Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr: Rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit, Verwahrung und Zurückbehaltungsrecht, Kostentragungs- und Haftungsprobleme [1 ed.] 9783428493173, 9783428093175

Die Untersuchung verfolgt das Ziel, das Phänomen Entfernungs- bzw. Abschleppmaßnahme mit all seinen Detail- und Randfrag

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German Pages 366 Year 1998

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Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr: Rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit, Verwahrung und Zurückbehaltungsrecht, Kostentragungs- und Haftungsprobleme [1 ed.]
 9783428493173, 9783428093175

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BERND SCHIEFERDECKER

Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 746

Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr Rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit, Verwahrung und Zurückbehaltungsrecht, Kostentragungs- und Haftungsprobleme

Von

Bernd Schieferdecker

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schieferdecker, Bernd:

Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr : rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit, Verwahrung und Zurückbehaltungsrecht, Kostentragungs- und Haftungsprobleme / von Bernd Schieferdecker. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 746) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09317-8

Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09317-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Herr Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke hat die Entstehung dieser Schrift angeregt und betreut. Ich habe ihm nicht nur zu danken für die stete Bereitschaft zur Diskussion, für die wissenschaftliche Freiheit, die er mir eingeräumt hat, und für den unermüdlichen Einsatz, welchen er trotz vielfältiger anderweitiger Belastung bei der Durchsicht der Endfassung und der Erstellung des Erstgutachtens leistete. Nicht minder schätzen möchte ich die freundliche Zuwendung, die mir während der Arbeit und der Tätigkeit am Lehrstuhl Herrn Prof. Dr. Schenkes zuteil wurde. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Prof. Dr. Eibe Riedel für die freundliche Übernahme und außerordentlich zügige Abfassung des Zweitgutachtens. Die vorliegende Arbeit hätte nicht geleistet werden können ohne die Unterstützung meiner Familie. Meine Frau Sabina Schieferdecker hat mir in vielfältiger Weise Freiräume für wissenschaftliches Denken geschaffen, wofür ich ihr von Herzen dankbar bin. Ihr sei diese Schrift gewidmet. Unsere Kinder Laila und Timm haben es mit unerschöpflicher Energie unternommen, jene Freiräume zu besetzen und Wissenschaft mit anderem in Ausgleich zu bringen. Dank gebührt schließlich meinen Eltern und meinen Großmüttern für die großzügige finanzielle Unterstützung, sowie all jenen, die mir beim Korrekturlesen und anderen Dingen hilfreich zur Seite gestanden haben. Die Arbeit ist auf dem Stand vom Oktober 1997.

Schwetzingen, im Oktober 1997

Bernd Schieferdecker

Inhaltsverzeichnis Einleitung Α. Zum Gegenstand dieser Untersuchung B. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes

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Erster Teil Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen Erster Abschnitt Phasen des Abschleppvorgangs A. Entfernungsgebot B. Vollzug der Anordnung C. Verwahrung D. Verwertung oder Vernichtung E. Beendigung des Abschleppvorgangs

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Zweiter Abschnitt Entfernungs- und Wegfahrgebote A. Straßenrechtliche Anordnungen I. Gemeingebrauch und Sondernutzung II. Das Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht III. Entfernungsgebote gem. § 16 Abs. 1 S. 1 bwStrG IV. § 32 Abs. 1 S. 1 StVO B. Entfernung von Kraftfahrzeugen aufgrund Abfallrechts I. Anwendbarkeit des Abfallrechts II. Abfallrechtliche Maßnahmen C. Kraftfahrzeuge als „bauliche Anlagen" D. Wegfahrgebote durch Verkehrszeichen I. Die Rechtsnatur von Verkehrszeichen II. Gebote durch Verbotszeichen III. Bekanntgabe und Wirksamkeit der Regelung 1. Der Bekanntgabebegriff

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2. Bekanntgabe auch bei fehlender Kenntnisnahmemöglichkeit? 39 a) Zulässigkeit einer öffentlichen Bekanntgabe 40 b) Die Möglichkeit individueller Kenntnisverschaffung 41 3. Kein eigener Bekanntgabebegriff für Verkehrszeichen 44 4. Die Voraussetzungen einer Individualbekanntgabe 46 a) Möglichkeit der Kenntnisnahme 46 b) Zugang der auf Regelung gerichteten staatlichen Willenserklärung 46 c) Kenntnisverschaffungspflicht und Kenntnisnahmeobliegenheit 47 5. Ergebnis: Wirksamkeit von Verkehrszeichen 50 IV. Die im Rahmen der StVO zulässigen Wegfahrgebote 51 1. Zu den Begriffen „Halten" und „Parken" 51 2. Überblick über die Verbots- und Gebotszeichen 52 3. Parkuhren und Parkscheinautomaten 53 4. Modifikationen durch Zusatzschilder 55 5. Radwege und Fußwege 55 6. Fußgängerzonen 56 E. Wegfahrgebote aufgrund von § 44 Abs. 2 StVO 59 I. Aufgaben der Polizei im Straßenverkehrsrecht 59 II. Ermächtigungsgrundlagen in § 44 Abs. 2 S. 1 und 2 StVO 60 III. Wegfahrgebot durch Weisung, § 44 Abs. 2 S. 1 StVO 61 1. Voraussetzungen polizeilicher Weisungen 61 2. Der Weisungsbegriff in Rechtsprechung und Literatur 61 3. Eingrenzung des Weisungsbegriffs 63 a) Ansätze für eine restriktive Bestimmung des Weisungsbegriffs 63 b) Das Verhältnis des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO zu den Befugnissen der Straßenverkehrsbehörde 63 (1) Weisungen bei Verstoß gegen Verkehrszeichen? 64 (2) Die Systematik der Aufgabenzuweisungen in den §§ 44? 45 StVO 64 (3) Die Ratio der §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 StVO 65 (4) Bedeutung der Auslegungsergebnisse für den Weisungsbegriff 66 c) Das Verhältnis des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO zu den allgemeinen Verkehrsregeln 67 4. Der Anwendungsbereich der §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO 69 IV. Eilmaßnahmen der Polizei, § 44 Abs. 2 S. 2 StVO 69 1. Überblick 69 2. Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs 70 3. Wahrnehmung der Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde im Eilfall 70 4. Vorläufige Maßnahmen 71 V. Zusammenfassung 73 F. Polizeirechtliche Anordnungen 73 I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen präventiv-polizeilicher Abschleppmaßnahmen 73 1. Die öffentliche Sicherheit als polizeiliches Schutzgut 73

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a) Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung b) Verstöße gegen StrafVorschriften c) Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (1) Unmittelbar aus der StVO folgende Halt- und Parkverbote (2) Ordnungswidrigkeiten 2. Schutz privater Rechte und Subsidiarität polizeilichen Handelns 3. Das Erfordernis einer Gefahr a) Konkrete Gefahr oder bereits eingetretene Störung b) Anscheinsgefahr c) Gegenwärtige Gefahr, unmittelbar bevorstehende Störung 4. Störung der öffentlichen Sicherheit bei nachträglichem Haltverbot? 5. Zuständigkeit für polizeirechtliche Anordnungen a) Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes b) Zuständigkeit gemeindlicher Vollzugsbediensteter c) Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch sog. kommunale Verkehrsüberwacher? d) Zur Übertragung polizeilicher Aufgaben auf Private II. Wegfahrgebote durch polizeilichen Platzverweis?

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Dritter Abschnitt Sicherstellung von Kraftfahrzeugen A. Die gesetzlichen Regelungen B. Mögliche Lösungsmodelle C. Die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Ansichten I. Die Generalklausellösung II. Die Sicherstellungslösung III. Die Kombinationslösungen IV. Die differenzierende Lösung D. Der Sicherstellungsbegriff I. Begründung hoheitlicher Sachherrschaft II. Aufbewahrung oder Entzug der Sachherrschaft? III. Sicherstellung als Entzug der Einwirkungsmöglichkeit durch Ingewahrsamnahme und hoheitliche Verstrickung der Sache 1. Der Wortlaut 2. Die Intentionen des Gesetzgebers 3. Inhalt und Zielrichtung der anderen Sicherstellungsalternativen a) Die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten b) Die Sicherstellung bei festgehaltenen Personen c) Einheitliche Zielrichtung aller drei Alternativen 4. Rückschlüsse aus den weiteren Regelungen 5. Inhalt und Funktion spezialgesetzlicher Normierungen IV. Die durch polizeiliche Sicherstellung abwehrbare Gefahr

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1. Gefahrenabwehr durch den Besitzer der Sache 107 2. Gefahrenabwehr durch Sicherstellung 108 E. Sicherstellung von Kraftfahrzeugen 109 I. Sicherstellung wegen der Beschaffenheit oder Verwendung von Kraftfahrzeugen und wegen Diebstahlsgefahr 109 II. Sicherstellung wegen verbotswidriger „Lage im Raum"? 110 1. Gefahrenabwehr durch Versetzen eines Fahrzeugs 111 2. Gefahrenabwehr durch Abtransport eines Fahrzeugs 111 a) Gefahr ordnungswidrigen Wiederabstellens 111 b) Sicherstellung nach dem Entfernen oder Wiederabstellen 112 c) Die Gefahrenlage beim Abtransport von Fahrzeugen 113 III. Sicherstellung wegen einer dem Fahrzeug drohenden Gefahr? 114 1. Das Erfordernis einer konkreten Gefahr 115 2. Konkrete Gefährdung von Fahrzeugen? 116 3. Gefährdung zum Zeitpunkt des Beginns der Sicherstellung? 116 4. Entfernen und Abtransport als einheitliche Gefahrenabwehrhandlung auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel 118 IV. Zusammenfassung 120 F. Strafprozessuale Sicherstellung und Beschlagnahme von Kraftfahrzeugen (Exkurs) 120 I. Präventive und repressive Maßnahmen der Polizei 120 II. Sicherstellung von Beweismitteln 122 1. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 122 2. Anwendbarkeit auf Kraftfahrzeuge 123 III. Sicherstellung zur Vollstreckungssicherung 123 1. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen 123 2. Anwendbarkeit auf Kraftfahrzeuge 123 a) Einziehung gem. § 21 Abs. 3 StVG 123 b) Einziehung gem. § 74 Abs. 1 StGB 124 Vierter Abschnitt Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen A. Zwangsweise Durchsetzung von Entfernungsgeboten I. Das statthafte Zwangsmittel 1. Ersatzvornahme 2. Unmittelbarer Zwang II. Vollstreckbarer und wirksamer Grundverwaltungsakt III. Unanfechtbarkeit oder sofortige Vollziehbarkeit IV. Festsetzung des Zwangsmittels V. Schriftliche Androhung des Zwangsmittels VI. Die Problematik der Vollstreckungszuständigkeit 1. Die Vollstreckungsbehörde

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2. Ausübung der Vollstreckungszuständigkeit durch gemeindliche Vollzugsbedienstete? 131 3. Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes zur Vollstreckung der durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen Gebote? 132 a) §21 bwVwVG 132 b) § 44 Abs. 2 S. 2 StVO 133 c) § 2 Abs. 1 bwPolG oder § 60 Abs. 2 bwPolG 133 d) Handeln nach Weisung, § 74 Abs. 1 bwPolG 135 e) Vollzugshilfe gem. § 60 Abs. 4 bwPolG 135 f) Organisationsrechtliches Mandat 137 4. Ergebnis 138 B. Abschleppen ohne Grundverfügung 139 I. Unmittelbare Ausführung und sofortiger Vollzug 139 II. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der unmittelbaren Ausführung 140 III. Das Verhältnis von unmittelbarer Ausführung und der Vollstreckung straßenverkehrsrechtlicher Wegfahrgebote 141 1. Der Standpunkt der herrschenden Meinung 141 a) Vorrangige Vollstreckung von Wegfahrgeboten 141 b) Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung bei fehlender Bekanntgabe von Wegfahrgeboten 141 c) Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung wegen fehlender Vollstreckungszuständigkeit 143 2. Vorrang des Regelvollstreckungsverfahrens beim Abschleppen wegen Haltverbotsverstößen? 145 a) Subsidiarität der unmittelbaren Ausführung nur gegenüber milderen Maßnahmen 145 b) Keine Spezialität des Straßenverkehrsrechts 148 c) Keine unzulässigen Doppelzuständigkeiten 149 3. Fazit 150 C. Durchführung einer Sicherstellung 151 D. Der Umfang der Vollzugsmaßnahmen 153 I. Entfernung und Abtransport von Fahrzeugen 153 II. Ausschluß nur mittelbarer Folgeakte aus dem Ersatzvornahmebegriff 153 Fünfter Abschnitt Die Verwahrung A. Entstehung und Beendigung B. Die anwendbaren Vorschriften I. Zur Anwendung privatrechtlicher Normen im öffentlichen Recht II. Verwahrung im privaten und im öffentlichen Interesse III. Überlagernde Bestimmungen des öffentlichen Rechts

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C. Zusammenfassender Überblick I. Verwahrungs- und Obhutspflicht II. Zahlungsansprüche III. Herausgabe verwahrter Fahrzeuge IV. Verwertung oder Vernichtung D. Der weitere Gang der Untersuchung

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Zweiter Teil Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit Erster Abschnitt Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen A. Grundlagen polizeirechtlicher Verantwortlichkeit 165 I. Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit 165 II. Polizeirechtliche Verursachung 166 1. Unmittelbare Verursachung und Risikozurechnung 166 2. Kausalität als Minimalvoraussetzung der Verantwortlichkeit 167 III. Der „Anscheinsstörer" 169 IV. Das Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit 171 1. Überblick 171 2. Zur Ansicht Sampers 171 3. Zur zwischenzeitlichen Ansicht des VGH München 172 4. Keine Verdrängung der Zustandsverantwortlichkeit durch die Verhaltensverantwortlichkeit 173 5. Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit bei Verursachung durch einen Verhaltensverantwortlichen? 175 a) Entzug der Sachherrschaft 175 b) Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit trotz Sachherrschafit? 177 B. Die Verantwortlichkeit des Halters 178 I. Wer ist Halter? 178 II. Der Halter als Verhaltensverantwortlicher 179 1. Fahrzeugüberlassung als polizeirechtlich zurechenbares Verhalten? 179 2. Die Zusatzverantwortlichkeit des Halters als Geschäftsherr 180 III. Der Halter als Zustandsverantwortlicher 180 1. Begründung der Zustandsverantwortlichkeit des Halters 180 a) Problemfall: Der Halter, der weder Eigentümer noch Fahrer des Fahrzeugs ist 180 b) Zustandsverantwortlichkeit des Halters kraft „eigentümerähnlicher Stellung" 181 c) Der Halter als „anderer Berechtigter" 182

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d) Der Halter als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft 183 (1) Der Begriff der tatsächlichen Sachherrschaft 183 (2) Die Begründung der Sachherrschaft des Halters bei Überlassung des Kfz 184 (3) Die Einwirkungsmöglichkeit des Halters 186 2. Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit 187 3. Zwischenergebnis 189 C. Die Verantwortlichkeit des Fahrers 189 D. Die Verantwortlichkeit anderer Personen 189 E. Verantwortlichkeit bei spezialgesetzlichen Maßnahmen 190 I. Straßenrecht 190 II. Straßenverkehrsrecht 191 III. Abfallrecht 191 F. Die Auswahl unter mehreren Verantwortlichen 192 I. Die Auswahlsituation beim Abschleppen von Kfz 192 II. Allgemeine Auswahlgrundsätze und deren Anwendbarkeit auf der Sekundärebene 193 1. Effektivität der Gefahrenabwehr und Leistungsfähigkeit 193 2. Auswahl des am wenigsten belasteten Störers 194 3. Auswahl nach der Nähe zur Gefahr 194 4. Auswahl unter den Gesichtspunkten der Billigkeit und des Verschuldens 195 5. Auswahl nach Verursachungsanteilen (pro rata) 196 III. Kostenverteilung bei mehreren störenden Fahrzeugen 197 IV. Auswahl zwischen Halter und Fahrer 200 V. Probleme bei der Sachverhaltsklärung 202 VI. Lastengleichheit durch Gesamtschuldnerausgleich 204 Zweiter Abschnitt Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit A. Inhalt und positivrechtliche Normierung 205 B. Geeignetheit und Erforderlichkeit von Abschleppmaßnahmen 206 I. Bußgeld kein milderes Mittel 206 II. Entfernung durch den Verantwortlichen selbst oder durch die Verwaltung.... 206 1. Der Umfang der Nachforschungspflicht 207 2. Erforderlichkeit bei Erscheinen des Verantwortlichen 209 III. Versetzen oder Abschleppen zur Verwahrung 210 IV. Verwahrung oder kostenpflichtige Parkplatzbenutzung 210 V. Erforderlichkeit einer Sicherstellung 211 C. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne 212 I. Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit von Abschleppmaßnahmen 212 1. Fußgängerzonen 212 2. Behinderten- und Anwohnerparkplätze 214

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nsverzeichnis 3. Einrichtungen zur Überwachung der Parkdauer 4. Feuerwehranfahrtszonen 5. Fußgängerüberwege 6. Gehwege und Radwege 7. Haltverbot und eingeschränktes Haltverbot II. Die Nachteile des von der Maßnahme Betroffenen III. Der mit dem Abschleppen beabsichtigte Erfolg 1. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen 2. Abwehr von Straftaten und konkreten Behinderungen 3. Bewahrung der Rechtsordnung a) Wiederherstellung der Funktion einer Verkehrsregelung b) Minimierung der Schadenswahrscheinlichkeit c) Die Schwere des Verkehrsverstoßes d) Verhinderung negativer Vorbildwirkung 4. Ergebnis: UnVerhältnismäßigkeit nur im Ausnahmefall

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Dritter Abschnitt Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot A. Problemstellung 232 B. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv einer zu strengen Kostenhaftung 232 I. Ermessensfehlerhafte Kostenanforderung 232 II. Un verhältnismäßigkeit des Abschleppens 234 III. Rückgriff auf die Billigkeitsregelung des § 20 bwGebG ? 234 IV. UnVerhältnismäßigkeit der Kostenheranziehung bei rechtlich gebundenem Handeln der Polizei 235 V. Die als erforderlich angesehene Vorlaufzeit 236 C. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit 237 D. Kritik 238 I. Kein Ermessen bei § 8 Abs. 2 bwPolG 238 II. Billigkeit und Verhältnismäßigkeit 239 III. Zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit 240 IV. Gefahrenverursachung und Verantwortlichkeit 242 1. Ansätze zur Vermeidung der Kostenerstattungspflicht 242 2. Kein Verstoß gegen nachträglich errichtete Haltverbotszeichen 243 3. Störung durch Beeinträchtigung Dritter? 244 4. Entstehung und Zurechnung einer Störung bei Änderung der äußeren Umstände? 246 a) Ausgangspunkt und Problematik 246 b) Polizeirechtliche Verantwortlichkeit bei Nutzungskonkurrenz? 247 c) Ergebnis 251

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Dritter Teil Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht Erster Abschnitt Die Kosten A. Überblick über die Kostenpflichtigkeit von Abschleppmaßnahmen 253 B. Die Kosten bei Sicherstellung und Beschlagnahme 254 I. Die Kosten der Sicherstellung 254 II. Die Kosten der Verwahrung 256 III. Die Kosten der Verwertung 257 IV. Kostentragung bei Sicherstellung und Beschlagnahme im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren 257 C. Die Kosten beim Abschleppen verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeuge.... 258 I. Die Kosten der Ersatzvornahme 258 II. Die Kosten der unmittelbaren Ausführung 259 III. Die Kosten der Verwahrung 261 1. Analoge Anwendung der §§ 689, 693 BGB? 261 2. Polizeirechtliche Kostenersatzansprüche 264 3. Allgemeines Verwaltungskostenrecht 264 a) Anwendungsbereich 265 b) Erhebung und Höhe der Gebühr 266 c) Geltendmachung der Gebührenforderung 267 IV. Parkplatzkosten 267 D. Kostenersatz bei spezialgesetzlichen Maßnahmen 268 Zweiter Abschnitt Das öffentlich rechtliche Zurückbehaltungsrecht A. Problemstellung B. Zurückbehaltungsrecht analog § 273 Abs. 1 BGB? I. Der Meinungsstand II. Die zivilrechtliche Interessenlage III. Die Interessenlage bei der Zurückbehaltung abgeschleppter Fahrzeuge 1. Zurückbehaltung und Vorbehalt des Gesetzes 2. Zurückbehaltungsrecht und Gesetzesvorrang C. Zurückbehaltungsrecht aus § 15 Abs. 2 bwGebG? I. Anwendbarkeit der Vorschrift II. Keine analoge Anwendung des § 15 Abs. 2 bwGebG D. Zurückbehaltungsrecht aus § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG?

268 269 269 270 270 270 272 273 273 274 274

nsverzeichnis E. Weitere Einwände gegen die Zurückbehaltung F. Ergebnis

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Dritter Abschnitt Einbeziehung privater Abschleppunternehmer A. Zur Rechtsstellung privater Abschleppunternehmer 276 B. Kostenerhebung durch den Unternehmer 276 I. Kein eigenes Forderungsrecht des Unternehmers 276 II. Forderungsbefugnis des Unternehmers aus abgetretenem Recht 277 1. Einfuhrung in die Problematik und Überblick über den Meinungsstand.. 277 2. Voraussetzungen einer Zession 278 3. Anwendbarkeit der §§ 398 ff. BGB im öffentlichen Recht 279 4. Entgegenstehende Besonderheit des öffentlichen Rechts 281 a) Schuldnerschutz 281 b) Unzulässige Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung 281 c) Umgehung der gesetzlichen Verfahrensordnung und Beeinträchtigung des Rechtsschutzes 282 d) Verlust der Grundrechtsbindung 283 5. Unanwendbarkeit der §§ 398 ff. BGB 284 III. Der Unternehmer als Einziehungsberechtigter 284 C. Geltendmachung von Zurückbehaltüngsrechten durch den Unternehmer 284 I. Kein Zurückbehaltungsrecht des Privaten 284 II. Zurückbehaltungsrecht der Behörde 285 1. Keine Ausübung durch den Abschleppunternehmer 285 2. Abgeleitetes Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 273, 986 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB? 285 3. Der Abschleppunternehmer als Erklärungsbote der Behörde 286

Vierter

Teil

Rechtsschutz Erster Abschnitt Überblick Zweiter Abschnitt Rechtsschutz gegen das Abschleppen A. Das Entfernungsgebot B. Die Durchführung des Abschleppens

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Dritter Abschnitt Rechtsschutz gegen die Kostenheranziehung A. Klage gegen einen Kostenbescheid I. Anfechtungsklage II. Vorläufiger Rechtsschutz III. Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids B. Klage auf Erstattung bereits gezahlter Abschlepp- oder Verwahrungskosten I. Verwaltungsrechtsweg II. Die Klageart III. Bestehen eines RückZahlungsanspruchs

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Vierter Abschnitt Herausgabe des Fahrzeugs A. Die verschiedenen Herausgabeansprüche I. § 695 BGB II. Folgenbeseitigungsanspruch III. § 985 BGB IV. Keine Herausgabeansprüche gegen einen mit der Verwahrung beauftragten Privaten B. Prozessuale Durchsetzung I. Rechtsweg II. Klage im Verwaltungsrechtsweg III. Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts

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Fünfter Abschnitt Schadensersatz und Entschädigung A. Einfuhrung und Überblick B. Staatshaftung wegen Amtspflichtverletzung I. Amtshaftung und Staatshaftung 1. Art. 34 GG, § 839 BGB 2. Staatshaftung in den neuen Bundesländern II. Amtshaftung für schädigendes Verhalten privater Abschleppunternehmer 1. Formen der Einbeziehung Privater in die öffentliche Verwaltung a) Beleihung b) Hoheitliche Indienstnahme c) Die sogenannte „Verwaltungshilfe" 2. Argumentationslinien zur Staatshaftung für Private a) Das Kriterium der Rechtsform b) Der Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde

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301 301 301 301 302 303 303 303 303 304 305 305 306

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c) Die „Werkzeug- oder Ingerenztheorie" 307 (1) Das Merkmal des „Werkzeugs" in der Rechtsprechung des BGH 307 (2) Reaktionen im Schrifttum und in der untergerichtlichen Rechtsprechung 309 (3) Die Entscheidung BGHZ 121, 161 310 (4) Fortbestand der Werkzeugtheorie? 311 3. Dogmatische Wege zur Begründung einer Staatshaftung für von privaten Unternehmern verursachte Schäden 312 a) Zurechnung des Fehlverhaltens durch die Werkzeugtheorie 312 b) Der Unternehmer als Träger eines öffentlichen Amtes 314 c) Staatshaftung im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses? 315 4. Kritik der traditionellen Ansicht von der privatrechtlichen Durchführbarkeit öffentlichrechtlicher Maßnahmen 317 a) Die Ablehnung einer Amtswalterstellung 317 b) Das Postulat der freien Rechtsformenwahl 318 c) Keine Flucht ins Privatrecht 319 d) Die zwischen Behörde, Unternehmer und Betroffenem bestehenden Rechtsverhältnisse 320 5. Die Figur des „Erfüllungsgehilfen" 322 6. Einbindung des Privaten in die Verwaltung als Kriterium? 323 a) Unbeachtlichkeit der Ausgestaltung des Innenverhältnisses 324 b) Widerspruch zu den in der Rechtsprechung verwendeten Argumentationslinien 324 c) „Einbindung" als Abgrenzungsmerkmal gegenüber Beleihung und Amtsanmaßung 325 7. Ergebnis 326 III. Amtshaftung wegen Pflichtverletzungen behördeneigener Bediensteter 326 IV. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten 327 V. Die ersatzpflichtige Körperschaft 328 C. Staatshaftung aus enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff, sowie aus polizeirechtlichen Entschädigungsansprüchen 329 I. Rechtsgrundlagen, Rechtsweg und Umfang 329 II. Entschädigung für rechtswidrige Maßnahmen 329 III. Entschädigung für rechtmäßige Maßnahmen 330 D. Staatshaftung wegen Leistungsstörungen im öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis 332 I. Entstehung und Beteiligte des Schuldverhältnisses 332 II. Positive Forderungsverletzung 332 1. Die Anspruchsvoraussetzungen 332 2. Verletzung der Verwahrungs- und Obhutspflicht 333 3. Verschulden 334 III. Unmöglichkeit 335 E. Rechtsweg und Verhältnis der Ersatzansprüche zueinander 335

nsverzeichnis

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Fünfter Teil Zusammenfassung Ergebnisse des ersten Teils Ergebnisse des zweiten Teils Ergebnisse des dritten Teils Ergebnisse des vierten Teils Schlußbemerkung

337 340 342 344 345

Literaturverzeichnis Sachwortverzeichnis

346 361

Abkürzungsverzeichnis a. A. AbfG 1986 Abs. AEPolG BauGB bayVollzBek

BGSG BT-Drucks. BVwVG bwAbfG

bwBO bwBodSchG bwGebG bwKAG bwNatSchG

bwOWiG bwPolG bwPresseG bwStrG bwVG

andere(r) Ansicht Abfallgesetz, vom 27.8.1986 (BGBl. I S. 1410) Absatz Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder (Vorgelegt vom Arbeitskreis Polizeirecht) Baugesetzbuch, vom 8.12.1986 (BGBl. I S. 2253) Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zum Vollzug des bayPAG, vom 28.8.1978 (MAB1. S. 629), abgedruckt bei Honnacker/Beinhofer Bundesgrenzschutzgesetz, vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978) Bundestags-Drucksache Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes, vom 27.04.1953 (BGBl. I S. 157) Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen und die Behandlung von Altlasten in Baden-Württemberg, vom 8.1.1990 (GBl. S. 1) Landesbauordnung für Baden-Württemberg, vom 28.11.1983 (GBl. S. 770) Baden-Württembergisches Gesetz zum Schutz des Bodens, vom 24.6.1991 (GBl. S. 434) Baden-Württembergisches Landesgebührengesetz, vom 21.3.1961 (GBl. S. 59) Baden-Württembergisches Kommunalabgabengesetz, vom 15.2. 1982 (GBl. S. 57) Baden-Württembergisches Gesetz zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft, vom 21.10.1975 (GBl. S. 654) Baden-württembergisches Landesgesetz über Ordnungswidrigkeiten, vom 8.2.1978 (GBl. S. 102) Polizeigesetz Baden-Württemberg, vom 13.1.1992 (GBl. S. 1 ) Baden-Württembergisches Gesetz über die Presse, vom 14.1.1964 (GBl. S. 11) Straßengesetz für Baden-Württemberg, vom 11.5.1992 (GBl. S. 330) Baden-Württembergisches Landesverwaltungsgesetz, vom 2.1.1984 (GBl. S. 101)

Abkürzungsverzeichnis bwVwVfG bwVwVG bwWasserG DVO bwPolG FleischHG Fn. FStrG GG h. M. hessSOG i. S. d. i. V. m. Kfz KrW-/AbfG

LT-Drucks. m. w. Nachw. MEPolG

nwPolG OWiG OWiZuVO

PflVG PrPVG Rn. S. sächsPolG SprengG StGB

21

Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg, vom 21.6. 1977 (GBl. S. 227) Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg, vom 12.3.1974 (GBl. S. 93) Wassergesetz für Baden-Württemberg, vom 1.7.1988 (GBl. S. 269) Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des badenwürttembergischen Polizeigesetzes, vom 16.9.1994 (GBl. S. 567) Fleischhygienegesetz, vom 8.7.1993 (BGBl. I S. 1189) Fußnote Bundesfernstraßengesetz, vom 19.4.1994 (BGBl. I S. 854) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, vom 23.5.1949 (BGBl. S. 1) herrschende Meinung Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung, vom 4.7.1990 (GVB1.11310-63) im Sinne des (der) in Verbindung mit Kraftfahrzeug Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen, vom 27.9.1994 (BGBl. I S. 2705) Landtags-Drucksache mit weiteren Nachweisen Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder vom 25.11.1977, in der Fassung des Vorentwurfs zur Änderung des MEPolG vom 12.3.1986 (abgedruckt bei Schenke, in: Steiner, S. 347 ff.) Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, vom 24.2.1990 (GVB1. S. 70) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, vom 19.2.1987 (BGBl. I S. 602) Verordnung der baden-württembergischen Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, vom 2.2.1990 (GBl. S. 75) Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter, vom 5.4.1965 (BGBl. I S. 213) Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz, vom 1.6.1931 Randnummer Satz, Seite Polizeigesetz des Freistaates Sachsen, vom 15.8.1994 (GVB1. S. 1541) Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe, vom 17.4.1986 (BGBl. I S. 577) Strafgesetzbuch, vom 10.3.1987 (BGBl. I S. 945)

22 StPO StrEG StVG StVO StVOZuG StVZO thürOBG TierSG vgl. VwGO VwV-StVO VwVGKO

WaffG WHG Z.

Abkürzungsverzeichnis Strafprozeßordnung, vom 7.4.1987 (BGBl. I S. 1074) Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, vom 8.3.1971 (BGBl. I S. 157) Straßenverkehrsgesetz, vom 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) Straßenverkehrs-Ordnung, vom 16.11.1970 (BGBl. S. 1565) Baden-Württembergisches Gesetz über Zuständigkeiten nach der Straßenverkehrs-Ordnung, vom 17.12.1990 (GBl. S. 427) Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, vom 28.9.1988 (BGBl. I S. 1793) Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden, vom 18.6.1993 (GVB1. 16 1993, S. 323) Tierseuchengesetz, vom 29.1.1993 (BGBl. I S. 116) vergleiche Verwaltungsgerichtsordnung, vom 19.3.1991 (BGBl. I S. 686) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO (abgedruckt bei Drees/Kuckuk/Werny) Verordnung des Innenministeriums über die Erhebung von Kosten der Vollstreckung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg, vom 2.7.1974 (GBl. S. 229) Waffengesetz, vom 8.3.1976 (BGBl. I S. 432) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts, vom 23.11.1986 (BGBl. I S. 1529) Zeichen (amtliches Verkehrszeichen nach §§ 39-43 StVO)

Im übrigen sei auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, vierte Auflage, Berlin 1993 verwiesen.

Einleitung Α. Zum Gegenstand dieser Untersuchung Volkmar Götz schrieb in der 11. Auflage seines Lehrbuchs zum Polizei- und Ordnungsrecht: „Das einzige wirkliche Problem des Abschleppens bildet die Verhältnismäßigkeit des Zwangseingriffes" 1. Treffend charakterisiert dieser Satz die Verwaltungspraxis, in der meist die Verhältnismäßigkeitsprüfung über die Rechtmäßigkeit von „Abschleppmaßnahmen" und die Erfolgsaussichten dagegen gerichteter Klagen bestimmt. Bei genauerer Untersuchung des Phänomens „Abschleppmaßnahme" wird eine Vielzahl dogmatischer Streitfragen offenbar, die teils ungelöst, teils unbefriedigend beantwortet, oft im Zusammenhang mit auf Kraftfahrzeuge bezogenen staatlichen Entfernungsmaßnahmen nicht hinreichend gewürdigt, dabei aber von grundsätzlicher Bedeutung sind. Auch für die sogenannten „Abschleppfälle" gilt deshalb der von Gusy zur Altlastenproblematik formulierte Satz: Es „treffen hier nahezu sämtliche [...] Rechtsfragen des Polizeirechts zusammen"2. Angesichts dessen bereitet eine umfassend angelegte Darstellung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, die Rechtsfragen der gefahrenabwehrrechtlichen Entfernung von Kraftfahrzeugen mit dem Ziel weitgehender Vollständigkeit darzustellen3. B. Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes Kraftfahrzeuge. Untersucht werden soll das Entfernen von Kraftfahrzeugen; der Definition des § 1 Abs. 2 StVG zufolge gelten als solche „Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu

1

Götz, 11. Auflage 1993, Rn. 303. Die Aussage findet sich in der 12. Auflage nicht mehr. 2 Gusy, Rn. 296. Die Untersuchung basiert auf dem baden-württembergischen Landesrecht. Auf das Recht anderer Bundesländer wird in Einzelfragen Bezug genommen, im übrigen wird bei polizeirechtlichen Fragestellungen auf den MEPolG verwiesen.

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Einleitung

sein". Von praktischer Bedeutung ist allein die Entfernung von Personenkraftwagen, weshalb sich die Darstellung auf diese konzentriert. Im übrigen kann die Entfernung von Lastkraftwagen oder Motorrädern die Praxis vor technische Schwierigkeiten stellen, in rechtlicher Hinsicht ergeben sich aber keine prinzipiellen Unterschiede. Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr. Gegenstand dieser Arbeit ist nur die von staatlichen Stellen als Maßnahme der Gefahrenabwehr veranlaßte Entfernung von Kraftfahrzeugen. Ausgeklammert wird die Behandlung derjenigen Probleme, die sich beim Entfernen störender Fahrzeuge auf Veranlassung von Privatpersonen stellen4. Umgekehrt beschränkt sich die Darstellung aber auch nicht auf Maßnahmen der Polizei, sondern bezieht auch Maßnahmen der Ordnungsverwaltung aufgrund des Straßenrechts, Abfallrechts, Bauordnungsrechts und Straßenverkehrsrechts mit ein. Entfernung. Gegenstand und Zielrichtung des in dieser Arbeit zu untersuchenden staatlichen Handelns ist somit, durch die Entfernung von Kraftfahrzeugen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dieses Handeln kann als Abschleppen" von Kraftfahrzeugen bezeichnet werden; oft wird auch von „Abschleppmaßnahmen" oder von den „Abschleppfällen" gesprochen. Diese Begriffe und Umschreibungen vereinen den Vorteil der Anschaulichkeit mit dem Nachteil fehlender Präzision. Der Anschaulichkeit und Gebräuchlichkeit wegen werden sie auch in dieser Arbeit verwendet. Soweit von der Sache her geboten, ist allerdings zu differenzieren, da „das Abschleppen" die tatsächliche und rechtliche Vielgestaltigkeit des zu untersuchenden Handelns nicht zum Ausdruck bringen kann. So wird herauszuarbeiten sein, daß der tatsächlichen Entfernung eines Fahrzeugs regelmäßig ein Verwaltungsakt dieses Inhalts {Entfernungsgebot) vorausgeht, und daß derartige Entfernungs-, Wegfahr- oder Beseitigungsgebote nicht allein in den meist im Vordergrund stehenden Fällen des straßenverkehrsordnungswidrigen Parkens, sondern auch in anderen Konstellationen und gestützt auf spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlagen in Betracht kommen. In tatsächlicher Hinsicht kann zwischen der Räumung des bisherigen Standorts (Entfernen), der Überführung des Kraftfahrzeugs zu einem neuen Standort (Transport) und dem dortigen Abstellen, gegebenenfalls in staatlicher Obhut (Verwahrung), unterschieden werden. Inwieweit sind diese verschiedenen Handlungen auch rechtlich differenziert zu beurteilen? Welche Rechtsgrundlagenfinden in welchem Stadium

4

Siehe hierzu Forster, Das von Privatpersonen veranlaßte Abschleppen widerrechtlich auf Privatgrund geparkter Kraftfahrzeuge und damit zusammenhängende rechtliche Probleme unter besonderer Berücksichtigung der negotiorum gestio (ausgewählte Probleme), Diss. Regensburg 1986.

Einleitung

Anwendung? Der folgende erste Teil der Arbeit widmet sich unter anderem diesen Fragen und der Systematisierung und rechtlichen Kategorisierung des Phänomens „Abschleppmaßnahme".

Erster Teil

Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen Erster Abschnitt

Phasen des Abschleppvorgangs A. Entfernungsgebot Anlaß des Abschleppens eines Kraftfahrzeugs durch die Polizei oder eine Ordnungsbehörde ist ein Bedürfnis nach staatlicher Gefahrenabwehr. Gefahrenabwehr ist dabei nicht auf das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht beschränkt. Kraftfahrzeuge können auch Gegenstand einer ganzen Reihe spezialgesetzlicher Gefahrenabwehrmaßnahmen sein. Im Normalfall markiert der Erlaß eines Verwaltungsaktes den Beginn einer solchen Maßnahme, den Beginn des Abschleppvorgangs. Inhaltlich handelt es sich regelmäßig um eine Anordnung, durch die dem Betroffenen aufgegeben wird, das Fahrzeug von seinem Standort zu entfernen. Ein solches Entfernungsgebot kann bei Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs auch als Wegfahrgebot oder bei Betriebsunfähigkeit als Beseitigungsanordnung bezeichnet werden. Besondere Probleme bereitet die Frage, ob anstelle eines Entfernungsgebots auch eine als Herausgabeoder Duldungsverfügung verstandene Sicherstellungsanordnung die erste Phase des AbschleppVorgangs bestimmen kann1. B. Vollzug der Anordnung Wird einem Entfernungsgebot nicht Folge geleistet, ergibt sich die Notwendigkeit, das störende Fahrzeug durch eine Vollstreckungshandlung zu entfernen2. Es kommt dann in der Praxis fast immer zum Einsatz eines privaten Abschleppunternehmers, der das Fahrzeug entfernt und an einem geeigneten

1

Siehe hierzu S. 89 ff., zur strafprozessualen Sicherstellung siehe S. 120 ff. Siehe zum Vollzug und zur unmittelbaren Ausführung von Entfernungsgeboten unten S. 125 ff, zum Vollzug einer Sicherstellungsanordung S. 151 ff.

1. Abschn.: Phasen des Abschleppvorgangs

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Standort, in vielen Fällen auf einem für derartige Fälle eingerichteten Verwahrungsgelände, wieder abstellt. Zum Vollzug des Entfernungsgebots zählen alle Handlungen, die vorgenommen werden, um ein Fahrzeug von seinem Standort zu entfernen, also die Anforderung eines Abschleppfahrzeugs, dessen Anfahrt, das Heraufziehen oder Heraufheben des Fahrzeugs auf die Ladefläche des Abschleppwagens (Entfernen vom bisherigen Standort), der Transport zu einem neuen Standort und das Absetzen des Fahrzeugs an dieser Stelle . Der Vollzug kann sich auch darin erschöpfen, daß das Fahrzeug räumlich nur unwesentlich entfernt und in unmittelbarer Nähe wieder abgestellt wird (sogenanntes Versetzen oder Umsetzen). Unter bestimmten Voraussetzungen bedarf es keines vorgängigen Entfernungsgebots. Ist in solchen Fällen die unmittelbare Ausführung bzw. der sofortige Vollzug einer Maßnahme zulässig, entfällt die erste Phase des Abschleppvorgangs. C. Verwahrung Mit dem Absetzen eines Fahrzeugs an einem geeigneten neuen Standort ist das tatsächliche Abschleppen zwar beendet. Doch werden Fahrzeuge in der Praxis oft auf spezielle Grundstücke gebracht, wo sie in Verwahrung genommen werden. Die Verwahrung kann unterschiedliche Zwecke verfolgen. Häufig dient sie nur der Aufbewahrung der Fahrzeuge und dauert an, bis diese dem Berechtigen herausgegeben werden können. Es kommen aber auch andere Zielsetzungen in Betracht, wie etwa bei einer Verwahrung zum Zweck der Beweissicherung oder zur Abwehr von Gefahren. D. Verwertung oder Vernichtung Üblicherweise werden verwahrte Fahrzeuge von den jeweiligen Berechtigten abgeholt. Insbesondere bei abgeschleppten Schrottfahrzeugen haben die ehemaligen Besitzer an einer Abholung jedoch kein Interesse mehr. Die Verwahrung kann deshalb auch behördlicherseits beendet werden. Dann schließt sich an die Phase der Verwahrung die Verwertung oder Vernichtung des Fahrzeugs an.

3

Siehe S. 118 und S. 153.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

E. Beendigung des Abschleppvorgangs Der Abschleppvorgang kann in jeder der dargestellten Phasen beendet werden: Befolgt der Fahrer ein Entfernungsgebot, dann kommt es nicht zum Vollzug desselben. Erscheint der Fahrer während des Vollzugs, wird dieser abgebrochen. Kann das Fahrzeug in der Nähe wieder abgestellt werden, scheidet eine Inverwahrungnahme aus. Schließlich wird eine Verwahrung regelmäßig dadurch beendet, daß der Berechtigte sein Fahrzeug in Empfang nimmt, so daß eine Verwertung oder Vernichtung des Fahrzeugs nur in Ausnahmefällen stattfindet. Zweiter Abschnitt

Entfernungs- und Wegfahrgebote A. Straßenrechtliche Anordnungen I. Gemeingebrauch und Sondernutzung Das Straßen- und Wegerecht befaßt sich mit dem Bau, der Nutzung und der Unterhaltung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen4. Straßen erhalten ihren rechtlichen Status als öffentliche Sache im Gemeingebrauch durch den förmlichen Hoheitsakt der Widmung (§§2 Abs. 1, 5 bwStrG)5. Neben weiteren rechtlichen Wirkungen legt die Widmung den Umfang der zulässigen Straßennutzung fest. Im Rahmen der Widmung stehen öffentliche Straßen jedermann ohne besondere Zulassung zur Verfügung (Gemeingebrauch, § 13 Abs. 1 S. 1 bwStrG). Hingegen ist eine Nutzung, die nicht durch die Widmung der Straße gedeckt ist und folglich nicht dem Gemeingebrauch unterfällt, als Sondernutzung erlaubnispflichtig (§ 16 Abs. 1 S. 1 bwStrG6). Unerlaubte Sondernutzungen stellen gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 bwStrG eine Ordnungswidrigkeit dar. In welchen Fällen das Abstellen eines Fahrzeugs eine straßenrechtliche Sondernutzung darstellen kann, hängt von der Abgrenzung der Regelungsbereiche des Straßenrechts und des Straßenverkehrsrechts ab7.

4

Im folgenden sind alle diese Flächen gemeint, wenn von „Straßen" die Rede ist. Vgl. hierzu und zum Folgenden: Krämer, in: Kodal/Krämer, Kap. 7, Rn. 1 ff.; Schenke, in: Maurer/Hendler, S. 380; Steiner , V, Rn. 28 ff. Vgl. § 8 Abs. 1 FStrG; die Straßengesetzen anderer Bundesländer sind bei Steiner, V, Rn. 113, Fn. 169 nachgewiesen. 7 Vgl. etwa Schenke, in: Maurer/Hendler, S. 387, 390.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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II. Das Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht Das BVerfG und das BVerwG sehen beide Materien als voneinander klar abgegrenzte, aber in einem sachlichen Zusammenhang stehende Regelungsbereiche an8. Das Straßenverkehrsrecht setze das Straßenrecht voraus9. Während das Straßenrecht einer Straße ihren spezifischen öffentlichrechtlichen Nutzungsstatus verleihe und festlege, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Straße dem einzelnen zur Verfügung stehe, regele das Straßenverkehrsrecht den Verkehr unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten10. Das BVerfG hat dieses Verhältnis auf eine prägnante Formel gebracht: „Über den Gemeingebrauch wird vom Wegerecht, über die Ausübung des Gemeingebrauchs vom Verkehrsrecht entschieden"11. Da der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts (Art. 74 Nr. 22 GG) mit dem Erlaß zahlreicher Rechtsnormen (StVG, StVO, StVZO) erschöpfend Gebrauch gemacht hat12, ist daneben für landesrechtliche Verkehrsregelungen in Gestalt von Vorschriften über die Ausübung des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs kein Raum mehr (Art. 72 Abs. 1 GG). Eine straßenrechtliche Regelung des Haltens und Parkens von Kraftfahrzeugen ist somit nicht möglich13. Allein straßenverkehrsrechtlich ist insbesondere das Dauerparken zu beurteilen. Denn dieses gehört zu dem von der StVO erfaßten ruhenden Verkehr und stellt folglich keine Sondernutzung dar14. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob das Abstellen noch als Vorgang des ruhenden Verkehrs angesehen werden kann und somit dem Vorrang des Straßenverkehrsrechts unterfällt, wenn Fahrzeuge am Straßenrand zur Werbung, zum Verkauf, zur Vermietung oder wegen Betriebsunfähigkeit abgestellt werden. Das BVerfG hat festgestellt, der erforderliche Bezug zum Straßenverkehr werde erst dort aufgegeben, wo ein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht umgehend betriebsbereites oder ein vorrangig zu anderen Zwekken als zur Wiederinbetriebnahme abgestelltes Fahrzeug den öffentlichen Straßengrund in Anspruch nehme und somit zu einer auf die Straße aufgebrachten verkehrsfremden Sache werde15. In ähnlicher Weise nimmt das BVerwG eine 8

BVerfGE 40, 371 (378); 67, 299 (314); BVerwGE 24, 241 (243). BVerfGE 40, 371 (378). 10 BVerfGE 40, 371 (378 ff.); 67, 299 (322); BVerwGE 34, 241 (243); 34, 320 (323); 62, 376 (378); ebenso Schenke, in: Maurer/Hendler, S. 376. 11 BVerfGE 67, 299 (321). 12 BVerfGE 67, 299 (324); BVerwGE 23, 325 (327 f.); 34, 241 (242). 13 BVerfGE 67, 299 (320); BVerwGE 34, 241 (244 f.). 14 BVerfGE 67, 299 (323); BVerwGE 34, 241 (244); 34, 320 (323); vgl. Lorenz,, § 13, Rn. 18; Schenke, in: Maurer/Hendler, S. 376. 15 BVerfGE 67, 299 (323). 9

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

straßenrechtlich sanktionierbare Sondernutzung an, wenn ein Fahrzeug aus rechtlichen Gründen nicht mehr in Betrieb gesetzt werden darf (fehlende Zulassung), wenn es aufgrund seines technischen Zustands nicht betriebsbereit ist oder wenn es objektiv nicht zur Teilnahme am Straßenverkehr bestimmt ist16. Für die Annahme einer Sondernutzung kann es demnach genügen, daß ein Fahrzeug zwar betriebsbereit ist, aber vorrangig zu anderen Zwecken als zur Wiederinbetriebnahme abgestellt wird17. III. Entfernungsgebote gem. § 16 Abs. 1 S. 1 bwStrG Nach § 16 Abs. 8 S. 1 bwStrG18 kann die zuständige Straßenbaubehörde19 die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung einer unerlaubten Sondernutzung im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 bwStrG anordnen. Sie ist folglich befugt, dem Verantwortlichen20 durch Verwaltungsakt die Entfernung eines abgestellten Fahrzeugs aufzugeben, wenn dieses nicht mehr am ruhenden Verkehr teilnimmt und zu einem verkehrsfremden Gegenstand geworden ist21. Ist eine solche Anordnung mit verhältnismäßigem Aufwand nicht möglich oder nicht erfolgversprechend, kann sie die Sondernutzung auf Kosten des Pflichtigen beseitigen oder beseitigen lassen (§ 16 Abs. 8 S. 2 bwStrG)22. IV. § 32 Abs. 1 S. 1 StVO Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht überlagern sich, wenn eine unerlaubte Sondernutzung zugleich einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 StVO darstellt23. Nach dieser Vorschrift ist es verboten, Gegenstände auf die Straße zu bringen

16

BVerwGE 34, 320 (324); 34, 241 (244); ebenso BayObLG, VerkMitt 1984, 45 (46); BayVBl. 1989, 57 f.; OLG Düsseldorf, NVwZ 1991, 206 f.; Lorenz, § 13, Rn. 20; Schenke, in: Maurer/Hendler, S. 386; Steiner , V, Rn. 170; vgl. auch Straßberger, BavVBl. 1972, 36(37). 7 Zu Einzelfällen vgl. Gerhardt, StraßenG BW, § 13, Rn. 5; Lorenz, § 13, Rn. 20; Wendrich, DVB1. 1987, 505 (509). Vgl. § 8 Abs. 7a FStrG; entsprechende Regelungen finden sich auch in anderen Landesstraßengesetzen, siehe Steiner , V, Rn. 118, Fn. 187. Straßenbaubehörde ist gem. § 50 bwStrG für die Gemeindestraßen die Gemeinde, ebenso für Landes- und Kreisstraßen, soweit ihr die Straßenbaulast obliegt. Zur Verantwortlichkeit bei unerlaubter Sondernutzung siehe S. 190 ff. 21 Vgl. für Autowracks Gerhardt, StraßenG BW, § 16, Rn. 17; Lorenz, § 16, Rn. 72. Bei Autowracks kommen jedoch vorrangig abfallrechtliche Maßnahmen in Betracht, siehe S. 31 ff. 22 Siehe S. 139 ff. 23 Steiner , V, Rn. 9.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

31

oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehrs gefährdet oder erschwert werden kann. § 32 Abs. 1 S. 1 StVO betrifft verkehrsfremde Eingriffe in den Straßenverkehr. Keine Gegenstände sind deshalb Verkehrsmittel, die am ruhenden Verkehr teilnehmen. Nimmt ein Fahrzeug jedoch mangels Zulassung, Betriebsfähigkeit oder wegen verkehrsfremder Nutzung am ruhenden Verkehr nicht mehr teil, ist es als Gegenstand i. S. d. § 32 Abs. 1 S. 1 StVO anzusehen24. Teilweise wird die Ansicht vertreten, in solchen Fällen liege sowohl eine unerlaubte Sondernutzung (Verstoß gegen §§ 16 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 Nr. 1 bwStrG) als auch ein Verstoß gegen §§32 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO vor25 . Diese Konkurrenz wird damit begründet, daß das von § 32 StVO erfaßte Abstellen von Kraftfahrzeugen kein Verkehrsvorgang sei. Somit regele § 32 StVO das Abstellen lediglich unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten und vermöge entsprechende straßenrechtliche Regelungen nicht unter dem Gesichtspunkt Vorrang des Straßenverkehrsrechts auszuschließen. Überzeugender ist wohl die überwiegende Ansicht, die von der ausschließlichen Anwendbarkeit des § 32 StVO ausgeht26. Denn es ist unerheblich, ob das von dieser Vorschrift erfaßte Verhalten einen Verkehrsvorgang darstellt. § 32 StVO kann bereits deshalb als straßenverkehrsrechtliche Regelung qualifiziert werden, weil die Norm die Gefährdung oder Erschwerung des Straßen Verkehrs zum Gegenstand hat. Anderes gilt nur dann - mit der Folge, daß in einem solchen Fall das Straßenrecht zur Anwendung kommt - , wenn es mangels Verkehrsgefährdung oder -erschwerung an jeglichem Bezug zum Straßenverkehr fehlt 27. Soweit nicht wie in § 42 S. 2 bwStrG landesrechtliche Spezialbefugnisse bestehen, können Verstöße gegen § 32 Abs. 1 S. 1 StVO nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht abgewehrt werden28. B. Entfernung von Kraftfahrzeugen aufgrund Abfallrechts Die Sachverhalte, in denen eine Sondernutzung oder ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 StVO anzunehmen ist, können so gelagert sein, daß es sich bei dem 24

OLG Karlsruhe, VRS 59, 153; OLG Hamm, VRS 59, 298; OLG Zweibrücken, VRS 72, 130 (131); OLG Düsseldorf, VRS 58, 281 (283); VRS 74, 285 (287); Booß, S. 302; Cramer, § 32 StVO, Rn. 5; Jagusch/Hentschel, § 32 StVO, Rn. 7; Knütel, DÖV 1970, 375 (378); Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 32 StVO, Rn. 3; Möhl, in: Müller, § 32 StVO, Rn. 2; Mühlhaus/Janiszewski, § 32 StVO, Rn. 4; Wiethaup, DAR 1973, 264 (265). 25 Vgl. OLG Karlsruhe, VRS 56, 380 (381 f.); Steiner, V, Rn. 9; auch Booß, S. 303. 26 Vgl. KG, VRS 45, 73 (74); OLG Karlsruhe, VRS 59, 153 (155); VRS 65, 465; OLG Koblenz, VRS 60, 473; OLG Köln, VRS 63, 76 (78); OLG Zweibrücken, VRS 72, 130· Berr/Hauser, Rn. 599. Berr/Hauser, Rn. 599; Knütel, DÖV 1970, 375 (379). 28 Siehe unten S. 73 ff.

32

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

abgestellten Fahrzeug um ein abgemeldetes oder schrottreifes Kfz handelt. Es ist deshalb zu untersuchen, ob auch das Abfallrecht eine Handhabe zur Entfernung solcher Fahrzeuge bietet. I. Anwendbarkeit des Abfallrechts

Das Abfallrecht ist anwendbar, wenn das abgestellte Kraftfahrzeug „Abfall" ist. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG sind Abfälle „alle beweglichen Sachen, die in die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß". Diese Begriffsbestimmung enthält ebenso wie der Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG 1986 eine subjektive und objektive Komponente. Die erforderliche Harmonisierung mit dem europäischen Abfallbegriff 29 hat dem Abfallbegriff zudem zwei Neuerungen beschert: Erstens muß eine Sache einer der im Anhang I zum KrW-/AbfG aufgeführten Gruppen zugehören; zweitens umfaßt der neue Abfallbegriff Abfälle zur Beseitigung und Abfälle zur Verwertung (§ 3 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG). De erwähnte Anhang I hat jedoch wegen der generalklauselartigen Weite der Abfallgruppe Q16 („Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören") bei der Begriffsbestimmung keine eingrenzende, sondern lediglich indizielle Funktion30. Der objektive Abfallbegriff erfaßt bewegliche Sachen, wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, zugleich geeignet sind, das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden und deren Gefährdungspotential nur durch abfallrechtsgemäße Verwertung oder Beseitigung ausgeschlossen werden kann (§ 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 KrW-/AbfG) 31. Damit können Kraftfahrzeuge, von denen Umweltgefahren (z.B. durch auslaufendes Getriebeöl32) ausgehen, dem Regime des Abfallrechts unterworfen werden. Allerdings ist die Entsorgung als Abfall nur dann geboten, wenn das „Gefährdungspotential" der Sache nicht auf andere, mildere Weise ausgeschlossen werden kann. So beeinträchtigt auch ein verkehrsbehindernd abgestelltes Fahrzeug das „Wohl der Allgemeinheit", nämlich die öffentliche Sicherheit, doch ist die Entsorgung als Abfall (Verschrottung) offensichtlich

29

Vgl. zur sog. „Abfallrahmenrichtlinie" der Europäischen Gemeinschaft und deren Umsetzung in nationales Recht durch das KrW-/AbfG: Fritsch, Abfallrecht, Rn. 63 ff. 30 So Fritsch, Abfallrecht, Rn. 98 m. w. Nachw., der zutreffend auch eine Relevanz des Europäischen Abfallverzeichnisses (European Waste Catalogue, EWC) verneint (Rn. 99). Diese Definition entspricht weitgehend dem objektiven Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1 2. Alt. AbfG 1986, vgl. hierzu im Zusammenhang mit Schrottfahrzeugen BavObLG, NZV 1993, 164; VGH München, BayVBl. 1981, 21 (23); 1983, 150 f. ί2 Vgl. VG Göttingen, NuR 1995, 571.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

33

nicht erforderlich, da auch das einfache Entfernen des Fahrzeugs die Störung behebt. Eine Entsorgung als Abfall ist auch nicht bereits deshalb geboten, weil ein zugelassenes Fahrzeug wegen Verkehrsunsicherheit nicht in Betrieb genommen werden darf 33. Bei Umweltgefahren kommt die Entfernung von Fahrzeugen nach dem Recht des Gewässer- und Bodenschutzes34 als milderes Mittel in Betracht. Unter den subjektiven Abfallbegriff fallen Kraftfahrzeuge, wenn der Besitzer (das ist gem. § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG der Inhaber der Sachherrschaft) sich ihrer entledigt, also die tatsächliche Sachherrschaft über sie unter Wegfall jeder weiteren Zweckbestimmung aufgibt (§ 3 Abs. 2 KrW-/AbfG). Entsprechendes gilt, wenn ein auf Entledigung gerichteter Wille festgestellt werden kann. In der Praxis ist allerdings schwer feststellbar, ob im Einzelfall eine Entledigung gegeben ist, weil der Besitzer eines Fahrzeugs regelmäßig einwenden kann, er habe keineswegs die tatsächliche Sachherrschaft aufgeben, sondern das Fahrzeug lediglich bis zu einer weiteren Verwendung abstellen wollen. Konnte in solchen Fällen ein Entledigungswille nicht festgestellt werden, half § 5 Abs. 2 AbfG 1986 mit einer (bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen) unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung35 zugunsten der Abfalleigenschaft eines Fahrzeugs36. § 5 Abs. 2 AbfG 1986 erfaßte Kraftfahrzeuge (§ 1 Abs. 2 StVG), die zugelassen sind (§ 18 StVZO), kein gültiges Kennzeichen (§§ 23, 28, 60 StVZO) tragen und auf öffentlichen Flächen oder außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile37 abgestellt sind. Es durften keine Anhaltspunkte dafür sprechen, daß das Fahrzeug noch bestimmungsgemäß genutzt wird oder entwendet wurde. Weiterhin war erforderlich, daß das Fahrzeug trotz einer an ihm angebrachten, deutlich sichtbaren Aufforderung innerhalb eines Monats nicht entfernt worden ist38. Die genannten Anforderungen finden sich in § 15 Abs. 4 KrW-/AbfG wieder. Diese Vorschrift regelt nicht mehr die Abfalleigenschaft von Fahrzeugen, sondern statuiert eine Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers.

33

Vgl. BayObLG, VerkMitt 1984, 45; OLG Naumburg, VerkMitt 1995, S. 22. Vgl. § 82 bwWasserG i. V. m. §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG, § 8 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 bwBodSchG. 34 35

Siehe Hösel/von Lersner, § 5 AbfG, Rn. 23; Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, 3 6 § 12, Rn. 42. Vgl. ζ. B. aus der Rechtsprechung OLG Düsseldorf, VerkMitt 1989, 5. 37 Aufgrund des übereinstimmenden Wortlautes sind hier die zu § 34 BauGB entwickelten Grundsätze anwendbar. 38

Da die Regelung nach ihrem Sinn und Zweck der zuständigen Behörde aufwendige Ermittlungen ersparen sollte, wurde allgemein als weitere ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung gefordert, daß der Halter bzw. Besitzer des Fahrzeugs der zuständigen Behörde nicht bekannt ist: Hösel/von Lersner, § 5 AbfG, Rn. 22. 3 Schieferdecker

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Einer Erweiterung des Abfallbegriffs wie früher durch § 5 Abs. 2 AbfG 1986 bedarf es nicht mehr, da der Entledigungswille nun gem. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG unwiderlegbar39 vermutet werden kann: Ein Fahrzeug ist demnach Abfall, wenn seine Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne daß ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an ihre Stelle tritt. Ob die Zweckbestimmung entfällt, aufgegeben oder geändert ist,richtetsich nach der Auffassung des Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (§ 3 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG). Zur Bestimmung der Verkehrsanschauung kann auf die Regelung des § 15 Abs. 4 KrW-/AbfG zurückgegriffen werden: Nach der Verkehrsanschauung kann vom Wegfall der Zweckbestimmung ausgegangen werden, wenn Kraftfahrzeuge ohne Zulassung trotz einer deutlich sichtbar angebrachten behördlichen Aufforderung nicht innerhalb eines Monats entfernt worden sind. Im Gegensatz zur früheren Regelung kann ein Wegfall der Zweckbestimmung und damit das Vorliegen einer Entledigung auch in anderen Fällen vermutet werden, beispielsweise bei Schrottfahrzeugen bzw. Autowracks, die keinen objektiven Wert40 (ζ. B. zum „Ausschlachten") mehr besitzen. Die Vermutung einer Entledigung scheidet jedenfalls immer dann aus, wenn das Abstellen als rechtmäßig (ζ. B. Sondernutzung kraft Erlaubnis) zu beurteilen ist41. II. Abfallrechtliche Maßnahmen Die Landesabfallgesetze enthalten wie § 20 Abs. 1, Abs. 2 bwAbfG Generalermächtigungen, die es den zur abfallrechtlichen Überwachung zuständigen Behörden42 gestatten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der abfallrechtlichen Vorschriften sicherzustellen. Nachdem der Bundesgesetzgeber mit der Schaffung einer abfallrechtlichen Generalermächtigung in § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG die insoweit bisher nicht wahrgenommene konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) ausgeübt hat, sind entsprechende landesrechtliche Regelungen insoweit verdrängt worden43, als es sich um Anordnungen zur Durchführung des KrW-/AbfG (bzw. der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen) handelt.

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Fritsch, Abfallrecht, Rn. 116. Vgl. Fritsch, Abfallrecht, Rn. 119. 41 Vgl. Hösel/von Lersner, § 5 AbfG, Rn. 21. In Baden-Württemberg besteht im Rahmen der Verkehrsüberwachung auch eine abfallrechtliche Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes (§ 20 Abs. 1 S. 1 bwAbfG). Von lediglich dogmatischem Interesse ist die Frage, ob es sich hierbei um einen Anwendungsfall des Art. 31 GG oder um eine konkludente Aufhebung von Landesrecht handelt (überzeugend für konkludente Aufhebung Baumeister, Das Rechtswidrigwerden von Normen, Berlin 1996, S. 224 f. m. w. Nachw.). 40

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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Verstöße gegen abfallrechtliche Vorschriften liegen vor, wenn dem Abfallrecht unterfallende Fahrzeuge nicht der entsorgungspflichtigen Körperschaft überlassen (§ 13 Abs. 1 KrW-/AbfG) oder wenn sie bei Bestehen einer Verwertungs- oder Beseitigungspflicht (§ 5 Abs. 2, 11 Abs. 1 KrW-/AbfG) nicht ordnungsgemäß beseitigt werden (§ 10 KrW-ZAbfG) 44. Es ist zweifelhaft, ob Schrottfahrzeuge „Abfälle aus privaten Haushaltungen" im Sinne des § 13 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG sind. Hierunter dürften lediglich jene Abfälle aus privaten Haushaltungen fallen, die üblicherweise im Rahmen der Müllabfuhr entsorgt werden können45. Den Besitzer eines Schrottfahrzeugs trifft somit nicht nur eine Überlassungs-, sondern eine Beseitigungspflicht. Abfallrechtliche Maßnahmen können bei unzulässiger Beseitigung von Schrottfahrzeugen deren Verbringung zu einer zur Entsorgung von Autowracks zugelassenen Abfallentsorgungsanstalt anordnen46. C. Kraftfahrzeuge als „bauliche Anlagen64 Es begegnet des öfteren, daß ein Kraftfahrzeug seine Funktion als Verkehrsmittel vorübergehend oder endgültig verliert und einer anderen Zweckbestimmung zugeführt wird. Beispiele wären Fahrzeuge, die mit Werbetexten versehen sind und quasi als Plakatwand fungieren, oder Kfz, die aufgebockt sind und als Unterkunft oder Verkaufsstand genutzt werden. Auch das Wohnen in Wohnwagen oder Wohnmobilen kann bauordnungsrechtliche Relevanz erlangen47. In solchen Fällen erhält ein Kraftfahrzeug den Charakter einer baulichen Anlage, was § 2 Abs. 1 S. 2 bwBO für Anlagen, die dazu bestimmt sind, „überwiegend ortsfest benutzt zu werden", ausdrücklich bestätigt. Eine solche unter Verwendung einer Fahrzeugkarosserie errichtete bauliche Anlage muß den Vorschriften des Bauordnungsrechts entsprechen. Wird sie in Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben errichtet, kann die zuständige Baurechtsbehörde48 gem. § 65 bwBO die Beseitigung49 anordnen. Es ergeht dann gegenüber dem „Bauherrn" die Anordnung, das „Fahrzeug" zu entfernen.

