises, aus anderen Teilen desselben lernt man die Grundbestandteile, aus welchen der Beweis hervorgeht, kennen. Die Figur des Beweises lernt man aus seinem Buch über die Analogie (qiyas), den sogenannten Analyticis [= 1. Analytik]; die Grundbestandteile desselben sind unter dem Namen »die Apodeictica« in seinem Buch »der Beweis« [= 2. Analytik] enthalten.

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Die Bücher aber, welche man nach der Lehre vom Beweis lesen muß, sind die, welche zwischen dem richtigen und falschen Beweis unterscheiden. Einige dieser Beweise sind geradezu falsch, andere aber gemischt [aus falsch und wahr]. Den geradezu falschen Beweis lernt man aus seinem [d. h. des Aristoteles] Werk über die Dichtkunst [= Poetik] kennen. Unter den gemischten Beweisen gibt es dann solche, bei denen »richtig und falsch« in gleichem Maß möglich ist, bei anderen überwiegt das Falsch das Richtig, bei anderen aber das Richtig das Falsch. Die halb richtigen, halb falschen Beweise lernt man aus seinem Buch über die Redekunst [= Rhetorik], die aber, in denen das Falsch dem Richtig unterliegt, aus seinem Buch über das Disputable [= Topik] kennen; die Beweise aber, bei denen das Falsch das Richtig überwiegt, sind aus seinem Buch von der Kunst der Sophisten [= Sophistische Widerlegungen] ] zu ersehen. (Al-Fārābī, Vorstudien der Philosophie, S. 86 f.)

Obwohl al-Fārābī hier der Poetik den falschen Beweis zuschreibt, hat er an anderen Stellen doch von einem »poetischen Syllogismus« mit einem Wahrheitsgehalt gesprochen und sogar versucht, diesem eine formale Struktur zuzuschreiben. Die poetischen Reden haben bei al-Fārābī für die Analyse der religiösen Sprache sogar eine besonders wichtige Rolle, da sie für die »Masse« bestimmt sind, die nicht in der Lage ist, demonstrative Beweise zu erfassen, der also die Dinge durch »Vorstellungen« (tajyil) vermittelt werden müssen. Vgl. al-Fārābī, De scientiis, S. 51 f. Averroes nimmt in der Entscheidenden Abhandlung im § 30 genau diesen Zusammenhang auf und verwendet auch genau diesen Begriff tajyil dafür. Es ist daher auffallend, daß Averroes ebd. § 4 von den fünf Arten des Syllogismus nur vier aufzählt, nämlich den demonstrativen (beweisend im strengen Sinn), den dialektischen, den rhetorischen und den sophistischen, nicht aber den poetischen. Der Grund dafür dürfte aber weniger in der logischen Qualifikation des poetischen Syllogismus zu suchen sein, sondern in der religiösen Qualifikation des Korans, der in der islamischen Tradition grundsätzlich nicht als Dichtung aufgefaßt werden durfte. Im Koran selbst ist zu lesen: »Es ist die

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Aussage eines vortrefflichen Gesandten, nicht die eines Dichters.« (Sure LXIX , 40 f.) Dies stellte allerdings kein Hindernis dafür dar, bei der Interpretation von Koranversen Regeln heranzuziehen, die in der arabischen Poetik verwendet wurden. Im § 13 der Entscheidenden Rede fordert Averroes ausdrücklich die genaue Kenntnis der Regeln der metaphorischen Ausdrücke. Al-Fārābī hingegen erwähnt nur ganz selten ausdrücklich den Koran und spricht auch – außer in formelhaften Überschriften – nicht vom Propheten Muhammad, sondern analysiert – jedenfalls der Intention nach – ganz allgemein religiöse und prophetische Sprache und kann also unbefangen auch von poetischen Reden und Schlüssen sprechen. Averroes hat sich – selbstverständlich aber ohne jede Bezugnahme auf den Koran – auch mit der Poetik des Aristoteles beschäftigt und hat zu dieser ein Kompendium (arab., hebr. und lat. erhalten) und einen mittleren Kommentar (arab., hebr. und lat. erhalten) verfaßt. Sollte die These zutreffen, daß sich Averroes in den Großen Kommentaren nur noch mit jenen aristotelischen Schriften beschäftigt hat, die durch die Funktion, die der Philosophie in der Entscheidenden Abhandlung zugeschrieben wird, legitimiert sind (so Nassar 2002, S. 129 f.), so wäre die Tatsache, daß er keinen Großen Kommentar zur Poetik verfaßt hat, in diesem Sinne relevant. Vgl. Einleitung 1.2. Eine ganz ähnliche Aufzählung der verschiedenen Arten von Schlußfolgerungen bzw. von Argumentationsformen findet sich bei al-Gazālī. Es gibt demonstrative, dialektische, sophistische, rhetorische (und juridische) und poetische Argumentationsformen. Vgl. Logica Algazelis, S. 278 f. Wenn al-Gazālī hier die juridische und rhetorische Argumentation zusammen aufführt, so ist damit nichts über die Auffassung al-Gazālīs im Bereich der juridischen Schlußfolgerung ausgesagt, es geht hier nur um die Verwendung der Rhetorik, mit der versucht wird, die Menschen zur Einhaltung der Rechtsbestimmungen wirksam zu bewegen (legalis exhortatio). Genau dieselbe Funktion hat die Rhetorik bei Averroes, der in der Entscheidenden Abhandlung im § 26 die Dreiteilung Beweis – Dialektik – Predigt verwendet. Vgl. auch Einleitung 2.4. Die Form der logischen Beweisführung war in der arabischen Philosophie in erster Linie an der aristotelischen Syllogistik orientiert. Es waren aber auch die hypothetischen Schlußfolgerungen

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der Aussagenlogik der stoischen Logik bekannt und wurden auch verwendet, und zwar von Vertretern der falsafa ebenso wie von Vertretern des islamischen Rechts und der islamischen Theologie. Besonders ausgearbeitet findet sich die Aussagenlogik bei Ibn Sīnā. Vgl. The Propositional Logic of Avicenna. A Translation from al-ShifāÞ: al-Qiyās. Übers. v. N. Shehaby, Dordrecht 1973. Die beiden sachlich, logisch und methodologisch verschiedenen Gebrauchsweisen von qiyas wurden von den Autoren, die Verständnis für methodologische Fragen hatten, genau auseinandergehalten. Dies gilt auch für Averroes. Wenn daher ÞA. Badawi aus der Tatsache, daß Averroes in der Bidāyat, seinem großen Werk zur Rechtswissenschaft, keinen Bezug auf den logischen Sinn von qiyas nimmt, meint, Zweifel an der Zuschreibung dieses Werkes zu Averroes äußern zu müssen (in Jolivet 1978, S. 42), so besteht für diesen Zweifel kein ausreichender Grund. Vgl. Langhade / Mallet 1985, S. 110 f. Der Vorschlag von P. Thillet, in diesem Zusammenhang von »zwei Sprachen (deux langages)« bei Averroes zu sprechen (in Jolivet 1978, S. 35), ist sprachphilosophisch durchaus akzeptabel. In der Sprache des Rechts hat nur qiyas im Sinn von (1), nicht aber im Sinn von (2) einen Platz, da Averroes die formallogische Anwendung von qiyas im Recht, wie sie Ibn Hazm vorschlug (vgl. weiter oben), nicht übernahm. Die genaue Unterscheidung verschiedener Sprach- und Argumentationsformen ist auch in der Entscheidenden Abhandlung grundlegend. Vgl. Einleitung 2.4.

RaÞy (Überzeugung, Auffassung) / Zann (Meinung)

Die Ausdrücke raÞy und zann kommen in verschiedenen Gegenüberstellungen zueinander und gegenüber anderen Begriffen vor und sind daher in ihrer Beziehung nicht eindeutig definierbar. Es muß bei beiden Ausdrücken außer dem umgangssprachlichen Gebrauch ein philosophisch-erkenntnistheoretischer und ein juridischer Gebrauch unterschieden werden (ganz ähnlich wie bei → Qiyās).

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(1) »Eigene Auffassung« im Recht Mit raÞy wird im Kontext des Rechts die eigene, selbständige Auffassung eines Rechtsgelehrten bezeichnet, die selbstverständlich mit den Quellen des Korans und der Überlieferung (hadiv) nicht in Widerspruch stehen darf, die aber auch nicht aus diesen Quellen direkt ableitbar ist. Es handelt sich dabei aber nur um eine Gegenüberstellung, nicht notwendigerweise um einen Gegensatz, wie manchmal angenommen wird. Es wird allgemein akzeptiert, daß es unter den ersten Nachfolgern des Propheten solche gab, die raÞy praktizierten, was auch in den Textsammlungen der Überlieferung (→ Hadīu) dokumentiert ist. Ein Wandel trat im 8. Jhd., also in der späten Periode der Umaiyaden und der frühen Periode der Abbasiden ein. Es bildete sich hier eine Gegenüberstellung der »Leute des Eigenurteils« (ajl ar-raÞy) und der »Leute der Überlieferung« (ahl al-hadiv) heraus. Die »Leute der Überlieferung« lehnten raÞy ab und ließen höchstens Schlußfolgerungen aus den Quellen (→ Qiyas (1)) zu. RaÞy wird von den Hanafiten (→),zugelassen, aber von den ŠāfiÝiten (→), den Hanbaliten (→) und Ibn Hazm (→) abgelehnt. Das Substantiv zann im Sinne von »Vermutung« sowie das entsprechende Verb und Adjektiv sind koranischen Ursprungs, es wird dort der »Wahrheit« (haqq) gegenübergestellt und hat in diesem Kontext daher eine deutlich negative Konnotation. Vgl. z. B.: Die meisten von ihnen gehen nur Vermutungen nach. Und Vermutungen helfen hinsichtlich der Wahrheit nichts. (Sure X, 36)

In solchen Zusammenhängen erscheint zann in der Nähe von »Zweifel« (šakk), und »Unwissenheit« (fahl) und wird dem »sicheren Wissen« (Ýilm, yaqin) gegenübergestellt. Der Ausdruck zann wird in diesem Sinn dann auch häufig dem »entschiedenen Urteil« (qatiÝ) gegenübergestellt (Averroes verwendet in der Entscheidenden Abhandlung an mehreren Stellen Wörter aus derselben Wortwurzel). Da raÞy im Sinne selbständiger Urteilsbildung im rechtlichen Bereich weitgehend abgelehnt wurde, konnte diese negative Konnotation auch in der Auseinandersetzung mit philosophischer Tätigkeit im Sinne griechischer Rationalität gebraucht werden. So steht dann für Suhrarwardī (1155–1191), einen persischen Zeitgenossen des

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Averroes und Begründer der Philosophie der Illumination (Þišraq) der Ausdruck raÞy für die verblendeten Auffassungen der Philosophen, denen die tieferen Einsichten in die höhere Welt verborgen bleiben. Vgl. Ritter 1977, S. 177. Unter dem Einfluß der Übersetzungen der logischen Schriften des Aristoteles, in denen »Wissen« und »allgemein akzeptierte Meinung« gegenübergestellt wurden, wurde diese negative Konnotation von zann zurückgedrängt, wenn auch nie ganz aufgehoben. Vgl. Brunschvig 1976 a, S. 284–287. (2) »Auffassung / Überzeugung« als philosophischer Begriff In philosophischen Kontexten wurde dann für »allgemein akzeptierte, aber nicht sichere Meinung«, griech. éndoxos, der arab. Ausdruck mašhur, also »allgemein bekannt« oder »allgemein akzeptiert« bevorzugt. Auch Averroes gebraucht diesen Ausdruck in der Entscheidenden Abhandlung im § 41 als Alternative zu dem von derselben Wurzel wie zann abgeleiteten maznun. Vermutlich war sich Averroes der Problematik der Mehrdeutigkeit der Ausdrücke raÞy und zann im rechtlichen und philosophischen Gebrauch bewußt und verwendete sie in der Entscheidenden Abhandlung nur selten. Der Ausdruck raÞy (Pl. ÞaraÞ) wird von Averroes in der Entscheidenden Abhandlung nur in § 20 und § 21 verwendet. Zann und das entsprechende Verb und Adjektiv wird in der Entscheidenden Abhandlung an mehreren Stellen gebraucht (vgl. Wörterverzeichnis). Für die Begriffsbestimmung im philosophischen und theologischen Bereich ist die Unterscheidung von raÞy und zann entscheidend. Butterworth hat in einem Artikel von 1997 auf die Problematik der Übersetzung von raÞy hingewiesen. Butterworth entscheidet sich ebd. dafür, raÞy mit opinion und zann mit supposition zu übersetzen, dem entsprechen dann auch die Übersetzungen im Treatise. Ich übersetze raÞy mit »Auffassung« und zann mit »Meinung«. Dem liegt folgende Zu- und Unterordnung der Begriffe bei al-Fārābī zugrunde: Meinung (zann) und Sicherheit ( yaqin) haben gemeinsam, daß sie beide eine Auffassung (raÞy) sind. Eine Auffassung zu haben bedeu-

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tet, überzeugt zu sein ( yaÝtaqida), daß ein Ding so ist oder nicht so ist. Es [d. h. raÞy ] ist so wie deren [d. h. von zann und yaqin] Genus, und sie sind wie zwei Species. (Al-Fārābī, Deux ouvrages inédits sur la Rhétorique, hrsg. v. Langhade, J. / Grinaschi, M., Beirut 1971, S. 33. Übers. v. F. S.)

Mit raÞy ist also zunächst ganz neutral eine Auffassung bezeichnet, die eine Überzeugung darstellt (Müller, Harmonie, S. 13, übersetzt entsprechend neutral raÞy mit »Ansicht«), was daraus hervorgeht, daß al-Fārābī raÞy mit iÝtiqad in Parallele setzt und letzteres eindeutig eine feste Überzeugung bezeichnet. Eine solche Auffassung wird überprüft: Wenn jemand unsere Argumentationen (hufaf, Pl. von huffa) und Behauptungen (aqawil, Pl. von qaul), die wir bei der Überprüfung (tashih) seiner Auffassung ihm gegenüber vorbringen, angreift und er von uns die Methode der Überprüfung erfahren will und auf welche Weise sie [d. h. die Argumentationen und Behauptungen] zum Nachweis der Wahrheit jener Auffassung dienlich sind und nicht zum Nachweis des Gegenteils derselben und warum sie zum Nachweis der Wahrheit jener Auffassung geeigneter sind als andere, dann können wir ihm all dies erklären. (Al-Fārābī, Deux ouvrages inédits sur la Rhétorique, hrsg. v. Langhade, J. / Grinaschi, M., Beirut 1971, S. 27 und S. 29. Übers. v. F. S.)

Die Überprüfung einer Auffassung geht nach intersubjektiv kontrollierbaren Verfahren, nicht nach subjektiver Einschätzung vor sich: Denn wir überprüfen eine Auffassung (raÞy) von anderen nur mit Vorgangsweisen und Methoden (turuq, Pl. von tariq), die jenen ähnlich sind, mit denen wir solche auch bei uns überprüfen. (AlFārābī, De scientiis, S. 27)

Die Methoden der Überprüfung werden durch die Logik geliefert, entsprechend vor allem der 1. und 2. Analytik und der Topik des Aristoteles (dies gilt für al-Fārābī wie für Averroes). Durch diese Überprüfung wird es klar, ob eine Auffassung (raÞy) eine gesicherte ist (yaqin), d. h. bewiesen ist, oder ob sie nur eine Meinung (zann) im Sinn einer Vermutung darstellt:

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Dies also ist der Schaden unserer Unkenntnis der Logik und der Nutzen, wenn wir sie kennen. Und es ist offenkundig, daß sie erforderlich ist für den, der sich bei seinen Annahmen (iÝtiqadat, Pl. von iÝtiqad) und Auffassungen (Þ ara Þ) nicht mit Meinungen (zunun, Pl. von zann) zufrieden geben will. (Al-Fārābī, De scientiis, S. 33)

Es ergibt sich also: Jemand hat zunächst eine Auffassung / Überzeugung (raÞy), die dann überprüft wird. Kann diese Auffassung durch einen Beweis entsprechend der 2. Analytik gestützt werden, so liegt eine sichere Aussage (yaqin) vor, entspricht sie dem Verfahren der Topik, so liegt eine auf einer Vermutung beruhende Meinung vor (zann). Die Diskussion über den genauen Sinn von raÞy in Gegenüberstellung zu zann ist vermutlich noch nicht abgeschlossen. Vgl. Butterworth 1997 und Art. RaÞy in EI2 Supplement 687 b–690 b.

SaÝada (Glückseligkeit)

Der Begriff »Glückseligkeit« war ein wichtiges Bindeglied zwischen Islam und Philosophie und möglicherweise war es von Seiten der islamischen Philosophen der entscheidende Begriff überhaupt, um die Einheit der Wahrheit in Religion und Philosophie aufzuzeigen. Vgl. den Überblick im Art. SaÝāda in EI2 VIII, Sp. 657 b–660 a. Der Begriff »selig sein« (saÝida) wird schon im Koran, vor allem im Sinn der »jenseitigen Glückseligkeit« verwendet, vgl. z. B.: Diejenigen aber, die selig sind, werden im Paradies sein und darin weilen, solange Himmel und Erde währen, – soweit dein Herr es nicht anders will, – ein Geschenk (das ihnen) unverkürzt (oder: ohne Unterbrechung) (gewährt wird). (Sure XI, 108)

Für die Philosophen im islamischen Bereich wurde der Begriff saÝada als Äquivalent für den griechischen Ausdruck eudaimonía (lat. beatitudo) verwendet. Es finden sich daher auch im islamischen Bereich die beiden Tendenzen, die schon in der griechischen Philosophie mit der Vorstellung von eudaimonía verbunden sind:

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(1) Die an Platos Politeia orientierten Philosophen stellten die Frage nach der Glückseligkeit im Kontext der Fragen der Politik, so maßgeblich al-Fārābī, der von der Staatswissenschaft (Ýilm almadani) sagt: Diese Wissenschaft umfaßt zwei Teile. Der eine Teil enthält die Erkenntnis der Glückseligkeit und unterscheidet zwischen der wahren und der vermeintlichen Glückseligkeit, und [er enthält] die Zusammenfassung der allgemeinen willensbestimmten Handlungen, Gebräuche, Sitten und Haltungen, deren Kennzeichen es ist, daß sie den Städten und Völkern zugeteilt werden, und es werden die wirklich guten von denen, die nicht wirklich gut sind, unterschieden. Der andere Teil enthält die Art und Weise der Ordnung der Haltungen und der besten Gebräuche in den Städten und bei den Völkern. (Al-Fārābī, De scientiis, S. 119)

(2) Die am Neuplatonismus orientierten Philosophen suchten die Glückseligkeit im Inneren der Seele, einer Seele, die sich aus den Zwängen der Gesellschaft frei gemacht hat und die ihr Ziel individualethisch und asketisch zu erreichen sucht. Aufs ganze gesehen, hat die letztere Auffassung in der islamischen Philosophie mehr Anhänger gefunden als die erstere, besonders da sie sich gut mit den mystischen Tendenzen des Islam verbinden ließ (→ Sūf ī). Und diese Tendenz steht wiederum in Übereinstimmung mit der spätantiken griechischen Überlieferung, die ja auch für die Mehrzahl der islamischen Philosophen prägend war. Diese Tendenz war schon im 10. Jhd. ziemlich ausgeprägt, so z. B. bei den Brüdern der Reinheit (→ Iiwān as-SafāÞ). Einflußreich wurde dann besonders Miskawayh (932–1030), der zwar von der Nikomachischen Ethik ausging, der dann aber das Ziel des Menschen doch in einer neuplatonisch konzipierten »Nähe zu Gott« suchte (→ÞAilāq). Miskawayh hatte dann großen Einfluß auf Ibn Sīnā (Avicenna), der zwar auch das Leben in Harmonie mit den Mitmenschen in der Gesellschaft als eine Voraussetzung für die jenseitige Glückseligkeit ansah, das letzte Ziel des Menschen aber doch wieder in mystischer Begrifflichkeit charakterisierte (→ Ibn Sīnā). Al-Gazālī (→) stand zwar der Philosophie im allgemeinen und der al-Fārābīs und Ibn Sīnās im besonderen sehr kritisch gegenüber, folgte aber dort, wo er die

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Glückseligkeit beschrieb, durchaus dem Weg Miskawayhs und Ibn Sīnās. Die Glückseligkeit ist auch für ihn nicht rein jenseitig, aber auch die diesseitige Glückseligkeit ist in entscheidender Weise vom jenseitigen Ziel her bestimmt: Ich habe einen geachteten Vertreter der Sūfīs erklären hören, daß derjenige, der sich auf den Weg des erhabenen Gottes begibt, schon in dieser Welt das Paradies erschaue. Das höchste Paradies aber liege in seinem Herzen, wenn es ihm gelänge, es zu erreichen. Dazu kann man nur gelangen, indem man sich von den Bindungen an Diesseitiges befreit und dadurch, daß man sehr eifrig über die göttlichen Fragen nachdenkt, bis sich deren Klarheit durch göttliche Inspiration bei der Läuterung der Seele von ihren Betrübnissen enthüllt. Dies zu erreichen ist das Glück. (Al-Gazālī, Das Kriterium des Handelns, S. 95)