44 Vgl. OLG Düsseldorf, VerkMitt 1989, 5: Autowrack auf der Straße; VGH München, BayVBl. 1983, 150 (151): Autowrack im Garten. 45 Vgl. zum Ausschluß von Kfz von der Entsorgungspflicht gem. § 3 Abs. 3 AbfG 1986: VGH Mannheim, NVwZ 1995, 397 (399). Zum Adressaten solcher Anordnungen siehe S. 191 ff. 47 Vgl. BVerwG, NVwZ 1988, 144; VGH Kassel, NVwZ 1988, 165. 48 Das sind in den Landkreisen regelmäßig die Landratsämter, in den Stadtkreisen die Gemeinden (§ 48 Abs. 1 bwBO i. V. m. § 46 bwBO und § 13 Abs. 1 bwVwG). Die Beseitigung steht gem. § 2 Abs. 12 Nr. 2 bwBO dem in § 65 bwBO geregelten Abbruch gleich.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Bauordnungsrecht kann auch dann zum Zuge kommen, wenn beispielsweise eine Kfz-Reparaturwerkstätte rechtswidrig betrieben wurde und ihr Abbruch und die Beseitigung zugehöriger Kraftfahrzeuge angeordnet werden soll. Soweit eine solche Anlage jedoch als Schrottlagerplatz50 oder Autoverwertung angesehen werden muß, beurteilen sich behördliche Beseitigungsverfügungen nach Abfallrecht 51. D. Wegfahrgebote durch Verkehrszeichen I. Die Rechtsnatur von Verkehrszeichen Während in der Literatur die Rechtsnatur von Gebots- und Verbotszeichen (§§ 41, 42 StVO) kontrovers beurteilt wurde52, hatte sich bis in die 60er-Jahre hinein in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zunehmend die Auffassung durchgesetzt, Verkehrszeichen seien Rechts Verordnungen53. Im Anschluß an den Beschluß des BVerfG vom 24.2.196554 änderte das BVerwG jedoch seine Meinung und tritt seitdem in ständiger Rechtsprechung dafür ein, Verkehrszeichen als Allgemeinverfügungen, also Verwaltungsakte zu behandeln55. An der Qualifikation der Verkehrszeichen als Rechtsverordnungen halten nach wie vor einige Autoren fest 56. Auf dieser Ansicht hat auch der VGH München noch einige Zeit beharrt57. Schließlich hat er aber seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, so daß Verkehrszeichen nunmehr von allen Oberverwal-

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Vgl. aber VGH München, BayVBl. 1993, 147 (148): Beseitigung abgelagerter Fahrzeuge nach Bauordnungsrecht. 51 Vgl. hierzu VGH Mannheim, NVwZ 1995, 397 (398). Der VGH hat es letztlich offen gelassen, ob eine Werkstätte oder eine Autoverwertung betrieben wurde, da die Beseitigungsansordnung sowohl nach § 64 a. F. bwBO als auch nach § 20 bwAbfG rechtmäßig ergangen war. Verkehrszeichen wurden als Verwaltungsakte, Rechtsverordnungen, Hoheitsakte mit doppelter Rechtsnatur, als gesetzliche Tatbestandsmerkmale oder Organisationsakte sui generis verstanden (Nachweise bei Hees, S. 49 und S. 97 ff.; Möhl, in: Müller, § 39 StVO, Rn. 3). 53 BVerwGE 6, 317; VGH Mannheim, ESVGH 15, 117 (118); weitere Nachweise bei Hees, S. 48. 54 BVerfG, NJW 1965, 2395; ebenso bereits VGH Kassel, ESVGH 6, 146 (147). 55 BVerwGE 27, 181 (182); 32, 204 (205); 58, 326 (328); 59, 221 (224); 92, 32 (34); BVerwG, NJW 1970, 2075; NJW 1978, 656; ebenso BGUSt 20, 125 (131); 23, 86 (88). Obermayer, § 35, Rn. 189; Renck, Noch einmal: Die Rechtsnatur von Verkehrszeichen, NVwZ 1984, 355; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23, 7 c (S. 364 ff.). 57 VGH München, NJW 1978, 1988; NJW 1979, 670. Das BVerwG hat die Kritik des VGH an seiner Rechtsprechung durch BVerwGE 59, 221 zurückgewiesen.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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tungsgerichten als Verwaltungsakte angesehen werden58. Auch der ganz überwiegende Teil der Literatur nimmt an, die amtlichen Verkehrszeichen seien ihrer Rechtsnatur nach Verwaltungsakte59. Der Streit sollte durch § 35 VwVfG zugunsten dieser mittlerweile ganz herrschenden Meinung geklärt werden60. Während die h. M. deshalb davon ausgeht, daß § 35 VwVfG die Qualifikation von Verkehrszeichen als Allgemeinverfügung verbindlich festgelegt habe61, verweist die Gegenauffassung darauf, daß sich die Intention des Gesetzgebers im Wortlaut des § 35 VwVfG nicht niedergeschlagen habe und diese Auslegung auch nicht zwingend sei62. Wiewohl die grundsätzliche Einstufung als Verwaltungsakt breiten Konsens gefunden hat, sind damit längst nicht alle dogmatischen Fragen befriedigend gelöst. So bereitet es nach wie vor Probleme, die als Verwaltungsakt klassifizierte Regelung genauer zu charakterisieren. II. Gebote durch Verbotszeichen Das BVerwG hat entschieden, daß Verbotszeichen nicht nur das Verbot einer bestimmten Handlung, sondern auch das Gebot, eine Zuwiderhandlung zu beenden, entnommen werden könne63. Hiergegen wird eingewendet, die Gleichstellung von Verbote aussprechenden Verkehrszeichen und Wegfahrgeboten

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VGH München, NVwZ 1984, 383; siehe aus neuerer Zeit VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 150 (151); OVG Münster, NJW 1990, 2835; OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); VGH Kassel NVwZ-RR 1991, 28; OVG Bremen, DAR 1977, 276 (277); OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648). 59 Erichsen, § 13, Rn. 15; Battis , Rn. 113; Berr/Hauser, Rn. 441; Bull, Rn. 622; Faber , S. 168; Fehn, VR 1988, 167; Forsthoff, S. 217 f. (Fn. 4); Hauser, DAR 1991, 324 (325); Hees, S. 113 f.; Huppertz, Rn. 0212; Kopp, VwVfG, § 35, Rn. 67; Maurer, § 9, Rn. 36; Meyer/Borgs, § 35, Rn. 74; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 204; Schwab, VD 1992, 57 (58); Henneke, in: Knack, § 35, Rn. 6.2; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 176. 60 Begründung zu § 31 des Entwurfs eines VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 57. Vgl. nur Maurer, § 9, Rn. 36; Meyer/Borgs, § 35, Rn. 65, 74; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 203; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 176. Obermayer, § 35, Rn. 189; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23, 7 c (S. 366). 63 BVerwG, NJW 1978, 656 (657); ebenso OVG Koblenz, DÖV 1986, 37; VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); ZfS 1995, 237 (238); VGH Kassel, NVwZ-RR, 1991, 28; OVG Münster, NJW 1990, 2835; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648); Janssen, JA 1996, 165 (166); Schwab, VD 1992, 57 (58); siehe auch die Nachweise zu den einzelnen Verkehrszeichen in Fn. 137 ff.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

beseitige die Gegensätzlichkeit von Verboten und Geboten64 und überanstrenge den eindeutigen Inhalt von Verkehrsschildern65. Die Behauptung des BVerwG, daß „bereits nach dem Wortlaut des §41 [StVO] Vorschriftszeichen Gebote und Verbote enthalten"66, vermag seine Ansicht nicht zu stützen67. Das BVerwG nimmt wohl auf § 41 Abs. 1 StVO Bezug, der lautet: „Auch Schilder oder weiße Markierungen auf der Straßenoberfläche enthalten Gebote und Verbote". Diese allgemeine Formulierung kann wenig zur Lösung der Problematik beisteuern. Betrachtet man nämlich beispielsweise die Regelung in § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO (Zeichen 283, 286), ergibt sich zweifellos, daß die StVO dort nur von Haltverboten spricht. Wegfahrgebote kennt der Wortlaut der StVO nicht. Jedoch sind die durch Verkehrszeichen ausgesprochenen Verkehrsregelungen noch in anderer Weise auslegungsfähig. Bei systematischer Betrachtungsweise fällt auf, daß Gebote und Verbote oftmals austauschbar sind. Beispielsweise legt die StVO den Zeichen 209, 211, 214, 222 (vorgeschriebene Fahrtrichtung bzw. Vorbeifahrt) das Gebot bei, die Straße in der vorgeschriebenen Fahrtrichtung zu benutzen. Ein solches Gebot bedeutet zugleich das Verbot, eine andere Fahrtrichtung zu wählen. Gebietet das Zeichen 209 also rechts abzubiegen, dann verbietet es zugleich die Weiterfahrt in gerader Richtung. Umgekehrt kann das Wendeverbot (Zeichen 272) auch als Gebot, geradeaus weiterzufahren, verstanden werden - allerdings nur dann, wenn ein Abbiegen nicht möglich ist. Verbote und Gebote sind also dann austauschbar, wenn dem Adressaten neben der Vornahme oder dem Unterlassen des geregelten Verhaltens keine weitere Handlungsalternative verbleibt. Da ein Fahrzeug nur entweder am fließenden oder am ruhenden Verkehr teilnehmen kann, ist es folglich dasselbe, ob ein Haltverbotszeichen es verbietet, die Fahrt zu unterbrechen, oder ob es gebietet, sie ohne Unterbrechung fortzusetzen68. Dieser Befund läßt sich durch teleologische Argumente untermauern. Die von Verkehrszeichen ausgehenden Verbote dienen dem Zweck, das betreffende Verkehrsverhalten effektiv zu unterbinden. Der Zweck, das Halten oder Parken zu verhindern, ließe sich nur unvollständig verwirklichen, wenn das Verkehrsgebot nur an den fließenden, nicht aber auch an den ruhenden Verkehr gerichtet wäre. Die StVO bezeichnet die straßenverkehrsrechtliche Anordnung nur deshalb als „Haltverbot", weil der Regelungsgehalt so eindeutiger und verständlicher gefaßt werden kann als durch ein „Gebot, weiterhin am fließenden

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66 67 68

Wettling, BWVPr. 1986, 208, Fn. 7. Ipsen, Rn. 506. BVerwG, NJW 1978, 656 (657). Kritisch auch Storr, ThürVBl. 1993, 255 (260). So auch Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261).

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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Verkehr teilzunehmen". Es bestehen somit keine Bedenken, einem Haltverbot zugleich ein Wegfahrgebot zu entnehmen. III. Bekanntgabe und Wirksamkeit der Regelung Näherer Erörterung bedarf auch die Frage, wann und wem gegenüber die durch das Aufstellen eines Verkehrszeichens erlassene Allgemeinverfügung wirksam wird. Die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung wird wirksam und verbindlich, wenn sie demjenigen, für den sie bestimmt ist oder der von ihr betroffen wird, bekanntgegeben ist (§ 43 Abs. 1 bwVwVfG). 1. Der Bekanntgabebegriff Unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt bekanntgegeben ist, regelt das Gesetz nicht. Es nennt allerdings verschiedene Bekanntgabearten (§ 41 Abs. 2 bis 5 VwVfG) und differenziert zwischen individueller und öffentlicher Bekanntgabe, wobei § 41 Abs. 1 VwVfG die Individualbekanntgabe anordnet und § 41 Abs. 3 VwVfG die öffentliche Bekanntgabe nur ausnahmsweise zuläßt. Diese Vorschriften erlauben es, den vom Gesetz vorausgesetzten Bekanntgabebegriff herauszukristallisieren. Bekanntgabe bedeutet, daß dem Bürger von der Verwaltung eröffnet wird, daß und mit welchem Inhalt ein ihn betreffender Verwaltungsakt ergangen ist69. Ziel der Bekanntgabe ist es, dem Adressaten oder Betroffenen zu ermöglichen, von der Regelung Kenntnis zu nehmen und sein Handeln danach auszurichten. Insofern ist das Bekanntgabeerfordernis eine unmittelbare Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips: „Rechtsstaatlich gewollte Regelform der Bekanntgabe ist die individuelle Eröffnung gegenüber dem Adressaten"70. 2. Bekanntgabe auch bei fehlender Kenntnisnahmemöglichkeit? Umstritten ist vor allem, ob ein aufgestelltes Verkehrszeichen auch gegenüber Personen bekanntgegeben ist und Wirksamkeit erlangt, die von der Verkehrsregelung keine Kenntnis erlangen konnten, wie beispielsweise im Fall eines erst nach dem Abstellen des Fahrzeugs aufgestellten Haltverbotszeichens

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Vgl. Badura, in: Erichsen, §38, Rn. 21; Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 201; Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 3; Meyer/Borgs, § 41, Rn. 2; Obermayer, § 41, Rn. 6; Schad, in: Schweickhardt, Rn. 450 f. Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 201; vgl. auch Maurer, §9, Rn. 65; Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 1 und 8.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

(„nachträgliches Haltverbot") oder im Fall des Eigentümers und Halters, der sein Fahrzeug nicht selbst verbotswidrig geparkt hat. a) Zulässigkeit einer öffentlichen Bekanntgabe Eine nun auch vom BVerwG vertretene Auffassung möchte Verkehrszeichen ab dem Zeitpunkt der Aufstellung ohne Rücksicht auf eine Kenntnisnahmemöglichkeit Verbindlichkeit gegenüber allen Verkehrsteilnehmern zuerkennen71. Das BVerwG geht davon aus, daß auch der Halter, der möglicherweise nicht selbst gefahren sei und daher das Verkehrszeichen nicht habe wahrnehmen können, Adressat der Verkehrsregelung sei, die durch Aufstellen des Verkehrszeichens habe öffentlich bekanntgegeben werden können72. Ob Verkehrszeichenregelungen tatsächlich öffentlich bekanntgegeben werden können, wurde vom BVerwG nicht erörtert, bedarf aber näherer Untersuchung. Bei Allgemeinverfügungen kann die gem. § 41 Abs. 1 S. 1 bwVwVfG vorgeschriebene individuelle Bekanntgabe durch öffentliche Bekanntgabe ersetzt werden, wenn die individuelle Bekanntgabe an die Betroffenen „untunlich" ist (§41 Abs. 3 S. 2 bw VwVfG). Untunlich bedeutet, daß die individuelle Bekanntgabe wegen der Natur der Allgemeinverfügung nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist, etwa weil der Adressatenkreis nicht individualisierbar ist73. Eine öffentliche Bekanntgabe wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn man die durch ein Verkehrszeichen zum Ausdruck gebrachte Regelung als Verwaltungsakt versteht, der die „öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache" betrifft (§ 35 S. 2 Alt. 2 VwVfG) 74. Daß bei den hiermit angesprochenen „dinglichen Verwaltungsakten" eine individuelle Bekanntgabe regelmäßig

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BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022); OVG Koblenz, DÖV 1986, 37 (38); NVwZRR 1989, 299 (300); OVG Münster, NJW 1990, 2835 (2836); VR 1996, 105 f.; VerkMitt 1996, 63; VGH Kassel, DÖV 1997, 466 (467); VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193); VG Köln, vom 19.03.1993 - 20 Κ 230/92 -; OLG Jena, NZV 1995, 289; OLG Köln, DAR 1993, 398; Gr/7, VB1.BW 1997, 153 (154); Huppertz, Rn. 0212; Klenke, NWVB1. 1994, 288 (289); Schwab, VD 1992, 57 (59); Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 178; differenzierend Hansen/Meyer, NJW 1998, 284 (285). 72 BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022); ebenso OVG Koblenz, DÖV 1986, 37 (38); NVwZ-RR 1989, 299 (300); Gril, VB1.BW 1997, 153 (154); a. A. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149(150). 73 Achterberg, § 21, Rn. 175; Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 44; Maurer, § 9, Rn. 71; Peine, Rn. 175; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, §41, Rn. 48; vgl. auch Henneke, in: Knack, § 41, Rn. 5.4; Meyer/Borgs, § 41, Rn. 24 f. 74 Dafür etwa Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 46, Rn. 30; VGH Mannheim, ESVGH 24, 81; Niehues, DÖV 1965, 319 (322 f.).

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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untunlich ist75, ergibt sich daraus, daß dingliche Verwaltungsakte primär den rechtlichen Status einer Sache regeln und somit keine Adressaten, sondern nur einen kaum bestimmbaren Kreis mittelbar Betroffener aufweisen76. Ob allerdings Verkehrszeichen als dingliche Verwaltungsakte zu qualifizieren sind, ist zweifelhaft 77. Typisches Beispiel ist die Widmung einer Straße: Die Widmung begründet den rechtlichen Status der Straße als öffentliche Sache im Gemeingebrauch. Sie äußert keine personalen Verhaltensgebote, kennt also keine Adressaten, denen gegenüber eine individuelle Bekanntgabe erfolgen könnte. Folglich kann die Publizität dieses Rechtsaktes regelmäßig nur durch öffentliche Bekanntgabe herbeigeführt werden78. Anders als die Widmung regelt ein durch Verkehrszeichen angeordnetes Verbot oder Gebot jedoch nicht den rechtlichen Status der Straße als öffentliche Sache79. Dies folgt daraus, daß der rechtliche Status von Straßen wegen des Vorrangs des Straßenrechts80 straßenverkehrsrechtlicher Regelung überhaupt nicht zugänglich ist. Zum anderen bringen Haltverbotszeichen nach einhelliger Auffassung Verbote und Gebote zum Ausdruck; sie stellen sich somit als personale und nicht als dingliche Verwaltungsakte dar. b) Die Möglichkeit individueller Kenntnisverschaffung Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die durch Verkehrszeichen getroffenen Allgemeinverfügungen „die Benutzung einer Sache durch die Allgemeinheit" regeln (§ 35 S. 2 Alt. 3 VwVfG) 81. Ob bei „Benutzungsregelungen" eine öffentliche Bekanntgabe zulässig ist, hängt von der Bestimmbarkeit des Adressatenkreises ab82. Der jahrelange Streit über die Rechtsnatur von Verkehrszeichen beruht darauf, daß vielfach zu undifferenziert angenommen wur-

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Meyer/Borgs, § 41, Rn. 24; Niehues, DVB1. 1982, 317 (320). Niehues, DÖV 1965, 319 (323); derselbe, DVB1. 1982, 317 (318); Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41, Rn. 46. 77 Dagegen Manssen, NZV 1992, 465 (467); Wallerath, § 7,1 5 f (S. 163 f.). Niehues, DVB1. 1982, 317 (320); insoweit bestehen Spezialregelungen in den Landesstraßengesetzen, vgl. § 5 Abs. 4 bwStrG; Steiner, V, Rn. 35 m. w. Nachw. 79 Zutreffend Manssen, NZV 1992, 465 (467); Wallerath, § 7, I 5 f (S. 164); a. Α.: Niehues, DÖV 1965, 319 (322 f.). In DVB1. 1982, 317 (318) rückt Niehues von seiner Auffassung zwar nicht ausdrücklich ab, er erwähnt jedoch Verkehrszeichen unter den beispielhaft aufgeführten dinglichen Verwaltungsakten nicht mehr. 80 Siehe hierzu S. 28 ff. 81 Vgl. Begründung zu § 31 des Entwurfs eines VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 57; ebenso BVerwGE 59, 221 (225); Erichsen, § 12, Rn. 50 m. w. Nachw.; Manssen, NZV 1992, 465 (467). 82 Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41, Rn. 48; vgl. auch Meyer/Borgs, § 41, Rn. 25. 76

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

de, der Kreis der Adressaten einer Verkehrsregelung sei nicht bestimmbar. Träfe dies zu, wäre in der Tat der Verwaltungsaktscharakter von Verkehrszeichen in Zweifel zu ziehen83. Das BVerwG hat jedoch zu Recht daraufhingewiesen, daß Verkehrszeichen „eine konkrete örtliche Verkehrssituation betreffen und eine situationsbezogene Verkehrsregelung zum Inhalt haben"84. Adressaten oder Betroffene dieser Verkehrsregelung sind nicht abstrakt alle nur denkbaren Verkehrsteilnehmer, sondern immer nur diejenigen Verkehrsteilnehmer, die die Straße, für die das Verkehrszeichen Geltung beansprucht, jeweils in Anspruch nehmen wollen: „Betroffen wird ein Verkehrsteilnehmer von diesem Verwaltungsakt allerdings erst dann, wenn er sich (erstmalig) der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht"85. Dies darf nicht so verstanden werden, daß ein Verkehrszeichen quasi als Verwaltungsakte erlassender Automat anzusehen wäre86. Eine solche Betrachtung erschiene realitätsfern und konstruiert. Näher liegt es, die verkehrsrechtliche Anordnung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren 87, der an die jeweils in der geregelten Verkehrssituation sich befindenden Verkehrsteilnehmer gerichtet ist. Bei Zugrundelegung dieses Verständnisses ist der Adressatenkreis der Allgemeinverfügung durch den örtlichen Wirkungsbereich des Verkehrszeichens bestimmbar: „Die Zahl dieser Verkehrsteilnehmer ist zwar unbegrenzt, aber nicht unbestimmt"88. Die Verkehrsregelung ist folglich immer denjenigen Verkehrsteilnehmern bekanntzugeben, die sich im Wirkungsbereich des Verkehrszeichens befinden. Aufgrund der Sichtbarkeit des Verkehrszeichens kann die Verkehrsregelung den jeweils in Sichtweite befindlichen Verkehrsteilnehmern individuell bekanntgegeben werden, womit die Zulässigkeit einer öffentlichen Bekanntgabe nach § 41 Abs. 3 S. 2 bw VwVfG entgegen der h. M. ausscheidet89.

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Siehe ζ. B. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23, 7 c (S. 365). BVerwGE 59, 221 (225); ähnlich BVerwGE 27, 181 (183). 85 BVerwGE 59, 221 (226); vgl. auch BVerwGE 27, 181 (184): das Verbot werde dem Verkehrsteilnehmer beim erstmaligen Herannahen bekanntgemacht. Erstaunlich ist, daß das BVerwG in seiner Entscheidung vom 11.12.1996 (NJW 1997, 1021 [1022]) keinen Widerspruch zu der im 59. Band getroffenen Aussage zu erkennen vermag. 86 So aber BVerwGE 27, 181 (185): „wiederholende Verfügung"; ebenso auch VGH Kassel, NVwZ-RR 1992, 5; BayObLG, NJW 1984, 2110; Storr, ThürVBl. 1993, 255 (256); kritisch dazu BVerwGE 59, 221 (226); ablehnend Hees, S. 24; Manssen, NZV 1992, 465 (466). 87 So BVerwGE 59, 221 (226 f.); 92, 32 (34); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150); Hees, S. 113; Janssen, JA 1996, 165 (166, Fn. 6). 88 VGH Kassel, ESVGH 6, 146 (147). 89 Ebenso BVerwGE 27, 181 (184); VGH Kassel, ESVGH 6, 146 (147); NVwZ-RR 1992, 5; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; DÖV 1995, 783; OVG Bremen, DAR 1986, 159; BayObLG, NJW 1984, 2110; Hees, S. 192: „Die Bekanntgabe an den einzelnen 84

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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Die hier vorgenommene Abgrenzung der individuellen zur öffentlichen Bekanntgabefindet ihre Rechtfertigung in den insbesondere in den Grundrechten, in Art. 19 Abs. 4 GG und in Art. 20 GG niedergelegten rechtsstaatlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes. Ein so verfaßtes Rechtsstaatsprinzip gebietet, daß einer Person zumindest die Möglichkeit gegeben wird, von denjenigen Hoheitsakten Kenntnis zu nehmen, die sie in ihrer Rechtsstellung betreffen 90. Zwar kann bei Allgemeinverfügungen die gem. § 41 Abs. 1 bw VwVfG grundsätzlich vorgeschriebene Individualbekanntgabe gem. § 41 Abs. 3 S. 2 bwVwVfG durch öffentliche Bekanntgabe ersetzt werden. Der damit verbundene Verlust rechtsstaatlicher Substanz ist jedoch nur in Ausnahmefällen hinnehmbar91. Ein solcher Ausnahmefall liegt bei Verkehrszeichen gerade nicht vor: Diese sind in funktioneller Hinsicht den Weisungen von Polizeibeamten vergleichbar. Sie richten sich wie jene an diejenigen Personen, die die betreffenden Straßenstrecken benutzen. Nur tatsächlich Anwesende sind somit Verkehrsteilnehmer und Adressaten der Verkehrsregelung. Anwesenden kann die durch ein Verkehrszeichen symbolisch zum Ausdruck gebrachte Regelung unproblematisch durch Sichtkontakt zur Kenntnis gebracht und also individuell bekanntgegeben werden. Von der Notwendigkeit einer individuellen Kenntnisnahme gehen auch diejenigen Stellungnahmen aus, die zwar die Zulässigkeit einer öffentlichen Bekanntgabe bejahen, im Anschluß an die vom BVerwG geprägte Terminologie92 jedoch zwischen „äußerer" und „innerer" Wirksamkeit der Verkehrsregelung unterscheiden: Ein Verkehrszeichen erlange mit der öffentlichen Bekanntgabe gem. §§ 41 Abs. 3 S. 2, 43 Abs. 1 bw VwVfG rechtliche Existenz und äußere Wirksamkeit93. Verbindlich im Sinne der inneren Wirksamkeit werde die ge-

Verkehrsteilnehmer ergibt sich allerdings erst, wenn dieser auch in den Regelungsbereich der Anordnung gerät."; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315); Mühlhaus/Janiszewski, § 39, Rn. 15; Storr, ThürVBl. 1993, 255 (256); auch Nothoff, ZfS 1995, 81 (82), der sich aber fälschlich auf die Rechtsprechung des OVG Münster beruft; a. Α.: VGH Mannheim, NVwZ-RR 1990, 59 (60); NJW 1991, 1698; NVwZ-RR 1996, 149 (150); OVG Koblenz, DÖV 1986, 37 (38); VG Köln, vom 19.3.1993 - 20 Κ 230/92 -; VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193); Dienelt, NVwZ 1994, 664; (665); Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 44, 48; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (289); Schmittmann, VR 1996, 106; Ule/Laubinger, § 53, Rn. 7; siehe auch Fn. 97. 90 Vgl. Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 1; Obermayer, § 41, Rn. 55. 91 Obermayer, § 41, Rn. 57 und 61; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41, Rn. 42a. 92 BVerwGE 13, 1 (7); 55, 212 (215); 57, 69 (70); vgl. Kopp, VwVfG, § 43, Rn. 4 ff.; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (288); Maurer, § 9, Rn. 66; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43, Rn. 116 ff. 93 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; NVwZ-RR 1996, 149 (150); Dienelt, NVwZ 1994, 664 (665); Janssen, JA 1996, 165 (166); Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (288); vgl. Ule/Laubinger, § 53, Rn. 7; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

troffene Regelung jedoch nur demjenigen Verkehrsteilnehmer gegenüber, der sich der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersehe bzw. dem sie beim erstmaligen Herannahen bekanntgemacht werde94. Im straßenverkehrsrechtlichen Schrifttum wird bei der Erörterung der Wirksamkeit von Verkehrszeichen oft auf den sog. Sichtbarkeitsgrundsatz verwiesen95. Dieser Grundsatz besage, daß Verkehrszeichen rechtliche Wirkung nur dann haben, wenn und solange sie sichtbar aufgestellt seien96. Der Sichtbarkeitsgrundsatz benennt damit nichts anderes als das für Verkehrszeichen aus § 43 Abs. 1 bwVwVfG folgende Erfordernis einer individuellen Wahrnehmbarkeit der Verkehrsregelung. 3. Kein eigener Bekanntgabebegriff

für Verkehrszeichen

Vor allem das OVG Münster möchte Verkehrszeichen dadurch zu genereller Verbindlichkeit verhelfen, daß es einen eigenen bundesrechtlichen Bekanntgabebegriff für Verkehrszeichen postuliert: Den §§ 40-42 StVO könne entnommen werden, daß ein Verkehrszeichen mit der Aufstellung gegenüber jedermann bekanntgegeben sei97. Weitere, der Kenntnisvermittlung an die Verkehrsteilnehmer dienende behördliche Handlungen sehe die Straßenverkehrsordnung nicht vor. § 45 Abs. 4 StVO enthalte eine bundesrechtliche Spezialregelung für die Form der Bekanntgabe verkehrsregelnder Anordnungen, die gem. § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 BVwVfG die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen verdränge98. In jüngeren Entscheidungen meint das OVG, eine Bekanntgabe damit begründen zu können, „daß Verkehrsteilnehmer und Fahrzeuge auch dann im vorstehenden Sinn in den Wirkungsbereich eines Verkehrszeichens gelangen, wenn sie sich im Zeitpunkt der Aufstellung bereits in dem Bereich befinden, für den das Verkehrszeichen Geltung beansprucht"99.

94

Unter Berufung auf BVerwGE 59, 221 (226); 27, 181 (184): VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; NVwZ-RR 1996, 149 (150); Dienelt, NVwZ 1994, 664 (665); Janssen,, JA 1996, 165 (166); Ule/Laubinger, § 53, Rn. 2; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486; vgl. auch Schmittmann, VR 1996, 106 (107). 95 Vgl. Hauser, DAR 1991, 323 (325); Möhl, in: Müller, § 39 StVO, Rn. 4; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 39 StVO, Rn. 7. 96 Vgl. BGH, NJW 1970, 1126 f.; Berr/Hauser, Rn. 458; Hauser, DAR 1991, 323 (325); Jagusch/Hentschel, § 39 StVO, Rn. 32; Mühlhaus/Janiszewski, § 39 StVO, Rn. 15· Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 39 StVO, Rn. 5a. OVG Münster, NJW 1990, 2835; VR 1996, 105 f.; VerkMitt 1996, 63; Klenke, NWVB1. 1994, 288 (289); ebenso OLG Köln, DAR 1993, 398; Huppertz, Rn. 0212; Schwab, VD 1992, 57 (59); ablehnend Sailer , in: Lisken/Denninger, M, Rn. 79a. 98 OVG Münster, NJW 1996, 3024 f.; offen gelassen von BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022).

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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Im entschiedenen Fall war in Abwesenheit des Klägers ein mobiles Haltverbotszeichen aufgestellt und daraufhin sein Fahrzeug abgeschleppt worden. Es befand sich also allein das Fahrzeug des Verkehrsteilnehmers im Wirkungsbereich des Verkehrszeichens. Das reicht jedoch gerade nicht aus: Dem Fahrzeug kann das Wegfahrgebot nicht bekanntgegeben werden. Entscheidend ist, ob der Verkehrsteilnehmer so in den Wirkungsbereich eines Verkehrszeichens gelangt ist, daß er selbst die Möglichkeit hatte, das an ihn gerichtete Gebot wahrzunehmen und ihm Folge zu leisten. Das BVerwG hat diese Rechtsprechung bestätigt100. Abgesehen von den bereits vorgebrachten Bedenken gegen den Verzicht auf das Erfordernis einer individuellen Kenntnisnahmemöglichkeit, ist es sehr zweifelhaft, ob den §§ 40-42, 45 Abs. 4 StVO und der Ermächtigungsnorm in § 6 Abs. 1 Nr. 3 f StVG eine Regelung des Wirksamwerdens verkehrsrechtlicher Anordnungen entnommen werden kann. Insbesondere die allgemeine Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 f StVG („Rechtsverordnung über Ortstafeln und Wegweiser") wäre bei einer derartigen Auslegung im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG Bedenken ausgesetzt. Richtigerweise enthalten die §§39 ff. StVO überhaupt keine Regelung der öffentlichen Bekanntgabe101. §45 Abs. 4 Halbsatz 1 StVO beschränkt die Handlungsbefugnisse der Straßenverkehrsbehörde auf diejenigen Fallgestaltungen, die nach Maßgabe der StVO durch Verkehrszeichen geregelt werden können. Darüber hinaus hat die Vorschrift auch einen formellrechtlichen Gehalt: Die demnach zulässigen Anordnungen dürfen regelmäßig nur in der Form amtlicher Verkehrszeichen ergehen und nur ausnahmsweise auch in anderer Form (Halbsatz 2). Methodisch verfehlt muß es erscheinen, wenn das BVerwG und das OVG Münster aus dieser, die Handlungsform „Verkehrszeichen" anordnenden Formvorschrift auf eine Regelung der öffentlichen Bekanntgabe im Rechtssinn schließen wollen. Verfehlt ist dieses Vorgehen deshalb, weil die Gerichte bei ihrer „Auslegung" ohne weiteren methodischen Zwischenschritt den tatsächlichen Vorgang des öffentlichen Aufstellens von Verkehrszeichen (Art der Aufstellung, Größe und Ausgestaltung der Schilder), mit der öffentlichen Bekanntgabe im Rechtssinn gleichsetzen, obwohl das Aufstellen von Verkehrszeichen sich bereits äußerlich deutlich vom Regeltypus einer öffentlichen Bekanntgabe (Anschlag, Verlautbarung in den Medien) unterscheidet. Vor allem bleibt unberücksichtigt, daß eine solche Gleichsetzung wegen des bereits verfassungsrechtlich gebotenen Vorrangs der Individualbekanntgabe nur dann gerechtfertigt wäre, wenn eine individuelle Bekanntgabe von Ver-

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OVG Münster, DAR 1995, 377; VR 1996, 105 (106); VerkMitt 1996, 63 (bestätigt durch BVerwG, NJW 1997, 1021); ähnlich VG Köln, vom 19.3.1993 - 20 Κ 230/92 inn

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1 0 1 BVerwG,

NJW Hamburg, 1997, 1021DÖV (zu OVG VerkMitt 1996, 63). So auch OVG 1995,Münster, 783.

46

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

kehrsregelungen ineffektiv wäre. Wie bereits dargelegt wurde, ist dies jedoch gerade nicht der Fall. 4. Die Voraussetzungen einer Individualbekanntgabe a) Möglichkeit der Kenntnisnahme Die durch ein Haltverbotszeichen zum Ausdruck gebrachte Regelung verpflichtet unzweifelhaft alle Verkehrsteilnehmer, die im Geltungsbereich des Verkehrszeichens parken und von diesem Kenntnis nehmen können. Daß derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, ihn auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt, ist nach ganz h. M. nicht erforderlich. Zur Bekanntgabe und damit zum Wirksamwerden eines Verwaltungsakts genügt es, daß die Behörde dem Adressaten die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft 102. Kommt es nach dem Gesagten nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme an, stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung der von der h. M. vorgenommenen Einschränkung der rechtsstaatlich gebotenen staatlichen Kenntnisverschaffungspflicht. Sollte eine solche Bestimmung des Bekanntgabebegriffs legitimierbar sein, bedürfte es einer Erörterung der Frage, unter welchen Umständen davon gesprochen werden kann, daß der Adressat die Möglichkeit der Kenntnisnahme habe. Kann es beispielsweise genügen, daß ein Haltverbotszeichen errichtet und auf diese Weise den an der betreffenden Stelle bisher ordnungsgemäß parkenden Personen die „Möglichkeit der Kenntnisnahme" eröffnet wird? b) Zugang der auf Regelung gerichteten staatlichen Willenserklärung Mit dem Abstellen auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme knüpft die h. M. offenbar an die für die Verbindlichkeit von Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätze an. Da ein Verwaltungsakt eine auf Regelung gerichtete staatliche Willenserklärung darstellt, ist es grundsätzlich überzeugend, für den Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines schriftlichen Verwaltungsakts analog § 130 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Zugangs beim Adressaten abzustellen103. Zugang, Bekanntgabe und Wirksamkeit setzen somit voraus, daß der

102

Funke-Kaiser, VB1.BW 1990, 260; Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 25a; Meyer/Borgs, § 41, Rn. 2; Ν otthoff, ZfS 1995, 81 (82); Schad, in: Schweickhardt, Rn. 439; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, §41, Rn. 11; Ule/Laubinger, §53, Rn. 5; vgl. Achterberg, § 21 Rn. 173; Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 48, Rn. 23. 1 So die Begründung zu § 37 des Entwurfs eines VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 62; BVerwG, Buchholz 316 § 41 VwVfG Nr. 2; Badura, in: Erichsen, § 38, Rn. 21; Kopp,

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

47

Verwaltungsakt so in den „Machtbereich", den „Rechtskreis" oder den „Wahrnehmungsbereich" des Empfängers gelangt ist, daß dieser unter normalen Umständen von der Regelung Kenntnis nehmen kann104. Fraglich ist, ob auch die durch ein nachträglich aufgestelltes Haltverbotszeichen zum Ausdruck gebrachte Regelung nach Maßgabe der Zugangsregel Wirksamkeit zu erlangen vermag. Es könnte argumentiert werden, es stehe dem Zugang eines Verwaltungsakts beim Adressaten gleich, wenn eine Verkehrsregelung auf das Fahrzeug des potentiellen Adressaten erstreckt werde105. Die Regelung werde in dem Zeitpunkt wirksam, in dem gewöhnlich mit der Kenntnisnahme zu rechnen sei. Das sei nach Ablauf der von der Rechtsprechung vor dem Abschleppen für erforderlich gehaltenen Schonfrist 106 der Fall. Ob die Zugangsregeln überhaupt für durch Zeichen geäußerte Willenserklärungen gelten, ist zu bezweifeln. § 130 Abs. 1 BGB betrifft nämlich nur verkörperte (schriftliche) Willenserklärungen, für unverkörperte (mündliche) Willenserklärungen ist dagegen nicht der Zugang, sondern die Wahrnehmung maßgeblich107. Jedenfalls aber gelangt die Regelung mit der Errichtung eines Verkehrszeichens nicht in den „Machtbereich", „Empfangsbereich" oder „Wahrnehmungsbereich" des Betroffenen. Ein Fahrzeug ist keine allgemein übliche und typische Empfangsvorkehrung und einem Hausbriefkasten oder Postfach nicht vergleichbar. c) Kenntnisverschaffungspflicht und Kenntnisnahmeobliegenheit Mündlich ausgesprochene und durch Zeichen erlassene Verwaltungsakte werden dadurch bekanntgegeben, daß sie dem Adressaten mit Hilfe des gesprochenen Wortes oder mit Hilfe des Zeichens zugänglich gemacht werden 0 8 . Entsprechend der im Zivilrecht zu mündlichen Willenserklärungen vertretenen

VwVfG, § 41, Rn. 27; Maurer, § 9, Rn. 69; Schad, in: Schweickhardt, Rn. 441 ff.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, §41, Rn. 11; Ule/Laubinger, §53, Rn. 1. Allerdings wird § 130 Abs. 1 BGB weitgehend durch § 41 Abs. 2 VwVfG verdrängt. 104 VGH München, BayVBl. 1985, 153 (154); Bull, Rn. 662; Hufen, Verwaltungsverfahren, S. 201; Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 27; Obermayer, § 41, Rn. 12; Schad, in: Schweickhardt, Rn. 445; Wallerath, § 7, IV 5 (S. 188). 105 In der Tendenz etwa OVG Münster, DAR 1995, 377, wenn für ausreichend angesehen wird, daß das Fahrzeug (nicht der Verkehrsteilnehmer!) sich im Zeitpunkt der Aufstellung bereits in dem Bereich befindet, für den das Verkehrszeichen Geltung beansprucht; kritisch hierzu Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (314). 106 Ζ. B. OVG Münster, DAR 1995, 377 (378): 48 Stunden; siehe im einzelnen S. 232 ff. 107 Larenz, BGB AT, § 21, II c (S. 426); Medicus, BGB AT, Rn. 291. Ule/Laubinger, § 53, Rn. 5.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Auffassung 109 genügt es, wenn dem Adressaten die Erklärung oder das Verkehrszeichen so zugänglich gemacht wurde, daß er sie wahrnehmen konnte110. In diesem Sinne ist es auch zu verstehen, wenn gesagt wird, ein Verwaltungsakt sei empfangs-, nicht aber annahmebedürftig11 . Fraglich ist, unter welchen Umständen davon gesprochen werden kann, daß ein Verkehrsteilnehmer ein Verkehrszeichen habe wahrnehmen können. Im Grunde geht es darum, den Punkt zu fixieren, an dem die Verwaltung ihrer aus rechtsstaatlichen Grundsätzen folgenden Kenntnisverschaffungspflicht genügt hat und ab dem den Adressaten oder Betroffenen eine Kenntnisnahmeobliegenheit trifft. Unzweifelhaft ist es etwa Sache des Verkehrsteilnehmers, nach Verkehrszeichen Ausschau zu halten, wenn er mit seinem Fahrzeug eine Straße befährt oder das Fahrzeug abstellen will 112 . Unproblematisch ist es auch, wenn ein Verkehrszeichen im Zeitpunkt des Parkens bereits aufgestellt ist, jedoch ausweislich einer durch Zusatzzeichen getroffenen Regelung noch keine Geltung beansprucht (ζ. B. Haltverbot von 9-18 Uhr). In einem solchen Fall, wird die Verkehrsregelung bei Sichtkontakt bekanntgegeben, womit sie äußere Wirksamkeit erlangt. Verbindlich im Sinne der inneren Wirksamkeit wird die Regelung erst in dem angegebenen Zeitraum. Weniger eindeutig läßt es sich beurteilen, wenn Verkehrszeichen von der Fahrbahn weggedreht, abgedeckt oder mit Schnee bedeckt sind, oder wenn Verkehrszeichen erst nach dem ordnungsgemäßen Abstellen aufgestellt wurden, was insbesondere bei mobilen Verkehrszeichen113 häufig der Fall ist. Grundsätzlich ist es Aufgabe der zuständigen Behörden, sicherzustellen, daß die durch Verkehrszeichen angeordneten Regelungen für die Verkehrsteilnehmer auch wahrnehmbar sind114. Dem Straßenverkehrsrecht kann keine Rechtspflicht entnommen werden, kraft derer ein Verkehrsteilnehmer verpflichtet wä-

109

Vgl. ζ. B. Lorenz, BGB AT, § 21, II c (S. 426); Medicus, BGB AT, Rn. 289. Ule/Laubinger, § 53, Rn. 5. 111 So die Begründung zu § 37des Entwurfs eines VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 61; ebenso Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 48, Rn. 23; vgl. auch Maurer, § 9, Rn. 69. 112 Vgl. ζ. B. Obermayer, § 41, Rn. 12: Bekanntgabe, wenn ein Verkehrsteilnehmer ein Handzeichen eines Polizisten bei Anwendung der gem. § 1 StVO gebotenen Umsicht hätte erkennen können. Mobile Verkehrszeichen sind Verkehrszeichen, die nur vorübergehend aufgestellt und deshalb nicht fest eingebaut werden (ζ. B. um Platz für Straßenbauarbeiten, Demonstrationen, Karnevalsveranstaltungen, Volksfeste, Flohmärkte, Möbelwagen bei Umzug etc. freizuhalten). Wenn ein Fahrzeug bereits vor Aufstellung eines mobilen Verkehrszeichens an der betreffenden Stelle abgestellt war, stellen sich besondere Probleme auch hinsichtlich des Bestehens einer polizeirechtlichen Störung (siehe S. 82 ff.) und hinsichtlich der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit und Kostenerstattungspflicht (siehe S. 232 ff.). 114 Vgl. BayObLG, NJW 1984, 2110.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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re, sich ohne konkrete Anhaltspunkte in kurzen Zeitabständen davon zu vergewissern, daß sein Fahrzeug noch ordnungsgemäß abgestellt ist und sich die Verkehrsregelung nicht durch das Aufstellen mobiler Haltverbotszeichen geändert hat115. § 1 StVO ist angesichts seiner Unbestimmtheit und Weite als normativer Ausgangspunkt für die Herleitung einer solchen Nachschaupflicht ungeeignet116. Das rechtsstaatlich fundierte und in §41 Abs. 1 VwVfG niedergelegte Gebot individueller Kenntnisverschaffung kann zu Lasten des Bürgers nur durch ein hinreichend bestimmtes Gesetz eingeschränkt werden117. Hat der Gesetzgeber jedoch weder die öffentliche Bekanntgabe ausdrücklich zugelassen, noch die individuelle Kenntiserlangungfingiert (vgl. § 41 Abs. 2 VwVfG) oder eine Kenntnisnahmeobliegenheit normiert, so kann die staatliche Kenntnisverschaffungspflicht nicht durch Instrumentalisierung farbloser Vorschriften in ihr Gegenteil verkehrt werden. Nur wenn ein Verkehrszeichen bereits aufgestellt ist, sind Verkehrsteilnehmer beim Abstellen ihrer Fahrzeuge aufgrund der Pflicht zu sorgfältigem Verkehrsverhalten (§ 1 StVO) gehalten, im Rahmen des Zumutbaren zu überprüfen, ob das Parken zulässig ist118. Sie sind beispielsweise verpflichtet, sich genaue Kenntnis zu verschaffen, wenn Verkehrszeichen zwar sichtbar, der genaue Regelungsumfang (Zusatzschild) jedoch wegen großer Entfernung nicht ohne Annäherung erkennbar ist. Ebenso muß sich ein Verkehrsteilnehmer, der vor dem Parken gewendet und deshalb Verkehrsregelungen nicht passiert hat, die für die zum Parken genutzte Straßenseite Geltung beanspruchen119, darüber vergewissern, ob solche Regelungen (Verkehrszeichen in Sichtweite) bestehen 120

oder nicht . Schließlich kann auch nicht allein aus dem Umstand, daß ein mobiles Verkehrszeichen von der Straße weggedreht ist, darauf geschlossen werden, daß es keine Wirksamkeit mehr entfalten solle121. Verkehrsteilnehmer 115

OVG Hamburg, DÖV 1995, 783 (784); VGH Mannheim, NJW 1991, 1698 (1699); Hauser, DAR 1991, 324 (327); Huppertz, Rn. 3305; derselbe, VD 1995, 125; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (314); Nonhoff, ZfS 1995, 81 (82); Schmittmann, VR 1996, 106 (107); vgl. auch OLG Köln, DAR 1993, 398 (399): im konkreten Fall keine Pflicht zur Vorsorge für ein abgestelltes Kfz während einer 3-wöchigen urlaubsbedingten Abwesenheit. 116 Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (314); a. A. OVG Münster, DAR 1995, 377; VR 1996, 105; VerkMitt 1996, 63; Thubauville, VerkMitt 1996, 64. 117 Vgl. Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315); Hansen/Meyer, NJW 1998, 284 (285). 118 Vgl. VGH Kassel, ZfS 1993, 359; VG Saarlouis, ZfS 1993, 215 (216); VG München, DAR 1990, 193 (194); Berr/Hauser, Rn. 458; Janssen, JA 1996, 165 (167); Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (314). 119 So die Fallgestaltung bei OVG Münster, NJW 1990, 2835. 120 Ebenso Gril, VB1.BW 1997, 153 (154), Janssen, JA 1996, 165 (166 f.). 121 So auch OLG Hamm, VRS 40, 153 (154); VG München, DAR 1990, 193 (194); a. Α.: VG Berlin, NZV 1989, 168; vgl. Hauser, DAR 1991, 324 (326); Huppertz, Rn. 3302. 4 Schieferdecker

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

50

müssen vielmehr davon ausgehen, daß wegen der Gefahr des Umdrehens durch Unbefugte die Unwirksamkeit von mobilen Verkehrszeichen vorrangig durch Beiseiteräumen, Verhängen oder Überkleben der Zeichen bewirkt wird 122. Im einzelnen kommt es darauf an, wie sich die Sachlage dem Verkehrsteilnehmer vor Ort darstellt. Beschränkt beispielsweise ein Zusatzzeichen das Haltverbot auf einen bestimmten Zeitraum, so liegt es fern anzunehmen, die Straßenverkehrsbehörde habe während dieser Zeit durch Umdrehen die Wirkungslosigkeit des Verkehrszeichens herbeiführen wollen123. Andererseits kann ein Verkehrszeichen so verdreht, umgestellt oder beeinträchtigt sein, daß nicht mehr erkennbar ist, auf welchen Streckenabschnitt es sich bezieht. In einem solchen Fall wird die Bekanntgabe der Verkehrsregelung unterbrochen. 5. Ergebnis: Wirksamkeit

von Verkehrszeichen

Verkehrsregelnde Anordnungen können nur den Verkehrsteilnehmern gegenüber verbindlich werden, die die Möglichkeit haben, das Zeichen wahrzunehmen. Verkehrszeichen können folglich nur gegenüber Anwesenden Wirksamkeit erlangen124. Gegenüber Verantwortlichen125, die an dem betreffenden Verkehrsvorgang nicht beteiligt sind (etwa gegen den Eigentümer, dessen Fahrzeug von einer anderen Person genutzt wird), können sie keine Geltung beanspruchen126. Aber auch dem Fahrer eines Kfz gegenüber entfalten solche Verkehrszeichen keine Wirksamkeit, die dieser in der konkreten Situation nicht erkennen kann, etwa weil das Zeichen völlig verrostet oder mit Schnee bedeckt ist127 oder weil es erst aufgestellt wurde, nachdem der Fahrer das Fahrzeug ab128

gestellt hat . Das gleiche gilt, wenn der Verkehrsteilnehmer ein Verkehrszei122

1T?

Vgl. OLG Hamm, VRS 40, 153 (154).

So parkte der Kläger im Fall des VG München, DAR 1990, 193 an dem Tag, der durch Zusatzzeichen als einziger Geltungstag ausgewiesen war („9.7."); vgl. auch Huppertz, 1 2 4 VD 1994, 270 (271). Vgl. Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 30; Hansen/Meyer, NJW 1998, 284 (285). Zum Kreis der für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen siehe S. 165 ff. 126 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150); OVG Bremen, DAR 1986, 159; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; Funke-Kaiser, VB1.BW 1990, 260 f.; Kopp, VwVfG, § 41, Rn. 28; a. Α.: BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022); OVG Koblenz, DÖV 1986, 37; NVwZ-RR 1989, 299; siehe auch VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259), aufgegeben durch VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150). 127 BayObLG, NJW 1984, 2110; Jagusch/Hentschel, § 39 StVO, Rn. 32; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35, Rn. 178. 128 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; DVB1. 1991, 1370; OVG Hamburg, DÖV 1995, 783; VG Saarlouis, ZfS 1993, 215 f.; Mühlhaus/Janiszewski, § 39 StVO, Rn. 15; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (249); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 112; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 28; a. Α.: BVerwG, NJW 1997,

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

51

chen zwar erkennt, aber aufgrund der Umstände annehmen darf, daß die straßenverkehrsrechtliche Anordnung (noch) keine Verbindlichkeit entfaltet, etwa weil ein Zeichen verdeckt oder mit Klebebändern verklebt ist129. Mangels Kenntnisnahmemöglichkeit ist eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung schließlich auch dann nicht mehr verbindlich, wenn das zur Bekanntgabe aufgestellte Verkehrszeichen entfernt worden ist130. Soweit nach der hier entwickelten Lösung Verkehrszeichen keine Verbindlichkeit erlangen, bleibt es der zuständigen Behörde unbenommen, den Halter eines Fahrzeugs festzustellen und diesem die Verkehrsregelung individuell zur Kenntnis zu bringen131. Ist dies nicht möglich und dringendes Handeln geboten, kann auch ohne Verkehrszeichen aufgrund des Polizei- und Ordnungsrechts abgeschleppt werden132. In den verbleibenden Fällen muß der mit der Individualbekanntgabe verbundene Effektivitätsverlust zugunsten der hierdurch gewahrten rechtsstaatlichen Grundsätze hingenommen werden. IV. Die im Rahmen der StVO zulässigen Wegfahrgebote 1. Zu den Begriffen

„ Halten " und „ Parken "

Halten ist nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO eine „gewollte Fahrtunterbrechung, die nicht durch die Verkehrslage oder eine Anordnung veranlaßt ist"133. Ein Liegenbleiben infolge einer Betriebsstörung ist keine gewollte Fahrtunterbrechung und somit kein Halten134. Diese Fahrtunterbrechung geschieht aber nur solange gegen den Willen des Fahrers, bis er in der Lage ist, das Fahrzeug aus dem Haltverbot zu entfernen 135. Verbotenes

1021 (1022); OVG Münster, DAR 1995, 377 f.; VR 1996, 105 (106); VerkMitt 1996, 63: VG Köln, vom 19.3.1993 - 20 Κ 230/92 -; VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193). 129 VGH Mannheim, DVB1. 1991, 1370; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 130 OVG Münster, DVB1. 1977, 257; Krebs, VerwArch 68 (1977), 285 (289). 131 Dies ist durch § 45 Abs. 4 StVO nicht ausgeschlossen, siehe OVG Münster, NJW 1996, 3024; Schmittmann, VR 1996, 106 (108); Hansen/Meyer, NJW 1998, 284 (286). 132 Der Betroffene ist dann Nichtstörer (§ 9 bwPolG), siehe zum Fall des nachträglichen Haltverbots S. 82 und 232 ff. 133 VwV-StVO zu § 12 Abs. 1, abgedr. bei Jagusch/Hentschel, § 12 StVO, Rn. 16; OLG Köln, VRS 46, 223 (224); OLG Düsseldorf, VRS 58, 281 (283); Hauser, VD 1991,34 (36). 134 Huppertz, VD 1991, 183 (185). 135 Huppertz, VD 1991, 183 (185); Jagusch/Hentschel, § 12 StVO, Rn. 19. Zur Abgrenzung von Halten und Liegenbleiben bei § 18 Abs. 8 StVO siehe OLG Köln, VRS 46, 223 (224); OLG Düsseldorf, VRS 58, 281 (283 f.); Hansen, Die Polizei 1987, 105 (107) m. w. Nachw.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Halten liegt folglich ab dem Zeitpunkt vor, bis zu dem das Fahrzeug hätte repariert oder zur Reparatur hätte entfernt werden können. Nach § 12 Abs. 2 StVO parkt, wer sein Fahrzeug verläßt oder länger als 3 Minuten hält. Das Fahrzeug ist nicht schon verlassen, wenn der Fahrer aussteigt, sondern erst dann, wenn er sich von seinem Fahrzeug in der Weise entfernt hat, daß er die Verkehrslage nicht mehr im Auge behalten und das Fahrzeug gegebenenfalls wegfahren kann136. 2. Überblick über die Verbots- und Gebotszeichen Wegfahrgebote enthalten die folgenden Verkehrszeichen: - Taxenstand (Zeichen 229) 137 , - Radweg (Zeichen 237) 138 und Fußgängerweg (Zeichen 239) 139 , - Sonderspur für Busse und nach Zusatzschild für Taxen (Zeichen 245) 140 , - Verkehrsverbot (Zeichen 250) 141 und Verkehrsverbot bei Smog (Zeichen 270), - Haltverbot (Zeichen 283)142,

136

Huppertz, Rn. 2815 ff.; derselbe, VD 1991, 183 (186 ff.); Jagusch/Hentschel, § 12 StVO, Rn. 19; Stollenwerk, VD 1994, 275. 137 Kottmann, DÖV 1983, 493 (497) mit Verweis auf VG Aachen, vom 12.12.1980 3 Κ 1076/80 -; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7. 138 VG Berlin, NZV 1993, 368; Kottmann, DÖV 1983, 493 (497) mit Verweis auf VG Aachen, vom 14.4.1982 - 3 Κ 385/81 -; Wolf/Stephan, §8, Rn. 7; a. A. (Sicherstellung): VG Münster, DÖV 1988, 87. 139 Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7. In Fußgängerzonen: VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); OVG Münster, 1982, 2277; a. A. (Sicherstellung oder auf die Generalklausel gestützte Maßnahme): VGH München, NJW 1984, 2962; NVwZ 1990, 180. Siehe auch Fn. 161. 140 VGH Kassel, ZfS 1993, 359; vgl. aber auch VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1198), wo sofortiger Vollzug, also Vollstreckung ohne vorangegangenen Verwaltungsakt angenommen wurde. Siehe auch Huppertz, VD 1994, 30 ff. 141 OVG Münster, VRS 71, 467; Knöll, DVB1. 1980, 1027 (1030); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7; a. A. VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22. 142 BVerwG, ZfS 1994, 189 (190); VGH Mannheim, NZV 1990, 286 (287); OVG Münster, NJW 1990, 2835; DAR 1995, 377; OVG Koblenz, DÖV 1986, 37; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; DÖV 1995, 783; VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); NVwZ-RR 1991, 28; VG Frankfurt, NVwZ-RR 1994, 90; VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Wolf/Stephan, §8, Rn. 7; a. A. (Sicherstellung oder auf die Generalklausel gestützte Maßnahme): OVG Lüneburg,

2. Abschn.: Entferungs- und Wegfahrgebote

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- eingeschränktes Haltverbot bzw. Haltverbotszone (Zeichen 286,290)143, - Markierung für Fußgängerüberweg (Zeichen 293, hingegen nicht das Zeichen 350, das die StVO als bloßen „Hinweis" behandelt: §41 Abs. 7 StVO)144, - Fahrstreifenbegrenzung und Fahrbahnbegrenzung (Zeichen 295,296), - Richtungspfeile auf der Fahrbahn (Zeichen 297), - Sperrflächen (Zeichen 298), - Grenzmarkierung für Haltverbote (Zeichen 299)145, - Vorfahrtstraße (Zeichen 306) außerhalb geschlossener Ortschaften, - Parken nur für Behinderte146 oder Anwohner147 (Zeichen 286, 290 bzw. 314, 315 mit Zusatzzeichen), - Verkehrsberuhigter Bereich (Zeichen 325)148. In verkehrsberuhigten Bereichen ist das Parken außerhalb der dafür gekennzeichneten Flächen verboten (§ 42 Abs. 4a Nr. 5 StVO). Ein Wegfahrgebot bewirkt auch das rote Dauerlichtzeichen gem. § 37 Abs. 3 StVO. 3. Parkuhren und Parkscheinautomaten Gleiches gilt für Parkuhren149 und Parkscheinautomaten150 (§§ 13, 43 Abs. 1 StVO). Diese Verkehrseinrichtungen verkörpern Anordnungen, die den allge-

VRS 58, 233 (234); OVG Münster, DVB1. 1983, 1074; VGH München, BayVBl. 1986, 625; BayVBl. 1989, 438; BayVBl. 1990, 435; NZV 1992, 207; VG München, DÖV 1988, 88; VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29; OVG Saarlouis, vom 14.8.1990 - 1 R 184/88 -. 143 BVerwG, NJW 1978, 656 (657); VGH Mannheim, NJW 1990, 2270 (2271); ZfS 1995, 237 (238); OVG Bremen, DAR 1977, 276; 1985, 127; 1986, 159; OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7. 144 VGH Kassel, NVwZ 1988, 657; Janssen, JA 1996, 165 (166); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7. 145 Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7. 146 VGH Mannheim, NJW 1992, 2442 f.; VGH Kassel, NVwZ 1987, 910 (911); OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 299; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7; a. A. (Sicherstellung oder auf die Generalklausel gestützte Maßnahme): VGH München, BayVBl. 1989, 116; DÖV 1990, 483. 147 VGH Mannheim, NJW 1990, 2270 (2271); NVwZ-RR 1996, 149 (150). 148 VG Düsseldorf, NZV 1993, 287 (288).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

meinen Verkehrsregeln, insbesondere den durch eine Parkflächenmarkierung (§ 41 Abs. 3 Nr. 7 StVO), ein Zonenhaltverbot (Zeichen 290) oder den durch die Zeichen 314, 315 ausgesprochenen Anordnungen vorgehen (§§13 Abs. 2 S. 2, 43 Abs. 2 StVO). Parkuhr und Parkscheinautomat begründen ein modifiziertes Halte- und Parkverbot des Inhalts, daß entsprechend der Regelung des § 13 StVO nur zum Ein- und Aussteigen und zum Be- und Entladen und sonst nur bei betätigter Uhr bzw. mit gültigem und sichtbar ausgelegtem Parkschein gehalten und geparkt werden darf 151. Parkuhr und Parkscheinautomat sprechen zugleich die Pflicht aus, das Fahrzeug zu entfernen. Ist eine Parkuhr oder ein Parkscheinautomat nicht funktionsfähig, dann darf gem. § 13 Abs. 1 S. 2 und 3 StVO nur für die Dauer der zulässigen Parkzeit und nur mit Parkscheibe geparkt werden152. Auch bei diesem modifizierten Parkverbot handelt es sich um eine Allgemeinverfügung, die zugleich die Pflicht ausspricht, das Fahrzeug zu entfernen. Zwar ist die Parkuhr oder der Parkscheinautomat nicht betriebsbereit. Das bedeutet jedoch nur, daß die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde, daß das Parken nur bei Zahlung der Gebühr, Einhaltung des Zeitraumes und Auslegung des Parkscheins zulässig ist, ins Leere geht. Darüber hinaus kann die Straßenverkehrsbehörde jedoch auch eine dem § 13 Abs. 1 S. 2 und 3 StVO entsprechende Anordnung getroffen haben. Eine solche ergibt sich nicht bereits konkludent aus der Aufstellung der Verkehrseinrichtung. Aus Gründen der Bestimmtheit und Rechtsklarheit ist eine textliche Wiedergabe dieser Regelung auf der Verkehrseinrichtung zu fordern. Ist dies geschehen, wird die Anordnung gegenüber jedem Verkehrsteilnehmer, der einen Parkplatz mit Parkuhr bzw. im Geltungsbereich eines Parkscheinautomaten benutzt, wirksam153.

149

BVerwG, NVwZ 1988, 623; VGH Kassel, BWVPr 1988, 86; OVG Hamburg, DAR 1989, 475; Berr/Hauser, Rn. 383; Fehn, VR 1988, 167 (168); Grünning/Möller, VR 1984, 156 (158); Huppertz, VD 1991, 246 (247); Janssen, JA 1996, 165 (166); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 7; für Verwaltungsaktscharakter auch BVerfG, NJW 1965, 2395; Jagusch/Hentschel, § 13 StVO, Rn. 8; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 13 StVO, Rn. 1; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 13 StVO, Rn. 1; a. A. OVG Hamburg, vom 22.4.1982 - Bf. II 7/82 - (insoweit in DAR 1982, 306 nicht abgedruckt, vgl. BVerwG, NVwZ 1988, 623). r5 ° VG Gießen, ZfS 1996, 39. 151 Vgl. BVerwG, NVwZ 1988, 623; BVerwGE 58, 326 (328); siehe zu Einzelheiten des Parkens an Parkuhren Huppertz, VD 1991, 246 ff. 152 Vgl. VG Berlin, ZfS 1993, 252; Berr/Hauser, Rn. 393; Jagusch/Hentschel, § 13 StVO, Rn. 8, 8a. 153 Unabhängig davon besteht natürlich auch ein Verstoß gegen §§13 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 13 StVO.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

4. Modifikationen

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durch Zusatzschilder

Durch Zusatzschilder kann das Parken im Zonenhaltverbot (Zeichen 290) und auf Parkflächen (Zeichen 314, 315) unter bestimmten Bedingungen zugelassen werden. Möglich sind etwa Zusatzschilder, die das Parken nur mit Parkscheibe (Bild 291), nur während bestimmter Zeiten, nur für bestimmte Fahrzeugarten, nur für Anwohner mit Parkausweis oder nur für Schwerbehinderte oder Blinde mit Ausweis erlauben154. Das Zeichen 290 mit Zusatzschild und die Zeichen 314, 315 mit Zusatzschild geben ebenso wie Parkuhr oder Parkscheinautomat ein modifiziertes Haltverbot und Wegfahrgebot bekannt. Die Zeichen gebieten Verkehrsteilnehmern, die die genannten Voraussetzungen nicht erfüllen, ihr Fahrzeug zu entfernen 155. Eine Besonderheit besteht bei Verwendung des Zusatzschildes „nur mit Parkschein". Das Wegfahrgebot beim Parken ohne Parkschein im so gekennzeichneten Geltungsbereich eines Parkscheinautomaten gründet sich nicht oder jedenfalls nur subsidiär auf die Zeichen 290, 314 oder 315. Das ergibt sich aus §§ 13 Abs. 2 S. 2, 43 Abs. 2 StVO, wonach die durch Verkehrseinrichtungen und speziell durch Parkscheinautomaten verkörperten Anordnungen den allgemeinen Verkehrsregeln, also auch den Verkehrszeichenregelungen vorgehen. Bei vorgeschriebener Benutzung einer Parkscheibe sind die Vorschriften des § 13 Abs. 2 StVO zu beachten. Auf Anwohner- und Behindertenparkplätzen darf gem. § 41 Abs. 2 Nr. 8 StVO (Absatz 5 zu Zeichen 286) und § 42 Abs. 4 StVO (Nr. 2 zu Zeichen 314 und Nr. 3 zu Zeichen 315) nur geparkt werden, wenn die Parkausweise gut lesbar ausgelegt sind156. 5. Radwege und Fußwege Wenn Radwege durch die Zeichen 237, 240, 241 gekennzeichnet sind, verkörpern diese Verkehrszeichen ein Wegfahrgebot 157. Oftmals sind Radwege jedoch nicht beschildert, sondern nur durch die bauliche Gestaltung (rote Pflastersteine oder rote Fahrbahnmarkierung) als solche erkennbar. In diesen Fällen kann eine Abschleppmaßnahme zwar nicht auf ein verkehrsrechtliches Wegfahrgebot gestützt werden. Da ein solchermaßen erkennbarer Radweg weder zur Fahrbahn noch zum Seitenstreifen gehört, verstößt das Parken auf dem 154

Eingehend zu Ausnahmen zugunsten von Anwohnern und Schwerbehinderten Berr/Hauser, Rn. 470 ff.; 522 ff. 155 Siehe die Nachweise in Fn. 146 und 147. 156 Von der eindeutigen gesetzlichen Regelung kann auch nicht abgewichen werden, wenn ein Schwerbehinderter seinen Ausweis nicht ausgelegt hat: VGH Mannheim, NJW 1992, 2442 (2443); VGH Kassel, ZfS 1996, 80. 157

Siehe die Nachweise in Fn. 138.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Radweg jedoch gegen die Vorschrift des § 12 Abs. 4 S. 1 StVO158, die das Halten und Parken lediglich am rechten Fahrbahnrand bzw. auf dem Seitenstreifen gestattet. Solche Verstöße können als Störung der öffentlichen Sicherheit mit polizeirechtlichen Mitteln abgewehrt werden159. Entsprechendes gilt für Fußgängerwege. 6. Fußgängerzonen Die h. M. legt beim Abschleppen aus Fußgängerzonen, die durch die Zeichen 239160, 242, 243 gekennzeichnet sind, der Maßnahme ein verkehrsrechtliches Wegfahrgebot zugrunde161. Die Problematik im Zusammenhang mit Fußgängerbereichen rührt daher, daß das Verbot, Fußgängerzonen mit Fahrzeugen zu benutzen, in der Regel auf einer ursprünglichen oder nachträglichen Straßen162

rechtlichen Widmungsbeschränkung beruht . Denn die Regelung der Straßenbenutzung nach ihrer spezifischen Verkehrsfunktion (Verkehrsstatut) fällt in die Kompetenz des Straßenrechts163. Die Benutzung einer Fußgängerzone mit Fahrzeugen stellt demnach grundsätzlich eine Sondernutzung dar. Verbotswidrig abgestellte Fahrzeuge könnten folglich gem. § 16 Abs. 8 S. 2 bwStrG von der zuständigen Straßenbaubehörde im Wege der unmittelbaren Ausführung kostenpflichtig abgeschleppt werden. Ausgehend von der Annahme einer Regelungskompetenz der Länder für das Straßenrecht vertreten daher der VGH München, Storr und Schwabe die Auffassung, die amtlichen Verkehrszeichen dienten nur der Bekanntgabe der straßenrechtlichen Widmung, könnten jedoch keine eigenständige straßenverkehrsrechtliche Regelung, also kein Wegfahrgebot aussprechen164. Ausgangspunkt 158

Vgl. Berr/Hauser, Rn. 347; Huppertz, Rn. 4005. Siehe S. 73 ff. 160 Das Zeichen 239 (Fußgänger) darf gem. § 53 StVO nur noch bis zum 31.12.1998 verwendet werden. 161 VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); OVG Münster, 1982, 2277; BayObLG NJW 1986, 1002; Berr/Hauser, Rn. 271; Bouska, DAR 1987, 97 (102); Cosson, DÖV 1983, 532 (535); Knöll, DVB1. 1980, 1027 (1030); Wendrich, DVB1. 1987, 505 (507); implizit BayObLG, VRS 80, 226; wohl auch VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15. Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rn. 65; Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, Köln 1979, S. 26 f. und S. 155; Steiner, V, Rn. 48; Wendrich, DVB1. 1987, 505 (506). 163 BVerfGE 40, 371 (378); Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rn. 64; siehe auch oben S. 29. 164 VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); NVwZ 1990, 180; Storr, ThürVBl. 1993, 255 (257 f.); Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630). 159

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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dieser Argumentation ist der Wortlaut des § 45 Abs. lb S. 1 Nr. 3 StVO. Dieser Vorschrift zufolge „treffen die Straßenverkehrsbehörden auch die notwendigen Anordnungen zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und geschwindigkeitsbeschränkten Zonen". Die Straßenverkehrsbehörde könne nur die „Kennzeichnung" der Widmungsbeschränkung anordnen. Damit sei die verwaltungsinterne Befugnis ausgesprochen, die Straßenbaubehörde zur Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen anzuweisen. Die Straßenverkehrsbehörde sei jedoch nicht ermächtigt, eine Anordnung mit Wirkung gegenüber den Verkehrsteilnehmern zu erlassen165. Eine Kennzeichnung beinhalte einen Hinweis, aber keine Regelung166. Eine solche wäre auch nur dann zulässig, wenn sie zur Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs erforderlich wäre. Bei der Kennzeichnung von Fußgängerbereichen fehle es an dieser Voraussetzung, weil die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs nicht gefährdet, sondern bereits auf straßenrechtlicher Ebene gewahrt worden .167

sei . Demgegenüber geht die h. M. von einem Vorrang des Straßenverkehrsrechts aus. Das BayObLG führt aus, das Parken in Fußgängerbereichen sei als Verkehrsvorgang nach Straßenverkehrsrecht zu beurteilen168. Der Bundesgesetzgeber habe seine Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts (Art. 74 Nr. 22 GG) erschöpfend ausgeübt, so daß gleichlautende landesrechtliche Regelungen des Verkehrs in Fußgängerbereichen keinen Bestand haben könnten169. Die Verwendung von amtlichen Verkehrszeichen spreche gegen die Annahme, ein Verkehrszeichen diene nur der Kenntlichmachung der Widmungsbeschränkung170. Die Argumentation Schwabes, demzufolge Sicherheit und Ordnung des Verkehrs nicht gefährdet seien, eine Regelungsbefugnis der Straßenverkehrsbehörde also schon von den tatbestandlichen Voraussetzungen her nicht gegeben sei, schlägt fehl. Denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 15 StVG und § 45 Abs. lb S. 1 Nr. 4 StVO ist die Straßenverkehrsbehörde ermächtigt, die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung in Fußgängerbereichen zu treffen. Gemäß § 45 Abs. 4 StVO muß eine solche Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen erfolgen. Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung sind auch solche, die sicherstellen, daß der Fußgängerbereich nur im Rahmen der Widmung benutzt wird 171. Dies entspricht der bundesverfassungsgerichtlichen Abgrenzung von Straßen- und Straßenverkehrsrecht, derzufolge 165 166 167 168 169 170 171

Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630). Storr, ThürVBl. 1993, 255 (257). Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630 f.). BayObLG, NJW 1986, 1002. BayObLG, NJW 1986, 1002; ebenso Bouska, DAR 1987, 97 (102). BayObLG, NJW 1986, 1002(1003). Vgl. Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rn. 65.3.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

es Aufgabe des Straßenverkehrsrechts ist, die Straßennutzung, die Ausübung des Gemeingebrauchs zu regeln172. Das BVerwG hat entschieden, die Regelungskompetenz des Straßenverkehrsrechts ende dort, wo verkehrsrechtliche Maßnahmen die straßenrechtliche Funktionsbestimmung einer Straße faktisch wieder aufheben würden173. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß verkehrsrechtliche Anordnungen zulässig sind, die nicht das straßenrechtlich bestimmte Verkehrsstatut, sondern nur das Nutzungsstatut betreffen. Wird folglich ein Fußgängerbereich durch Kraftfahrzeuge befahren, liegt wegen der Überschreitung des Gemeingebrauchs, aber auch wegen der potentiellen Gefährdung von Fußgängern, eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs vor. Zur Verhinderung des widmungsrechtlich nicht zugelassenen Fahrzeugverkehrs und zur Erhaltung der Sicherheit des Fußgängerverkehrs könnte die Straßenverkehrsbehörde deshalb grundsätzlich Anordnungen treffen. Zweifelhaft ist aber das Verhältnis des § 45 Abs. lb S. 1 Nr. 4 StVO zu Nr. 3 dieser Vorschrift. Den Vertretern der „straßenrechtlichen Lösung" ist recht zu geben, wenn sie daraufhinweisen, daß der Wortlaut des § 45 Abs. lb S. 1 Nr. 3 StVO eher gegen eine Regelungsbefugnis der Straßenverkehrsbehörde spricht174. Aus dem Wort „Kennzeichnung" kann dennoch nicht darauf geschlossen werden, daß die Straßenverkehrsbehörde nur zur Bekanntmachung der Widmung, nicht aber zu eigener Regelung ermächtigt sei. Denn sie ist nicht nur befugt, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen anzuordnen, gleiches gilt auch für verkehrsberuhigte Bereiche und geschwindigkeitsbeschränkte Zonen. Letztere werden jedoch auf rein straßenverkehrsrechtlicher Grundlage eingerichtet175, so daß hier jedenfalls mit „Kennzeichnung" eine verkehrsrechtliche „Anordnung" gemeint ist. Aus systematischer Sicht liegt es deshalb nahe, auch bei der „Kennzeichnung" von Fußgängerbereichen eine Befugnis zu einer eigenständigen verkehrsrechtlichen Regelung anzunehmen. Daß auch die „Kennzeichnung" eines Fußgängerbereichs eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung darstellt, wird deutlich, wenn man die Folgen dieser Maßnahme besieht: Aus § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO ergibt sich das Verbot, Fußgängerbereiche mit Kraftfahrzeugen zu befahren. Ist Fahrzeugverkehr ausnahmsweise durch Zusatzschild zugelassen176, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Darüber hinaus gelten besondere Sorgfalts- und 172

171

BVerfGE 67, 299 (321); siehe hierzu ausführlich S. 29.

BVerwGE 62, 376 (379): Zulassung beschränkten Kfz-Verkehrs in einem Fußgängerbereich. Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630); Storr, ThürVBl. 1993, 255 (257). 175 Bouska, DAR 1987, 97 (101); Cosson, DÖV 1983, 532 (537); Grote, in: Kodal/Krämer, Kap. 24, Rn. 69; Jagusch/Hentschel, § 45 StVO, Rn. 35; Steiner, V, Rn. 50; anders Randelzhofer, DAR 1987, 237 (243). Das ist nur möglich, wenn dies auch die Widmung vorsieht: BVerwGE 62, 376 (379).

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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Wartepflichten. Es kann nicht verkannt werden, daß die Kennzeichnung rechtliche Gebote und Verbote zur Folge hat. Damit stellt sie eine Regelung mit Außenwirkung, also eine Anordnung mit Verwaltungsaktsqualität dar. Der Begriff der Kennzeichnung läßt sich auch durch den systematischen Bezug zu § 45 Abs. lb S. 2 StVO konkretisieren. Demnach kann die Kennzeichnung nur im Einvernehmen mit der Gemeinde erfolgen. Hierdurch wird sowohl die Planungshoheit der Gemeinde als auch der kompetenzrechtliche Vorbehalt des Straßenrechts (Art. 70 Abs. 1 GG) gewahrt. Wenn wie in § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB vom Einvernehmen der Gemeinde die Rede ist, spricht alles dafür, einen mitwirkungsbedürftigen straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsakt anzunehmen. Die Gemeinde wird ihr Einvernehmen nur erteilen, wenn sie auf straßenrechtlicher Ebene die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Fußgängerbereiches geschaffen hat. Der Begriff der Kennzeichnung soll zum Ausdruck bringen, daß es der Straßenverkehrsbehörde verwehrt ist, eine von der planerischen Vorentscheidung der Gemeinde inhaltlich abweichende Regelung zu treffen 177. Das ändert jedoch nichts daran, daß sie mit der Entscheidung über die Aufstellung des Zeichens 242 eine verkehrsrechtliche Anordnung trifft. Schließlich sprechen für eine durch § 45 Abs. lb S. 1 Nr. 3 StVO gewährte Regelungsbefugnis Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Denn die straßenrechtliche Widmung kann eine inhaltliche Änderung erfahren, etwa in der Weise, daß Lieferverkehr nicht mehr ganztägig, sondern nur noch morgens zugelassen ist. In solchen Fällen muß sich ein Verkehrsteilnehmer grundsätzlich auf die bestehende Beschilderung verlassen können178. E. Wegfahrgebote aufgrund von § 44 Abs. 2 StVO I. Aufgaben der Polizei im Straßenverkehrsrecht Die Polizeigesetze regeln, daß die Polizei auch die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben zu erfüllen hat179. Im Bereich des Straßenverkehrs hat sie die Aufgabe, den Verkehr zu regeln (§ 44 Abs. 2 S. 1 StVO), und nimmt in Eilfällen die Aufgaben der Straßenverkehrsbehörden war (§ 44 Abs. 2 S. 2 StVO). Daß von der Aufgabenzuweisung nicht auf eine Eingriffs-

177

Wendrich, DVB1. 1987, 505 (507); vgl. Bouska, DAR 1987, 97 (102); Jagusch/Hentschel, § 45 StVO, Rn. 35; erst recht wäre von einer straßenverkehrsrechtlichen Regelung auszugehen, wenn man wie Randelzhofer, DAR 1987, 237 (241), sogar eine Teilhabe an der inhaltlichen Entscheidung der Gemeinde annimmt. 178 So auch Cosson, DÖV 1983, 532 (535) m. w. Nachw. 179 Vgl. § 1 Abs. 4 MEPolG; § 1 Abs. 2 bwPolG.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

befugnis geschlossen werden kann, sondern der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine gesetzliche Ermächtigungsnorm erfordert, gehört heute zum gesicherten Bestand der polizeirechtlichen Dogmatik180. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob die Polizei bei Erfüllung der in § 44 Abs. 2 StVO normierten Aufgaben im Zusammenhang mit dem Entfernen von abgestellten Kraftfahrzeugen in Rechte des Bürgers einzugreifen vermag. II. Ermächtigungsgrundlagen in § 44 Abs. 2 S. 1 und 2 StVO Betrachtet man die amtliche Überschrift des § 44 StVO, so erscheint es zweifelhaft, ob § 44 Abs. 2 S. 1 und 2 StVO überhaupt zu Eingriffen in subjektive Rechte des Bürgers ermächtigen. Denn ausweislich der amtlichen Überschrift regelt § 44 StVO die sachliche Zuständigkeit, so daß es naheliegt, in der in Absatz 2 getroffenen Regelung eine bloße Zuständigkeitsregelung zugunsten der 181

Polizei zu sehen Für eine Eingriffsermächtigung 182 spricht jedoch der Wortlaut des § 44 Abs. 2 StVO: Heißt es dort in Satz 1 „Die Polizei ist befugt [...]" und in Satz 2 „kann [...] die Polizei [...] tätig werden", so sind dies Formulierungen, wie sie typischerweise zur Einräumung von Eingriffsbefugnissen verwendet werden. Eine solche Auslegung ist um so mehr geboten, als es sonst für polizeiliche Eingriffe durch Weisungen oder Lichtzeichen (§§ 36, 37 StVO) an einer Rechtsgrundlage fehlen würde. § 36 Abs. 1 S. 1 StVO spricht zwar die Pflicht aus, die Zeichen und Weisungen der Polizeibeamten zu befolgen. Eine normative Pflicht vermag jedoch die für Rechtseingriffe gem. Art. 20 Abs. 3 GG erforderliche 183

(materiell-) gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht zu ersetzen . § 36 Abs. 1 S. 1 StVO hat denn auch nicht die Funktion, Eingriffsbefugnisse zu vermitteln184, sondern in Verbindung mit §§ 49 Abs. 3 Nr. 1 StVO, 24 StVG die Bußgeldbewehrung der genannten Anordnungen zu ermöglichen. Die Regelungen

180 Vgl. nur Gusy, Rn. 12; Reichert/Ruder, Rn. 209 f.; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 1 20:1 8Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 108. So wohl Steckert, DVB1. 1971, 243 (244) und Wiethaup, DAR 1973, 264 (265). 182 Die Normierung einer Eingriffsbefugnis in § 44 Abs. 2 StVO ist durch die Verordnungsermächtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 17 StVG in Art. 80 Abs. 1 GG genügender Weise gedeckt. 183 Vgl. Schoch, JuS 1994, 486. 184 Α. A. Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 36 StVO, Rn. lb und § 44 StVO, Rn. 3, der § 42 Abs. 2 S. 1 StVO nur eine klarstellende Bedeutung im Hinblick auf die Befugnis zur Bedienung von Lichtzeichenanlagen beimessen will; Mußmann, Rn. 106.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

61

in § 44 Abs. 2 S. 1 und 2 StVO werden demzufolge überwiegend als Eingriffs185

befugnisse verstanden . III. Wegfahrgebot durch Weisung, § 44 Abs. 2 S. 1 StVO 1. Voraussetzungen polizeilicher

Weisungen

Die Polizei ist gem. § 44 Abs. 2 S. 1 StVO befugt, den Straßenverkehr durch Zeichen, Weisungen und Lichtzeichenanlagen zu regeln. Wie sich aus der Begründung zu § 44 Abs. 2 StVO ergibt, sind „Polizei" sowohl die einzelnen Polizeibeamten als auch die Polizeibehörden, die zur Verkehrsüberwachung zuständig sind186. Der Begriff des Straßenverkehrs umfaßt nur den Verkehr auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen187. Weisungen zur Regelung des Verkehrs auf privaten Flächen sind somit nicht zulässig. Zeichen sind die in § 36 Abs. 2 StVO aufgeführten Hand- und Armbewegungen. Ihnen dürfte (ebenso wie Lichtzeichenanlagen) im Zusammenhang mit dem Entfernen von Kraftfahrzeugen keine Bedeutung zukommen, so daß sich die Untersuchung auf die Frage konzentrieren kann, ob die Polizei gem. § 44 Abs. 2 S. 1 StVO durch „Weisungen" das Entfernen von Kraftfahrzeugen anordnen kann. Das setzt voraus, daß eine Anordnung diesen Inhalts als „Weisung" i. S. d. §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 StVO anzusehen ist. 2. Der Weisungsbegriff

in Rechtsprechung und Literatur

Eine Weisung i. S. d. §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 StVO ist nach ganz überwiegender Ansicht188 gegeben, wenn eine Anordnung (Verwaltungsakt) an ei-

185

Hiltl, S. 22; Möhl, in: Müller, § 44 StVO, Rn. 3; Mühlhaus/Janiszewski, § 44 StVO, Rn. 2. Von einer in § 44 Abs. 2 S. 2 StVO enthaltenen Eingriffsbefugnis gehen aus: BGH, VersR 1978, 1070; OVG Münster, VRS 48, 478 (479); OLG Stuttgart, VRS 59, 464 (465); Booß, S. 487; Gornig/Jahn, S. 229; Jagusch/Hentschel, § 44 StVO, Rn. 6; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247); Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 44 StVO, Rn. 2; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 111; Spöhr, § 44, Rn. 5; Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (599); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 18 Begründung zu § 44 StVO, abgedruckt bei Jagusch, 21. Auflage, München 1974, §44 StVO, Rn. 1; siehe auch Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, §44 StVO, Rn. 7; Rüth in: Rüth/Berr/Berz, § 44 StVO, Rn. 2. 18 Vgl. Bouska, DAR 1984, 33; Jagusch/Hentschel, § 1 StVO, Rn. 13; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 1 StVO, Rn. 1. 188 BVerwG, VerkMitt 1975, 75 (76); BGUSt 32, 248 (252); KG, VRS 11, 379 ff.; OLG Koblenz VRS 61, 68; 71, 70; OLG Hamm, VRS 16, 382; 46, 397 (398); 52, 208 (210); OLG Köln, VRS 59, 462; 64, 59; 67, 62; OLG Düsseldorf, VRS 60, 149 (150);

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

nen bestimmten Verkehrsteilnehmer oder einen bestimmbaren Personenkreis aus einem augenblicklichen Verkehrsbedürfriis heraus zur unmittelbaren R lung des Verkehrs ergeht. Mit der Beschränkung auf ein augenblickliches Verkehrsbedürfhis soll ausgedrückt werden, daß es sich um eine Anordnung aus dem aktuellen Verkehrsgeschehen heraus, um spontanes Eingreifen der Polizei ohne verkehrsregelnde Dauerwirkung handeln müsse189. Zur unmittelbaren Regelung des Verkehrs ergehe die Anordnung, wenn sie auf einen bestimmten, gerade stattfindenden oder unmittelbar bevorstehenden Verkehrsvorgang einwirken und dessen Beziehung zum übrigen Verkehr regeln solle190. Damit wurden Anordnungen für zukünftige Fälle und dem Verkehr nicht spezifisch eigentümliche Konflikte vom Weisungsbegriff ausgeschlossen. Unter Verkehr wird sowohl der fließende als auch der ruhende Straßenverkehr verstanden191. Polizeiliche Anordnungen sollen nach einer in der Rechtsprechung192 und in 193

der Literatur herrschenden Auffassung dann keine Weisungen sein, wenn sie lediglich auf die Einhaltung der allgemeinen Regeln gerichtet seien und nicht aus Anlaß eines konkreten Verkehrsbedürfnisses erfolgten. Das OLG Düsseldorf etwa führt als Begründung an: „Anordnungen, die nur einen verkehrswidrigen Zustand beseitigen oder verhüten sollen, [...] beabsichtigen nicht eine besondere Verkehrssituation zu regeln"194. Ähnlich argumentiert Bouska , demzufolge eine „konkrete Verkehrslage" betroffen sein müsse, eine Weisung zur bloß „formalen Bereinigung einer rechtswidrigen Situation" hingegen unzulässig sei. Er sieht eine Anordnung nur dann als Verkehrsregelung an, wenn eine mit „nicht ganz fern liegender Wahrscheinlichkeit zu erwartende Gefähr71, 307 (308); 72, 296 (298); NZV 1994, 408; Bouska, DAR 1984, 33 f.; Cramer , § 36 StVO, Rn. 12; Hiltl, S. 30; Jagusch/Hentschel, § 36 StVO, Rn. 19; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 36 StVO, Rn. 1; Möhl, in: Müller, § 36 StVO, Rn. 3; Mühlhaus/Janiszewski, § 36 StVO, Rn. 3; Spöhr, § 36, Rn. 6. 189 OLG Hamburg, VRS 11, 383 (388); Möhl, in: Müller, § 36 StVO, Rn. 3. 190 KG, VRS 11, 379 (380); OLG Hamm, VRS 46, 397 (398); Möhl, in: Müller, § 36 StVO, Rn. 3. 191

Jäger, in: HK-StVR, § 36, Rn. 10; Jagusch/Hentschel, § 36 StVO, Rn. 19; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 36 StVO, Rn. 2; OLG Köln, VRS 20, 300; OLG Hamm, VRS 16, 382; 46, 397 (398); 52, 208; OLG Düsseldorf, VRS 71, 307. 192 BVerwG, VerkMitt 1975, 75 (76); BGUSt 32, 248 (250 ff.); OLG Koblenz, VRS 71, 70; OLG Hamm, VRS 52, 208 (210); 53, 386 (387); OLG Düsseldorf, VRS 60, 149 (150); 72, 296 (298); NZV 1994, 408; OLG Köln, VRS 20, 300; 67, 62 f. 1 Booß, S. 325; Bouska, DAR 1984, 33 (34); Cramer, § 36 StVO, Rn. 13; Jagusch/Hentschel, § 36 StVO, Rn. 19; Mühlhaus/Janiszewski, § 36 StVO, Rn. 4; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 36 StVO, Rn. 4; Spöhr, § 36, Rn. 6; a. Α.: Hiltl, S. 30; Jäger, in: HK-StVR, § 36, Rn. 12; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 36 StVO, Rn. lc. 194 OLG Düsseldorf, VRS 60, 149; ähnlich Mühlhaus/Janiszewski, § 36 StVO, Rn. 4; vgl. auch Cramer, § 36 StVO, Rn. 13. 195 DAR 1984, 33 (34); ebenso OLG Düsseldorf, NZV 1994, 408.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

63

dung, Behinderung oder Belästigung anderer zu beseitigen bzw. zu verhindern" sei. Demnach wären Weisungen der Polizei zur Beendigung verbotswidrigen Parkens nur möglich, wenn das Fahrzeug über den bloßen Regelverstoß hinaus noch eine konkrete Belästigung, Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer bedeuten würde. 3. Eingrenzung des Weisungsbegriffs a) Ansätze für eine restriktive Bestimmung des Weisungsbegriffs Rein sprachlich könnte der Begriff „Weisung" den gleichen Bedeutungsgehalt wie „Anordnung" haben, also die Handlungsform Verwaltungsakt bezeichnen. Aus § 36 Abs. 1 S. 2 StVO ergibt sich jedoch, daß der Verordnungsgeber die Begriffe Weisung und Anordnung nicht synonym gebraucht, sondern die Weisung als speziellen, vorrangig einschlägigen Unterfall von „anderen Anordnungen" versteht196. Für eine engere Begriffsbestimmung sprechen weiterhin die Regelungen des § 36 Abs. 5 StVO. Diese wären bei einer weiten 197

Auslegung überflüssig , da die in Absatz 5 genannten Anweisungen dann auch durch Weisung i. S. d. Absatzes 1 erteilt werden könnten. Eine bedeutsame Einschränkung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO, demzufolge als Weisungen nur verkehrsregelnde Anordnungen in Betracht kommen. Dem entspricht es, wenn nach dem eingangs dargestellten Weisungsbegriff der h. M. nur solche Maßnahmen eine Weisung darstellen, die zur unmittelbaren Regelung des Verkehrs ergehen. Folglich scheiden nicht verkehrsbezogene Anordnungen als Weisungen aus. Fraglich ist jedoch, ob alle verkehrsbezogenen polizeilichen Maßnahmen damit dem Weisungsbegriff unterfallen oder ob Gründe für eine noch restriktivere Auslegung sprechen. b) Das Verhältnis des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO zu den Befugnissen der Straßenverkehrsbehörde Von entscheidender Bedeutung für die Konturierung des Weisungsbegriffs ist die Bestimmung des Verhältnisses zwischen § 44 Abs. 2 S. 1 StVO und den Befugnissen der Straßenverkehrsbehörde.

196

Begründung zu § 36 Abs. 1 StVO, abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Rn. 2-9. 197 Vgl. BGUSt 32, 248 (253); OLG Koblenz, VRS 61, 68 (69).

§ 36 StVO,

64

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

(1) Weisungen bei Verstoß gegen Verkehrszeichen? Die Notwendigkeit einer genauen Grenzziehung zwischen polizeilicher und straßenverkehrsbehördlicher Verkehrsregelung zeigt sich an dem folgenden einfachen Beispielsfall: Ein Polizeibeamter fordert eine Person auf, ihr Fahrzeug aus dem Bereich eines Haltverbots zu entfernen. Wie ist das Verhalten des Polizeibeamten rechtlich zu qualifizieren? Das BVerwG, das OLG Hamm und das OLG Düsseldorf haben das Vorliegen einer unmittelbar verkehrsregelnden Anordnung verneint und sich gegen die Annahme einer Weisung ausgesprochen198. Das OLG Köln hatte einen ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden und befunden, daß Anordnungen, die nicht selbst eine Verkehrsregelung treffen wollten, „sondern nur der Durchset199

zung einer bereits getroffenen Regelung dienen" keine Weisungen seien . Jäger wendet hiergegen ein, daß es keinen Grund gebe, andauerndes verkehrsordnungswidriges Parken anders zu behandeln als etwa fortdauernde Geschwindigkeitsüberschreitungen200. Im einen Fall handele es sich um eine Regelung des ruhenden, im anderen um eine solche des fließenden Verkehrs. Da die §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO nicht zwischen ruhendem und fließendem Verkehr unterschieden, stelle in beiden Fällen das polizeiliche Einschreiten durch Verwaltungsakt bei andauerndem Regelverstoß eine Regelung einer konkreten Verkehrssituation dar 201. Diese den Weisungsbegriff weit auslegende Auffassung wird der Systematik und Ratio der §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 StVO nicht gerecht. (2) Die Systematik der Aufgabenzuweisungen in den §§ 44, 45 StVO Eine sachgerechte Abgrenzung der Eingriffsbefugnisse in § 44 Abs. 2 S. 1 StVO und § 44 Abs. 2 S. 2 StVO läßt sich nur in der Weise erbringen, daß Satz 1 zumindest jene Verkehrssituationen nicht betrifft, die von Satz 2 erfaßt werden. Denn § 44 Abs. 2 S. 2 StVO läßt ein Tätigwerden der Polizei an Stelle der Straßenverkehrsbehörde nur unter Einschränkungen (Gefahr im Verzug, Vorläufigkeit der Maßnahmen) zu, während die Ermächtigung zur Erteilung von Weisungen in § 44 Abs. 2 S. 1 StVO solche Einschränkungen nicht kennt. Stünden § 44 Abs. 2 S. 1 StVO und § 44 Abs. 2 S. 2 StVO zueinander nicht in einem Verhältnis der Exklusivität, könnten die engeren Voraussetzungen des 198

BVerwG, VerkMitt 1975, 75 (76); OLG Hamm, VRS 53, 386 (387); OLG Düsseldorf, VRS 72, 296 (298). 199 OLG Köln, VRS 67, 62 (63); ebenso KG, VRS 11, 379 (381 f.). 200 In: HK-StVR, § 36, Rn. 12 mit Hinweis auf OLG Stuttgart, NJW 1984, 1572. 201 Jäger, in: HK-StVR, § 36, Rn. 12; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 36 StVO, Rn. lc; vgl. OLG Hamm, VRS 52, 208.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

65

Satzes 2 durch ein Handeln nach Satz 1 umgangen werden, so daß die Regelung einer Ausnahmebefugnis in § 44 Abs. 2 S. 2 StVO überflüssig wäre. Damit ergibt sich auch eine klare Abgrenzung der Aufgaben und Zuständigkeiten von Polizei und Straßenverkehrsbehörde: Die Straßenverkehrsbehörde regelt und lenkt den Verkehr durch Verkehrszeichen und -einrichtungen (§ 45 Abs. 4 StVO). Ist im Eilfall ein rechtzeitiges Tätigwerden der Straßenverkehrsbehörde nicht möglich, dann kann die Polizei nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 S. 2 StVO diejenigen Maßnahmen ergreifen, die im Normalfall in die Zuständig202

keit der Straßenverkehrsbehörde fallen würden . Für Inhalt und Umfang der nach § 44 Abs. 2 S. 1 StVO zulässigen Weisungen folgt daraus, daß diese nur solche Verkehrsregelungen zum Gegenstand haben können, die nicht in den Aufgabenbereich der Straßenverkehrsbehörde fallen. (3) Die Ratio der §§ 44 Abs. 2 S. 7, 36 Abs. 1 StVO Die systematische Auslegung hat ergeben, daß dem Weisungsbegriff diejenigen Verkehrsregelungen nicht unterfallen können, die durch die §§ 44, 45 StVO der Straßenverkehrsbehörde zugeordnet sind. Dieser Gedanke läßt sich bei teleologischer Betrachtungsweise noch weiter präzisieren. Die Polizei wird durch § 44 Abs. 2 S. 1 StVO für zuständig erklärt, „weil der Straßenverkehr fortwährend neue, von den Behörden nicht vorauszusehende [...] Verwicklungen mit sich bringt, die nur durch sofortiges Eingreifen eines hierbei gegenwärtigen polizeilichen Aufsichtsbeamten beseitigt werden können"203. Die Straßenverkehrsbehörden sind im wesentlichen auf Anordnungen durch Verkehrszeichen und -einrichtungen beschränkt (§ 45 Abs. 4 StVO). Verkehrszeichen und -einrichtungen sind jedoch zur Verkehrsregelung ungeeignet, wenn Konflikte im Straßenverkehr nicht vorhersehbar sind (ζ. B. Unfälle) und für einen meist nur kurzen Zeitraum, „aus einem augenblicklichen Verkehrsbedürfnis heraus" sofort geregelt werden müssen. Einzig erfolgversprechend ist hier ein Tätigwerden vor Ort anwesender Polizeivollzugsbeamter, die durch Zeichen, mündlich ausgesprochene Anordnungen oder die Bedienung von Lichtzeichenanlagen in der Lage sind, auf die Erfordernisse des Verkehrs flexibel zu reagieren und ordnend einzugreifen. Ein solches Verständnis ist auch in § 36 Abs. 1 S. 2 StVO angelegt. Dort wird über die polizeilichen Zeichen und Weisungen ausgesagt: „Sie gehen allen anderen Anordnungen und sonstigen Regeln vor". Die vorrangige Geltung der Weisungen ist deshalb gerechtfertigt, weil sie der situationsgerechten Regelung

202 2 0 3 Zur

näheren Bestimmung Maßnahmen siehe S.DAR 69 ff.1952, 44; Jäger, in: HKKG, VRS 11, 379 (380);dieser vgl. auch OLG Neustadt, StVR, § 36, Rn. 2; Möhl, in: Müller, § 36 StVO, Rn. 3. 5 Schieferdecker

66

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

von Einzelfallkonflikten dienen, sich die allgemeine Regelung aber im Einzelfall als ungeeignet erweisen kann (4) Bedeutung der Auslegungsergebnisse für den Weisungsbegriff § 44 Abs. 2 S. 1 StVO hat gegenüber der vorrangigen Regelungskompetenz der Straßenverkehrsbehörde eine generalklauselartige Auffangfunktion: Die Vorschrift greift nur dann ein, wenn ein Verkehrsbedürfnis wegen seiner Plötzlichkeit und Kurzfristigkeit durch straßenverkehrsbehördliche Anordnung in der Form von Verkehrszeichen oder -einrichtungen nicht geregelt werden kann. Demgegenüber erfolgt „die allgemeine Dauerregelung des Verkehrs durch die anderen Anordnungen und sonstigen Regeln"204 i. S. d. § 36 Abs. 1 S. 2 StVO, also durch die Verkehrsregeln, Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen. Hat die Straßenverkehrsbehörde durch Verkehrszeichen bereits eine Anordnung getroffen, dann kann diese Anordnung mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Da das betreffende Verkehrsverhalten bereits eine Regelung erfahren hat, greift die Auffangbefugnis des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO nicht ein. Bei einem Verstoß gegen Verkehrszeichen stellt sich folglich nicht die Notwendigkeit, eine konkrete Verkehrssituation zu regeln und zu ordnen, sondern die Notwendigkeit, die bereits getroffene Regelung durchzusetzen205. Vollstreckungsrechtliche Befugnisse gewährt § 44 Abs. 2 S. 1 StVO jedoch schon seinem klaren Wortlaut nach nicht. Eine gleichwohl erfolgende Anordnung eines Polizeibeamten des Inhalts, ein Verkehrszeichen zu beachten und ein Fahrzeug aus dem so angeordneten Haltverbot zu entfernen, ist folglich von §§44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO nicht gedeckt und stellt keine Weisung dar 206. Eine Aufforderung der Polizei, das gebotswidrig geparkte Fahrzeug zu entfernen, ist regelmäßig als bloßer Hinweis auf die Verkehrszeichenregelung, die drohende Vollstreckung oder das eventuell einzuleitende Ordnungswidrigkeitenverfahren zu verstehen 0 7 . In diesem Sinn haben die bereits genannten Entscheidungen des OLG Hamm, des OLG Düsseldorf und des OLG Köln die jeweiligen

204

OLG Hamm, VRS 53, 386 (387). Vgl. OLG Hamm, VRS 53, 386 (387); OLG Köln, VRS 67, 62 (63); Cramer , § 36 StVO, Rn. 13; Spöhr, § 36, Rn. 4. 206 Α. Α.: Hiltl S. 32; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 36 StVO, Rn. lc. Da der Verstoß gegen das Verkehrszeichen eine Ordnungswidrigkeit darstellt, kann die Anordnung zur Abwehr dieser Störung der öffentlichen Sicherheit auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt werden (siehe S. 78 ff.; dazu, daß polizeirechtliche Maßnahmen durch die Möglichkeit der Vollstreckung des Wegfahrgebots nicht ausgeschlossen werden siehe S. 141 ff.). 2 Möhl, in: Müller, § 36 StVO, Rn. 3; Spöhr, § 36, Rn. 4. 205

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

67

Handlungen der Polizeibeamten als Hinweise auf die bestehende Regelung ohne Verwaltungsakts- und Weisungscharakter behandelt208. Mangels Verkehrsregelung liegt eine Weisung auch dann nicht vor, wenn die Polizei einen Verkehrsteilnehmer auf einen bereits abgeschlossenen, vergangenen Regelverstoß hinweist oder vor einem erst bevorstehenden Verstoß abhalten will 209 . Die gegen diese Ansicht erhobenen Einwände von Jäger, das Handeln der Polizei bei Verstoß gegen ein Haltverbotszeichen könne nicht anders beurteilt werden als bei einem Verstoß gegen eine durch Verkehrszeichen angeordnete 210

Geschwindigkeitsbegrenzung , greifen nicht durch. Denn im Unterschied zu verbotswidrigem Parken führt das zu schnelle Fahren regelmäßig zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit. Darin liegt ein konkretes Verkehrsbedürfnis, das durch Weisung der Polizei (Haltgebot) geregelt werden kann. Es wird nicht bestritten, daß eine Weisung auch im ruhenden Verkehr in Betracht kommt, wenn über den Verkehrszeichenverstoß hinaus eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und damit ein konkretes Regelungsbedürfnis gegeben ist211. c) Das Verhältnis des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO zu den allgemeinen Verkehrsregeln Die h. M. schließt nicht nur solche Anordnungen vom Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO aus, die auf die Durchsetzung der durch Verkehrszeichen angeordneten Verkehrsregelung gerichtet sind. Mit Recht werden auch polizeiliche Anordnungen, die die Einhaltung der allgemeinen Verkehrsregeln (Verbote und Gebote der StVO) sicherstellen sollen, dem Begriff der Weisung entzogen. Nach h. M. macht es somit keinen Unterschied, ob der in dem oben erwähnten Beispiel zum Wegfahren aufgeforderte Fahrer im Bereich eines Haltverbotszeichens oder im Bereich eines unmittelbar durch die StVO (insbesondere § 12 StVO) geregelten Haltverbots parkt. Dieses Ergebnis kann nun nicht wie im Fall einer bestehenden Verkehrszeichenregelung aus der Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Straßenver208

OLG Hamm, VRS 53, 386 (387); OLG Düsseldorf, VRS 72, 296 (298); OLG Köln, VRS 67, 62 (63). 209 Vgl. OLG Düsseldorf, VRS 72, 296 (298). Weisungen sollen jedoch „vorausschauend" im Hinblick auf ein in Zukunft zu erwartendes Verkehrsbedürfnis erteilt werden können: OLG Düsseldorf, VRS 60, 149 (150); Bouska, DAR 1984, 33 (34); Jagusch/Hentschel, § 36 StVO, Rn. 19; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 36 StVO, Rn. 4. 210 Jäger, in: HK-StVR, § 36, Rn. 12; siehe im Text bei Fn. 200. 211 Vgl. OLG Düsseldorf, NZV 1994, 408; Bouska,, DAR 1984, 33 (34); Cramer , §36 StVO, Rn. 13.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

kehrsbehörde abgeleitet werden. Denn die Straßenverkehrsbehörde ist nicht befugt, die Verbots- und Gebotsnormen der StVO durch Verwaltungsakt im Einzelfall zu konkretisieren (vgl. § 45 Abs. 4 StVO). Die Ratio des § 44 Abs. 2 S. 1 StVO spricht jedoch dafür, auch solche Anordnungen dem Weisungsbegriff zu entziehen. Die Vorschrift soll sicherstellen, daß auch jene Verkehrssituationen, die nicht voraussehbar und durch eine allgemeine Regelung erfaßbar sind, im Einzelfall geklärt und geregelt werden können. Soweit die allgemeinen Regelungen durch Verkehrszeichen oder Verkehrsregeln (Verbots- und Gebotsnormen der StVO) ein Verkehrsgeschehen erfassen, sind auf diese Weise die Rechte und Pflichten der beteiligten Verkehrsteilnehmer ausreichend geregelt. Der Umstand, daß gegen die allgemeine Verkehrsregelung verstoßen wird, macht zwar ein polizeiliches Einschreiten wegen Verletzung der Rechtsordnung (Störung der öffentlichen Sicherheit) erforderlich, genau genommen hat eine solche Maßnahme jedoch nicht eine Regelung der Beziehungen zwischen Verkehrsteilnehmern, sondern die Beendigung der Störung der öffentlichen Sicherheit zum Gegenstand. Die Maßnahme ist also nicht verkehrsrechtlicher, sondern polizeirechtlicher Art. Eine solche Abgrenzung ist kraft Verfassungsrechts geboten. Zwar ist der Bund gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG für Regelungen des Gefahrenabwehrrechts im Bereich des Straßenverkehrs zuständig. Die Ausübung dieser bereichsspezifischen Gesetzgebungskompetenz darf jedoch nicht zur Aushöhlung der Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts (Art. 70 GG) führen. Eine sachgerechte Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern kann nur in der Weise erfolgen, daß das Straßenverkehrsrecht die Verhaltensanforderungen regelt, die an die Verkehrsteilnehmer zu stellen sind. Die Durchsetzung der gesetzlichen Verhaltenspflichten ist hingegen Aufgabe des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts. Die vorgenommene restriktive Auslegung der §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 StVO ist auch aus einem weiteren Grund berechtigt. Die Zuwiderhandlung gegen eine polizeiliche Weisung verwirklicht gem. §§24 StVG, 49 Abs. 3 Nr. 1 StVO den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktioniert ist jedoch bereits die Verletzung der allgemeinen Verkehrsregel212. Die bloße Wiederholung der allgemeinen Verkehrsregelung durch die Polizei würde folglich die erneute Begehung einer Ordnungswidrigkeit zur Folge haben. Das erscheint angesichts dessen, daß ansonsten im Polizeirecht die Nichtbeachtung einer Grundverfügung zwar Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nach sich ziehen kann, jedoch regelmäßig kein ordnungswidrigkeitenrechtlich erfaßbares Unrecht darstellt, nicht gerechtfertigt.

212

Bei einem Verstoß gegen die Halt- und Parkverbote des § 12 StVO ergibt sich dies aus § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO, bei einer Mißachtung des durch Verkehrszeichen angeordneten Halte- oder Parkverbots aus § 49 Abs. 3 Nr. 4 und 5 StVO.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

69

Nach alledem ist es geboten, Anordnungen, die auf Einhaltung der Verbotsnormen der StVO gerichtet sind, dem Anwendungsbereich der §§ 44 Abs. 2 S. 213

1, 36 Abs. 1 StVO zu entziehen und eine Weisung nur zu bejahen, wenn zugleich eine Verkehrssituation gegeben ist, die von den allgemeinen Regelungen des Verkehrs nicht erfaßt wird, so etwa bei konkreter Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer214. 4. Der Anwendungsbereich der §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO Eine Weisung i. S. d. §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO liegt vor, wenn die Polizei aus einem augenblicklichen, nicht auf Dauer angelegten Verkehrsbedürfnis heraus zur unmittelbaren Regelung des Verkehrs, das heißt der Verhältnisse zwischen den Verkehrsteilnehmern tätig wird. Eine solchermaßen verkehrsbezogene Regelung liegt nicht vor, wenn die Anordnung der Polizei nicht auf die Abwehr einer Belästigung, Behinderung oder Gefährdung von Verkehrsteilnehmern oder auf die Lenkung des Verkehrs (z.B. bei Unfällen), sondern auf die Einhaltung der allgemeinen Verkehrsregelungen gerichtet ist. Die Einhaltung der allgemeinen Gebots- und Verbotsnormen ist Gegenstand des Polizeirechts und nicht des Straßenverkehrsrechts. Da das Straßenverkehrsrecht anders als das Polizeirecht auch keine Handhabe zur unmittelbaren Ausführung von Weisungen gegenüber Verkehrsteilnehmern bietet, können Wegfahrgebote auf der Grundlage der §§44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO nur gegenüber anwesenden Verkehrsteilnehmern erlassen werden. Damit kommt Weisungen als Handlungsinstrumentarium der Polizei bei der Bewältigung der Abschleppfälle nur eine untergeordnete Rolle zu. IV. Eilmaßnahmen der Polizei, § 44 Abs. 2 S. 2 StVO 1. Überblick Die Rechtsprechung hat bis Ende der 70er-Jahre überwiegend § 44 Abs. 2 S. 2 StVO als Rechtsgrundlage für das Abschleppen eines Kraftfahrzeugs herangezogen215. Begründet wurde diese Auffassung nicht. Lediglich der VGH Mannheim hat sich ansatzweise mit der Problematik beschäftigt und erwogen „die Straßenverkehrsbehörde auf Grund der ihr allgemein zugewiesenen Aufgabe der Verkehrssicherung auch für berechtigt zu halten, ggfs. eine Anord213

KG, VRS 11, 379 (381 f.); Möhl, in: Müller, § 36 StVO, Rn. 3. Vgl. OLG Hamm, VRS 52, 208 (210); OLG Düsseldorf, VRS 60, 149 (150); Bouska, DAR 1984, 33 (34); Jäger, in: HK-StVR, § 36, Rn. 11 f. 215 BGH, VersR 1978, 1070; OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589); 1973, 922 (923); VG Frankfurt, DVBl. 1965, 779. 214

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

nung für das Abschleppen eines Fahrzeugs zu treffen" 216. Soweit sich in der Literatur Äußerungenfinden, wird es heute fast einmütig abgelehnt, polizeiliche Entfernungsgebote auf § 44 Abs. 2 S. 2 StVO zu stützen21 . 2. Aufrechterhaltung

von Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehr

Auf der Grundlage des § 44 Abs. 2 S. 2 StVO kann die Polizei im Eilfall einschreiten, um eine Störung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu verhindern bzw. zu beseitigen. Derartige Störungen, wie etwa die Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer und die Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs, können auch durch das Abstellen eines Kraftfahrzeugs hervorgerufen werden. 3. Wahrnehmung der Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde

im Eilfa

Die Polizei ist jedoch nur befugt, bei Gefahr in Verzug an Stelle der Straßenverkehrsbehörde tätig zu werden, also dann, wenn ein sofortiges Einschreiten erforderlich ist, weil die an sich zuständige Straßenverkehrsbehörde die ihr zugewiesenen Aufgaben nicht rechtzeitig erfüllen kann218. Durch das Tatbestandsmerkmal an Stelle ist bestimmt, daß die Polizei sachlich keine weitergehende Zuständigkeit hat als die Straßenverkehrsbehörde, sie erfüllt deren Aufgaben nur „stellvertretend". Die Aufgaben und Befugnisse der Straßenverkehrsbehörde ergeben sich aus §§ 44, 45 StVO. Danach obliegt es der Straßenverkehrsbehörde im wesentlichen, die Bestimmungen der StVO durchzuführen und den Verkehr durch Einsatz von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen (§ 45 Abs. 4 S. 1. Halbsatz StVO) zu regeln. Zwar ist die Polizei nicht auf dieses Handlungsinstrumentarium beschränkt219. Sie kann zum einen gem. § 44

216

VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (169) - letztlich offen gelassen. Bouska, DAR 1983, 147 (148); Gornig/Jahn, S. 230; Klenke, NWVB1. 1994, 288; Mühlhaus/Janiszewski, § 44 StVO, Rn. 3; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 111; Schwab, VD 1986, 225 (227); Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (599); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486; a. Α.: Hiltl, S. 41; ihm folgend Biletzki, NZV 1996, 303 (304); wohl auch Booß, S. 487. 2 Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 7, 5 b (S. 118 mit Fn. 56) und § 7, 5 c (S. 127); Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 44 StVO, Rn. 4; Reichert/Ruder, Rn. 113. Eine nicht unerhebliche abzuwehrende Gefahr verlangen Würtenberger/Heckmann/Ri^ert, Rn. 128. Mißverständlich ist es daher, wenn Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 44 StVO, Rn. 4 schreibt, die Polizei sei „zu Eingriffen unter Aufstellung von Verkehrszeichen oder Anbringung von Verkehrseinrichtungen" berechtigt. 217

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

71

Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz StVO die „Mittel zur Sicherung und Lenkung des Verkehrs" bestimmen, zum anderen ist sie auch keine Behörde i. S. d. § 45 Abs. 4 StVO220. Da sie aber nur an Stelle der gem. § 45 Abs. 1 S. 1 StVO zuständigen Straßenverkehrsbehörde handeln darf, kann sie gem. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO nur diejenigen Maßnahmen treffen, die auch die Straßenverkehrsbehörde durch 221

Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen ergreifen könnte . Insbesondere ist die Polizei deshalb nur zu verkehrsregelnden Anordnungen befugt. Die Straßenverkehrsbehörde kann zwar durch Verkehrszeichen Halt- und Parkverbote und entsprechende Wegfahrgebote aussprechen, sie vermag jedoch aufgrund ihrer straßenverkehrsrechtlichen Zuständigkeit keine Maßnahmen zur Beseitigung von Verkehrsverstößen zu treffen 222. Die Durchsetzung oder unmittelbare Ausführung der straßenverkehrsrechtlichen Ge- und Verbote richtet sich nach Landesrecht, nach Polizei- und Ordnungsrecht oder nach Verwaltungs vollstreckungsrecht223. Polizeiliche Anordnungen können folglich nur dann auf § 44 Abs. 2 S. 2 StVO gestützt werden, wenn sie der Verkehrsregelung dienen und nicht allein der Beseitigung von Regelverstößen. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO ermöglicht somit eine polizeiliche Verkehrsregelung bei Unfällen, Überschwemmungen und ähnlichen Fallgestaltungen. Entfernungsgebote sind allenfalls in der Weise denkbar, daß die Polizei zur Verkehrsregelung Haltverbotszeichen aufstellt (Beispiel: Sperrung einer durch Regen unterspülten Straße durch Errichtung des Zeichens 250). 4. Vorläufige

Maßnahmen

Für eine Beschränkung der Eilbefugnis auf verkehrsregelnde Anordnungen spricht auch das Erfordernis nur vorläufiger Maßnahmen. Die überwiegende Auffassung in der Literatur geht dahin, eine polizeiliche Eilmaßnahme als vorläufig anzusehen, wenn die eigentlich zuständige Behörde noch die Möglichkeit habe, eine endgültige Maßnahme zu ergreifen 224. Das sei beim Abschlep220

Begründung zu §45 Abs. 4, abgedruckt bei Jagusch, 21. Auflage, München 1974, 221 § 45 StVO, Rn. 4; Hiltl, S. 35. Bouska, DAR 1983, 147 (148); Hiltl, S. 36; Huppertz, Die Polizei 1989, 280; Klenke, NWVB1. 1994, 288; Mühlhaus/Janiszewski, § 44 StVO, Rn. 3; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247). 222 Vgl. Bouska, DAR 1983, 147 (148); Klenke, NWVB1. 1994, 288; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247). 223 Vgl. BVerwG, NJW 1982, 348; Huppertz, Die Polizei 1989, 280; Schwab, VD 1986, 225 (227). 224 Vgl. Jagusch/Hentschel, § 44 StVO, Rn. 6; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 44 StVO, Rn. 4; Mühlhaus/Janiszewski, § 44 StVO, Rn. 2; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 44 StVO, Rn. 2.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

pen von Kraftfahrzeugen nicht der Fall, denn durch die polizeiliche Maßnahme werde der Verkehrsverstoß beseitigt, so daß weitere, fortführende Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden nicht möglich seien225. Hiltl hält demgegenüber „alle zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs erforderlichen Maßnahmen, die in dem Zeitraum getroffen werden, bis die zuständige Behörde selbst einschreiten kann"226 für vorläufige Maßnahmen i. S. d. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO. Er begründet seine Ansicht mit dem Zweck der Vorschrift, die eine möglichst effektive Gefahrenabwehr sicherstellen wolle. Der Abgrenzung zwischen vorläufigen und endgültigen Maßnahmen hält er entgegen, daß es einen endgültigen Verwaltungsakt im Polizei- und Ordnungsrecht nicht gebe. Auch könne nicht danach differenziert werden, ob eine „vorläufige oder endgültige Handlung" vorliege, da vorläufige Maßnahmen der Gefahrenabwehr stets auf die sofortige und endgültige Abwehr der Gefahr gerichtet seien227. Ihm ist durchaus zuzustimmen, wenn er ausführt: „Die Abgrenzung zwischen vorläufiger und endgültiger Maßnahme kann also nicht durch das Abstellen auf die Abänderbarkeit bzw. Unabänderbarkeit einer Maßnahme erfolgen" 228. Auf diese Kriterien stellt aber wohl auch die h. M. nicht ab. Endgültig ist nicht im Sinne von unabänderlich zu verstehen. Gemeint ist, daß eine dauerhafte Regelung der Verkehrssituation der zuständigen Behörde vorbehalten bleibt. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO spricht davon, daß der Verkehr „bei Unfällen und sonstigen unvorhergesehenen Verkehrsbehinderungen [...] vorläufig zu sichern und zu regeln" sei 29 . Wird beispielsweise eine Straße unterspült und dadurch unbefahrbar, so kann die Polizei die Straße vorläufig sperren, bis die Straßenverkehrsbehörde in der Lage ist, die endgültige Sperrung durch Verkehrszeichen anzuordnen. Selbstverständlich wird die Straße bereits durch die Polizei wirksam gesperrt, die vorläufige Sperrung bewirkt denselben rechtlichen Erfolg wie die endgültige. Die polizeiliche Sperrung ist vorläufig, weil sie nur solange aufrechterhalten werden soll, bis die an sich zuständige Straßenverkehrsbehörde darüber entscheiden kann, ob sie die Sperrung aufrechterhalten will. Ist jedoch von der Sachlage her - insbesondere, weil eine Regelung nur für kurze Zeit erforderlich ist - eine anschließende straßenverkehrsbehördliche Regelung nicht möglich oder praktisch nicht zu erwarten, so kann von einer vorläufigen Maßnahme der Polizei nicht gesprochen werden. Ein solches Er-

225

Gornig/Jahn, S. 230; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 111; Schwab, VD 1986, 225 (227); Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (599); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 226 Hiltl, S. 40; ebenso Biletzki, NZV 1996, 303 (304). 227 Hiltl, S. 39 f. 228 Hiltl, S. 39. 229

VwV-StVO zu § 44 Abs. 2, abgedruckt bei Mühlhaus/Janiszewski,

§ 44 StVO.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

73

gebnis folgt nicht nur aus der grammatikalischen, sondern auch aus der systematischen Auslegung der polizeilichen Handlungsbefugnisse in § 44 Abs. 2 StVO. Regelt die Polizei beispielsweise bei einem kurzfristigen Verkehrshindernis den Verkehr durch Weisungen (§ 36 StVO), dann ist wegen des nur für eine kurze Zeit gegebenen Verkehrsbedürfnisses eine Regelung durch Verkehrszeichen nicht angebracht. Da eine Fortführung der Maßnahme durch die Straßenverkehrsbehörde nicht möglich oder erforderlich ist, stellt die Verkehrsregelung durch Weisung eine endgültige Regelung dar, die unter § 44 Abs. 2 S. 1 StVO fällt. Systematisch konsequent ist es deshalb, mündliche Wegfahrgebote, die dem Betroffenen gegenüber durch die Polizei ausgesprochen werden, nicht unter § 44 Abs. 2 S. 2 StVO zu subsumieren230. Es ist auch nicht wie Hiltl behauptet „um der Effektivität der Gefahrenabwehr willen" zur „lückenlosen Gefahrenabwehr" eine extensive Auslegung der Vorschrift geboten. Im Gegenteil ist zur Wahrung der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung eine restriktive Auslegung erforderlich, um eine Aushöhlung der Länderkompetenzen (Art. 70 Abs. 1 GG) im Polizei- und Verwaltungsvollstreckungsrecht zu verhindern. Im übrigen ergeben sich angesichts der umfangreichen polizeirechtlichen Eingriffsbefugnisse auch keine Lücken bei der Gefahrenabwehr. V. Zusammenfassung Auf § 44 Abs. 2 StVO können Wegfahrgebote nur dann gestützt werden, wenn sie der Verkehrsregelung dienen und nicht lediglich auf Beachtung oder Durchsetzung der bestehenden Halt- und Parkverbote gerichtet sind. Während § 44 Abs. 2 S. 1 StVO (kurzfristige) Weisungen gegenüber anwesenden Fahrern erlaubt, ermächtigt § 44 Abs. 2 S. 2 StVO zu dauerhaften Verkehrsregelungen, insbesondere durch Aufstellen von Verkehrszeichen. F. Polizeirechtliche Anordnungen I. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen präventiv-polizeilicher Abschleppmaßnahmen 1. Die öffentliche

Sicherheit als polizeiliches Schutzgut

Polizeirechtliche Anordnungen231, die auf Entfernung eines Fahrzeugs gerichtet sind, erfordern unabhängig davon, ob sie auf die polizeirechtliche Gene-

230 231

Α. Α.: Hiltl, S. 41 f.

Auch ein Handeln des Bundesgrenzschutzes kommt in Betracht, vgl. VG Koblenz, ZfS 1997, 40.

74

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

ralklausel (§§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 1 MEPolG; §§ 1 Abs. 1, 3 bwPolG) oder die Sicherstellungsbefugnis (§ 21 MEPolG; Beschlagnahme gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) zu stützen sind232, das Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfaßt nach h. M. die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, die subjektiver Rechte und Rechtsgüter des einzelnen und den Bestand, die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger von Hoheitsgewalt233. a) Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung Schutz der öffentlichen Sicherheit bedeutet in erster Linie, durchzusetzen, daß die objektivrechtlichen Verbote und Gebote befolgt werden. Derartige Verbote enthält vorwiegend das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Darüberhinaus sind jedoch auch nicht strafbewehrte öffentlichrechtliche Gebotsund Verbotsnormen Gegenstand der öffentlichen Sicherheit. Gestattet das betreffende Gesetz selbst Maßnahmen zur Abwehr des Gesetzesverstoßes, so verdrängt es die entsprechenden Handlungsbefugnisse des allgemeinen Polizeirechts. Entfernungsgebote, die die Beendigung von Verstößen gegen Straßen-, abfall-, wasser-, bodenschutz- und bauordnungsrechtliche Vorschriften zum Ziel haben, können folglich nur nach den spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen ausgesprochen werden. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Rechtsordnung kommen polizeirechtliche Entfernungsgebote insbesondere bei Verstößen gegen Strafvorschriften und bei der Mißachtung straßenverkehrsrechtlicher Gebote oder Verbote in Betracht. b) Verstöße gegen Strafvorschriften Ob beim Blockieren eines anderem mit Hilfe eines Kfz der objektive Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB verwirklicht und eine Störung der öffentlichen Sicherheit verursacht wird 234, ist angesichts des jüngsten Sitzblockaden232

Siehe ausführlich zu dieser Streitfrage S. 89 ff. Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 6; Götz, Rn. 75; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 15, 1 (S. 232); Mußmann, Rn. 143; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 30 ff.; enger Gusy, Rn. 84; Möller/Wilhelm, S. 39; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 272. Für Nötigung durch Blockieren OVG Koblenz, MDR 1975, 243; OVG Saarlouis, NJW 1994, 878; a. Α.: VG Saarlouis, NZV 1991, 47 (48); vgl. auch OVG Koblenz, NJW 1988, 929.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

75

Beschlusses des BVerfG 235 zweifelhaft geworden. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu § 240 Abs. 1 StGB und der wohl h. M. im Schrifttum war das Blockieren eines anderen Verkehrsteilnehmers als Gewalt 236

anzusehen . Der nunmehr verfassungsgerichtlich als gewaltlos anerkannten Sitzblockade kann jedoch die Blockade mit einem Kfz nicht gleichgestellt werden. In solchen Fällen kann auch weiterhin Gewalt angenommen werden, wenn die „beabsichtigte Fortbewegung durch tatsächlich nicht überwindbare Hindernisse unterbunden wird"23 . Wird ein Fahrzeug in der Weise zugeparkt, daß es sein Fahrer nicht mehr fortbewegen kann, dann wird dem Fahrer des blokkierten Kfz die beabsichtigte Fortbewegung bis zur Ankunft eines Abschleppfahrzeugs durch ein unüberwindbares Hindernis unmöglich gemacht. Das Zuparken stellt somit physischen Zwang dar, was zur Annahme von Gewalt und zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 240 Abs. 1 StGB genügt. Zu beachten bleibt, daß eine Störung der öffentlichen Sicherheit nur dann vorliegt, wenn der begründete Verdacht verwerflichen Handelns besteht (§ 240 Abs. 2 StGB) und Rechtfertigungsgründe (etwa Selbsthilferechte gem. § 859 Abs. 1, Abs. 3 BGB und § 227 BGB) nicht eingreifen 238. Parkt jemand sein Kfz auf einem Privatgrundstück, so kann er den objektiven Tatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) erfüllen, wenn das Grundstück hinreichend befriedet ist239. In Baden-Württemberg stellt das unerlaubte Parken auf einem privaten Stellplatz und vor oder in Grundstücksein- und ausfahrten darüberhinaus eine Ordnungswidrigkeit gem. § 12 Abs. 1 bwOWiG dar, so daß bereits aus diesem Grund eine Störung der öffentlichen Sicherheit gegeben ist. c) Verstöße gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (1) Unmittelbar

aus der StVO folgende Halt- und Parkverbote

Zahlreiche Verbote und Gebote enthält das Straßenverkehrsrecht, insbesondere die StVO. Befugnisse zur Durchsetzung dieser Vorschriften sind weder im StVG noch in der StVO ausdrücklich normiert240. Nach der insbesondere von der älteren Polizeirechtsdogmatik befürworteten Lehre von der unselbständigen 235

BVerfGE 92, 1 =NJW 1995, 1141. Grundlegend RGSt 45, 153 („Sargträger"); BGHSt 23, 46 („Laepple"). 237 BGH, NJW 1995, 2643 (2644); ähnlich bereits RGSt 45, 153 (156 f.). 238 Vgl. hierzu OVG Koblenz, NJW 1988, 929; OVG Saarlouis, NJW 1994, 878 (879); Gornig, JuS 1995, 208. 239 Siehe BayObLG, DAR 1969, 301; vgl. auch OVG Koblenz, NJW 1988, 929. Zum Anwendungsbereich der in § 44 Abs. 2 StVO normierten Befugnisse siehe S. 61 ff. 236

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Verfügung soll eine Eingriffsbefugnis gleichwohl dem gesetzlichen Verbotstatbestand entnommen werden können241. Zweck dieser Konstruktion ist, dem Adressaten den Gegenbeweis der konkreten Ungefährlichkeit seines verbotswidrigen Verhaltens abzuschneiden. Hierzu bedarf es heutzutage nicht mehr der Konstruktion einer konkludenten Handlungsbefugnis, weil eine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinn bereits mit dem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gegeben und es somit irrelevant ist, ob die durch die Verbotsnorm geschützten Rechtsgüter im Einzelfall gleichfalls konkret gefährdet sind. Vor allem steht der Lehre von der unselbständigen Verfügung der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts entgegen, wonach belastende polizeiliche Maßnahmen zu ihrer Rechtfertigung einer ausdrücklich normierten Ermächtigung bedürfen. Mangels spezialgesetzlicher Eingriffsbefugnis können Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Halt- und Parkverbote folglich nach allgemeinem Polizeirecht abgewehrt werden. Dem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit242 unterfallen allerdings nur diejenigen Halt- und Parkverbote, die sich unmittelbar aus einer Rechtsnorm ergeben. Maßnahmen aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel sind demnach möglich bei einem Verstoß gegen die in der StVO (insbesondere in § 12 StVO) normierten Halt- und Parkverbote. Beispielhaft seien genannt die Verbote - andere Verkehrsteilnehmer durch Halten oder Parken mehr als unvermeidbar zu behindern oder zu belästigen (§ 1 Abs. 2 StVO)243, - an engen und unübersichtlichen Straßenstellen zu halten (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO)244, - im Bereich von scharfen Kurven zu halten (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO)245,

241

Vgl. Rasch, § 8, Rn. 5; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 25, 3 b (S. 411); Wolff/Bachof, VerwR I, §47, II b (S. 392). Dagegen zutreffend VGH Kassel, DÖV 1992, 753 (754); Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 457; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 36; Schoch, JuS 1994, 486; JuS 1995, 216; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 462. 242

Keinesfalls liegt beim Verstoß gegen Vorschriften der StVO eine Störung der öffentlichen Ordnung vor; so aber OVG Hamburg, DAR 1982, 306; dagegen auch Berr, DAR 2 4 3 1982, 307. VG München, DAR 1965, 223 (224): Zuparken eines Kfz; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369: Parken vor Parkplatzausfahrt; VGH München, BayVBl. 1987, 404: Parken vor Hofeinfahrt - wohl eher ein Fall des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO; weitere Anwendungsfälle bei Berr/Hauser, Rn. 630 ff. 244

Eng ist eine Stelle, wenn der zur Durchfahrt verbleibende Raum für ein Kfz höchstzulässiger Breite (§ 32 Abs. 1 Nr. 1 StVO: 2,55 m) zuzüglich 50 cm Seitenabstand nicht ausreichen würde: Jagusch/Hentschel, § 12 StVO, Rn. 22; VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (168); VG München, NZV 1991, 88. 245 VG Wiesbaden, vom 26.5.1993 - Χ/1 E 825/92 -, zit. nach Huppertz, Rn. 3108.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

77

- auf und bis zu 5 m vor Fußgängerüberwegen zu halten (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 StVO) 246 , - in amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrten zu halten (§ 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO 2 4 7 oder § 2 Abs. 4 S. 2 LBOAVO 2 4 8 ), - im Fünf-Meter-Bereich vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen zu parken (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 StVO) 249 , - die Benutzung gekennzeichneter Parkflächen zu verhindern (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 S t V O ) , - vor Grundstücksein- und -ausfahrten zu parken (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO) 251 , - bis zu 15 m vor und hinter Haltestellenschildern zu parken (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 StVO) 252 , - vor Bordsteinabsenkungen zu parken (§ 12 Abs. 3 Nr. 9 StVO) 253 , - auf andere Weise als auf dem rechten Seitenstreifen oder am rechten Fahrbahnrand zu parken, insbesondere in Grünanlagen 254, auf Verkehrsinseln255, auf Radwegen256 oder auf Gehwegen257 (§ 12 Abs. 4 S. 1 StVO 246 VGH München, BayVBl. 1987, 119; vgl. auch VGH Kassel, NVwZ 1988, 657; VG Köln, vom 19.2.1990 - 20 Κ 1884/89, zit. nach Huppertz, Rn. 1914; VG Gelsenkirchen vom 13.12.1979 - 8 Κ 47/79 -, zit. nach Knöll, DVBl. 1980,1027 (1030). 247 VGH München, BayVBl. 1991, 433 (434); vgl. auch VGH München, NVwZ-RR 1989, 298; NVwZ 1987, 912; OVG Saarlouis, vom 14.8.1990 - 1 R 184/88 -; OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246. Siehe zum Erfordernis der amtlichen Kennzeichnung und zum Verhältnis des § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO zu bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über das Freilassen von Rettungswegen: Berr/Hauser, Rn. 136 ff.; Huppertz, Rn. 1806; derselbe, Die Polizei 1992, 252. 248 VG Freiburg, VB1.BW 1987, 472; vgl. auch OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589V OVG Berlin, VerkMitt 1982, 64; VG Köln, vom 11.10.1991 - 20 Κ 3382/90 - und VG München, vom 29.7.1993 - M 17 Κ 92.4661 -, beide zit. nach Huppertz, Rn. 3018 f.; vgl. auch Huppertz, Die Polizei 1994, 303 f. 25V Vgl. VG Köln, vom 15.1.1990 - 20 Κ 1754/88 -, zit. nach Huppertz, Rn. 3410. 251 Vgl. VGH München, BayVBl. 1987, 404; Prümm/Thieß, S. 81; siehe auch Stollenwerk, VD 1994, 275 ff. 252 Vgl. VGH München, vom 10.12.1991 - 21 BZ 91.2524 -; VG Köln, vom 31.8.1990 - 20 Κ 3037/89 -; VG München, vom 6.10.1988 - M 17 Κ 88.1181 - und vom 25.8.1988 - M 17 Κ 88.1349 -; alle zit. nach Huppertz, Rn. 2614-2617. 253 Vgl. VG München, vom 19.7.1993 - M 17 Κ 92.4661 -, zit. nach Huppertz, Rn. 1211. 254 VG Frankfurt, NVwZ-RR 1993, 28; teilweise a. Α.: Berr/Hauser, Rn. 350 f.; Hansen, Die Polizei 1987, 105 (108). 255 VG Köln, vom 11.10.1991 - 20 Κ 3613/90, zit. nach Huppertz, Rn. 2138.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 StVO liegt nicht vor, da diese Vorschrift nur den Fahrverkehr, nicht aber das Halten und Parken betrifft 258), - im Fahrraum von Schienenfahrzeugen zu halten (§ 12 Abs. 4 S. 5 StVO), - auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen (Zeichen 330, 331) zu halten (§ 18 Abs. 8 StVO)259. (2) Ordnungswidrigkeiten Die Polizei kann auch auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel tätig werden, wenn ein Fahrzeug unter Verstoß gegen Verkehrszeichen abgestellt wurde260. Zwar bedeutet die Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt für sich genommen keine Störung der öffentlichen Sicherheit. Um eine solche handelt es sich aber dann, wenn die Mißachtung des Verwaltungsakts zugleich einen Verbotsnorm verstoß (§ 12 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Nr. 8 StVO) oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Eine Ordnungswidrigkeit liegt vor -bei einem Verstoß gegen die durch die Zeichen 237 (Radweg), 241 (Fußgängerweg), 242 (Fußgängerzone), 245 (Sonderspur für Busse und Taxen), 250 (Durchfahrverbot), 283, 286, 290 (Haltverbot), 295, 296 (Fahrstreifen- und Fahrbahnbegrenzung), 297 (Richtungspfeile), 298 (Sperrflächen) und 299 (Grenzmarkierung für Haltverbote) bekanntgegebenen Wegfahrgebote (§§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO), - bei Zuwiderhandlung gegen die durch Zusatzschilder zu den Zeichen 314, 315 oder die Zeichen 315 (Parken auf Gehwegen) und 325 (Verkehrsberuhigter Bereich) gegebenen Anordnungen (§§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO),

256

Vgl. VG Berlin, NZV 1993, 368; VG Münster, DÖV 1988, 87; Berr/Hauser, Rn. 347· Huppertz, Rn. 4005. 2il BVerwGE 90, 189 (190) = NJW 1993, 870; OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468 (469); VGH München, BayVBl. 1989, 437; NVwZ 1988, 657; BayVBl., 1979, 307 (308); OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589); VG Berlin, vom 7.6.1990 - 15 A 585.88 VG Würzburg, NVwZ-RR 1989, 138; VG München, NVwZ 1988, 667; VG Frankfurt, DVBl. 1965, 779; Berr/Hauser, Rn. 338; siehe auch BVerwG, NJW 1990, 931; OVG Münster, NJW 1981, 478. 258 So ausdrücklich BVerwGE 90, 189 (190); Hauser, VD 1991, 34 (35); Huppertz, VD 1993, 126; Jagusch/Hentschel, § 2 StVO, Rn. 24; a. Α.: OVG Münster, VerkMitt 1988, 48. 259 Vgl. VG Gelsenkirchen, vom 25.2.1988 - 8 Κ 2481/86 -, vom 12.10.1987 - 8 Κ 8 Κ 4253/86 und vom 25.9.1986 - 8 Κ 1998/85, alle zit. nach Huppertz, Rn. 0814-0816. Siehe im einzelnen ausführlich unten S. 130 ff. und S. 141 ff.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

79

- bei Mißachtung der Vorschriften über Parkuhren, Parkscheine oder Parkscheiben nach § 13 Abs. 1 oder Abs. 2 StVO (§§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs. 1 Nr. 13 StVO) und - bei Behinderung oder Belästigung anderer Verkehrsteilnehmer entgegen § 1 Abs. 2 StVO (§§ 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs. 1 Nr. 1 StVO). 2. Schutz privater Rechte und Subsidiarität polizeilichen Handelns Die Generalklausel vermittelt der Polizei Eingriffsbefiignisse auch zum Schutz der Rechte und Rechtsgüter des einzelnen. Ein Kraftfahrzeug kann abgeschleppt werden, wenn es so abgestellt ist, daß dadurch private Rechte oder Rechtsgüter beeinträchtigt werden. Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei allerdings nur dann, wenn der Betroffene gerichtlichen Rechtsschutz nicht rechtzeitig erlangen kann und die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Rechts ohne polizeiliche Hilfe vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Die Polizei kann weiterhin nur auf Antrag tätig werden (§ 2 Abs. 2 bwPolG, § 1 Abs. 2 MEPolG). Praktisch wird der Subsidiaritätsgrundsatz nur selten bedeutsam werden, weil in vielen Fällen private Rechte bereits durch die Rechtsordnung geschützt sind. In Baden-Württemberg stellen sich insbesondere beim unberechtigten Parken auf privaten Stellplätzen im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz keine Schwierigkeiten261, da ein solches Verhalten den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bwOWiG erfüllt, so daß die Polizei ohne Einschränkungen zur Abwehr einer Störung der öffentlichen Sicherheit tätig werden kann. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist gleichfalls betroffen, wenn

261

Anders verhält es sich aber in anderen Bundesländern, vgl. etwa OVG Koblenz, NJW 1988, 929 (930); VG Saarlouis, NZV 1991, 47 und auch VG Freiburg, DVBl. 1979, 745 für die Zeit vor Einführung des § 12 bwOWiG. Da auf Privatgrundstücken grundsätzlich kein öffentlicher Verkehr stattfindet, sind die Vorschriften der StVO regelmäßig nicht anwendbar. Das unberechtigte Parken auf Privatgrundstücken stellt eine Beeinträchtigung des Besitzrechts am Grundstück dar (verbotene Eigenmacht, § 858 Abs. 1 BGB), gegen die grundsätzlich vor den Zivilgerichten um Rechtsschutz nachzusuchen ist. Eingehend Forster, Das von Privatpersonen veranlaßte Abschleppen widerrechtlich auf Privatgrund geparkter Kraftfahrzeuge und damit zusammenhängende rechtliche Probleme unter besonderer Berücksichtigung der negotiorum gestio (ausgewählte Probleme), Diss. Regensburg 1986; siehe auch Gornig, JuS 1995, 208; Huppertz, Rn. 2528 ff.; Knöll, DVBl. 1980, 1027 ff.; Stollenwerk, VD 1996, 81; Vahle, Die Polizei 1981, 101 (103 f.); VR 1997, 92 (93 f.).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen 262

- ein Fahrzeug zugeparkt ist und eine Nötigung vorliegt (§ 240 StGB) , - das Abstellen auf einem Privatgrundstück als Hausfriedensbruch zu werten ist (§ 123 StGB)263, - Grundstücksein- und -ausfahrten durch parkende Fahrzeuge blockiert werden (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, § 12 Abs. 1 Nr. 2 bwOWiG), - andere Verkehrsteilnehmer mehr als nach den Umständen unvermeidlich behindert oder belästigt werden (§ 1 Abs. 2 StVO). 3. Das Erfordernis

einer Gefahr

a) Konkrete Gefahr oder bereits eingetretene Störung Die genannten Schutzgüter müssen konkret gefährdet sein. Konkrete Gefahr ist nach einer geläufigen Definition eine Sachlage, die bei ungehindertem, objektiv zu erwartendem Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen kann264. An die Schadenswahrscheinlichkeit sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je bedeutsamer und wertvoller das betroffene Rechtsgut ist265. Hat sich die Gefahr bereits realisiert und ist ein Schaden266 eingetreten, dann liegt eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vor, die gleichfalls polizeiliches Handeln legitimiert. In Literatur und Rechtsprechung wird vielfach die Ansicht vertreten, daß zu dem bloßen Verstoß gegen die StVO noch eine konkrete Verkehrsgefährdung oder Verkehrsbehinderung hinzukommen müsse267. Hier ist es notwendig, genau die anzuwendende gesetzliche Regelung zu besehen: Eine konkrete Gefahr 262

Vgl. OVG Saarlouis, NJW 1994, 878; Vahle, VR 1997, 92 (94). Ansonsten verbleibt es bei der Beurteilung des Zuparkens als Besitzstörung. Nach Ansicht des VG Saarlouis, NZV 1991, 47 (48) ist ein polizeiliches Einschreiten dann unzulässig, da der Betroffene gem. § 859 Abs. 1 BGB selbst für die Durchsetzung seines Rechtes sorgen könne, a. Α.: VG Freiburg, DVBl. 1979, 745 (746). 263 Vgl. BayObLG, DAR 1969, 301 (Hausfriedensbruch bei Einfahrt in einen Hof). 264 Vgl. BVerwGE 28, 310 (315); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 13, 1 (S. 220); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 278; ähnlich Schenke, in: Steiner, II, Rn. 46 ff. 265 BVerwGE 47, 31 (40); 62, 36 (39); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 13^ 2 b (S. 224); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 54. Zum Begriff des Schadens siehe Schenke, in: Steiner, II, Rn. 46. 267 Vgl. etwa VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22 (24); OVG Münster, NJW 1981, 478; VG Gießen, ZfS 1996, 39; Biletzki, NZV 1996, 303 (305); Jahn, JuS 1989, 969 (971); Kottmann, DÖV 1983, 493. Nachweise zu den einzelnen Abschlepp-Konstellationen auf S. 212 ff.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

81

bzw. eine Störung liegt bereits beim Verstoß gegen ein unmittelbar der StVO entnehmbares Halt- oder Parkverbot vor, da bereits durch die Zuwiderhandlung gegen die gesetzliche Verbotsnorm die objektive Rechtsordnung verletzt und die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt wird. Somit ist es irrelevant, ob auch die durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgüter im Einzelfall gefährdet sind268. Im übrigen käme es ohnehin nicht darauf an, ob das verbotswidrige Parken nachweislich zu einer Gefährdung oder Behinderung geführt hat. Denn Gefahrenabwehr bedeutet nicht Sanktion vergangener, sondern Beendigung 269

gegenwärtiger und Verhinderung künftiger Norm Verstöße b) Anscheinsgefahr

Als Anscheinsgefahr wird eine Sachlage bezeichnet, in der im Zeitpunkt des polizeilichen Handelns bei verständiger Würdigung objektive Anhaltspunkte für eine Gefahr vorliegen, sich aber nachträglich ergibt, daß ein Schaden an einem polizeirechtlichen Schutzgut in Wirklichkeit nicht drohte270. Die nachträgliche Erkenntnis, daß ein Schaden nicht drohte, hindert es nicht, die polizeiliche Maßnahme als rechtmäßig anzusehen. Denn die Annahme einer Gefahrenlage beruht immer auf einer Prognoseentscheidung; „diese aber ist notwendigerweise von der Ungewißheit des Schadenseintrittes geprägt und es wäre widersprüchlich, die Richtigkeit der polizeilichen Gefahrprognose, die notwendigerweise ex ante erfolgen muß, anhand der Erkenntnisse ex post in Frage zu stellen"271. Da die Polizei im Zeitpunkt des Handelns von der Annahme einer hinreichenden Schadenswahrscheinlichkeit ausgehen durfte, ist die Anscheins272

gefahr also eine echte Gefahr im polizeirechtlichen Sinn . Im Zusammenhang mit dem Abschleppen von Kfz dürfte eine Sachlage, die sich im nachhinein als ungefährlich herausstellt, kaum auftreten, da es die Polizei in aller Regel mit eindeutig feststellbaren Störungen zu tun hat. Anscheinslagen können hier aber bestehen, wenn es darum geht, einen von mehreren in Betracht kommenden

268

Schenke, in: Steiner, II, Rn. 47; vgl. VGH Kassel, VerkMitt 1978, 8; NVwZ-RR 1995, 29 (30); VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (168 f.); Klenke, NWVB1. 1994, 288 (291). Diesem Gesichtspunkt kommt erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Bedeutung zu, siehe unten S. 212 ff. 269 Vgl. Klenke, NWVB1. 1994, 288 (290 f.). 270 Vgl. OVG Münster, DVBl. 1979, 733; Möller/Wilhelm, S. 46 f.; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 57. 971

272

Schenke, in: Steiner, II, Rn. 57. Gusy, Rn. 121; Möller/Wilhelm,

6 Schieferdecker

S. 47; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 58.

82

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Fahrzeugführern oder -haltern für die Kosten der Störungsbeseitigung in Anspruch zu nehmen273. c) Gegenwärtige Gefahr, unmittelbar bevorstehende Störung Sicherstellung und Beschlagnahme erfordern eine gesteigerte Gefahr. Während der MEPolG und andere Polizeigesetze den Begriff der gegenwärtigen Gefahr verwenden, spricht das bwPolG sprachlich aussagekräftiger, aber inhaltlich übereinstimmend von einer unmittelbar bevorstehenden Störung. Eine Störung ist unmittelbar bevorstehend bzw. eine Gefahr gegenwärtig, wenn ein Schaden an einem polizeirechtlichen Schutzgut bereits eingetreten ist oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten wird 274. 4. Störung der öffentlichen

Sicherheit bei nachträglichem Haltverbot

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Beantwortung der Frage, ob eine konkrete Gefahr oder Störung vorliegt, im Zusammenhang mit der Aufstellung mobiler Haltverbotszeichen. Solche Verkehrszeichen entfalten gegenüber den Verkehrsteilnehmern, die ihr Fahrzeug schon in dem betreffenden Teil der Straße geparkt hatten, bevor das mobile Verkehrszeichen aufgestellt wurde, keine Wirksamkeit275. Die fehlende individuelle Bekanntgabe der Verkehrszeichenregelung hat zur Folge, daß es dem Fahrer weder verboten ist, sein Fahrzeug im Bereich des Verkehrszeichens zu parken, noch daß er verpflichtet ist, sein Fahrzeug aus diesem Bereich zu entfernen. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Erstens scheidet die Möglichkeit einer Ersatzvornahme aus. Zweitens liegt mangels Wirksamkeit des Haltverbots gegenüber dem Fahrer weder ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 6 StVO, noch eine Ordnungswidrigkeit gem. § 49 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 3 Nr. 4 StVO vor 276. Drittens ist mangels eines solchen Verstoßes oder einer solchen Ordnungswidrigkeit das Schutzgut der Rechtsordnung nicht betroffen und die öffentliche

273

Vgl. OVG Münster, NJW 1993, 2698; VG Freiburg, ZfS 1994, 352. Zur Frage der Verantwortlichkeit und Kostentragungspflicht eines Anscheinsstörers siehe S. 169 ff. 274

Vgl. Belz/Mußmann, § 32, Rn. 3; Honnacker/Beinhof er, Art. 2, Anm. 4; Möller/Wilhelm, S. 50. 275 276 Siehe zum Wirksamwerden von Verkehrszeichenregelungen oben S. 39 ff. Klenke, NWVB1. 1994, 288 (289); Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315).