Auch in al-Andalus war diese neuplatonisch inspirierte Konzeption zur Zeit des Averroes eigentlich die vorherrschende, obwohl dort der Einfluß al-Fārābīs stärker wirksam war als im Orient. Ibn Baffa (→) und nochmals verstärkt Ibn Tufail (→) zogen daraus die letzte Konsequenz: Glückseligkeit ist individuell, intellektuell und a-politisch. Dies ist eindeutig nicht der Weg al-Fārābīs, der im ersten Satz seiner Schrift Über das Erreichen der Glückseligkeit feststellt, daß Glück das Ziel von Völkern und von Bürgern von Städten ist (The Attainment of Happiness, S. 13). Averroes folgte in der Frage der Glückseligkeit nicht Ibn Tufail und seinen an der Mystik orientierten Zeitgenossen oder Vorgängern, sondern hielt sich an Aristoteles und al-Fārābī, so daß bei ihm der politische Rahmen der Frage nach der Glückseligkeit erhalten blieb bzw. wieder aufgenommen wurde, wie es besonders in seinem Kommentar zu Platos Politeia deutlich wird (die Politik des Aristoteles stand ihm wie der gesamten arabischen philosophischen Tradition nicht zur Verfügung): Der Mensch kann sein Ziel nur erreichen, insofern er Teil des Staates ist (Zu Platons Politeia, S. 92, On Plato’s »Republic, S. 79). Auch hier aber ist die Einteilung in Elite und Masse (vgl. dazu Einleitung 2.5) maßgeblich, denn es gilt, »daß die Art der Masse den Herren dient, insofern für sie [d. h. für die Herren] die Absicht der Philosophie ganz verwirklicht wird, und

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die Herren dienen der Masse, indem sie sie zum Glück führen« (Zu Platons Politeia, S. 119, On Plato’s »Republic, S. 114). Unter der Führung der weisen Herrscher und des Propheten erreichen aber nach Averroes doch alle Menschen, die dem Gesetz entsprechen, jedenfalls im Jenseits die volle Glückseligkeit, was eine islamische Grundforderung ist. Averroes führt im Kommentar zu Platos Politeia in ziemlich genauem Anschluß an al-Fārābī die unzureichenden oder falschen Ziele der Glückseligkeit der Menschen in bestimmten Gesellschaftsformen an: bloße Erhaltung der körperlichen Unversehrtheit, Reichtum, Ehre, Genuß und Vergnügen. Vgl. al-Fārābī, The Political Regime, S. 42–53, Musterstaat XXIX, S. 98–100, und Averroes, Zu Platons Politeia, S. 93, On Plato’s »Republic«, S. 80. Demgegenüber besteht die wahre Glückseligkeit in der Vollkommenheit, die durch die Tätigkeit der rationalen Seele und den entsprechenden tugendhaften Handlungen erlangt wird, so Averroes, Zu Platons Politeia, S. 95, On Plato’s »Republic«, S. 84. Averroes ist dabei überzeugt, daß diese Definition der Glückseligkeit, wie sie die Philosophie liefert, genau dasselbe zum Ausdruck bringt, was auch das islamische Gesetz fordert, wie es durch den Propheten verkündet wurde. Vgl. Zu Platons Politeia, S. 93, On Plato’s »Republic«, S. 80 f. Dies ist auch die Voraussetzung im § 11, 1. Absatz, der Entscheidenden Abhandlung. Im Kommentar zur Metaphysik des Aristoteles und im Kommentar zu De anima referiert Averroes zwar die Auffassung des Aristoteles von der intellektuellen Einsicht als der höchsten Stufe der Glückseligkeit, dieses Ziel wird aber bei Averroes nicht besonders thematisiert und bleibt im übrigen einfach neben der dem islamischen Glauben entsprechenden Vorstellung der Glückseligkeit, wie sie in der Entscheidenden Abhandlung dargestellt wird, stehen. Vgl. Campanini, L’incoerenza, Einleitung, S. 52–55. Bei den islamischen Vorstellungen vom jenseitigen Glück betont Averroes in der Entscheidenden Abhandlung § 33 nur, daß man die Existenz des jenseitigen Glücks und Unglücks annehmen müsse, bei der Interpretation desselben legt er sich jedoch nicht fest (Entscheidende Abhandlung § 33). Und im Kommentar zu Platos Politeia sagt Averroes im Zusammenhang der für die Erziehung der Wächter nützlichen Erzählungen:

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Wenn also das Glück als Gesundheit, Unsterblichkeit und ewiges Leben der Seele vorgestellt wird, so ist das eine sehr gute Erzählung. (Zu Platons Politeia, S. 47, On Plato’s »Republic«, S. 22)

Auch diese Stelle läßt einiges offen, insofern hier wieder alle Fragen der Seelenlehre des Averroes einbezogen werden müßten. Vgl. dazu z. B. Arnaldez 1959, Leaman 1988, S. 82–116.

Tasawwur (Begriffsbildung) / Tasdiq (Zustimmung)

Die Begriffe tasawwur und tasdiq gehörten jedenfalls seit al-Fārābī zum Standardbestand von Einleitungen in die Logik. Darauf hat schon M. Steinschneider in Al-Farabi, Petersburg 1869 (Nachdruck Amsterdam 1966), S. 147 f., hingewiesen. Al-Fārābī beginnt seine Hauptfragen mit folgender Feststellung: Das Wissen zerfällt in: a. allgemeine Vorstellungen (tasawwur), d. i. wenn man sich etwa die Sonne, den Mond, den Intellekt und die Seele vorstellt und in b. Vorstellungen mit Bestätigung (tasdiq), so wenn man sich vergewissert, daß der Himmel aus Sphären, eine in der anderen, besteht; oder auch daß man dabei erkenne, daß die Welt zeitlich geschaffen sei. (Al-Fārābī, Hauptfragen, S. 92)

Diese Unterscheidung findet sich dann u. a. bei Ibn Sīnā (Avicenna), Šifā, engl. Übers. v. Sh. C. Inati, Remarks and Admonitions, Part One: Logic, Toronto 1984, S. 49, bei al-Gazālī, Maqāsid al-Falāsifa, S. 33, und wird auch von Averroes in Aristotelis Opera, I/2, Venedig 1562 (Nachdruck Frankfurt 1962), S. 36 b – h, aufgenommen. Auf diese Stellen hat schon Wolfson 1973, S. 478, hingewiesen. Seit diesem ursprünglich 1943 publizierten Artikel ist jedoch 1968 von M. Mahdi al-Fārābīs Kitāb al-Alfāz erstmals veröffentlicht worden und dort findet sich ein Text, in dem die Begriffe tasawwur und tasdiq genau in demselben Zusammenhang und genau mit derselben Terminologie wie im § 39 der Entscheidenden Abhandlung des Averroes gebraucht werden, nämlich in dem der Unterweisung (taÝalim) durch einen Lehrer:

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Für jedes Ding, das so ist, daß es durch eine Rede (qaul) gelernt wird, muß der Lernende dafür drei Fähigkeiten haben. Die erste ist, daß er einen Begriff für das Ding bildet (tasawwur ) und die Bedeutung (maÝna) dessen versteht, was er vom Lehrer hört, und dies ist die Bedeutung, die der Lehrer mit der Rede anzielt. Die zweite ist, daß er die Zustimmung (tasdiq) zu der Existenz (wufud) dessen gibt, wovon er einen Begriff gebildet hat oder was er von dem Wort (lafz) des Lehrers verstanden hat. Und die dritte ist, daß er sich an das erinnert (hifz), wovon er einen Begriff gebildet hat und wozu er die Zustimmung gegeben hat. (Al-Fārābī, Kitāb al-Alfāz § 40, S. 86 f. Übers. v. F. S.)

Eine wichtige Stelle, an der tasawwur und tasdiq verwendet wurden, war die Kommentierung des 1. Kapitels der 2. Analytik des Aristoteles, obwohl dies vom Text her nicht unbedingt angelegt war. Die Stelle lautet bei Aristoteles: Alles vernünftige Lehren (didaskalía) und Lernen (máthesis) geschieht aus einer vorangehenden Erkenntnis. […] Jene vorangehende Erkenntnis muß aber auf zweierlei Weise gewonnen werden: denn bei dem einen muß man vorwegnehmen, daß (óti estí ) es ist, bei dem anderen muß man verstehen, was das durch den Namen Bezeichnete ist (tí tó legómenon estí ), bei noch anderem muß beides sein. (Aristoteles, 2. Analytik 1, 71 a 1–2 u. 11–13. Übers. v. E. Rolfes, Hamburg 1976, S. 1)

Al-Fārābī verwendet bei der Kommentierung dieser Stelle die Terminologie von tasawwur und tasdiq. Vgl. al-Fārābī, Kitāb al-Burhān, hrsg. v. M. Fakhy, Beirut 1986, S. 20, und genau dasselbe findet sich bei der diesbezüglichen Kommentierung durch Averroes, wobei sich Averroes ausdrücklich auf al-Fārābī (= Abunnazar) bezieht. Dieser Kommentar des Averroes ist nur lateinisch erhalten (ich füge in Klammern die vermuteten arabischen Ausdrücke hinzu, vgl. auch Wolfson 1973, S. 486 f.): Enuntiatio haec, quemadmodum dixit Abunnazar, comprehendit sub subiecto suo omnia, quaecunque sunt in hoc libro, et hoc quia cum dixit: Omnis doctrina et omnis disciplina (taÝalim, maÝifa) comprehendit sub se omnes species quaesitorum, quae procedunt

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secundum viam verificationis (tasdiq) et secundum viam formationis (tasawwur). (So die Übersetzung Burana. In der Übersetzung Abram lauten die hier wichtigen Begriffe: secundum modum assertionis (tasdiq) und secundum modum conceptionis (tasawwur). (Großer Kommentar In Analytica posteriora I, S. 12 E – F) Diese Aussage enthält, wie Abu Nasr (= al-Fārābī) sagt, in seinem Gegenstand alles, was in diesem Buch [= die 2. Analytik] ist, und zwar deshalb, weil er sagt: Jede Lehre und jedes Lernen enthält in sich alle Arten der gesuchten Dinge, die sich auf dem Weg der Verifizierung [= Zustimmung] und auf dem Weg der Formbildung [= Begriffsbildung] ergeben. (Übers. v. F. S.)

Auch in der Einleitung zum kurzen Kommentar zur Topik stellt Averroes mit Bezug auf die Dialektik und die Rhetorik fest, daß es dabei um die Analyse von tasdiq und tasawwur geht. Three Short Commentaries, arab. S. 151, engl. S. 47. Es handelt sich bei dieser Unterscheidung um eine, die in allen Disziplinen der Logik relevant ist. Aus der Abschlußbemerkung zu diesen drei Traktaten (Dialektik, Rhetorik, Poetik), ebd. arab. S. 205 f., engl. S. 84 geht hervor, daß diese Unterscheidung auch für die Poetik gilt. In den meisten Traktaten des Kalām gibt es ausführliche Einleitungskapitel zur Logik (→ Kalām). Auch al-Gazālī beginnt in Maqāsid al-Falāsifa, S. 33, seine Auseinandersetzung mit den Philosophen mit der Unterscheidung in tasawwur und tasdiq, ohne diese zu kritisieren. In der von Dominicus Gundissalinus (um 1110 – nach 1181) hergestellten lat. Teilübersetzung des Maqāsid wird tasawwur mit imaginatio und tasdiq mit credulitas wiedergegeben. Als Beispiel für ersteres wird u. a. »Stein« (lapis) angeführt, als Beispiel für letzteres »Die Welt hat einen Anfang« (mundus coepit). Vgl. Logica Algazelis, S. 239. Die Herkunft dieser Standardunterscheidung tasawwur – tasdiq ist nicht definitiv geklärt. Eine Beziehung zur griechischen Philosophie legt sich nahe. Vgl. Wolfson 1973, S. 483–490 (Wolfson ebd., S. 490, führt auch die hebr. Parallelen an). Sicher hat die Unterscheidung mit der aristotelischen Unterscheidung in »Wort / Begriff« (keine Bejahung oder Verneinung) und »Satz /Aussage« (mit Bejahung oder Verneinung) zu tun. Aus Aristoteles, De Interpretatione 4,

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16 b 26–30 läßt sich folgende Parallele ableiten: griech. phásis → arab. tasawwur, griech. katáphasis/apóphasis → arab. tasdiq. Aus Aristoteles, De anima III, 6, 430 a 26–28, läßt sich die folgende Parallele ableiten: griech. nóêsis → arab. tasawwur, griech. pseûdos/alêthés → arab. tasdiq. Wolfson 1973, S. 488, verweist aber auch auf die bekannte Darstellung der stoischen Sprachauffassung durch Sextus Empiricus. Aus Sextus Empiricus, Adversus mathematicos VIII 11 f. und Diogenes Laertius, Leben und Meinungen berühmter Philosophen VII 63 (vgl. zu beiden I. M. Bochenski, Formale Logik, 3. Aufl., Freiburg 1970, S. 126 f.) läßt sich für die Stoiker folgende Parallele ableiten: griech. phantasía logikê → arab. tasawwur, griech. axíôma → arab. tasdiq. Wolfson 1973, S. 488, hält diese stoische Unterscheidung und die arabischen korrespondierenden Begriffe tasawwur und tasdiq für das Mittelglied der Überlieferung, von dem aus dann die Anwendung auf die Texte des Aristoteles durchgeführt wurde. Die Diskussion über den Ursprung und die ursprüngliche Verwendung dieser beiden Ausdrücke ist vermutlich noch nicht abgeschlossen. Die Kenntnis der stoischen Sprachtheorie bei den arabischen Philosophen ist nur unzureichend erforscht. Vielleicht gibt uns al-Fārābī mit seinem weiter oben aus dem Kitāb al-Alfāz zitierten Text einen weiterführenden Hinweis: Der Zusammenhang, in dem er die beiden Begriffe einführt, ist der des Lehrens und Lernens und das Ziel des Lernens ist das Erinnern (hifz). All dies paßt gut in den Zusammenhang der Wissenschaft des Erlernens der Koran-Rezitation (Ýilm al-qiraÝa), die Unterscheidung hat also vielleicht ihren Ursprung gar nicht in den »fremden (= griechischen) Wissenschaften«, sondern in den »arabischen Wissenschaften«.

Ta Þwil (Interpretation)

Der Ausdruck taÞwil wird schon im Koran gebraucht (vgl. Sure XII, 7 u. ö.) und bedeutet (der Wortstamm ist nicht eindeutig) »das zum Ursprung Zurückbringen« oder »das in die richtigen Bedingungen Versetzen«. Daß ein Unterschied von Wortsinn und »eigentlichem« Sinn im Korantext vorkommen kann, ist also schon im Koran selbst angedeutet. Das Problem der Interpretation bestimmter Ausdrücke

Sachbegriffe

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und Aussagen des Korans war daher schon mit der Entstehung des Korans gegeben. Eine Interpretation liegt dort vor, wo »hinter« oder »über« dem wörtlichen Sinn ein »verborgener« oder »höherer« Sinn gesucht wird (so im § 13 der Entscheidenden Abhandlung). Die Gegenüberstellung eines eigentlichen (haqiqi), ursprünglichen Sinnes (haqq = »Wahrheit / Richtigkeit«) und eines übertragenen (mufazi), metaphorischen Sinnes hat eine lange und im einzelnen nicht immer durchsichtige Geschichte. Vgl. dazu Heinrichs 1984. Diese beiden Begriffe standen ursprünglich nicht in Gegenüberstellung und gehörten verschiedenen Kontexten an, das entsprechende Substantiv haqiqa hatte eine eher ontologische Bedeutung, mafaz eine sprachtheoretische Bedeutung, die aber mehr umfaßte als nur den metaphorischen Gebrauch, was ja auch bei Averroes im § 13 zum Ausdruck kommt. Die Gegenüberstellung von haqiqa und mafaz scheint ihre »klassische« Form im 10. Jhd. vor allem unter dem Einfluß der MuÝtaziliten gefunden zu haben, was der Hanbalit Ibn Taymīya später als »unerlaubte Neuerung (biÝda) ansah. Vgl. Heinrichs 1984, S. 117 und S. 138–140. Der Ursprung dieser Unterscheidung von haqiqa und mafaz ist sowohl juridischer als auch philologisch / literarkritischer und theologischer Art. Bei Averroes geht es in der Entscheidenden Abhandlung in erster Linie um die philologische und theologische Bedeutung dieser Unterscheidung. Es handelt sich dabei um die grundlegende Unterscheidung der Kunst/ Wissenschaft der »klaren Rede« (Ýilm al-bayan, bana = »deutlich sein«). Vgl. Art. Bayān in EI2 I, 1114 a–1116 b. In dieser »Kunst« geht es um die klare und auch phonetisch wohlgestaltete Rede. Vgl. Art. Mafāz in EI2 V 1025 b–1026 b. Ähnlichkeit, Metapher und Analogie sind grundlegende Kategorien dieser Disziplin, wobei die Metapher die wichtigste Kategorie von mafaz darstellt. Die Wissenschaft der klaren Rede (Ýilm al-bayan) wurde von as-Sakkākī (1160–1229) in seiner Schrift Miftāh al-Ýulūm (Der Schlüssel der Wissenschaften) als einer der drei Teile der Wissenschaft von der Sprache aufgefaßt; die beiden anderen Teile umfassen die Morphologie und die Syntax. In der folgenden Zeit setzte sich der Ausdruck Ýilm al-balaga (balaga = »sein Ziel erreichen«), d. h. »Redekunst« oder »Rhetorik« als umfassender Titel durch. Vgl. Art. Balāga in EI2 I, Sp. 981 b–982 b, und Art. As-Sakkākī in EI2 VIII, Sp. 893 b–894 b. Zur Zeit des Averroes

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hatte sich noch keine allgemein anerkannte Systematisierung der übertragenen Redeweisen, also von mafaz, durchgesetzt. Wichtiger als die genaue Interpretation der einzelnen Formen der übertragenen Redeweise, die Averroes im § 13 der Entscheidenden Untersuchung anführt, ist das Verständnis des wissenschaftstheoretischen Status von bayan. Im 12. Jhd. setzte eine Entwicklung ein, die dann bei Ibn al-Auīr (1163–1239) klar zum Ausdruck kommt: Das Verhältnis der Ýilm al-bayan, also der Wissenschaft des richtigen Sprachgebrauchs in Prosa und Dichtung, zu den konkreten sprachlichen Äußerungen im ursprünglichen oder übertragenen Sinn, wird so aufgefaßt wie das Verhältnis der Wissenschaft von den Quellen des Rechts, d. h. Þusul al-fiqh, zu den konkreten Rechtsbeurteilungen und Rechtsentscheidungen, also den ahkam (→ Fiqh). Vgl. Art. Bayān in EI2 I, Sp. 1115 a. Die Wissenschaft der klaren Rede ist also eine rationale Wissenschaft wie das Recht, gehört aber zu den »arabischen Wissenschaften« im Unterschied zu den »fremden Wissenschaften«, d. h. den Vernunftwissenschaften griechischer Herkunft. Damit ergibt sich die schon bei al-Fārābi vorhandene und auch bei Averroes nicht eindeutig geklärte Frage des Verhältnisses der von den arabischen Sprachtheoretikern analysierten und systematisierten Rhetorik und Poetik des Arabischen und den von den arabischen Philosophen kommentierten Schriften der Rhetorik und Poetik des Aristoteles. Vgl. dazu al-Fārābī, De scientiis, Einleitung, S. XXXV f. Das Verfahren von mafaz, dessen wichtigster Bestandteil der Gebrauch von Metaphern ist, beruht also im Sinne der arabischen Sprachtheorie auf einer strengen, regelgeleiteten Methode, die keinerlei »literarische Freiheit« zuläßt. Es geht darum, jeweils ein und denselben Gedanken durch verschiedene direkte oder indirekte Ausdrucksweisen zur Sprache zu bringen. Es wäre daher verfehlt, dieses Verfahren mit dem nicht selten sehr willkürlichen Gebrauch von Allegorien zu vergleichen, das uns in der Literatur des Mittelalters im lateinischen Bereich begegnet. Die Bedeutung und der Gebrauch von haqiqa und mafaz ist, besonders unter sūfīstischem Einfluß, bis heute für den westlichen Leser oder Hörer nicht sofort eindeutig identifizierbar. Die empirische erfahrbare Welt wird in diesem Gebrauch als mafazi, d. h. als eigentlich nicht real, nur Hinweise enthaltend bezeichnet, während

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die eigentliche Wirklichkeit, also die höhere, spirituelle Welt als die wahre Welt, und somit als haqiqi, bezeichnet wird. Vgl. Meier 1977, S. 229. Die wichtigste Frage der Interpretation war die der Bezeichnungen (»Namen«) der Eigenschaften Gottes, bei denen im Koran zahlreiche Ausdrücke verwendet werden, die als »anthropomorph« bezeichnet werden. Die prinzipielle Grundlage für die Berechtigung von Interpretationen lieferte auch wieder der Koran selbst in Sure III, 7, ein Vers, den auch Averroes in der Entscheidenden Abhandlung im § 14 und § 16 sowie im § 30 und § 46 mit signifikant verschiedener Lesung heranzieht. Vgl. dazu die entsprechenden Anm. im Kommentar. Nach Sure III, 7 gibt es Verse, die in ihrem Sinn eindeutig und klar sind (ayat muhkamat), und solche die mehrdeutig und /oder dunkel sind (ayat mutašabihat) und die dann eine Deutung oder Interpretation (taÞwil) erhalten können. Die Auffassung des Averroes in der Auseinandersetzung mit den MuÝtaziliten (→) und den AšÝariten (→) ist dabei ganz eindeutig: Keinerlei Interpretationen für die »Masse«, Interpretationen sind ausschließlich der »Elite« vorbehalten. Zu »Masse« und »Elite« vgl. Einleitung 2.5. Dies war auch schon die Meinung Ibn Sīnās (Avicennas). Vgl. Avicenna, Epistola sulla vita futura, S. 72 f. Averroes vertritt also eine Auffassung, zu der Ibn Tufail (→) den Philosophen seines Romans erst nach dem gescheiterten Versuch der »Aufklärung des Volkes« gelangen läßt: Er riet ihnen [d. h. den Leuten des Volkes], in ihrer gewohnten Weise an den Regeln der religiösen Satzung und den auf das Äußerliche bezogenen Handlungen festzuhalten, sich so wenig wie möglich in Dinge, die nicht ihre Sache waren, zu vertiefen, den schwerverständlichen Stellen in den heiligen Texten Glauben zu schenken und sie ohne Vorbehalte anzuerkennen. […] Denn er und sein Freund […] wußten nun beide, daß diese Leute, die zwar willens, aber letztlich doch nicht hinreichend befähigt waren, ihr Heil nur auf diesem Weg finden konnten. Würde man sie von dort, wo sie sich befanden, auf die Ebene der spekulativen Erkenntnis erheben, würden ihre althergebrachten Ansichten Schaden erleiden, und es wäre ihnen erst recht nicht mehr möglich, auf die Stufe der

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Glückseligen zu gelangen. Sie würden orientierungslos hin und her treiben, dem Niedergang preisgegeben, und schließlich ein schlimmes Ende finden. (Ibn Tufail, Hayy ibn Yaqzān, S. 112 f.