83

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

Sicherheit nicht gestört, so daß unter diesem Aspekt auch polizeirechtliche Maßnahmen ausgeschlossen sind277. Unter welchen Voraussetzungen polizeirechtliche Abschleppmaßnahmen bei nicht bekanntgegebenen Verkehrsregelungen zulässig sind, mag an dieser Stelle offenbleiben. Da die h. M. die Problematik auf die Frage der Kostenbelastung reduziert, soll eine eingehende Auseinandersetzung erst nach Darstellung weiterer Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen (Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit)278 erfolgen 279. 5. Zuständigkeit für polizeirechtliche

Anordnungen

a) Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes Zur Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben sind grundsätzlich die Gemeinden als Ortspolizeibehörden zuständig (§§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 4, 66 Abs. 2 bwPolG)280. Der Polizeivollzugsdienst nimmt gemäß § 60 Abs. 2 bwPolG die polizeilichen Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint. Das wird in den Fällen, in denen eine unmittelbare Ausführung zulässig ist, fast immer der Fall sein281. Der Polizeivollzugsdienst soll nach der Rechtsprechung auch aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung das Abschleppen für die und zu Lasten der Polizeibehörde veranlassen dürfen. Hierzu bedürfe es keiner gesetzlichen Regelung, weil dem Polizeivollzugsdienst, der eine originäre Zuständigkeit besitzt (vgl. § 60 Abs. 2 bwPolG), keine Zuständigkeit der Polizeibehörde übertragen werde282. b) Zuständigkeit gemeindlicher Vollzugsbediensteter Die Ortspolizeibehörden können sich zur Wahrnehmung bestimmter, auf den Gemeindebereich beschränkter polizeilicher Aufgaben gemeindlicher Vollzugsbediensteter283 bedienen (§ 80 Abs. 1 bwPolG). Die übertragbaren Vollzugsaufgaben sind in § 31 Abs. 1 DVO bwPolG aufgeführt. Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 DVO bwPolG können gemeindlichen Vollzugsbediensteten auch polizei277

2 7 8 Siehe zur 279 280

Begründung dieser These S. 232 ff. Siehe hierzu den zweiten Teil der Arbeit, S. 165 ff.; S. 205 ff. Siehe S. 232 ff.

Unzutreffend stützen Prümm/Thieß, S. 78 die Zuständigkeit der Polizei für Maßnahmen nach dem Polizeigesetz auf § 44 Abs. 2 S. 2 StVO. 281 Vgl. VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (168 ff.); Wettling, BWVPr. 1986, 208 f. 282 OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468; a. A. VG Oldenburg, ZfS 1993, 179. Vgl. ferner auch Biletzki, NZV 1996, 303 (306). 283 Andere Polizeigesetze ermöglichen die Bestellung von Hilfspolizeibeamten, vgl. z. B. § 99 hessSOG.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

liehe Vollzugsaufgaben bei der Durchführung straßenverkehrsrechtlicher Bestimmungen übertragen werden, insbesondere nach Buchstabe a) auch die polizeilichen Aufgaben beim „Vollzug der Vorschriften über das Halten und Parken". Der Vollzug von Rechtsvorschriften bedeutet Überwachung und Durchsetzung derselben, umfaßt also auch Abschleppmaßnahmen284. Gemäß § 80 Abs. 2 bwPolG haben gemeindliche Vollzugsbedienstete bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben die Stellung von Polizeivollzugsbeamten. Soweit gemeindliche Vollzugsbedienstete bestellt worden sind und der Umfang der übertragenen Aufgaben reicht, können sie deshalb ebenso wie Polizeivollzugsbeamte Abschleppmaßnahmen anordnen. c) Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch sog. kommunale Verkehrsüberwacher? Vielfältige Probleme rechtlicher Art stellen sich beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen nach dem „Münchener Modell" 2 8 5 . Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich die in München praktizierte Aufgabenverteilung zwischen Polizei und kommunaler Verkehrsüberwachung. Kommunale Verkehrsüberwacher sind gemeindliche Bedienstete, die zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten eingesetzt werden. Nach dem Münchener Modell verständigen diese Personen durch Funk oder Telefon die Polizei, wenn ein Fahrzeug abgeschleppt werden muß. Der zuständige Polizeibeamte entscheidet dann auf der Grundlage dieser Informationen und nach Maßgabe einer allgemeinen Weisung des Polizeipräsidiums München („Abschleppkatalog") über das Abschleppen. Die konkrete Durchführung der Abschleppmaßnahme leitet der vor Ort tätige kommunale Verkehrsüberwacher in die Wege. Fraglich ist zunächst, ob die Abschleppmaßnahme der Polizei oder der kommunalen Verkehrsüberwachung zuzuordnen ist. Für eine Maßnahme der Verkehrsüberwacher hat sich das VG München ausgesprochen286. Folgt man dieser Auffassung, stellt sich das Problem, auf welche Rechtsgrundlage derartige Abschleppmaßnahmen gestützt werden können. Auf polizeiliche Befugnisse können sich die kommunalen Verkehrsüberwacher nicht berufen, da sie keine Poli-

284

VGH Mannheim, NJW 1992, 2442; DVBl. 1991, 1370; NJW 1990, 2270 (2271); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 10; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 105, Fn. 91; ebenso VG Leipzig, LKV 1995, 165 zur vergleichbaren Rechtslage in Sachsen. 285 Siehe hierzu VGH München, NVwZ 1990, 180; BayVBl. 1991, 433; NZV 1992, 207; VG München, NVwZ 1988, 667; NZV 1989, 327; Jahn, NZV 1989, 300; derselbe, BavVBl. 1990, 424; Pitschas/Aulehner, BayVBl. 1990, 417. 186 VG München, NVwZ 1988, 667; NZV 1989, 327; ebenso Biletzki, NZV 1996, 303 (306); Jahn, NZV 1989, 300 (301); derselbe, BayVBl. 1990, 424 (426).

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

85

zeibeamten und daher sachlich nicht zuständig sind287. Zwar können polizeiliche Aufgaben und die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Befugnisse auf andere staatliche Stellen übertragen werden. Dazu bedürfte es jedoch einer gesetzlichen Ermächtigung288. Eine solche ist in Bayern offensichtlich nicht gegeben289. Deshalb sind die kommunalen Verkehrsüberwacher den gemeindlichen Vollzugsbeamten in Baden-Württemberg nicht vergleichbar, die im Rahmen der ihnen gem. § 31 DVO bwPolG übertragenen Aufgaben polizeiliche Befugnisse besitzen (§ 80 Abs. 1 bwPolG). Mangels Eingriffsbefugnis wäre eine Maßnahme der kommunalen Verkehrsüberwachung daher rechtswidrig290. 291

Naheliegender ist es jedoch, eine polizeiliche Regelung anzunehmen . Denn schließlich ist es die Polizei, die entscheidet und das Abschleppen telefonisch anordnet. Die Mitwirkung der kommunalen Verkehrsüberwachung beschränkt sich auf die Tatsachenfeststellung und die tatsächliche Ausführung der polizeilich angeordneten Maßnahme (Beauftragung des Abschleppunternehmers). Allerdings ist es zweifelhaft, ob der anordnende Polizeibeamte eine rechtmäßige Ermessensentscheidung treffen kann, wenn er die betreffenden Tatsachen nicht aus eigener Wahrnehmung würdigen kann, sondern auf die Informationen des kommunalen Parküberwachers verwiesen ist. Das VG München, Jahn und Biletzki halten es für erforderlich, daß der handelnde Polizeibeamte die seine Entscheidung bestimmenden Tatsachen selbst ermittele292. Wie Jahn selbst einräumt, ist es aber nicht ungewöhnlich, daß „Behörden Ermessensent287

VG München, NVwZ 1988, 667; NZV 1989, 327; Jahn,, NZV 1989, 300; a. A. Pitschas/Aulehner, BayVBl. 1990, 417 (422), die eine Zuständigkeit der kommunalen Verkehrsüberwacher über die Rechtsfigur des organisationsrechtlichen Mandats bejahen. 288 Mayer/Kopp, S. 518; Obermayer, Grundzüge, S. 59; Wolff/Bachof, VerwR II, § 72, IV a 1 (S. 24); siehe auch BDiszG, DÖV 1985, 450 (451); Schenke, VerwArch 68 (1977), 118(154, 162). 289 Siehe Jahn, NZV 1989, 300. 290 Vgl. VG München, NZV 1989, 327 f.; a. Α.: Jahn, NZV 1989, 300 (301 f.); derselbe, BayVBl. 1990, 424 (426 ff.); Biletzki, NZV 1996, 303 (306), die Maßnahmen der kommunalen Parküberwacher auf Art. 7 bayLStVG stützen; dagegen aber wiederum Pitschas/Aulehner, BayVBl. 1990, 417 (420). Falls unter Mißachtung eines Verkehrszeichens geparkt wurde, kommt eine Vollstreckung dieses Wegfahrgebots durch kommunale Parküberwacher in Betracht, wenn die Gemeinde Straßenverkehrsbehörde ist (siehe hierzu S. 131). 291 So VGH München, NVwZ 1990, 180 (181); DÖV 1990, 483 (484); BayVBl. 1991, 433 (434); NZV 1992, 207; Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; vgl. auch Jahn, BayVBl. 1990, 424 (425). Pitschas/Aulehner, BayVBl. 1990, 417 (419) rechnen die Maßnahme der Verkehrsüberwachung und der Polizei gemeinsam zu. 292 VG München, NZV 1989, 327 (328); NVwZ 1988, 667 (668); Jahn, NZV 1989, 300 (301); derselbe, BayVBl. 1990, 424 (425); Biletzki, NZV 1996, 303 (306).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Scheidungen aufgrund von Sachverhalten treffen, die zuvor andere Behörden festgestellt haben"293. Es kommt daher nur darauf an, ob sich der handelnde Polizeibeamte anhand der ihm vorliegenden Tatsachen ein eigenes Bild der Situation machen und auf dieser Grundlage eine eigene Entscheidung treffen kann294. Das wird der Fall sein, wenn er über eigene Ortskenntnisse verfügt und das betreffende Fahrzeug mit Hilfe eines Lageplans und präziser Informationen des kommunalen Verkehrsüberwachers exakt lokalisieren kann. Die Gegenauffassung widerspricht der gesetzlichen Regelung, denn nach § 24 Abs. 1 S. 2 bwVwVfG bestimmt die Behörde (und also auch die Vollzugspolizei) Art und Umfang der Ermittlungen. Wie sich aus § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 bwVwVfG ergibt, kann sie zwar „den Augenschein einnehmen". Dies ist jedoch nur eines der dort nicht abschließend aufgeführten Beweismittel. Ausdrücklich erklärt das Gesetz es auch für zulässig, die Ermittlungen durch die Einholung von Auskünften zu führen (§ 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bwVwVfG). Es ist der Polizei somit nicht verwehrt, sich durch Einschaltung einer anderen staatlichen Stelle die für die Ermessensentscheidung erforderliche Tatsachengrundlage zu verschaffen. Die nach fernmündlicher Benachrichtigung von der Polizei gefällte Ermessensentscheidung ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden295. d) Zur Übertragung polizeilicher Aufgaben auf Private In jüngster Zeit wurden Überlegungen angestellt, ob die polizeiliche Verkehrsüberwachungstätigkeit von Privaten wahrgenommen werden kann296. Für die Beurteilung der Frage, ob Aufgaben der Gefahrenabwehr auf Private übertragen werden können, kommt besondere Bedeutung der Regelung des Art. 33 Abs. 4 GG zu, derzufolge die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist. Die Beendigung von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist gefahrenabwehrende und somit polizeiliche Tätigkeit. Es kann kaum bestritten werden, daß die Gefahrenabwehr zum Kernbereich der von Art. 33 Abs. 4 GG erfaßten hoheitlichen Aufgaben297 gehört: „Es gibt bestimmte Befugnisse, ohne die man sich ei293

Jahn, BayVBl. 1990, 424 (425). VGH München, BayVBl. 1991, 433 (435); NZV 1992, 207 (208); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; vgl. auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 115, Fn. 236. 295 VGH München, NVwZ 1990, 180 (181); BayVBl. 1991, 433 (435); NZV 1992, 207 (208); Berr/Hauser, Rn. 644; im Grundsatz gleich Pitschas/Aulehner, BayVBl. 1990,417(423). 294

296

Die Diskussion betrifft vornehmlich die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten und nur am Rande Fragen der Gefahrenabwehr, siehe insbesondere Janker, DAR 1989, DÖV 1993, 902; R. Scholz, NJW 1997, 14. 2 9 7 172; Wohlfahrt, Hierzu wird allgemein die „Eingriffsverwaltung" gerechnet, vgl. Ehlers, S. 121; Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 111, Rn. 10.

2. Abschn.: Entfernungs- und Wegfahrgebote

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nen Staat überhaupt nicht denken kann. Dazu gehört die Polizeigewalt. Das mindeste, was wir vom Staat verlangen, ist, daß er Ordnung in seinem Innern hält"298. Die Zuordnung der Gefahrenabwehr zu den unverzichtbaren Aufgaben eines staatlichen Gemeinwesens folgt aus der Funktion des modernen Staates als Friedenswahrungseinheit. Ein Staat, der seinen Bürgern sowohl die Selbsthilfe als auch den Einsatz des staatlichen Gewaltmonopols zur Friedenssicherung versagte, stellte seine Legitimität in Frage299. Die Aufgabenwahrnehmung durch staatliche Organe sieht Art. 33 Abs. 4 GG zwar nur für den Regelfall als zwingend an. Das bedeutet jedoch, daß die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private Ausnahmecharakter haben muß300 und somit höchstens sektoral, nicht aber in der Umfassenheit erfolgen kann, wie dies zur Privatisierung der polizeilichen Gefahrenabwehr im Bereich des ruhenden Verkehrs erforderlich wäre301. Darüber hinaus müßte die mit der Beleihung eines Privaten erfolgte Ausnahme durch sachliche Gründe legitimiert sein und auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen302. An letzterem fehlt es im baden-württembergischen Polizeirecht, weshalb auch der von Wohlfahrt empfohlene Weg, Private als „Hilfspolizisten" zu bestellen303, nicht gangbar ist. Das bwPolG läßt die Übertragung polizeilicher Aufgaben und Befugnisse nur auf gemeindliche Vollzugsbedienstete, nicht aber auf andere Privatpersonen wie etwa Bedienstete eines privaten Verkehrsüberwachungsdienstes zu. Mangels zulässiger Beleihung kann auch der in den Abschleppvorgang eingeschaltete Abschleppunternehmer nur als Hilfsperson der Polizei, nicht jedoch als selbständiger Träger von Hoheitsrechten tätig werden304.

298 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 427 f.; ähnlich BVerfGE 49, 24 (56 f.); BVerwGE 49, 202 (209). 299 Vgl. BVerfGE 49, 24 (56 f.); BVerwGE 49, 202 (209); Bracher, S. 142. 300 Bracher, S. 62 ff.; Ehlers, S. 123; Wohlfahrt, DÖV 1993, 902 (908). 301 Vgl. R. Scholz, NJW 1997, 14 (15); KG, NZV 1997, 48 (50); BayObLG, NZV 1997, 276. 302 BVerwG, NVwZ 1989, 864 (865); Janker, DAR 1989, 172 (177); Mußmann, Rn. 67; Reichert/Ruder, Rn. 100; Wohlfahrt, DÖV 1993, 902 (907); Wolf/Stephan, § 1, Rn. 9 m. w. Nachw.; Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 104, Rn. 6; vgl. auch R. Scholz, NJW 1997, 14 und 16 zu den Bestrebungen der Innenministerkonferenz, in § 26 StVG die Voraussetzungen für die Beleihung Privater mit Aufgaben der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zu schaffen. 303 Wohlfahrt, DÖV 1993, 902 (908). Zu den Konsequenzen dieser Rechtsstellung im Zusammenhang mit Forderungsund Zurückbehaltüngsrechten siehe S. 276 ff.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

II. Wegfahrgebote durch polizeilichen Platzverweis? Die Polizeigesetze enthalten zum Teil Spezialermächtigungen zur Erteilung des Gebotes an eine Person, einen bestimmten Ort vorübergehend zu verlassen bzw. nicht zu betreten (Platzverweis, vgl. § 12 MEPolG). Ein Teil der Literatur ist - ohne dies allerdings weiter zu begründen - der Ansicht, daß sich eine derartige Anordnung auch auf ein Fahrzeug erstrecken könne, in dem sich der Betroffene befinde oder das er mit sich führe 305. Diese These könnte auf der Erwägung beruhen, daß „von einem Ort verweisen" je nach Fortbewegungsart die Anordnung des Gebotes wegzugehen (bei einem Fußgänger) oder wegzufahren (bei einem Kraftfahrer) bedeuten könne. Auch könnten Effektivitätsgesichtspunkte für die genannte Ansicht ins Feld geführt werden, wenn die Gefahr nur durch Verweisung der Person und der mitgeführten Sache abgewehrt werden kann. Abgesehen davon, daß die Anordnung, eine mitgeführte Sache ebenfalls zu entfernen, auch auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt werden kann und ein Effektivitätsverlust daher nicht zu befürchten ist, rechtfertigen Effektivitätsüberlegungen keine Rechtsfindung contra legem. Die Regelungen des Platzverweises sprechen nur von Anordnungen gegenüber einer Person306. Wenn Sachen Gegenstand polizeilicher Anordnungen sein sollen, ist dies in den Spezialermächtigungen explizit genannt, die Polizeigesetze unterscheiden genau zwischen Personen und Sachen. Die Ermächtigungen zur Erteilung von Platzverweisen bezwecken allein die Abwehr einer durch die Anwesenheit einer Person bestehenden Gefahr. Ein Platzverweis kann somit nur gebieten, einen bestimmten Ort zu verlassen oder nicht aufzusuchen. Wie der Betroffene diesem Gebot nachkommen will und wie er mit den Sachen, die er bei sich führt, verfährt, bleibt ihm überlassen. Geht von diesen Sachen, etwa seinem Kraftfahrzeug eine eigenständige Gefahr aus, dann mag diese mit polizeirechtlichen Mitteln abgewehrt werden können. Als Eingriffsermächtigung kommt dann aber nicht die Vorschrift über den Platzverweis307, sondern die Generalklausel oder möglicherweise die Sicherstellungsbefugnis zur Anwendung. Von der Notwendigkeit einer solchen „Doppelanordnung" scheinen auch die Verwaltungsvorschriften zum nwPolG und zum hessSOG auszugehen. Dort heißt es wörtlich übereinstimmend: „Die Platzverweisung ist erforderlichenfalls mit der Anordnung zu verbinden, mitgeführte Sachen, insbesondere Fahrzeuge oder Tiere, zu entfernen" 308. Die angesprochene weitere Anordnung ist offen-

305

Heise, § 12, Rn. 4; Honnacker/Beinhofer, Art. 16, Anm. 3; Knemeyer, Rn. 142; Kunkel/P ausch/Prillwitz, § 31, Rn. 4; Meixner, § 31, Rn. 5; Ρ ausch/Prillwitz, S. 182; ebenso Nr 16.1 der bayVollzBek (abgedruckt bei Honnacker/Beinhofer). 306 Vgl. Hunsiker, VD 1986, 30 (36); G. Scholz, Polizeirecht, S. 244. 307 Dagegen ebenfalls Hiltl, S. 45.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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sichtlich mit der Platzverweisung nicht identisch und müßte etwa auf die polizeirechtliche Generalklausel gestützt werden. Dritter Abschnitt

Sicherstellung von Kraftfahrzeugen A. Die gesetzlichen Regelungen Die Polizeigesetze sehen die Sicherstellung einer Sache in drei verschiedenen Fällen vor: 1. zur Abwehr einer (von der Sache ausgehenden) gegenwärtigen Gefahr oder unmittelbar bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG), 2. zum Schutz des Eigentümers oder Besitzers vor Verlust oder Beschädigung (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG), 3. zur Verhinderung der mißbräuchlichen Verwendung einer Sache durch eine festgehaltene Person (§21 Nr. 3 MEPolG, §33 Abs. 1 Nr. 2 bwPolG).

In Baden-Württemberg und Sachsen wird allein der zweite Fall als Sicherstellung bezeichnet309, die beiden anderen Alternativen heißen Beschlagnahme310. Da diese Terminologie außerhalb Baden-Württembergs und Sachsens nicht verwendet wird, soll sie auch im folgenden möglichst vermieden werden. Zur besseren Unterscheidung von der Sicherstellung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (sog. „Sicherstellungsgeneralklausel", §21 Nr. 1 MEPolG, §33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) soll die Sicherstellung gem. §§21 Nr. 2 MEPolG, 32 Abs. 1 bwPolG im folgenden als Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten bezeichnet werden. Nicht verwechselt werden darf die präventivpolizeiliche Sicherstellun| und Beschlagnahme mit den gleichlautenden strafprozessualen Befugnissen n . Für Abschleppfälle kommt hauptsächlich die Anwendbarkeit der Sicherstellungsbefugnis zur Abwehr einer von der Sache ausgehenden gegenwärtigen Gefahr (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) in Betracht. Das Abschleppen eines Kraftfahrzeugs kann aber auch dem Schutz des Eigentümers 308

Verwaltungsvorschrift zum nwPolG, Nr. 12.1, abgedruckt bei Heise, § 12; Verwaltungsvorschrift zum hessSOG, Nr. 31.1, abgedruckt bei Kunkel/Pausch/P r il l witz, §31. 309 § 32 bwPolG; § 26 sächsPolG. 310 § 33 bwPolG; § 27 sächsPolG. 311 Zur strafprozessualen Sicherstellung oder Beschlagnahme von Kfz siehe S. 120 ff.

90

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

oder Besitzers dienen und sich als Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten darstellen (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG). Die Anwendbarkeit der Sicherstellungsvorschriflen ist allgemein anerkannt, soweit es sich um das Abschleppen verkehrsunsicherer, diebstahlsgefährdeter, nicht versicherter oder nicht zugelassener Fahrzeuge handelt312. Immer noch ungeklärt und höchst umstritten ist dagegen die Frage, ob im Falle ordnungswidrigen Parkens Abschleppmaßnahmen auf die Sicherstellungsbefugnisse gestützt werden können oder ob sie sich als Vollzug (bzw. unmittelbare Ausführung) eines auf spezialgesetzlicher Grundlage313 oder aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel ergangenen Entfernungsgebotes darstellen. B. Mögliche Lösungsmodelle Im folgenden soll zunächst untersucht werden, ob die polizeirechtliche Generalklausel oder die Sicherstellungsvorschriften als Rechtsgrundlagen für das Entfernen vom ursprünglichen Standort und den Transport zum neuen Standort zur Anwendung kommen können. Der besseren Übersichtlichkeit wegen soll dagegen die Frage, wie der Vollzug (Transportphase) einer Generalklauseloder Sicherstellungsmaßnahme zu qualifizieren ist und welchen Vorschriften die Phase der Verwahrung unterliegt, einstweilen ausgespart bleiben und erst an späterer Stelle erörtert werden314. Insoweit lassen sich auf der Grundlage des folgenden Schaubilds fünf in Rechtsprechung und Literatur entwickelte Auffassungen zur Diskussion gegenüberstellen315.

312 313

Siehe S. 109.

Beispiele für Entfernungsgebote: Verkehrszeichen, Weisungen i. S. d. § 36 StVO, Straßen-, abfall- oder bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnungen. Siehe ausführlich 314S. 28 ff. Siehe zum Vollzug der Maßnahmen S. 125 ff., zur Verwahrung S. 154 ff. Die Bezeichnungen Generalklausellösung, Sicherstellungslösung, enge und weite Kombinationslösung, sowie differenzierende Lösung stammen vom Verfasser.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

91

Schaubild 1 Die drei Phasen des Abschleppvorgangs und die verschiedenen Möglichkeiten der rechtlichen Behandlung Entfernen eines Kfz von seinem Standort

Transport eines Kfz zur Verwahrung eines Kfz Verwahrung bis zur Abholung Generalklausel

1. 2.

Generalklausel

3.

Generalklausel

4.

Generalklausel

5.

Generalklausel

6.

316

Sicherstellung 316

Sicherstellung Sicherstellung

(„Generalklausel" und „Sicherstellung" bedeutet, daß die jeweiligen Teilakte ihre Rechtsgrundlage in Anordnungen aufgrund dieser Vorschriften finden.)

C. Die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Ansichten I. Die Generalklausellösung Die Generalklausellösung (Schaubild, Nr. 1 und 2) zieht die polizeirechtliche Generalklausel als Rechtsgrundlage für das Entfernen und Abtransportieren von Kraftfahrzeugen heran. Von den Stellungnahmen, die eine Generalklauselmaßnahme ausdrücklich befürworten, lehnt ein Teil die Anwendbarkeit der Sicherstellungsvorschriften kategorisch ab 317 , während der andere Teil die Pro316 Die betreffenden Teilakte können weder auf die polizeirechtliche Generalklausel, noch auf die Sicherstellungs- bzw. Beschlagnahmebefugnisse gestützt werden. In Betracht kommt das Vorliegen eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses (siehe hierzu und zu den anwendbaren Vorschriften S. 154 ff.). 317 VGH Kassel, NVwZ 1987, 904 (909); 1988, 655 (656); VGH München, BayVBl. 1979, 307; DAR 1983, 239; OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VII 3/93 -, ILI. der Entscheidungsgründe (insoweit in DAR 1994, 290 nicht abgedruckt); Fehn, VR 1988, 167 (169); Gril, VB1.BW 1997, 153; Grüning/Möller, VR 1984, 156 (159); Ipsen, Rn. 506; Janssen, JA 1996, 165 (167); Klenke, NWVB1. 1994, 288; Knemeyer, Rn. 175; König, S. 93; Möller/Wilhelm, S. 196; Mußmann, Rn. 248; Nagel, S. 47 und S. 54; Pe-

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

blematik nicht erörtert 318. Der Generalklausellösung dürften schließlich auch diejenigen Entscheidungen zuzurechnen sein, die das Abschleppen als unmittelbare Ausführung 319 oder als Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug 320 bezeichnen, ohne die einschlägige Eingriffsermächtigung, deren Voraussetzungen bei einem derartigen Vorgehen selbstverständlich zu beachten sind, zu benennen. Während ganz überwiegend die eigentliche Verwahrung dem Anwendungsbereich der Entfernungsbefugnisse entzogen wird 321 (Schaubild, Nr. 2), findet sich vereinzelt auch die Gegenauffassung 2 2 (Schaubild, Nr. 1).

II. Die Sicherstellungslösung Den entgegengesetzten Standpunkt nehmen die Vertreter der Sicherstellungslösung (Schaubild, Nr. 6) ein, die das Abschleppen ohne Ausnahme als Sicherstellung qualifizieren wollen 323 .

ters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247); Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 418; Samper, BayVBl. 1983, 333; G. Scholz, Polizeirecht, S. 244; Schwab, VD 1986, 225; derselbe, VD 1992, 57 (58 f.); Steinhilber, NJW 1983, 2429; Tünnesen-Harmes, Jura 1992, 45 (49); Würtenberger, Rn. 136; Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (599); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 318 VGH Mannheim, ESVGH 21, 166; NJW 1991, 1698; DVBl. 1991, 1370; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; DÖV 1995, 783 (784); OVG Berlin, VerkMitt 1982, 64; OVG Koblenz, NJW 1988, 929; OVG Saarlouis, NJW 1994, 878 (879) und Urteil vom 14.8.1990 - 1 R 184/88 -; OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589); VGH München, BayVBl. 1972, 47; VG München, DAR 1965, 223 (224); VG Freiburg, NJW 1979, 2060; VG Würzburg, NVwZ-RR 1989, 138; VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193); VG Saarlouis, ZfS 1993, 215; VG Berlin, ZfS 1993, 252 und NZV 1993, 368; VG Leipzig, LKV 1995, 165; Hunsiker, VD 1986, 30 (36); Reichert/Ruder, Rn. 623 ff., 704 ff.; Steckert, DVBl. 1971, 243 (244); Stephan, in: Bretzinger, Rn. 112 f.; Stollenwerk, VD 1996, 81 (82); Wiethaup, DAR 1973, 264 f. 319 VGH München, BayVBl. 1984, 16; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369; OVG Lüneburg, VRS 58, 233 (234); OVG Hamburg, DAR 1982, 306; VG Frankfurt, NVwZRR 1993, 28; VG Saarlouis, NZV 1991, 47; VG Freiburg, ZfS 1994, 352; VB1.BW 1987, 472. 320 OVG Münster, NJW 1980, 1974; NJW 1981, 478; VGH Kassel, VerkMitt 1978, 8; VerkMitt 1981, 22 (24); NJW 1984, 1197 (1198). 321 Vgl. nur VGH Kassel, NVwZ 1988, 855 (656). 322 Daumann, DAR 1969, 317 (322); für das Abstellen auf einem kostenpflichtigen Parkplatz ebenso OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VII 3/93 -, II 2 b der Entscheidungsgründe (insoweit in DAR 1994, 290 nicht abgedruckt). Zur Kritik dieser Auffassung siehe S. 153 ff. OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278); DVBl. 1983, 1074; VRS 71, 467 (468); VerkMitt 1988, 48; VG Kassel, NVwZ 1985, 212; VG Münster, DÖV 1988, 87; VG Düsseldorf, NZV 1993, 287 (288); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; Gaul, VB1.BW 1996,

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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Das OVG Münster hat in seinem Urteil vom 16.2.1982 zwanglos die Sicherstellung eines ordnungswidrig geparkten Fahrzeugs zur Abwehr einer „Störung der öffentlichen Sicherheit mit fortwirkender Gefahr" bejaht, ohne sich weiter mit der Problematik auseinanderzusetzen324. Diese Entscheidung hat das OVG Münster mit seiner späteren Rechtsprechung bestätigt325. Das Gericht zeigt sich aber in den letzten Jahren zurückhaltender und läßt die Entscheidung zwischen Generalklausel und Sicherstellung regelmäßig dahinstehen326. III. Die Kombinationslösungen Als Kombinationslösungen könnten die Lösungsmodelle bezeichnet werden, die eine Generalklauselmaßnahme befürworten, an die sich eine Sicherstellung anschließen könne. Diese Grundposition findet sich im Schrifttum in zwei Ausprägungen. Im Hinblick auf den zeitlichen Umfang des „Generalklausel-Anteils" könnte von einer engen Kombinationslösung gesprochen werden, wenn allein das Entfernen und Versetzen von Fahrzeugen der Generalklausel unterworfen, der Abtransport und die Verwahrung aber als Sicherstellung qualifiziert wird 327 (Schaubild, Nr. 5). Mangels polizeilichen Gewahrsams sei eine Sicherstellung nicht gegeben, wenn ein Fahrzeug wegen eines nicht aus der Mißachtung eines Verkehrszeichens resultierenden Verkehrsverstoßes nur um wenige Meter versetzt werde328. Müsse das Kfz infolge fehlender Abstellgelegenheit auf einen Verwahrplatz verbracht werden, stelle diese an das Wegrücken sich anschließende Folgemaßnahme eine Sicherstellung dar 329.

1 (6 ff.); Geiger, BayVBl. 1983, 10 (11); Huppertz, Rn. 0201; derselbe, Die Polizei 1989, 280 (286); Köhler, BayVBl. 1984, 630 (631); von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389; Schleberger, S. 173 f.; Schumann, S. 123, 147; Schwabe, NJW 1983, 369 (373); ebenso der Runderlaß des Innenministers von Nordrhein-Westfalen zur Sicherstellung von Fahrzeugen durch die Polizei, Nr. 2.2.1 (MB1.NW 1981, 1455; 1986, 870, zitiert nach Nagel, S. 42). 324 OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278); ebenso VG Düsseldorf, NZV 1993, 287 (288); VG Münster, DÖV 1988, 87; VG Kassel, NVwZ 1985, 212. 325 OVG Münster, DVBl. 1983, 1074; VRS 71, 467 (468); VerkMitt 1988, 48. 326 OVG Münster, NJW 1990, 2835; NJW 1993, 2698. 327 Gornig/Jahn, S. 230 f., 236; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 113; wohl auch Albrecht, Festschrift Samper, S. 174, Fn. 43; Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287; ebenso früher Götz, 11. Auflage, Rn. 303, 396. 328 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 112. 329

Schenke, in: Steiner, II, Rn. 113; so wohl auch Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287; ebenso früher Götz, 11. Auflage, Rn. 396.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Demgegenüber deckt sich die weite Kombinationslösung insoweit mit der Generalklausellösung als sie das Entfernen und den Abtransport der Generalklausel zuordnet. Im Gegensatz zu dieser soll aber mit dem Abstellen auf einem Verwahrungsgelände das Fahrzeug sichergestellt werden können330 (Schaubild, Nr. 3). IV. Die differenzierende Lösung

Anders als die Kombinationslösungen geht die differenzierende Lösung vo einer in ihrer rechtlichen Qualifikation einheitlichen Maßnahme aus. Sofern ein Fahrzeug nur auf einen in der Nähe befindlichen Parkplatz versetzt (umgesetzt) werde, könne die Maßnahme auf die Generalklausel gestützt werden (wie die Generalklausellösung). Werde das Fahrzeug hingegen zur Verwahrung abtransportiert, sei die gesamte Maßnahme als Sicherstellung zu beurteilen (wie die Sicherstellungslösungf 31. Der VGH München hat sich mit seinem vielzitierten Beschluß vom 23.5.1984 zu der differenzierenden Ansicht bekannt. Für die Sicherstellung sei charakteristisch, daß „eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne nur durch amtlichen Gewahrsam behoben werden kann und daß die Polizei zu diesem Zweck das Fahrzeug in ihren Besitz nimmt"332. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei die Ingewahrsamnahme nicht geboten, wenn die durch das verkehrsordnungswidrige Parken hervorgerufene Gefahr auch bereits dadurch abgewehrt werden könne, daß das Fahrzeug auf einen in unmittelbarer Nähe gelegenen freien der StVO entsprechenden Parkplatz versetzt werde. Eine Si330

Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11, 2 c α (S. 168); Meixner , § 40, Rn. 4; wohl auch Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1031 f.), der von der „Sicherstellung auf einem amtlichen Gelände" spricht, im Zusammenhang mit der „Anordnung des Abschleppens" die Sicherstellung jedoch nicht erwähnt. 331 VGH München, NJW 1984, 2962 (2963 f.); NVwZ 1987, 912; BayVBl. 1987, 119 (120); BayVBl. 1987, 404; NVwZ 1988, 657; BayVBl. 1989, 116; BayVBl. 1989, 437; BayVBl. 1990, 435; DÖV 1990, 483 (484); NVwZ 1990, 180 (181); VG München, NVwZ 1988, 667; DÖV 1988, 88; Böhrenz, § 24, Erl. 5; Bouska,, DAR 1983, 147 (149); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 143; Götz, Rn. 313; Gusy, Rn. 241; Habermehl, Rn. 636; Heise/Tegtmeyer, § 43, Rn. 10 f.; Hiltl, S. 66 ff.; Jahn, JuS 1989, 969 (970); Kierse, DAR 1995, 400; Kottmann, DÖV 1983, 493 (495, 498); Prümm/Stubenrauch, § 22, Rn. 9; Rasch, § 21, Rn. 5; Schoch, JuS 1995, 313; Storr, ThürVBl. 1993, 255 (262); Tettinger, Rn. 274; Vahle, Die Polizei 1981, 101 (102 f.); Wagner, § 30, Rn. 24 f.; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 15; siehe auch Nr. 25.3 der bayVollzBek; ebenso wohl auch Biletzki, NZV 1996, 303 (304); Honnacker/Beinhofer, Art. 25, Anm. 4; Prümm/Thieß, S. 76; Scholler/Schloer, S. 144 f.; Zöller, VR 1993, 164 (165); unklar OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468; Hansen, Die Polizei 1987, 105 (107, 109). 332 VGH München, NJW 1984, 2962 (2963) = BayVBl. 1984, 559 ff.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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cherstellung wäre hier als unverhältnismäßig und daher rechtswidrig anzusehen333. Hingegen komme eine Sicherstellung in Betracht, wenn ein solcher freier Parkplatz nicht vorhanden oder das Versetzen aus technischen Gründen unverhältnismäßig schwierig sei. Denn dann könne die aus dem falschen Parken entstandene Gefahr nur dadurch rechtmäßig abgewehrt werden, daß das Fahrzeug von dem Polizeibeamten durch Sicherstellung in amtlichen Gewahrsam genommen und vorläufig auf einem amtlichen Verwahrplatz verwahrt werde334. Allein die Sicherstellung und amtliche Verwahrung gewährleiste, „daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt von diesem Fahrzeug keine Gefahr mehr ausgeht"335. Die umfangreiche zu Abschleppfällen ergangene Rechtsprechung des VGH München ist den genannten Grundsätzen treu geblieben33 . Einige Urteile haben sich der Entscheidung, ob denn nun eine Sicherstellung oder eine Maßnahme aufgrund der Generalklausel erfolgt sei, enthoben gesehen337. Die differenzierende Lösung spiegelt sich auch in § 22 Abs. 2 thürOBG wider, wo das Umsetzen verkehrsordnungswidrig geparkter Fahrzeuge zwar erwähnt, jedoch nicht (im Sinne einer Eingriffsermächtigung) geregelt ist. Zwei neuere Entscheidungen des VGH München verdienen Beachtung, weil sie die Rechtsgrundlage für die polizeiliche Abschleppmaßnahme nicht in der Sicherstellungsbefugnis, sondern in der Generalklausel sehen. In seinem Urteil vom 25.2.1991 hat der VGH im Gegensatz zu den zuvor genannten Entscheidungen eine auf die Generalklausel gestützte unmittelbare Ausführung angenommen, ohne auf die Möglichkeit einer Sicherstellung einzugehen338. Wie das Urteil vom 17.9.1991339 zeigt, in dem wieder Ausführungen zur Differenzierung zwischen Sicherstellung und Generalklausel zu finden sind, kann dies nicht als Abkehr von der ständigen Rechtsprechung des VGH verstanden werden. Die zuletzt genannte Entscheidung läßt jedoch diese Rechtsprechung in einem vollkommen neuen Licht erscheinen. Der VGH hat hier nämlich zu dem von ihm als Sicherstellungsvoraussetzung angesehenen Merkmal des „amtlichen Gewahrsams" Stellung genommen und entschieden: 333

VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); ebenso Hiltl, S. 58; vgl. Kottmann, DÖV 1983, 493 (495). 334 VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); vgl. Hiltl, S. 63. 335 VGH München, NJW 1984, 2962 (2964). 336 VGH München, BayVBl. 1987, 404; NVwZ 1988, 657; BayVBl. 1989, 437; DÖV 1990, 483 (484); NVwZ 1990, 180 (181); ebenso VG München, NVwZ 1988, 667. 337 VGH München, NVwZ 1987, 912; BayVBl. 1987, 119 (120); BayVBl. 1989, 116; BayVBl. 1990, 435; ebenso VG München, DÖV 1988, 88. 338 VGH München, BayVBl. 1991, 433 (434); ebenso die Entscheidung VGH München, BayVBl. 1994, 372, bei der es sich aber anscheinend um ein Versetzen auf einen nahegelegenen Parkplatz handelte. 339 VGH München, NZV 1992, 207.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

„Soweit es darum geht, daß die Polizei das verkehrswidrig abgestellte Fahrzeug des Kl. aus dem Verbotsbereich umgehend durch ein privates Abschleppunternehmen entfernen und auf dessen Betriebsgrundstück verwahren läßt, handelt es sich um eine bloße Umsetzung [...], nicht aber um eine Sicherstellung i. S. von Art. 24 PAG a. F., weil durch das Abstellen des Fahrzeugs auf dem Betriebsgrundstück des privaten Abschleppunternehmers wegen des fehlenden Besitzbegründungswillens der Polizei kein amtlicher Gewahrsam i. S. von Art. 24 PAG a. F. begründet wird" 340. Bemerkenswert ist diese weitgehend unbeachtet gebliebene Entscheidung deshalb, weil die dem VGH folgende Literatur eine nicht als Sicherstellung zu wertende Umsetzung oder Versetzung nur dann annehmen wollte, wenn das Fahrzeug in der Nähe seines ursprünglichen Standortes wieder abgestellt und nicht verwahrt werde. Der VGH hat demgegenüber den Anwendungsbereich der Sicherstellung eingeengt und sich nicht unerheblich der Auffassung genähert, die eine Sicherstellung verkehrswidrig geparkter Fahrzeuge gänzlich ablehnt - dies umso mehr, als die Verwahrung durch einen privaten Abschleppunternehmer in der Praxis nicht selten ist und wahrscheinlich sogar den Regelfall darstellt. D. Der Sicherstellungsbegriff Bevor auf die Frage der Anwendbarkeit der Sicherstellungsnormen eine Antwort gegeben werden kann, muß zuerst geklärt werden, welche Maßnahmen begrifflich als Sicherstellung bezeichnet werden können. I. Begründung hoheitlicher Sachherrschaft Grundsätzliche Übereinstimmung besteht noch darin, daß es für die Sicherstellung charakteristisch ist, daß die Polizei eine Sache in Besitz oder hoheitlichen Gewahrsam nehme oder die tatsächliche Sachherrschaft ausübe. Wiewohl die einzelnen Begriffe durchaus unterschiedliche Bedeutungen haben, liegt ihnen doch als gemeinsames Merkmal die tatsächliche Herrschaft über eine Sache zugrunde341.

340 341

VGH München, NZV 1992, 207.

Siehe für den strafrechtlichen Gewahrsamsbegriff Eser, in: Schönke/Schröder, § 242, Rn. 25 ff., für den Begriff des unmittelbaren Besitzes im BGB Joost, in: Münchener Kommentar, vor § 854, Rn. 6; für den Begriff des Gewahrsams in §§ 808, 809 ZPO Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 808, Rn. 10.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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Die Polizei übt tatsächliche hoheitliche Sachherrschaft aus, wenn sie die ungehinderte Möglichkeit hat, auf eine Sache einzuwirken342. Diese tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit besitzt die Polizei beim Abschleppen von Kfz. So besteht tatsächliche Sachherrschaft an einem Fahrzeug, das zu einem Verwahrplatz abgeschleppt und dort durch die Polizei oder ihre Beauftragten verwahrt wird. Wird ein Kfz lediglich „versetzt" oder „umgesetzt", also nicht auf einem Verwahrplatz, sondern einem regulären freien Parkplatz abgestellt, so besteht die Einwirkungsmöglichkeit der Polizei für die Dauer dieses Vorgangs343. Umstritten ist, ob mit dem Merkmal der polizeilichen Sachherrschaft der Sicherstellungsbegriff hinreichend präzise definiert ist und wie er gegebenenfalls präzisiert werden sollte. II. Aufbewahrung oder Entzug der Sachherrschaft? Auf weitere begriffliche Merkmale wollen die Vertreter der Sicherstellungslösung verzichten. Sie stehen auf dem Standpunkt, daß bereits in dem kurzfristigen Ansichnehmen einer Sache durch die Polizei eine Sicherstellung liegen könne344, da der amtliche Gewahrsam bereits „mit dem Nehmen des Kfz auf den Abschlepphaken" beginne345. Dies hätte zur Konsequenz, daß nicht nur alle polizeilichen Abschleppmaßnahmen, sondern jede Aufbewahrung einer Sache durch die Polizei als Sicherstellung zu qualifizieren wäre. Dies zeigt, daß das Merkmal der tatsächlichen Sachherrschaft nicht genügt, um den Charakter der Sicherstellung ausreichend zu bestimmen. So gibt es Maßnahmen, die ebenfalls zu polizeilicher Sachherrschaft führen, hingegen nicht als Sicherstellung zu qualifizieren sind346, zum Beispiel die Entgegennahme von verlorenen Sachen durch die Polizei. Nach § 32 Abs. 5 bwPolG sind die Sicherstellungsvorschriften bei der Entgegennahme und Aufbewahrung von Fundsachen regelmäßig nicht anwendbar. Eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten (§21 Nr. 2 MEPolG, §32 Abs. 1 bwPolG) kann aber in Betracht kommen, wenn die Behandlung als Fundsache zum Schutz des Berechtigten nicht ausreichend ist347. Das zeigt, daß

342

Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 86; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, §21 1 a(S. 329). 3 Insoweit zutreffend Schwabe, NJW 1983, 369 (373); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9 (S. 180); Köhler, BayVBl. 1984, 630 (631); Gaul, VB1.BW 1996, 1 (7 f.). Schwabe, NJW 1983, 369 (373); ebenso Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9 (S. 180); Köhler, BayVBl. 1984, 630 (631); Gaul, VB1.BW 1996, 1 (7 f.). 345 Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9 (S. 180); Köhler, BayVBl. 1984, 630 (631); so wohl auch Schumann, S. 122 f., 147. 346 Nagel, S. 11; Samper, BayVBl. 1983, 333 (334). 347 Wolf/Stephan, § 32, Rn. 32. 7 Schieferdecker

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

die Sicherstellung gegenüber der bloßen Aufbewahrung von Sachen engere Voraussetzungen aufweisen muß. Zur Präzisierung des Sicherstellungsbegriffs ungeeignet ist die bisweilen vertretene Auffassung, begriffliche Voraussetzung einer Sicherstellung sei die Begründung eines Verwahrungsverhältnisses348: In den Fällen, in denen das abgeschleppte Fahrzeug öffentlich verwahrt werde, müsse einer solchen Maßnahme eine Sicherstellung vorausgehen, denn die Ansicht, daß eine Sicherstellung nicht vorliege, lasse „die Frage unbeantwortet, wie die Verwahrung des Fahrzeugs durch die Polizei oder ihren Beauftragten rechtlich begründet werden soll"349. Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die Sicherstellungsvorschriften die Verwahrung als regelmäßige Rechtsfolge der Sicherstellung anordnen (§ 3 Abs. 1 S. 1 DVO bwPolG, § 22 Abs. 1 S. 1 MEPolG). Es ist ausgeschlossen, daß die Rechtsfolge zugleich ihre rechtliche Voraussetzung beschreibt350. Zudem ist die Verwahrung nur eine mögliche Folge der Sicherstellung. § 22 Abs. 1 S. 2 MEPolG weist ausdrücklich daraufhin, daß sichergestellte Sachen „auch auf andere geeignete Weise" aufbewahrt oder gesichert werden können. So können unbewegliche Sachen wie Gebäude zwar nicht verwahrt, aber dennoch (durch Anbringen eines Siegels) sichergestellt werden. Es kann auch erforderlich sein, daß die sichergestellte Sache nicht verwahrt, sondern verwertet, unbrauchbar gemacht oder vernichtet wird 351. Umgekehrt ist die Sicherstellung auch nicht unabdingbare Voraussetzung einer öffentlichrechtlichen Verwahrung352. Ein öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis kommt stets dann zustande, wenn die Verwaltung private Sachen kraft öffentlichen Rechts in Besitz und Obhut nimmt353. Durch welche Maßnahme sie den Besitz an der Sache erlangt hat, ist unerheblich, da eine Verwahrungspflicht immer dann gegeben ist, wenn sich private Sachen in staatlichem Gewahrsam befinden. Sofern dem Betroffenen die Sache nicht auf Dauer entzogen wird, gebieten Art. 14 GG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß die Verwaltung für eine möglichst schonende Behandlung der Sache Sorge trägt, damit sie dem Betroffenen in unverändertem Zustand zurückgegeben werden kann, soweit und sobald dies

348

Dabei wird an die Inverwahrungnahme auf einem Verwahrungsgelände gedacht, anders aber Gaul, VB1.BW 1996, 1 (6), für den mit dem Wegrücken des Fahrzeugs bereits 349ein Verwahrungsverhältnis entstehen soll. Bouska,, DAR 1983, 147 (149); ähnlich Habermehl, Rn. 636. 350 Schwabe, NJW 1983, 369 (372); ebenso Hiltl, S. 57 f.; Köhler, BayVBl. 1984, 630 (631). 351

Zulässig unter den Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 2 DVO bwPolG, 34 bwPolG, 23352 MEPolG. Verfehlt deshalb die Argumentation von Bouska, DAR 1983, 147 (149) und Habermehl, Rn. 636; wie hier dagegen Samper, BayVBl. 1983, 333 (334); uneindeutig Gaul, 3 5 3 VB1.BW 1996, 1 (6). Siehe ausführlich S. 154 ff.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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möglich ist354. Die für die Sicherstellung normierten Verwahrungs- und Herausgabepflichten haben dagegen nur deklaratorische Funktion. Daraus, daß die Polizei ein abgeschlepptes Fahrzeug verwahrt oder verwahren läßt, kann deshalb nicht bereits auf das Vorliegen einer Sicherstellung geschlossen werden. Kann von der tatsächlichen Durchführung einer Verwahrung somit nicht auf das Vorliegen einer Sicherstellung geschlossen werden, so leisten die Autoren, die auf die Verwahrung einer Sache abstellen, insoweit eine Eingrenzung des Sicherstellungsbegriffs, als sie zugleich voraussetzen, daß das Verwahrungsverhältnis durch die „Entziehung der tatsächlichen Verfügungsgewalt" begründet werde355. In ähnlicher Weise verstehen eine Reihe von Autoren unter Sicherstellung „die Beendigung des Gewahrsams des Eigentümers oder sonstigen Berechtigten und die Begründung neuen Gewahrsams durch die Verwaltung oder von ihr beauftragte Personen"356. An der „Begründung eines polizeilichen Gewahrsams, wie ihn die Sicherstellung verlangt," fehle es, wenn ein Fahrzeug lediglich „wenige Meter von seinem bisherigen Standort entfernt" 357 oder ver358

setzt werde. Andere Autoren lehnen die Annahme einer Sicherstellung sogar beim Abschleppen (Transport zum Verwahrungsgelände) mit der Begründung ab, daß hierbei kein „Gewahrsam" begründet werde359. Der VGH München ist der Auffassung, daß jedenfalls das Abschleppen zu dem Verwahrungsgelände eines privaten Abschleppunternehmers nicht zu dem für die Annahme einer Sicherstellung erforderlichen „amtlichen Gewahrsam" führe 360. Die Stellungnahmen erstaunen, wenn man den Begriff „Gewahrsam" als „tatsächliche Sachherrschaft" versteht. Denn diese übt die Polizei beim Entfernen eines Kfz ohne Zweifel aus, da sie die ungehinderte Möglichkeit hat, auf den Standort des Fahrzeugs einzuwirken. „Gewahrsam" und „Verwahrung" scheinen deshalb eine begriffliche Präzisierung gegenüber „Sachherrschaft" zu beinhalten. Welches zusätzlich neben das Erfordernis der tatsächlichen Sach354

Siehe zum Anspruch auf Herausgabe verwahrter Kfz S. 296 ff. Geiger, BayVBl. 1983, 10 (11); ebenso Nr.25.2 der bayVollzBek; Schumann, S. 122· in dieser Richtung argumentiert auch Gaul, VB1.BW 1996, 1 (6). 3 6 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 12, 11 a (S. 209); so auch OVG Münster, NVwZ-RR 1991, 556 (557); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 139; Götz, Rn. 309; Mußmann, Rn. 248; Wolff/Bachof, VerwR III, § 129, Rn. 34; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 266. 357 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 111. 358 Vgl. Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 144; Götz, Rn. 311, 313; Gusy, Rn. 241, der wohl meint, daß beim Versetzen die Verfügungsmöglichkeit über das Kfz nicht entzogen werde (zum Sicherstellungsbegriff Rn. 237). Mußmann, Rn. 248; auch Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11, 2 c α (S. 167 f.). 360 VGH München, NZV 1992, 207. 355

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

herrschaft tretende, eingrenzende Merkmal die Sicherstellung charakterisiert und von bloßen Aufbewahrungshandlungen abgrenzt, bleibt bei den genannten Stellungnahmen im dunkeln. Als weitere Präzisierung wird in Literatur und Rechtsprechung vorgeschlagen, als Sicherstellung nur solche Maßnahmen zu bezeichnen, bei denen Gewahrsamsbegründung und Sachentzug nicht zufällig, sondern zielgerichtet erfolgten und bezweckt seien. Eine Sicherstellung liege nur vor, wenn es der Polizei vom Zweck der Maßnahme her darauf ankomme, die Sache in Verwahrung zu haben und andere von der Einwirkungsmöglichkeit auszuschließen361, wenn es dem handelnden Polizeibeamten darauf ankomme, die Sache in seinem Besitz bzw. in Verwahrung zu wissen362. Das Abschleppen eines Kfz sei keine Sicherstellung, da die Abschleppmaßnahme nicht auf den Entzug der Sachherrschaft bzw. die Gewahrsamsbegründung, sondern auf das bloße Entfernen des Kfz gerichtet sei363 und der polizeiliche Gewahrsam nur als Nebenfolge eintrete364. Der erforderliche Besitzbegründungswille der Polizei sei auch dann nicht gegeben, wenn ein Fahrzeug von einem privaten Abschleppunternehmer im Auftrag der Polizei entfernt und verwahrt werde365. III. Sicherstellung als Entzug der Einwirkungsmöglichkeit durch Ingewahrsamnahme und hoheitliche Verstrickung der Sache Den Kern des Sicherstellungsbegriffs erhellt, wer die Sicherstellung als Maßnahme begreift, die eine Gefahr gerade durch die Begründung alleiniger hoheitlicher Sachherrschaft abwehren soll366. Mit anderen Worten: Die Inver361

Knemeyer, Rn. 174; Meixner, § 40, Rn. 4; Nagel, S. 19; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247); Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 418, 463; Schwab, VD 1986, 225; derselbe, VD 1992, 57 (58); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (599); ähnlich König, S. 92. 362 Samper, BayVBl. 1983, 333; Grünning/Möller, VR 1984, 156 (159); GornigA Jahn, S. 230 f. 363 Gornig/Jahn, S. 230 f.; Klenke, NWVB1. 1994, 288; Knemeyer, Rn. 175; Meixner, § 40, Rn. 4; Möller/Wilhelm, S. 196; Nagel, S. 45 ff.; Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 418; Samper, BayVBl. 1983, 333 (334); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486; vgl. Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (247); ähnlich Grünning/Möller, VR 1984, 156 (159): daß die Polizei ein ordnungswidrig abgestelltes Fahrzeug amtlich in Verwahrung nehmen wolle, sei bei Abschleppmaßnahmen nicht anzunehmen; a. Α.: Geiger, BayVBl. 1983, 10 (11). 364 Gornig/Jahn, S. 230 f.; Janssen, JA 1996, 165 (167); a. Α.: VGH München, NVwZ 1990, 180 (181); Geiger, BayVBl. 1983, 10 (11). 365 VGH München, NZV 1992, 207. 366 Vgl. Klenke, NWVB1. 1994, 288; Möller/Wilhelm, S. 196; Steinhilber, NJW 1983, 2429 (2430); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486; vgl. auch Fehn, VR 1988, 167 (169); Tünnesen-Harmes, Jura 1992, 45 (49).