Averroes wirft in der Entscheidenden Abhandlung al-Gazālī (→) an mehreren Stellen vor, dem Volk solche Interpretationen mitgeteilt zu haben und dadurch Verwirrung gestiftet zu haben (vgl. z. B. § 35). Dabei geht Averroes in seinen Anschuldigen allerdings etwas zu weit, al-Gazālī kannte durchaus die Probleme, die mit den Interpretationen verbunden sind und war auch nicht der Meinung, daß alle Interpretationen auch in den Predigten für das Volk verwendet werden sollten. Das Verbot, dem Volk Interpretationen mitzuteilen, zwingt Averroes zu ziemlich rigorosen Konsequenzen, wie an dem Standardbeispiel des Attributs »Körperlichkeit« in Bezug auf Gott gut gezeigt werden kann, auf das Averroes im § 30 der Entscheidenden Abhandlung zu sprechen kommt. Bei der näheren Behandlung dieser Frage im Manāhif versucht Averroes zunächst, die Frage hermeneutisch überhaupt auszuklammern: Wenn man fragt: Was sagst du über die Eigenschaft der Körperlichkeit? Gehört sie zu den Eigenschaften, welche ausdrücklich der Gottheit im Gesetz abgesprochen werden, oder zu denen, die es mit Stillschweigen übergeht? so antworten wir: Offenbar gehört sie zu denen, von denen das Gesetz schweigt. (Manāhif, S. 60, Faith and Reason, S. 56 f. )

Die Behauptung, daß im Koran die Frage der Verneinung der Körperlichkeit Gottes mit Schweigen übergangen wird, läßt sich angesichts unzähliger Stellen, die Gott mit Körperlichkeit in Verbindung bringen, nur schwer halten, und dies weiß auch Averroes, daher fügt er sofort hinzu (diese Hinzufügung fehlt allerdings in einer der Handschriften, es könnte sich also um eine spätere, nicht von Averroes stammende Ergänzung handeln, vgl. Faith and Reason, S. 57, Anm. 15): doch nähert sie [d. h. die Eigenschaft der Körperlichkeit] sich [im Gesetz] mehr einer ausdrücklichen Bejahung als Verneinung. (Manāhif, S. 60, Faith and Reason, S. 57 )

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Da Averroes aber überzeugt ist, daß die Körperlichkeit Gottes philosophisch gesehen verneint werden muß, würde es sich hier ergeben, daß eine Interpretation auch der »Masse« mitgeteilt werden müßte, da dieses sonst eine einfach falsche Glaubensvorstellung hätte. Nichtsdestoweniger hält Averroes auch an diesem Punkt an seiner Verbots-Strategie für das Volk fest: Nach meiner Meinung muß man diese Eigenschaft notwendig nach der Methode des Religionsgesetzes behandeln, also weder die Verneinung noch die Bejahung derselben ausdrücklich aussprechen, und den Leuten der großen Menge auf ihre Frage hierüber mit der Stelle des Korans antworten: Es ist ihm keiner Gleich, und er ist der Hörende, Sehende (Sure XLII, 9), und ihnen die Frage verwehren. (Manāhif, S. 60, Faith and Reason, S. 57)

Dies ist genau die Position, die Averroes in der Entscheidenden Abhandlung im § 30 prinzipiell einnimmt und zwar so, daß dem Volk nicht nur die Interpretationen nicht mitgeteilt werden dürfen, sondern daß das Volk gar nicht wissen darf, daß es überhaupt solche Interpretationen gibt. Die Begründung des Averroes, warum der großen Menge auch an diesem Punkt – d. h. bei der Frage der Eigenschaft Gottes der Körperlichkeit – keine erklärende Interpretation vorgelegt werden darf, ist letztlich eine pragmatische: Averroes benötigt für das Volk irgendeine Vorstellung von »oben«, damit dieses an der populären Auffassung der Herabkunft des Korans festhalten kann. Die Verneinung der Körperlichkeit Gottes führt also zu »allerlei Bedenken« in der Religion: Ferner gehört zu jenen Bedenken, daß die Verneinung der Körperlichkeit die Verneinung der Lage oder Gegend für den Schöpfer auf den ersten Anblick zur Folge hat, und die Religion wird dadurch dunkel: nämlich die Sendung der Propheten gründet sich darauf, daß die Offenbarung zu ihnen vom Himmel heruntersteigt. Und hierauf ist diese unsere Religion gegründet, nämlich, daß der Koran vom Himmel herab geschickt worden ist. (Manāhif, S. 61, Faith and Reason, S. 59)

Averroes reicht es dann völlig aus, jede Interpretation für die große Menge auszuschließen. Für die »Leute des Beweises« hat Averroes

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dann selbstverständlich ausreichend Gründe für die Unkörperlichkeit Gottes, es fällt aber auf, daß er sich im weiteren um eine Interpretation dessen, was mit der Herabkunft des Korans gemeint sein könnte, gar nicht mehr kümmert. Möglicherweise erledigt sich die Frage für ihn mit der Überzeugung der Identität des Inhalts von Koran und Philosophie, das »Von-Oben-Kommen« des Korans braucht philosophisch gar nicht interpretiert zu werden. Es gibt allerdings bei Averroes einen interessanten Grenzfall, in dem er die Erfordernis einer Interpretation jedenfalls für einige aus der »Masse« nicht ausschließen will. Hier sind wir bei dem heiklen Problem der Prädestination(→ Iitiyār). Es gibt zahlreiche Verse im Koran, die Gott zuschreiben, daß er nicht nur recht leitet, sondern auch in die Irre führt, so z. B.: Sag: Gott führt irre, wen er will. Aber wenn einer sich (ihm bußfertig) zuwendet, führt er ihn zu sich (auf den rechten Weg). (Sure XIII, 27) Und wen Gott irreführt, für den gibt es keinen, der ihn rechtleiten würde. (Sure XXXX, 33)

Bei diesen Aussagen ist nach Averroes eine Grenze der Berechtigung des Auffassens nach dem einfachen Wortlaut auch beim Volk gegeben: Diese Verse kann man nicht nach ihrem äußeren Wortlaut nehmen, denn es gibt auf der anderen Seite viele Verse, die diesen in ihrem Wortlaut widersprechen. (Manāhif, S. 114, Faith and Reason, S. 116)

In diesem Fall kann also Averroes mit seiner – auch nicht unproblematischen – These arbeiten, daß es für die philosophischen Interpretationen immer auch eindeutige Texte im Koran gibt, die die (gewünschte) Auffassung bestätigen (Entscheidende Abhandlung § 14). Es reicht also aus, z.B. folgenden Koranvers anzuführen: Wer verlogen ist und nicht Maß hält, den leitet Gott nicht recht. (Sure XXXX, 29)

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Und somit kann Averroes dann kommentieren, ohne sichtbar zu interpretieren (die Interpretation liegt in diesem Fall nur in der Selektion der Verse, auf die der Akzent gelegt wird, was das Volk kaum bemerken dürfte): Und es ist klar, wenn er von ihnen den Unglauben nicht will, daß er sie nicht in die Irre führt. (Manāhif, S. 114, Faith and Reason, S. 116)

Averroes meint nicht, daß allen aus der Menge bei der Aussage, daß Gott auch in die Irre führt, Zweifel kommen, aber er meint auch nicht, daß dies nur bei der Elite der Fall sein wird. Es ist klar, daß die Auffassung, Gott könne auch in die Irre führen, für die Gesellschaft und für das dort geltende Rechtswesen – dessen offizieller Vertreter ja Averroes selbst war – bedenkliche Konsequenzen haben müßte. Wenn Gott in die Irre führen kann, wird die Tätigkeit des Richters unter einen prekären Vorbehalt gestellt, was auch für die Autorität des Gesetzes beim Volk einen Schaden mit sich bringen könnte. Aber auch für den zentralen Glaubensartikel des Islam »Gott ist einer« könnte diese Auffassung bedenkliche Folgen haben, denn es könnte sich für das Volk die Vorstellung ergeben, daß das Gute von dem guten Gott, das Böse aber von einem Gegengott stammt. Daß der Dualismus bei vielen Völkern verbreitet war und angesichts des Übels in der Welt auch eine »populäre« Plausibilität besaß, wußte Averroes. Vgl. Manāhif, S. 116, Faith and Reason, S. 119. Es mußte also auch dem Volk klar gemacht werden, daß es nur einen Gott und so auch nur eine letzte Ursache gibt, und daß das Übel und das Böse nur wegen des Guten geschaffen ist. Für das Volk wird dabei zur Erklärung ein Bild reichen: Das Feuer ist ein Gut und für die Existenz des Menschen notwendig, es kann aber auch Verderben bringen. Vgl. Manāhif, S. 116, Faith and Reason, S. 119. Wenn aber Menschen aus dem Volk meinen, daß damit doch eine Unvollkommenheit Gottes ausgesagt sei und sie annehmen, Gott könne auch eine von allem Übel und allem Bösen freie Welt schaffen, so soll man das Volk bei diesem Glauben lassen, und es ergibt sich in diesem Fall: »so versteht die große Menge hierbei einen Sinn, die Auserwählten aber einen anderen« (Manāhif, S. 118, Faith and Reason, S. 120 f.). Wenn aber der auf dem Koran und des-

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sen wörtlicher Auslegung beruhende Glaube der Masse »etwas anderes« – und zwar kontradiktorisch anderes – enthält als die auf der philosophischen Interpretation der Elite beruhende Überzeugung, wie steht es dann um das im Titel der Entscheidenden Abhandlung als Frage aufgestellte Verhältnis (ittisal) von Gesetz und Philosophie? Ist es tatsächlich so, wie Averroes im § 12 sagt – sicher im besten Glauben, daß es sich tatsächlich so verhält –, daß die Wahrheit der Wahrheit nicht entgegengesetzt ist, sondern die Wahrheit der Philosophie für die des Gesetzes Zeugnis ablegt und umgekehrt? Gilt dies nun nur für die Überzeugung der Elite oder gilt dies auch für die Überzeugungen der Menge? Averroes konnte nicht alle Fragen beantworten. Es soll aber darauf hingewiesen werden, daß die in der Entscheidenden Abhandlung systematisch zentrale Frage der Interpretation, die sich bei einer ersten Lektüre als logisch und konsistent darstellt, doch einige Probleme ungelöst läßt.

A BK Ü R Z U NGSV ER Z E ICH N I S

Werke von Averroes Alonso, Teología Butterworth, Treatise

Campanini, Trattato

Damīma

Epistle Dedicatoy

Faith and Reason

Gauthier, Traité

Geoff roy, Discours Hourani, Fasl

Hourani, Harmony Lucchetta, Accordo

Teología de Averroes. Übers. v. M. Alonso. Madrid – Granada 1947. Decisive Treatise and Epistle Dedicatory. Übers. v. Ch. W. Butterworth. Provo / Utah 2001, S. 1–33. Il trattato decisivo sull’accordo della religione con la filosofia. Übers. v. M. Campanini. Mailand 1994. Zusatz. In: Philosophie und Theologie von Averroes. Hrsg. v. M. J. Müller. München 1875, S. 128–131. Decisive Tratise and Epistle Dedicatory. Übers. v. Ch. W. Butterworth. Provo/Utah 2001, S. 43–46. Faith and Reason in Islam. Averroes’ Exposition of Religious Arguments. Übers. v. I. Najjar. Oxford 2001. Traité décisif (Façl el-maqal) sur l’accord de la religion et de la philosophie. Übers. v. L. Gauthier. Algier 1942, 2. Aufl. Algier 1948 (Nachdruck Paris 1983). Discours décisif. Übers. v. M. Geoff roy. Paris 1996. Fasl al-maqāl bayna al-hikma wa aš-šarīÝa min al-ittisāl. Hrsg. v. G. Hourani. Leiden 1959. On the Harmony of Religion and Philosophy. London 1976. L’accordo della legge divina con la filosofia. Übers. v. F. Lucchetta. Genua 1994.

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Abkürzungsverzeichnis

Manāhif

Müller, Harmonie

On Platos »Republic« Zu Platons Politeia

Die Erklärung der Beweismethoden hinsichtlich der Glaubensvorstellungen der Religion, in: Philosophie und Theologie des Averroes. Übers. v. M. J. Müller. München 1875. (Zitation nach der Seitenzahl der arab. Edition von Müller, die auch am Rand der dt. Übersetzung von Müller angegeben ist.) Harmonie der Religion und Philosophie, in: Philosophie und Theologie von Averroes. Übers. v. M. J. Müller. München 1875, S. 1–28. On Platos »Republic«. Übers. v. R. Lerner. Ithaca – London 1974. Kommentar zu Platons Politeia. Übers. v. S. Lauer, Kommentar von E. I. J. Rosenthal. Zürich 1996.

Enzyklopädien EI2

HWPh LdM Wensinck, Concordance

The Encyclopaedia of Islam. 11 Bde. Leiden 1960–2002, Supplement, Leiden 2004. Historisches Wörterbuch der Philosophie. 12 Bde. Basel – Stuttgart 1971–2004. Lexikon des Mittelalters. 9 Bde. München – Zürich 1980–1999. Wensinck, A. J.: Concordance et indices de la tradition musulmane. 8 Bde. Leiden 1936–1988.

L I T ER AT U RV ER Z E ICH N I S

Werke von Averroes (nach Erscheinungsjahr) Fasl al-maqāl bayna al-hikma wa aš-šarīÝa min al-ittisāl (Das Buch der entscheidenden Abhandlung und der Urteilsfällung über das Verhältnis von Gesetz und Philosophie) () Arabischer Text ohne Übersetzung Hrsg. v. J. M. Müller in: Philosophie und Theologie von Averroes. München 1859, S. 1–26 (Nachdruck Weinheim 1991). Hrsg. v. G. Hourani. Leiden 1959. (Zit. als Hourani, Fasl ) Hrsg. v. M. ÝAmmāra. Kairo 1972. Hrsg v. E. Nādir. 3. Aufl., Beirut 1986. () Arabischer Text mit Übersetzung Traité décisif (Façl el-maqal) sur l’accord de la religion et de la philosophie. Übers. v. L. Gauthier. Algier 1942, 2. Aufl. Algier 1948 (Nachdruck Paris 1983). (Zit. als Gauthier, Traité) Il trattato decisivo sull’accordo della religione con la filosofia. Übers. v. M. Campanini. Mailand 1994. (Zit. als Campanini, Trattato) L’accordo della legge divina con la filosofia. Übers. v. F. Lucchetta. Genua 1994. (Zit. als Lucchetta, Accordo) Discours décisif. Übers. v. M. Geoff roy. Paris 1996.( Zit. als Geoff roy, Discours) L’accordo della legge divina con la filosofia. Übers. v. F. Lucchetta. Genua 1994. (Zit. als Lucchetta, Accordo) Decisive Tratise and Epistle Dedicatory. Übers. v. Ch. W. Butterworth. Provo/Utah 2001, S. 1–33. (Zit. als Butterworth, Treatise) () Übersetzungen ohne arabischen Text Harmonie der Religion und Philosophie. In: ders., Philosophie und Theologie von Averroes. Übers. v. M. J. Müller. München 1875

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Literaturverzeichnis

(Nachdruck Weinheim 1991), S. 1–28. (Zit. als Müller, Harmonie) Teología de Averroes. Übers. v. M. Alonso. Madrid – Granada 1947, S. 149–200. On the Harmony of Religion and Philosophy. Übers. v. G. Hourani. London 1976, S. 44–71. (Zit. als Hourani, Harmony) Il trattato decisivo. Übers. v. J. Agnesina. Saonara 2005. (Keine Übers. aus dem Arabischen, sondern eine ital. Version nach den Übers. von Hourani und Geoff roy.)

Al-Kašf Ýan manāhif al-adilla f ī aqāÞid al-milla (Die Erklärung der Beweismethoden hinsichtlich der Glaubensvorstellungen der Religion) () Arabischer Text Hrsg. v. M. J. Müller in: Philosophie und Theologie des Averroes. München 1859, S. 27–135. Hrsg. v. M. Qasim, 2. Aufl. Kairo 1964. (Auf diese Ausgabe kann in Einleitung, Kommentar und Anhang der vorliegenden Ausgabe über die Angabe Faith and Reason, d. h. der Übers. v. I. Najjar zurückgegriffen werden, in der die entsprechende Seitenzahl der Ausgabe von Qasim am Rand angegeben ist.) Hrsg. v. M. Hanafi. Beirut 1998. () Übersetzungen Die Erklärung der Beweismethoden hinsichtlich der Glaubensvorstellungen der Religion. In: Philosophie und Theologie von Averroes. Übers. v. M. J. Müller. München 1875 (Nachdruck Weinheim 1991), S. 29–135. (Zit. als Manāhif nach der Seitenzählung des arab. Textes von Müller, die am Rande der dt. Übers. angegeben ist.) Teología de Averroes. Übers. v. M. Alonso. Madrid – Granada 1947, S. 203–353. Faith and Reason in Islam. Averroes’ Exposition of Religious Ar-

Literaturverzeichnis

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guments. Übers. v. I. Najjar. Oxford 2001. (Zit. als Faith and Reason) Devoilement des méthodes de démonstration des dogmes de la religion musulmane (Teilübersetzung). Übers. v. M. Geoff roy. In: L’Islam et la raison. Paris 2000, S. 95–160.

Damīma (Zusatz) () Arabischer Text ohne Übersetzung Philosophie und Theologie von Averroes. Hrsg. v. M. J. Müller. München 1875, S. 128–131. Fasl al-Maqāl. Hrsg. v. G. Hourani. Leiden 1959, S. 41–45. () Arabischer Text mit Übersetzung Mit lat. Übersetzung des Raymondo Martí in: Asin Palacios, M., El averroismo teológico de Santo Tomás de Aquino, in: Saavedra, E. (Hrsg.), Homenaje a D. Francisco Codera en su jubilación del profesorado. Estudios de erudición oriental, Zaragoza 1904, S. 324–331. Epistle Dedicatory. Übers. v. Ch. E. Butterworth. In: Decisive Treatise and Epistle Dedicatory. Provo/Utah 2001, S. 38–42. (Zit. als Epistle Dedicatoy) () Übersetzungen ohne arabischen Text Philosophie und Theologie von Averroes. Übers. v. M. J. Müller. München 1875 (Nachdruck Weinheim 1991), S. 136–139. (Zit. nach der Seitenzählung des arab. Textes von Müller, die am Rand der dt. Übersetzung von Müller angegeben ist.) Teología de Averroes. Übers. v. M. Alonso. Madrid – Granada 1947, S. 356–365 (mit lat. Übers. des Raymondo Martí). The Question mentioned by the Shaykh Abu l-Walīd in the Decisive Treatise. Übers. v. G. Hourani. In: On the Harmony of Religion and Philosophy. London 1976, S. 72–75.

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Tahāfut at-Tahāfut (Inkohärenz der Inkohärenz) () Arabischer Text Hrsg. v. M. Bouyges. Beirut 1930, 3. Aufl. Beirut 1992. () Übersetzungen ohne arabischen Text The Incoherence of the Incoherence. Übers. v. S. van den Bergh. London 1954. (Zit., wenn nicht anders angegeben, nach dieser Übers.) L’incoerenza dell’incoerenza dei filosofi. Übers. v. M. Campanini. Turin 1997.

Weitere Werke des Averroes in Übersetzungen Commentaire moyen à la Rhétorique d’Aristote. Arab.-franz., hrsg. u. übers. v. M. Aouad. Paris 2002. De substantia orbis. Critical Edition of the Hebrew Text. Hebr.engl., hrsg. u. übers. v. A. Hyman. Cambridge / Mass. – Jerusalem 1986. Epitome of Parva naturalia. Übers. v. H. Blumberg. Cambridge/ Mass. 1961. Epitome der Metaphysik. Übers. v. S. van den Bergh. Leiden 1924 (Nachdruck Leiden 1970). Kommentar zu Platons Politeia. Übers. v. S. Lauer, Kommentar von E. I. J. Rosenthal. Zürich 1996. (Zit. als Zu Platons Politeia) On Platos »Republic«. Übers. v. R. Lerner. Ithaca – London 1974. (Zit. als On Platos »Repubic«) Metaphysics. A Translation with Introduction of Ibn Rushd’s Commentary on Aristotle’s Metaphysics, Book Lām. Übers. v. Ch. Genequand. Leiden 1984. Middle Commentaries on Aristotle’s Categories and De interpretatione. Übers. v. Ch. E. Butterworth. Princeton 1983. Opera omnia. Padua 1472–1474 und 1562 (Nachdruck Frankfurt 1962). Quaestiones in Physicis. Übers. v. H. T. Goldstein. Dordrecht – Boston 1991.

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Weitere arabische Autoren (vor allem Übersetzungen) Al-Buiārī: Sahīh. Nachrichten von Taten und Aussprüchen des Propheten Mohammed. Ausgewählt u. übers. v. D. Ferchl. Stuttgart 1991. Al-Fārābī: Die Antworten Alfārābīs auf einzelne vorgelegte Fragen. In: Al-Fārābīs philosophische Abhandlungen. Übers. v. F. Dieterici. Leiden 1892, S. 139–169. – The Attainement of Happiness In: Philosophy of Plato and Aristotle. Übers. v. M. Mahdi. Ithaca – New York 2001, S. 13–50. – Book of Religion. In: The Political Writings, »Selected Aphorisms« and Other Texts. Übers. v. Ch. E. Butterworth. Ithaca – London 2001, S. 93–113. – Die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles. In: Al-Fārābīs philosophische Abhandlungen. Übers. v. F. Dieterici. Leiden 1892, S. 1–53. The Harmonization of the Two Sages: Plato the Divine and Aristotle. In: The Political Writings, »Selected Aphorisms« and Other Texts. Übers. v. Ch. E. Butterworth. Ithaca – London 2001, S. 125–167. – Die Hauptfragen von Abu Nasr Alfārābī. In: Al-Fārābīs philosophische Abhandlungen. Übers. v. F. Dieterici. Leiden 1892, S. 92–107. – Kitāb al-Alfāz al-mustaÝmala fī l-mantiq (Utterances Employed in Logic). Hrsg. v. M. Mahdi. Beirut 1968. – Der Musterstaat. Übers. v. F. Dieterici. Leiden 1895 (Nachdruck Hildesheim 1985). – Philosophy of Plato and Aristotle. Übers. v. M. Mahdi. Ithaca – New York 2001.

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V ER Z E ICH N I S DER KOR A NZ I TAT E I M AV ER ROE ST E X T Er ist es, der euch alles, was auf der Erde ist, geschaffen und sich hierauf zum Himmel aufgerichtet und ihn zu sieben Himmeln geformt hat. [II , 29] 23 Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben, zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist. Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein. [II , 183] 67 Er ist es, der die Schrift auf dich herabgesandt hat. Darin gibt es (eindeutig) bestimmte Verse – sie sind die Urschrift – und andere, mehrdeutige. Diejenigen nun, die in ihrem Herzen (vom rechten Weg) abschweifen, folgen dem, was darin mehrdeutig ist, wobei sie darauf aus sind, (die Leute) unsicher zu machen und es (nach ihrer Weise) zu deuten. Aber niemand weiß es (wirklich) zu deuten außer Gott. Und diejenigen [oder: Gott und diejenigen], die im Wissen fest gegründet sind, sagen [oder: sind. Sie sagen]: »Wir glauben daran. Alles (was in der Schrift steht) stammt von unserem Herrn.« Aber nur diejenigen, die Verstand haben, lassen sich mah23, 29, 47, 63 nen. [III , 7] (Leute), die über die Erschaffung von Himmel und der Erde nachsinnen. [III , 191] 5 Und so zeigten Wir dem Abraham die Herrschaft (Gottes) über Himmel und Erde, und er sollte einer von denen sein, die (von der 5 Wahrheit) überzeugt sind. [VI , 75] Haben sie denn keine Betrachtungen über die Herrschaft (Gottes) über Himmel und Erde angestellt, und (darüber), was alles Gott geschaffen hat? [VII , 185] 5 Er ist es, der Himmel und Erde in sechs Tagen geschaffen hat, während sein Thron (bis dahin) über den Wassern schwebte. [XI , 7] 37 (Er wird seine Drohung wahr machen) am Tag, da die Erde gegen eine andere eingetauscht wird und (ebenso) die Himmel. [XIV , 48] 39

Verzeichnis der Koranzitate

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Ruf (die Menschen) mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit ihm auf eine möglichst gute 19 Art. (XVI , 125) Man fragt dich nach dem Geist. Sag: Der Geist ist Befehl von meinem Herrn. Aber ihr habt nur nur wenig Wissen erhalten. [XVII , 85] 63 Das Gebet verbietet (zu tun), was abscheulich und verwerflich ist. [XXIX , 45] 67 Weder ihr Fleisch noch ihr Blut gelangt zu Gott, wohl aber die Gottesfurcht (die ihr) eurerseits (empfindet und an den Tag legt). [XXII , 37] 67 Geselle (dem einen) Gott nicht (andere Götter) bei! (Ihm andere 53 Götter) beigesellen ist ein gewaltiger Frevel. [XXXI , 13] Wir haben (nach Beendigung des Schöpfungswerkes) das Gut (des Heils?), das (der Welt) anvertraut werden sollte, (zuerst) dem Himmel, der Erde und den Bergen angetragen. Sie aber weigerten sich, es auf sich zu nehmen, und hatten Angst davor. Doch der Mensch nahm es (ohne Bedenken) auf sich. Er ist ja wirklich frevelhaft und 69 töricht. [XXXIII , 72] Hierauf richtete er sich zum Himmel auf, der (damals noch) aus (formlosem) Rauch bestand. [XLI , 11] 39 Denkt (darüber) nach, (ihr alle), die ihr Einsicht habt! [LIX , 2] 5, 7 Sehen sie denn nicht die Kamele (und denken darüber nach), wie sie geschaffen worden sind, den Himmel, wie er emporgehoben worden ist? [LXXXVIII , 17–18] 5

WÖR T ERV ER Z E ICH N I S

Das Wörterverzeichnis bezieht sich nur auf den Text des Fasl alMaqāl, nicht auf den Kommentar und die Einleitung. Worte aus den Koranzitaten wurden nicht aufgenommen. Mit dem Wörterverzeichnis soll also ein Beitrag zur Erforschung des Wortgebrauchs von Averroes geleistet werden. Die Wortbedeutungen wurden meist aus H. Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart, 5. Aufl., Wiesbaden 1985, übernommen. Die in Klammer gesetzten Zahlen beziehen sich auf die Paragraphen, da der Bezug auf diese kleineren Einheiten das Auffinden erleichtert. Das »f.« nach einer Seitenzahl bezieht sich auf die folgende Seite des arabischen Textes, z.B. »2 f.« = Seite 2 und Seite 4.

A Ýabd, Pl. Ýibad Diener, Sklave 2 (1), 42 (27) Abu Hamid Al-Gazālī 24 (15), 26 (16), 30 (17), 44 (27), 48 (32), 50 (35), 54 (38), 62 (45) Abu al-MaÝali Al-Fuwainī 24 (15) Abu Nasr Al-Fārābī 26 (16) Ýada, Pl. Ýawa Þ id Brauch, Gewohnheit 20 (13), 44 (27), 60 (44) Ýadad, Pl. ÞaÝadad Zahl, Anzahl 24 (15) Ýadala Gerechtigkeit 14 (10) Ýadam Nichtsein, Nichtexistenz 38 (22), 44 (27), 52 (36) Ýadawa Feindschaft 74 (59) Þadaya Schaden, Schädigung 74 (59)

Ýadd Zahl, Zählung, Aufzählung 38 (21) Ýadl Gerechtigkeit 52 (36) ÝAdnan ÝAdnān 50 (35) Ýaduw, Pl. ÞaÝda Þ Feind 74 (59) ÞAflatun Plato 34 (18), 36 (19) Þafr, Pl. Þufur Belohnung 38 (23) al-Þ ajira das Jenseits 54 (38), 64 (47) Þahl fähig 14 f. (10), 56 (39), 60 (45), 62 (47), 66 (49) – Þahl al-burhan Leute des Beweises 42 (26), 44 (27), 46 (29), 46 (30), 50 (34), 50 (35), 72 (57), 74 (58) – Þahl al-fasad Leute der Verderbtheit 50 (35) – Þahl al-fitar al-fa Þ iqa Leute mit hervorragenden Naturveranlagungen 52 (36)

Wörterverzeichnis – Þahl al-fadal Leute der Dialektik 42 (26), 60 (44) – Þahl al-haqq Leute der Wahrheit 74 (58) – Þahl al-Ýilm Leute der Wissenschaft 12 (8), 26 (15), 28 (16), 38 (23), 50 (34), 50 (35), 52 (36) – Þahl al-Ýilm bil-kalam Leute der Wissenschaft der islamischen Theologie 54 f. (39) – Þahl al-Þ iman Leute des Glaubens 28 (16) – Þahl al-Þ islam Anhänger des Islam 26 (16) – Þahl al-madahib Angehörige der Rechtsschulen 12 (8) – Þahl al-mauÝiza Leute der Predigt 42 (26) – Þahl an-nazar Leute der Überlegung 40 (25), 52 (36), 70 (55) – Þahl at-ta Þwil Leute der Interpretation 28 (16), 50 (34), 54 (37), 60 (44) – Þahl zamanina Leute unserer Zeit 30 (17), 62 (47) – Þahl az-zahir Leute des äußeren Sinnes (der Interpretation) 62 (45) Þahmar, fem. hamra Þ rot 18 (11), 48 (33) Þahwa Þ, Pl. v. hawan ketzerische Richtungen, Sekten 74 (59) Ýaks Umkehrung 32 (17), 58 (41) Þ al Familie Einleitungsformel Þ ala Werkzeug, Instrument 6 (4), 10 (6), 10 (8)

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Ýalam Welt, Weltall 26 (16), 32 f. (18), 36 (20), 36 (21), 38 (22) ÝAli ibn Abi Talib ÝAlī ibn Abī Tālib 26 (15) Ýalim, Pl. Ýulama Þ Gelehrter 24 f. (15), 28 f. (16), 40 (23), 48 (31), 48 (33) Þallah Allah, Gott Einleitungsformel, 2 (1), 4 (2), 6 (4), 14 (10), 16 (11), 26 (15), 28 f. (16), 30 (17), 38 (22), 40 (23), 42 (26), 42 (27), 46 (30), 62 (46), 74 f. (59), 76 (60) – Ýazza mächtig ist er 16 (11) – al-bari Þ der Schöpfer 70 (54) – fa Ýil al-kull der alles Bewirkende 34 (18) – falla gewaltig ist er 16 (11) – al-hadi der Führende 54 (37), 76 (60) – al-hafiz der Bewahrer, Hüter 34 (18) – al-mudabbir der Lenker 32 (17) – al-muwaffiq der Erfolg Verleihende 54 (37), 76 (60) – ar-rahim der Gnädige Einleitungsformel – subhana gepriesen sei er 30 (17), 34 (18), 70 (54), 76 (60) – taÝala erhaben ist er 4 (2), 6 (4), 14 (10), 18 (11), 22 (14), 26 f. (16), 30 (17), 34 (18), 36 f. (21), 42 (26), 46 (30), 52 (36), 54 (38), 62 (46), 66 (50), 68 (51) – tabaraka gesegnet sei er 4 (2), 6 (4), 34 (18), 42 (26), 54 (38) – taqaddasa heilig ist er 30 (17)

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Ýallama sehr gelehrt, Gelehrter 2 (1) Ýamal Tun, Handeln 6 (4), 54 (39), 64 (48) – Ýamal haqq wahres, richtiges Handeln 54 (38), 54 (39) – Ýamal šarÝ i gesetzentsprechendes Handeln 66 (50) Ýamali praktisch 12 (8), 16 (10), 24 f. (15), 40 (24), 52 (36), 54 (38) Þamana Sicherheit, anvertrautes Gut, Depositum 68 (51) Þamr Sache, Angelegenheit passim ; Befehl 6 (4), 76 (60) Ýaql Vernunft, Verstand 2 (2), 4 (3), 60 (44) Ýaqli vernunftgemäß 4 (2), 4 (3), 6 f. (4), 8 (5), 40 (24) Ýarab, Ýarabi Araber, arabisch 20 (13), 20 (14) Ýarac, Pl. ÞaÝrac Akzidens 14 (10), 70 (53) Þarc Erde, Land 12 (8), 32 f. (18) Ýaric akzidentell 16 (10) Ýarif Erkennender, Wissender 6 (4), 20 (14) ÞAristu Aristoteles 34 (18) Ýarš Th ron 36 (21) Ýasal Honig 16 (10) Ýasir schwierig 8 (5) Þaswad, fem. sawda Þ schwarz 18 (11), 46 (30), 48 (33) Þasl, Pl. Þusul Wurzel, Grundsatz, Prinzip 40 (24), 44 (28), 70 (53) – Þasl aš-šarÝ/aš-šari Ýa Wurzel, Grundsatz des Gesetzes 42

(26), 48 (33), 62 (45), 62 (47), 76 (60) – Þusul al-fiqh Wurzeln, Grundsätze des Rechts 12 (8) Ýasr, Pl. ÞaÝsar Periode, Epoche 24 f. (15) al-Þaša Ýira die AšÝariten 22 (14), 32 f. (18), 48 (32), 50 (35), 60 (43), 68 (52), 70 (53), 70 (54), 70 (55), 74 (58) Ýataš Durst 16 (10) Þ avim Sünder 40 (24) Ýatšan, Pl. Ýataša durstig, Durstiger 16 (10) Ýawasa Schwierigkeit 48 (31) Ýawis schwierig 38 f. (23) Þawwal, Pl. Þawa Þ il Grundlage, Prinzip 40 (24) Þ aya Vers 4 (2), 22 (14), 36 (21), 38 (22), 46 (30), 66 (50), 68 (52) Þazali ewig 32 (17), 36 (19) Ýazim, El. ÞaÝzam groß, gewaltig 30 (17), 40 (23) Ýaziz wertvoll 66 (50), 70 (55), 72 (57), 74 (58) B bab, Pl. Þabwab Tor 14 (10), 70 (54) badan, Pl. Þabdan Körper 44 (28), 66 (50) badani körperlich 54 (38) bari → Þallah baÝv Sendung 18 (11) batin innerer Sinn 22 (14), 24 (15), 44 (27), 48 (31) batn Bauch 16 (10)

Wörterverzeichnis bid Ýa, Pl. bidaÝ (unerlaubte) Neuerung 8 (4), 42 (25), 44 f. (29), 72 (57), 74 (58) bilad al-Þ islam die Länder des Islam 12 (8) buÝd, Pl. Þab Ýad Entfernung 12 (8), 14 (10), 60 (45) bugc, Pl. bagca Þ Haß 74 f. (59) al-Bujari Al-Buiārī 26 (15) burhan, Pl. barahin Beweis 4 (3), 6 (4), 12 (8), 14 (9), 18 (11), 18 f. (13), 20 f. (14), 24 (15), 28 (16), 32 (17), 34 (18), 42 (26), 42 (27), 46 (30), 48 (32), 50 (34), 50 (35), 52 (36), 54 (37), 56 (39), 58 (42), 68 (53), 72 (57), 74 (58) burhani beweishaft, beweisend 6 (4), 10 (8), 18 (11), 18 (12), 18 (13), 42 (26), 56 (39), 56 (40), 60 (44), 60 (45), 64 (48) D dalala Hinweis, Bedeutung 2 (2), 10 (8), 20 (13) dalil, Pl. dala Þ il, Þadilla Hinweis, Beweis 38 (23), 42 (26), 44 (27), 50 (35), 58 f. (43) daÝwa, Pl. daÝawa Ruf, Forderung 62 (47) din Religion 54 (38) duÝa Þ Ruf 18 (11) dunya Diesseits 16 (10), 64 (47) C carar, Pl. Þacrar Schaden 14 (10), 52 (36) carb, Pl. curub Art 40 (25)

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carura Notwendigkeit 36 (19) caruri notwendig, Notwendiges 6 (4), 16 (10), 70 (53) cauÞ Licht 30 (17) cidd, Pl. Þacdad Gegensatz, Gegenteil 62 (47), 64 (48), 68 (50) D daka Þ Intelligenz 14 (10) dakiy, El. Þadka intelligent 12 (8) dat, Pl. dawat Wesen 14 (10), 30 (17) dati wesentlich 16 (10) F facl, Pl. fucul Gnade, Güte 76 (59), 76 (60) fac il hervorragend 6 (4), 52 (36), 72 (55) facila, Pl. faca Þ il Tugend, Tüchtigkeit 72 (56) – facila Ýamaliya praktische Tugend 16 (10), 52 (36) – facila julqiya sittliche Tugend 14 (10) – facila Ýilmiya wissenschaftliche Tüchtigkeit 16 (10) fahm, Pl. Þafham Verstehen 14 (10), 26 (15), 62 (46) fahs, Pl. fuhus Untersuchung, Prüfung 8 (5), 10 (8) fa Ýil al-kull → Þallah failasuf, Pl. falasifa Philosoph 26 (16), 50 (35) falak, Pl. Þaflak Himmelssphäre 38 (21)

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Wörterverzeichnis

falsafa Philosophie 2 (1), 2 (2) faqih, Pl. fuqaha Þ Rechtsgelehrter 2 (1), 6 (4), 16 (10), 20 (13), 20 (14) farc, Pl. furuc Pfl icht 50 (34), 58 (41), 58 (42), 60 (43) fasad Verderbtheit 50 (35) fasid verderbt, nichtig 36 (19), 62 f. (47), 66 (49), 68 (51), 68 (52), 74 (59) fasl Trennung, Entscheidung, Urteilsfällung Buchtitel fiÝl, Pl. Þaf Ýal Tat, Handlung, Tätigkeit 72 (56) – fiÝl badani körperliche Handlung 54 (38) – fiÝl al-falsafa Tätigkeit des Philosophierens 2 (2) – fiÝl nafsani seelische Handlung 54 (38) – fiÝl šarÝ i gesetzentsprechende Handlung 66 (50) fiqh Recht, Rechtswissenschaft 12 (8), 16 (10), 54 (38) fiqhi juristisch, rechtlich 6 f. (4), 8 (5) firqa, Pl. firaq Gruppe, Parteiung, Sekte 34 (18), 38 (22), 68 (52), 70 (54), 72 (56), 76 (59) fitra, Pl. fitar Natur, Veranlagung 14 (10), 22 (14), 42 (27), 50 (35), 52 (36) F fadal Diskussion, Dialektik 42 (26), 60 (44) fadali dialektisch 6 (4), 18 (11), 42 (26), 44 (27), 50 (35), 56

(39), 56 (40), 56 (41), 60 (43), 60 (44), 62 (45) fahd Leugnung 48 (33) fahid Leugner 42 (26), 58 (41) fahil, Pl. fuhhal unwissend 40 (24), 76 (59) fahl/fahala Unwissenheit, Dummheit 14 (10), 30 (17), 52 (36), 76 (60) falal bedeutsam, gewaltig 30 (17) falla → Þallah famÝ Zusammenfügung, Zusammenschluß 22 (14), 50 (35) fama Ýa Gruppe 26 (15) fami Ý Gesamtheit 22f f. (15), 56 (39) fasad, Pl. Þafsad Körper 26 (16) fauhar Wesen 74 (59) fauhari wesenhaft, substantiell 70 (53) faur Ungerechtigkeit, Frevel 52 (36) fawab Antwort 46 (30), 62 (46) fibilla Veranlagung 16 (11) fins, Pl. Þafnas Art, Gattung 10 (8), 52 (37), 54 (38), 60 (43), 62 (46) firm, Pl. Þafram Körper – al-Þafram as-samawiya die Himmelskörper 12 (8) fism, Pl. Þafsam Körper 34 (18) fismiya Körperlichkeit 46 (30) fumhur Masse, Volksmenge 58 (41), 58 (42), 60 (43), 60 (44), 62 (45), 62 (46), 64 (47), 66 (49), 68 (52), 68 (53), 70 f. (55), 76 (60)

Wörterverzeichnis fumhuri der Masse zugehörig 60 (43), 68 (51) fumla Gesamtheit 40 (25), 52 (36), 58 (42) funun Verrücktheit 12 (8) fuzÞ, Pl. Þafza Þ Teil 6 (4), 22 (14) fuzÞ i partikulär 32 (17) fuzÞ iya Detail, Einzelding 26 (16), 30 f. (17) G gafla Nachlässigkeit 42 (26) galaba Sieg 14 (10) galib überwiegender Teil 60 (44); siegreich 76 (60) gamic dunkel, rätselhaft 62 (46), 68 (53) garac, Pl. Þagrac Ziel 2 (1), 10 (8) gariza Natur 74 (59) gawin vom rechten Weg abweichend 14 (10) gaya äußerster Grad, Ziel 14 (10), 30 (17), 36 (20), 44 (28), 74 (59) H hadin → Þallah halak Untergang 64 (47), 64 (48) hawa Þ Luft 32 f. (18) H hadiv, Pl. Þahadiv Überlieferung, Bericht 22 (14), 46 (30), 68 (52) hadd Definition, Grenze, Endpunkt 30 (17), 72 (57), 74 (58) hacic tiefergelegenes Land 76 (60)