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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wahrungnahme einer Sache stellte sich nur dann als Sicherstellung dar, wenn der mit der Inverwahrungnahme verbundene Ausschluß des Berechtigten und anderer Personen Mittel der Gefahrenabwehr und nicht bloß Nebenfolge oder Folgeakt der eigentlichen Gefahrenabwehrhandlung ist. Entscheidendes weiteres Kriterium neben der tatsächlichen Sachherrschaft wäre somit, daß die Begründung der polizeilichen Sachherrschaft den Berechtigten und andere Personen von der Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache ausschließt und deren hoheitliche Verstrickung367 begründet. Ob dieser engere Sicherstellungsbegriff zutreffend ist, muß sich bei der Auslegung der „Sicherstellungsgeneralklausel" (§21 Nr. 1 MEPolG, Beschlagnahme gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) erweisen. 7. Der Wortlaut Aufgrund der generalklauselartigen Weite dieser Sicherstellungsalternative wäre es möglich, alle Maßnahmen als Sicherstellung zu bezeichnen, die erforderlich sind, um eine entweder vom Zustand einer Sache oder ihrer Verwendung ausgehende oder mit ihrer Hilfe abwehrbare Gefahr abzuwehren368. So meint Gusy, der weite Gesetzeswortlaut erlaube es nunmehr im Gegensatz zu früher, das Abschleppen als Sicherstellung zu bezeichnen369. Friauf erklärt, auch die störende „Lage eines Kraftfahrzeugs im Raum" sei eine Gefahr, die von einer Sache ausgehe, weshalb eine Sicherstellung möglich sei370. Gegen das Erfordernis einer besonderen Zielrichtung oder eines Sicherstellungszwekkes wendet sich auch Geiger mit dem Argument, eine solche Einschränkung lasse sich dem Wortlaut der Sicherstellungsbefugnisse nicht entnehmen371. Es spricht jedoch bereits die grammatikalische Interpretation für ein engeres Verständnis des Sicherstellungsbegriffs. Das bwPolG verwendet den Begriff „Beschlagnahme", der MEPolG den Begriff „Sicherstellung". Damit wird bereits angedeutet, daß das Wesen der Standardmaßnahme sich nicht allein darin

367

Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 266, vgl. für die strafprozessuale Beschlagnahme Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 10. Die Verstrickung ist durch § 136 StGB geschützt. § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG verwendet nicht den Begriff der „gegenwärtigen Gefahr", sondern spricht von einer unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen Störung. Die Begriffe der „gegenwärtigen Gefahr" und der „unmittelbar bevorstehenden Störung" decken sich inhaltlich, vgl. Heise/Riegel, Allgemeine Begründung zum MEPolG, Nr. 5, S. 25. 369 Gusy, Rn. 237. Friauf in: Schmidt-Aßmann, Rn. 144. 371 Geiger, BayVBl. 1983, 10(11); vgl. VGH München, NVwZ 1990, 180 (181).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

erschöpft, daß die Polizei eine Sache in Besitz nimmt. „Sicherstellen" bedeutet dem Wortsinn nach auch eine bestimmte Zielrichtung des Handelns372: Eine Sache soll in Schutz genommen, in Sicherheit gebracht, zur Verfügung der Polizei gehalten, an einen sicheren Ort gestellt werden373. Gleiches gilt für den Begriff der „Beschlagnahme". Eine Sache in Beschlag zu nehmen bedeutet, sie für sich alleine zu beanspruchen374, sie zur eigenen Verfügung zu halten. Der Wortlaut legt demnach nahe, als Sicherstellung eine Maßnahme zu bezeichnen, die eine Gefahr dadurch abwehren kann, daß sie eine Sache so abschirmt, daß sie entweder selbst keiner Gefahr ausgesetzt ist, andere nicht gefährden kann oder der Polizei zur Abwehr anderer Gefahren ungehindert zur Verfügung steht. 2. Die Intentionen des Gesetzgebers Die präventivpolizeiliche Sicherstellung war unter der Geltung des PrPVG nicht speziell geregelt. Sie wurde jedoch allgemein für zulässig gehalten und auf die Befugnisgeneralklausel des § 14 PrPVG gestützt. Nach 1945 hat sich mehr und mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß die besonders eingriffsintensiven polizeilichen Maßnahmen ausführliche Regelungen erforderten. Der baden-württembergische Gesetzgeber hat aus diesem Grund die Standardmaßnahmen Sicherstellung und Beschlagnahme dem Anwendungsbereich der Generalklausel entzogen und speziell geregelt375. Der Gesetzesbegründung zufolge handelt es sich bei der Beschlagnahme (Sicherstellung gem. § 21 Nr. 1 MEPolG) um eine „Verfügungsbeschränkung", die „zur Wahrung allgemeinpolizeilicher Belange", also zum Zweck der Gefahrenabwehr getroffen werde376. Wie die Begründung zeigt377, hat sich der Landesgesetzgeber beim Entwurf des bwPolG mit den strafprozessualen Befugnissen der Polizei aus §§94 ff. StPO auseinandergesetzt. Im Gegensatz zu den Regelungen in der StPO wurde die Beschlagnahme nicht als zwangsweise Durchführung der Sicherstellung verstanden. Die präventivpolizeilichen Maßnahmen Sicherstellung und Beschlagnahme sollten vielmehr durch ihre unterschiedliche Funktion voneinander abgegrenzt werden. Wiewohl der Landesgesetzgeber insoweit nicht der

372

So auch Nagel, S. 12; Samper, BayVBl. 1983, 333 (334). Vgl. Schwabe, NJW 1983, 369 (370); Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort „sicherstellen", S. 1178. 374 Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort „Beschlag", S. 257. Vgl. die Begründung der Landesregierung zum Entwurf eines Polizeigesetzes vom 31.3. 1955, LT-Drucks. 1/1360, S. 1900. 376 Begründung zu § 26 bwPolG, LT-Drucks. 1/1360, S. 1908. 377 Begründung zu § 26 bwPolG, LT-Drucks. 1/1360, S. 1907. 373

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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strafprozessualen Begriffsbildung gefolgt ist, zeigt doch die Bezeichnung der polizeilichen Maßnahmen als Sicherstellung und Beschlagnahme, daß er sich am Modell der existierenden Beschlagnahmeregelungen orientiert hat. Es ist anzunehmen, daß der Gesetzgeber einen bestehenden rechtlichen Begriff inhaltlich übernimmt, soweit er dies nicht ausdrücklich kenntlich macht. Der Begriff der Beschlagnahme bedeutet im Strafprozeßrecht (§ 94 Abs. 2 StPO) und im Zwangsvollstreckungsrecht (§1123 Abs. 2 BGB, §§810 Abs. 1, 865 Abs. 2, 931 Abs. 5 ZPO, § 20 ZVG) stets die hoheitliche Zurückdrängung privater Herrschaftsbefugnisse an einer Sache durch den Entzug der tatsächlichen Gewalt, durch Bewirkung einer hoheitlichen Verstrickung der Sache oder durch 378

die Beschränkung der rechtlichen Verfügungsmacht . Auf dieses Grundverständnis hat sich auch der AEPolG bezogen, der sich für die Bezeichnung aller Sicherstellungsalternativen als „Beschlagnahme" ausgesprochen hat, da dieser Begriff die mit der Maßnahme verbundene Zurückdrängung privater Herrschaftsbefugnisse an der Sache am eindeutigsten kennzeichne3 9 . Die Beschlagnahme nach § 27 bwPolG a. F. war demnach als Maßnahme konzipiert, die es erlaubt, dem Betroffenen zum Zweck der Gefahrenabwehr die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Sache zu entziehen. Daß der Gesetzgeber durch die Neufassung des bwPolG vom 22.10.1991 den Inhalt der Beschlagnahme hätte anders als in der ursprünglichen Regelung von 1955 bestimmen wollen, ist angesichts dessen, daß die §§ 26, 27 a. F. im wesentlichen inhaltsgleich als §§ 32, 33 n. F. übernommen wurden, nicht anzunehmen380. Der amtlichen Begründung nach wollte auch der MEPolG der Sicherstellungsbefugnis keine grundlegend neue Bedeutung geben: „Die Vorschrift enthält keine wesentlich vom bisherigen Recht abweichende Regelungen"381. 3. Inhalt und Zielrichtung der anderen Sicherstellungsalternativen a) Die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten Bei der Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten (§ 32 Abs. 1 bwPolG, § 21 Nr. 2 MEPolG) soll eine Sache vor Verlust oder Beschädigung geschützt werden. Es handelt sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Polizei zum Schutz privater Rechte nur subsidiär zuständig ist (§ 2 Abs. 2 378

Vgl. ζ. B. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 9; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Übersicht zu § 803, Rn. 6. 379 Arbeitskreis Polizeirecht, Begründung zu § 31 AEPolG, Nr. 1. 380 Die Begründung des Gesetzentwurfs zeigt, daß hauptsächliches Anliegen der Novellierung die Aufnahme von Regelungen über die polizeiliche Informationsverarbeitung war, vgl. LT-Drucks. 10/5230, S. 30 ff. 3 Heise/Riegel, Begründung zu § 21 MEPolG, S. 83.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

bwPolG). Das Gesetz setzt voraus, daß ein Handeln der Polizei erforderlich ist, da der Berechtigte selbst nicht zugegen ist und für seine Sachen nicht sorgen kann. Das zeigt sich beispielsweise, wenn § 32 Abs. 2 bwPolG die Pflicht ausspricht, den Berechtigten unverzüglich zu benachrichtigen. Einer solchen Benachrichtigung bedürfte es nicht, wenn der Berechtigte anwesend wäre. Ein effektiver Schutz kann nur in der Weise erfolgen, daß die Polizei die gefährdete Sache vor dem Zugriff Dritter abschirmt. Denn Verlust oder Beschädigung der Sache sind nur dann mit Sicherheit auszuschließen, wenn Dritte auf die Sache nicht einwirken können. Kennzeichnend für die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten ist also, daß die der Sache drohenden Gefahren nur durch die Begründung polizeilicher Sachherrschaft unter Ausschluß der Zugriffsmöglichkeit Dritter abgewehrt werden können. Diese Sicherung erfolgt bei Kraftfahrzeugen in der Weise, daß sie beispielsweise auf einem umzäunten und verschlossenen, eventuell bewachten Platz oder im Polizeihof abgestellt werden. b) Die Sicherstellung bei festgehaltenen Personen Die Sicherstellung einer Sache zum Schutz vor mißbräuchlicher Verwendung durch eine in Gewahrsam genommene Person (§ 21 Nr. 3 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 2 bwPolG: Beschlagnahme) dient, wie die Aufzählung in § 21 Nr. 3 MEPolG zeigt, dem Schutz von Leib und Leben des in Gewahrsam Genommenen und anderer Personen, dem Schutz fremder Sachen und der Aufrechterhaltung des Gewahrsamsentzuges. Diese Schutzgüter können nur durch Sachen gefährdet werden, die die in Gewahrsam genommene Person mit sich führt. Eine wirksame Gefahrenabwehr wäre hier auf zweierlei Art und Weise möglich: Indem die Sache der Person entzogen wird oder indem die Sache so behandelt wird, daß sie keine Gefährdung mehr hervorrufen kann. Letztere Maßnahme würde jedoch fast immer zur Beschädigung oder Vernichtung der Sache führen, so daß der bloße Entzug der Sache das mildere und damit allein rechtmäßige Mittel der Gefahrenabwehr ist. Auch diese Sicherstellungsalternative ist also nur einschlägig, wenn Gefahren nicht anders als durch die Ausübung alleiniger hoheitlicher Sachherrschaft abgewehrt werden können. c) Einheitliche Zielrichtung aller drei Alternativen Die übereinstimmende Zielrichtung der zuvor behandelten Sicherstellungsalternativen und der systematische Zusammenhang der drei Alternativen in §§ 32, 33 bwPolG, § 21 MEPolG legt die Annahme eines einheitlichen Sicherstellungsbegriffs nahe. Die eigenständige Regelung der Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten in § 32 bwPolG steht dem nicht entgegen, da sie

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sich von den anderen Sicherstellungsalternativen nur durch ihre privatschützende Funktion unterscheidet und deshalb sowohl vom MEPolG wie auch vom AEPolG im Rahmen der anderen Alternativen als Unterfall einer einheitlichen Maßnahme eingeordnet wurde382. 4. Rückschlüsse aus den weiteren Regelungen Die Polizei ist nach § 3 Abs. 1, Abs. 3 DVO bwPolG verpflichtet, sichergestellte Sachen in Verwahrung zu nehmen. Diese Pflicht ist die Konsequenz der Zurückdrängung der tatsächlichen Gewalt des Betroffenen. Sie wird noch deutlicher in § 22 Abs. 1 S. 1 MEPolG. § 33 Abs. 3 bwPolG spricht aus, daß die Beschlagnahme (Sicherstellung gem. §21 Nr. 1, 3 MEPolG) aufzuheben ist, sobald ihr Zweck erreicht ist. Das Gesetz geht also davon aus, daß es der Zweck einer Beschlagnahme regelmäßig erfordert, eine Sache für nicht nur geringfügige Dauer der Einwirkungsmöglichkeit des Betroffenen zu entziehen. Schließlich ist geregelt, daß sichergestellte Sachen eingezogen werden können, wenn eine Herausgabe nicht möglich ist, weil ansonsten die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden (§ 34 Abs. 1 bwPolG, § 23 Abs. 1 Nr. 4 MEPolG). Diese Vorschrift versetzt die Polizei in die Lage, eine Sache verwerten oder beseitigen zu können, deren (weitere) Verwahrung nicht sinnvoll ist, weil die Gefahr nur durch den dauerhaften Entzug der Sachherrschaft abgewehrt werden kann, der Betroffene die tatsächliche Gewalt also ohnehin nicht mehr erlangen kann. Auch hierbei wird vorausgesetzt, daß dem Betroffenen durch die Sicherstellung die tatsächliche Sachherrschaft entzogen worden ist. 5. Inhalt und Funktion spezialgesetzlicher

Normierungen

Das Ergebnis der polizeigesetzlich-systematischen Auslegung wird durch einen Vergleich mit spezialgesetzlich geregelten Sicherstellungsbefugnissen bestätigt. Dieser Vergleich erscheint aussagefähig, weil spezialgesetzliche Regelungen entweder eine Vorbildfunktion für die polizeirechtlichen Regelungen hatten (z. B.: §§ 94, 98 StPO) oder aus jenen bei der gesetzlichen Ausdifferenzierung des Gefahrenabwehrrechts hervorgegangen sind. Die strafjprozessuale Sicherstellung nach §§ 94, 98, 11 lb StPO dient der Beweismittelsicherung bzw. der Vollstreckungssicherung. Diese Sicherung kann zwar auch in anderer Weise als durch Inbesitznahme erfolgen 383, sie hat aber stets zur Folge, daß der Beschuldigte oder ein Dritter auf die Beweismittel bzw.

383

Als „Sicherstellung" in § 21 MEPolG, als „Beschlagnahme" in § 31 AEPolG. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 4.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

die dem Verfall oder der Einziehung unterfallenden Sachen nicht mehr einzuwirken vermag384. Gleiches gilt für die Spezialregelung in § 13 bwPresseG. Die vorläufige Sicherstellung nach § 18 bwPresseG kann den Schutz der dort genannten strafrechtlichen Schutzgüter ebenfalls nur dadurch bewirken, daß sie die Druckwerke der Verfügungsgewalt der betroffenen Personen entzieht. Die Sicherstellung nach § 37 Abs. 5 S. 1 WaffG dient der Durchsetzung des Verbotes, die tatsächliche Gewalt über die in § 37 Abs. 1 WaffG aufgeführten Gegenstände auszuüben. Auch sie ist inhaltlich darauf gerichtet, dem Betroffenen die Verfügungsmöglichkeit zu entziehen, weil nur dadurch die mit dem Waffenbesitz verbundene Gefahr abgewehrt werden kann. Gleiches gilt für die in § 40 Abs. 2 WaffG enthaltene Befugnis, Schußwaffen und Munition bei Verdacht der mißbräuchlichen Verwendung sicherzustellen, denn die mißbräuchliche Verwendung kann nur dadurch verhindert werden, daß der Betroffenen von der Einwirkungsmöglichkeit ausgeschlossen wird. Aufgrund § 32 Abs. 5 SprengG kann das Verbot angeordnet werden, Sprengstoffe nicht mehr zu verwenden, über die der Betroffene die tatsächliche Gewalt noch ausübt. Wird der Nachweis, daß die Stoffe unbrauchbar gemacht worden oder einem Berechtigten überlassen worden sind, nicht geführt, können sie sichergestellt und verwertet oder vernichtet werden (§ 32 Abs. 5 S. 2 SprengG). Auch hier erfolgt die Sicherstellung, um dem Betroffenen die Verfügungsmöglichkeit über die explosionsgefährlichen Stoffe zu entziehen. § 11 FleischHG ermächtigt zur Beschlagnahme von untauglichem Fleisch. Der Zweck, Gesundheitsgefährdungen zu verhindern, kann nur dadurch erreicht werden, daß das Inverkehrbringen derartigen Fleisches verhindert, dem Verkäufer also die Verfügungsmöglichkeit über das Fleisch entzogen wird. Ähnliche Ermächtigungen, die aber nicht ausdrücklich die Begriffe Sicherstellung oder Beschlagnahme verwenden, enthalten § 63 TierSG und § 52a Abs. 2 Nr. 2 bwNatSchG. Sicherstellung und Beschlagnahme haben in den genannten Gesetzen zwar nicht immer die gleiche Ausgestaltung. Stets meinen sie aber Maßnahmen, die inhaltlich darauf gerichtet sind, einer Person den Zugriff auf eine Sache zu verwehren. Der Befund der hier vorgenommenen systematisierenden Auslegung ist ein weiteres Indiz dafür, auch die polizeiliche Sicherstellung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr in diesem Sinne zu verstehen. IV. Die durch polizeiliche Sicherstellung abwehrbare Gefahr Betrachtet man den Anwendungsbereich der polizeigesetzlich geregelten Sicherstellungsbefugnisse, so kommt eine Sicherstellung hauptsächlich in Betracht, wenn die abzuwehrende gegenwärtige Gefahr 384

Vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 9. Der Betroffene ist gem. § 95 Abs. 1 StPO zur Herausgabe verpflichtet.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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- von der Beschaffenheit einer Sache ausgeht, - auf der Verwendung einer an sich ungefährlichen Sache beruht, - mit Hilfe einer „neutralen" Sache abgewehrt werden kann oder - der Sache selbst droht (Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten). 1. Gefahrenabwehr

durch den Besitzer der Sache

Eine Sicherstellung kann nach dem Gesetzeswortlaut jedoch nur erfolgen, wenn dies zur Abwehr der Gefahr „erforderlich" (§§32 Abs. 1, 33 Abs. 1 bwPolG) ist385. Erforderlich ist eine Sicherstellung nur dann, wenn die Gefahr nicht durch mildere Maßnahmen abgewehrt werden kann. Als mildere Maßnahme wäre an eine an den Besitzer gerichtete Verfügung zu denken, die diesen zur Herbeiführung des Gefahrenabwehrerfolges verpflichtet: Geht die Gefahr von der Beschaffenheit, dem Zustand der Sache aus, könnte dem Sachbesitzer aufgegeben werden, in der Weise auf die Sache einzuwirken, daß eine Gefahr nicht mehr besteht. Lagern beispielsweise auf einem Grundstück Chemikalien, die bei spielenden Kindern Verätzungen hervorrufen, dann kann die von dieser Sache ausgehende Gesundheitsgefahr auch in der Weise abgewehrt werden, daß dem Besitzer aufgegeben wird, die Chemikalien vor spielenden Kindern zu sichern. Die mit erheblichen Kosten verbundene Inverwahrungnahme der Chemikalien durch die Polizei wäre in diesem Fall nur dann erforderlich, wenn eine wirksame Gefahrenabwehr durch das Eigenhandeln des Sachbesitzers nicht zu erwarten wäre. Beruht die Gefahr auf der Verwendung einer Sache, dann könnte der betreffenden Person verboten werden, die Sache in gefährlicher Art und Weise zu verwenden. Hält beispielsweise jemand einen bissigen und gefährlichen Hund, dann kann der Hundehalter dazu verpflichtet werden, den Hund in einem Zwinger zu halten und nur mit Leine und Maulkorb auszuführen. Wird eine „neutrale" Sache zur Abwehr einer Gefahr oder Störung benötigt, könnte die gefahrenabwehrende Handlung gleichfalls dem Besitzer auferlegt werden. Benötigt die Polizei beispielsweise leerstehenden Wohnraum zur Verhinderung unfreiwilliger Obdachlosigkeit, dann könnte sie den Besitzer der leerstehenden Mietwohnung grundsätzlich dazu verpflichten, den unterzubringenden Personen Zugang zu dieser Wohnung zu verschaffen (da dieser nicht

385 § 21 MEPolG enthält keine derartige Bestimmung, unterliegt jedoch dem Erforderlichkeitsgrundsatz als Unterfall des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips. Siehe zur Notwendigkeit einer Einschränkung des § 21 Nr. 2 MEPolG Nagel, S. 52 f.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Störer ist, jedoch nur im Wege des polizeilichen Notstandes, § 6 MEPolG, § 9 bwPolG). 2. Gefahrenabwehr durch Sicherstellung Alle drei Fallgruppen sind dadurch gekennzeichnet, daß die bestehende Gefahr durch Einwirkung auf eine Sache oder das Unterlassen einer solchen Einwirkung abgewehrt werden kann. Gefahrenabwehr kann jedoch in der zuvor beschriebenen Weise nur dann erfolgen, wenn der Inhaber der Sachherrschaft sich dem polizeilichen Willen beugt. Widersetzt er sich der polizeilichen Verfügung (Sicherung der Chemikalien, Anlegen eines Maulkorbes, Bereitstellen der Wohnung), dann könnte diese zwar durch Zwangsmittel durchgesetzt werden. Eine wirksame Gefahrenabwehr ist damit jedoch nicht in jedem Fall gewährleistet. Das bloße Verbot, untaugliches Fleisch zu verkaufen, oder einen bissigen Hund ohne Maulkorb auszuführen, vermag eben vielfach die gefährdeten Rechtsgüter auch dann nicht zu schützen, wenn für den Fall der Zuwiderhandlung Nachteile (Zwangsgeld, Bußgeld, Strafverfolgung) angedroht sind. Auch die Sicherung der Chemikalien im Wege der Ersatzvornahme bewirkt keine effektive Gefahrenabwehr, wenn der Besitzer weiterhin Zugang hat und die Sicherungsvorkehrungen wieder entfernen kann. Es ist nun Sinn und Zweck der Sicherstellungsvorschriften, in solchen Fallgestaltungen eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen, indem dem Inhaber der Sachherrschaft die betreffende Sache entzogen und der alleinigen Verfügungsgewalt der Polizei unterworfen wird. Eine Sicherstellung kann deshalb erfolgen - und nach dem Grundsatz des geringsten Eingriffs auch nur dann erfolgen - , wenn eine Gefahr nur in der Weise abgewehrt werden kann, daß die Polizei eine Sache unter Entzug der Verfügungsgewalt des Inhabers der Sachherrschaft in alleinigen polizeilichen Gewahrsam (bei beweglichen Sachen: in Verwahrung) nimmt. Dem geschilderten Zweck der Sicherstellungsvorschriften entspricht es, eine Sicherstellung nur dann anzunehmen, wenn eine Gefahr nicht anders als durch die Begründung alleinigen polizeilichen Sachgewahrsams unter Ausschluß des Berechtigten oder anderer Personen abgewehrt werden kann. Sicherstellung setzt deshalb begrifflich voraus, daß die Sache dem Zugriff des Berechtigten entzogen bzw. von der Allgemeinheit abgeschirmt ist, weil nur auf diese Weise eine Gefahr wirksam abgewehrt werden kann, - die vom Zustand der Sache selbst ausgeht, ζ. B. Gesundheitsgefahren für spielende Kinder (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG), - die von der Möglichkeit einer mißbräuchlichen Verwendung der Sache ausgeht, ζ. B. von einem bissigen Hund, den der Hundehalter auf andere Menschen hetzt (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG), oder von einem

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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Messer, das eine in Gewahrsam genommene Person mit sich führt (§ 21 Nr. 3 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 2 bwPolG), - die ihren Ursprung nicht in der Sache hat, für deren Abwehr die Nutzung der Sache jedoch benötigt wird, ζ. B. Wohnraum zur Unterbringung Obdachloser386 (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) oder - die der Sache selbst droht, ζ. B. Gefahr der Beschädigung, Zerstörung oder Entwendung der Sache (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG). E. Sicherstellung von Kraftfahrzeugen I. Sicherstellung wegen der Beschaffenheit oder Verwendung von Kraftfahrzeugen und wegen Diebstahlsgefahr Nach den vorangegangenen Ausführungen ist die Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) eines Fahrzeugs möglich, wenn von seiner Beschaffenheit oder Verwendung eine Gefahr ausgeht, die nur durch Ingewahrsamnahme des Fahrzeugs abgewehrt werden kann. Sofern die Abwehr der Gefahr nicht durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen möglich sind, kann ein Fahrzeug deshalb sichergestellt werden, wenn es nicht verkehrssicher ist387, ohne Zulassung, Fahrerlaubnis oder Versicherungsschutz betrieben388, von einem fahruntauglichen Fahrer geführt 389 oder trotz eines bei Smog-Alarm ausgesprochenen Fahrverbotes in Betrieb gesetzt wird 390. Entsprechendes gilt, wenn ein Fahrzeug unter den Voraussetzungen des polizeili-

386

Für Sicherstellung (Beschlagnahme) beispielsweise Reichert/Ruder, Rn. 328; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 316 d; a. Α.: Heise/Tegtmeyer, § 43, Rn. 5; Möller/Wilhelm, S. 192. 387 Geppert, DAR 1988, 12 (15); Hust, Die Polizei 1968, 44 (45); Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); a. A. VGH Mannheim, DÖV 1994, 82 (83): Eine Beschlagnahme wegen abgefahrener Reifen sei wegen der bundesrechtlichen Spezialvorschrift in § 17 Abs. 1 StVZO unzulässig. 388 Geppert, DAR 1988, 12 (15); Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); Wolf/Stephan, § 33, Rn. 7; OVG Lüneburg, DÖV 1972, 139, Nr. 76; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 184 (185): Beschlagnahme eines Kfz zur Verhinderung fortgesetzten Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG). 389 Brandt/Schlabach, Rn. 140; Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); Geppert, DAR 1988, 12(15), der auch erörtert, ob eine präventivpolizeiliche Beschlagnahme des Fahrzeugs bei wiederholten Geschwindigkeitsverstößen möglich ist (S. 16). Vgl. auch VGH Mannheim, vom 5.2.1979 - 1 65/78 -, wo freilich eine unmittelbar bevorstehende Störung nicht angenommen werden konnte. 3 0 Geppert, DAR 1988, 12 (15).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

chen Notstands zur Gefahrenabwehr benötigt wird 391. Eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 bwPolG) kommt insbesondere bei liegengebliebenen Unfallfahrzeugen, um die sich der verunglückte Fahrer nicht kümmern kann,392 und bei gestohlenen oder diebstahlsgefährdeten 393

Kraftfahrzeugen in Frage. Die Ingewahrsamnahme des Fahrzeugs unter Ausschluß des Berechtigten oder der Allgemeinheit ist zur Gefahrenabwehr beispielsweise nicht erforderlich, wenn ein gestohlenes Fahrzeug in ordnungsgemäßem und ungefährdetem Zustand aufgefunden wird 394, wenn es von so geringem Wert ist, daß der Berechtigte bei objektiver Betrachtungsweise kein Interesse an der Sicherstellung haben kann395, wenn ein Fahrzeug auch durch sofortige Benachrichtigung des Berechtigten oder einfache Sicherungsmaßnahmen am Fahrzeug selbst geschützt werden kann396 und wenn der weitere Betrieb eines verkehrsunsicheren oder ohne Zulassung, Betriebserlaubnis oder Versicherung oder von einem fahruntauglichen Fahrer betriebenen Fahrzeugs auch durch Sicherstellung des Zündschlüssels bzw. der Fahrzeugpapiere verhindert werden kann397. II. Sicherstellung wegen verbotswidriger „Lage im Raum"? Die Untersuchung zum Sicherstellungsbegriff hat ergeben, daß eine Sicherstellung nur dann vorliegt, wenn die Inverwahrungnahme einer Sache zur Gefahrenabwehr erforderlich ist, wenn also die Gefahr wirksam nur durch die Begründung polizeilichen Sachgewahrsams mit der Folge einer hoheitlichen Verstrickung der Sache abgewehrt werden kann. Handelt es sich nun bei der Störung, die von der ordnungswidrigen Lage eines Fahrzeugs im Raum ausgeht, um eine solche, eine Sicherstellung erforderlich machende Gefahr?

Im folgenden soll zunächst untersucht werden, ob die durch das verbotswidrige Abstellen eines Kfz verursachte Gefahr durch eine Sicherstellung nac 391 Belz/Mußmann, Rn.Rn. 2; vgl. auch Honnacker/Beinhofer, Anm. 13. DÖV Belz/Mußmann, § 33, §32, 2; Heise/Tegtmeyer, §43, Rn. Art. 11; 10, Kottmann, 1983, 493 (498); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 259. 393 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 300; Heise/Tegtmeyer, §43, Rn. 11; Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1028 f.); Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); Möller/Wilhelm, S. 195; Mußmann, Rn. 243; Wöhrle/Belz, § 26, Rn. 8. 394 OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (253); OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 300 (301); Kottmann, DÖV 1983, 493 (498). 3 OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (253); OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 300 (301Y 396 OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (254); OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 300 (301); OVG Münster, NJW 1978, 720 f.; Rasch, § 5a, Rn. 8. 3 OVG Münster, NJW 1978, 720 f.; Kottmann, DÖV 1983, 493 (498). 392

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

111

§ 21 Nr. 1 MEPolG (Beschlagnahme nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) abgewehrt werden kann. Erst im Anschluß daran (unten III) wird zu erörtern sein, ob eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG) möglich ist. 1. Gefahrenabwehr

durch Versetzen eines Fahrzeugs

Mit Ausnahme der Befürworter der Sicherstellungslösung besteht Einigkeit darüber, daß eine Sicherstellung nicht vorliegt, wenn ein Fahrzeug von seinem Standort entfernt und in unmittelbarer Nähe wieder abgestellt wird (sog. „Versetzen" oder „Umsetzen")398. Daß das Versetzen nicht als Sicherstellung qualifiziert werden kann, liegt daran, daß diese - wie zuvor dargelegt wurde zusätzlich eine Gefahr voraussetzt, die nur durch den mit der polizeilichen Ingewahrsamnahme verbundenen Entzug der tatsächlichen Verfügungsgewalt und die dadurch ausgelöste hoheitliche Verstrickung der Sache abgewehrt werden kann. Eine solche Gefahr liegt ersichtlich nicht vor, wenn die von der „Lage im Raum" ausgehende Störung auch durch ein Versetzen des Fahrzeugs beendet werden kann. 2. Gefahrenabwehr

durch Abtransport eines Fahrzeugs

Hingegen soll nach der differenzierenden Lösung eine Sicherstellung anzunehmen sein, wenn das Fahrzeug nicht versetzt werden könne, sondern abgeschleppt und verwahrt werden müsse399. a) Gefahr ordnungswidrigen Wiederabstellens Der VGH München meint, bei einem Versetzen in weitere Entfernung könne die Gefahr nicht vollständig abgewehrt werden, weil nicht sicher sei, ob der Abschleppunternehmer das Fahrzeug ordnungsgemäß abstellen werde400. Deshalb müsse zur vollständigen Gefahrenabwehr eine Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG: Beschlagnahme) erfolgen 401. Die Notwendigkeit einer Sicherstellung kann sich jedoch nicht bereits deshalb ergeben, weil der beauftragte Abschleppunternehmer durch ein ordnungswidriges Ab-

398

Siehe die Nachweise zu den Kombinationslösungen (S. 93) und zur differenzierenden Lösung (S. 94). Siehe die Nachweise auf S. 94. 400 VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); vgl. auch Hiltl, S. 62. 401 VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); ebenso Hiltl, S. 63.

112

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

stellen des Fahrzeugs eine neue Gefahr hervorrufen könnte402. Denn das würde voraussetzen, daß mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könnte, daß diese Tätigkeit zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit führen würde. Es besteht jedoch grundsätzlich kein Anlaß, an der Zuverlässigkeit eines beauftragten Abschleppunternehmers zu zweifeln. Die eher fernliegende Möglichkeit eines ordnungswidrigen Verhaltens begründet nicht den für die Annahme einer Gefahr erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad403. Zudem wäre der Halter oder Fahrer des Fahrzeugs nicht Verursacher, sondern - polizeirechtlich irrelevanter - Veranlasser der beim Tätigwerden eines unzuverlässigen Abschleppunternehmers zu besorgenden Störung (dessen Handeln wird von der Polizei, nicht vom Betroffenen veranlaßt!). b) Sicherstellung nach dem Entfernen oder Wiederabstellen Spaltet man den Abschleppvorgang in zwei rechtlich selbständige Teilakte auf, dann muß es für die rechtliche Qualifikation und die Beurteilung der Rechtmäßigkeit jedes einzelnen Teilaktes auf den Zeitpunkt zu Beginn der betreffenden Maßnahme ankommen404. Abzulehnen ist es, wenn nach dem Abstellen auf dem Verwahrungsgelände eine Sicherstellung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG: Beschlagnahme) erfolgen soll405. Denn jedenfalls zu diesem Zeitpunkt ist die durch den verbotswidrigen Standort des Fahrzeug verursachte Gefahr abgewehrt. Weitere von dem Fahrzeug ausgehende Gefahren sind normalerweise nicht gegeben. Es fehlt somit zu diesem Zeitpunkt an dem Erfordernis einer gegenwärtigen Gefahr. Eine Sicherstellung gem. §21 Nr. 1 MEPolG, §33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG muß auch dann ausscheiden, wenn man die Zäsur früher, nämlich nach dem Versetzen des Kfz setzen wollte406. Geht man davon aus, daß bereits das Versetzen die Gefahr abgewehrt habe407, dann bedarf es keiner gefahrenabwehrenden Anschlußmaßnahme408. Nimmt man an, daß mangels Abstellmöglichkeit die durch den Standort des Fahrzeugs begründete Gefahr erst dann vollständig abgewehrt ist, wenn das Fahrzeug (auf einem Verwahrungsgelände) wieder ordnungsgemäß abgestellt ist, dann liegt zwar auch noch nach dem Wegrücken 402

So VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); Hiltl, S. 62. Vgl. zur Gefahrenprognose Schenke, in: Steiner, II, Rn. 54. 404 So auch Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 113: Das Versetzen könne rechtmäßig sein und die Sicherstellung rechtswidrig; vgl. auch Nagel, S. 53. 405 So Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 12, 11 a (S. 210). So die enge Kombinationslösung, siehe S. 93. Siehe zur zeitlichen Erstreckung der gefahrenabwehrenden Maßnahme S. 153 ff. 408 Konsequent Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9); Gornig/Jahn, S. 237.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

113

eine Gefahrenlage vor. Wegen des Fortbestehens dieser Gefahrenlage wäre es dann aber nicht überzeugend, den einheitlichen Vorgang der Gefahrenabwehr in rechtlich verschieden geartete Teilakte aufzuspalten409. c) Die Gefahrenlage beim Abtransport von Fahrzeugen Geht man von einer einheitlichen Gefahrenlage und Gefahrenabwehrhandlung aus410, so stellt sich die Frage, ob der Umstand, daß ein Fahrzeug nicht versetzt, sondern in weitere Entfernung verbracht wird (Abtransport), an der Unstatthaftigkeit der Sicherstellung etwas zu ändern vermag. Zur Abwehr einer vom Standort eines Fahrzeugs ausgehenden Störung genügt es, daß an den anwesenden Fahrer das Gebot gerichtet wird, das Fahrzeug aus dem Bereich des Haltverbots wegzufahren. Eine solche Anordnung stellt zweifelsfrei keine Sicherstellung dar: Durch die Maßnahme erlangt die Polizei nicht die tatsächliche Gewalt an dem Fahrzeug und die Anordnung ist auch nicht darauf gerichtet, den Fahrer von der Einwirkungsmöglichkeit auszuschließen. Ganz im Gegenteil soll dem Fahrer die tatsächliche Gewalt belassen werden, damit er selbst die Störung beenden kann. Weigert sich der Fahrer, das Kfz zu entfernen, dann kann das polizeiliche Wegfahrgebot mit Zwang durchgesetzt werden411. Auch hier liegt eine Sicherstellung (§21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) nicht vor, da diese auf der Primärebene polizeilichen Handelns angesiedelt und keine Vollstreckungsmaßnahme ist412. Bei Anwesenheit des Fahrers kann eine von der „Lage des Fahrzeugs im Raum" ausgehende Störung somit nicht durch Sicherstellung beendet werden. Regelmäßig ist der Betroffene nicht erreichbar, wenn ein Parkverstoß festgestellt wird. Wie bei Anwesenheit kann auch bei Abwesenheit des Betroffenen die von dem verbotswidrigen Standort eines Fahrzeugs ausgehende Störung durch bloßes Entfernen des Fahrzeugs abgewehrt werden. Der einzige Unterschied zu einer bei Anwesenheit des Betroffenen durchgeführten Maßnahme besteht darin, daß die Polizei das bei Anwesenheit mündlich angeordnete Wegfahrgebot nun unmittelbar ausführt bzw. im sofortigen Vollzug vollstreckt. Allein der Vollzug der Anordnung, nicht ihre rechtliche Grundlage ändert sich. Die von der Lage eines Kfz im Raum ausgehende Störung wird durch das Ent409 410

Vgl. Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 144; siehe hierzu desweiteren unten III.

4 1 1 Das tun

bis auf die Kombinationslösungen alle vertretenen Auffassungen. Zu den Einzelheiten der Vollstreckung siehe S. 125 ff. 412 Mißverständlich ist es, wenn mitunter gesagt wird, Beschlagnahme sei die zwangsweise Durchführung der Sicherstellung, ζ. B.: Heise/Riegel, Begründung zu § 21, S. 83; Rasch, § 21, Rn. 3; Schumann, S. 147. Das trifft für die strafprozessuale Beschlagnahme gem. § 94 Abs. 2 StPO zu, nicht jedoch für die präventivpolizeiliche Beschlagnahme gem. § 33 bwPolG. 8 Schieferdecker

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

fernen des Fahrzeugs beendet. Der Umstand, daß bei Abwesenheit des Betroffenen die Polizei die tatsächliche Gewalt über das zu entfernende Fahrzeug ergreift, rechtfertigt nicht die Annahme, es liege eine Sicherstellung vor 413. Eine solche wäre lediglich dann anzunehmen, wenn die von dem Fahrzeug ausgehende Störung durch dessen Ingewahrsamnahme, also durch die Verwahrung des Fahrzeugs abgewehrt werden sollte. Beim Abschleppen von ordnungswidrig geparkten Fahrzeugen ist die Gefahr jedoch spätestens mit dem Wiederabstellen des durch die Polizei entfernten Fahrzeugs abgewehrt, die anschließende Verwahrung erfolgt im Interesse des Betroffenen, sie ist keine Maßnahme, die dem Betroffenen im Zuge der Durchführung einer Sicherstellungsanordnung die Einwirkungsmöglichkeit auf sein Fahrzeug verwehrt414. Bezeichnenderweise hat die Polizei das Kfz in jedem Stadium des Abschleppvorgangs herauszugeben, wenn der Betroffene das Fahrzeug wegfahren möchte. Läge wirklich eine sicherstellungstypische Gefahr (im Sinne der §§ 21 Nr. 1 MEPolG, 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) vor, so könnte, ja müßte die Polizei die Herausgabe des Fahrzeugs verweigern und den Zugriff des Berechtigten abwehren415. Die vorübergehende Inbesitznahme beim Abtransport eines Fahrzeugs ist allein deshalb notwendig, weil der Betroffene nicht anwesend ist und für diesen Fall das Gesetz der Polizei das Recht einräumt, für den Betroffenen zur Gefahrenabwehr tätig zu werden. Die Inbesitznahme erfolgt nicht, weil dem Betroffenen zur Abwehr der Gefahr die Einwirkungsmöglichkeit auf seine Sache entzogen werden müßte, sie erfolgt lediglich in Konsequenz der Vorschriften über die unmittelbare Ausführung bzw. den sofortigen Vollzug. Das Entfernen eines Kraftfahrzeugs, sei es in Anwesenheit oder in Abwesenheit des Betroffenen, kann folglich nicht als Sicherstellung angesehen werden. Zutreffend ist die Generalklausellösung 416. III. Sicherstellung wegen einer dem Fahrzeug drohenden Gefahr? Einige Vertreter der differenzierenden Lösung sehen die Gefahr, die nur durch Sicherstellung abgewehrt werden könne, denn auch nicht in der störenden Lage des Fahrzeugs im Raum, sondern in der Gefahr, daß das Fahrzeug nach einem Versetzen an seinem neuen Standort eher beschädigt oder entwendet werden könnte als zuvor417. Demnach wäre die Maßnahme als Sicherstel-

413

So aber die Vertreter der Sicherstellungslösung, vgl. ζ. B. Geiger, BayVBl. 1983, 10;4 1Schwabe, NJW 1983, 369. 4 Siehe eingehend S. 159 ff. 415

Der polizeiliche Gewahrsam (die hoheitliche Verstrickung der Sache) wäre zudem 416durch § 136 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützt. Siehe die Nachweise zur Generalklausellösung auf S. 91.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

115

lung zum Schutz des Sachberechtigten (§21 Nr. 2 MEPolG, §32 Abs. 1 bwPolG) und nicht als Sicherstellung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr 418 (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG: Beschlagnahme) zu qualifizieren. Auch die Vertreter der engen Kombinationslösung halten - jedoch erst im Anschluß an das Entfernen des Fahrzeugs - eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten für möglich, wenn das Fahrzeug nicht in unmittelbarer Nähe wieder abgestellt werden könne419. 1. Das Erfordernis

einer konkreten Gefahr

Die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten ist gem. § 32 Abs. 1 bwPolG nur zulässig, wenn „dies erforderlich ist, um den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen". Erforderlich ist die Sicherstellung, wenn die (kostenträchtige) Schutzgewährung objektiv im Interesse des Betroffenen ist420. Die Bindung an das objektive Interesse des Sachherrn tritt auch dort ein, wo wie in § 21 Nr. 2 MEPolG die Beschränkung auf erforderliche Schutzmaßnahmen nicht normiert ist421. Sie läßt dann aus dem in den Polizeigesetzen (vgl. § 2 Abs. 1 MEPolG) für alle polizeilichen Maßnahmen niedergelegten Erforderlichkeitsprinzip ableiten. Die Inobhutnahme einer Sache ist erforderlich, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile geringer wiegen, als die sonst zu erwartenden Einbußen. Durch die Sicherstellung wird der Betroffene mit Kosten belastet; die Sachherrschaft wird ihm entzogen. Diese Nachteile hinzunehmen entspricht nur dann dem objektiv verstandenen Interesse des Betroffenen, wenn der Verlust oder die Beschädigung der Sache droht, also eine konkrete Gefahr im polizeirechtlichen Sinn vorliegt422.

417 Siehe vor allem Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); vgl. auch Biletzki, NZV 1996, 303 (304); Hiltl, S. 62; Jahn, JuS 1989, 969 (970), die sich auf eine dem Fahrzeug drohende Gefahr berufen, um auf diese Weise die Verhältnismäßigkeit einer Sicherstellung gem. § 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG darzutun; a. Α.: VGH München, NJW 1984, 2962 (2964). 418

So aber ausdrücklich Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 144; Habermehl, Rn. 636. Gornig/Jahn, S. 237; Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1032); Meixner, § 40, Rn. 4; wohl auch Albrecht, Festschrift Samper, S. 174, Fn. 43; Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287 und Schenke, in: Steiner, II, Rn. 112 f.; ebenso früher Götz, 11. Aufl., Rn. 303. Arbeitskreis Polizeirecht, Begründung zu § 31 AEPolG, Nr. 6; vgl. auch § 683 BGB. 419

421

Eingehend Nagel, S. 50 ff.; ebenso Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 431; Scholler/Schioer, S. 145. 422 Nagel, S. 52; Schumann, S. 126; a. Α.: Gornig/Jahn, S. 237; Heise/Tegtmeyer, § 43, Rn. 12.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

2. Konkrete Gefährdung von Fahrzeugen? Bei einem Versetzen in unmittelbare Nähe soll einem Fahrzeug nach allgemeiner Ansicht keine größere Gefahr drohen, als an seinem vorherigen Standort. Hingegen soll die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts größer sein, wenn das Fahrzeug in einiger Entfernung abgestellt werde423. Eine Gefahr für das Fahrzeug wird meist deshalb angenommen, weil es der Berechtigte nach dem Abschleppen in weitere Entfernung nicht von alleine wiederfinden und sich nicht über seinen ordnungsgemäßen Verbleib vergewissern könne. Dagegen spricht schon, daß kaum angenommen werden kann, daß das Abschleppen in weitere Entfernung zu einer signifikanten Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts führt 424. Allein aus dem Umstand, daß ein Fahrzeug von der Polizei an einen „fremden Ort" gebracht wird, kann grundsätzlich nicht auf eine konkrete Gefahr des Diebstahls oder der Beschädigung geschlossen werden. Eine solche könnte nur angenommen werden, wenn das Fahrzeug in einem Gebiet mit deutlich höherem Diebstahlsrisiko abgestellt würde oder es dem Berechtigten nicht möglich wäre, das Fahrzeug alsbald wieder in Besitz zu nehmen. Letzteres müßte die Polizei durch organisatorische Maßnahmen ohnehin gewährleisten. Vermerkt sie die für die Identifizierung und Wiedererlangung des Fahrzeugs erforderlichen Daten, so könnte sich der Fahrer oder Halter eines abgeschleppten Fahrzeugs bei der Polizei nach dessen Standort erkundigen und es innerhalb relativ kurzer Zeit wieder in Besitz nehmen. 3. Gefährdung zum Zeitpunkt des Beginns der Sicherstellung? Vor allem aber verkennt, wer mit einer dem Fahrzeug drohenden Gefahr argumentiert, daß die Voraussetzungen der Sicherstellung bereits in dem Zeitpunkt vorliegen müssen, in dem die Sicherstellung beginnen soll. Gaul hat zutreffend festgestellt, daß es unzulässig ist, „die Voraussetzungen gleichsam automatisch dadurch herbeizuführen, daß ein bestimmtes Handeln der Polizei dazugedacht und auf einen späteren fiktiven Zeitpunkt abgestellt wird" 425. Je nachdem, welche Handlungen als Teil der Abwehr des verbotswidrigen Parkens angesehen werden, kommen für eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten drei Zeitpunkte in Betracht: (1) Schlägt man das Entfernen und die Transportphase dem Anwendungsbereich der polizeirechtlichen Generalklausel zu (weite Kombinationslösung), wä-

421 Vgl. Gornig/Jahn, S. 237; Hiltl, S. 61 f.; Jahn, JuS 1989, 969 (970); Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1032). 424 So auch Nagel, S. 53. 425 Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9).

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

117

re allenfalls an eine Sicherstellung zum Zeitpunkt des Abstellens auf einem Verwahrungsgelände zu denken. Dort wird das Fahrzeug jedoch auch ohne vorgängige Sicherstellung in Obhut genommen, so daß eine Sicherstellung mangels dem Fahrzeug drohender Gefahr und daraus resultierender Schutzbedürftigkeit unzulässig ist426. Den Berechtigten und Dritte durch Anordnung der Sicherstellung und hoheitliche Verstrickung der Sache von der Verfügungsgewalt auszuschließen, ist bei solcher Sachlage nicht geboten. (2) Die Vertreter der engen Kombinationslösung sehen die Gefahr mit dem Entfernen des Fahrzeugs von seinem störenden Standort als beseitigt an. Schon in diesem Zeitpunkt müßte also dem Kfz eine Gefahr drohen, wenn der Abtransport als Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten qualifiziert werden soll. Man muß sich die Situation so vorstellen, als würde die Polizei das Fahrzeug beispielsweise aus einer Haltverbotszone entfernen und alsbald wieder abstellen, wobei der neue Standort kein ordnungsgemäßer Parkplatz ist (sonst wäre die Maßnahme mit dem Versetzen zu beenden und die Transportproblematik stellte sich nicht). Es kann nun nicht angenommen werden, das Fahrzeug wäre durch den fließenden Verkehr der Gefahr der Beschädigung ausgesetzt, weil es die Polizei nach dem Wegrücken irgendwo (zum Beispiel auf der Straße) stehen lassen müßte427. Die Annahme einer Sicherstellung begegnete erheblichen Bedenken, weil die dem Fahrzeug drohende Gefahr überhaupt erst durch das von der Polizei veranlaßte Abstellen des Fahrzeugs verursacht würde428. Diese Bedenken kann man nicht unter Hinweis darauf beiseite schieben, daß es im Rahmen der Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten nicht darauf ankomme, ob der Sachherr die Gefahr unmittelbar verursacht habe429. Entscheidend ist nämlich, daß die Störung der öffentlichen Sicherheit nicht behoben wäre, wenn die Polizei ein Fahrzeug „neben" dem früheren Standort in rechtlich unzulässiger Weise wieder abstellte. Bedenkt man dies, so zeigt sich, daß der Abschleppvorgang nicht in rechtlich verschieden zu beurteilende Teilakte (das Entfernen und den Abtransport) aufgespalten werden kann: Andernfalls müßte der Polizei zugemutet werden, durch eine Gefahrenabwehrhandlung erneut einen störenden Zustand zu schaffen 430. Als Störer wäre sie nicht nur selbst materiell polizeipflichtig (was bereits ein Handeln im Privatinteresse und damit zusammenhängenden Kostenersatz ausschließen dürfte), sondern dem Betroffenen gegenüber infolge der amtspflichtwidrig hervorgerufenen Störung auch schadensersatzpflichtig (womit, 426 Ebenso Maurer, JuS 1981, 809 (812) für den vergleichbaren Fall, daß die Be427 schlagnahme einesGaul, Kfz aufgehoben wird,1dieses Vgl. aber VB1.BW 1996, (9). aber in Verwahrung bleibt. 428 Vgl. Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9). 429 So aber Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9). 430 Dagegen auch VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); Gaul, VB1.BW 1996, 1

(7).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

falls eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten als zulässig anzusehen wäre, jedenfalls deren Kosten als Schaden anzusetzen wären). Die aufgezeigten Friktionen lassen sich vermeiden, wenn man sich zu einer einheitlichen, im übrigen auch lebensnahen Betrachtungsweise bekennt. Rechtsgrundlage für einen derart verstandenen Abschleppvorgan^ kann die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten indes nicht sein43 . (3) Wer, wie Kottmann, den gesamten Abschleppvorgang (Entfernen, Abtransport, Verwahrung) als Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten qualifiziert 432, müßte darlegen, daß bereits vor dem Entfernen des Fahrzeugs eine konkrete Gefahrenlage im Sinne der vorherigen Ausführungen bestand. Das ist bei verbotswidrig geparkten Fahrzeugen aber regelmäßig nicht der Fall.

4. Entfernen und Abtransport als einheitliche Gefahrenabwehrhandlung auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel Gegen die Einbeziehung auch der Transportphase in den Anwendungsbereich der polizeirechtlichen Generalklausel wird vorgebracht, damit werde mehr getan, als der Störer zu tun verpflichtet gewesen sei. Diesem könne schließlich auch nicht aufgegeben werden, sein Fahrzeug zu einem Verwahrungsgelände zu fahren 433. Dem ist zu entgegnen, daß das Entfernungsgebot erst endgültig vollzogen ist, wenn das entfernte Fahrzeug wieder ordnungsgemäß abgestellt ist434. Wann und wo das Abstellen erfolgen kann, ist jedoch je nach Fallgestaltung unterschiedlich. Besteht in der Nähe eine (rechtlich einwandfreie) Abstellmöglichkeit, dann ist das Fahrzeug hierhin zu versetzen. Fehlt wie häufig geeigneter Parkraum, dann ist das Abschleppen zu einem Verwahrungsgelände angezeigt. Die polizeiliche Maßnahme wird dann erst mit dem Abstellen auf dem Verwahrungsgelände beendet. Gleiches gilt, wenn ein Versetzen möglich war, das Fahrzeug aber dennoch zu einem Verwahrungsgelände transportiert wurde: Auch hier handelt es sich bis zum Abstellen des Kfz um den Vollzug eines Entfernungsgebotes; dieser ist allerdings rechtswidrig,

431 Ebenso Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 259, 486; vgl. auch Gaul, VB1.BW 432 1 (9). 1996, Kottmann, DÖV 1983, 493 (498). Vgl. etwa Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 143; Gaul, VB1.BW 1996, 1 (7); Klenke, NWVB1. 1994, 288 f.; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 487; wohl auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 113. 434 Insoweit zutreffend VGH München, NJW 1984, 2962 (2964): „Wesentlich für jedes Handeln zur Gefahrenabwehr ist, daß das dazu eingesetzte Mittel auch geeignet ist, die bekämpfte Gefahr vollständig und ohne neue Gefahren zu verursachen zu beseitigen".

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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wenn der über das Versetzen hinausgehende Transport nicht erforderlich war 435. Daß die polizeiliche Maßnahme inhaltlich weitergehend als die dem Verantwortlichen obliegende Handlung ist, stellt keine Besonderheit dar, sondern ist die zwangsläufige Folge des Tätigwerdens der Polizei an Stelle des Verantwortlichen. Typischerweise führt die Vornahme der gebotenen Handlung durch einen von der Polizei beauftragten Dritten zu einem höheren Aufwand, als wenn der Pflichtige selbst tätig geworden wäre. Der Grund liegt darin, daß der Betroffene, demgegenüber ein mündliches Entfernungsgebot ergeht, nach dem Wegfahren des Fahrzeugs selbst über dessen weitere Verwendung im Verkehrsraum disponieren kann, womit keine weiteren Kosten mehr anfallen. Das an einen Anwesenden gerichtete Entfernungsgebot läßt es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit offen, wie der Betroffene nach dem Entfernen mit seiner Sache verfährt. Es ist selbstversändlich, daß bei einer Entfernung durch die Polizei diese nicht in gleicher Weise über das Fahrzeug verfügen kann. Sie muß bei unmittelbarer Ausführung den durch die Verfügung offen gelassenen Endpunkt der Gefahrenabwehrhandlung konkretisieren. Der somit notwendige Transport des entfernten Fahrzeugs zu einem geeigneten Abstellplatz bedeutet zwar einen über das Entfernungsgebot hinausgehenden Eingriff in das Besitzrecht des Betroffenen. Dieser zusätzliche Eingriff findet jedoch seine Legitimation in den Regelungen über die unmittelbare Ausführung und die Ersatzvornahme436. Der Einwand, die Polizei dürfe nicht mehr tun, als der Pflichtige zu tun verpflichtet sei, übersieht, daß der polizeilichen Vornahme im Wege der unmittelbare Ausführung oder der Ersatzvornahme eine überschießende Eingriffsintensität geradezu wesensimmanent ist: Hat der Pflichtige eine polizeiliche Anordnung nicht selbst erfüllt, dann muß er die mit der Ersatzvornahme verbundenen zusätzlichen Belastungen hinnehmen; steht der Betroffene zur weniger belastenden Eigenvornahme nicht zur Verfügung, dann ist die mit der unmittelbaren Ausführung verbundene erhöhte Belastung gerechtfertigt, weil die Polizei im Interesse einer wirksamen Gefahrenabwehr an seiner Stelle einschreiten muß. Folglich unterfällt nicht nur die Entfernung, sondern auch noch der Abtransport eines Fahrzeugs zu einem geeigneten Abstellplatz der polizeirechtlichen Befugnisgeneralklausel und den Vorschriften über die unmittelbare Ausführung bzw. Ersatzvornahme437.

435

Siehe S. 206 ff. Es ist also keineswegs so, daß die „Aufgabenzuweisung mit einem unspezifischen Gefahrenbegriff 4 {Gaul, VB1.BW 1996, 1 [7]) unterlaufen würde, vgl. auch Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 487. 437 So auch - ohne ausdrückliche Problematisierung - die ganz h. M., vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1996, 149; ZfS 1995, 237; NJW 1992, 2442; NJW 1991, 1698;

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

IV. Zusammenfassung Das Entfernen von Kraftfahrzeugen kann nicht als Sicherstellung gem. § 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG qualifiziert werden, wenn die abzuwehrende Störung nur darin liegt, daß das Fahrzeug verbotswidrig abgestellt ist, also durch seine Lage im Raum die öffentliche Sicherheit stört. Da das Fahrzeug selbst im Regelfall nicht gefährdet ist, kann dieses auch nicht zum Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der Sachherrschaft gem. § 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG sichergestellt werden. Werden abgeschleppte Fahrzeuge verwahrt, liegt hierin keine Sicherstellung, sondern eine bloße Aufbewahrungshandlung, die die Polizei in Erfüllung der ihr aus dem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis obliegenden Pflichten vornimmt. Das Abschleppen eines ordnungswidrig geparkten Fahrzeugs findet daher seine Rechtsgrundlage in einem Entfernungs- bzw. Wegfahrgebot, das aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel438 ergehen kann. F. Strafprozessuale Sicherstellung und Beschlagnahme von Kraftfahrzeugen (Exkurs) I. Präventive und repressive Maßnahmen der Polizei Wurde bereits oben auf das Vorhandensein präventiv- wie auch repressivpolizeilicher Sicherstellungsermächtigungen hingewiesen, so soll nun an dieser Stelle ein Überblick über die Möglichkeiten der Sicherstellung von Kraftfahrzeugen im Rahmen der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gegeben werden. Besondere Schwierigkeiten treten dann auf, wenn eine polizeiliche Maßnahme sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung dienen kann oder sogar beide Zwecke verfolgt (doppelfunktionale Maßnahme). Beispiel 1: Die Polizei nimmt ein aufgebrochenes Fahrzeug in Verwahrung. Die Maßnahme kann sowohl zum Schutz des Berechtigten (Sicherstellung gem. § 32 Abs. 1 bwPolG), als auch zur Sicherung von Beweisen im Rahmen der Aufklärung des Diebstahls erfolgen (Sicherstellung gem. § 94 Abs. 1 StPO). VB1.BW 1990, 257; VGH Kassel, ZfS 1993, 359; NVwZ-RR 1991, 28; NVwZ 1988, 655; NVwZ 1987, 910; NJW 1984, 1197; OVG Münster, VR 1996, 105; NJW 1990, 2835; NJW 1981, 478; DVBl. 1975, 588; OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658; DÖV 1986, 37; OVG Saarlouis, NJW 1994, 878; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647; VRS 58, 233; OVG Hamburg, DÖV 1995, 783; NJW 1992, 1909; DAR 1982, 306; OVG Bremen^ DAR 1986, 159; DAR 1977, 276. Zutreffend ist also die Generalklausellösung (S. 91). Siehe zu den Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung S. 73 ff., zum Vollzug des Entfernungsgebots S. 125 ff.

3. Abschn.: Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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Beispiel 2: Ein verkehrsordnungswidrig geparktes Fahrzeug wird abgeschleppt und verwahrt. Die Maßnahme kann erfolgen, um die in der andauernden Ordnungswidrigkeit liegende Störung der öffentlichen Sicherheit zu beenden (unmittelbare Ausführung gem. §§ 1, 3, 8 Abs. 1 bwPolG). Sie kann aber ebenso die Sicherung von Beweisen für das einzuleitende Ordnungswidrigkeitenverfahren zum Inhalt haben (Sicherstellung gem. § 53 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 94 Abs. 1 StPO). Nach welchen Kriterien präventiv-polizeiliche von repressiv-polizeilichen Maßnahmen abzugrenzen sind, ist strittig439. Da die angeschnittenen Fragen im Rahmen dieser Arbeit nicht erschöpfend untersucht werden können, soll im folgenden lediglich auf einige Gesichtspunkte hingewiesen werden: Die Abgrenzung ist notwendig, weil sich je nach Qualifikation weitreichende Konsequenzen ergeben. So bestehen unterschiedliche Eingriffsvoraussetzungen (bwPolG - StPO), unterschiedliche Verfahrensordnungen (bwVwVfG - StPO, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BVwVfG) und Handlungsgrundsätze (Opportunitätsprinzip - Legalitätsprinzip, vgl. § 163 Abs. 1 StPO), unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten (Verwaltungsrechtsweg - ordentlicher Rechtsweg: § 98 Abs. 2 S. 2 StPO, §§ 23 ff. EGGVG)440 und unterschiedliche Kostenfolgen441. Nach h. M. soll die Abgrenzung danach erfolgen, auf welchem Rechtsgebiet der Schwerpunkt des polizeilichen Handelns liege442. Schenke hat zu Recht eingewendet, es bleibe unklar, anhand welcher Kriterien der Schwerpunkt des polizeilichen Handelns bestimmt werden solle. Der Topos „Schwerpunkt" lenke nur von dem entscheidenden Kriterium ab. Daß die Qualifikation der polizeilichen Maßnahme anhand der von ihr verfolgten Zielsetzung vorzunehmen ist443 , wird denn auch kaum bestritten. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob der Zweck der Maßnahme objektiv oder subjektiv zu bestimmen ist. Leitet etwa die Polizei nach einer Beschlagnahme ihre Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft oder an ein Gericht weiter, dann ist bereits aus diesen objektiven Umständen erkennbar, daß die Beschlagnahme zumindest strafprozessualen Zwecken dient444. Oftmals wird es jedoch mangels objektiver Unterschei-

439

Siehe beispielsweise Nagel, S. 135 ff.; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 9, 1 d (S. 139); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 228 ff. Siehe Schenke, in: Steiner, II, Rn. 228 m. w. Nachw. in Fn. 578. 441 Vgl. etwa AG Düsseldorf, VerkMitt 1974, 30; siehe S. 257. 442 BVerwGE 47, 255 (265); OVG Münster, DÖV 1980, 574; VGH München, BayVBl. 1986, 337 f.; Knemeyer, Rn. 88; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, §9 ld(S.139). Dafür BVerwGE 47, 255 (264 f.); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 9, 1 d (S. 139); Nagel, S. 141 m. w. Nachw.; Rasch, § 1, Rn. 66; mit überzeugender Argumentation Schenke, in: Steiner, II, Rn. 232. 444 Vgl. BVerwGE 47, 255 (265); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 229, Fn. 580.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

dungsmerkmale auf den Willen der handelnden Polizeibeamten ankommen445. Die Schlagworte „Schwerpunkt" oder „Gesamteindruck" des polizeilichen Handelns erwecken zwar den (falschen) Eindruck einer objektiven Betrachtungsweise, vermögen jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen, daß bei Fehlen eindeutiger Umstände letztlich auch auf die subjektive Zielrichtung rekurriert werden muß. Der handelnde Polizeibeamte hat nach h. M. ein Wahlrecht, ob er zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung tätig werden will 446 . Nach anderer Ansicht kann sich die Polizei sowohl auf polizeirechtliche als auch auf strafprozessuale Eingriffsbefugnisse berufen. Es seien dann in Wahrheit zwei voneinander zu trennende polizeiliche Handlungen gegeben, die nur äußerlich zu einem einzigen Akt zusammenfallen447. II. Sicherstellung von Beweismitteln 1. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Gegenstände, die als Beweismittel im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren von Bedeutung sein können, können gem. § 94 Abs. 1 StPO bzw. aufgrund der §§46 Abs. 2, 53 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 94 StPO sichergestellt werden. Die Sicherstellung kann durch amtliche Inverwahrungnahme geschehen, wodurch dann ein öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis begründet wird 448. Möglich sind aber auch andere Formen der Sicherung. Befindet sich ein beweiserheblicher Gegenstand im Gewahrsam einer Person und wird er nicht freiwillig herausgegeben, muß die Sicherstellung durch Anordnung der Beschlagnahme erfolgen (§ 94 Abs. 2 StPO). Die Anordnung trifft der Richter, bei Gefahr im Verzug die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten i. S. d. § 152 GVG (§ 98 Abs. 1 S. 1 StPO bzw. § 53 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 98 StPO).

44< Vgl. Nagel, S. 143; Rasch, § 1, Rn. 66; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 232, der zutreffend daraufhinweist, daß eine Betrachtungsweise, die darauf abstellt, ob objektiv die Voraussetzungen für das Tätigwerden auf einem bestimmten Sektor gegeben sind, die Frage der rechtlichen Qualifikation einer Maßnahme mit der ihrer Rechtmäßigkeit ver446 wechsele. Rasch, § 1, Rn. 66; a. Α.: Nagel, S. 148 ff.: das Polizeigesetz sei vorrangig anzuwenden. 447 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 232, 233. 448 RGZ 105, 340; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 34, Rn. 10.

3. Abschn. : Sicherstellung von Kraftfahrzeugen

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2. Anwendbarkeit auf Kraftfahrzeuge Die beweissichernde Sicherstellung von Kraftfahrzeugen kommt insbesondere bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten in Betracht. Ist beispielsweise die Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs durch technische Veränderungen gem. § 19 Abs. 2 StVZO erloschen, so stellt die weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Ordnungswidrigkeit dar (§§ 18 Abs. 1, 69a Abs. 2 Nr. 3 StVZO, 24 StVG). Im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens könnte das Fahrzeug sichergestellt oder beschlagnahmt werden, da sein technischer Zustand als Beweismittel dient (§§ 46 Abs. 2, 53 Abs. 2 OWiG i. V. m. §§ 94, 98 StPO). Angesichts der geringen Schwere der Tat dürfte eine Sicherstellung des Fahrzeugs hier jedoch meist unverhältnismäßig sein, da regelmäßig Beweismittel wie Fotografien und Polizeiprotokolle zur Verfügung stehen werden und ein in subjektive Rechte (Art. 14 Abs. 1 GG) des Betroffenen eingreifendes Beweissicherungsmittel nicht erforderlich ist449. III. Sicherstellung zur Vollstreckungssicherung 7. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Nach § 111b Abs. 1 S. 1 StPO können Gegenstände „durch Beschlagnahme nach § 111c sichergestellt werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, daß die Voraussetzungen für ihren Verfall oder ihre Einziehung vorliegen". Voraussetzung einer Sicherstellung ist demnach, daß die betreffenden Gegenstände gem. §§ 73-73d StGB dem Verfall unterliegen oder ihre Einziehung oder Unbrauchbarmachung in Betracht kommt (z.B. §§74 ff. StGB, § 21 Abs. 3 StVG). 2. Anwendbarkeit auf Kraftfahrzeuge Von praktischer Bedeutung dürfte im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen nur die Sicherstellung zur vorbereitenden Sicherung einer späteren Einziehung sein. a) Einziehung gem. § 21 Abs. 3 StVG Ein Kraftfahrzeug kann bei einem gem. § 21 Abs. 1 StVG strafbaren Fahren ohne Fahrerlaubnis nach Maßgabe des § 21 Abs. 3 StVG eingezogen werden.

449

Vgl. Geppert, DAR 1988, 12 (14).

124

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Dabei kann die Abgrenzung zwischen einer präventivpolizeilichen Beschlagnahme und einer strafprozessualen Sicherstellung gem. § 111b Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 21 Abs. 3 StVG schwierig sein: Der VGH Mannheim hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die Polizei ein Kfz beschlagnahmte, da dem Fahrer die Fahrerlaubnis entzogen war und aufgrund der Gesamtumstände und angesichts der Tatsache, daß der Fahrer bereits in der Vergangenheit wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden war, ein erneuter Verstoß gegen § 21 Abs. 1 StVG als unmittelbar bevorstehend angesehen werden konnte450. Die Maßnahme konnte folglich auf die polizeirechtliche Beschlagnahmevorschrift gestützt werden. Ebenso konnte wohl auch angenommen werden, daß die Voraussetzungen für eine Einziehung des Fahrzeugs gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 StVG vorgelegen hatten. Die Polizei hätte die Beschlagnahme also auch nach den §§ 111b, 111c StPO durchführen können. b) Einziehung gem. § 74 Abs. 1 StGB Desweiteren ist an die Einziehung eines Kraftfahrzeugs zu denken, wenn es zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Straftat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist (§ 74 Abs. 1 StGB). Nach einem Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom Frühjahr 1987451 soll allgemein bei einer Verkehrsstraftat das Tatfahrzeug gemäß § 74 StGB eingezogen und hierzu nach Maßgabe der §§ 111b, 111c, 11 le StPO beschlagnahmt werden können. Geppert 452 hat demgegenüber zu Recht darauf hingewiesen, daß die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB nicht bei jeder Verkehrsstraftat vorliegen. Eingezogen werden könnten nur diejenigen Gegenstände, die „nach der Absicht des Täters diesem als Mittel zur Verwirklichung eines kriminellen Planes dienen" sollten, nicht hingegen die Gegenstände, deren Verwendung bereits begrifflich zur Erfüllung des betreffenden Straftatbestands erforderlich sei. Da die Verwendung eines Kraftfahrzeugs bei Verkehrsdelikten sehr oft Tatbestandsvoraussetzung ist, dürfte eine Einziehung von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des § 74 Abs. 1 StGB und somit auch eine Sicherstellung gem. § 11 lb StPO nur in wenigen Fällen zulässig sein453.

450

451

VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 184 f.

Wiedergegeben bei Geppert, DAR 1988, 12. Geppert, DAR 1988, 12 (14) mit Nachweisen in Fn. 25-29. Geppert, DAR 1988, 12 (14) hält eine Einziehung nach Maßgabe des § 74 Abs. 1 StGB nur bei den §§ 142, 315b StGB für möglich. 452 453

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

125

Vierter Abschnitt

Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen A. Zwangsweise Durchsetzung von Entfernungsgeboten I. Das statthafte Zwangsmittel 7. Ersatzvornahme Entfernungsgebote verpflichten den Verantwortlichen dazu, ein Fahrzeug von seinem gegenwärtigen Standort zu entfernen. Diese Handlung kann auch von einer anderen Person vorgenommen werden. Es handelt sich also bei einem Entfernungsgebot um eine Verpflichtung zur Vornahme einer vertretbaren Handlung, die im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden kann454. Die Handlung kann gem. § 25 bwVwVG entweder von der Vollstreckungsbehörde (Selbstvornahme) oder von einem Dritten (Fremdvornahme) vorgenommen werden455. In aller Regel beauftragt die Polizei hiermit einen Abschleppunternehmer. 2. Unmittelbarer

Zwang

Zum Teil wird die Ansicht vertreten, das Abschleppen erfolge unter Anwendung des Zwangsmittels unmittelbarer Zwang (§§ 26, 28 bwVwVG)456. Klenke trägt für diese Auffassung das Argument vor, bei der Auflösung einer Sitzblokkade werde das Wegtragen auch nicht als Ersatzvornahme, sondern als Anwendung unmittelbaren Zwangs angesehen457. Daß das Wegtragen unmittelbaren Zwang darstellt, ist richtig, vermag jedoch gegen die Annahme einer Ersatzvornahme beim Abschleppen von Kfz nichts auszurichten. Denn beide Fallgestaltungen unterscheiden sich in einem entscheidenden Punkt: Das von einem Platzverweis ausgesprochene Gebot „Entfernen Sie sich!" verpflichtet zu einer unvertretbaren Handlung. Das ergibt sich schlicht daraus, daß die Extremitäten des Adressaten des Platzverweises nur von diesem, nicht aber von anderen Per454

VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); Bouska, DAR 1983, 147 (148 f.); Götz Rn. 393; Hoffmann, DÖV 1967, 296 (297); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Mußmann, Rn. 345; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (248); Steinhilber, NJW 1983, 2429; Storr, ThürVBl. 1993, 255 (260, 262); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 455

Die Selbstvornahme ist nicht zulässig nach § 10 BVwVG; vgl. auch unten 2. Klenke, NWVB1. 1994, 288 f; vgl. zur Anwendung unmittelbaren Zwangs bei der Durchführung einer Sicherstellung S. 151. 457 Klenke, NWVB1. 1994, 288 f. 456

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

sonen in Bewegung gesetzt werden können. Hingegen stellt es eine vertretbare Handlung dar, wenn ein Verkehrszeichen das Gebot „Entfernen Sie Ihr Fahrzeug!" ausspricht, da diese Handlung ebensogut von einer anderen Person, sei es in bestimmungsgemäßer Weise, sei es mit Hilfe eines Abschleppfahrzeugs vorgenommen werden kann. Es spricht auch nicht gegen die Annahme einer Ersatzvornahme, wenn die Vornahme der dem Pflichtigen obliegenden Handlung auch die Anwendung unmittelbaren Zwanges erforderlich macht. Weigert sich beispielsweise der anwesende Fahrer eines Kfz, dieses von seinem verbotswidrigen Standort wegzufahren, und leistet er Widerstand gegen die daraufhin eingeleitete Ersatzvornahme, dann kann der Vollstreckungsbeamte diesen Widerstand durch Anwendung unmittelbaren Zwangs brechen (§ 7 bwVwVG), ohne daß sich dadurch an der Qualifikation der Vollstreckungsmaßnahme als Ersatzvornahme etwas ändern würde458. Die Abgrenzung von unmittelbarem Zwang und Ersatzvornahme wird besonders deutlich, wenn man in der Androhung der Ersatzvornahme eine Anordnung zur Duldung des Zwangsmitteleinsatzes erblickt459. Allein dieses Duldungsgebot kann bei Zuwiderhandelung unter Anwendung unmittelbaren Zwangs vollstreckt werden. Das Entfernungsgebot wird unabhängig davon im Wege der Ersatzvornahme vollzogen. Da in Baden-Württemberg anders als nach früherem Recht (§ 55 PrPVG, noch heute § 10 BVwVG) auch die Selbstvornahme durch die Behörde Ersatzvornahme ist, kann die Abgrenzung auch nicht in der Weise erfolgen, daß die Vollstreckungsmaßnahme bei Fremdvornahme als Ersatzvornahme, bei Selbstvornahme aber als unmittelbarer Zwang anzusehen wäre460. II. Vollstreckbarer und wirksamer Grundverwaltungsakt Entfernungsgebote können im Wege der Ersatzvornahme vollzogen werden. Adressat eines Entfernungsgebots und Vollstreckungsschuldner ist nur derjenige, dem gegenüber die Regelung durch Bekanntgabe Wirksamkeit erlangt hat (§ 43 Abs. 1 bwVwVfG) 461. Da auch rechtswidrige Verwaltungsakte wirksam und zu befolgen sind, ist es grundsätzlich unerheblich, ob ein Entfernungsgebot an rechtlichen Mängeln leidet. Bedeutsam sind lediglich solche Mängel, die zur Nichtigkeit führen. Denn ein nichtiger Verwaltungsakt ist ebenso wie ein nicht

4Sfi Fliegauf/Maurer, § 25, Rn. 3; Meixner, § 49, Rn. 6; Schneider, § 25, Erl. 2; vgl. 4 5 9Götz Rn. 392 und Hoffmann, DÖV 1967, 296 (299). auch So VG Dresden, LKV 1994, 373. 460

So für das BVwVG Engelhardt/App, § 10, Anm. lc; Sadler , § 10, Rn. 5; siehe auch Hoffmann, DÖV 1967, 296. 461 Zur Wirksamkeit von Verkehrszeichen siehe S. 39 ff.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

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bekanntgegebener Verwaltungsakt rechtlich nicht existent (§43 Abs. 3 bwVwVfG) und kann folglich auch nicht zwangsweise vollzogen werden. Verkehrszeichen sind nichtig, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht erkennen kann, welche Regelung ihm gegenüber gelten soll462, wenn die Straßenverkehrsbehörde andere als die in der StVO aufgeführten Zeichen verwendet463, wenn ein Verkehrszeichen von einer sachlich unzuständigen Behörde464 oder von Privaten ohne Genehmigung der Straßenverkehrsbehörde465 aufgestellt wird. Nicht zu beanstanden ist es, wenn Verkehrszeichen nicht fest angebracht sind, weil sie nur kurzfristig aufgestellt werden müssen466 (mobile Verkehrszeichen). Stehen derartige transportable Verkehrszeichen zu fest eingebauten Verkehrszeichen in Widerspruch, dann ist als die speziellere Regelung die durch die beweglichen Verkehrszeichen bekanntgegebene Verkehrsregelung anzuwenden46 . III. Unanfechtbarkeit oder sofortige Vollziehbarkeit Das zu vollstreckende Entfernungsgebot muß entweder unanfechtbar oder sofort vollziehbar sein (§ 2 bwVwVG). Unanfechtbar ist ein Verwaltungsakt, wenn gegen ihn keine Rechtsbehelfe mehr eingelegt werden können. Unanfechtbarkeit tritt also ein, wenn die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen oder mit der letztinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung Rechtskraft eingetreten ist. Da einem Verkehrszeichen eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt ist, beträgt die Klagefrist gem. §§ 74, 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr. Umstritten ist allerdings, ob die Klagefrist bereits mit der Aufstellung des Verkehrszeichens oder erst beim erstmaligen Kontakt mit dem Verkehrszeichen in Gang gesetzt wird oder ob sie stets von neuem zu laufen beginnt, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer der Regelung gegenübersieht468. Bekennt man sich zu letzterer An-

462 Vgl. OLG Köln, VRS 62, 310 f. Nicht nichtig ist beispielsweise ein Zeichen 314, das mangels ordnungsgemäßer Parkflächenmarkierung unbestimmt ist: BVerwGE 91, 168(171). 463 Vgl. OLG Köln, VRS 82, 140 (141). 464 Vgl. BayObLG, NVwZ 1984, 399. Überschreitet die Polizei im Einzelfall ihre sachliche Zuständigkeit gem. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO, soll dies nach BayObLG, VRS 61, 138 (139) nicht zur Nichtigkeit des aufgestellten Verkehrszeichens führen. Vgl.OLG Zweibrücken, VRS 51, 138; a. A. VGH München, DAR 1992, 272 (273Ì; vgl. auch BVerwGE 35, 334 (343). 46 Vgl. BVerwG, NJW 1967, 1627; Berr/Hauser, Rn. 451; Huppertz, Rn. 3301. 467 Vgl. Hauser, DAR 1991, 324 (327); Huppertz, Rn. 3303; derselbe, VD 1994, 270 (27$. Offen gelassen von BVerwGE 92, 32 (34). Siehe zur Bekanntgabeproblematik S. 39 ff.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

sieht, wäre ein Wegfahrgebot, weil es meist in recht kurzer Zeit vollstreckt wird, praktisch nie unanfechtbar 469. Das ist jedoch unschädlich, wenn der Verwaltungsakt kraft Gesetzes oder behördlicher Anordnung sofort vollziehbar ist. Eine behördliche Anordnung wird regelmäßig nicht in Betracht kommen. Sie ist auch nicht erforderlich, wenn man mit der h. M. die durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen getroffenen Anordnungen analog § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO für sofort vollziehbar hält470. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfaßt seinem Wortlaut nach durch Polizeibeamte ausgesprochene unaufschiebbare Anordnungen. Mit dem Wortlaut ist es zwar nicht vereinbar, § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf Verkehrszeichen unmittelbar anzuwenden471. Wenn man aber mit der h. M. die Funktion von Verkehrszeichen in der Weise bestimmt, daß sie wie Polizeibeamte verkehrsregelnde Anordnungen geben, dann spricht alles dafür, die durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen den von Polizeibeamten erlassenen auch im Rahmen von § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gleichzustellen. In der Praxis fällt jedoch im Zuge der analogen Anwendung stillschweigend auch das Erfordernis einer „unaufschiebbaren Maßnahme" unter den Tisch. Eine solche Reduktion der gesetzlichen Vorschrift mag zwar aus Praktikabilitätsgesichtspunkten erwünscht sein, sie ist jedoch rechtsdogmatisch nicht zu rechtfertigen 4 2 . Allerdings relativiert sich das Problem dadurch, daß an die Unaufschiebbarkeit der Verkehrsregelung dieselben Anforderungen zu stellen sind, die auch im Rahmen des § 21 bwVwVG (Entbehrlichkeit der Androhung wegen Gefahr im Verzug) und der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Erforderlichkeit des Abschleppens) zu beachten sind473.

469

Im Ergebnis ebenso Manssen, NZV 1992, 465 (468): Verkehrszeichen könnten nicht 4 7 0materiell bestandskräftig werden. BVerwG, NJW 1978, 656; NVwZ 1988, 623; BGUSt 23, 86 (89); OVG Münster, NJW 1969, 765; OVG Bremen, DAR 1977, 276 (277); VGH Mannheim, ESVGH 24, 81 (83); VB1.BW 1995, 237 (238); VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, 389 f.; Janssen, JA 1996, 165 (167); Kopp, VwGO, § 80, Rn. 38 (Verkehrszeichen); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 969; a. Α.: Hees, S. 207; Kopp, VwGO, § 80, Rn. 38 (Parkuhr); kritisch auch Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80, Rn. 123: „weder methodisch noch rechtsdogmatisch haltbar". 471 Zutreffend Storr, ThürVBl. 1993, 255 (258); für eine unmittelbare Anwendung aber Redeker/von Oertzen, § 80, Rn. 17. 472

Kritisch gegenüber der h. M. deshalb Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 80, Rn. 123; Storr, ThürVBl. 1993, 255 (260). 473 Siehe unten 4. und ausführlich auf S. 206 ff.

4. Abschn. : Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

129

IV. Festsetzung des Zwangsmittels Eine besondere Festsetzung, die als Verwaltungsakt dem Betroffenen gegenüber bekanntgegeben werden müßte, sieht das baden-württembergische Landesrecht nicht vor. In einigen Bundesländern ist die Festsetzung bei einer Vollstreckung durch die Ordnungsbehörde aber zwingend vorgeschrieben474. Muß eine Festsetzung des Zwangsmittels Ersatzvornahme erfolgen, dann können die durch Verkehrszeichen erteilten Entfernungsgebote nicht im Regelvollstreckungsverfahren durchgesetzt werden475. Denn weder setzt das Verkehrszeichen bereits das Zwangsmittel fest, noch wird eine behördliche Festsetzung dem Adressaten vor Durchführung der Ersatzvornahme bekanntgegeben. In solchen Fällen kann jedoch im verkürzten Verfahren (Sofortvollzug) vollstreckt werden476. V. Schriftliche Androhung des Zwangsmittels Gem. § 20 Abs. 1 S. 1 bwVwVG und den entsprechenden Vorschriften in anderen Bundesländern müssen Zwangsmittel vor ihrer Anwendung von der Vollstreckungsbehörde schriftlich angedroht werden. Zwar kann die Androhung mit dem Erlaß des Verwaltungsakts zusammenfallen (§ 20 Abs. 2 bwVwVG), bei einer durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnung ist dies jedoch nicht möglich. Die mitunter anzutreffenden Zusatzzeichen, die das Abschleppen symbolisch darstellen, könnten zwar als Androhung verstanden werden, sie enthalten jedoch keine Fristbestimmung und genügen nicht dem Schriftformgebot 477. Die Androhung ist entbehrlich, „soweit die Abwehr einer Gefahr, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht oder gestört wird, dies erfordert" (Gefahr im Verzug, § 21 bwVwVG)478. Von einer Androhung kann also abgesehen werden, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nur durch sofortiges Tätigwerden abgewehrt werden kann, die Gefahrenabwehr ansonsten beeinträchtigt oder vereitelt würde479. Das ist bei verbotswidrig abgestellten Fahrzeugen oft der Fall: Da der Betroffene regelmäßig 474

Vgl. OVG Koblenz, NVwZ 1994, 715 für Rheinland-Pfalz. Siehe Janssen, JA 1996, 165 (168); UQWtx/Wilhelm, S. 197. 476 Siehe S. 139 ff. 477 Vgl. Klenke, NWVB1. 1994, 288 (290, Fn. 28); für eine Androhung durch Zusatzzeichen hingegen Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 133. 478 Anders aber ζ. B. in Brandenburg, vgl. Möller/Wilhelm, S. 197. 479 Vgl. VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (168); Belz/Mußmann, § 2, Rn. 7; Fliegauf/Maurer, § 21, Rn. 2; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 55; vgl. auch Schneider, § 21, Erl. 2 b. 475

9 Schieferdecker

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

nicht zugegen ist, kann eine Androhung ihm gegenüber nicht erfolgen und die in dem verbotswidrigen Parken liegende Störung der öffentlichen Sicherheit somit nur unter Verzicht auf die Androhung abgewehrt werden480. Gefahr im Verzug liegt allerdings nur dann vor, wenn das polizeiliche Tätigwerden zur Gefahrenabwehr überhaupt erforderlich ist481. Der Begriff der Gefahr im Verzug ist im übrigen weit auszulegen. Die Polizei ist nicht darauf verwiesen, ein Fahrzeug, von dem eine Gefahr für den fließenden Verkehr ausgeht, zu sichern. Denn effektiv kann sie die Gefahrenlage nur bereinigen, wenn sie das Fahrzeug von seinem Standort entfernt 482. VI. Die Problematik der Vollstreckungszuständigkeit 1. Die Vollstreckungsbehörde Nach § 4 Abs. 1 bwVwVG ist die Behörde zur Durchführung der Ersatzvornahme zuständig, die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt erlassen hat. Diese Vorschrift bereitet zwar im Regelfall keine Probleme; mit der „Verkehrszeichenrechtsprechung" läßt sie sich jedoch nur schwer harmonisieren. Durch Verkehrszeichen bekanntzugebende Anordnungen erläßt im Regelfall die Straßenverkehrsbehörde (§ 45 Abs. 1 StVO), in Ausnahmefällen die Straßenbaubehörde483 (§ 45 Abs. 2 StVO) oder die Polizei (§ 44 Abs. 2 S. 2 StVO). Straßenverkehrsbehörden sind die unteren Verwaltungsbehörden, in BadenWürttemberg also die Landratsämter, die Großen Kreisstädte und in den Stadtkreisen die Gemeinden (§§ 44 Abs. 1 S. 1 StVO, 1 StVOZuG, 13 Abs. 1 bwVG). Zusätzlich können Verwaltungsgemeinschaften (vgl. § 14 bwVG) und kreisangehörige Gemeinden, die mehr als 5000 Einwohner zählen, auf Antrag vom Regierungspräsidium zur örtlichen Straßenverkehrsbehörde erklärt werden (§ 2 Abs. 1 StVOZuG). Aus § 4 Abs. 1 bwVwVG wäre zu folgern, daß die von der Straßenverkehrsbehörde erlassenen Verkehrsregelungen auch von ihr durchzusetzen sind484. Das Abschleppen ordnen in der Praxis jedoch nicht Bedienstete der Straßenverkehrsbehörde, sondern gemeindliche Vollzugsbedienstete oder der Polizeivollzugsdienst an.

480

Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1987, 910 (911); Würtenberger/Heckmann/Riggert,

504.

481

Zur Frage, wann Abschleppmaßnahmen erforderlich sind, siehe S. 206 ff. Vgl. VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (168 ff.); Vogel, in: Drews/Wacke/Vo|el/Martens, § 7, 4 b (S. 118). Diese bestimmt sich nach Landesrecht, vgl. §§ 43 ff. bwStrG. 484 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150). 482

Rn.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

2. Ausübung der Vollstreckungszuständigkeit gemeindliche Vollzugsbedienstete?

131

durch

Der VGH Mannheim hat es mehrfach gebilligt, daß kommunale Vollzugsbedienstete zur Durchsetzung von Verkehrszeichenregelungen Abschleppmaßnahmen eingeleitet haben485. Dabei wird davon ausgegangen, daß diesen Personen die Überwachung des ruhenden Verkehrs als gem. §§80 bwPolG, 31 Abs. 1 Nr. 2 lit. a DVO bwPolG übertragene Aufgabe obliege. In Baden-Württemberg können die Gemeinden eigene Vollzugsbedienstete bestellen, die in der Praxis sowohl die Aufgaben der Gemeinde bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 OWiZuVO i. V. m. § 2 StVOZuG) als auch die ihnen gem. §§80 Abs. 1 bwPolG, 31 Abs. 1 Nr. 2 lit. a DVO bwPolG übertragenen polizeilichen Aufgaben „im Straßenverkehrsrecht beim Vollzug der Vorschriften über das Halten und Parken" wahrnehmen. Ob auch die Vollstreckung verkehrsrechtlicher Wegfahrgebote eine polizeiliche Aufgabe ist, ist zweifelhaft und soll sogleich untersucht werden486. Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde können gemeindlichen Vollzugsbediensteten durch §§80 Abs. 1 bwPolG, 31 DVO bwPolG jedenfalls nicht übertragen werden. Wenn die Gemeinde Straßenverkehrsbehörde ist (vgl. §§44 Abs. 1 S. 1 StVO, 13 Abs. 1 LVG, 1, 2 StVOZuG), könnten gemeindliche Vollzugsbedienstete auch die Zuständigkeit der Gemeinde als Vollstreckungsbehörde wahrnehmen487. Fraglich ist allerdings, ob die von ihnen vorgenommenen Vollstreckungshandlungen der Gemeinde zugerechnet werden können. Innerhalb der Gemeinde fällt der Erlaß und somit auch die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die in der Eigenschaft als untere Verwaltungsbehörde erlassen werden, in die Zuständigkeit des Bürgermeisters (§ 13 Abs. 3 bwVG, § 44 Abs. 3 S. 1 bwGemO). Dieser regelt gem. §§ 44 Abs. 1 S. 2, 53 Abs. 1 bwGemO die innere Organisation der Gemeindeverwaltung, mit der Folge, daß ihm Vollstreckungshandlungen der mit seiner Vertretung beauftragten 488 kommunalen Bediensteten zugerechnet werden. Ob gemeindliche Vollzugsbedienstete nach der internen Geschäftsverteilung überhaupt mit der Vollziehung straßenverkehrsbehördlicher Wegfahrgebote betraut sind, soll nach vielfach vertretener Auffassung nur im Innenverhältnis

485

VGH Mannheim, NJW 1990, 2270 (2271); NJW 1992, 2442; ZfS 1995, 237; ebenso Wolf/Stephan, § 8, Rn. 10. Siehe unten 3.; zur Zuständigkeit für polizeirechtliche Maßnahmen S. 83 ff. 487 So ausdrücklich VGH Mannheim, ZfS 1995, 237; Gr//, VB1.BW 1997, 153 (155). 488

Es handelt sich bei der „Beauftragung" um einen Fall des sog. „innerbehördlichen Mandats", siehe dazu Schenke, VerwArch 68 (1977), 118(151).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Bedeutung erlangen, im Verhältnis zum betroffenen Bürger jedoch unbeachtlich sein4 9 . Als Begründung wird darauf verwiesen, daß die Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters (§ 42 Abs. 1 S. 2 bwGemO) im Außenverhältnis unbeschränkt sei 90 . Das alleinige Abstellen auf das Außenverhältnis mag im rechtsgeschäftlichen Bereich in Anlehnung an gesellschaftsrechtliche Grundsätze unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gerechtfertigt sein. Im Zusammenhang mit belastenden Verwaltungsakten führt es jedoch zu einer nicht tolerablen Beeinträchtigung des Rechtsschutzes491. Der Verweis auf die Vertretungsmacht des Bürgermeisters sagt außerdem nichts darüber aus, in welchem Umfang Handlungen kommunaler Bediensteter nach außen wirksam sind. Diese können den Bürgermeister vertreten, soweit ihnen selbst durch die Beauftragung Vertretungsmacht eingeräumt worden ist492. Der Umfang der Vertretungsmacht hängt also vom Umfang der Beauftragung ab. Bei einer Überschreitung der ihnen eingeräumten externen Vertretungsmacht sind Verwaltungsakte gemeindlicher Dienststellen deshalb als rechtswidrig anzusehen493. Da Gleiches auch für die Vollstreckung von Verwaltungsakten gelten muß, können gemeindliche Vollzugsbedienstete nur dann für die Gemeinde Wegfahrgebote vollstrecken, wenn diese Aufgabe ihnen durch die interne Geschäftsverteilung ausdrücklich zugewiesen und ihnen entsprechende Vertretungsmacht erteilt worden ist. 3. Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes zur Vollstreckung durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen Gebote? a) §21 bwVwVG Auf § 4 Abs. 1 bwVwVG läßt sich eine Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes zur Vollstreckung der durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen Gebote lediglich dann stützen, wenn er diese selbst gem. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO angeordnet hat. Eine Eilzuständigkeit der Polizei für den Fall, daß die Straßenverkehrsbehörde zur Vollstreckung der von ihr erlassenen Wegfahrgebote nicht 489

Biletzki, NZV 1996, 303 (306); Jahn, BayVBl. 1990, 424 (427); vgl. Schwerdtfeger kRn.75. Vgl. dazu Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 188. 491 Zutreffend Waechter, Kommunalrecht, 2. Auflage, Stuttgart 1995, Rn. 384c: der zugrundeliegende Gedanke passe außerhalb freiwillig eingegangener Bindungen nicht. 92 Vgl. Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 237; Lünenbürger, Die Vertretung der Gemeinden im Rechtsverkehr, Frankfurt 1951, S. 90; Seeger/Wunsch, Kommunalrecht in Baden-Württemberg, 5. Auflage, Stuttgart 1987; a. A. beispielsweise Widtmann, Bayerische Gemeindeordnung, 4. Auflage, München 1980, Art. 39, Anm. 4. So ausdrücklich Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 237; derselbe, Deutsches Kommunalrecht, Baden-Baden 1994, Rn.439.

de

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

133

rechtzeitig tätig werden kann, sieht das Verwaltungsvollstreckungsrecht nicht vor. § 21 bwVwVG befreit bei Gefahr im Verzug ausdrücklich nicht von der Zuständigkeitsbestimmung des § 4 bwVwVG. Das VG Frankfurt hat bei entsprechender Rechtslage in Hessen494 eine Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes für Vollstreckungsmaßnahmen bei Verstoß gegen amtliche Verkehrszeichen verneint495. In der Literatur wird mit unterschiedlicher Argumentation 496

versucht, eine Zuständigkeit zu begründen . b) § 44 Abs. 2 S. 2 StVO Ob der Polizeivollzugsdienst gem. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO bei Gefahr in Verzug an Stelle der Straßenverkehrsbehörde als Vollstreckungsbehörde tätig werden kann, ist zweifelhaft 497. Die Frage der Vollstreckungsmständigkeit dürfte aufgrund der Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiet des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungsvollstreckungsrechts (Art. 70 Abs. 1 GG) und des Fehlens einer ausdrücklichen Ermächtigung im StVG (Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG) einer Regelung in der StVO nicht zugänglich sein. Die Vorschrift des § 44 Abs. 2 S. 2 StVO ist daher so auszulegen, daß sie nur zur Erfüllung der durch die StVO geregelten und regelbaren Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde ermächtigt. Der StVO ist jedoch eine Zuständigkeit der Straßenverkehrsbehörde für Abschleppmaßnahmen nicht zu entnehmen. Zudem handelt es sich nicht um „vorläufige Maßnahmen" i. S. d. § 44 Abs. 2 S. 2 StVO498. Diese Vorschrift kann somit keine Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes für ein Abschleppen im Wege der Ersatzvornahme begründen499. c) § 2 Abs. 1 bwPolG oder § 60 Abs. 2 bwPolG Peters/Schell leiten eine Eilkompetenz als Vollstreckungsbehörde aus § 46 Abs. 2 Nr. 2 bwPolG a. F. ab (entspricht § 60 Abs. 2 bwPolG n. F.) 500 . Die 494

Aufgrund der landesgesetzlichen Regelungen haben eine Zuständigkeit der Polizei als Straßenverkehrsbehörde angenommen: für Rheinland-Pfalz OVG Koblenz, DÖV 1986, 4 9 5 37 (38); für Bremen OVG Bremen, DAR 1977, 276 (278). VG Frankfürt, NVwZ-RR 1994, 90 (91); ebenso bereits Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287. 496

Dogmatisch nicht überzeugend sind die Begründungsversuche von Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9) und Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 488. 497 Vgl. Grünning/Möller, VR 1984, 156 (157). 498 Zur Auslegung des § 44 Abs. 2 S. 2 StVO siehe S. 69 ff. 499 Wolf/Stephan, § 8, Rn. 10; vgl. Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261); im entschiedenen Fall ebenfalls ablehnend OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247). 500 Peters/Schell, BWVPr. 1989, 246 (248); ebenso Reichert/Ruder, Rn. 704 und (zum nwPolG) OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Vorschrift vermittelt dem Polizeivollzugsdienst eine Eilzuständigkeit im Verhältnis zur regelmäßig gem. § 60 Abs. 1 bwPolG zuständigen allgemeinen Polizeibehörde. Ein Tätigwerden für die Straßenverkehrsbehörde setzte zunächst voraus, daß diese als allgemeine Polizeibehörde i. S. d. §§ 59 Nr. 1, 60 Abs. 1 bwPolG anzusehen wäre. Polizeibehörden sind nach dem dem bwPolG zugrundeliegenden Polizeibegriff alle Verwaltungsbehörden, die in nicht ganz unerheblichem Umfang Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehmen501. Der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr steht bei der Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörden im Vordergrund. Mußmann und Peters/Schell nehmen daher an, die 502

Straßenverkehrsbehörden seien allgemeine Polizeibehörden , so daß § 60 Abs. 2 bwPolG insoweit eine Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes begründen könnte. Weniger überzeugend erscheint es demgegenüber, wenn Wolf/Stephan die Straßenverkehrsbehörden als „andere Stellen" i. S. d. §2 Abs. 1 bwPolG ansehen503. Da die Organisation der Straßenverkehrsbehörden abweichend vom bwPolG geregelt ist5 , sollten sie als besondere Polizeibehörden (§ 61 Abs. 2 bwPolG) eingestuft werden505, mit der Konsequenz, daß eine Eilkompetenz des Polizeivollzugsdienstes allenfalls in analoger Anwendung des § 2 Abs. 1 bwPolG begründet werden könnte506. Die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 bwPolG scheitert bereits deshalb, weil eine Zuständigkeit nur für „vorläufige Maßnahmen" besteht, die Vollstreckung eines Wegfahrgebots jedoch stets eine endgültige Maßnahme ist. § 2 Abs. 1 bwPolG ist insoweit nicht anders auszulegen als der weitgehend inhaltsgleiche § 44 Abs. 2 S. 2 StVO. Entscheidend ist jedoch, daß die §§ 2 Abs. 1, 60 Abs. 2 bwPolG lediglich die Zuständigkeit für Maßnahmen auf der Primärebene polizeilichen Handelns betreffen. Die Eilkompetenzen erlauben es, im Zuständigkeitsbereich anderer Behörden tätig zu werden und beispielsweise Gefahren durch den Erlaß polizeilicher Verwaltungsakte abzuwehren. Sie enthalten jedoch keine Aussage dazu, wie die von der allgemeinen Polizeibehörde oder einer anderen Stelle erlassenen Verwaltungsakte zu vollstrecken sind. Daß eine Eilzuständigkeit auch für Vollstreckungshandlungen begründet werden sollte, ist nicht anzunehmen. Dagegen spricht die vom baden-württembergischen Landesgesetzgeber verwendete Regelungstechnik. Aus der Systematik der §§49 ff. bwPolG und der Regelungen des bwVwVG ergibt sich, daß sich das Polizeigesetz mit Ausnahme der

501 502

Vgl. LT-Drucks. 1/1360, S. 1899.

Mußmann, Rn. 36; Belz/Mußmann, § 2, Rn. 6 und § 61, Rn. 4 (ebenso in der Vorauflage Wöhrle/Belz, § 2, Rn. 4); implizit Peters/Schell, BWVPr. 1989, 246 (248). 503 Wolf/Stephan, § 8, Rn. 10. Siehe oben 1. 505 So Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 6, 3 b (S. 101 f.). Vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 129.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

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besonderen Vorschriften über den unmittelbaren Zwang jeder verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Regelung enthält. Die Frage der originären Vollstreckungszuständigkeit ist folglich abschließend in § 4 bwVwVG geregelt, eine Vollstreckungszuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes kann sich aus §§ 2 Abs. 1, 60 Abs. 2 bwPolG nicht ergeben. d) Handeln nach Weisung, § 74 Abs. 1 bwPolG Der Polizeivollzugsdienst könnte Vollstreckungshandlungen auch dann in rechtmäßiger Weise vornehmen, wenn er aufgrund einer Weisung der zuständigen Vollstreckungsbehörde handeln würde. Sofern die Gemeinde Straßenverkehrsbehörde ist, könnte man erwägen, ob ihr § 74 Abs. 1 bwPolG ein Weisungsrecht vermittelt. Nach dieser Vorschrift ist zwar die Gemeinde als Ortspolizeibehörde (§ 62 Abs. 4 bwPolG) weisungsbefugt. Die Gemeinde kann jedoch Weisungen nur „im Rahmen ihrer Zuständigkeit" als Ortspolizeibehörde erteilen (§ 74 Abs. 1 S. 1 bwPolG). Eine Weisung ist nach dieser Vorschrift nur bezüglich solcher Handlungen möglich, für die die Gemeinde nach dem bwPolG sachlich zuständig ist507. Wird die Gemeinde nicht im Rahmen ihrer polizeirechtlichen Zuständigkeit, sondern als Straßenverkehrsbehörde tätig, so kann sie sich nicht auf § 74 bwPolG berufen. Da ein Weisungsrecht auch nicht spezialgesetzlich normiert ist, kann der Polizeivollzugsdienst Vollstreckungshandlungen nicht aufgrund einer Weisung der Straßenverkehrsbehörde vornehmen. In anderen Bundesländern ist ein Weisungsrecht (der Ordnungsbehörde) zwar vielfach vorgesehen, eine Weisung müßte jedoch auch tatsächlich ausgesprochen worden sein, woran es oft fehlen wird 508. e) Vollzugshilfe gem. § 60 Abs. 4 bwPolG Der Polizeivollzugsdienst leistet gem. § 60 Abs. 4 bwPolG Vollzugshilfe, „indem er insbesondere auf Ersuchen von Behörden und Gerichten Vollzugshandlungen ausführt, soweit hierfür die besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse oder Mittel des Polizeivollzugsdienstes benötigt werden". Im Gegensatz zu § 25 MEPolG, der Vollzugshandlungen auf die Anwendung unmittelbaren Zwangs beschränkt509, erfaßt § 60 Abs. 4 bwPolG alle polizeilichen Handlungen, die der Durchführung behördlicher Anordnungen dienen510. Vollzugshilfe kommt nicht nur bei Anordnungen der Polizeibehörde, sondern auch zur

507 508 509 510

Wolf/Stephan, § 74, Rn. 2; Belz/Mußmann, § 74, Rn. 5; vgl. § 66 Abs. 2 bwPolG. Vgl. auch Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261). Vgl. Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261) für die Rechtslage in Thüringen. Mußmann, Rn. 119; Belz/Mußmann, § 60, Rn. 15.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Durchführung von Verwaltungsakten anderer Behörden in Betracht511. Läßt der Polizeivollzugsdienst ein Fahrzeug abschleppen, das etwa im Haltverbot abgestellt ist, dann könnte er im Wege der Vollzugshilfe für die gem. § 4 Abs. 1 bwVwVG zuständige Straßenverkehrsbehörde die zur Vollstreckung des Wegfahrgebots erforderlichen Handlungen erbringen. Vollzugshilfe leistet der Polizeivollzugsdienst aber nur auf Ersuchen der eigentlich zuständigen Behörde. Ein ausdrückliches Ersuchen der Straßenverkehrsbehörde um Vollzugshilfe bei der Durchsetzung von Wegfahrgeboten kommt wegen der Kurzfristigkeit der Abschleppsituation regelmäßig nicht in Betracht. Dienelt hat erwogen, Verkehrszeichen auch ein generelles Vollzugshilfeersuchen der Straßen Verkehrsbehörde an den Polizeivollzugsdienst beizulegen512. Ein solches, eine Vielzahl von Anwendungsfällen umfassendes Ersuchen, wäre 513

jedoch analog § 5 Abs. 1 Nr. 1 bwVwVfG nur dann rechtmäßig, wenn die ersuchende Straßenverkehrsbehörde aus tatsächlichen Gründen die Vollstrekkungshandlung nicht selbst vornehmen könnte. Ein Vollzugshilfeersuchen wäre also rechtswidrig, wenn die Straßenverkehrsbehörde selbst über die erforderlichen Dienstkräfte verfügen würde. Beamte des Polizeivollzugsdienstes sind Dienststellen des Landes zugeordnet (§ 70 Abs. 1 bwPolG) und können daher organisationsrechtlich nicht unmittelbar Bedienstete der Straßenverkehrsbehörde sein. Sofern die Straßenverkehrsbehörde selbst tätig werden kann, weil die zuständige Körperschaft Vollzugsbedienstete bestellt und mit der Wahrnehmung der Vollzugsaufgaben der Straßenverkehrsbehörde betraut hat514, kommt ein an den Polizeivollzugsdienst gerichtetes Vollzugshilfeersuchen nicht in Betracht. Ansonsten wäre Vollzugshilfe zwar grundsätzlich denkbar. Die rechtliche Zulässigkeit eines generellen Vollzugshilfeersuchens erscheint jedoch zweifelhaft 515. Auf diesem Wege könnten nämlich die gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften umgangen werden (Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorrangs), weil die „ersuchte" Behörde nicht mehr nur im als Ausnahme verstandenen Einzelfall, sondern in jedem Fall tätig werden könnte516. Zudem liegt es fern, überhaupt ein generelles Ersuchen der Straßenverkehrsbe511 512 513

Mußmann, Rn. 120. Dienelt, NVwZ 1994, 664 (666).

Die Vollzugshilfe und Amtshilfe weisen eine enge Verwandtschaft auf, so daß die Vorschriften über die Amtshilfe entsprechend angewendet werden können, vgl. Schenke,, 514 in: Steiner, II, Rn. 218 f. und § 4 Abs. 3 S. 2 bwVwVG. 5 1 5 Siehe zum Tätigwerden gemeindlicher Vollzugsbediensteter oben 2. Vgl. auch (gegen Amtshilfe) Storr, ThürVBl. 1993, 255 (261). Die Problematik ist derjenigen beim generellen Mandat vergleichbar. Vgl. zur Unzulässigkeit eines (generellen) Mandats sogleich unten.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

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hörde anzunehmen. Selbst wenn diese einen entsprechenden Willen gebildet hätte, könnte dieser durch amtliche Verkehrszeichen nicht adäquat zum Ausdruck gebracht werden. Deren rechtliche Aussage erschließt sich nämlich allein aus den betreffenden Vorschriften der StVO. Andere Rechtswirkungen, insbesondere jene eines Vollzugshilfeersuchens, können Verkehrszeichen nicht entfalten. Der Polizeivollzugsdienst kann somit auch nicht im Wege der Vollzugshilfe Vollstreckungshandlungen für die Straßenverkehrsbehörde durchführen. f) Organisationsrechtliches Mandat Die Zuständigkeitsordnung wäre ferner gewahrt, wenn der Polizeivollzugsdienst im Rahmen eines organisationsrechtlichen Mandats der Straßenverkehrsbehörde handeln könnte. Beim Mandat wird ein Organ gewissermaßen als Stellvertreter für ein anderes Organ tätig und nimmt dabei dessen Kompetenzen in dessen Namen wahr517. Zwischen Vollzugshilfe und zwischenbehördlichem organisationsrechtlichem Mandat bestehen große Ähnlichkeiten. Ebenso wie bei jener wird das staatliche Handeln beim Mandat dem beauftragenden Organ zugerechnet, so daß es allein auf dessen Zuständigkeiten und Befugnisse ankommt518. Ob der Polizeivollzugsdienst jedoch in rechtlich zulässiger Weise in Ausübung eines von der Straßenverkehrsbehörde erteilten Mandats handeln kann, ist zweifelhaft. In den meisten Fällen wird es bereits an der Erteilung eines Mandats fehlen. Auch gibt sich der Polizeivollzugsdienst in der Praxis nicht als Mandatar der Straßenverkehrsbehörde zu erkennen, sondern nimmt eine eigene polizeiliche Zuständigkeit für sich in Anspruch. Vor allem aber ist die Straßenverkehrsbehörde nicht befugt, dem Polizeivollzugsdienst ein Mandat zur Wahrnehmung ihrer Kompetenz als Vollstreckungsbehörde zu erteilen. Denn ein solches eine Vielzahl von Einzelfällen erfassendes Mandat (generelles Mandat) kann nur auf gesetzlicher Grundlage erteilt werden519. Dies ergibt sich ganz zwanglos, wenn man mit Schenke annimmt, die Mandatierung führe zu einer Änderung der Zuständigkeitsverteilung520. Denn durch Rechtssatz begründete Zuständigkeiten (§ 4 Abs. 1 bwVwVG) sind nach dem Prinzip des

517

Vgl. Achterberg,, § 13, Rn. 30; Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (148); Wolff/Bachof, VerwR II, § 72, IV b 5 (S. 26). 518 Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (148); Wolff/Bachof, VerwR II, § 72, IV b 5 (S

M9 6 ) · BDiszG, DÖV 1985, 450 (451) mit zustimmender Anmerkung von Schenke; Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (154); Obermayer, Grundzüge, S. 68, Fn. 277. 520 Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (153 f.).

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Vorrangs des Gesetzes einzuhalten und nur durch gleich- oder höherrangiges Gesetz änderbar. Die Mandatierung führt dazu, daß der Mandatar die Befugnisse des Mandanten selbst ausüben kann. Wie der Stellvertreter im bürgerlichen Recht trifft der Mandatar eine eigene Entscheidung. Die Mandatierung ist besonders bei den im Polizeirecht geforderten Ermessensentscheidungen kein bloß formellrechtlicher Vorgang, sondern de facto von rechtsgestaltender Bedeutung521. Sie führt wie die Delegation zu einer Verlagerung der inhaltlichen Entscheidungsmacht und muß daher wie diese als Zuständigkeitsverschiebung den Prinzipien des Gesetzesvorbehalts und Gesetzesvorrangs entsprechen. Eine Norm, aufgrund derer die Polizei als Mandatar der Straßenverkehrsbehörde handeln könnte, existiert jedoch nicht. Auch die h. M. würde zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Zwar nimmt diese an, die Mandatierung lasse die Zuständigkeitsverteilung unberührt522 und bedürfe im Gegensatz zu einer Delegation daher keiner gesetzlichen Grundla523

ge . Damit sieht sich die h. M. jedoch dem Dilemma ausgesetzt, daß der für die Delegation geltende Gesetzesvorbehalt durch die Erteilung eines generellen Mandats umgangen werden könnte. Diese Schwierigkeit nötigt die h. M. dazu, ein generelles Mandat für unzulässig zu erklären524. Ein generelles Mandat kann dem Polizeivollzugsdienst somit nach beiden Auffassungen in rechtlich zulässiger Weise nicht erteilt werden. Folglich kann eine von der Polizei durchgeführte Abschleppmaßnahme der Straßenverkehrsbehörde nicht zugerechnet und der Zuständigkeitsvorschrift des § 4 Abs. 1 bwVwVG nicht Rechnung getragen werden. 4. Ergebnis Als Ergebnis kann festgehalten werden: Eine Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes zur Vollstreckung der durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen Wegfahrgebote besteht in keinem Fall525. Er handelt auch nicht nach Weisung der Vollstreckungsbehörde.

521

Vgl. Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (154). So etwa Achterberg, § 13, Rn. 30; Battis , Rn. 54; Faber, S. 64; Wolff/Bachof, VerwR II, § 72, IV b 5 (S. 26). Siehe die Nachweise bei Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (154, Fn. 146). 524 Nachweise bei Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (155, Fn. 153); a. Α.: BDiszG, DÖV 1985, 450 (451); Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (156). 525 So auch VG Frankfurt, NVwZ-RR 1994, 90 (91); Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287; a. Α.: Gaul, VB1.BW 1996, 1 (9); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 488. 522

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

139

Es ist deshalb im Einzelfall stets zu untersuchen, ob die Polizei tatsächlich eine (mangels Zuständigkeit rechtswidrige) Vollstreckungshandlung getroffen hat oder ob das Abschleppen als polizeirechtliche Gefahrenabwehrmaßnahme zu qualifizieren ist. Da es sich um Maßnahmen handelt, die nur rechtlich unterschiedlich zu bewerten, in ihrer tatsächlichen Ausführung aber identisch sind, kann nur auf die Willensrichtung des beteiligten Polizeibeamten abgestellt werden526, die sich etwa darin manifestiert, auf welche Rechtsgrundlage sich ein Kostenbescheid stützt. Welche Anforderungen an polizeirechtliche Entfernungsgebote zu stellen sind, wurde bereits erörtert 527. Da die Vollstreckung keine polizeiliche Aufgabe ist, kann sie gemeindlichen Vollzugsbediensteten nicht gem. §§80 Abs. 1 bwPolG, 31 DVO bwPolG übertragen werden. Sofern der Gemeinde jedoch die Zuständigkeit als Straßenverkehrsbehörde zugewiesen ist, können sie bei Bestehen entsprechender Vertretungsmacht auch Wegfahrgebote der Gemeinde vollziehen. Entsprechendes gilt, falls das Landratsamt Straßenverkehrsbehörde ist und eigene Vollzugsbedienstete hat. B. Abschleppen ohne Grundverfügung I. Unmittelbare Ausführung und sofortiger Vollzug Polizeiliche Gefahrenabwehr besteht im Normalfall darin, daß dem Verantwortlichen durch Verwaltungsakt aufgegeben wird, die Gefahr abzuwehren. Kommt der Adressat der polizeilichen Anordnung nicht nach, kann diese mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Die Polizei könnte etwa dem Fahrer eines verkehrsordnungswidrig geparkten Fahrzeugs gebieten, dieses zu entfernen. Ein solches polizeiliches Wegfahrgebot wäre bei Weigerung im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken528.Von dem Grundsatz, daß vorrangig der Verantwortliche selbst zur Gefahrenabwehr tätig werden soll, muß jedoch abgewichen werden, wenn durch seine Inanspruchnahme die Gefahr nicht oder nicht 529

rechtzeitig abgewehrt werden kann. Die Polizei ist dann befugt , die erforder-

526

Vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29. Siehe S. 73 ff., zur Sicherstellung S. 89 ff. 528 Siehe VGH München, BayVBl. 1994, 372 als Beispiel für den in der Praxis seltenen Fall, daß die Polizei ein mündliches Wegfahrgebot durch Abschleppen im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt. Zu den Vollstreckungsvoraussetzungen siehe S. 125 ff. 529 Nachdem auch in Hessen Ende der 80er-Jahre die unmittelbare Ausführung gesetzlich normiert worden ist, bedarf es nicht mehr der höchst problematischen Rechtsprechung, die unter Verstoß gegen das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes von der ungeschriebenen Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung ausgegangen war, vgl. 527

140

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

liehe Handlung ohne vorherige Einschaltung des Verantwortlichen selbst vorzunehmen (unmittelbare Ausführung, § 8 Abs. 1 bwPolG, § 5a MEPolG) bzw. die Ersatzvornahme ohne vorausgehenden Verwaltungsakt anzuwenden (Sofortvollzug, § 28 Abs. 2 MEPolG). Inhaltlich decken sich beide Rechtsinstitute weitgehend. Das baden-württembergische Landesrecht enthält keine Regelung des Sofortvollzugs, so daß sich Probleme der Abgrenzung dieses Rechtsinstituts von dem der unmittelbaren Ausführung (§ 8 bwPolG) nicht ergeben530. Wenn im folgenden die Zulässigkeit eines Handelns in unmittelbarer Ausführung thematisiert wird, gilt das Gesagte auch für den Sofortvollzug. Straßenrechtliche Maßnahmen können gemäß §§ 16 Abs. 8 S. 2, 42 S. 2 bwStrG unmittelbar ausgeführt werden531. II. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der unmittelbaren Ausführung § 8 Abs. 1 bwPolG stellt keine eigenständige Eingriffsbefugnis dar. Die Vorschrift ergänzt die polizeirechtliche Generalklausel, indem sie die Polizei zur unmittelbaren Ausführung der normalerweise durch Verwaltungsakt anzuordnenden Handlung ermächtigt. Die Befugnis zur unmittelbaren Ausführung setzt voraus, daß der Verantwortliche durch Polizeiverfügung rechtmäßig in Anspruch genommen werden könnte, wenn er erreichbar und zur Gefahrenabwehr imstande wäre532. Insbesondere muß von dem abzuschleppenden Fahrzeug eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die unmittelbare Ausführung ist weiter nur dann zulässig, wenn „der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§6 und 7 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann" (§ 8 Abs. 1 S. 1 bwPolG). Die Polizei ist grundsätzlich darauf verwiesen, eine Gefahr durch den Erlaß oder die Vollstreckung einer Verfügung gegen einen Verantwortlichen abzuwehren. Nur wenn diese Vorgehensweise zur rechtzeitigen Abwehr der Gefahr untauglich ist, kann die Polizei die erforderliche Gefahrenabwehrhandlung selbst vornehmen. Die Frage der Erreichbarkeit des Verantwortlichen soll als Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes erst an späterer Stelle im z. B. VG Frankfürt, DVBl. 1965, 779; VGH Kassel, VerkMitt 1978, 8; zutreffend hingegen VG Kassel, NVwZ 1985, 212; VGH Kassel, NVwZ 1987, 904. Zur Abgrenzung von unmittelbarer Ausführung und Sofortvollzug siehe Götz, Rn. 417 ff.; Hiltl, S. 110 ff.; Leinius, S. 91 ff.; Maurer, § 20, Rn. 25; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 304; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 25, 7 b (S. 441 f.). 531 Lorenz, § 16, Rn. 73 und § 42, Rn. 19; mißverständlich Gerhardt, StraßenG BW, § 42^ Rn. 5: es handele sich um einen besonders geregelten Fall der Ersatzvornahme. Siehe ζ. B. Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 196; Götz, Rn. 421; Knemeyer, Rn. 266; Maurer, § 20, Rn. 25; Mußmann, Rn. 344; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 307; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 510.

4. Abschn. : Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

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Rahmen der Darstellung der Verhältnismäßigkeit von Abschleppmaßnahmen vertieft werden533. III. Das Verhältnis von unmittelbarer Ausführung und der Vollstreckung straßenverkehrsrechtlicher Wegfahrgebote 1. Der Standpunkt der herrschenden Meinung a) Vorrangige Vollstreckung von Wegfahrgeboten Die h. M. hält die unmittelbare Ausführung in Verbindung mit der polizeirechtlichen Generalklausel für grundsätzlich unanwendbar, wenn das Abstellen eines Fahrzeugs gegen ein durch Verkehrszeichen ausgesprochenes Wegfahrgebot verstößt34. Soweit sie eine Begründung geben, stellen die Vertreter der h. M. darauf ab, daß mit dem sofort vollziehbaren Wegfahrgebot ein Verwaltungsakt bestehe, der im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt werden könne. Auf diese Weise könne der „polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in §§ 6 und 7 bezeichneten Personen" (§ 8 Abs. 1 bwPolG) erreicht werden, so daß eine unmittelbare Ausführung nicht statthaft sei535. b) Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung bei fehlender Bekanntgabe von Wegfahrgeboten Ausgehend von dem Erfordernis einer individuellen Bekanntgabe von Verkehrsregelungen wird ein Handeln in unmittelbarer Ausführung aber dann zugelassen, wenn eine Vollstreckung nicht erfolgen kann, weil ein Verkehrszeichen überhaupt nicht existierte oder mangels Bekanntgabe nicht wirksam

533

Siehe S. 207 ff. Siehe ζ. B. VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); NJW 1990. 2270 (2271); NZV 1990, 286 (287); NJW 1991, 1698; DVBl. 1991, 1370; NJW 1992, 2442; VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 28; ZfS 1993, 359; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; DÖV 1995, 783; OVG Bremen, DAR 1977, 276 (277 f.); DAR 1985, 127; OVG Koblenz, DÖV 1986, 37 (38); NVwZ-RR 1989, 299 (300); Belz/Mußmann, § 49, Rn. 51; Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 133; Dienelt, NVwZ 1994, 664 (666); FunkeKaiser, VB1.BW 1990, 260 (261); Gril, VB1.BW 1997, 153; Huppertz, Rn. 0221; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (313); Mayer, in: Polizei-Handbuch, S. 98; Meixner, § 8, Rn. 3; Mußmann, Rn. 345; Reichert/Ruder, Rn. 353; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 112, 309; Schwab, VD 1992, 57 (59); Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 535 OVG Koblenz, DÖV 1986, 37 (38); NVwZ-RR 1989, 299 (300); Gril, VB1.BW 1997, 153; Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (313). 534

142

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

wurde536. Für die Zulässigkeit einer unmittelbaren Ausführung ist nach dieser Auffassung maßgeblich, ob eine Vollstreckung gerade gegenüber der in Anspruch genommenen Person möglich ist. Werde unter Verstoß gegen ein Haltverbotszeichen geparkt, dann werde das darin verkörperte Wegfahrgebot zwar gegenüber dem Fahrer, nicht aber gegenüber dem nicht anwesenden Halter oder Eigentümer des Fahrzeugs bekanntgegeben. Da dem Halter oder Eigentümer gegenüber das Wegfahrgebot nicht wirksam geworden sei, komme eine Vollstreckung des Wegfahrgebots im Wege der Ersatzvornahme nicht in Betracht, so daß sich das Abschleppen als unmittelbare Ausführung darstelle537. Funke-Kaiser und Schwabe haben sich gegen diese Auffassung gewandt und die Meinung vertreten, es sei nicht möglich, den Halter als Kostenschuldner einer unmittelbaren Ausführung in Anspruch zu nehmen, wenn dem Fahrer gegenüber ein Wegfahrgebot wirksam geworden sei. Die Befugnis zur unmittelbaren Ausführung sei nämlich zu verneinen, weil die Polizei eine Maßnahme gegen den Fahrer als Verhaltensverantwortlichen treffen könne, indem sie das durch ein Verkehrszeichen bekanntgegebene Wegfahrgebot im Wege der Er538

satzvornahme vollstrecke Diese Auffassung, die die Subsidiaritätsklausel des § 8 Abs. 1 bwPolG auf alle in Betracht kommenden Störer beziehen will und nicht nur auf denjenigen Störer, gegen den im Wege der unmittelbaren Ausführung vorgegangen werden soll, widerspricht der Ratio des § 8 Abs. 1 bwPolG539. Der Regelung, daß eine unmittelbare Ausführung nur dann zulässig ist, wenn die Verantwortlichen nicht zur Gefahrenabwehr herangezogen werden können (§ 8 Abs. 1 bwPolG), liegt die Erwägung zugrunde, daß in aller Regel der Verantwortliche auf einfachere und kostengünstigere Weise die bestehende Gefahr abzuwehren vermag. Als Konkretisierung des Erforderlichkeitsgrundsatzes gebietet sie deshalb, vorrangig demjenigen, der in Anspruch genommen wird, die Möglichkeit der Gefahrenabwehr zu eröffnen 540. Bezöge man die Subsidiaritätsklausel nicht nur auf denjenigen, demgegenüber in unmittelbarer Ausführung gehandelt wird, sondern auch auf andere

536

VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 112; Dienelt, NVwZ 1994, 664 (667); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. Siehe hierzu S. 232 ff. 537 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150); OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; ebenso Huppertz, Rn. 0223; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 112, Fn. 229; TünnessenHarmes, Jura 1992, 45 (50 f.); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486. 538 Funke-Kaiser, VB1.BW 1990, 260 (261); Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630); vgl. auch Dienelt, NVwZ 1994, 664 (666). Gersdorf, NVwZ 1995, 1086 (1087); weniger deutlich Wolf/Stephan, § 8, Rn. 9; kritisch Gril, VB1.BW 1997, 153 (156 f.). 540 Vgl. Leinius, S. 166 ff.; vgl. auch (allgemeiner) Gaul, VB1.BW 1996, 1.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

143

Verantwortliche, dann könnte die Polizei, wenn auch nur einer der Verantwortlichen erreichbar wäre, allein diesen in Anspruch nehmen und auch nur diesem die Kosten der Ersatzvornahme auferlegen. Auf diese Weise würden etwa in Umweltschadensfällen die zunächst unbekannten, aber nach der Gefahrenabwehr ermittelbaren Schadensverursacher von einer Kostentragung befreit werden, wenn es der Polizei gelänge, zumindest einen Verantwortlichen durch Polizeiverfügung in Anspruch zu nehmen. Schiede hingegen eine polizeiliche Primärmaßnahme gegen jeden der Verantwortlichen aus, dann könnten alle Verantwortlichen als Kostenschuldner einer unmittelbaren Ausführung angesehen werden. Ein solches Ergebnis entbehrte jeder sachlichen Rechtfertigung, ja es wäre geradezu grotesk. Die Kostenbelastung hinge letztlich vom Zufall ab und würde zu Lasten desjenigen ausfallen, der sich dem polizeilichen Zugriff nicht rechtzeitig entziehen könnte541. In den Fällen, in denen die Gefahr durch Polizeiverfügung gegen einen von mehreren Verantwortlichen abgewehrt werden kann, ist die Anwendung der Vorschriften über die unmittelbarer Ausführung deshalb nicht nur zulässig, sondern aufgrund der Pflicht zur gerechten Lastenverteilung und letztlich durch Art. 3 Abs. 1 GG sogar geboten54 . Folglich kommt der von Schwabe und Funke-Kaiser postulierte Vorrang des gestreckten Vollstreckungsverfahrens jedenfalls in den Fällen nicht in Betracht, in denen der von der unmittelbare Ausführung betroffene Polizeipflichtige nicht Vollstreckungsschuldner ist543. Gegenüber dem Halter, der sein Fahrzeug nicht selbst gefahren ist, stellt sich das Abschleppen also als unmittelbare Ausführung dar. c) Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung wegen fehlender Vollstreckungszuständigkeit Die meisten Stellungnahmen gehen davon aus, daß aus der Wirksamkeit einer Verkehrsregelung stets die Unzulässigkeit der unmittelbaren Ausführung folge. Das ist jedoch allenfalls dann zutreffend, wenn nach Maßgabe des Landesrechts die handelnden Polizeibeamten eine Vollstreckungsmaßnahme in zulässiger Weise vornehmen können. In Baden-Württemberg ist der Polizeivollzugsdienst zur Vollstreckung der durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen straßenverkehrsbehördlichen Wegfahrgebote nicht zuständig544. Da eine Vollstreckung mangels Zuständigkeit rechtswidrig wäre, kann der Polizeivollzugsdienst gegen die Verantwortlichen

541

Gersdorf, NVwZ 1995, 1086(1087). Giesberts, S. 226; zustimmend Würtenberger/Heckmann/Riggert, 543 So ausdrücklich VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150). Siehe ausführlich S. 130 ff. 542

Rn. 516.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

keine Maßnahmen ergreifen, so daß die Zulässigkeit einer unmittelbaren Ausführung sowohl dem Fahrer wie auch dem Halter oder Eigentümer gegenüber nicht verneint werden kann545. Auch das OVG Münster hat in dem vergleichbaren Fall, daß ein durch Verkehrszeichen angeordnetes Wegfahrgebot mangels Androhung (anders nach den §§20, 21 bwVwVG) nicht vollstreckt werden kann, ein Handeln im sofortigen Vollzug für zulässig erachtet546. Entsprechendes gilt, wenn das Landesrecht zwingend eine Festsetzung des Zwangsmittels Ersatzvornahme vorsieht547. Die Zulässigkeit einer unmittelbaren Ausführung oder einer Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug folgt in diesen Fällen aus der Ratio der betreffenden Vorschriften. Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 bwPolG ist es, der Polizei dann den Weg zu Gefahrenabwehrmaßnahmen zu eröffnen, wenn die Verantwortlichen zur Gefahrenabwehr nicht herangezogen werden können. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn die Verantwortlichen nicht rechtzeitig ermittelbar oder aus tatsächlichen Gründen zur Gefahrenabwehr nicht in der Lage sind, sondern in gleicher Weise dann, wenn eine bereits ergangene Gefahrenabwehrverfügung nicht in der gebotenen Eile durchgesetzt werden kann. Wenn also die Vorschriften über die unmittelbare Ausführung und den sofortigen Vollzug aus Effektivitätsgründen ein Handeln der Polizei ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt zulassen, dann muß dies erst recht dann gelten, wenn zwar ein Verwaltungsakt bereits ergangen ist, dieser aber nicht rechtzeitig oder nicht rechtmäßig durchgesetzt werden kann548. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung eine Vollstrekkungszuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes aus dessen straßenverkehrsrechtlicher Eilkompetenz (§ 44 Abs. 2 S. 2 StVO) ableiten wollte, bliebe die Möglichkeit eines Handelns in unmittelbarer Ausführung erhalten. Da die Eilzuständigkeit nur vorläufige Maßnahmen erfaßt, gewährleistet die Befugnis zur unmittelbaren Ausführung effektivere Gefahrenabwehr. Wie Dienelt zutreffend dargelegt hat, widerspricht es aber „dem Sinn und Zweck des Selbsteintritts,

545

(261V

Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287; wohl auch Funke-Kaiser,

VB1.BW 1990, 260

OVG Münster, NJW 1982, 2277; ebenso Fehn, VR 1988, 167 (168); Grünning/Möller, VR 1984, 156 (158); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11, 2 c α (S. 168 Fn. 83). Janssen, JA 1996, 165 (170 mit Fn. 55). 548 Vgl. OVG Münster, NJW 1982, 2277; Fehn, VR 1988, 167 (168); Grünning/Möller, VR 1984, 156 (158); Hormann, S. 193; Janssen, JA 1996, 165 (170 mit Fn. 55); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11, 2 c α (S. 168, Fn. 83); Maurer, § 20, Rn. 27; Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 287.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

145

wenn infolge der Zulässigkeit der Zuständigkeitsverschiebung effektivere Eingriffsmöglichkeiten nicht zum Zuge kommen"549. 2. Vorrang des Regelvollstreckungsverfahrens Abschleppen wegen Haltverbotsverstößen?

beim

a) Subsidiarität der unmittelbaren Ausführung nur gegenüber milderen Maßnahmen Die bisherige Darstellung hat den Standpunkt der herrschenden Meinung zugrundegelegt. Ungeachtet dessen, daß sich bereits nach der h. M. die Unzulässigkeit einer unmittelbaren Ausführung zumindest in Baden-Württemberg nicht dartun läßt, weil eine Vollstreckung mangels Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes nicht durchgeführt werden kann, ist kritisch zu hinterfragen, ob überhaupt die Prämisse der h. M. - Vorrang des Regelvollstreckungsverfahrens - zutreffend ist. Die Problematik soll anhand der folgenden Beispiele veranschaulicht werden: Beispiel 1: F stellt sein Fahrzeug auf dem Gehweg ab und begibt sich in eine in unmittelbarer Nähe gelegene Gaststätte. Dabei wird er von dem Polizeivollzugsbeamten Ρ gesehen, der F in die Gaststätte folgt und ihn auffordert, das Fahrzeug sofort wegzufahren, andernfalls werde es abgeschleppt. F weigert sich beharrlich. Daraufhin veranlaßt Ρ das Abschleppen des Kfz. Beispiel 2: F parkt im Geltungsbereich eines Haltverbotszeichens (Zeichen 283) und entfernt sich. Nach einer Stunde erscheint P. Da der Aufenthalt des F auch durch Nachfragen in nahe gelegenen Geschäften nicht ermittelt werden kann, läßt Ρ das Fahrzeug abschleppen. Im ersten Beispiel kann der polizeiliche Zweck (Beendigung des Verstoßes gegen § 12 Abs. 4 S. 1 StVO) durch eine Maßnahme gegen F als Verhaltensverantwortlichen erreicht werden. Da dieser anwesend und zur Gefahrenabwehr in der Lage ist, kann Ρ mündlich ein Wegfahrgebot aussprechen. Eine unmittelbare Ausführung, also das sofortige Abschleppenlassen, wäre unzulässig, weil F durch das polizeiliche Wegfahrgebot die Möglichkeit eröffnet werden kann, sich die mit dem Abschleppen verbundenen Nachteile zu ersparen. Es muß somit im Wege der Ersatzvornahme abgeschleppt werden, weil im Zeitpunkt der Gefahrenabwehr der Erlaß eines Verwaltungsakts gegen F die mildest mögliche unter den zur Gefahrenabwehr geeigneten polizeilichen Handlungen ist. Ganz anders ist jedoch der zweite Beispielsfall zu beurteilen:

549

Dienelt, NVwZ 1994, 664 (667).

10 Schieferdecker

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Soweit Ρ nach Landesrecht zur Vollstreckung des Wegfahrgebots zuständig ist und auch auf eine Androhung oder Festsetzung des Zwangsmittels verzichtet werden kann, wäre nach h. M. die unmittelbare Ausführung nicht zulässig. Zwar bestünde dann in der Tat die Möglichkeit, das verkehrsrechtliche Wegfahrgebot im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken. Anders als im Beispiel 1 ist der von der h. M. befürwortete Ausschluß der unmittelbaren Ausführung jedoch nicht von der Subsidiaritätsklausel des § 8 Abs. 1 bwPolG gedeckt. Es wurde bereits mehrfach auf den Sinn und Zweck dieser Subsidiaritätsklausel hingewiesen: Sie ist keine besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung allein der unmittelbaren Ausführung, sondern Konkretisierung des für alle polizeilichen Maßnahmen geltenden Erforderlichkeitsgrundsatzes. Ein Handeln in unmittelbarer Ausführung ist deshalb nur dann zulässig, wenn die bestehende Gefahr nicht auf mildere, also den Verantwortlichen weniger belastende Art und Weise abgewehrt werden kann. Für den Verantwortlichen weniger belastend sind stets solche Maßnahmen, die ihm die Möglichkeit verschaffen, die Gefahr durch eigenes Handeln abzuwehren. Dies zeigt sich gerade in den Abschleppfällen: Ist im ersten Beispielsfall der Fahrer anwesend, kann Ρ ein Wegfahrgebot mündlich aussprechen. Beseitigt F die Gefahr, indem er sein Kfz wegfährt, erleidet er durch die polizeiliche Maßnahme keine finanziellen Nachteile. Ließe die Polizei das Fahrzeug (im Wege unmittelbarer Ausführung) durch einen Abschleppunternehmer entfernen, entstünden dem Verantwortlichen nicht unerhebliche Kosten. Ein solches Vorgehen wäre nicht erforderlich und unzulässig, weil dem Verantwortlichen die Kostenfolgen beim Erlaß eines mündlichen Wegfahrgebots erspart blieben bzw. ihm die Möglichkeit kostensparenden Eigenhandelns eröffnet würde. Die Möglichkeit einer milderen Maßnahme ist jedoch dann nicht gegeben, wenn im Zeitpunkt der Gefahrenabwehr der Betroffene nicht erreichbar ist. Ob gegenüber dem Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verwaltungsakt ergangen ist, ist für die Erforderlichkeitsprüfung unerheblich. Denn der Verantwortliche wird nicht nur bei einem Handeln in unmittelbarer Ausführung, sondern auch bei Vollstreckung dieses Verwaltungsakts mit Kosten belastet. Im Zeitpunkt des polizeilichen Tätigwerdens besteht überhaupt keine Möglichkeit, dem Verantwortlichen durch Erlaß eines Verwaltungsakts die wesentlich weniger belastende Selbstausführung der gebotenen Handlung zu gestatten. Da eine mildere Maßnahme somit nicht möglich ist, kann auch die unmittelbare Ausführung nicht ausgeschlossen sein. Es stehen also im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens zwei gleichermaßen geeignete und den Verantwortlichen in gleichem Maße belastende Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Damit ist § 8 Abs. 1 bwPolG wie folgt zu präzisieren: Die unmittelbare Ausführung ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch den Erlaß eines

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

147

Verwaltungsaktes gegenüber einem Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann550. Auf den hier vertretenen Standpunkt hat sich im Anschluß an eine Erlaßregelung des hessischen Innenministeriums551 neuerdings auch der VGH Kassel gestellt, der das Abschleppen von Kraftfahrzeugen nur noch dann als Ersatzvornahme ansehen will, wenn ein Verantwortlicher zwar angetroffen werde, aber nicht bereit sei, die Störung zu beseitigen552. Im Ergebnis zutreffend, aber offenbar mehr intuitiv, haben in der Vergangenheit bereits mehrere Gerichtsentscheidungen bei der Beendigung von Verstößen gegen Haltverbotszeichen eine unmittelbare Ausführung bzw. einen sofortigen Vollzug auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel angenommen und nicht etwa eine Ersatzvornahme zur Vollstreckung des durch Verkehrszeichen angeordneten Wegfahrgebots 553. In den meisten Entscheidungen wird die Frage der Zulässigkeit einer unmittelbaren Ausführung oder eines sofortigen Vollzugs bei einem Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Wegfahrgebote nicht problematisiert. Teilweise wird jedoch ausdrücklich von einer Gleichrangigkeit von Ersatzvornahme (des Wegfahrgebots) und unmittelbarer Ausführung ausgegangen554. Diese Einschätzung tritt auch dort zutage, wo die Gerichte die Möglichkeit einer Ersatzvornahme deshalb nicht in Betracht ziehen, weil sie prinzipiell von der Anwendbarkeit der Sicherstellungsnormen ausgehen, sich aber letztlich einer solchen Festlegung mit dem Hinweis darauf entziehen, daß Abschleppmaßnahme und Kostenerstattungspflicht in gleicher Weise durch ein auf die Generalklausel gestütztes Handeln in unmittelbarer Ausführung gerechtfertigt werden könnten555. Befürwortet man eine Sicherstellung, stellt sich die Frage des Verhältnisses zu verkehrsrechtlichen Wegfahrgeboten ohnehin nicht, da die Sicherstellung einen über die Durchsetzung der Verkehrsregelung hinausgehenden Zweck verfolgt und deshalb unabhängig von der Vollstreck550

Ebenfalls für unmittelbare Ausführung Funke-Kaiser, VB1.BW 1990, 260 (261). Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern vom 15.2.1989 (StAnz S. 644), Nr. 3 und 7 (zitiert nach VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29). 552 VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29; NJW 1995, 2123; DÖV 1997, 466 (467); abweichend für den Fall, daß die Ordnungsbehörde tätig wird, VG Gießen, ZfS 1996, 39. 553 Verstöße gegen Zeichen 283: OVG Lüneburg, VRS 58, 233 (234); OVG Saarlouis, vom 14.8.1990 - 1 R 184/88 -; VG München, DAR 1990, 193; VGH München, BayVBl. 1991, 433 (434) und NZV 1992, 207; OVG Münster, NJW 1990, 2835 und DAR 1995, 377; VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29. Verstoß gegen Zeichen 245: VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1198). Verstoß gegen Zeichen 241: OVG Münster, NJW 1982, 2277. 554 VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193); wohl auch VGH München, BayVBl. 1991, 433 (434) und NZV 1992, 207. 55 So beispielsweise OVG Münster, NJW 1990, 2835; DAR 1995, 377; VerkMitt 1996, 63; VR 1996, 105; VGH München, NVwZ 1987, 912; BayVBl. 1987, 119 (120); BayVBl. 1989, 116; BayVBl. 1990,435.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

barkeit eines Wegfahrgebots statthaft ist556. Implizit sprechen sich ferner all diejenigen Gerichte und Autoren gegen einen Vorrang des Vollstreckungsverfahrens aus, die zwischen Abschleppen (Transport zu einem Verwahrungsgelände) und Umsetzen oder Versetzen (Verbringen auf einen nahgelegenen Parkplatz) unterscheiden und ersteres als Sicherstellung, letzteres als auf die Generalklausel gestützte unmittelbare Ausführung qualifizieren 557. Denn in Konsequenz der h. M. müßte das Versetzen als Ersatzvornahme des Verkehrs558

rechtlichen Wegfahrgebots angesehen werden . b) Keine Spezialität des Straßenverkehrsrechts Ein polizeiliches Handeln in unmittelbarer Ausführung wäre auch dann ausgeschlossen, wenn den straßenverkehrsrechtlichen Handlungsbefugnissen kraft Spezialität oder aus kompetenzrechtlichen Gründen Vorrang gegenüber polizeirechtlichen Maßnahmen zukommen würde559.