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hafiz → Þallah hafa Erfordernis 56 (39) hakim, Pl. hukama Þ Weiser, Philosoph 38 (22) – hukama Þ mašša Þ un peripatetische Philosophen (= Aristoteliker) 30 (17) – hukama Þ mutaqaddimun alte Philosophen 32 f. (18) hakim, Pl. hukkam Richter 38 f. (23), 40 (24), 40 (25) hal, Pl. Þahwal Zustand 26 (16), 32 f. (18), 48 (32), 64 (48), 66 (49), 72 (56) halal erlaubt, Erlaubtes 40 (24) hamd Lob, Preis 2 (1) haml Tragen, Ansporn 68 (51) al-hanabila die Hanbaliten 22 (14) haqiqa Wahrheit 26 (15), 28 (16), 36 (19), 36 (21), 70 (54) haqiqi wirklich, tatsächlich, wahr 20 (13), 34 f. (19) haqq, Pl. huquq wahr, richtig, Wahrheit, Eigentum 12 (8), 14 (9), 14 (10), 16 (11), 18 (12), 54 (38), 54 (39), 64 (48), 68 (51), 74 (58), 76 (60) haraka Bewegung 34 (18), 38 (21) haram verboten, Verbotenes 40 (24) harb, Pl. hurub Krieg 68 (52) harf, Pl. huruf Buchstabe 54 (37) hariy angemessen, passend 6 (4), 20 (14), 40 (24) hassa, Pl. hawass Sinnesempfindung 32 f. (18), 44 (28)

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Wörterverzeichnis

hašr Versammlung der Toten, Auferstehung 26 (16) hašwiya strenge Literalisten 8 (4) hayawan Lebewesen, Tier 32 f. (18) hifz Bewahrung 64 (48) hikma Weisheit, Philosophie Buchtitel, 12 (8), 16 (10), 50 (35), 52 (37), 60 (44), 62 (47), 72 (56), 74 (59) hila, Pl. hiyal Kniff 44 (28) hiss Sinneswahrnehmung 34 (18) huduv Eintreten, Eingetretenes 30 (17), 32 f. (18), 36 (20) huffa, Pl. hufaf Argument, Beweis 12 (8) hukm, Pl. Þahkam Urteil, Beurteilung 6 (4), 20 (13), 20 (14), 40 (24), 40 (25), 52 (37) husul Eintreffen 26 (15) huzn Trauer, Betrübnis 74 (59) J jafa Þ Verborgenheit 42 (27) jair/jaira Gutes, Wohl 50 (35), 76 (60) jarq, Pl. juruq Durchbrechung, Verletzung 26 f. (16) jassa, Pl. jawass Eigenheit, besondere Eigenschaft, eigentüümlich 28 (16), 30 (17), 72 (57), 74 (58); Elite, Gebildete, Persönlichkeiten von Rang und Ansehen 56 (40), 58 (41), 58 (42), 68 (53), 72 (55), 76 (60)

jataÞ Irrtum, Fehler 38 f. (23), 40 (24), 40 f. (25), 50 (35) jauc Hineinstürzen 16 (10) jilaf Meinungsverschiedenheit, Unterschied, Widerspruch 12 (8), 26 (15) jitabi rhetorisch 6 (4), 18 (11), 42 (26), 44 (27), 50 (35), 56 (39), 56 (40), 56 (41), 60 (43), 60 (44), 62 (45) julq, Pl. Þajlaq Sittlichkeit, sittliche Haltung 54 (38) julqi sittlich 14 (10) I Ibn Sina Avicenna 26 (16) Þ ibtal Vernichtung, Aufhebung 60 (45), 64 (48) ictirari zwangsläufig, notwendig auftretend 38 (23) Þ ifada Nutzen 72 (56) Þ ifša Þ Enthüllung 26 (15) Þ ifad Hervorbringung 36 (21) Þ iÝ faz Unnachahmlichkeit (des Koran) 74 (58) Þ ifma Ý Übereinkunft, Konsens 24 f. (15), 26f f. (16), 38 (22) – Þ ifma Ý mustafic vollständiger Konsens 30 (16) iftihad selbständige Urteilsbildung über rechtliche Fragen 40 (24) iftima Ý Zusammentreffen 14 (10) Þ igfal Vernachlässigung 18 (11), 56 (40) ihtimal Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit 26 (16)

Wörterverzeichnis Þ ihya Þ Wiederbelebung 54 (38) ijtilaf Unterschied, Meinungsverschiedenheit 22 (14), 32 (17), 32 f. (18), 48 (32), 72 (56) ijtiyar (freie) Wahl 26 (16), 38 (23) ijtiyari freiwillig 38 (23) Þ ijraf Herausholen 20 (13), 46 (29) Ýilla Ursache 30 (17), 36 (19) Þ ilah Gottheit, Gott 42 (26) Þ ilahi göttlich 16 f. (11) Ýilm, Pl. Ýulum Wissen, Wissenschaft 4 (2), 10 f. (8), 22 (14), 24 (15), 28 (16), 30 f. (17), 38 (23), 50 (34), 50 (35), 52 (36), 54 (38), 54 (39) – Ýilm al-Þ ajira Wissenschaft vom Jenseits 54 (38) – Ýilm Þallah Wissen/Erkenntnis Gottes 4 (2), 30 (17) – Ýilm Ýamali praktische Wissenschaft 54 (38) – Ýilm Þazali ewige Erkenntnis 32 (17) – Ýilm al-burhan Wissenschaft des Beweises 20 (14) – Ýilm ad-din Religionswissenschaft 54 (38) – Ýilm al-haiÞa Astronomie 10 f. (8) – Ýilm al-kalam Wissenschaft der (dialektischen) Theologie 56 (39) – Ýilm al-mantiq Logik 2 (1) – Ýilm muhdav hervorgebrachte Erkenntnis 30 (17) – Ýilm mundir Vorwarnung 32 (17)

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– Ýilm mustaulin Macht habende Erkenntnis 32 (17) – Ýilm qadim ewige Erkenntnis 30 (17) – Ýilm šarÝ i Gesetzeswissen 24 (15), 66 (50) – Ýilm at-taÞwil Wissenschaft der Interpretation 28 (16) – Ýilm at-taÝalim Mathematik 10 (8) Ýilmi wissenschaftlich 12 (8), 16 (10), 26 (15) Þ imam, Pl. ÞaÞ imma Imam 2 (1), 24 (15), 52 (36) Þ iman Glaube 28 (16), 42 (26), 50 (34), 70 (54) Þ imrar Belassen 58 (41), 60 (43) imtival Gehorsam 54 (38) Ýinad Widerstand, Hartnäckigkeit 18 (11) Ýinaya Sorge, Fürsorge 56 (40) Þ inba Þ Bericht, Nachricht 36 (21) Þ indar Warnung, Ankündigung 32 (17) Þ insan Mensch 12 (8), 32 (17), 44 (28), 68 (51) Þ insani menschlich 72 (56) Þ intaf Produkt, Resultat 58 (41) Þ iqna Ý Überredung, Überzeugung 60 (43), 74 (58) Þ iqrar Anerkennung 42 (26) Þ ishal Durchfall 14 (10) Þ islam Islam 10 (6), 12 (8), 26 (16), 68 (52) ism, Pl. Þasma Þ Name Einleitungsformel 2 (2), 30 (17), 36 (20)

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Wörterverzeichnis

istidlal Beweis, Beweisführung 72 (57) istihala Unmöglichkeit 48 (32) istijraf Gewinnung, Erschließung 4 (3) istiÝmal Anwendung 64 (48), 72 (56) istinbat Ableitung, Herleitung, 4 (3), 40 (24) istiwa Þ Hinaufsteigen 22 (14), 46 (30) Þ išara Hinweis, Zeichen 22 (14) Þ iškal Unklarheit, Zweifelhaftigkeit 62 (46) ištibah Dunkelheit 48 (31) ištirak al-ism Gemeinsamkeit des Namens, der Bezeichnung 30 (17) iÝtibar Erwägung, Betrachtung 2 (2), 4 (3), 10 (8), 12 (9) iÝtiqad Glaube, Überzeugung 46 (30), 64 (47), 72 (56), 72 (57), 74 (59) ittisal Verbindung, Zusammenhang, Verbundensein Buchtitel Þ ivbat Aufstellung (einer Interpretation) 60 (45), 68 (53) Þ ivm Sünde 40 (24) Þ izala Beseitigung 64 (48) izdiyad Zunahme 20 (14) K kafir Ungläubiger 40 (24), 42 (26), 44 (28), 50 (34), 58 (41), 62 (47), 66 (49) ka Þ in seiend, existierend, Ding, Geschöpf 34 (19)

kalam Rede, (dialektische) Theologie 56 (39) – kalam mafazi metaphorische Rede 20 (13) kavra große Menge 50 (35) kaukab, Pl. kawakib Stern 12 (8) kaun Dasein, Existenz 36 (19), 58 (41), 62 (46), 64 (49), 68 (53) kitab, Pl. kutub Buch Buchtitel 10 (7), 14 (9), 14 (10), 26 f. (16), 44 (27), 48 (32), 50 (35), 54 (38), 62 (45), 70 (54) – kitab Þallah das Buch Gottes 4 (2) – al-kitab al-Ýaziz das wertvolle Buch (= der Koran) 66 (50), 70 (55), 72 (57), 74 (58) – kitab al-burhan das Buch des Beweises 50 (35), 52 (36), 54 (37) – kitab fadali dialektisches Buch 62 (45) – kitab fumhuri für die Masse bestimmtes Buch 68 (51) – kutub al-hikma die Bücher der Philosophie 16 (10) – kitab jitabi rhetorisches Buch 62 (45) – kutub al-qudama Þ die Bücher der Alten 14 (10) kufr Unglaube 24 (15), 42 (25), 44 f. (29), 48 (33), 50 (34), 60 f. (45), 62 (47) kulli universal, allgemein 32 (17) kulliya Gesamtheit, Allgemeinbegriff 32 (17) kunh äußerster Grad, wahre Beschaffenheit 52 (36)

Wörterverzeichnis L lafz, Pl. Þalfaz Aussage 20 (13), 22 (14) lisan Zunge, Sprache 18 (11), 20 (13), 42 (26) M ma Þ Wasser 16 (10), 32 f. (18), 36 (21) maÝad Rückkehr, künftiges Leben, Jenseits 26 (16), 48 (32) mabdaÞ, Pl. mabadiÞ Anfang, Prinzip, Grundsatz 42 (25), 44 (29), 74 (59) mablag Ausmaß 24 (15) madda, Pl. mawadd Materie 32 f. (18) maÝdum nicht vorhanden 10 (8) macarra Schaden 14 (10) macin vergangen 34 (18), 36 (19) madhab, Pl. madahib Ansicht, Lehre, (Rechts-)Schule 12 (8), 24 (15), 34 (18), 36 (20), 50 (35), 74 (58) madrub geformt, festgesetzt 44 (27) maÝdur entschuldigt 38 (23), 48 (31) mafrug erledigt (Frage) 12 (8) mafazi übertragen, metaphorisch 20 (13) maÞ fur belohnt 38 (23) mafhul unbekannt 4 (3) magrib Maghreb 12 (8) magzan, Pl. magazin Sinn, Bedeutung 14 (10) mahir geschickt, erfahren 40 (25), 64 (48)

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mahabba Liebe, Zuneigung 72 (56), 76 (59) mahamid Pl. von mahmada Lobpreisungen 2 (1) mahsur begrenzt 24 (15) mahsus sinnlich wahrgenommen, wahrnehmbar 44 (28) mahzur verboten 2 (1) majluq, Pl. majluqat erschaffen, Pl.: Schöpfung 16 (11) makan Ort 46 (30) maÝlul Wirkung 30 f. (17) maÝlum bekannt, erkannt 4 (3), 24 (15), 30 f. (17) maÞmur befohlen 2 (1) maÝnan, Pl. maÝanin Sinn, Bedeutung 20 (13), 20 f. (14), 32 (17), 44 (27), 66 (50), 70 (54) mandub empfohlen, Empfohlenes 2 (2) manqul überliefert, tradiert 22 (14), 26 (15) mansub in Beziehung gesetzt 46 (30) mantiq Logik 2 (1) mantuq Aussage, Wortlaut 22 (14) manzila Rang, Stellung 6 (4), 20 (13) maqal Rede, Lehrmeinung, Abhandlung Buchtitel maqsid, Pl. maqasid Ziel, Absicht 14 (10), 22 (14), 50 (35), 64 (48), 70 (54), 74 (59) maqsud Beabsichtigtes 54 (38), 54 f. (39), 56 (40), 72 (56) maÝqul vernünftig, vernunftgemäß 22 (14)

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Wörterverzeichnis

marac, Pl. Þamrac Krankheit 64 (48), 66 (49) maÝrifa, Pl. maÝarif Erkenntnis, Kenntnis 2 (2), 6 f. (4), 8 (5), 10 (8), 14 (10), 16 (11), 18 (12), 18 (13), 40 (24), 42 (26), 46 (30), 52 (36), 54 (38), 60 (45), 62 (46), 70 (53), 70 (54), 76 (60) martaba, Pl. maratib Stufe, Rang 46 (30), 48 (32) maÝruf bekannt, berühmt 26 (16) masÞala, Pl. masa Þ il Frage, Streitfrage 12 (8), 24 f. (15), 28 (16), 30 f. (17), 32 f. (18), 36 (20), 38 (23), 48 (32), 48 (33), 52 f. (37) maslak, Pl. masalik Weg, Pfad 76 (60) masnu Ý Produkt, Erzeugnis 2 (2), 10 (8) maÝšar, Pl. maÝašir Versammlung, Gemeinschaft 16 (11), 18 (12) mašhur bekannt, allgemein anerkannt 58 (41) mašša Þ un herumwandelnd, Peripatetiker 30 (17) maval, Pl. Þamval Ähnliches, Bild, Gleichnis 24 (15), 26 (16), 44 (27), 46 (30), 60 (43) mauciÝ Ort 8 (4) maufud Existierendes passim mauÝiza Predigt 42 (26) maut Tod 16 (10) maziya Vorzug, Vorteil 28 (16) maznun vermutet 58 (41) milla Religion, Religionsgemeinschaft 8 (4), 10 (6)

miqdar, Pl. maqadir Ausmaß 12 (8) miqyas, Pl. maqayis Maßstab, Meßgerät 56 (41) – miqyas burhani beweisende Schlußfolgerung 10 (8) – miqyas Ýaqli VernunftSchlußfolgerung 10 (7) – miqyas fiqhi Rechts-Schlußfolgerung 6 (4) mival, Pl. Þamvila Ähnliches, Bild, Gleichnis 10 (8), 44 (28), 56 (39), 58 (41), 64 (48) muÝadd vorbereitet für 52 (36) muÝallim Lehrer 14 (10), 52 (36) muÞawwal Interpretiertes 60 f. (45) mubah erlaubt, Erlaubtes 2 (1) mudabbir → Þallah mucill irreführend 76 (60) mufanis ähnlich 30 (17) mugalati sophistisch 6 (4) muharraf verderbt 74 (59) muhdav hervorgebracht 30 (17), 34 (18), 34 f. (19), 36 (21) – muhdav Þazali ewig / immerwährend hervorgebracht 36 (19) mujalafa Widerspruch, Gegensatz 18 (12) mujtalaf umstritten 48 (32) mujalif abweichend, verschieden 20 (13), 22 (14), 62 (47) mujtalif verschiedener Meinung seiend 38 (23) mujtiÞ fehlgehend 38 (23), 48 (31)

Wörterverzeichnis muÞmin Gläubiger 6 (4), 20 (14), 28 (16), 46 (30) mumtaniÝ unmöglich 12 (8) mumtavil gehorsam 6 (4) munazara Streit, Kontroverse 12 (8) munazzah erhaben 32 (17) muqabil entgegengesetzt, Gegensatz 30 (17), 34 (18) muqaddima Prämisse 6 (4), 56 f. (41) muqaran verbunden 34 (18) muqarib annähernd, nahekommend 20 (13) munqatiÝ abgeschnitten 36 (21) musabbab verursacht, Verursachtes 70 (53) muslim Muslim 16 (11), 18 (12), 20 f. (14), 22 (15), 52 (36), 70 (54) mustafic vollständig 30 (16) mustamirr unaufhörlich, bleibend 36 (21) mustaqbal zukünftig, Zukunft 32 (17), 34 (18) mustawlin Macht habend 32 (17) musib das Richtige treffend 38 (23), 48 (33) mustafan auserwählt 2 (1) mustahib Gefährte 74 (59) mušafara Streit 74 (59) mušarik Teilhaber 10 (6) muštarak gemeinsam 44 (27), 48 (33), 56 (40), 56 (41), 58 (43), 60 (45), 64 (48), 68 (53), 70 (54), 70 f. (55), 72 (57) mutaÝaric verschieden, entgegengesetzt 22 (14)

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mutafacil von verschiedener Güte 18 (11) mutagayyir verändert 30 (17) mutahabb Einträchtiger 74 (59) mutaÞjjir Späterer 8 (5), 10 (8) mutajayyal vorgestellt, eingebildet 46 (30) mutakallim (islamischer) Theologe 30 (17), 32 f. (18), 36 (20), 38 (22), 76 (60) mutanahin begrenzt, endlich 34 (18), 36 (19) mutaqabil entgegengesetzt 30 (17), 36 (20) mutaqaddim vorausgehend, Früherer 8 (5), 10 (8), 32 f. (18) mutaqallid Autoritätsgläubiger 76 (60) mutaraddid zögernd 46 (31) al-mutasawwifa die Sufis 48 (32) mutašabih dunkel, zweifelhaft, nicht klar verständliche Stelle im Koran 46 (30), 62 (46) al-muÝtazila die MuÝtaziliten 60 (43), 68 (52) muwaffiq → Þallah muwafiq übereinstimmend 14 (9), 20 (13) – gairu muwafiq nicht übereinstimmend 14 (9) muÝzam der größte Teil 12 (8) N nabat Pflanzen 32 f. (18) nadb Bevollmächtigung 2 (1) nafiÝ nützlich 14 (10), 64 (48)

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Wörterverzeichnis

nafs, Pl. Þanfus Seele 38 (23), 66 (50), 74 (59) nafsani seelisch 54 (38) nafy Ablehnung, Verneinung 48 (33) nahw, Pl. Þanha Þ Art und Weise, Methode 4 (3), 10 (8), 14 (10), 18 (13), 32 (17), 44 (28), 48 (33), 56 (39) naqis mangelhaft, unvollkommen 68 (53) naql Übermittlung 24 (15) naqs Mangel, Defekt 14 (10) nas Menschen passim nass, Pl. nusus Text 4 (2), 8 (4), 38 (22) natifa, Pl. nata Þ if Ergebnis, Resultat 58 (41) nauÝ, Pl. Þanwa Ý Art, Gattung 6 f. (4), 8 (5), 60 (44) naum Schlaf 32 (17) nazar Blick, Sicht, Prüfung, Überlegung 2 (1), 2 f. (2), 4 (3), 6 f. (4), 8 (5), 10 (7), 10 f. (8), 12 (9), 14 f. (10), 18 (12), 18 (13), 24 (15), 40 (23), 40 (24), 40 (25), 46 (30), 46 (31), 52 (36), 52 (37), 70 (54), 70 (55), 72 (57), 76 (60) nazari theoretisch 24 f. (15), 40 (24), 60 (43) nazariya theoretische Betrachtung 60 (43) nazir, Pl. nuzzar Betrachter, Überlegender 12 (8), 58 (43), 70 (54) nisba Verbindung, Beziehung 46 (30), 66 (50)

nubuwa Prophetentum 42 (26) nusra Beistand, Hilfe 72 (57), 74 (58) nutq Ausspruch 20 (13) nuzul Herabsteigen 22 (14), 46 (30) Q qadim, Pl. qudama Þ alt, Alter 10 (6), 10 ( 7), 14 (10), 32 f. (18); von Ewigkeit her existierend/ Ewigkeit 30 f. (17), 32 f. (18), 34 f. (19), 36 (20) qacin Richter 2 (1) qaciya Behauptung, These 20 (14) qadr, Pl. Þaqdar Ausmaß, Ansehen, Rang 12 (8), 34 (18), 52 (36), 74 (59) qa Þ im sich erhebend 38 (23) qalb, Pl. qulub Herz 42 (26), 76 (59) qanun Regel 20 (14) qariha, Pl. qara Þ ih Begabung, Fähigkeit 22 (14) qatÝ Bestimmtheit 18 (12), 20 (14), 26 (15), 28 (16) qaul, Pl. Þaqwal, Þaqawil Rede, Äußerung 2 (1), 4 (2), 6 f. (4), 12 (8), 20 (13), 22 (14), 26 f. (16), 30 (17), 36 (20), 36 f. (21), 38 (22), 42 (26), 44 (28), 44 (29), 46 (30), 58 (41), 60 (43), 62 (45), 62 (46), 64 (48), 68 (51), 72 (56), 72 (57), 74 (58) – qaul burhani beweisende Rede 18 (11), 56 (39)

Wörterverzeichnis – qaul fadali dialektische Rede 18 (11), 56 (39) – qaul jitabi rhetorische Rede 18 (11), 60 (43) qaum, Pl. Þaqwam Gruppe 16 (10), 46 (31), 48 (32), 50 (35), 62 (47), 70 (54) qidam Ewigkeit 26 (16), 34 (18) qilla Mangel 16 (10) qira Þa Lektüre 52 (36) qism, Pl. Ýaqsam Teil 54 (38) qiyam Bestehen, Bestand 12 (8) qiyas Schlußfolgerung 6 (4), 40 (24) – qiyas Ýaqli Vernunft-Schlußfolgerung 4 (2), 4 (3), 6 f. (4), 8 (5) – qiyas burhani beweisende Schlußfolgerung 6 (4) – qiyas fiqhi Rechts-Schlußfolgerung 8 (4), 8 (5) – qiyas fadali dialektische Schlußfolgerung 6 (4) – qiyas jitabi rhetorische Schlußfolgerung 6 (4) – qiyas mugalati sophistische, irreführende Schlußfolgerung 6 (4) – qiyas mutlaq Schlußfolgerung allgemein betrachte 6 (4) – qiyas šariÝ i Rechts-Schlußfolgerung 4 (2), 20 (13) – qiyas yaqini sichere Schlußfolgerung 20 (14) – qiyas zanni hypothetische, vermutete Schlußfolgerung 20 (14)