Zwar ist die StVO als bereichsspezifische Sonderregelung des Gefahrenabwehrrechts anzusehen. Die straßenverkehrsrechtliche Ermächtigung zum Erlaß von Halt- oder Parkverboten (§ 45 Abs. 1 StVO) stellt jedoch keine abschließende Spezialregelung dar. Landesrechtliche Regelungen werden im wesentlichen lediglich insoweit verdrängt (Art. 72 Abs. 1, 74 Nr. 22 GG), als es um die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs durch verkehrsregelnde Weisungen (§§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO) oder durch Aufstellung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtu (§ 45 Abs. 4 S. 1. Halbsatz StVO) geht. Daraus, daß den Straßenverkehrsbehörden nur dieses Regelungsinstrumentarium zusteht, ergibt sich zugleich, daß Gefahrenabwehrmaßnahmen in anderer Weise nicht ausgeschlossen sind. Das Straßenverkehrsrecht regelt lediglich die an den Straßenverkehr zu stellenden Anforderungen abschließend. Hinsichtlich der Durchsetzung dieser Pflichten ist es in weiten Teilen unvollständig und geradezu auf Ergänzung durch das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht angelegt. Es ist Aufgabe der Polizei und nicht der Straßenverkehrsbehörden, konkrete Gefahren im Einzelfall abzuwehren560. Anderes wäre auch mit der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung nicht vereinbar561. Soweit die StVO wie in § 44 Abs. 2 StVO Befugnisse

556

Vgl. Götz, Rn. 424 (Ein solcher Zweck wird beim Abschleppen von Kfz freilich nur ausnahmsweise verfolgt, siehe zur Sicherstellung S. 89 ff.). 557 So ζ. B. VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); weitere Nachweise auf S. 94. 558

5 5 9 Konsequent

im Sinne der herrschenden Meinung Schenke, in: Steiner, II, Rn. 113. So wohl Wolf/Stephan, § 8, Rn. 9. Vgl. Hilse, in: Lisken/Denninger, G, Rn. 87. 561 Das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (vgl. Art. 70 Abs. 1 GG). 560

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

149

polizeirechtlichen Charakters vorsieht, können diese allenfalls auf eine Annexkompetenz gestützt werden. Sie sind daher restriktiv auszulegen562 und vermögen der ergänzenden Anwendung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts nicht entgegenzustehen. c) Keine unzulässigen Doppelzuständigkeiten Gegen die hier vertretene Auffassung, derzufolge sich das Abschleppen verbotswidrig geparkter Fahrzeuge sowohl dem Fahrer als auch dem Halter gegenüber als unmittelbare Ausführung eines auf die Generalklausel gestützten Wegfahrgebots darstellt, könnte eingewendet werden, daß zwei staatliche Behörden nicht gleichzeitig einen bestimmten Sachverhalt regeln dürften. In der Tat wäre es rechtsstaatlich nicht hinnehmbar, wenn ein Bürger in Bezug auf einen Sachverhalt zwei Verwaltungakte unterschiedlicher Behörden mit eventuell unterschiedlichem Inhalt zu befolgen hätte. Bei der hier vertretenen Auffassung tritt eine solche Regelungsverdoppelung und die damit verbundene Rechtsunsicherheit jedoch nicht auf. Das ergibt sich schon daraus, daß die unmittelbare Ausführung mangels Bekanntgabe keine Regelung äußern und somit keinen Verwaltungsakt darstellen kann563. Auch die nachträgliche Benachrichtigung des Betroffenen vermag nicht die Wirksamkeit eines solchen Verwaltungsakts herbeizuführen 564, da sich die reale Gefahrenabwehrhandlung mit ihrer Durchführung erledigt hat und somit keiner weiteren und erst recht keiner rückwirkenden Regelung mehr zugänglich ist565. Zudem erscheint es konstruiert und lebensfremd, in das tatsächliche Handeln der Polizei einen Regelungswillen hineinzudeuten. Der Fiktion eines Verwaltungsaktes aus Rechtsschutzgründen wie in § 44 Abs. 1 S. 2 PrPVG bedarf es heute wegen Art. 19 Abs. 4 GG und § 40 VwGO ohnehin nicht mehr566. Daß es sich bei der unmittelbaren Ausführung nicht um eine 562

Zur restriktiven Bestimmung des Begriffs der „Weisung" in §§36 Abs. 1, 44 Abs. 5632 1 StVO siehe S. 61 ff. Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 134; Gaul, VB1.BW 1996, 1 (2); Götz, Rn. 422; Hormann, S. 155, 168; Kästner, JuS 1994, 361 (364); Leinius, S. 122 ff., 141; Maurer, § 20, Rn. 26; Mußmann, Rn. 340; Reichert/Ruder, Rn. 352; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 306; Würtenberger, Rn. 279; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 507, 509; a. A. die ältere Lehre von der „zusammengesetzten Verfügung", siehe die Nachweise bei Hormann, S. 148 f. und Gaul, VB1.BW 1996, 1 (2, Fn. 9). 564 So aber OVG Münster, DVBl. 1973, 924 (925 ff.); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 2; Wolff/Bachof, VerwR III, § 160, Rn. 14; dagegen Hormann, S. 166 ff.; Maurer, § 20, Rn. 26; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 306; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 507. Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 134; Hormann, S. 166; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 507. 566 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 307; auch Maurer, § 20, Rn. 26.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Verfügung, sondern um einen Realakt handelt, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß § 8 Abs. 1 bwPolG ja gerade die Fälle betrifft, in denen eine Regelung zur Gefahrenabwehr nicht ergehen kann oder nicht erfolgsversprechend ist. Selbst wenn man in der unmittelbaren Ausführung eine Maßnahme mit Regelungscharakter sehen wollte, bestünde die Gefahr voneinander abweichender und widersprüchlicher Anordnungen nicht, weil die Polizei die gefahrenabwehrende Handlung selbst vornimmt, so daß sich der Verantwortliche überhaupt nicht zwei verschiedenen Handlungsgeboten ausgesetzt sehen kann. Eine Konkurrenz könnte sich deshalb allenfalls bei der tatsächlichen Ausführung ergeben, nämlich dann, wenn einerseits ein Bediensteter der Straßenverkehrsbehörde eine Ersatzvornahme zur Vollstreckung des durch Verkehrszeichen angeordneten Wegfahrgebots und andererseits ein Polizeivollzugsbeamter eine unmittelbare Ausführung einleiten wollte. Hieraus auf die Unzulässigkeit der unmittelbaren Ausführung schließen zu wollen, wäre jedoch verfehlt. Auch im Beispiel 1 könnte es sich ergeben, daß sowohl gemeindliche Vollzugsbedienstete (sofern ihnen polizeiliche Aufgaben übertragen wurden) als auch Polizeivollzugsbeamte eine Abschleppmaßnahme einleiten wollen. Überschneiden sich in einem solchen Fall die gesetzlich geregelten Zuständigkeitsbereiche und kann auch keine gemeinsame höhere Behörde den Konflikt klären, dann sollten die betreffenden Behörden eine Vereinbarung über die Wahrnehmung und die Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten treffen 567. 3. Fazit Abschleppmaßnahmen des Polizeivollzugsdienstes können ungeachtet dessen, ob das Abstellen gegen Verkehrszeichen oder Verbotsnormen verstößt, als unmittelbare Ausführung qualifiziert werden. Das ergibt sich nicht nur dann, wenn gegenüber dem in Anspruch genommenen Verantwortlichen eine Vollstreckung mangels wirksamer Grundverfügung, mangels Androhung, Festsetzung oder wie in Baden-Württemberg mangels Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes nicht möglich ist, sondern immer dann, wenn im Zeitpunkt des polizeilichen Handelns die Gefahr oder Störung nicht durch den Erlaß eines Entfernungsgebots, sondern nur durch tatsächliches Entfernen des Kfz abgewehrt werden kann. Es besteht somit kein Vorrang des Regelvollstreckungsverfahrens gegenüber der unmittelbaren Ausführung, sondern ein Vorrang des milderen Mittels, der sprachlichen vor der physischen Gewalt568.

567 568

Instruktiv hierzu OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468. Vgl. Kirchhoff, in: Isensee/Kirchhoff, § 59, Rn. 171.

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

151

Sind alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben, kann die Polizei oder der gemeindliche Vollzugsdienst569 sowohl im Wege der Ersatzvornahme als auch im Wege der unmittelbaren Ausführung tätig werden570. C. Durchführung einer Sicherstellung Sofern ausnahmsweise ein Fahrzeug sichergestellt werden kann571, stellt sich die Frage, wie sich die Ausführung der Sicherstellungsmaßnahme rechtlich qualifizieren läßt. Eine Reihe von Autoren sind der Auffassung, daß die Sicherstellung einer Sache reales Verwaltungshandeln ohne Regelungsgehalt sei572. Die Vertreter dieser Ansicht konzedieren zwar, daß bei Anwesenheit eines Gewahrsamsinhabers der Inbesitznahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Sicherstellungsanordnung vorauszugehen habe573, die als Duldungsgebot574 oder Herausgabeverfügung 7 5 zu deuten sei und bei Widerstand des Betroffenen durch unmittelbaren Zwang vollstreckt werden könne576. Bei Abwesenheit des Gewahrsamsinhabers bedürfe es jedoch einer solchen Verfügung nicht. Denn die

569 Unter der Voraussetzung, daß die gemeindlichen Vollzugsbediensteten mit Vollzugsaufgaben der örtlichen Straßenverkehrsbehörde betraut und daß ihnen zugleich polizeiliche Befugnisse übertragen worden sind, vgl. S. 83 und S. 131. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein, vgl. hierzu VG Frankfurt, NVwZ-RR 1994, 90, das meinte der Beamte habe im Wege der Ersatzvornahme handeln wollen, und als Berufungsinstanz VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29: „spricht indessen alles dafür, daß der einschreitende Polizeibeamte nicht im Wege der Ersatzvornahme, sondern im Einklang mit den für seine Tätigkeit geltenden Verwaltungsvorschriften im Wege unmittelbarer Ausführung einer Maßnahme [...] hat vorgehen wollen". Siehe zu den Anwendungsfällen S. 109 ff. 57 2 Schwabe, NJW 1983, 369 (370); ebenso Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (289); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 12, 12 c (S. 216); Nagel, S. 31; Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 294; Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 422; Wagner, § 30, Rn. 26; für die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten auch Maurer, JuS 1981, 809 (812); vgl. auch OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (255). 57 3 Schwabe, NJW 1983, 369 (370); Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 294; Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 422; Wagner, § 30, Rn. 26; vgl. Maurer, JuS 1981, 809 (812). 57 4 Schwabe, NJW 1983, 369 (370); Nagel, S. 24; Wagner, § 30, Rn. 26; auch Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 294, der aber „ggf. auch eine Herausgabeverfügung" für möglich hält. 5 5 Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 12, 12 b (S. 216); Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 422. 57 6 Schwabe, NJW 1983, 369 (371); Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 422; allgemeiner Oldiges, in: Grimm/Papier, S. 294.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Polizei sei bereits aufgrund der Sicherstellungsbefugnis berechtigt, eine Sache an sich zu nehmen und sie an einen polizeilichen Verwahrort zu bringen577. Dieses Ergebnis belegt Schwabe mit dem Hinweis auf die Rechtsnatur anderer polizeilicher Standardmaßnahmen: Der reale Zugriff werde bei der Ingewahrsamnahme, beim Festhalten zur Identitätsprüfung und bei der Durchsuchung ebenfalls bereits durch die Eingriffsbefugnis mit umfaßt 578. Da der Betroffene bei den typischen Abschleppsituationen nicht anwesend ist, wäre das Abschleppen somit als Realakt zu qualifizieren, auf den weder die Vorschriften über die Vollstreckung, noch die über die unmittelbare Ausführung Anwendung finden würden. Die weitaus meisten Autoren sehen in der Sicherstellung einen Verwaltungsakt, der dem Betroffenen gebiete, die Sache an die Polizei herauszugeben. Meist wird gesagt, die Sicherstellung erfolge durch eine Herausgabeverfü579

580

gung oder durch ein Duldungsgebot . Einige Autoren sprechen von einer Sicherstellungsanordnung, die offensichtlich eine Herausgabepflicht des Betroffenen begründen soll 81 . Die Befugnis zur Wegnahme soll sich nicht unmittelbar aus der Sicherstellungsbefugnis ergeben, sondern aus den Vorschriften über den Verwaltungszwang582: Gebe der Betroffene die Sache nicht freiwillig heraus, könne die Verfügung durch unmittelbaren Zwang583 (Wegnahme gem. §§49 Abs. 2, 52 Abs. 4 bwPolG, 28 Abs. 1 bwVwVG) durchgesetzt werden. In Abwesenheit des Betroffenen stelle sich die Wegnahme als unmittelbare Ausführung oder sofortiger Vollzug dar 584.

57 7

Schwabe, NJW 1983, 369 (370). Schwabe, NJW 1983, 369 (371). 57 9 Gusy, Rn. 238; Habermehl, Rn. 635; Heise/Riegel, §21, Anm. 1; Hiltl, S. 56; Honnacker/Beinhofer, Art. 25, Anm. 3; König, S. 92; Meixner, § 40, Rn. 3; Mußmann, Rn. 248; Rasch, § 21, Rn. 5 und 8; G. Scholz, Polizeirecht, S. 134. 580 Ipsen, Rn. 386; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 205. 581 Götz, Rn. 309; Knemeyer, Rn. 174; Mayer, in: Polizei-Handbuch, S. 162; Prümm/Stubenrauch, § 22, Rn. 2; Schumann, S. 122; Würtenberger, Rn. 134; so auch § 32 Abs. 1 S. 1 und 2 AEPolG; Nr. 25.2 der bayVollzBek. Die Verwaltungsaktsqualität bejahen ferner Brandt/Schlabach, Rn. 136, 141; Reichert/Ruder, Rn. 628; Wolf/Stephan, § 32. Rn. 4; wohl auch Schleberger, S. 173; Tettinger, Rn. 274. 5 Vgl. Brandt/Schlabach, Rn. 141; Götz, Rn. 309; Gusy, Rn. 238; Habermehl, Rn. 635; Hiltl, S. 56; Ipsen, Rn. 386; Knemeyer, Rn. 177; König, S. 92; Meixner, § 40, Rn. 3; Prümm/Stubenrauch, § 22, Rn. 2; Rasch, § 21, Rn. 5; Schumann, S. 122. 583 Brandt/Schlabach, Rn. 141; Götz, Rn. 309; Habermehl, Rn. 635; Heise/Tegtmeyer, § 43, Rn. 1; Knemeyer, Rn. 177; König, S. 92; Rasch, § 21, Rn. 5; Schumann, S. 122. Götz, Rn. 278; Habermehl, Rn. 635; Hiltl, S. 56; König, S. 92; Meixner, § 40, Rn. 3; Möller/Wilhelm, S. 186; Prümm/Stubenrauch, § 22, Rn. 12; Wolf/Stephan, § 33, Rn. 10; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 206. 57 8

4. Abschn.: Die Durchführung von Abschleppmaßnahmen

153

Bedeutsame Unterschiede zwischen beiden Auffassungen ergeben sich allein bei Durchführung einer Sicherstellung in Abwesenheit des Gewalthabers. Die Frage, ob sich die Befugnis zur Ingewahrsamnahme eines Fahrzeugs in Abwesenheit des Betroffenen den Sicherstellungsvorschriften entnehmen läßt oder ob eine unmittelbare Ausführung vorliegt, ist in Baden-Württemberg unter Kostengesichtspunkten von besonderer Bedeutung und soll daher bis zur Erörterung der Kostenfrage offen bleiben585.

D. Der Umfang der Vollzugsmaßnahmen I. Entfernung und Abtransport von Fahrzeugen Besonders für die Frage der Kostenerstattung ist es wichtig, die Anfangs- und Endpunkte der unmittelbaren Ausführung und der Ersatzvornahme zu fixieren. Zur unmittelbaren Ausführung gehören alle von der Polizei oder ihrem Beauftragten vorgenommene Handlungen, die der Abwehr der Gefahr dienen. Der Ersatzvornahme sind alle Handlungen zuzurechnen, die unmittelbar der Durchsetzung der Grundverfügung (Entfernungsgebot) dienen586. Zur unmittelbaren Ausführung oder zur Ersatzvornahme gehört somit die Anfahrt des Beauftragten, das Aufnehmen oder Wegziehen des Fahrzeugs und auch der Transport zu einem geeigneten neuen Standort, beispielsweise zu einem Verwahrungsgelände587. II. Ausschluß nur mittelbarer Folgeakte aus dem Ersatzvornahmebegriff Teilweise ist der Versuch unternommen worden, auch an das eigentliche Abschleppen sich anschließende Folgeakte unter den Begriff der Ersatzvornahme zu subsumieren. So soll die Verwahrung der Ersatzvornahme zugehören, weil sie mit jener eine natürliche Einheit bilde und ein der Ersatzvornahme 588

„inhärentes Akzessorium" darstelle . In ähnlicher Weise hat das OVG Hamburg entschieden, daß eine Ersatzvornahme auch das Verbringen auf einen Parkplatz umfasse, so daß es sich bei den Parkplatzkosten um vom Kläger zu erstattende Kosten der Ersatzvornahme handele5 9 .

585

Siehe S. 254 ff. Vgl. Hoffmann, DÖV 1967, 296 (297). Siehe bereits oben S. 118 ff. 588 Daumann, DAR 1969, 317 (322). 589 OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VII 3/93 -, II 2 b der Entscheidungsgründe (insoweit in DAR 1994, 290 nicht abgedruckt). 586

154

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

Diesen Ansichten kann zugestimmt werden, soweit sie auch den Abtransport dem Begriff der Ersatzvornahme zuordnen. Ihnen ist darüberhinaus entschieden zu widersprechen. Denn nach dem Abstellen des Kfz ist - sofern es sich nicht ausnahmsweise um eine Sicherstellung (§21 MEPolG, §§32, 33 bwPolG) handelt - die Gefahr endgültig abgewehrt und eine weitere Aufrechterhaltung der Gefahrenabwehrmaßnahme unzulässig590. Parkplatz- oder Verwahrungskosten sind nicht unmittelbare Folge der dem Verantwortlichen zurechenbaren Störung der öffentlichen Sicherheit; sie resultieren aus einer an die unmittelbare Ausführung oder Ersatzvornahme sich anschließenden Handlung, 591

die die Polizei im Interesse des Betroffenen vornimmt . Zu Recht hat der VGH Kassel betont, daß es weder geboten noch sachgerecht sei, den Begriff der Ersatzvornahme derart weit zu verstehen, daß er auch beliebige Folgeakte der Vollstreckungshandlung erfaßt. Ansonsten bestünde die Gefahr einer uferlosen Ausweitung des Begriffs der Kosten der Ersatzvornahme592. Fünfter Abschnitt

Die Verwahrung A. Entstehung und Beendigung Das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis ist nach allgemeiner Ansicht ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis. Es soll auch ohne vertragliche Einigung oder vorausgehenden Verwaltungsakt zur Entstehung kommen, wenn die Verwaltung bewegliche Sachen Privater in Besitz nimmt59. Meist wird davon gesprochen, daß die Verwaltung eine Sache in Verfolgung staatlicher Belange594, in Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten oder Aufgaben595 oder

590

Vgl. Nagel, S. 55; vgl. auch Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (285). Siehe zur Privatnützigkeit der Verwahrung S. 159 ff., zu der Frage der Erstattung von Parkplatzkosten S. 267. 592 VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); vgl. Mußmann, Rn. 512. 593 BGH, JuS 1974, 191 (192); NJW 1990, 1230 (1231); VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VII 3/93 -, II.l. der Entscheidungsgründe (in DAR 1994, 290 nicht abgedruckt); AG Hamm, MDR 1978, 51 f.; Battis, Rn. 272; Erichsen, § 29, Rn. 4; Gaul, VB1.BW 1996, 1 (5); Hüffer, in: Münchener Kommentar, § 688, Rn. 59; Maurer, JuS 1981, 809 (812) und JuS 1994, 1015 (1017); Menger/Erichsen, VerwArch 57 (1966), 64 (73); Nagel, S. 56 und S. 110 f.; Ossenbühl, § 43, 1 b (S. 288); Reuter, in: Staudinger, vor §§ 688 ff., Rn. 48; Schwerdtfeger, Rn. 260; Straßberger, BayVBl. 1972, 36 (38). 594 RGZ 84, 338 (339); 115, 419 (421); 166, 218 (222); LG Köln, NJW 1965, 1440; OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VII 3/93 -, II.l. der Gründe; Menger/Erichsen, VerwArch 57 (1966), 64 (73); Merk, S. 1697. 591

5. Abschn.: Die Verwahrung

155

schlicht kraft öffentlichen Rechts596 in alleinigen Gewahrsam nehmen müsse. Ob damit alle Entstehungsvoraussetzungen eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses beschrieben sind, ist umstritten. Teilweise wird gesagt, durch die behördliche Inbesitznahme müsse die Privatperson daran gehindert sein, eigene Obhuts-, Fürsorge- oder Sicherungsmaßnahmen zu treffen 9 7 . Das darf jedoch nicht so verstanden werden, daß ein Verwahrungsverhältnis nur in den Fällen zur Entstehung komme, in denen die Sache wie bei der Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG: Beschlagnahme) dem Zugriff des Berechtigten entzogen werden soll598. Es kommt nicht darauf an, welchen Zweck die Behörde mit der Gewahrsamsbegründung verfolgt hat und aus welchem Grund der Berechtigte von eigenen Einwirkungen auf die Sache ausgeschlossen ist. Es ist unerheblich, ob der Entzug der tatsächlichen Sachherrschaft Ziel der polizeilichen Maßnahme (Verwahrung sichergestellter Kfz), ob der Verlust der Sachgewalt nur Nebenfolge einer Maßnahme anderer Zielrichtung (Verwahrung ordnungswidrig parkender Kfz) oder ob der Verlust unabhängig von einem Handeln der Polizei eingetreten war (Verwahrung aufgefundener gestohlener Kfz). Für das Zustandekommen eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses ist es auch ohne Bedeutung, ob die Behörde einen Besitzbegründungswillen oder eine Verwahrungsabsicht hat599. Der Grund für diese rein tatsächliche Betrachtungsweise liegt darin, daß die öffentlichrechtliche Verwahrung600 im Gegensatz zu ihrem zivilrechtlichen Vorbild ihre innere Rechtfertigung nicht in der privatautonomen Willensübereinstimmung der Parteien, sondern in der Schutzbedürftigkeit des von staatlichem Handeln betroffenen Bürgers hat. Dahinter steht die Erwägung, daß der Bürger nicht auf das als ungenügend empfundene Amtshaftungsrecht verwiesen sein soll, wenn 595

BGHZ4, 192 (193); Achterberg, § 21, Rn. 258; Nagel, S. 56. BGH, JuS 1974, 191 (192); Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 533; Erichsen, § 29, Rn. 4; Hüffer, in: Münchener Kommentar, § 688, Rn. 58; Reuter, in: Staudinger, vor §§ 688 ff., Rn. 48; Schwerdtfeger, Rn. 260. 597 Im Anschluß an BGH, JuS 1974, 191 und VersR 1975, 281: OLG Köln, NVwZ 1994, 619 f.; Gaul, VB1.BW 1996, 1 (5); Nagel, S. 110; Reuter, in: Staudinger, vor §§ 688 ff., Rn. 48; Thomas, in: Palandt, vor § 688, Rn. 7. 598 Maurer, JuS 1994, 1015 (1017 f.). 599 Büllesbach, S. 161 f.; Schwer dtfeger, Rn. 260; anders aber VGH Kassel, DÖV 1963, 389 f.; Stern, JuS 1965, 355 (357); OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VII 3/93 -, II.l. der Gründe. Daß die handelnden Beamten wissen müssen, daß sie die tatsächliche Gewalt über eine Sache inne haben, versteht sich von selbst und bedarf beim Abschleppen von Kfz keiner weiteren Problematisierung (vgl. Büllesbach, S. 160: „Allgemeiner Sachherrschaftswille"). Gemeint ist hier stets die öffentlichrechtliche Verwahrung privater Sachen durch staatliche Organe. Für andere Konstellationen (etwa die Verwahrung staatlicher Sachen durch den Bürger, siehe Büllesbach, S. 147 ff.) können andere Wertungen bestimmend sein. 596

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

die Verwaltung Sachen des Bürgers in Besitz hat. Angesichts dessen, daß das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis eine Zweckschöpfung der Judikatur ist, erscheint eine dogmatische Grundlegung dieser Rechtsfigur kaum möglich601. Am ehesten wird man die staatliche Verwahrungs- und Obhutspflicht noch als rechtsstaatliche Begrenzung der in Bezug auf die Sache ausgeübten Eingriffsbefugnisse fassen können. Maßgeblich für die Entstehung eines Verwahrungsverhältnisses ist deshalb auch nicht allein, daß die Verwaltung die tatsächliche Herrschaft über eine Sache ausübt602. Hinzukommen muß die mit einer nicht nur kurzfristigen Aufbewahrung der Sache verbundene Notwendigkeit und Möglichkeit staatlicher Obhutsmaßnahmen603. Deshalb entsteht ein Verwahrungsverhältnis weder bereits mit dem Aufnehmen eines Kfz auf ein Abschleppfahrzeug 604, noch mit dem Abstellen eines Fahrzeugs auf einem „gewöhnlichen" Parkplatz605. Während des Transports ist eine „Verwahrung" ausgeschlossen, da Schutz und Obhut weder notwendig noch möglich sind606. Notwendig sind Obhutsmaßnahmen ohnehin nicht, wenn ein Fahrzeug nur versetzt und dann wieder abgestellt wird. Erst bei einem längerfristigen Sachentzug stellt sich die Frage, ob staatliche Obhut geboten ist. Obhutsmaßnahmen kommen aber beim Abstellen auf einem sei es auch beaufsichtigten und kostenpflichtigen Parkplatz nicht in Betracht. Verwahrung beginnt folglich erst mit dem Abstellen auf einem hierzu bestimmten Gelände607, da „Aufbewahrung", Obhut und Fürsorge nur dort möglich sind, wo die personellen und sächlichen Mittel für Schutzvorkehrungen gegeben sind (ζ. B. Schutz vor dem Zugriff Unbefugter durch Abstellen auf einem umzäunten und bewachten Gelände, Schutz vor Unwetter durch Unterstellen in einer Fahrzeughalle, Schutz vor Frost durch Zugabe von Frostschutzmittel etc.). Das Verwahrungsverhältnis endet nicht bereits mit der Aufhebung einer Sicherstellung, sondern unabhängig von dem hoheitlichen Besitzbegründungsakt erst dann, wenn die Sache aus dem Gewahrsam der Polizei herausgegeben 601

Büllesbach, S. 66. So aber Büllesbach, S. 159. 603 Vgl. BGH, JuS 1974, 191; VersR 1975, 281; OLG Köln, NVwZ 1994, 619 f.; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 533; vgl. auch Maurer, JuS 1981,809 (812). 602

604

So wohl Gaul, VB1.BW 1996, 1 (6): das Verwahrungsverhältnis werde mit dem „Wegrücken" des Kfz begründet; vgl. auch OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (253). Ebenso mit anderer Begründung OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VIII 3/93 -, II 1 : keine Verwahrungsabsicht. Daß Verwahrung lediglich den Zeitraum der eigentlichen Aufbewahrung betrifft, wird deutlich, wenn die §§ 688, 697 BGB davon ausgehen, daß der Verwahrer weder zur Abholung, noch zum Rücktransport der Sache verpflichtet ist. 607 Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 430.

5. Abschn.: Die Verwahrung

157

wird, also in der Regel mit der Abholung des Fahrzeugs durch den Berechtigten608.

B. Die anwendbaren Vorschriften Vielfach findet sich in Rechtsprechung und Literatur die Aussage, die §§ 688 ff. BGB seien auf das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis entsprechend anwendbar609. Eine analoge Anwendung der privatrechtlichen Vorschriften kommt jedenfalls nicht in Betracht, soweit das öffentliche Recht Spezialregelungen bereithält610, was insbesondere für die Verwahrung sichergestellter Fahrzeuge der Fall ist611. In den nicht ausdrücklich öffentlichrechtlich geregelten Fallgestaltungen ist zu untersuchen, ob die §§ 688 ff. BGB im öffentlichen Recht zur Anwendung gebracht werden können. I. Zur Anwendung privatrechtlicher Normen im öffentlichen Recht Die Frage, auf welche Weise Rechtssätze des bürgerlichen Rechts im öffentlichen Recht Anwendungfinden können, wird kontrovers beantwortet. Teilweise werden Regelungen des Zivilrechts als gesetzliche Ausformung allgemeiner Rechtsgrundsätze angesehen, die auch ohne Kodifizierung im Verwaltungsrecht unmittelbare Geltung entfalteten612. Der zweite methodische Ansatz besteht darin, zu prüfen, ob zivilrechtliche Normierungen durch Analogieschluß auch für verwaltungsrechtliche Sachverhalte für anwendbar erklärt werden können613. Der Rechtsfindungsprozeß weist beim Analogieschluß und beim Schluß auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz keine besonderen Unterschiede auf: Es mag 608

OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (255); VGH Mannheim, BWVPr 1978, 150 (151); AG Hamm, MDR 1978, 51 (52); Kopp, VwGO, § 40, Rn. 66; Maurer, JuS 1981, 809 (812). 609 BGH, NJW 1990, 1230; OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280); VGH Mannheim, BWVPr. 1978, 150 (151); Belz/Mußmann, §32, Rn. 7; Mayer, in: PolizeiHandbuch, S. 163; Nagel, S. 118, Fn. 2; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 110; Wolff/Stephan, § 32, Rn. 18. Vgl. Belz/Mußmann, § 32, Rn. 7; Mayer, in: Polizei-Handbuch, S. 163; Mußmann, Rn. 245; Schwer dtfeger, Rn. 261. 611 Vgl. §§ 22-24 MEPolG, § 3 DVO bwPolG. Liegt keine Sicherstellung vor, kommen als öffentlichrechtliche Spezialregelungen Vorschriften des Verwaltungskostenrechts (bwGebG) in Betracht, siehe hierzu S. 261 ff. 612 Vgl. BGHZ21, 214 (218); Forsthoff, S. 176; Maurer, JuS 1981, 809 (810). 613 Vgl. BGHZ4, 192 (193); JuS 1974, 191 (192); VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656).

158

1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

die Grenze zwischen der Findung allgemeiner Rechtsgrundsätze und der Analogie in der Weise gezogen werden, daß letztere die Übertragung der ratio legis auf einen konkreten Tatbestand, erstere aber die Herausbildung einer allgemeinen überpositiven Regel, gleichsam als Element eines allgemeinen Teils des Rechts, zum Gegenstand hat614. Die Analogie setzte bei einer derartigen Abgrenzung die Übertragbarkeit des der zivilrechtlichen Norm entnommenen Rechtsgedankens auf den öffentlichrechtlichen Sachverhalt voraus, der Schluß auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz erforderte die Verallgemeinerungsfähigkeit des in der zivilrechtlichen Norm zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens. Wie beim Analogieschluß erfordert die Entwicklung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes also den Blick auf die hinter der gesetzlichen Regelung stehenden Rechtsgedanken. Für die Beantwortung der Frage, ob eine im Zivilrecht getroffene Regelung im öffentlichen Recht Anwendung finden kann, ist somit entscheidend, ob die hinter der zivilrechtlichen Normierung stehenden Gedanken auch im öffentlichen Recht eine sachgerechte Regelung darstellen. Ob über die Übertragbarkeit im konkreten Fall hinaus auch noch festgestellt werden kann, daß die betreffenden Rechtsgedanken Ausdruck einer unmittelbar geltenden allgemeinen Regel sind, ist von rechtstheoretischem Interesse, jedoch für die Rechtsanwendung ohne praktische Relevanz615. Die Voraussetzungen für eine Übernahme zivilrechtlicher Normierungen in das öffentliche Recht sind folglich: Der öffentlichrechtliche Sachverhalt muß eine Regelungslücke aufweisen und durch die zivilrechtlich normierten Rechtsgedanken sachgerecht geregelt werden können; es müssen beide Tatbestände von ihrer ratio legis aus betrachtet vergleichbar sein. Einer entsprechenden oder rechtsgrundsätzlichen Anwendung privatrechtlicher Normen stehen im Rahmen ihres Anwendungsbereichs stets die das öffentliche Recht in ganz besonderer Weise bestimmenden Grundsätze des Vorrangs und Vorbehalts des Gesetzes entgegen. Existieren öffentlichrechtliche Regelungen, die für den in Frage stehenden Sachverhalt zwingend Geltung beanspruchen, sind diese auch anzuwenden (Vorrang des Gesetzes)616; zugleich fehlt es an der für den Analogieschluß oder die Erkenntnis eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes erforderlichen Regelungslücke. Umgekehrt kann sich die Verwaltung im öffentlichen Recht nicht durch die genannten rechtsmethodischen Erkenntnismöglichkeiten über das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzli-

614

Vgl. etwa Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin 1991, S. 381 ff.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik im Prozeß der Rechtsanwendimg, Berlin 1996, S.312f. Ebenso Büllesbach, S. 33 f. (für die Verwahrung). 616 BVerfG, NJW 1990, 1593.

159

5. Abschn.: Die Verwahrung

chen Ermächtigung für Eingriffe in Rechte des Bürgers hinwegsetzen (Vorbehalt des Gesetzes)617. II. Verwahrung im privaten und im öffentlichen Interesse Die Vorschriften über den zivilrechtlichen Verwahrungsvertrag können zur Anwendung kommen, wenn für die öffentlichrechtliche Verwahrung keine Spezialregelungen bestehen und die Interessenlage der beim zivilrechtlichen Verwahrungsvertrag vergleichbar ist. Bei einem zivilrechtlichen Verwahrungsverhältnis erfolgt die Verwahrung einer Sache im Interesse des Deponenten. Dieser möchte die Sache in Obhut 618

geben, weshalb das Gesetz seine Interessen als vorrangig wertet : Der Verwahrer ist zur Verwahrung verpflichtet (§ 688 BGB), darf diese aber weder auf eine andere Person übertragen (§ 691 BGB), noch die Sache während der Aufbewahrung nutzen. Er muß die Sache auf Verlangen des Hinterlegers jederzeit herausgeben (§ 695 BGB). Die Verwahrung erfolgt im Regelfall unentgeltlich. Es wird jedoch vermutet, daß der Verwahrer für seine Leistung eine Vergütung verlangen kann, wenn die Verwahrung den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist (§ 689 BGB). Muß der Depositar zum Zweck der Verwahrung Aufwendungen machen, dann ist der Deponent zum Ersatz verpflichtet (§ 693 BGB), da diese Aufwendungen dem Deponenten zugute kommen. Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Verwahrungsvertrag entsteht das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis bei polizeilicher Inbesitznahme von Sachen ohne Zustimmung des Sachherrn. Deshalb ist zu untersuchen, ob die Verwahrung dem objektiven Interesse des Sachherrn entspricht. Ist das der Fall, bestehen keine grundlegenden Einwände gegen die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über den Kostenersatz bei der öffentlichrechtlichen Verwahrung. Der Umstand, daß es an einem wirklich geäußerten Willen des Betroffenen fehlt, stellt keine einer Analogie entgegenstehende Besonderheit des öffentlichen Rechts dar. Wie das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag zeigt, kennt auch das Zivilrecht dementsprechende Interessenlagen. Dient die Verwahrung jedoch nicht dem privaten Interesse des Sachherrn, sondern öffentlichen Interessen, dann stellt sich die kostenpflichtige Inbesitznahme der Sache durch die Verwaltung als hoheitlicher Eingriff dar, zu dessen Rechtfertigung es einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Eine analoge Anwendung 617

BVerfG, NJW 1996, 3146: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG; Anschütz, Lücken in den Verfassungs- und Verwaltungsgesetzen, VerwArch 14 (1906), 315 (329 ff.); Maurer, § 3, Rn. 30; Konzak, Analogie im Verwaltungsrecht, NVwZ 1997, 871 (872) m. w. Nachw.; a. Α.: Forsthoff, S. 167; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 151 f. 618 Vgl. Büllesbach, S. 100 f.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

der §§ 689, 693 BGB würde dann am Grundsatz des Gesetzesvorbehalts scheitern (siehen oben I.). Eine Übertragung der die §§ 688 ff. BGB bestimmenden Wertungen scheidet deshalb von vorneherein aus, wenn die Verwahrung Vollzug eines den Berechtigten belastenden Verwaltungsakts ist619. Paradebeispiel ist die Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG: Beschlagnahme) einer Sache durch die Polizei: Die Sicherstellung ist darauf gerichtet, dem Bürger den Zugriff auf eine Sache zu verwehren. Der mit der Sicherstellung angeordnete Entzug der Verfügungsgewalt wird durch die behördliche Inverwahrungnahme bewirkt. Verwahrung bedeutet hier Ausschluß des Berechtigten von der Sache, nicht wie im Zivilrecht die Inobhutnahme einer Sache im Interesse des Berechtigten. Unzutreffend ist es deshalb, wenn das OLG Nürnberg meinte, einen Anspruch der Polizei analog § 693 BGB auf Ersatz der im Rahmen der Sicherstellung eines Fahrzeugs entstandenen Verwahrungskosten bejahen zu können620. Die Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG) entzieht eine Sache zwar auch dem Zugriff der Allgemeinheit, sie wird jedoch nicht dem Zugriff des Berechtigten entzogen621. Sie erfolgt nicht gegen dessen Willen, sondern in seinem objektiven Interesse. Das wird besonders deutlich bei der Regelung des § 32 Abs. 3 bwPolG, derzufolge bei der Verwahrung den Belangen des Berechtigten Rechnung zu tragen ist. Auch muß die Sicherstellung auf Verlangen aufgehoben und die Sache herausgegeben werden (§ 32 Abs. 4 bwPolG). Daß die Polizei mit der Sicherstellung nicht nur im Interesse des Sachberechtigten, sondern auch im öffentlichen Interesse (Verhinderung von Straftaten) handelt, spricht nicht gegen die Charakterisierung des Verwahrungsverhältnisses als Sonderbeziehung, die überwiegend dem Interesse des Sachherrn dient. Die entgegengesetzte Ansicht von Büllesbach vermag nicht zu überzeugen. Ihr Hinweis auf die Subsidiarität poliSIT

zeilichen Handelns zum Schutz privater Rechte verfängt nicht, da § 32 bwPolG als lex specialis zu § 2 Abs. 2 bwPolG (§ 1 Abs. 2 MEPolG) anzuse623

hen ist und dessen Beschränkungen bei einer Sicherstellung nach § 32 Abs. 1 bwPolG (§ 21 Nr. 2 MEPolG) also gerade nicht gelten. Wie sieht nun die Interessenlage bei der Verwahrung von Fahrzeugen aus, die im Wege der Ersatzvornahme oder unmittelbaren Ausführung abgeschleppt worden sind? Wie die Sicherstellung entzieht die Ersatzvornahme oder unmit619

So wohl auch Schwer dtfeger, Rn. 261. OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280). 621 Belz/Mußmann, § 32, Rn. 1; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 12, 11 a (S. 209); Wolf/Stephan, § 32, Rn. 2. 622 Büllesbach, S. 102. 623 Belz/Mußmann, § 32, Rn. 1; Mußmann, Rn. 124; Reichert/Ruder, Rn. 618; Wolf/Stephan, § 32, Rn. 2. 620

5. Abschn.: Die Verwahrung

161

telbare Ausführung dem Betroffenen den Besitz an seinem Fahrzeug, unter Umständen sogar zwangsweise gegen dessen Willen. Anders als bei der Sicherstellung ist der polizeiliche Zweck jedoch mit der Entfernung des Fahrzeugs und dessen ordnungsgemäßem Abstellen auf dem Verwahrgelände erreicht. Daraus folgt, daß die sich anschließende Verwahrung nicht mehr öffentliche Interessen gegen den Willen des Betroffenen durchsetzen, sondern das Fahrzeug zur baldmöglichen Übergabe bereithalten und bis dahin in Obhut nehmen soll. Das zeigt sich auch bei der Auffassung, die an das Entfernen des Fahrzeugs eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten anschließen will. Zwar liegen deren tatbestandliche Voraussetzungen in der Regel nicht vor 624, wohl aber trifft die Erwägung zu, daß es nunmehr um Handlungen der Polizei im Interesse und zum Schutz des Betroffenen geht. Die rechtliche Situation, die nach dem Abschleppen eines Kfz vorliegt, ist derjenigen nach Aufhebung einer Sicherstellung vergleichbar. Der VGH Mannheim hat in einem solchen Fall § 689 BGB für entsprechend anwendbar erklärt, weil die Sache nicht mehr im öffentlichen Interesse, zum Zweck der Beweissicherung (§ 94 StPO), sondern nur noch im privaten Interesse, zur Ermöglichung der Rückgabe, verwahrt worden sei625. Die Verwahrung erscheint in derartigen Fallgestaltungen als Leistung der Behörde, die im Interesse des Bürgers erbracht wird. Das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis ist deshalb ein Rechtsverhältnis, das mit vertraglichen Verwahrungsverhältnissen vergleichbar und daher im Wege der Analogie zivilrechtlicher Regelung grundsätzlich zugänglich ist626. III. Überlagernde Bestimmungen des öffentlichen Rechts Die analoge Anwendung der §§ 688 ff. BGB findet ihre Grenze in den polizeirechtlichen Vorschriften über die Verwahrung sichergestellter Sachen. Diese Vorschriften sind zwar für auf andere Weise zur Entstehung gelangte öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnisse nicht unmittelbar anwendbar. Zumindest die Vorschriften, die dem Schutz des Bürgers dienen, stellen jedoch eine allgemeine Ausformung des Rechts des öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses dar. Sie tragen dem Umstand Rechnung, daß das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis ohne Willensübereinstimmung, meist sogar überhaupt

624 625

Siehe S. 109 ff. VGH Mannheim, BWVPr. 1978, 150 (151); zustimmend Maurer, JuS 1981, 809

Gleiches nimmt Büllesbach, S. 103 f., 105 für die von ihr gebildete „Gruppe 4 der Verwahrung" an. Es wird aber nicht deutlich, ob die Verwahrung abgeschleppter Fahrzeuge auch dieser Gruppe zugehören soll. 11 Schieferdecker

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

ohne Kenntnis des Betroffenen zur Entstehung gelangt. Demnach sind insbesondere folgende Regelungen zu beachten: Es muß gewährleistet sein, daß der Bürger von der laufenden und kostenverursachenden Verwahrung Kenntnis erhält. Er ist deshalb (analog) § 32 Abs. 2 bwPolG (§ 22 Abs. 2 S. 3 MEPolG) unverzüglich von der Verwahrung zu be627

nachrichtigen Gemäß § 32 Abs. 3 bwPolG (analog) ist bei der Verwahrung den Belangen des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt Rechnung zu tragen. Die Fahrzeuge sind so zu verwahren, daß sie der Einwirkung Unbefugter entzogen sind; ebenso ist Wertminderungen nach Möglichkeit vorzubeugen, § 3 Abs. 1 S. 1 DVO bwPolG (analog; vgl. § 22 Abs. 3 MEPolG). Dem objektiven Interesse und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Sachherrn ist auch in der Weise Rechnung zu tragen, daß die Verwahrung beendet und das Fahrzeug verwertet wird, wenn die weitere Verwahrung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre, § 3 Abs. 2 Nr. 2 DVO bwPolG (analog; vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG)628. Freilich bedarf es regelmäßig einer vorherigen Anhörung des Betroffenen, um festzustellen, ob das objektive Interesse auch dem wirklichen Willen des Betroffenen entspricht. C. Zusammenfassender Überblick I. Verwahrungs- und Obhutspflicht Die verwahrende Behörde ist entsprechend den zivilrechtlichen oder polizeirechtlichen Verwahrungsvorschriften verpflichtet, das Fahrzeug des Betroffenen sorgfältig zu verwahren und Beschädigungen, Wertminderungen und Verlust des Fahrzeugs zu verhindern629. Es muß gewährleistet sein, daß das Fahrzeug in dem Zustand an den Betroffenen herausgegeben werden kann, in dem es sich bei Beginn der Verwahrung befand 630. Mit der Verwahrung kann auch ein Dritter (meist der eingesetzte Abschleppunternehmer) beauftragt werden, wenn die Verwahrung durch die Polizei angesichts der zur Verfügung stehenden räumlichen und personellen Voraussetzungen nicht möglich oder zweckmäßig ist (§ 3 Abs. 1 S. 2 DVO bwPolG, § 22 Abs. 1 MEPolG).

627

Für die unmittelbare Ausführung ergibt sich die Benachrichtigungspflicht aus § 8 Abs. 1 S. 2 bwPolG. 628 Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656): Maximal 90 Tage bei einem wertlosen Fahrzeug. 629 Vgl. VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); DÖV 1991, 699. 630 Vgl. RGZ 105, 338 (339).

5. Abschn.: Die Verwahrung

163

Verletzt die Verwaltung ihre Obhutspflichten aus dem Verwahrungsverhältnis, beispielsweise wegen schuldhafter Beschädigung oder Zerstörung des Fahrzeugs, dann stehen dem Geschädigten Schadensersatzansprüche wegen positiver Forderungsverletzung oder Unmöglichkeit zu. Weitere Ersatz- oder Entschädigungsansprüche des Betroffenen können sich aus Amtshaftung, enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff ergeben631. II. Zahlungsansprüche Nach herrschender Auffassung kann die Polizei die Verwahrungskosten durch einen Vergütungsanspruch analog § 689 BGB oder durch einen Aufwendungsersatzanspruch analog § 693 BGB geltend machen. Dies erscheint bedenklich, weil vorrangig diejenigen öffentlichrechtlichen Vorschriften, die die Erhebung einer Verwaltungsgebühr ermöglichen, anzuwenden sind. Zweifelhaft ist auch, ob der Verwaltung hinsichtlich der Verwahrungskosten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Für die Sicherstellung bestehen für Kostenerstattung und Zurückbehaltung spezielle öffentlichrechtliche Regelungen in § 3 Abs. 1 S. 3 und 4 DVO bwPolG (vgl. § 24 Abs. 3 S. 1 und 3 MEPolG)632. III. Herausgabe verwahrter Fahrzeuge Einen Herausgabeanspruch des Deponenten normiert § 695 BGB. Ob aus entsprechender Anwendung des § 695 BGB auch ein Herausgabeanspruch bei öffentlichrechtlicher Verwahrung folgt, ist zweifelhaft. Herausgabeansprüche könnten sich auch aus § 985 BGB oder aus dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch ergeben633. IV. Verwertung oder Vernichtung Von der (weiteren) Verwahrung sichergestellter Sachen kann abgesehen werden, wenn das Gesetz die Verwertung oder Vernichtung eines abgeschleppten und in behördlicher Obhut befindlichen Kraftfahrzeugs gestattet. Sichergestellte Fahrzeuge können vor allem dann verwertet werden, wenn ihre Verwahrung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist (§§3 Abs. 2 Nr. 2 DVO bwPolG, 34 bwPolG; § 23 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG)634. Unverhältnismäßig

631 Zu Schadensersatzansprüchen aus dem Verwahrungsverhältnis siehe S. 332 ff.; zur Amtshaftung siehe S. 301 ff.; zu Entschädigungsansprüchen S. 329 ff. 632 Siehe zu den Kosten S. 254 ff., 261 ff und zum Zurückbehaltungsrecht S. 268 ff. 633 Siehe zu den Herausgabeansprüchen des Betroffenen S. 296 ff.

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1. Teil: Die rechtliche Qualifikation von Abschleppmaßnahmen

sind die Kosten jedenfalls dann, wenn sie den Wert des Fahrzeugs übersteigen635, was bei geringwertigen Fahrzeugen durchaus vorkommen kann. Die genannten Vorschriften betreffen ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nach nicht Entfernungsmaßnahmen, die aufgrund der Generalklausel oder spezialgesetzlicher Beseitigungsermächtigungen ergangen sind. In solchen Fällen erfolgt die Verwahrung im Interesse des Berechtigten, womit eine analoge Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften auf das Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Berechtigten möglich ist636, soweit keine spezielleren Vorschriften des öffentlichen Rechts bestehen637. Holt der Berechtigte somit sein Fahrzeug trotz Aufforderung (§ 695 BGB) nicht ab, gerät er mit seinem Rücknahmerecht (§ 696 BGB) in Annahmeverzug (§ 293 BGB), womit die verwahrende Behörde zur öffentlichen Versteigerung des nicht hinterlegungsfähigen Kraftfahrzeugs und zur Hinterlegung des Erlöses berechtigt ist (§ 383 BGB)638.

D. Der weitere Gang der Untersuchung Bisher wurde die Frage nicht weiter vertieft, wer Adressat der jeweiligen Maßnahmen und Kostenschuldner ist. Es ist deshalb nun zu untersuchen, inwieweit eine Verantwortlichkeit des Fahrers oder des Halters eines abgeschleppten Fahrzeugs begründet ist. Anschließend wird thematisiert, in welchen Fällen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Inanspruchnahme der Verantwortlichen entgegenstehen kann.

634

Gem. § 23 Abs. 1 Nr. 5 MEPolG kann eine Verwertung auch dann stattfinden, wenn der Berechtigte das Fahrzeug trotz Aufforderung mit Verwertungsandrohung nicht innerhalb einer ausreichend bemessenen Frist abholt. Siehe zur Verhältnismäßigkeit der Verwahrungskosten VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); OVG Bautzen, SächsVBl. 1996, 252 (255). Siehe hierzu oben S. 159 ff. 637 Ein Rückgriff auf zivilrechtliche Verwertungsbestimmungen ist etwa im Abfallrecht ausgeschlossen, da bereits die abfallrechtliche Primärmaßnahme auf Zuführung zur Abfallverwertung gerichtet ist, siehe auch oben S. 31 und Biletzki, NJW 1998, 279 (280, 282) zur Verwertung nach Abfallrecht und (bayerischem) Straßenrecht. 63 Vgl. Straßberger, BayVBl. 1972, 36 (39).

Zweiter Teil

Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit Erster Abschnitt

Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen A. Grundlagen polizeirechtlicher Verantwortlichkeit I. Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit Verantwortlich für Gefahrenlagen und Störungen sind nach allgemeinem Polizeirecht der Verhaltens- bzw. der Zustandsstörer. Verhaltensverantwortlicher ist, wer durch sein Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verursacht hat (§ 6 Abs. 1 bwPolG, § 4 Abs. 1 MEPolG). Geht vom Zustand einer Sache eine derartige Gefahr oder Störung aus, so ist der Eigentümer, der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft und gegebenenfalls ein anderer Berechtigter Zustandsverantwortlicher (§ 7 bwPolG, § 5 MEPolG). Als Zustand einer Sache wird nicht nur ihre Beschaffenheit, sondern auch - was insbesondere bei verkehrsordnungswidrig geparkten Fahrzeugen zur Bejahung einer Zustandsverantwortlichkeit führt -ihre „Lage im Raum" angesehen1.

1

Aus der Rechtsprechung: VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309) und BayVBl. 1989, 438; OVG Bremen, DAR 1986, 159; VGH Kassel, NVwZ 1988, 655; VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (260). Aus der Literatur: Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 89; Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 83; Götz, Rn. 214; Gusy, Rn. 278; Knemeyer, Rn. 256; Kränz, S. 82; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 a (S. 318); Möller/Wilhelm, S. 62; Mußmann, Rn. 280; Reichert/Ruder, Rn. 266; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 171; Wolf/Stephan, § 7, Rn. 4; Wolff/Bachof, VerwR III, § 127, Rn. 15; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 297; Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1029); Knütel, DÖV 1970, 375 (377).

166

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

II. Polizeirechtliche Verursachung 1. Unmittelbare

Verursachung und Risikozurechnung

Ob eine Gefahr oder Störung durch das Verhalten einer Person oder den Zustand einer Sache verursacht worden ist, wird von der h. M. nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung beurteilt2. Demnach ist derjenige polizeirechtlich verantwortlich, durch dessen Verhalten oder durch dessen Sache die polizeirechtliche Gefahrenschwelle bei wertender Betrachtungsweise unmittelbar überschritten worden ist. Bei der erforderlichen Wertung ist zu ermitteln, ob das Risiko3 für eine Gefahr einstehen zu müssen, von der Rechtsordnung dem Staat oder dem Bürger zugewiesen ist. Für eine Risikozuweisung zu Lasten des Bürgers und damit für eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit spricht insbesondere die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Bewegt sich der Bürger im grundrechtlich geschützten Bereich, nimmt er ihm zustehende Rechte wahr oder verhält er sich schlicht rechtlich neutral, so kann ein derartiges Verhalten eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit nicht nach sich ziehen4. Denn indem die Rechtsordnung ein Verhalten als legitim anerkennt, weist sie das Risiko, für die Abwehr von aus dem Verhalten resultierenden Gefahren einstehen zu müssen, dem Staat zu. Beispiele: Der Kläger hatte in einem vom VG Freiburg entschiedenen Fall sein Fahrzeug ordnungsgemäß am Straßenrand abgestellt. Später wurde ein weiteres Kfz auf der anderen Straßenseite geparkt, was dazu führte, daß die Straße an dieser Stelle unzulässig verengt und ein LKW an der Durchfahrt gehindert wurde. Ein ähnlicher Sachverhalt lag einer Entscheidung des VGH München zugrunde: Der Kläger hatte hier sein Fahrzeug verbotswidrig auf einem Gehweg geparkt. Die verbleibende Gehwegbreite wurde später durch ein

2

PrOVGE 103, 139 (141); BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016 (1017); VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (303); OVG Münster, NJW 1993, 2698; VG Freiburg, ZfS 1994, 352; Götz, Rn. 196 ff.; Knemeyer, Rn. 248; Martens in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 20, 3 (S. 313 ff.); Mußmann, Rn. 286; Rasch, § 4, Rn. 15 ff.; Riegel, S. 97; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 156, 171; Schoch, JuS 1994, 932 (933); Wolff/Bachof, VerwR III, § 127, Rn. 10, 15; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 303. Gegen eine Anwendung der Verursachungstheorien bei der Zustandsverantwortlichkeit Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 83; Nagel, S. 129; Scholler/Schloer, S. 259; Wegmann, BayVBl. 1984, 685. Hiergegen wiederum Binder, S. 78 ff., 82· Kränz, S. 92 ff. Siehe dazu, daß die Unmittelbarkeitslehre zunehmend durch die Bildung von Risikosphären konkretisiert wird, Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (338 f.). 4 Vgl. OVG Münster, NJW 1993, 2698; VG Freiburg, ZfS 1994, 352; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, §20, 3 (S. 316); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 156; Schoch, JuS 1994, 932 (933); Wolff/Bachof VerwR III, § 127, Rn. 10.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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neben dem Fahrzeug des Klägers auf der Innenseite des Gehwegs geparktes Kfz vollständig blockiert. Das VG Freiburg hat zutreffend eine Verantwortlichkeit des Klägers verneint, da nicht dessen rechtlich neutrales Verhalten, sondern erst das des zuletzt parkenden Fahrers die polizeirechtliche Gefahrenschwelle unmittelbar überschritten und die Störung der öffentlichen Sicherheit (Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO) verursacht hat5. Im Gegensatz dazu hatte der Kläger im Fall des VGH München bereits durch sein Verhalten seinen Rechtskreis überschritten und eine Störung der öffentlichen Sicherheit hervorgerufen, so daß es einer Abschleppmaßnahme nicht entgegenstand, daß sein Fahrzeug „nicht die alleinige und letzte Ursache" für die Gefährdung des Fußgängerverkehrs darstellte6. 2. Kausalität als Minimalvoraussetzung

der Verantwortlichkeit

Beispiel: Der Kläger hatte ein ihm gehörendes Fahrzeug stillgelegt und anschließend an eine von der Verwaltung nicht ermittelbare Person veräußert. Nach der Veräußerung erging gegen den Kläger eine Beseitigungsverfügung, weil das stillgelegte Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt auf öffentlichem Straßengrund abgestellt und eine unerlaubte Sondernutzung gegeben war. Da der Kläger dieser Anordnung nicht Folge leistete, wurde das Fahrzeug im Wege der Ersatzvornahme durch die Verwaltung beseitigt. Gegen den daraufhin ergangenen Kostenbescheid und die Beseitigungsanordnung machte er geltend, für das straßenrechtswidrige Abstellen sei nicht er, sondern der neue Eigentümer des Fahrzeugs verantwortlich. Gleichwohl nahm der VGH Mannheim eine Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers an, weil dieser es unter Verstoß gegen § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO unterlassen habe, die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen7. Der Senat räumte ein, „daß der Kläger mit diesem Unterlassen keine Ursache im naturwissenschaftlichen Sinne für den später durch einen Dritten bewirkten straßenrechtswidrigen Zustand infolge des Abstellens des nicht zugelassenen Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum gesetzt, sondern in erster Linie die Ermittlung des unmittelbaren Handlungsstörers vereitelt hat". Dies hindere allerdings „die polizeirechtliche Verantwortlichkeit des Klägers nicht, denn sie ist normativ begründet"8. Dem VGH ist zwar darin zuzustimmen, daß unmittelbare Verursachung nicht bedeutet, daß allein die zeitlich letzte Ursache eine

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VG Freiburg, ZfS 1994, 352. VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); Würtenberger/Gör s, JuS 1981, 596 (601 f.). 7 VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (303); a. A. OVG Bautzen, SächsVBl. 1997, 82 (84). 8 VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (303). 6

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

polizeirechtliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen soll9. Es geht vielmehr darum, aus der Vielzahl von Ursachen im Sinne der naturwissenschaftlichen Kausalität diejenigen als polizeirechtlich irrelevant auszuscheiden, die unter Wertungsgesichtspunkten als unwesentlich anzusehen sind10. Die Theorie der unmittelbaren Verursachung hat somit ebenso wie die anderen polizeirechtlichen Verursachungstheorien die Funktion, die ausufernde Kausalität (i. S. d. Äquivalenztheorie) einzugrenzen. Mit den Worten Schenkes ist Kausalität in diesem Sinn „notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der polizeirechtlichen Verursachung"11. Der wertenden Betrachtungsweise unterliegt somit nicht die Frage, ob ein Verhalten überhaupt für die Entstehung einer Störung kausal i. S. d. Äquivalenztheorie war12. Wie der VGH selbst festgestellt hat, hatte der Verstoß des Klägers gegen § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO jedoch lediglich zur Folge, daß die Identität des neuen Eigentümers nicht ermittelt werden konnte. Das Unterlassen der Mitteilung war hingegen für den Eintritt der von dem neuen Eigentümer verursachten Störung in keiner Weise ursächlich13. Darauf, daß der Kläger in Bezug auf die Anzeigepflicht rechtswidrig handelte, kommt es nicht mehr an, da dieser Rechtsverstoß allenfalls im Rahmen der wertenden Zurechnung eines kausalen Verursachungsbeitrags Bedeutung erlangen könnte. § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO kann auch nicht dergestalt ausgelegt werden, daß er bei unterlassener Mitteilung das Fortbestehen der Zustandsverantwortlichkeit fingiere 14. Zu einer solchen Normextension als Sanktion eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO ist allein der Gesetzgeber berufen (vgl. etwa die ähnlichen Zwecken dienende Regelung des § 21 bwAbfG) 15. Möglichen Schutzbehauptungen des Klägers kann somit zwar nicht durch eine Überdehnung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit begegnet werden. Die Eintragungen bei der Zulassungsstelle und beim

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VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (303 f.); so auch die ganz h. M., vgl. etwa Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, §20, 3 (S. 315); Möller/Wilhelm, S. 58; Rasch, § 4, Rn. 20; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 156; Schoch, JuS 1994, 932; Wolff/Bachof, VerwR III, § 127, Rn. 10. 10 Vgl. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 20, 3 (S. 313); Möller/Wilhelm, S. 58; Schoch, JuS 1994, 932. 11 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 154; ebenso Schoch, JuS 1994, 932. 12 OVG Bautzen, SächsVBl. 1997, 82 (84); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 20, 3 (S. 311); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 154; Schoch, JuS 1994, 932. 13 So auch OVG Bautzen, SächsVBl. 1997, 82 (83); VG Göttingen, NuR 1995, 571 (572). Ein Unterlassen kann zwar im naturwissenschaftlichen Sinn nie kausal sein, man kann jedoch von einer Quasi-Kausalität sprechen, wenn das gebotene Verhalten, wäre es vorgenommen worden, die Störung vermieden oder beendet hätte. 1 So zutreffend gegen die Vorinstanz OVG Bautzen, SächsVBl. 1997, 82 (83). 15 Im Einzelfall könnte Schutzbehauptungen auch durch Anwendung der Grundsätze über den Anscheinsbeweis begegnet werden, vgl. VG Göttingen, NuR 1995, 571 (572).

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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Kraftfahrt-Bundesamt liefern jedoch Anhaltspunkte dafür, wer als Eigentümer oder Halter eines Fahrzeugs in Betracht kommt16. III. Der „Anscheinsstörer" Mit dem Begriff „Anscheinsstörer" wird nach h. M. eine Sachlage bezeichnet, in der die Polizei bei verständiger Würdigung davon ausgehen kann, daß eine Person für eine Gefahr verantwortlich, also Störer ist, sich aber später herausstellt, daß eine Verantwortlichkeit nicht gegeben war17. Dabei kann es sich herausstellen, daß die Annahme eines drohenden Schadens unzutreffend und somit überhaupt keine Verantwortlichkeit begründet war (Anscheinsstörer bei Anscheinsgefahr). Eine Anscheinslage hinsichtlich der Störerqualifikation kann auch dann vorliegen, wenn unbezweifelbar eine Gefahr oder Störung gegeben ist und die Polizei unter mehreren in Betracht kommenden Personen bei verständiger Würdigung der Sachlage eine dieser Personen als polizeirechtlich verantwortlich ansehen konnte, sich die Störerqualifikation aber nachträglich als unzutreffend herausstellt18. Ein instruktives Beispiel zur Konstellation der Anscheinsverursachung bei festgestellter Störung bildet die Entscheidung des OVG Münster vom 16.3.199319: Der Kläger hatte sein Fahrzeug auf einem öffentlichen Parkplatz ohne Einstellungsmarkierung ordnungsgemäß in zweiter Reihe (Stirnseite an Stirnseite) abgestellt. Später wurde auch in dritter Reihe geparkt, so daß die in der mittleren Reihe abgestellten Fahrzeuge ihren Standort nicht mehr verlassen konnten. Aufgrund der unzutreffenden Aussage von Schülern, die auf dem Parkplatz eine Verkehrsbefragung durchführten, konnte die Polizei annehmen, der Kläger habe in dritter Reihe geparkt, und schleppte sein Fahrzeug ab. Das OVG Münster legt zutreffend dar, daß das Verhalten des Klägers keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen könne, da es nicht in Widerspruch zu straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften gestanden habe und somit

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OVG Bautzen, SächsVBl. 1997, 82 (83). Nach VG Göttingen, NuR 1995, 571 (572) spricht sogar der Beweis der ersten Anscheins dafür, daß „der den zuständigen Straßenverkehrsbehörden bekannte Stand über die Eigentumsverhältnisse an einem Kraftfahrzeug der jeweils aktuelle ist". 17 Vgl. OVG Münster, NJW 1993, 2698 (2699); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 24 (26); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 13, 2 c (S. 226); Schoch, JuS 1994, 668; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 289 f., 541; weitere Nachweise bei Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (333, Fn. 13). Das wird verkannt, wenn eine Kongruenz von Anscheinsgefahr und Anscheinsstörer angenommen wird, so etwa bei Habermehl, Rn. 204; Schoch, JuS 1994, 932 (934); zutreffend dagegen Schenke, in: Steiner, II, Rn. 166. 19 OVG Münster, NJW 1993, 2698.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

als rechtlich neutral zu werten sei20. Die h. M. hält es aber für zulässig, Maßnahmen auch gegen eine Person zu richten, die für eine bestehende Gefahrenlage nur dem Anschein nach verantwortlich ist21. Sie kommt zu diesem Ergebnis durch eine an Effektivitätsgesichtspunkten orientierte Auslegung der polizeirechtlichen Eingriffsermächtigungen und der Regelungen über den Adressaten polizeilicher Maßnahmen22. Die Bejahung einer primären Gefahrenabwehrverantwortlichkeit soll jedoch nach h. M. nicht dazu führen, daß der Anscheinsstörer auch zur Kostenerstattung verpflichtet sei23. Hierbei sei auf die Sachlage abzustellen, wie sie sich bei Betrachtung ex post darstelle. Gegen einen solchen Wechsel in der Beurteilungsperspektive hat sich dezidiert Schenke ausgesprochen, der seine These vom funktionalen Zusammenhang zwischen primärer Polizeipflicht und sekundärer Kostenerstattungspflicht mit zahlreichen Argumenten untermauert24. In der Tat erscheint es wenig einleuchtend, eine Person zwar als polizeirechtlich verantwortlich, nicht aber als kostentragungspflichtig anzusehen. Die Problematik der Anscheinsverantwortlichkeit kann überzeugender mit den allgemeinen Regeln der polizeirechtlichen Verantwortlichkeitsbestimmung bewältigt werden. Es ist deshalb darauf abzustellen, ob der Anschein, für eine Gefahr verantwortlich zu sein, einer Person zugerechnet werden kann. Es dürfte sachgerecht sein, diese Zurechnung anhand der Theorie der unmittelbaren Verursachung und unter Bildung von Risikosphären vorzunehmen25. Demnach kann der Anschein der Verantwortlichkeit einer Person nur dann zugerechnet werden und ihre materielle Polizeipflicht auslösen, wenn sie durch ihr Verhalten objektiv ein erhöhtes Risiko hinsichtlich der Anscheinslage geschaffen hat. Dies kann man bejahen, wenn eine Person ihren Rechtskreis etwa bei einer gezielten Verdachtsprovokation bzw. einem üblen Scherz in der Öffentlichkeit überschreitet26. Wer sich jedoch wie der Kläger im Falle der Entscheidung des OVG Münster rechtlich neutral verhalten 20

OVG Münster, NJW 1993, 2698. Siehe ζ. B. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 24 (26); OVG Hamburg, NJW 1986, 2005 (2006); VGH München, DÖV 1996, 82; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 13, 2 c (S. 226); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 289. 22 Vgl. OVG Hamburg, NJW 1986, 2005 (2006); VGH München, DÖV 1996, 82; vgl. auch OVG Münster, NJW 1993, 2698 (2699); ablehnend Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (356 ff.). 23 Vgl. etwa OVG Münster, NJW 1993, 2698 (2699); OVG Hamburg, NJW 1986, 2005 (2006); Schoch, JuS 1994, 932 (934 f.); Würtenberger/Heckmann/Riggert, 515. 21

Rn.