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quwwa, Pl. quwan Kraft, Stärke 60 (43) R radl, Pl. Þaradil verwerfl ich 16 (10) raful, Pl. rifal Mann 50 (35) rahim → Þallah rahma Barmherzigkeit 76 (59) rasij fest gegründet – ar-rasijun fil-Ýilm die im Wissen fest Gegründeten 22 (14), 28 (16) rasul Gesandter 2 (1), 26 (15) raÞy, Pl. Þ ara Þ Ansicht, Meinung 36 (20), 36 (21) rutba, Pl. rutab Grad, Stufe 46 (30) ruÞya, Pl. ruÞan Traum, Traumgesicht, Vision 32 (17) S saÝada Glückseligkeit 16 (11), 54 (38) – saÝada Þ insaniya menschliche Glückseligkeit 72 (56) – saÝada Þujrawiya jenseitige Glückseligkeit 42 (26), 44 (28), 54 (38), 68 (50) sabab, Pl. Þasbab Grund, Ursache, Mittel zur Erlangung 8 (4), 14 f. (10), 20 (13), 22 (14), 40 (24), 44 (27), 46 (30), 60 (45), 64 (47) – sabab caruri notwendige Ursache 70 (53) – sabab fa Ýil wirkende Ursache, Wirkursache 32 f. (18)

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Wörterverzeichnis

– sabab as-saÝada Ursache der Glückseligkeit 54 (38) sabil Weg, Zugang, Mittel 8 (6), 42 (26), 42 (27), 54 (38), 62 (46) salaf Vorfahren, Ahnen, Altvordern 26 (15), 28 (16) salam Friede (in Propheteneulogie) Einleitungsformel, 4 (2), 16 (10), 18 (11), 38 (23), 46 (30) salif früher, vorherig 12 (9) salim unversehrt, gesund 60 (44) sama Þ, Pl. samawat Himmel 12 (8), 38 (21), 46 (30) saqy Zu Trinken Geben 16 (10) su Þ Übel, Schlechtes 14 (10) suÞ al Frage 62 (46) subhana → Þallah sufista Þ i sophistisch 70 (53) sunna überlieferte Norm, Sunna 40 (24) S sabr Geduld 54 (38) sadiq, Pl. Þasdiqa Þ Freund 74 f. (59) sadiq wahr 32 (17) sadr Anfang, Beginn – as-sadr al-Þawwal Frühzeit (des Islam) 8 (4), 24 (15), 72 (56) sahib, Pl. Þashab Anhänger, Gefährte 8 (4), 18 (11), 20 (14), 30 (17), 74 (59) sahih gesund, korrekt 64 f. (49), 68 (51) salah Gebet 2 (1)

sanÝa Anfertigung, Kunstfertigkeit 2 (2), 10 (8) saniÝ Handwerker, Hersteller, 2 (2), 10 (8) sarim trennend 30 (17) sagir gering, klein 30 (17) sawab richtig, Richtiges 10 (7), 54 (37) sifa Eigenschaft, Merkmal 34 (18), 48 (32) sihha Gesundheit, Gültigkeit 10 (6), 64 (48), 66 (49), 68 (50) – sihhat al-Þabdan Gesundheit der Körper 66 (50) – sihhat al-Þanfus Gesundheit der Seelen 66 (50) sina Ýa, Pl. sana Þ iÝ Kunstfertigkeit, Kunst 10 f. (8), 16 (10), 40 (25), 60 (44) – sina Ýa Ýamaliya praktische Kunst 12 (8) – sina Ýat al-handasa Geometrie 10 (8) – sina Ýat al-hikma Kunst der Philosophie 60 (44) – sina Ýa Ýilmiya theoretische Kunst 12 (8) – sina Ýat as-sina Ýa Kunst der Künste 12 (8) – sina Ýat at-taÝalim Mathematik 12 (8) – sina Ýat at-tibb ärztliche Kunst 40 (25) sinf, Pl. Þasnaf Art, Sorte 20 (13), 32 f. (18), 40 (24), 42 (26), 44 (27), 46 (30), 46 f. (31), 48 (32), 52 (36), 54 (39), 56 f. (41), 60 (44), 62 (45), 76 (60)

Wörterverzeichnis sufi Sūfi 50 (35) as-sufiya die Sūfis 50 (35) sura, Pl. suwar Form 36 (21), 70 (53) Š šabah Ähnlichkeit 34 (19) šabih ähnlich, Ähnliches 20 (13) šahwa Trieb 14 (10) šajs, Pl. Þašjas Person 24 (15) šaiÞ, Pl. Þašya Þ Sache, Ding passim šakk Zweifel, Ungewißheit 46 (31) šakl, Pl. Þaškal Form 12 (8) šams Sonne 12 (8) šaÞn, Pl. šuÞ un Sache, Angelegenheit 36 (20), 40 (25), 54 (37) šanÞ an Haß 68 (52), 76 (59) šaqa Þ Unglück, Elend 42 (26), 44 (28), 54 (38) – šaqa Þ Þujrawi jenseitiges Elend 42 (26), 54 (38), 68 (50) aš-šarÝ/aš-šari Ýa das (geoffenbarte) Gesetz Buchtitel und passim šaraq Sich-Verschlucken 16 (10) šariÝ Gesetzgeber 64 (48), 66 (50), 70 (54), 70 (55) šarif erhaben, hervorragend 54 (38) šarÝ i gesetzlich, gesetzentsprechend 2 (1), 4 (2), 20 (13), 20 (14), 66 (50) šarr, Pl. šurur Übel 76 (60)

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šart, Pl. šurut, šara Þ it Bedingung, Voraussetzung – šart al-burhan die Bedingung des Beweises 6 (4), 14 (9), 68 (53) – šart al-hukm die Bedingung der Beurteilung 40 (24) – šart as-sihha die Bedingung der Gültigkeit 10 (6) – šart at-taklif die Bedingung der Rechtsverpfl ichtung 38 (23) šayÞ, Pl. Þašya Þ Sache passim ši Ýa Anhängerschaft 34 (18), 36 (19) šibh, Pl. Þašbah Ähnliches 44 (27) šiÝri poetisch, dichterisch 50 (35), 66 (50) šubha Unklarheit 38 (23) šuhra Berühmtheit 52 (37) šukr Dankbarkeit 54 (38) šurb Trinken 16 (10) T taÝala → Þallah taÝallum Erlernung, Studium 44 (27), 56 (39) taÞammul Erwägung, Betrachtung 68 (53) taÞallum Schmerz 74 (59) taÝarruc AufmerksamkeitRichten 42 (26) tabaguc gegenseitiger Haß 68 (52) tabaraka → Þallah taba Ýud Entfernung voneinander 36 (20)

316

Wörterverzeichnis

tabayun Verschiedenheit 22 (14) tadawul Abwechseln 10 (8) tadkiya (rituelles) Opfer 10 (6) tafacul Vorrang 58 (43) tafaqquh Verständnis 6 (4) tafriq Trennung, Teilung 68 (52) tafriqa Unterscheidung 28 (16), 44 (27) tafannub Vermeidung 54 (38), 64 (48) tafawwuz metaphorischer Gebrauch, bildliche Rede 20 (13) tagyir Änderung 30 (17) tahafut Zusammenbruch 26 (16) tajyil Vorstellung, Phantasie 46 (30) takallum Gespräch, Rede 52 (37) takawwun Entstehung 34 (18) takfir Verführung zum Unglauben, Anklage wegen Unglaubens 26 f. (16), 32 (17) taklif Verpfl ichtung zur Einhaltung des Gesetzes 38 (23) taÝlim, Pl. taÝalim Belehrung, Lehre, Unterweisung 10 (8), 54 (38), 54 f. (39), 70 f. (55), 72 (57) tamvil, Pl. tamavil Beispiel 12 (8), 66 (50) tanasub proportionales Verhältnis 66 (50) tanbih Wecken, Wachrufen 22 (14), 50 (35), 56 (40), 74 (58) taqaddasa → Þallah taqrir Festsstellung, Urteilsfällung Buchtitel taqwa Frömmigkeit 54 (38), 66 (50), 72 (56), 76 (59)

taÝrif Kennzeichnung 20 (13) tartib Ordnung, Anordnung 10 (8), 14 (10), 52 (36) tasmiya Benennung, Bezeichnung 20 (13), 32 f. (18) tasawwur Vorstellung, Begriff 54 f. (39), 56 (40), 56 (41), 58 (42) tasdiq Zustimmung 16 (11), 22 (14), 28 (16), 38 (23), 42 (26), 44 (27), 46 (30), 48 (33), 54 f. (39), 56 (40), 56 (41), 58 (42), 58 (43), 60 (44), 64 (48), 74 (58) tasrih Erklärung 62 (47) tašgib Streit 76 (60) taÞvir Einwirkung 70 (53) tawarruÝ Enthaltsamkeit 16 (10) tawatur lückenlose Tradition 24 (15) ta Þwil Auslegung, Interpretation 20 (13), 20 f. (14), 24 (15), 26f f. (16), 38 (22), 38 f. (23), 44 (28), 44 f. (29), 46 (30), 48 (31), 48 (32), 48 (33), 50 (34), 50 (35), 52 (37), 58 (41), 58 (42), 58 f. (43), 60 (44), 60 (45), 62 (46), 62 (47), 64 (48), 64 (49), 68 (52), 68 (53), 72 (56), 72 (57), 74 (58) – Þahl at-ta Þwil die Leute der Interpretation 28 (16), 50 (34), 54 (37), 60 (44) – dalil at-taÞwil der Hinweis auf die Interpretation 58 f. (43) – Ýilm at-taÞwil die Wissenschaft der Interpretation 28 (16)

Wörterverzeichnis – maÝna at-ta Þwil der Sinn der Inter pretation 20 (13) – qanun at-ta Þwil die Regel der Inter pretation 20 (14) – ta Þwil burhani beweisende Inter pretation 60 (45) – ta Þwil fasid verderbte Interpretation 62 f. (47), 64 f. (49), 68 (51), 68 (52) – ta Þwil fadali dialektische Interpretation 60 (44) – ta Þwil haqq wahre Interpretation 68 (51), 74 (58) – ta Þwil sahih gesunde, korrekte Interpretation 64 (49), 68 (51) – ta Þwil yaqini sichere Interpretation 60 (44) T tab Ý, Pl. tiba Ý Natur 12 (8), 14 (10), 18 (11), 56 (39), 58 (42), 60 (44), 74 (58), 74 (59) tabi Ýa Natur 16 (11), 32 (17) tabib, Pl. Þatibba Þ Arzt 40 (25), 64 (48), 66 (50) ta Þ ifa Gruppe, Minderheit 8 (4) taraf, Pl. Þatraf Extrem, Ende, äußerster Teil 32 f. (18), 36 (21) tariq, Pl. turuq Weg, Methode 16 f. (11), 42 (26), 44 (28), 48 (33), 50 (35), 56 (39), 56 (40), 56 (41), 58 (43), 64 (48), 68 (53), 70 (54), 70 f. (55) – Þasnaf at-turuq die Arten der Methoden 42 (26), 56 (41)

317

– tariq burhani Beweismethode 56 (40), 64 (48) – tariq fadali dialektische Methode 50 (35), 56 (40) – tariq jitabi rhetorische Methode 50 (35), 56 (40) – tariq al-Þ iman der Glaubensweg 42 (26) – tariq muštarak gemeinsame, allgemeine Methode 58 (43), 68 (53), 70 (54), 7o f. (55) – tariq šiÝri poetische Methode 50 (35) – tariq at-tasawwur die Methode der Begriffsbildung 56 (39) – tariq at-tasdiq die Methode der Zustimmung 56 (39), 56 (40) – tariq wasat mittlere Methode 76 (60) – tariq yaqini sichere Methode 24 (15) tariqa Weg, Methode 48 (32) tibb Medizin 40 (25) tul Länge 56 (39) V valb Verleumdung 50 (35) vubut Festigkeit, Beständigkeit 70 (53) U Ýudr Entschuldigung 54 (37) Þujt raci Ýa Milchschwester 74 (59) Þujrawi jenseitig 42 (26), 44 (28), 54 (38), 68 (50)

318

Wörterverzeichnis

Þumma, Pl. Þumam Glaubensgemeinschaft, Volk 12 (9) Ýumr Leben, Lebensdauer 74 (59) Ýusr Schwierigkeit 56 (39) Ýuzm Größe 52 (36) W wafh, Pl. wufuh Gesicht, Weg, Methode, Richtung 40 (24), 58 (42), 62 (47) wafib verpfl ichtend, Verpfl ichtung 2 (2), 14 (10), 48 (32), 50 (34), 62 (47), 70 (54) wahy Inspiration, Offenbarung 12 (8) waqf Stehenbleiben, Halt, Pause (im Satz) 46 (30) waqt Zeit 10 (8) wasita, Pl. wasa Þ it Mittel, Vermittler, Mittleres 32 f. (18), 70 (53) waviq vertrauenswürdig 60 (43) wufub Verpfl ichtung 2 (1), 6 f. (4), 64 (48), 76 (60) wufud Existenz, Existierendes passim wuqu Ý Eintritt, Eintreten 42 (26), 46 (30), 56 (40) wuquf Stehenbleiben, Haltmachen 28 (16), 62 (46)

wurud Eintreffen, Erscheinen 22 (14) Y yamanin Jemenit 50 (35) yaqini sicher 20 (14), 24 (15), 56 f. (41), 60 (44), 66 (50) Z zall einer, der ausgleitet 14 (10) zaman Zeit, Dauer 12 (8), 24 (15), 30 f. (17), 32 f. (18), 36 (19), 36 (21), 56 (39), 64 (47) zuhd Askese 54 (38) Z zahir äußerlich, offenkundig 26 (16), 44 (28), 44 (29), 54 (38), 72 (55), 72 (56), 72 (57); wörtlicher, äußerer Sinn (des Koran) 20 (13), 20 f. (14), 24 (15), 36 f. (21), 38 (22), 44 (27), 46 (29), 46 (31), 48 (32), 50 (34), 58 f. (41), 58 (42), 60 (43), 60 f. (45), 62 (46), 72 (57) zann, Pl. zunun Meinung 68 (52) zanni vermutet, hypothetisch 20 (14), 24 (15) zuhur Erscheinung 72 (57) zulm Unrecht 52 (36) zulma Finsternis 30 (17)

NA M ENSV ER Z E ICH N I S Halbfette Seitenzahlen weisen auf Stellen hin, auf denen die jeweilige Person ausführlich behandelt wird.

() Antike, Mittelalter Abaelard (1079–1142) 242 ÝAbd Allāh, Sohn des Averroes XLIX

ÝAbd al-MuÞmin (reg. 1130–1163) 192 ÝAbd ar-Rahmān II . (822–852) XI

ÝAbd ar-Rahmān III . (912–961) XI , X XIV Abraham 5, 99 Abraham von Balmes (16. Jhd.) 159 Abū Bišr Mattā (870–940) X X XIII , 159 Abū FaÝfar ibn Hārūn at-Tafālī (12. Jhd.) XIX Abū Hāmid → Al-Gazālī Abū Hanīfa (um 697–767) 195 f., 214, 231, 240, 257 Abū al-Hueail al-ÝAllaf (um 750–840/850) 209 Abū al-MaÝālī → Al-Fuwainī Abū Madyan (1126–1197) 217 Abū Marwān ibn Zuhr (1091/1094–1162) XIX–X XI Abū Nasr → Al-Fārābī Abū al-Qāsim Ahmad ibn Rušd, Vater des Averroes (1094/1099–1168) XV, XV II

Abū al-Qāsim Ahmad, Sohn des Averroes XLIX Abū al-Qāsim ibn Fuzaiy (1294– 1340) CIX f. Abū ÝUtman ad-Dimašqi (9./10. Jhd.) 140 Abū al-Walīd ibn Rušd (1058– 1126), Großvater des Averroes XV–XV III . Abū YaÝqūb Yūsuf (reg. 1163– 1184) X X X f., X X XIV f., XLV II , XL , LXV II , CI , 133, 136, 180, 192, 204 f. Abū Yūsuf YaÝqūb (reg. 1184– 1190) XLV II , 192, 217 Aegidius Romanus (um 1243– 1316) XLIX , 137 Albalag → Isaak Albalag Alī, Sohn des Yūsuf ibn Tāšfīn (1106–1143) XIV ÝAlī (reg. 656–661) ÝAlī ibn Abī Tālib 27, 123, 146 Apollonios von Perge (um 240 – um 170 v. Chr.) 100 Archimedes (287–212 v. Chr.) 100 Aristoteles (384–322 v. Chr.) XV I , X XIX , X X XI – X X XIII , XLII , LV, LX XIV, LX X XV II , LX X XIX ,

320

Namensverzeichnis

XCV II f., CV III f., CXIX ,

35, 85, 90, 95, 99 f. 102 f. 105, 108, 113, 130–134, 137–139, 141, 144, 151–153, 156, 159, 162, 176, 185–187, 203, 220, 256, 258 f., 263–265, 267–272 al-AšÝarī (873/874–935/936) 193 f., 243, 254 Avicenna → Ibn Sīnā al-Bāqillānī (gest. 1013) 194, 254 al-Basrī (gest. 728) 215 Bernhard von Chartres (gest. 1130) 99 al-Bīrūnī (973–1048) XC , 102, 157 al-Bistāmī (gest. 874) 216 al-Bitrūfī (12. Jhd.) 102 Bonacos(s)a (13. Jhd.) X X al-Buiārī (810–870) 27, 110, 123, 197, 231 Caspi, Joseph (1279 – um 1340) LIII

Demokrit (um 470–370 v. Chr.) 177 Diogenes Laertius (2./3. Jhd. n. Chr.) 272 Dominicus Gundissalinus (um 1110–1181) CX XV II , 188, 271 Elia del Medigo (1460–1493) LIII f. Euklid (um 300 v. Chr.) 100 al-Fārābī (um 870–950) XV II , X X f., X XV, X XV III f.,

X X XIII f., X X XIX , XLIII , XLIX , LI , LIX f., LX XII , LX XIV, LX XIX–LX X XII , XCV–XCV III , CII , CV, CV II–CX , CXV– CXIX ., CX XV II , 27, 81 f., 85, 90, 92–

94, 96, 100, 107, 109–111, 119 f., 124, 134 f., 139 f., 143, 151 f., 156, 159, 166, 170, 172, 175, 185–188, 189, 198 f., 202, 204, 220, 243– 245, 248 f., 252, 258–260, 261, 263–272, 274 Fatima, Tochter Muhammads (um 600–632/633) Friedrich II . (1194–1250) XLIX al-Fabbār (um 935–1025) 209, 212 Galen (129–199 n. Chr.) X X , XLV II , LX X XIX , 220 al-Gazālī XIII , X X XV I , X X XIX f., XLII f., XLIX f., LIX , LXI , LXIII , LXV III , LX XV III , LX X XIII , LX X XIX , XCV I f., XCIX , CII–CIV, CV I , CX X , 25, 27, 29, 31, 45, 49, 51, 55, 63, 83, 93 f. 101, 107, 112, 115, 118–120, 122, 124–127, 130 f., 133, 137, 148–150, 152, 154–156, 162–166, 169, 177 f. 180, 188–191, 193, 195, 201, 204 f., 208, 214, 216 f., 220, 222, 233, 238, 240 f., 248, 251, 253, 260, 266, 271, 276 Gerhard von Cremona (um 1114–1187) CX XV II , 81, 111 al-Fuwainī (1028–1085) LX , LXV III , LX XV III ,

Namensverzeichnis LX X XIX , 25, 105, 106, 118,

119, 121, 158, 178, 194, 214, 236, 255 al-Iaffāf (um 786–833) 102 al-Haiuam (965–1040/1041) 102, 103 al-Hakam II . (reg. 961–976) XI , X XIV, X X XV al-Hallāf (857–922) 216 Hermann der Deutsche (gest. 1272) 159 Hunain ibn Ishāq (808–873) 103, 134, 139 al-Iwārizimī (um 780–850) Ibn Abī UsaibiÝa (nach 1194– 1270) CX XIII , 90 Ibn ÝArabī (1165–1240) 143, 217 f. Ibn al-ÝArīf (1088–1141) 217 Ibn al-Auīr (1163–1239) 274 Ibn Baffa (Ende 11. Jhd. – 1138) XV, X XV, LI , C, 156, 187, 198 f., 204, 267 Ibn Barrafān (1. Hälfte 12. Jhd.) 143, 217 Ibn Baškuwāl (1101–1183) XV III Ibn al-Bitrīq (um 770 – um 830) 103 Ibn Ialdūn (1332–1406) L–LII , 252 Ibn Hanbal (780–855) 197 f., 200, 243 Ibn Hazm (994–1064) X XIV, 82, 98 f., 115, 176, 199–202, 236, 238, 258, 261 f. Ibn Malīh (12./13. Jhd.) CX XIII

321

Ibn Masarra (883–931) X XIII , 143, 217 Ibn al-Mufāhid (1090–1178) 217 Ibn Qutayba (828–889) 220 Ibn Samahūn (gest. 1168) XV I Ibn as-Sīd (1052–1127) X XIV f. Ibn Sīnā (980–1037) XIX , X XI , X XV, X XV III , X X XIX , LI , LIX , LXIX , LX XII , LX XV, LX X XV II , LX X XIX , XC , XCII , 27, 93–95, 119, 124, 127, 151, 157, 161 f., 189, 199, 202– 204, 205, 220, 250, 261, 266 f., 269, 275 Ibn Taymīya (1263–1328) X XV II , 129, 198, 273 Ibn Tufail (um 1110–1185) X XI f., X XV f., X XV III , X X X–X X XII , XLV II , LV, LXI , LXV II , LX X XV II , XCI f., C, CV, CXV III , 101, 103, 107, 156, 187, 199, 203, 204–206, 217, 221, 267, 275 f. Ibn Tūmart (um 1080–1130) X XV II f., LXV II , LX X XI , CXIII , 86, 131 f., 147, 159, 178, 190-193, 208, 241, 249, 258 Ibn Tumulūs (1150/1155–1223) XLIX f. Ibrahim ben Bakkūs (10. Jhd.) 140 ÝImrān ibn Hittan (7. Jhd.) 166 Isaak Albalag (Mitte 13. Jhd.) LIII

Ishāq ibn Hunayn (um 845–910) 102, 140, 159 ÝIyād ben Mūsā al-Yahsubī (1088–1149) CXV II f.

322

Namensverzeichnis

Jamblichos (um 240–330 n. Chr.) Johannes von Salesbury (um 1115–1180) 99 al-Kindī (801–866) LX X XV II , 107 Klemens von Alexandrien (um 140/150–216/217) CII al-Mafrītī (Mitte 10. Jhd – um 1007) X XII , 206 Maimonides → Mose ben Maimon Mālik ibn Anas (zw. 708/715– 796) XV II , 127, 206 f., 213, 231, 239 al-MaÝmun (reg. 813–833) LX X XV II , 102, 197, 209 f. al-Mansūr (reg. 978–1002) XI , X X XIV f. al-Marrakušī (Anfang 13. Jhd.) X X X f. Martín → Raymondo Martín Maslama al-Mağrītī (Mitte 10. Jhd. – um 1007) X XII al-Māturīdī (vor 874–943/947) 196 f., 254 Menelaos (um 100 n. Chr.) 100 Michael Scotus (vor 1200 – um 1235) 104, 145 Miskawayh (932–1030) CV I , 220, 266 f. Mose ben Joshua von Narbonne (1300–1362) LV, 145 Mose ben Maimon (1138–1204) LII f., LV, LX XIII f., CX , 136 MuÝāwiya (reg. 661–680) 95, 124

al-Mubarrad (um 826–900) 166 Muhammad (um 570–632) V II , CXV III , 3, 79, 110, 112, 121, 123, 133, 174, 187, 223, 260 Muhammad an-Nāsīr (reg. 1199–1213) XLV III , 192, 230 Muslim (817/821–875) 231 al-Mutawakkil (reg. 847–861) 197, 209, 211, 234 an-Nazzam (gest. 835/845) 209, 231 Nikolaus von Gerasa (1. Hälfte 2. Jhd. n. Chr.) 100 Nizām al-Mulk (1018/1020– 1092) XIV, 188, 195 Numenios (2. Hälfte 2. Jhd. n. Chr.) 98 Origenes (um 185–254) LX X XIV, CII Pico della Mirandola (1463– 1494) LIII Plato (428/427–348/347 v. Chr.) XLV, LIII , LXV III , LX X XV, LX X XV II , LX X XIX , XCII , XCV II , CIX , CXII , 35, 37, 87, 95, 110, 138 f., 151 f., 170, 185, 192, 220, 266–268 Plotin (um 205 – 270) 187 Ptolemaios (um 100 – um 170 n. Chr.) X XIX , 102–105 ar-Rāzī, Fair ad-Dīn (1149–1210) 83, 178

Namensverzeichnis Raymondo Martín (um 1220 – nach Juli 1284) CX XIII ar-Rewandī (820 – 2. Hälfte 9. Jhd.) as-Safadī (1297–1363) CX XV I – CX XV III

aš-ŠāfiÝ (767–820) 181, 213 f., 224 f., 238–242, 256 f. as-Sakkākī (1160–1229) 273 Samuel ben Jehuda (1. Hälfte 14. Jhd.) LIII Sayf ad-Dawla (916/919–967) 185 Sextus Empiricus (2./3. Jhd. n. Chr.) 272 Shem Tov Falaqera (1225–1295) LIII f. Suhrarwardī (1155–1191) 262 Tābit ibn Qurra (836–901) 102

323

Theodosios (2. Hälfte 2. Jhd. v. Chr.) 100 Thomas von Aquin (1224–1274) CII–CIV, CX XIII , 204, 253 Todros Todrosi (1. Hälfte 14. Jhd.) 159 Wāsil ibn ÝAtā (699/700–748) 209 Yahyā ibn ÝAdī (893/894–974) X X XIII , 159 Yūsuf ibn Tāšfīn (1061–1106, reg. in al-Andalus seit 1086) XII f. az-Zamakhšarī (1075–1144) 116 az-Zarqālluh (Anfang 11. Jhd. – 1100) X XII

() Moderne Abed, Sh. B. XV II Albert, K. CIII Allard, M. 83, 141, 142 Alonso, M. X X XII , X X XV II , XLV, LXII , 114 ÝAmāra, M. CX XII , CX XV Aouad, M. L Arkoun, M. CV I Arnaldez, R. XIII , XV I , X XI , X XV III , X X XI , XLII , XLV II , LX X XIII , CII , 132, 135, 236, 269 Asín Palacios, M. XLIX , 200

Badawi, ‘A. X X XIII f., 261 Bakar, O. CIV, 107, 120 Bello, I. A. 122, 233 Bergh, S. van den 85 Bewley, A. A. CXV II Blaustein, M. XCIII Bochenski, I. M. 272 Bonitz, H. 100 Bouyges. M. 131 Brunschvig, R. XV III , X XV II , CXIII , 91, 93, 95, 114, 131, 229, 233, 239, 263 Burnett, Ch. XLIX

324

Namensverzeichnis

Butterworth, Ch. X XIX , LV I f., CX XV, CX XV II f., 80 f., 86, 91 f., 105, 113 f., 116, 123, 129, 132, 154, 159 f., 164 f., 170, 171–173, 175, 179 f., 263, 265 Cahen, Cl. LX X XIX Campanini, M. XLII , LV I f., LXI , 80, 83, 160, 169, 251, 268 Cantarino, V. 159 Corbin, H. X XIV f., 177, 217 Cruz Hernández, M. XI , X XIII –X XV, X X XI f.,

CX XV II f., 80 f., 83, 86, 91,

96, 99, 105, 114, 116, 119, 123, 129, 132, 154, 159 f., 164–166, 168, 172–175, 179 f., 249 Golb, N. LIII Griffel, F. 125 Grinaschi, M. 264 Gutas, D. X XIII , 203 Guttmann, J. LIII , LX XIV

Elamrani-Jamal, A. XV II , 190 El Ghannouchi, A. LV I –LV III Endreß, G. CX XV III , 85, 159 Engelhardt, P. CIII

Halkin, A. S. 98 Hallaq, W. B. 129, 198, 226 Hamze, H. XV II Haq, S. N. 177 Hayoun, M.-R. LV, LV II , LX XIII f. Heinrichs, W. LX XI , 159, 273 Henning, M. 175 Hourani, G. X X X f., X X XV II –XL , LV I f., LXV I , XCV, C, CXIV f., CXV II , CX X , CX XII , CX XIV f., CX XIX, 80 f., 84, 86–88, 93, 104 f., 114, 116, 122, 125, 128 f. 132, 147, 150, 154, 161–165, 168 f., 172 f., 175, 179 f., 211, 220, 238, 241, 244 Hyman, A. 145

Fakhry, M. 91, 142, 270 Ferchl, D. 153

ÞIbrāhim, M. A. 167 Inati, Sh. C. 203, 269

Gardet, L. XLI , 252, 255 Gauthier, L. LV I –LV III , CXV, CX XIV, 82, 96, 160, 164, 174, 180 Geoff roy, M. X XV II f., LV I f., LXV II , CX XII , CX XV,

Jolivet, J. XLV I , 133

X X XV

Dahan, G. LIV Daiber, H. CV II Derenbourg, H. CX XII , CX XIV

ad-Dīb, A. 119 Dunlop, D. M. 92 Dutton, Y. XV III

Kennedy, E. S. 102 Khoury, A. Th. 127 Khoury, R. G. CXV II Kinberg, L. 116, 128

Namensverzeichnis Kogan, B. 137, 142 Koningsveld, P. S. X X XIV Kraus, P. 202 Kügelgen, A. v. IX Langhade, J. 261, 264 Laoust, H. X XV II Lay, J. 103 Leaman, O. LXI , LX X XV, 84, 99, 121, 269 Leibniz, G. W. 246 Libera, A. de LV, LV II , 87, 171 López Ortiz, P. 207 Lucchetta, F. LV II , LX XII , XCII , CXV, 84, 88, 107, 150, 161, 164, 167, 171, 175 Luciani, D. 192 Luscombe, D. E. 242 Mahdi, M. LV III , CV II , CX XV, 85, 91, 105, 129, 132, 135, 160, 164, 173, 269 Makdisi, G. X XV I , 252 Mallet, D. 261 Mandonnet, P. 146 Mantino, J. 159 Meier, F. 275 Morata, P. N. X X X Morélon, R. 102 Motzki, H. 226 Müller, A. CX XIII Müller, Ch. 230 Müller, M. J. V III , X X XV I , LV I , LV III , CX XII , CX XIV f., 80, 83, 85, 91, 113 f., 132, 154, 165, 174 f. 179 f., , 264 Munk, S. XLI , CX XIV

325

Nagel, T. X XV I , LV II , LXI , LXIX , LX XV II f., LX X XIX , C, CX , CX X , 93, 106, 119, 121 f., 138, 141, 147 f., 173, 176, 222 f., 226, 229 f., 235, 252 f. Najjar, I. LV III , CXIV, 158 Nassar, N. XLV f., 98, 260 Niewöhner, F. LIII , CV I O’Leary, de Lacy X XIII , CII

Pätzold, M. LI f. Paret, R. CX X X , 88 f., 128, 173, 175 Peters, F. E. X XIII , 140, 159 Pines, S. 134 Plessner, M. X XI Puig Montada, J. 163 Al-Qādī, W. X XV I Rashed, R. 102 Renan, E. CX XIV Ritter, H. 263 Rolfes, E. 108, 270 Rosenthal, F. XLV, XCV III , CX XI , CX XV I , 84, 90 Rudolph, U. 255 Samsó, J. X XII , 102 f. Schacht, J. CV I , 181, 226, 239 Schelling, F. W. J. V III , 80 Schimmel, A. 175, 216 Schupp, F. LX X XIV, 98, 136 Seidl, H. 100 Shehaby, N. 261

326

Namensverzeichnis

Simon, H. u. M. LIII Steinschneider, M. LIV Strohmaier, G. 157 Syamsuddin, S. 116, 180 Th illet, P. CX XV III , 138, 261 Toomer, G. J. 104 Tornero, P. CXV Thompson, J. W. X XIV Turki, A. M. XV III , 239 Urvoy, D. XI , XV I , XIX , X XV II f., X X X f., X X XIV, X X XV II f., XLV II , LIV, LX XV III f., LX X XI , CV I ,

CXIII , 86, 104, 193, 205,

217 f., 241 Vajda, G. LIII f. Vallat, Ph. 157 Vernet, J. X XII , 102 f. Watt, W. M. XL Weiss, A. LV Wensinck, A. J. 110, 112, 118, 124, 147, 153, 159 Wolfson, A. H. 154, 170, 269– 272 Worms, M. 136 Zuryak, C. K. CV I

S ACH V ER Z E ICH N I S Halbfette Seitenzahlen weisen auf Stellen hin, auf denen das jeweilige Stichwort ausführlich behandelt wird.

Abbasiden LX X XIX , 194, 196, 198, 215, 262 Ähnlichkeit 131, 154, 257, 273, → Bild, Gleichnis Agnostizismus LX X XIII , 132 Almería X XIV, CX XIII , 143 Almohaden X X V II f. , X X XV II , XLV III , LII , LXV II f., LX X XV II , CI , CIX , CXIII , CXV III , 180, 190, 191–193, 208, 210, 217, 227, 241, 249 Almoraviden XI–XIV, XV I , X XV III , X X XV, CXV II , 190, 192, 208 Altvordern 11, 13, 25, 27, 29, 94, → Frühzeit Analogie 131 f., 141, 158, 273 al-Andalus passim Arabische Sprache 21, 200 f., 214 Aristoteleskommentare X X XI – X X XIV, XL , XLIV–XLV I , LV, LX XIV, CXIX , 185–187, 205, 255, 260, 268, 270 f. Aristotelismus X XIX , CX X f., XLI f., LX XIV, LX XIX , XCV II f., CV II , CX X f., 35, 151, 156, 162, 176, 178, 186, 200, 203 f., 206, 255, 258, 260 Arzt XLII , LX XV I ,

LX X XIII , CIX , 41, 65, 175,

202, 205 f. AšÝariten X X XIX , LXV III f., LX X , LX XV III , LX X XIII f., LX X XV III f., XCV, CXV I , CX X , 23, 33, 35, 49, 51, 61, 69, 71, 83, 105 f., 111, 115, 118, 127, 138, 146 f., 152 f., 158, 162 f., 165, 173, 176, 179, 189, 193–195, 196, 210, 212, 214 f., 220 f., 229, 234, 243, 245, 251, 254 f., 275 Askese /Asketik CXIII , 55, 168 f., 266 Astronomie X XIX , 11, 13, 101– 105, 198, 206 Atomismus LXV III f., 176–178, 246, 248 Auffassung 263–265, → Überzeugung Aufklärung LX X XIV f. , XC f. Auserwählte → Elite Aussage → Rede Autoritätsglaube /Autoritätsgläubige 77, 180 f., 190, 227, 241 Badajoz X XIV Bagdad XIII , X XV III , LX XIX , LX X XV II ,

328

Sachverzeichnis

CXV II , 90, 185, 187 f., 191,

193–195, 197, 209, 215 Basra 193, 195 f., 206, 209 Bedeutung 270, → Sinn, Sprache Befehl 77, 180, → Ruf Begriffsbildung 33, 57, 59, 170, 269–272 Beispiel 153 f., 171 Bewegung 35, 39, 145 Beweis LXV III , LX X X– LX X XII , LX X XV, XCII , XCV, 5, 7, 11, 13, 15, 19, 21, 23, 25, 29, 33, 35, 43–53, 57, 59, 61, 65, 69, 73, 85 f., 90 f., 97, 115, 126, 128 f., 144, 149–151, 162– 164, 176, 179, 232 f., 240, 243, 250 f., 258 f., → Schlußfolgerung, Vernunftüberlegung Bild/Abbild LX , LX X X– LX X XII , CXV I , 45, 57, 59, 114, 150 f., 154–156, 170 f., 237, 279, → Ähnlichkeit, Gleichnis Brauch → Gewohnheitsrecht Brüder der Reinheit X XIV, 206 Buchara 202 Bücher X XV I – der Alten 11, 15 – der AšÝariten 71 – mit Beweisen 51, 150 – heilige 157 – für die Menge 69 – der Philosophie 17 Bücherverbot XCV I–XCV III , C, 15, 150 Buddhisten 216

Ceuta CXV II Christen XV, XIX , X X XIII , X X XV III , LX X XV I , XCIV, 185, 200, 209, 215 f., 223, → Mozaraber Córdoba XI , XV, X XII , X XIV, X XV III , X X XIV f., XLV II , LII , LX XIII , 191, 198, 206, 230 Damaskus XIII , 188 Definition 31, 133 Dialektik / Dialektiker LX XV I f., LX X X–LX X XII , XCII f., 19, 43, 45, 51, 57, 61, 63, 86, 112 f., 129, 139 f., 149, 151, 171 f., 240, 271, → Theologen (islamische), Theologie (islamische) Dichtung → Poetik/Poesie Diesseits 17, 65 Ding / Existierendes 85, passim Dualismus 143, 216, 253, 279 Eigenschaft 35, 138, → Merkmal Elite LIII , LXV, LXV II f., LX XV f., LX XV III , LX X XII , LX X XIV f., LX X X V I–CII , CIV, CXV I , CXV III , 59, 69, 71, 77, 86, 116, 121, 129, 155, 157, 161 f., 172, 193, 239, 267 f., 275, 279 f. Epoche 25, 27, 121 f. Erde 13, 37, 39, 69, 104 Erhaltung der Welt 35, 138, → Vorsehung Erinnerung 270, 272

Sachverzeichnis Erkenntnis 3, 11, 43, 53, 61, 71, 77, 80, 89, 189, 217 f., 231, 270, → Beweis, Gotteserkenntnis, Schlußfolgerung, Wissen – göttliche 31, 33, 131 f., 141 – menschliche 31, 33, 131 f., 141 – Fortschritt 9, 98–101 – Mängel 15, 17, 19, 43, 53 Erleuchtung LX X XV I , 89, 169, 175, 189, 217 f., 263, 267, → Mystik, Sūfīs Erwägung 3, 87, → Erkenntnis Escorial CX XII – CX XIV Ethik → Sittlichkeit/Sittenlehre Fez 198 Fideismus CXV f., CXV III Form (als Ursache) 37, 143, 145 Freiheit → Willensfreiheit Frömmigkeit 55, 67, 73, 77, 195, 211 f., 215 f. Frühzeit des Islam LX , LX X XIV, XCV III , 9, 73, 94 f., 223, 225 f., 238, 253, 262 Geheimhaltung XCIV–XCIX , 25 Gehorsam CXIII , 55, 167 Gelehrte LX XV I , LX X XI , LX X XV I , LX X XV III , XCV, 128 f., 146, 150, 162, 172, 206, 232, 237 f., 240, → Philosophen, Rechtsgelehrte Gemeinschaft der Muslime 17, 19, 21, 23 Gemeinwohl CIX f., 229 f. Geometrie 11 Gerechtigkeit 15, 53, 167, 221

329

Gesetz XII , XLV I , LX f., CX f., CXV III f., CX X f., 3, 5, 17–25, 37, 41, 51, 55, 63, 67– 71, 77, 83 f., 116, 142, 151, 165, 191 f., 221, 222 f., 249, 268, 280 – Vollständigkeit des Gesetzes 94, 113 Gesetzesverpfl ichtung 7, 9, 15 Gesetzgeber LIX , CXIV, CX XI , 63–67, 71, 97, 174 f. Gesundheit 65, 67 Gewißheit LIV, LX X X , 21, 111, 115, 189, 195, 232, 257, 262, 264 Gewohnheitsrecht 207 f., 225 f., 231 Glaube XCIX , CII f., CXV I , 29, 51, 71, 73, 111, 127 f., 142, 148 f., 153, 175, 177 f., 196, 218, 223, 268, 277 Glaubende / Gläubige 7, 29, 91, 152 Glaubensbekenntnis 191, 193 Gleichnis LX X XI , 45, 150, 154, → Ähnlichkeit, Bild Glückseligkeit LX XV, XCIII – XCV, CX , 17, 73, 156 f., 162, 168, 198, 236, 265–269 – jenseitige 43, 45, 55, 69, 150– 152, 157, 160, → Jenseits Gott 80, 153, → Erhaltung der Welt, Koran, Offenbarung, Schöpfung, Vorsehung – Allmacht 130, 194, 212, 242, 250 – Attribute / Prädikate / Namen LX X f., LX XIII , LXV II f., 191, 193 f., 197, 211, 254 f., 275 – Aufstieg / Abstieg 23, 47, 118

330

Sachverzeichnis

– Erkenntnis der Einzeldinge X X XV I , XL , LXIII , LX X XIII , 27, 31, 33, 124, 126, 130–133, 135 f., 150, 249 – Ort / Ortsbewegung LX XV I , 47, 118, 157–159, 161, 277 – Unkörperlichkeit LX X XIV, 47, 158 f., 161, 276–278 – als Wirkursache CX X , 35, 130, 132, 141 f., 173, 176, 246, 248, 250 f., 279 Gotteserkenntnis CXIV, 5, 7, 17, 97, 179, 193, 196, → Teleologie Gottesschau 162, → Erleuchtung, Mystik Grammatik XV I f., LX XI f., 201, 236, 256, 273 Granada XIV, CXV II , 198 Grundsätze – des Gesetzes 43, 45, 49, 63 – des Glaubens LX X V, LX X XI , 148 f., 152, 166, 252, 268, 279 – der Philosophie 149 Hadīuen → Überlieferung Hamdaniden 185 Hanafiten XV, 156, 176, 195– 197, 215, 231, 240 f., 243, 257 f., 262 Hanbaliten XV I , LX XI , 23, 94, 98, 115, 118 f., 127, 146, 161, 189, 193 f., 197 f., 210, 212–214, 243, 246, 254, 257, 262 Handlung/Handeln LXII , XC , CV III , CXI , CXIII , CX X , 55, 65, 67, 73, 120, 152, 160, 168,

219–221, 224, 228, 242, 244– 246, 252, 266, 268, 275, → Rechtsbewertung, Sittlichkeit, Willensfreiheit Iārifiten LX X XIII , 253 Herz 43, 126, 152 f., 267 Himmel 5, 37, 39, 69, 123, 157, 269 Himmelskörper 13, 39, 118, 144 f. Hinweis 3, 23, 25, 39, 43, 45, 61, 73, 75, 85 f., 110, 179, 274 Homonymie 131 Imam 3, 79, 110, 122, 163, 175 Inspiration 133 Interpretation XLII , XLV I , LV, LXV, LXIX–LX X X V I , XCII , XCV, XCV III f., CXI , CXIII , CX X , 21, 23, 25, 29, 31, 39, 41, 45, 47, 51–55, 59, 61– 69, 73, 75, 115 f., 118, 122–124, 126 f., 146 f., 150, 155, 161–164, 167, 171, 173, 175, 179 f., 193 f., 197, 202, 205, 210, 224, 236, 240 f., 260, 268, 272–280, → Sinn Irrtum XLI f., 31, 39, 41, 43, 49, 71, 108, 126, 146 f., 149 f., 189, 238, 246 f., 278 f. Islam XL f., XCIV, CX X f. , 11, 27, 69, 87, 112, 142, 148, 169, 208, 216, 222, 265 – Länder des Islam LI –LV, CXV III , 13, 187, 200 Islamische Gemeinschaft XLV, LIII , LX , LXV III f., XCIII – XCV, XCV III f., 223 f., 229, 238, 253, → Recht

Sachverzeichnis IsmāÝiliten LX X XIX , 88, 153, 206, 209, 239 Istanbul X X XIX Játiva 198 Jenseits (künftiges Leben) X X XV I , LXIII , LX XII , LX XV I , XC , 27, 43, 49, 55, 65, 69, 97, 124, 150, 157, 161 f., 167 f., 194, 243, 265–268, → Glückseligkeit, Körper (Auferstehung) Jerusalem 188 Juden XIX , LII –LV, LX XIII f., LX X XV, 200, 223 Kābul 195 Kairo XIII , X X XIX , LX XIV Kalām → Theologie (islamische) Körper 27, 33, 35, 45, 138, 145, 158, 162, 178 – Auferstehung der Körper 27, 124–126, 150 f., 162, 170, → Jenseits Konsens LXIV, LXV III , CXI , 23, 25, 27, 29, 31, 39, 117 f., 121, 122, 126, 129, 146 f., 197, 207, 214, 225, 236, 237–240, 257 Koran, Buch Gottes, Kostbares Buch XLI f., LXV f., LX XI , LX XIV, LX XV I f., CV I , CXIV– CXV I , 5, 67, 71–75, 83, 136, 187, 193 f., 200, 207, 211 f., 220, 222–224, 230, 238, 242 f., 249 f., 255, 259 f., 262, 272 f., → Interpretation, Sinn

331

(äußerer und innerer, eindeutiger und mehrdeutiger) – Herabkunft vom Himmel 277 f. – Ungeschaffenheit 197, 211 f., 234 f. – Unnachahmlichkeit / Unvergleichbarkeit CXII , 75, 233– 237 – Widersprüche im Koran 116 f. Krankheit 65, 67 Kūfa 195 Kultische Vorschriften CXII , 223, 228 Kunstgriff 45, 156 Lehrer 15, 53, 94, 166, 171, 181, 270 Lehrmeinung 165 f., → Rechtsschulen Literalisten LX XI , 9, 97 f., 200, 212 Logik XV II , X XII , X XIV, XLV f., XLIX f., 3, 82 f., 92, 107, 186 f., 189 f., 198–201, 203, 251, 254 f., 258, 260 f., 265, 269, 271, → Beweis, Schlußfolgerung Lucena X X XV II , XLV II , LIV Madrid 206 Maghreb XV, X XV II , 13, 191 f., 196, 204, 207, 215, 217 Mālikiten XII f., XV II f., X XV II , X X XV, X X XV II –X X XIX , XLI , XLV II , XLV III , L, CIX f., CXV I f., 94, 98, 106, 127, 156,

332

Sachverzeichnis

181, 190, 196, 201, 206–209, 213, 217, 226 f., 231, 238 f., 241 Marrakesch X XV III f., X X X , X X XV, XLIV, XLV II , XLV III , XLIX , CXV III , 104, 192, 205, 217 Masse → Menge Materie 33, 137, 143, 145, → Urmaterie Mathematik X XII , 11, 13, 100 f., 105 f., 198, 206 Medina 207, 213, 215, 223, 239 Medizin XIX–X XI , 203 Meinung LX XV II , LX X X , 114, 129, 232, 241, 257, 261– 265, → Lehrmeinung – allgemein anerkannte 172, 176, 263 – willkürliche 75, 180 Meinungsverschiedenheiten → Streitfragen Mekka 188, 191, 215 Menge LIII , LXV II f., LX XV f., LX XV III , LX X XII –LX X XV, LX X X V I–CII , CXV I f., 59–65, 69–73, 86, 116, 121, 140, 142, 144, 150, 157, 160 f., 163 f., 172, 174 f., 193, 205, 208, 210, 239 f., 254, 259, 267 f., 275–280 Merkmal 137, → Eigenschaft Metapher → Bilder, Interpretation, Sinn Metaphysik → Aristotelismus, Atomismus, Platonismus, Neuplatonismus Methoden LX X X–LX X XII , XCI –XCIV, CXIV, 25, 43,

45, 49, 57, 61, 65, 69–73, 77, 97, 112 f., 140, 149, 152, 163, 166, 174, 178 f., 248, 275, → (1) Beweis, (2) Dialektik, (3) Rhetorik Mozaraber XV, X X XIII f. Muhammad LX X XV I , CXII , CXV II f., 17, 19, 27, 104, 112, 121, 123 f., 133, 174, 187, 193, 215, 223, 231, 260 Murfiten 196 Mutakallimūn → Theologen (islamische) MuÝtaziliten X XIII , LXV II , LXIX–LX XI , LX XIX , LX X XIII f., LX X XV III , XCV, CIX , 61, 69, 75, 95, 115– 117, 127, 141, 146, 157, 159, 168, 173, 176, 179 f., 193–197, 209– 213, 214, 220, 229, 231, 234, 238, 243–246, 251, 254, 273, 275 Mystik/Mystiker XLIII , LX X , XCII , CIV, 89, 125, 163, 186, 189 f., 202, 205, 216–218, 251, 253, 266 f., → Erleuchtung, Sūfīs Name, Benennung 31, 33, 35, 270 Natur und Gewohnheit 61, 173 Naturveranlagung X XV, LX X XIII , XCI f., 15, 17, 19, 23, 43, 53, 59, 97 f., 108, 166 Neuerung (unzulässige) 9, 43– 47, 69, 73, 75, 93 f., 140, 142, 164, 221 f., 273 Neuplatonismus X XIII , XLII , LXIX , XCI , XCIV, 98, 143,

Sachverzeichnis 162, 164, 186, 188 f., 202, 204, 206, 217, 250, 266 f. Nīšāpūr 188 f. Offenbarung XLI f., XLV I , CII – CV, CXII – CXV, 13, 83 f., 95, 98, 104, 107 f., 113, 128, 147, 157 f., 162, 181, 187, 197, 206, 214, 233–235, 237, 277, → Vernunft und Offenbarung Opfer 11, 99



– –

– Pantheismus 216 Parteiungen XCV III f., 69, 73, 77, 153, 191, 237, 253, 255 Philosophen LX XV II , LX X XV II f., 27, 33, 35, 39, 51, 126, 146, 168, 175, 179, 191, 193, 239 f. – christliche CII – CIV, 204, → Namensverzeichnis: Thomas von Aquin – islamische LXIX , LX X XV II , CX XI , 31, 35, 37, 93, 129 f., 134, → Anhang (1): Al-Fārābī, Ibn Baffa, Ibn Sīnā, Ibn Tufayl, Iiwān asSafā Philosophie XIII , X XIV f., X X X f., X X XV II , X X XIX , XLI f., LX X , LX XV III , LX X XI , XC , XCV, CXV III , 3, 13, 51, 61, 63, 73, 75, 81–83, 108, 112 f., 115–117, 128, 136, 142, 165, 187–189, 210 f., 220, 254 f., 260, 265, 268, → Beweis, Interpretation, Vernunft über-

333

legung, Vernunft und Offenbarung, Wissen in al-Andalus X XI–X XIX , XLV III–LII , LXV II – LXIX , LX XIX , 187, 190, 198 f., 203 f., 217 und Mystik 216, 266, → Mystik, Sūfīs und Politik LX X XV I f., LX X XIX , 186, 193, 199, 266, → Philosophie in al-Andalus mit Selbstbeschränkung XCV I–C

– als Tätigkeit XL f., XLIV, LXII–LX V, CXIX , 3, 189, 222, 229, 262, 268 – als Verpfl ichtung XV III , X X XV I , XL f., XLIV, LX V– LXIX , LX X XV, 3 Physik XLV, CV I , 189, 198, 206, 249 Planeten 13 Platonismus LX X XV, XCII , XCIV, XCV II , 35, 151 f., 162, 206, 266 Poetik/Poesie X XIX , LX X X , LX X XV, CV, CXV, CXV II , 51, 67, 139, 159 f., 216, 220, 235, 259 f., 271, 274 Prädestination LX XV III , 130, 212, 253 f., 278, → Vorsehung, Willensfreiheit Predigt LX X XI , CXV II , 43, 112 f., 164, 260, → Rhetorik Prophet LIX–LXI , LX XIII , CV II – CXIV, CXV I – CXIX , CX X , 43, 133, 153, 167, 175,

334

Sachverzeichnis

186 f., 213 f., 221, 224, 235, 260, 268, 277 Prophetie CXV I f., 133–135 Rationalimus → Beweis, Philosophie, Schlußfolgerung, Vernunftüberlegung Recht XV III f., XLV I , LX , CV III f., CXIII , CXIX– CX XI , 17, 147 f., 169, 187, 190, 194, 207, 222–230, 252, 254, 256, 261, → Gewohnheitsrecht, Rechts-Schlußfolgerung, Streitfragen – Grenzen des Rechts 229 f. – Wurzeln / Quellen des Rechts XV f., 148 f., 209, 213 f., 223– 225, 229, 232, 237, 274 Rechtsbewertung / Rechtsentscheidung LV I , LIX–LXIV, LXV II , 3, 7, 39, 41, 53, , 88, 92, 114, 118, 146 f., 167 f., 181, 191, 207, 224 f., 228 f., 232, 241, 257, 274, → Urteilsfällung Rechtsgelehrte XIII f., XLV I , LII , LXV I , LX XIX , LX X X V I–LX X X V III , CIX , CXIX , CX X , 7, 17, 21, 27, 29, 41, 49, 79, 101, 105 f., 116 f., 121 f., 128 f., 146–148, 152 f., 166, 205, 208, 215, 223, 227, 230, 237–241 Rechtsschulen LX , LX X , LX XI , LX X XV I , CIX , CXIII , CX X , 13, 51, 106, 118, 166, 181, 194, 201, 207, 215, 222, 225, → Hanafiten, Hanbaliten, Mālikiten, ŠāfiÝiten

Rechtsverpfl ichtung LXII , LX V–LXIX , 39, 147, 223, 228, 247 Rechtswissenschaft XIV– XV III , X XV II , CXIII , 13, 55, 105 f., 187, 190, 207, 213 f., 225, 253, 261, → Rechstsschulen, Schlußfolgerung, Streitfragen Rede 3, 19, 21, 57, 61, 111 f., 128, 153, 158, 165, 270, 273 Religion LX XV–LX XV II , XCV, CV, 9, 11, 151, 155, 157 f., 165, 169, 200, 231, 236 f., 243 f., 265, 277 Rhetorik/rhetorisch XV III , X XIX , LX XI , LX X X– LX X XIII , LX X XV, XCIII , CXV, CXV II , 19, 45, 51, 57, 61, 63, 86, 112, 131, 139, 149, 151 f., 154, 171 f., 186 f., 201, 233, 235–237, 239, 260, 271, 273 f., → Dialektik, Überzeugungskraft Richter X X XII , X X XV, XLIV, XLV I , 3, 39, 41, 79, 125, 208, 214, 226, 227 f., 230, 241, 279 Ruf 3, 5, 15, 17, 19, 51, 53, 55, 63, 71, 77, 87 f., 112 ŠāfiÝiten XV, 95, 176, 194 f., 207, 213–215, 231, 239–242, 256 f. Schlußfolgerung 5, 7, 57, 59, 94, 132, 256, 261 – demonstrative 258–260, → Beweis – dialektische 7, 258–260

Sachverzeichnis – – – –

hypothetische 260 f. poetische 258–260 rhetorische 7, 258–260 sophistische 7, 71, 91, 152, 176, 258 f. – Prämissen und Schlußsätze 7, 171 f., 176, 258 – Rechts-Schlußfolgerung XV I , 5, 7, 9, 21, 81, 88, 93, 95, 149, 196–198, 201 f., 214, 222, 225, 227, 238, 242, 256–258 – Vernunft-Schlußfolgerung 5, 9, 11, 21, 81, 90, 97, 258–261, → Beweis Schöpfer / Hersteller 3, 11, 71, 86 f., 145, 178 Schöpfung X X XV I , LX X XIII , 5, 17, 35, 37, 69, 86 f., 123 f., 138 f., 142, 144, 146, 253 – Ewigkeit der Welt X X X f., LXIII , LX XIII , 27, 33, 35, 37, 124, 136 f., 140–142, 150 – Zeitliche Hervorbringung der Welt X X X f., LXIII , LX XIII , 33, 35, 37, 136 f., 139– 142, 269, 271 Schweigen (des Gesetzes zu bestimmten Fragen) X X XVIII , 19, 21, 113, 276 Seele / Seelenlehre XLV I , LX X XIII , XC f., CV II , 67, 75, 135, 151 f., 155 f., 162, 174, 199, 206, 234, 253, 266–269, → Jenseits Sevilla X X XIV f., XL , XLIV, 143, 192, 198, 217 Sicherheit → Gewißheit

335

ŠīÝiten LX X XV II f., 88, 153, 175, 202, 209, 216, 225, 231, 236, 253 Sinn → Interpretation – äußerer und innerer LX X , LX XII f., 21, 23, 25, 27, 37, 39, 45, 49, 51, 59, 61, 63, 73, 116 f., 121, 124, 127, 154, 161, 163 – eindeutiger und mehrdeutiger LXIX f., LX XIII , LX XV–LX XV II , XCIX , 21, 126–128, 131, 156, 161, 172, 174, 179 f., 224, 258, 275 – wörtlicher und metaphorischer LX XII , XCII , 113 f., 163, 197, 200, 205, 210 f., 216, 236, 260, 273 f. Sinneswahrnehmung / -erfahrung 33, 45, 154 f., 170, 176 Sittlichkeit/Sittenlehre CV I – CV III , CXV, CXV II , 15, 55, 148, 152, 194, 219–221, 228 – sittliche Verdorbenheit 164 Sonne 13, 104, 269 Sophistik → Schlußfolgerung (sophistische) Sprache / Sprachwissenschaft XV I f., LXIII , LX XI f., XCV II f., CXV I f, 200 f., 234, 255, 259–261, 273 f. Stoiker 82, 85, 107, 134, 229, 251, 261, 272 Streitfragen XV II f., X X XV III , LX X , XCV III f., 13, 23, 25, 27, 33, 35, 39, 47, 49, 71, 73, 77, 100, 106, 117 f., 140, 165, 181, 189, 222, 227 Sünde / Sünder 41, 148

336

Sachverzeichnis

Sūfīs X XIII , L, LV, LXIX , LX X XIII , LX X XIX , 49, 51, 110, 143, 161, 163, 165 f., 168, 189, 195, 199, 203, 205, 215– 218, 220, 274 Sunniten LII , LX X XV III , CX , CXIII , 123, 153, 164, 188, 195 f., 202, 210, 214, 220, 225, 231, 238 f., 244, 252–254 Teleologie/teleologischer Gottesbeweis LX V III f. , CX X f., 84, 178, 247 f., 251 Theodizee 167, 246 f., 250 f., → Vorsehung Theologen (islamische) LXV I f., LX X f., LX XV I –LX XIX , LX X XIII –LX X XV, LX X XV III , XCII , XCV, 31, 35, 37, 39, 77, 85, 86, 115, 127, 129, 139, 142, 144, 146, 148 f., 165, 171 f., 186, 237, 240 f., 252 f., → AšÝariten, Hanbaliten, MuÝtaziliten, Anhang (1): Al-Gazālī, Ibn Hazm Theologie (islamische) XII , XV I , X X X , LX X XI f., XCIII , CXIII , 57, 143, 163, 169, 187, 190, 192 f., 195, 197, 200, 202, 206, 211, 214, 224, 252–255, 256, 261, 273 – Lehrbücher 254 f., 271 Toledo CX XV II Tor (der Vernunftüberlegung) 15, 109, 242 Traumgesichte 33, 133–135 Tripoli 192 Tugend CV III , 15, 73, 151, 166

– praktische 17, → Sittlichkeit – wissenschaftliche 17, → Beweis Tunis 192 Tūs (Chorasan) 189 Übel 143, 246, 250 Überlieferung XV III f., LX X XIV, CV I , 23, 41, 69, 147 f., 197, 207, 214, 220, 222, 224, 231–233, 238 f., 240, 242 f., 254 f., 262 Überlieferungskette 25, 121–123, 196 f., 213, 224, 232 Übersetzungen XV I f., X XIII , X X XI , X X XIII , XLV, LIII f., LX X XV II , LX X XIX , CV II , CX XIV, CX XV I – CX XIX , 185, 210 f., 254, 256, 258 Überzeugung LXIII , 65, 75, 97, 111, 174 Überzeugungskraft 61, 172, 235 f., 261–265, → Rhetorik Umaiyaden XI , 199, 208, 215, 223, 227 Unglaube/Ungläubiger X X XVI , LXIII f., 25–29, 33, 37, 41–51, 59–63, 69, 71, 88, 93 f., 119, 124–126, 148–150, 173, 204, 222, 224, 240, 262, 279 Unrecht 167, 221 Unterweisung / Belehrung 55, 57, 71, 73, 166, 170, 269–272 Unwissenheit 15, 31, 41, 77, 109, 131, 262 Urmaterie 143 f. Ursachen 21, 37, 71, 244, 247 f.

Sachverzeichnis – äußere Ursachen 244 f. – im Recht 256 f. – Sekundärursachen 176, 245 – Vier Ursachen 142 f. Urteilsfällung 3, 90, → Rechtsbewertung Urteilsfindung (selbständige) LX f., 106, 192, 196, 198, 207, 214, 222, 225 f., 240–242, 262 Vergleich 67, → Ähnlichkeit Vermutung 21, 262, 264, → Meinung Vernunft / Vernunftüberlegung LXV I f., LX XII , LX X XI , CII – CV II , CXIII – CXV, CXV III f., 3, 5, 7, 15, 19, 23, 47, 71, 77, 80, 81, 96, 153–155, 158, 178, 210 f., 216, 269, → Beweis, Erkenntnis, Schlußfolgerung, Wissen – Grenzen der Vernunftüberlegung CXIII–CX V I , 189 – und Offenbarung XLI – XLIII , XLV I , LIII , LV I , LIX–LXII , LX XII –LX XIV, LX XIX , LX X XV, CII– CX XI , 187, 205, 210 f., 237, 280 – Verpfl ichtung zur Vernunftüberlegung 5, 88, 91 f. – Werkzeuge der Vernunftüberlegung 7, 11, → Beweis, Logik, Schlußfolgerung Vorislamische Zeit 11, 99, 112 Vorsehung/Fürsorge LX XIII , 57, 89, 130, 133, 247–251 Vorstellung 47, 159 f., 259, 269

337

Vorstellungskraft / Phantasie CXV III , 134–136, 154, 159 Vortäuschung 153, 161 Wahrheit XLII , LXIV, LX XV III , LX X XII , XCI , XCIII , CIII f., CXV f., 15, 17, 19, 29, 75, 77, 113, 117, 165, 186, 203, 205, 216, 238, 244, 262, 264 f., 273, 280, → Beweis, Offenbarung, Schlußfolgerung, Wissen Weg 15, 109, 112, → Methoden Willensfreiheit 39, 194, 212, 220, 242–247 Wirkursache 33, 137, 143, → Gott, Ursachen Wissen / Wissenschaft LX XV, LX X XV I , XCV III , CXI , CXV, 21, 23, 25, 29, 39, 51, 53, 57, 82, 101, 120, 155 f., 164 f., 190, 245, 269, → Beweis, Erkenntnis, Schlußfolgerung – arabische und fremde XLIII f., XLV II , LX X , 202, 252, 256, 272, 274 – göttliche 165 – praktische CV, CV II , CXII , CXIX– CX XI , 13, 27, 41, 55, 80, 107, 120 f., 169, 219 f., 228 – theoretische LX X XV, CIV– CV II , CXIX– CX XI , 13, 27, 41, 80, 107, 120 f. – Akkumulation des Wissens 99 f., 108 – und Herrschaft LX X XV I f. – des Jenseits 55, 132 – der Rede 274, → Rhetorik

338

Sachverzeichnis

Zāhiriten XV I , LX X , 98, 115, 127, 198, 200, 239, 257, → Anhang (1): Ibn Hazm Zaragoza X XIV, 198, 206 Zeichen → Hinweis Zeit(dauer) 33, 35, 37, 144

Ziel 143 Zeugnis / Zeugen LXIII f., 23, 224, 232 f. Zustimmung 19, 23, 29, 43, 45, 47, 57, 59, 65, 111 f., 269–272 Zweifel LX XV I , 262, 279