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Schenke, in: Steiner, II, Rn. 165; eingehend Schenke, Festschrift Friauf, S. 455 (486 ff.); Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (348 ff.). 25 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 167; Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (338); vgl. Schenke, Festschrift Friauf, S. 455 (477). 26 Vgl. Schenke, Festschrift Friauf, S. 455 (479); Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (340 f.).

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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und kein besonderes Verdachtsrisiko geschaffen hat, ist Nichtstörer, so daß ihm gegenüber ergangene Maßnahmen am Maßstab des § 9 bwPolG zu messen sind und eine Kostenerstattungspflicht nicht nach sich ziehen27. Der Ausschluß der Kostenerstattungspflicht folgt somit nicht aus den besonderen Erkenntnissen der ex post Betrachtung, sondern unmittelbar aus dem Fehlen einer materiellen Polizeipflicht28. IV. Das Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit 1. Überblick Die Zustandsverantwortlichkeit des Halters oder Eigentümers für sein von einer anderen Person falsch geparktes Kfz wird insbesondere von Samper 29 bestritten. Die Ansicht Sampers wurde zwischenzeitlich auch vom VGH München getragen30, der diese Rechtsprechung mittlerweile aber wieder aufgegeben hat31 und nun im Einklang mit der sonstigen obergerichtlichen Rechtsprechung32 und der ganz h. M. in der Literatur3 eine Zustandsverantwortlichkeit des Halters neben dem Fahrer als Verhaltensverantwortlichem bejaht. 2. Zur Ansicht Sampers Zur Begründung ihrer Ansicht, Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit würden einander ausschließen, führen Samper und der VGH München an, eine 27

Gegebenenfalls ist Entschädigung deshalb nicht in analoger, sondern in unmittelbarer Anwendung der für Nichtstörer geltenden Entschädigungsregelungen zu gewähren. 28 Schenke, Festschrift Friauf, S. 455 (486); Schenke/Ruthig, VerwArch 87 (1996), 329 (341). 29 Samper, BayVBl. 1983, 333 (335); vgl. auch Honnacker/Beinhofer, Art. 8, Anm. 1. 30 VGH München, BayVBl. 1984, 16; gegen VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309). 31 VGH München, BayVBl. 1986, 625; 1987, 404; 1989, 116; 1989, 438. Ebenfalls für eine Heranziehung des Halters bereits VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309). 32 VGH Kassel, NVwZ 1988, 655; VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259 f.); OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369; OVG Bremen, DAR 1986, 159; OVG Lüneburg, ZfSch 1983, 157; VG Münster, DÖV 1988, 87. 33 Biletzki, NZV 1996, 303 (305); Götz, Rn. 229; Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (41); Hormann, S. 232 ff.; Knütel, DÖV 1970, 375 (377); Kränz, BayVBl. 1985, 301 (302); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 c (S. 326); Mußmann, Rn. 285; Rasch, § 5, Rn. 21; Scholler/Schioer, S. 262 f.; Schwab, VD 1986, 225 (228 f.); derselbe, VD 1992, 57 (60).

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Gefahr könne nicht zugleich durch eine Person und nicht durch eine Person verursacht sein34. Samper folgert aus dieser Prämisse, es sei „denkgesetzlich unmöglich, daß Handlungsstörung und Zustandsstörung in ein und demselben Fall zusammen vorliegen können"35. Kränz hat Samper vorgehalten, nicht die Argumentation der h. M., sondern seine eigene sei logisch widersprüchlich36. Sie stelle eine petitio principii dar, denn Samper behaupte, Zustandsverantwortlichkeit könne nur etwas meinen, was nicht bereits Verhaltensverantwortlichkeit sei, um daraus dann auf das Bestehen eines Ausschließlichkeitsverhältnisses zu schließen. Damit hat er aber die Argumenation Sampers nicht wirklich erfaßt. In der Tat folgert Samper aus einer begründungslos aufgestellten Prämisse. Diese Prämisse lautet aber nicht, Zustandsverantwortlichkeit könne nur etwas meinen, was nicht bereits Verhaltensverantwortlichkeit sei. Sampers Argumentation baut vielmehr auf der Behauptung auf, eine Gefahr könne nicht zugleich durch den Zustand einer Sache und das Verhalten einer Person verursacht sein. Diese Aussage läßt sich nicht damit stützen, daß man die Ansicht vertritt, eine Sache verursache die Gefahr nicht, sondern bilde sie37. Zutreffend weist Gusy darauf hin, daß der Streit darüber, ob die Sache die Gefahr „bilde" oder sie „verursache", ein bloß terminologischer ist38. Unbestritten kann sowohl menschliches Verhalten, als auch der Zustand einer Sache zu einer polizeirechtlichen Gefahr führen. Das dürfte auch Samper nicht in Frage gestellt haben. Wenn man sich aber mit der h. M. auf den Standpunkt stellt, daß die Verursachungstheorien auch bei der Bestimmung der Zustandsverantwortlichkeit heranzuziehen sind, dann dürfte Sampers Aussage die Ansicht zugrundeliegen, daß bei der erforderlichen wertenden Betrachtungsweise allein der durch menschliches Verhalten bewirkte Verursachungsbeitrag als die Gefahrenschwelle unmittelbar überschreitend anzusehen sei. Folgte man dieser Ansicht, so würden sich Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit tatsächlich jederzeit ausschließen. 3. Zur zwischenzeitlichen Ansicht des VGH München Interessanterweise folgte der VGH München Samper nur im Rahmen der Kostenheranziehung. Auf der Primärebene polizeilichen Handelns sei im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr eine „Erweiterung" der Zustandsverantwortlichkeit geboten, die im Bereich der Kostenheranziehung nicht in Betracht 34

Samper, BayVBl. 1983, 333 (335); VGH München, BayVBl. 1984, 16. Samper, BayVBl. 1983, 333 (335). 36 Kränz, BayVBl. 1985, 301; ebenso Bott, S. 173; ähnlich Schwab, VD 1992, 57 0^: „Vorgaben für die Anwendung der Denkgesetze zu formal ermittelt". So Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 83. 38 Gusy, Rn. 278. 35

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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komme, weil hier Effektivitätsüberlegungen keine Rolle mehr spielen würden39. Der VGH gewann seinen „logischen, engeren Begriff der Zustandsverantwortlichkeit" durch Interpretation der gesetzlichen Regelung40. Dabei stützte er sich auf die Ansicht, eine Zustandsverantwortlichkeit bestehe nicht, wenn nicht die Sache, sondern eine Person mit ihrer Hilfe oder durch Ihre Benutzung als Werkzeug die Gefahr verursacht habe41. Der Fahrer, der ordnungswidrig parke, bediene sich des Fahrzeugs als Werkzeug, so daß für eine Zustandsverantwortlichkeit kein Raum sei42. Daß in den Fällen, in denen eine Sache als Werkzeug benutzt wird, eine Zustandsverantwortlichkeit nicht besteht, liegt darin begründet, daß die Gefahr nicht vom Zustand der Sache, sondern von deren Verwendung durch eine Person ausgeht43. So ist der Eigentümer eines Messers nicht zustandsverantwortlich, wenn ein anderer damit einen Dritten bedroht, denn von der Beschaffenheit des Messers geht keine Gefahr im polizeirechtlichen Sinn aus. Ebensowenig wird ein Flughafen dadurch, daß er potentiell gefährdet ist, Ziel terroristischer Anschläge zu werden, selbst zu einer gefährlichen Sache44. Anders ist es jedoch, wenn ein Kraftfahrzeug verkehrsordnungswidrig geparkt wird. Denn von der Lage des Kfz im Raum geht ein Verstoß gegen Vorschriften der StVO, also eine Störung der öffentlichen Sicherheit aus45. 4. Keine Verdrängung der Zustandsverantwortlichkeit die Verhaltensverantwortlichkeit

durch

Für die Beantwortung der Frage, ob eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinn nicht nur von menschlichem Verhalten, sondern auch von dem Zustand einer Sache ausgeht, ist maßgeblich, wem die die polizeirechtliche Verantwortlichkeit regelnden Normen das Risiko der Gefahrenabwehr zuweisen. Bilden sowohl menschliches Verhalten als auch der Zustand einer Sache die Gefahrenquelle, läßt sich den Vorschriften über die Verhaltens- und Zustands39

VGH München, BayVBl. 1984, 16. VGH München, BayVBl. 1984, 16. 41 Vgl. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 c (S. 326); Mußmann, Rn. 285; Wolff/Bachof, VerwR III, § 127, Rn. 19. 42 VGH München, BayVBl. 1984, 16, a. Α.: VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); Mußmann, Rn. 285; Götz, Rn. 229. 43 Ebenso VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); Bott, S. 179. 44 BVerwG, NJW 1986, 1626 (1627); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21,1 a (S. 319). Entgegen VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309), ist es unerheblich, ob der Fahrer das Fahrzeug bereits verlassen hat. 40

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Verantwortlichkeit keine Aussage dergestalt entnehmen, daß die Gefahrenabwehrverantwortlichkeit allein dem für die Sache Verantwortlichen oder allein demjenigen, der durch sein Verhalten einen Verursachungsbeitrag gesetzt hat, zugewiesen wäre. Die grammatische und systematische Interpretation spricht viel eher für eine kumulative Verantwortlichkeit beider Personen, da aus Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung ein Vorrang einer der beiden Verantwortlichkeiten nicht entnommen werden kann46. Jedenfalls nach heutiger Gesetzeslage ist es unzutreffend, wenn der VGH München behauptet, daß die „logische Verschiedenheit" von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit durch die h. M. „entgegen der gesetzlichen Regelung aufgegeben" werde47. Auch die teleologische Auslegung der gesetzlichen Regelung spricht für ein Konkurrenzverhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit. Denn Sinn und Zweck der Regelung ist es, im Interesse einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr 48 die Verantwortlichkeit nicht nur an das Verhalten von Personen, sondern auch an den Zustand von Sachen zu knüpfen, um so der Polizei den Zugriff auf die Personen zu eröffnen, die rechtlich oder tatsächlich auf die betroffene Sache einwirken und somit zur Gefahrenabwehr tätig werden können49. Wie Wegmann zutreffend hervorgehoben hat, ist deshalb ein Konkurrenzverhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit nach Sinn und Zweck der polizeirechtlichen Regelungen „nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern geradezu gefordert" 50. Dies erkennt auch der VGH München an, wenn er meint, die Annahme eines Ausschließlichkeitsverhältnisses könne für den Bereich der aktuellen Gefahrenabwehr „nicht voll durchgehalten werden"51. Unzutreffend versteht der VGH diese Auslegung allerdings als „Erweiterung" der Zustandsverantwortlichkeit, die im Bereich der Kostenheranziehung nicht in Betracht komme, weil hier Effektivitätsüberlegungen keine Rolle mehr spielen würden. Diese Auffassung verkennt den inneren Zusammenhang von Primärund Sekundärebene: Zur Kostenerstattung ist bei einer Ersatzvornahme der „Pflichtige" (§ 25 bwVwVG) verpflichtet, also diejenige Person, die für die

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VGH München, BayVBl. 1986, 625 (626); VG Münster, DÖV 1988, 87 f.; Hormann, S. 232; Knütel, DÖV 1970, 375 (377 f.); Kränz, BayVBl. 1985, 301 f.; Wegmann, BayVBl. 1984, 685. 47 VGH München, BayVBl. 1984, 16; dagegen auch VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); Bott, S. 179. Für den Grundsatz der Effektivität polizeilichen Handelns als Leitprinzip des Gefahrenabwehrrechts siehe VGH München, BayVBl. 1986, 625 (626); Biletzki, NZV 1996, 303 (305); Kränz, BayVBl. 1985, 301 (302); Wegmann, BayVBl. 1984, 685. 49 Vgl. VGH München, BayVBl. 1986, 625 (626); Hormann, S. 233; Kränz, BayVBl. 1985, 301 (302); Wegmann, BayVBl. 1984, 685. Wegmann, BayVBl. 1984, 685 f.; zustimmend Biletzki, NZV 1996, 303 (305). 51 VGH München, BayVBl. 1984, 16.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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Abwehr der Gefahr verantwortlich war und an deren Stelle die Polizei tätig geworden ist. Deutlicher spricht § 8 Abs. 2 S. 1 bwPolG bei unmittelbarer Ausführung von den „in den §§6 und 7 bezeichneten Personen". Zur Kostenerstattung sind demnach die Verhaltens- und Zustandsverantwortlichen verpflichtet. Die Verantwortlichkeit als Kostenschuldner kann folglich nicht anders bestimmt werden als die Verantwortlichkeit für Maßnahmen der Gefahrenabwehr52. Ein Ausschließlichkeitsverhältnis kann schließlich auch nicht mit der Argumentation, daß allein der durch menschliches Verhalten bewirkte Verursachungsbeitrag die Gefahr „unmittelbar" verursache, begründet werden. Es ginge sicherlich zu weit und würde das Unmittelbarkeitskriterium überanstrengen, wollte man das Verhalten des Fahrers als alleinig polizeirechtlich relevante Ursache für den Eintritt einer Störung (ζ. B. Verstoß gegen die StVO) ansehen53. Zu Recht wird deshalb eine neben die Verhaltensverantwortlichkeit tretende Zustandsverantwortlichkeit bejaht. Die durch das verbotswidrige Abstellen verursachte Störung „infiziert" gewissermaßen die Sache, da sie nach dem Abschluß des verursachenden Verhaltens solange andauert, wie das Fahrzeug an seinem Standort verbleibt. Man kann deswegen davon sprechen, daß die Störung auch von dem Zustand des Fahrzeugs, von dessen „Lage im Raum" ausgeht. 5. Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit bei Verursachung durch einen Verhaltensverantwortlichen? a) Entzug der Sachherrschaft Gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG ist die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers oder eines anderen Berechtigten ausgeschlossen, wenn die tatsächliche Gewalt über die Sache ohne den Willen des Eigentümers ausgeübt wird. Diese Regelung ist rein deklaratorischer Natur, ein Verantwortlichkeitsausschluß tritt also auch in den Ländern ein, die - wie etwa Baden-Württemberg (vgl. § 7 bwPolG) - auf eine dem § 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG entsprechende Regelung verzichtet haben. Denn die Zustandsverantwortlichkeit findet ihren Grund und damit auch ihre Reichweite in der tatsächlichen oder rechtlichen Herrschaft über eine Sache54. Fehlt es an der tatsächlichen oder rechtlichen Sachherrschaft, 52

OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); OVG Bremen, DAR 1986, 159 (160); VGH München, BayVBl. 1989, 438 (439); Hormann,, S. 233; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 174; Schwab, VD 1986, 225 (229); derselbe, VD 1992, 57 (60). 53 Vgl. Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (601). 54 Vgl. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 181; Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 86 ff.; Griesbeck, S. 58 ff.; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 a (S. 318); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 297.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

dann kann auch keine Zustandsverantwortlichkeit gegeben sein55. Das ist für die Verantwortlichkeit des Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft selbstverständlich, gilt jedoch ebenso für den Inhaber der rechtlichen Sachherrschaft, also den Eigentümer oder anderen Berechtigten. Als rechtliche Sachherrschaft soll die Möglichkeit, durch die Geltendmachung eines Rechtes56 auf eine Sache einwirken zu können, bezeichnet werden. Das Gesetz knüpft die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers und anderen Berechtigten an deren rechtliche Sachherrschaft. Es erklärt sie deshalb für verantwortlich, weil es diesen Personen aufgrund ihrer Berechtigung regelmäßig möglich ist, die tatsächliche Sachherrschaft zum Zweck der Gefahrenabwehr wiederzuerlangen oder wenigstens auf den Umgang mit der Sache durch den Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Einfluß zu nehmen. An der rechtlichen Sachherrschaft fehlt es, wenn dem Berechtigten eine Einwirkung auf die Sache nicht möglich ist. Diese Unmöglichkeit kann sich daraus ergeben, daß der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft nicht gewillt ist, die Einwirkung zu dulden bzw. die Berechtigung des Eigentümers oder anderen Berechtigten anzuerkennen57. Das ist der Fall, wenn ein Fahrzeug gestohlen (§ 242 StGB), unterschlagen (§ 246 StGB) oder unbefugt benutzt (§ 248b StGB) wird. Dabei ist es unerheblich, ob der Berechtigte unter Zuhilfenahme staatlichen Rechtsschutzes seine Rechte geltend machen könnte, denn wegen des dabei anzustrengenden Verfahrens wäre eine Einwirkung jedenfalls nicht so kurzfristig möglich, wie dies zur Gefahrenabwehr regelmäßig erforderlich ist. Eine Einwirkungsmöglichkeit besteht auch dann nicht, wenn dem Eigentümer die Verfügungs- und Verwaltungsbefügnis entzogen ist (so etwa bei Sicherstellung bzw. Beschlagnahme der Sache und im Konkurs). Die rechtliche Sachherrschaft wird also nicht schon dadurch beseitigt, daß der Eigentümer das Fahrzeug einer anderen Person überläßt und diese abredewidrig handelt, indem sie selbst falsch parkt58 oder indem sie das Fahrzeug an eine weitere Person überläßt, die dann verkehrsordnungswidrig handelt59. Der bloß abredewidrige Gebrauch bedeutet nicht zugleich Leugnung der Berechtigung des Eigentümers oder anderen Berechtigten: Es ist ohne besondere Anzeichen nicht anzunehmen, daß die falsch parkende Person sich widersetzen

55

Vgl. BVerwG, NJW 1992, 1908. Eigentum oder dingliches bzw. schuldrechtliches Nutzungsrecht an einer Sache, nicht ausreichend ist ein bloßes Aneignungsrecht: OVG Münster, OVGE 32, 44 (45). 57 Vgl. OVG Hamburg, NJW 1992, 1909 (1910). 58 Für diesen Fall VGH München, BayVBl. 1989, 438, der aber den Grund der gesetzlichen Regelung verkennt und meint, sie beruhe auf Billigkeitserwägungen (dagegen ebenfalls OVG Hamburg, NJW 1992, 1909 [1910]); vgl. auch OVG Lüneburg, ZfS 1983, 157. 59 Für diese Konstellation OVG Hamburg, NJW 1992,1909.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

177

würde, wenn der Berechtigte seine Berechtigung geltend machte60. Bei bloß abredewidrigem Gebrauch ist deshalb regelmäßig davon auszugehen, daß es dem Berechtigten möglich ist, auf die Sache einzuwirken und die rechtliche Sachherrschaft auszuüben. Mithin schließt nicht bereits jeder abredewidrige, sondern erst ein die Berechtigung des Eigentümers oder anderen Berechtigten leugnender Gebrauch deren Zustandsverantwortlichkeit aus61. b) Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit trotz Sachherrschaft? Die Zustandsverantwortlichkeit tritt nach h. M. in den vorgenannten Fällen wieder ein, sobald die rechtliche Herrschaft über die Sache wieder ohne Widerstand ausgeübt werden kann62. So ist der Eigentümer oder andere Berechtigte nach h. M. wieder zustandsverantwortlich, wenn ein gestohlenes Kfz verlassen aufgefunden wird. Ab diesem Zeitpunkt oder jedenfalls ab dem Zeitpunkt, in dem der Eigentümer hiervon Kenntnis erlangt6, wird er wieder als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft angesehen. Dagegen wendet ein Teil des Schrifttums die zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit in den Öltransportunfall- und Altlastenfällen entwickelte Argumentation64 auch bei entwendeten und störend zurückgelassenen Kfz an. So soll eine Störung als „außerhalb der Risikosphäre des Eigentümers liegendes Ereignis" dem Eigentümer nicht zugerechnet werden, die darin bestehe, daß ein Kfz gestohlen und nach einem Unfall als Autowrack stehen gelassen werde65. Ob der Risikosphärengedanke in dieser Konstellation die Zurechnung verhindern kann, erscheint jedoch zweifelhaft. Meines Erachtens spricht Art. 14 Abs. 2 GG eher dafür, die Folgen, die sich aus der mißbräuchlichen Verwendung privaten Eigentums ergeben, auch demjenigen zuzurechnen, der im allgemeinen den Nutzen der Sache zieht - also dem Eigentümer und nicht der Allgemeinheit.

60

OVG Hamburg, NJW 1992, 1909 (1910); vgl. OVG Lüneburg, ZfS 1983, 157. Vgl. VGH München, BayVBl. 1989, 438; OVG Hamburg, NJW 1992, 1909; Schock, JuS 1994, 932 (936). 62 OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 300 (301); Götz, Rn. 218; Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1029); Knütel, DÖV 1970, 375 (378); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 2 b (S. 328); Prümm/Stubenrauch, § 5, Rn. 17; Schleberger, S. 48 f.; Schoch, JuS 1994, 932 (936); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 298; a. Α.: VG Hannover, DAR 1976, 167. 63 Stollenwerk, VD 1995, 57 (59). 64 Vgl. etwa die Darstellungen bei Binder, S. 42 ff.; Bott, S. 190 ff.; Griesbeck, S. 99 ff. und 135 ff.; Kränz, S. 148 ff. Siehe auch unten S. 237. 65 Denninger, in: Lisken/Denninger, E, Rn. 89; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 173. 61

12 Schieferdecker

178

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Das BVerwG hat zutreffend festgestellt, daß bei ordnungswidrigem Abstellen eines Fahrzeugs durch den Fahrer eine Einschränkung der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers unter den Gesichtspunkten fehlender Sachherrschaft bzw. fehlender privatnütziger Verwendungsmöglichkeit nicht in Betracht kommt66. Anders als in den Altlastenfällen, in denen die Kosten der Gefahrenabwehr leicht den Wert des verseuchten Grundstücks übersteigen können, kann die Störungsverursachung durch einen Dritten in den Abschleppfällen nicht dazu führen, daß ein privatnütziger Gebrauch des Eigentums an dem Fahrzeug ausgeschlossen ist und somit der innere Grund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und der an diese anknüpfenden Zustandsverantwortlichkeit entfällt. Es mag ungerecht erscheinen, daß der Eigentümer einer Sache vom Verhaltensstörer auf diese Weise in die Zustandshaftung „gezwungen" werden kann. Doch hat das Gesetz derartige Konflikte zugunsten einer effektiven Gefahrenabwehr hingenommen und auf Verschuldenskategorien67 bewußt verzichtet. Das bedeutet natürlich nicht, daß dem Gedanken einer gerechten Lastenverteilung nicht im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Störerauswahl Rechnung getragen werden könnte68.

B. Die Verantwortlichkeit des Halters Für die Praxis ist der Zugriff auf den Halter des Kraftfahrzeugs weitaus interessanter als die Heranziehung des Fahrers, da der Halter regelmäßig einfacher zu ermitteln ist als der Fahrer. I. Wer ist Halter? Halter eines Kraftfahrzeugs ist, wer es für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt69. Maßgebend ist eine tatsächliche, insbesondere wirtschaftliche Betrachtungsweise: Entscheidend ist, wer tatsächlich bestimmen kann, durch welchen Fahrer und zu welchem Zweck das Fahrzeug in Bewegung gesetzt wird und wer die Kosten des Betriebs trägt70. Halter ist demnach nicht notwendig der Eigentümer

66

BVerwG, NJW 1992, 1908. Vgl. Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (41 f.); Wegmann, BayVBl. 1984, 685. 68 Vgl. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 19, 6 c (S. 304 f.); Knütel, DÖV 1970, 375 (378). Ausführlich zur Auswahl unter mehreren Störern S. 192 ff. 69 BGHZ 87, 133 (135); Ben, in: Rüth/Berr/Berz, § 21 StVG, Rn. 34; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 7 StVO, Rn. 29; Jagusch/Hentschel, § 7 StVG, Rn. 14. 70 Berz, in: Rüth/Berr/Berz, § 21 StVG, Rn. 34 f.; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 7 StVG, Rn. 30. 67

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

179

oder derjenige, auf den das Fahrzeug zugelassen ist. Deswegen ist es zumindest ungenau, wenn gesagt oder in der Praxis davon ausgegangen wird, daß der Halter durch eine Anfrage bei der Zulassungsstelle ermittelt werden könne71. Allerdings ist die Zulassung ein Indiz für die Haltereigenschaft. Als Halter eines Kraftfahrzeugs sind regelmäßig anzusehen der Sicherungseigentümer, der Verpfänder, der Eigentumvorbehaltskäufer, der Leasingnehmer und der Mieter72. Durch eine nur kurzfristige Überlassung des Kfz an eine andere Person im Wege eines Leih- oder Gefälligkeitsverhältnisses soll die Haltereigenschaft des Überlassenden nicht beseitigt werden73. II. Der Halter als Verhaltensverantwortlicher 7. Fahrzeugüberlassung als polizeirechtlich

zurechenbares Verhalten?

Eine Verhaltensverantwortlichkeit des Halters, der das gefährdende oder störende Fahrzeug einer anderen Person überlassen hat, kommt normalerweise nicht in Betracht. Wenn nämlich der Fahrer durch das Abstellen des Fahrzeugs eine Gefahr oder Störung verursacht, dann stellt die Überlassung des Fahrzeugs an ihn nur einen für die polizeirechtliche Verantwortlichkeit irrelevanten mittelbaren Verursachungsbeitrag dar. Da sich der Halter mit der Überlassung des Kfz weder rechtswidrig noch sonst pflichtwidrig verhält, überschreitet nicht schon er, sondern erst der Fahrer unmittelbar die polizeirechtliche Gefahrenschwelle. Allerdings kann sich eine Verhaltensverantwortlichkeit des Halters ergeben, wenn aufgrund besonderer Umstände bereits die Überlassung des Fahrzeugs als rechts- oder pflichtwidrig angesehen werden muß. Denn dann überschreitet bereits diese Handlung des Halters die polizeirechtliche Gefahrenschwelle, so daß die von dem überlassenen Kfz ausgehende Gefahr oder Störung auch dem Halter zuzurechnen ist. Das wäre beispielsweise anzunehmen bei Überlassung an eine Person, bei der davon ausgegangen werden muß, daß sie das Fahrzeug nicht ordnungsgemäß benutzen und abstellen wird74, etwa weil sie betrunken oder sonst zur Führung eines Fahrzeugs nicht fähig ist oder weil sie regelmäßig verbotswidrig parkt.

71

Vgl. Czermak, BayVBl. 1979, 310. Nachweise bei Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 7 StVO, Rn. 33 ff.; JaguschfHentschel, § 7 StVG, Rn. 16 ff. 73 BGHZ 116, 200 (202); Berz, in: Rüth/Berr/Berz, § 21 StVG, Rn. 36; Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 7 StVG, Rn. 33; Jagusch/Hentschel, § 7 StVG, Rn. 16. 74 VGH München, BayVBl. 1987, 119; Geiger, BayVBl. 1983, 10(13). 72

180

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Nicht gefolgt werden kann aber dem VGH München, der eine Verhaltensverantwortlichkeit der Halterin und Eigentümerin eines Kfz bereits deshalb annahm, weil diese den Fahrer, dem sie das Kfz überlassen hatte, erst kurze Zeit kannte und „ihn deshalb auch noch nicht auf seine straßenverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit überprüft haben konnte"75. Die Überlassung eines Kfz an eine andere Person hält sich in aller Regel im Rahmen des von der Rechtsordnung tolerierten Risikos und im Rahmen des Rechtskreises des Halters. Dieser ist erst dann überschritten, wenn der Halter erkennen konnte, daß der Fahrzeugführer sich mit großer Wahrscheinlichkeit verkehrsordnungswidrig verhalten werde. Fehlt es hieran, kann der Halter wegen eines vom Fahrer verursachten Verkehrsverstoßes nicht als Verhaltensverantwortlicher in Anspruch genommen werden. 2. Die Zusatzverantwortlichkeit

des Halters als Geschäftsherr

Sofern der Halter ein Fahrzeug einem Verrichtungsgehilfen, also einer Person, die zu ihm in einem weisungsgebundenen Verhältnis steht, überlassen hat, ist er gem. § 6 Abs. 3 bwPolG auch für eine von dem Gehilfen verursachte Störung verantwortlich. Wie bei der strukturell vergleichbaren Vorschrift des § 831 BGB setzt dies jedoch voraus, daß der Verkehrsverstoß in Ausübung der dem Gehilfen aufgetragenen Verrichtung und nicht nur bei Gelegenheit derselben erfolgte 76. Beispiel: Beschäftigte eines Handwerksbetriebs sind mit einem Geschäftsfahrzeug zu einem Kunden unterwegs, wo sie da$ Fahrzeug im Haltverbot abstellen. Als Geschäftsherr verantwortlich ist der Inhaber des Betriebs und Halter des Fahrzeugs. III. Der Halter als Zustandsverantwortlicher 1. Begründung der Zustandsverantwortlichkeit

des Halters

a) Problemfall: Der Halter, der weder Eigentümer noch Fahrer des Fahrzeugs ist Ist der Halter zugleich der Eigentümer des Fahrzeugs, ergibt sich die Zustandsverantwortlichkeit bereits aus seiner Eigentümerstellung (§ 7 bwPolG, 75

VGH München, BayVBl. 1989, 438 (439). Prümm/Thieß, S. 84; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 170. Bezüglich der Einzelheiten ist auf die Rspr. der Zivilgerichte und die zivilrechtliche Literatur zu § 831 BGB zurückzugreifen, vgl. VGH Mannheim, NJW 1993, 1543 (1544). 76

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

181

§ 5 Abs. 2 MEPolG). Führt der Halter die Gefahr oder Störung selbst als Fahrer herbei, so ist er nicht nur infolge dieses Verhaltens, sondern auch als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft verantwortlich (§ 7 bwPolG, § 5 Abs. 1 MEPolG). Unklar ist dagegen, wie eine Zustandsverantwortlichkeit begründet werden soll, wenn der Halter weder Eigentümer, noch Fahrer des störenden Fahrzeugs ist, wenn dieses also von einen anderen Person ordnungswidrig abgestellt wurde. Zwar soll nach fast einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung der Halter Zustandsverantwortlicher sein7. Begründet wird diese Ansicht jedoch nur selten. b) Zustandsverantwortlichkeit des Halters kraft „eigentümerähnlicher Stellung" Knütel versucht die Zustandsverantwortlichkeit mit der eigentümerähnlichen Stellung des Halters zu begründen78. Denn Grundgedanke der Zustandsverantwortlichkeit sei, daß derjenige für die von einer Sache ausgehenden Gefahren einstehen solle, der sie beherrsche. Im Straßenverkehrsrecht habe der Halter eine solche Position inne, da er über die Teilnahme eines Kfz am öffentlichen Straßenverkehr entscheide. Aus diesem Grunde habe auch der Halter gem. §§ 17, 31 StVZO, 7 StVO für die Verkehrsgerechtigkeit des Kfz einzustehen. Dieser Argumenation kann entgegengehalten werden, daß das Straßenverkehrsrecht im Hinblick auf das Abstellen eines verkehrsgerechten Fahrzeugs gerade keine Verantwortlichkeitsregelung enthält. Die Frage der Verantwortlichkeit für Abschleppmaßnahmen richtet sich daher nicht nach Straßenverkehrsrecht, sondern - soweit sonst keine Spezialregelungen existieren - nach allgemeinem Polizeirecht. Wenn die Polizeigesetze wie in § 5 Abs. 2 MEPolG die Zustandsverantwortlichkeit über den Eigentümer und den Inhaber der Sachherrschaft hinaus auch auf „andere Berechtigte" ausgeweitet haben, ist zu erörtern, ob der Halter unter diese Personengruppe fällt (dazu sogleich unten c). Dort, wo eine derartige Ausweitung jedoch nicht erfolgt ist (z. B. § 7 bwPolG), ist der Begründung einer Zustandsverantwortlichkeit des Halters aufgrund dessen eigentümerähnlichen Stellung der Boden entzogen. Eine derartige Argumentation widerspräche 77

VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (260); VGH München, BayVBl. 1979, 307; 1986, 625; 1987, 119; 1987, 404; 1989, 116; 1989, 438; VGH Kassel, NVwZ 1988, 655; OVG Bremen, DAR 1986, 159; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369; VG Münster, DÖV 1988, 87; Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (41); Grünning/Möller, VR 1984, 156 (160); Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1032 f.); Kottmann, DÖV 1983, 493 (496); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (601); kritisch aber Czermak, BayVBl. 1979, 310; GeigerBayVBl. 1983, 10(13). 78 Knütel, DÖV 1970, 375 (377).

182

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

dem klaren Wortlaut des bwPolG, das die Zustandsverantwortlichkeit allein an das bürgerlichrechtliche Eigentum79 an der Sache oder die tatsächliche Sachherrschaft knüpft. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat sich bei der Novellierung des Polizeigesetzes nicht an den Vorschlägen des MEPolG orientiert80. Hätte er die Zustandsverantwortlichkeit auf „eigentümerähnliche Personen" oder „andere Berechtigte" ausweiten wollen, so hätte dies wie bei anderen Zusatzverantwortlichkeiten (vgl. § 6 Abs. 2 und 3 bwPolG; § 4 Abs. 2 und 3 MEPolG) in rechtsstaatlich einwandfreier, ausdrücklicher Form geschehen können und müssen. c) Der Halter als „anderer Berechtigter" Doch auch in den Ländern, die die Zustandsverantwortlichkeit entsprechend § 5 Abs. 2 MEPolG geregelt haben, reicht der Verweis auf die eigentümerähnliche Stellung des Halters nicht aus. Entscheidend ist, ob der Halter eines Kfz, das nicht in seinem Eigentum steht, als „anderer Berechtigter" anzusehen ist81. Dieser Begriff knüpft nicht an die straßenverkehrsrechtliche Stellung des Halters an. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Halter ein dingliches, schuldrechtliches oder auch vollstreckungsrechtliches Recht an der Sache hat, kraft dessen er auf ihren Zustand Einfluß nehmen kann82. In Betracht kommen also beispielsweise Nießbraucher, Mieter, Leasingnehmer, Pächter, Verwahrer, Gerichtsvollzieher und Konkursverwalter. Der Halter, der nicht selbst Eigentümer ist, wird nahezu ausnahmslos eine zivilrechtliche Stellung innehaben, die ihn als „anderen Berechtigten" i. S. d. Vorschriften über die Zustandshaftung ausweist. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, daß die Zustandsverantwortlichkeit als „anderer Berechtigter" mit dem Ende der zivilrechtlichen Berechtigung entfällt. So ist beispielsweise der Halter, der ein geleastes Kfz an eine weitere Person überlassen hat, nach Beendigung des Leasingverhältnisses nicht mehr als „anderer Berechtigter" Zustandsverantwortlicher.

79

OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016; Gusy, Rn. 279; Martens, in: Drews/Wacke/Voeel/Martens, § 21, 2 a (S. 326); Mußmann, Rn. 282. Vgl. LT-Drucks. 10/5230, S. 30 ff. 81 Bejahend Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (601). 82 vgl. Heise/Riegel, Begründung zu § 5 Abs. 2 MEPolG, S. 36; Rasch, § 5, Rn. 7. Gusy, Rn. 279, erkennt nur dingliche Berechtigungen an. Richtigerweise sind jedoch sogar auch vollstreckungsrechtliche Berechtigungen erfaßt: Kottmann, DÖV 1983, 493 (496); Prümm/Stubenrauch, § 5, Rn. 15.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

183

d) Der Halter als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (1) Der Begriff der tatsächlichen Sachherrschaft Der Begriff der tatsächlichen Sachherrschaft entspricht dem der tatsächlichen Gewalt i. S. d. §§ 854 ff. BGB83 bzw. dem des Gewahrsams im Strafrecht 84. Gemeint ist die tatsächliche Herrschaftsmacht, auf eine Sache unmittelbar einwirken zu können85. Es kommt also auf die tatsächliche Beherrschung einer Sache an, dagegen nicht auf die rechtliche Zuordnung der Sache zu einer Person. So übt der Besitzdiener tatsächliche Gewalt aus8, obwohl er nicht unmittelbarer Besitzer ist (vgl. § 855 BGB), und auch für den unmittelbaren Besitzer ist es unerheblich, ob er die tatsächliche Gewalt berechtigt oder unberechtigt inne hat. Ob eine Einwirkungsmöglichkeit und also tatsächliche Sachherrschaft besteht, richtet sich in erster Linie danach, ob die betreffende Person beliebigen Zugriff auf die Sache hat. Allerdings setzt tatsächliche Sachherrschaft nicht stets aktuelle, handgreifliche Beherrschung voraus87. Sie besteht auch dann fort, wenn der Gewalthaber vorübergehend an der Ausübung der Einwirkungsmöglichkeit verhindert ist und für jedermann erkennbar ist, daß ein Herrschaflsverhältnis besteht. Ein weites Verständnis der tatsächlichen Sachherrschaft findet ihre Rechtfertigung darin, daß es den Anschauungen des täglichen Lebens und der sozialen Wirklichkeit widersprechen würde, wollte man beispielsweise bei kurzfristiger Abwesenheit die leere Wohnung oder das abgestellte Auto als herrschaftslos ansehen. Die Betrachtungsweise des täglichen Lebens wird auch im Zivilrecht88 und im Strafrecht 89 für sachgerecht gehalten. So übt nach der Verkehrsanschauung der Halter auch dann tatsächliche Gewalt und damit den unmittelbaren Besitz über sein Fahrzeug aus, wenn er es öffentlich zugänglich abgestellt und sich entfernt hat90. Gleichfalls steht aus strafrechtlicher Sicht eine derartige sozial 83

OVG Münster, OVGE 32, 44 (45); Schleberger, S. 48. Gusy, Rn. 279; Knemeyer, Rn. 256. 85 Vgl. OVG Münster, OVGE 32, 44: „tatsächliche Beziehung einer Person zu einer Sache". 86 Götz, Rn. 216; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, §21, 3 a (S. 329); Mußmann, Rn. 284; Reichert/Ruder, Rn. 272; Honnacker/Beinhofer, Art. 8, Anm. 5; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 181. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 489: „Minimum an Sachherrschaft". Α. A. wohl Wolf/Stephan, § 7, Rn. 8: Der Gewalthaber müsse zu der Sache Zugang haben und jederzeit auf sie einwirken können. 88 „Verkehrsanschauung": BGHZ 101, 186 (188) m. w. Nachw. 89 „Auffassung des täglichen Lebens": Eser, in: Schönke/Schröder, § 242, Rn. 25 f. 84

90

Baur/Stürner, aaa(S. 54).

Lehrbuch des Sachenrechts, 16. Auflage, München 1992, § 7, Β II 1

184

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

übliche Gewahrsamslockerung der Annahme von Gewahrsam nicht entgegen. Es bleibt also derjenige, der sein Fahrzeug kurzfristig verlassen hat, unmittelbarer Besitzer i. S. d. BGB, in strafrechtlicher Hinsicht Gewahrsamsinhaber und bei polizeirechtlicher Betrachtungsweise Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft. (2) Die Begründung der Sachherrschaft

des Halters bei Überlassung des

Nicht geklärt ist damit die Frage, ob der Halter auch dann noch als Inhaber der Sachherrschaft angesehen werden kann, wenn er das Fahrzeug nicht auf einem Parkplatz abgestellt, sondern einer anderen Person zur Benutzung überlassen hat. Rechtsprechung91 und Literatur92 sind der Ansicht, daß die tatsächliche Sachherrschaft nicht schon dadurch verloren gehe, daß der Halter das Fahrzeug kurzfristig 93 einem anderen überlasse. Sofern diese These überhaupt mit Argumenten gestützt wird, beschränken sich die Gerichte und Literaturstimmen als Begründung meist darauf, sich die Argumentation Knütels 94 zu eigen zu machen, wonach der Halter als Zustandsverantwortlicher angesehen werden könne, da er über die Teilnahme des Fahrzeugs am Straßenverkehr entscheide und damit eine Gefahrenlage eröffne, bei deren Verwirklichung er einzustehen habe95. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Knütel mit diesen Worten den Grund der straßenverkehrsrechtlichen Haftung des Halters für die Verkehrsgerechtigkeit des Fahrzeugs herausgestellt hat. Der entwickelte Gedanke sollte dann auf das Abstellen von Kraftfahrzeugen übertragen werden, um aufzuzeigen, daß im Straßenverkehrsrecht der Halter in gleichem Maße als Verantwortlicher ange-

91

VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); 1989, 438; OVG Bremen, DAR 1986, 159; VGH Kassel, NVwZ 1988, 655; VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (260). A.A. OVG Lüneburg, ZfS 1983, 157. 92 Hiltl, S. 83 f.; Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1032 f.); Kottmann, DÖV 1983, 493 (496); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (601); anders Schoch, JuS 1994, 932 (935 f.): keine Sachherrschaft, wenn nachgewiesen werde, daß der Halter in dem maßgeblichen Zeitpunkt keine Einflußmöglichkeit auf das Fahrzeug hatte. Diese zeitliche Einschränkung vertreten ausdrücklich VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); Hiltl, S. 83; Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1032 f.); Würtenberger/Görs, JuS 1981,596 (601). 94 Knütel, DÖV 1970, 375 (377). 95 VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); 1989, 438; OVG Bremen, DAR 1986, 159; VGH Kassel, NVwZ 1988, 655; VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (260). Hiltl, S. 83 f.; Kästner, JuS 1994, 361 (366); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (601).

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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sehen werde wie der Eigentümer im allgemeinen Polizeirecht. Wie bereits oben ausgeführt wurde, scheitert die Begründung einer allgemeinen Zustandsverantwortlichkeit des Halters heute am klaren Wortlaut der Polizeigesetze. Die Argumentation geht aber vor allem dann fehl, wenn sie von der obergerichtlichen Rechtsprechung herangezogen wird, um den Halter als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft auszuweisen. Denn Knütel stellt mit seiner Argumentation heraus, daß der Halter im Straßenverkehrsrecht gerade unabhängig von seiner tatsächlichen Sachherrschaft als Verantwortlicher angesehen werde. Diese Erkenntnis soll es rechtfertigen, ihn neben den Eigentümer zu stellen, dessen Verantwortlichkeit auf der rechtlichen, also ebenfalls nicht auf der tatsächlichen Sachherrschaft beruht. Soweit durchaus überzeugend, vermag die Argumentation nichts beizutragen, wenn es darum geht, ob der Halter Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist. Denn die rechtliche Möglichkeit96, über die Teilnahme am Straßenverkehr zu entscheiden,97 sagt überhaupt nichts darüber aus, ob der Halter auch im konkreten Fall die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit hat. Wenig überzeugend ist weiter die Begründung, der Halter eröffne „eine polizeirechtliche Gefahrenlage, für die er einstehen" müsse98. Wenn damit gemeint sein soll, daß der Halter mit der Überlassung des Kfz eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinn schaffe, dann wäre er als Verhaltensverantwortlicher, nicht jedoch als Zustandsstörer zu behandeln. Wie oben bereits dargestellt wurde99, kommt jedoch auch eine derartige Verhaltensverantwortlichkeit nur in Ausnahmefällen in Betracht, da die Überlassung eines Fahrzeugs unter normalen Umständen die polizeirechtliche Gefahrenschwelle nicht überschreitet und der Halter bloßer „Veranlasser" der nachfolgenden Störung ist100. Schließlich ist die dargestellte Argumentation nicht erforderlich, wenn - wie im Urteil des VGH Kassel101 - die Gerichte annehmen können, der Betroffene habe die Möglichkeit der Einwirkung auf das Fahrzeug besessen und sei also Inhaber der Sachherrschaft gewesen.

96

Vgl. ζ. B. Kästner, JuS 1994, 361 (366): rechtliche Einwirkungsmöglichkeit. Vgl. die Nachweise in Fn. 95. 98 VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); ähnl. die weiteren Rechtsprechungszitate in Fn. 95; kritisch Brodersen, JuS 1979, 675; Czermak, BayVBl. 1979, 309 (310); Geiger, BayVBl. 1983, 10(13). Siehe S. 179. 100 Ebenso Geiger, BayVBl. 1983, 10(13). 101 VGH Kassel, NVwZ 1988, 655.

186

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

(3) Die Einwirkungsmöglichkeit

des Halters

Es wurde festgestellt, daß der Begriff der tatsächlichen Sachherrschaft maßgeblich durch die Fähigkeit bestimmt wird, handgreiflich auf eine Sache zugreifen, auf sie in tatsächlichem Sinne einwirken zu können. Der Grund für die Anknüpfung der Zustandsverantwortlichkeit an die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit liegt darin, daß derjenige, der eine Sache gleichsam „in Händen hält" am ehesten und am wirksamsten eine von dieser Sache abwehrende Gefahr abwehren kann. Nun ist es aber nicht so, daß nur derjenige, der sofort und ungehindert auf den Zustand einer Sache einzuwirken und etwa ein Fahrzeug von seinem Standort zu entfernen vermag, als Inhaber der Sachherrschaft anzusehen wäre. Es ist zwar keine sofortige Zugriffsmöglichkeit gegeben, wenn ein Fahrzeug zum Parken abgestellt worden ist und sich der Fahrer entfernt hat. Die tatsächliche Sachherrschaft besteht aber dennoch fort. Sie kann dem Fahrer normativ unter Rückgriff auf die Verkehrsanschauung insbesondere deshalb zugerechnet werden, weil diesem insofern ein Rest tatsächlicher Herrschaftsmacht verbleibt, als er im Besitz des Fahrzeugschlüssels ist und auf diese Weise andere Personen von der Einwirkungsmöglichkeit ausschließen kann. Ebenso wie der Fahrer im Fall des Abstellens eines Fahrzeugs behält auch der Halter bei Überlassung des Kfz an eine andere Person einen Rest tatsächlicher Sachherrschaft. Wie beim Abstellen hat er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs der Möglichkeit begeben, jederzeit auf das Kfz zugreifen zu können. Diese Einbuße wird jedoch dadurch kompensiert, daß der Fahrer die Berechtigung des Halters, über die Verwendung des Fahrzeugs bestimmen zu können, anerkennt. Der Halter kann dann durch Einflußnahme auf den Fahrer mittelbar auch auf den Zustand der Sache einwirken102. Zum selben Ergebnis kommt bezeichnenderweise das bürgerliche Recht: Bei Überlassung eines Fahrzeugs an einen Besitzdiener (§ 855 BGB) besteht der unmittelbare Besitz des Besitzherrn fort. Wie im Polizeirecht wird die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Besitzherrn durch die rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf den Besitzdiener garantiert103. Auch im Strafrecht wird eine fortbestehende Einwirkungsmöglichkeit des Halters (Mitgewahrsam) anerkannt, wenn ein angestellter Fahrer Fahrten in geringer Entfernung unternimmt104. Da der Halter die Sachgewalt nur vermittelt über die Person des Fahrers ausüben kann, ist seine Einwirkungsmöglichkeit vom Willen des Fahrers abhän102

Kottmann, DÖV 1983, 493 (496); Wegmann, BayVBl. 1984, 685 (Fn. 15); ebenso in anderem Zusammenhang OVG Hamburg, NJW 1992, 1909 (1910). 103 Vgl. Joost, in: Münchener Kommentar, § 855, Rn. 1; Kregel, in: RGRK, § 855, Rn. 5. 104

Eser, in: Schönke/Schröder, § 242 StGB, Rn. 33.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

187

gig105. Wie im Zivilrecht106 endet die Einwirkungsmöglichkeit des Halters, wenn der Fahrer die tatsächliche Gewalt äußerlich erkennbar nicht mehr für den Halter ausübt. Denn dann wird die tatsächliche Beherrschung des Fahrzeugs durch den Halter unmöglich, so daß dieser nicht mehr als Inhaber der Sachherrschaft angesehen werden kann. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn das Fahrzeug dem Fahrer von vorneherein nicht mit Willen des Halters überlassen worden ist, sondern entwendet wurde und von einem Nichtberechtigten genutzt wird 107. Jedoch besteht die Einwirkungsmöglichkeit des Halters fort, wenn der Fahrer zwar dessen Anordnungen mißachtet, über den abredewidrigen Gebrauch hinaus jedoch die Verfügungsgewalt des Halters über das Fahrzeug anerkennt und nicht etwa die eigene Sachgewalt gegenüber dem Halter zu behaupten versucht108. Darüberhinaus kann die dem Halter verbleibende Einwirkungsmöglichkeit aufgrund der langen Dauer der Überlassung oder wegen des Umfanges der eingeräumten Sachgewalt so stark reduziert sein, daß es nicht mehr der Ratio der Zustandsverantwortlichkeit entspricht, ihn für den Zustand der Sache verantwortlich zu machen. Je länger die Zeit der Überlassung ist und je selbständiger der Fahrer mit dem Fahrzeug umgehen darf, desto geringer ist regelmäßig die Einwirkungsmöglichkeit des Halters auf den Fahrer und somit auch auf den Zustand des Fahrzeugs. Bei längerer Fahrzeugüberlassung kann deshalb eine Zustandsverantwortlichkeit des Überlassenden zu verneinen sein. Möglicherweise ist dann ohnehin die Person, die das Fahrzeug zur Nutzung erhalten hat, als Halter anzusehen109. 2. Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit Nachdem bereits dargelegt wurde, daß die tatsächliche Sachherrschaft nicht bereits dadurch endet, daß der Gewalthaber sich von seinem Fahrzeug fortbewegt oder es kurzfristig einer anderen Person zum Gebrauch überläßt, soll nun untersucht werden, wann die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers oder eines anderen Berechtigten endet110.

105

Vgl Kottmann, DÖV 1983, 493 (496); Schleberger, S. 49; Wegmann, BayVBl. 1984, 685, Fn. 15. 106 Vgl. Kregel, in: RGRK, § 855, Rn. 5. 107 Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1029); siehe unten 2 c). 108 Die zum Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers (§ 5 Abs. 2 S. 2 MEPolG) entwickelten Grundsätze (siehe insbesondere OVG Hamburg, NJW 1992, 1909 [1910]) können auch für die Bestimmung der tatsächlichen Sachherrschaft herangezogen werden. Vgl. zum Halterbegriff S. 178.

188

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Die Zustandsverantwortlichkeit endet, wenn ihr Grund wegfällt. Der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist also nur solange verantwortlich, wie er die Sachherrschaft inne hat. Die Zustandsverantwortlichkeit des anderen Berechtigten und des Eigentümers entfällt grundsätzlich mit dem Wegfall des Rechts an der Sache. Dies gilt unbestritten jedenfalls dann, wenn der Eigentümer das Eigentum auf eine andere Person überträgt (ζ. B. bei Veräußerung eines Fahrzeugs)111. Streitig ist dagegen, ob auch die Aufgabe des Eigentums (Dereliktion, § 959 BGB) diese Wirkung hat. Mittlerweile sehen fast alle Polizeigesetze in Anlehnung an § 5 Abs. 3 MEPolG vor, daß die Zustandsverantwortlichkeit durch Dereliktion nicht beendet wird 112. Soweit dies jedoch nicht ausdrücklich angeordnet ist, muß angesichts des eindeutigen Wortlauts der Bestimmungen über die Zustandsverantwortlichkeit, die an das Eigentum im Sinne des BGB anknüpfen, davon ausgegangen werden, daß auch die Eigentumsaufgabe zur Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit führt 113. Allerdings ist zu beachten, daß auch bei Wegfall der Zustandsverantwortlichkeit eine eventuelle Verhaltensverantwortlichkeit des früheren Eigentümers oder anderen Berechtigten fortbesteht. Gibt beispielsweise eine Person das Eigentum an einem auf öffentlichem Straßengrund abgestellten Fahrzeug auf, dann ist sie in jedem Fall deshalb für die Beseitigung des Fahrzeugs verantwortlich, weil sie durch das Abstellen (Verhalten) gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat114. Für die Beurteilung der Zustandsverantwortlichkeit einer Person ist nicht der Zeitpunkt der Gefahrherbeiführung, sondern derjenige Zeitpunkt maßgeblich, in dem die polizeiliche Maßnahme erfolgt 115. Folglich kann eine Person, die kraft Sachherrschaft, Eigentum oder anderer Berechtigung beim Abstellen eines Fahrzeugs für dessen Zustand verantwortlich war, nicht in Anspruch genommen werden, wenn sie vor dem polizeilichen Einschreiten die tatsächliche Sachherrschaft verloren oder das Fahrzeug einer anderen Person übereignet hat116.

110

Siehe zum Ausschluß bzw. zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit S. 175, 237 ff. 111 Vgl. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 179 m. w. Nachw. 1 19 1 1 3 Nachweise bei Schenke, in: Steiner, II, Rn. 180, Fn. 461. Vgl. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 2 c (S. 328); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 179 f.; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 299; a. Α.: Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 89; Riegel, S. 99; Wolff/Bachof, VerwR III, § 127, Rn. 24. 114 Unerlaubte Sondernutzung (§ 16 Abs. 1 S. 1 bwStrG), Verstoß gegen § 32 StVO oder unzulässige Abfallbeseitigung (§§ 10, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG), siehe oben S. 28 ff. 115 OVG Hamburg, DÖV 1983, 1016 (1017); OVG Koblenz, NJW 1988, 929 (930); Schoch, JuS 1994, 932 (935).

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

189

3. Zwischenergebnis Der Halter ist als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft auch dann Zustandsverantwortlicher, wenn er das Fahrzeug einer anderen Person überlassen hat. Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Dauer der Überlassung und des Umfanges der dem anderen eingeräumten Verfügungsmacht, ab, ob dem Halter eine hinreichende Einflußnahme auf den Fahrer und damit die tatsächliche Beherrschung der Sache möglich ist. Daran fehlt es stets dann, wenn der Fahrer die Einwirkungsmöglichkeit des Halters nicht anerkennt und seine eigene Sachgewalt gegenüber dem Halter behaupten will. In solchen Fällen ist wegen der fehlenden Einwirkungsmöglichkeit auch die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers ausgeschlossen. C. Die Verantwortlichkeit des Fahrers Ohne Zweifel ist der Fahrer, der ein Fahrzeug gefährdend oder störend abgestellt hat, Verhaltensverantwortlicher. Hier ist die polizeirechtliche Verursachung der Gefahr oder Störung unproblematisch auf das Verkehrsverhalten des Fahrers zurückzuführen. Der Fahrer ist darüberhinaus auch Zustandsverantwortlicher. Auch wenn der Fahrer nicht der Eigentümer des Wagens ist, so ist er doch stets der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache, von der eine Gefahr oder Störung ausgeht. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Zustandsverantwortlichkeit des Halters verwiesen werden (dazu soeben unter B). D. Die Verantwortlichkeit anderer Personen Neben dem Halter und dem Fahrer können noch weitere Personen für den Zustand eines Fahrzeugs verantwortlich sein. In allen Fällen, in denen das Eigentum und die wirtschaftliche Nutzung eines Fahrzeugs auseinanderfallen, sind Halter und Eigentümer personenverschieden. Die Zustandsverantwortlichkeit trifft dann den Halter als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (oder als anderen Berechtigten) und den Eigentümer kraft seines Eigentums. Diese Konstellation tritt beispielsweise auf - bei längerfristiger Fahrzeugüberlassung im Rahmen eines Gefälligkeits-, Leih- oder Mietverhältnisses, wenn der Besitzer die Kosten des Betriebs bestreitet (Beispiel: Der Sohn hat ein seinen Eltern gehörendes Fahrzeug zu seiner Verfügung und kommt selbst für die Kosten auf), 116

VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (303), vgl. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 179 m. w. Nachw.

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

190

- im Verhältnis zwischen Verkäufer 117 und Käufer bei einem unter Eigentumsvorbehalt übereignetem Fahrzeug, solange der Kaufpreis noch nicht entrichtet ist, - im Verhältnis zwischen Sicherungseigentümer118 und Sicherungsgeber, wenn wie üblich letzterer das Fahrzeug weiterhin auf eigene Kosten nutzt. In den beiden letztgenannten Fällen wird eine Verantwortlichkeit des Eigentümers meist zu verneinen sein, weil der Eigentümer über die formale Eigentümerstellung hinaus keinerlei Möglichkeit besitzt, auf den konkreten Umgang mit der Sache Einfluß zu nehmen. Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft kann auch eine Person sein, die vom Fahrer den Fahrzeugschlüssel „für Notfälle" erhalten hat und deshalb in der Lage ist, das unzulässige Parken zu beenden119. E. Verantwortlichkeit bei spezialgesetzlichen Maßnahmen I. Straßenrecht § 16 Abs. 8 S. 2 bwStrG spricht von Maßnahmen „auf Kosten des Pflichtigen". Pflichtiger ist einmal der Erlaubnisnehmer, der der Erlaubnis zuwidergehandelt hat. Wer bei einem Handeln ohne Erlaubnis verantwortlich ist, sagt das Gesetz nicht. Deshalb ist ebenso wie bei einem Einschreiten gem. § 42 S. 2 bwStrG i. V. m. § 32 Abs. 1 S. 1 StVO der Verantwortliche nach polizeirechtlichen Grundsätzen zu bestimmen120. „Pflichtiger" ist deshalb derjenige, der durch sein Verhalten gegen § 16 Abs. 1 bwStrG bzw. gegen § 32 Abs. 1 S. 1 StVO verstoßen hat (Verhaltensverantwortlicher, § 6 bwPolG)121. Eine solche Störung soll nach Ansicht des VGH Mannheim sogar demjenigen zugerechnet werden können, der es entgegen § 27 Abs. 3 S. 1 StVZO unterlassen habe, nach dem Verkauf seines Fahrzeugs der Zulassungsstelle die Anschrift des Erwerbers anzuzeigen, mit der Folge, daß dieser nicht ermittelt und zur Beendigung 122

der Sondernutzung verpflichtet werden könne . Verantwortlich ist auch der Inhaber der tatsächlichen Gewalt und der Eigentümer des Fahrzeugs, da diese 117

Vgl. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 2 a (S. 326). Vgl. VGH Mannheim, BWVPr 1978, 150 (151); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 2 a (S. 326). lT9 OVG Koblenz, NJW 1988, 929 (930); Schoch, JuS 1994, 932 (936). 120 So auch VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302; Lorenz, § 42, Rn. 15. 121 Gerhardt, StraßenG BW, § 42, Rn. 4; Knütel, DÖV 1970, 375 (379); Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 32 StVO, Rn. 7; Lorenz, § 42, Rn. 15; Möhl, in: Müller, § 32 StVO, Rn. 4; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 32 StVO, Rn. 15; vgl. auch Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 19, 2 (S. 292). 122 VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (303). 118

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

191

dafür einzustehen haben, daß von dem Zustand des Fahrzeugs kein Verstoß gegen die genannten Vorschriften ausgeht (Zustandsverantwortlicher, § 5 bwPolG)123. II. Straßenverkehrsrecht Weisungen können gem. §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO allein Verkehrsteilnehmern erteilt werden. Verkehrsteilnehmer ist bei verbotswidrigem Halten oder Parken derjenige, der das Fahrzeug abgestellt hat oder wieder in Betrieb nehmen will, also der am Standort anwesende Fahrer. Entsprechendes gilt für die durch Verkehrszeichen ausgesprochenen Wegfahrgebote. Das Straßenverkehrsrecht erlaubt keine Maßnahmen gegenüber einem Halter oder Ei124

gentümer, der an dem ordnungswidrigen Verkehrsvorgang nicht beteiligt ist . Auch die Vorschrift des § 25a StVG regelt keine Verantwortlichkeit des Halters für Gefahrenabwehrmaßnahmen. Die amtliche Überschrift des § 25a StVG lautet zwar „Kostentragungspflicht des Halters eines Kraftfahrzeugs". Die Vorschrift betrifft aber nicht die Verantwortlichkeit und Kostentragungspflicht des Halters für Abschleppmaßnahmen, sondern begründet lediglich eine Pflicht zur Begleichung der Verfahrenskosten, wenn in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes der Fahrer nicht mit zumutbarem 125

Aufwand ermittelt werden kann

III. Abfallrecht Das AbfG 1986 legte den Kreis der zur Abfallbeseitigung Verpflichteten ab126

schließend fest . Zur Entsorgung verpflichtet war nach dem als Bundesrecht vorrangig anwendbaren § 3 Abs. 1 AbfG 1986 allein der Abfallbesitzer. Ab127

fallbesitzer war der Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft (so jetzt auch die Legaldefmition des § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG). Der Eigentümer eines dem Abfallbegriff unterfallenden Schrottfahrzeugs konnte dagegen nicht aufgrund Polizeirechts als Zustandsverantwortlicher zur Beseitigung verpflichtet werden. Da das „wilde" Abstellen eines Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen oder in der Natur zum Verlust der Sachherrschaft führt, ergab sich das Dilemma, daß eine Verantwortlichkeit nicht zu begründen war. Vom Besitzbegriff des AbfG 1986 123

Knütel, DÖV 1970, 375 (379); Möhl, in: Müller, § 32 StVO, Rn. 4; Rüth, in: Rüth/Berr/Berz, § 32 StVO, Rn. 15. 124

1 2 5 Siehe zur 126 127

(begrenzten) Wirksamkeit von Verkehrszeichen S. 39 ff. Vgl. hierzu Berr/Hauser, Rn. 703 ff. und die Kommentarliteratur zu § 25a StVO. BVerwGE 67, 8(10); BVerwG, NVwZ 1988, 1126; NVwZ 1992, 480. Vgl. BVerwGE 67, 8(12); Arndt, in: Steiner, VIII, Rn. 311.

192

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

waren nach Auffassung des BVerwG allerdings solche landesrechtliche Regelungen nicht ausgeschlossen, die (wie § 21 bwAbfG) keine originäre Verantwortlichkeit für Abfälle begründen, sondern den früheren Abfallbesitzer nach rechtswidriger „Entsorgung" zur Wiederaufnahme des Abfallbesitzes mit den 128

daraus resultierenden Rechtspflichten verpflichten . Das KrW-/AbfG knüpft die abfallrechtlichen Verwertungs-, Beseitigungs-, und Überlassungspflichten nicht mehr allein an die Stellung als Abfallbesitzer, sondern begründet entsprechende Pflichten auch für den Erzeuger von Abfällen (vgl. §§ 5 Abs. 2, 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 KrW-/AbfG). Abfallerzeuger ist gem. § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Person, durch deren Tätigkeit Abfälle angefallen sind. Abfälle fallen insbesondere dadurch an, daß sich eine Person einer Sache entledigt (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG). Folglich ist eine Person, die sich eines Schrottfahrzeuges entledigt hat, zwar nicht mehr als Abfallbesitzer, aber immer noch als Abfallerzeuger Adressat der abfallrechtlichen Verpflichtungen und Anordnungen. Landesrechtliche Vorschriften wie § 21 bwAbfG werden insoweit verdrängt.

F. Die Auswahl unter mehreren Verantwortlichen I. Die Auswahlsituation beim Abschleppen von Kfz Sind mehrere Personen für eine Gefahr oder Störung verantwortlich, dann stellt sich die Frage, wen die Behörde zur Gefahrenabwehr und zum Kostenausgleich heranziehen soll. Die Verwaltung hat den in Betracht kommenden Verantwortlichen nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen129. Zur Rationalisierung dieser Ermessensentscheidung haben Rechtsprechung und Literatur eine ganze Reihe von Auswahlgrundsätzen und Leitlinien für die Ermessenspraxis entwickelt130. Die Notwendigkeit einer Auswahl unter mehreren Störern kann sich auf zwei verschiedenen Ebenen ergeben. Die Behörde hat normalerweise zu entscheiden, welchen von mehreren Verantwortlichen sie zur Gefahrenabwehr heranzieht (Primärebene). Nach Abwehr der Gefahr stellt sich die Frage, wer zur Erstattung der angefallenen Kosten in Anspruch genommen werden kann (Sekundärebene). Bei einem in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführten

128

BVerwG NVwZ 1988, 1126; NVwZ 1992, 480 (481); Arndt, in: Steiner, VIII, Rn. 311, Fn. 408; Hösel/von Lersner, § 3 AbfG, Rn. 4. 129 OVG Münster, OVGE 29, 44 (53); Geiger, BayVBl. 1983, 10 (12); Hiltl, S. 96; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 19, 6 (S. 302); Nagel, S. 126; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183. Siehe unten II. und umfassend Giesberts, S. 68 ff.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

193

Abschleppvorgang131 kommt es in der Praxis zu einer Entscheidung der Polizei über die Störerauswahl überhaupt erst bei der Frage der Kostenerstattung. Zwar hat die Polizei bereits im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme zu erwägen, ob Verantwortliche zur Verfügung stehen, die zur primären Gefahrenabwehr herangezogen werden müßten. Einer Auswahl oder Festlegung des Kostenschuldners unter mehreren Verantwortlichen bedarf es zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht132. Denn es genügt für die Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung, daß Verantwortliche nicht erreichbar sind, individualisiert werden diese erst durch den nachfolgenden Kostenbescheid133. Im folgenden konzentriert sich die Darstellung auf die Auswahl unter mehreren Kostenerstattungspflichtigen. II. Allgemeine Auswahlgrundsätze und deren Anwendbarkeit auf der Sekundärebene 1. Effektivität

der Gefahrenabwehr

und Leistungsfähigkeit

Vielfach wird gesagt, die Polizei könne denjenigen zur Gefahrenabwehr heranziehen, der in der Lage sei, die Gefahr am schnellsten und wirksamsten zu beseitigen134. Mit dem Kriterium der Effektivität hängt der Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit eng zusammen135: Nur von einem leistungsfähigen Störer kann eine effektive Gefahrenabwehr erwartet werden. Die Leistungsfähigkeit eines Verantwortlichen bemißt sich danach, ob er eine Gefahr in Anbetracht seiner persönlichen Kenntnisse, seiner körperlichen Möglichkeiten und der ihm zur Verfügung stehenden Mittel abzuwehren vermag. Nach der Beseitigung der Gefahr tritt der Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr hinter jenen der gerechten Lastenverteilung zurück136. Teilweise wird das Effektivitätskriterium in der Weise aufrechterhalten, daß nun derjenige Störer zu bestimmen sei, dessenfinanzielle Leistungsfähigkeit am ehesten

131

Etwa bei einer unmittelbaren Ausführung oder einer Ersatzvornahme im Zusammenhang mit Verkehrszeichen. 132 OVG Münster, NWVB1. 1995, 394; Hormann, S. 141 f.; vgl. Fleischer, S. 106. Siehe zum Kostenbescheid S. 291 ff. 134 VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); Fleischer, S. 115; Giesberts, S. 68 f. mit umfangreichen Nachw. in Fn. 7; Mußmann, Rn. 301; Nagel, S. 126; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183. Siehe hierzu Fleischer, S. 69; Giesberts, S. 73 ff. mit Nachw. in Fn. 14. 136 Giesberts, S. 58 und 152; Mußmann, Rn. 304; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 331; a. Α.: Prümm/Thieß, S. 84 f., die aus der richtigen Erkenntnis, der Grundsatz der Effektivität spiele nach der Beseitigung der Gefahr keine Rolle mehr, unzutreffend darauf schließen, daß überhaupt keine Auswahlprinzipien zu beachten seien. 13 Schieferdecker

194

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit 137

den vollen Kostenersatz garantiere . Der Gesichtspunkt der finanziellen Leistungsfähigkeit könnte im Zusammenhang mit der Erwägung, daß die Kosten polizeilicher Maßnahmen grundsätzlich die Verantwortlichen (und nicht die Allgemeinheit) tragen sollen, allenfalls in der Weise Bedeutung erlangen, daß nur solche Verantwortliche auszuwählen sind, die zur Kostenerstattung wirtschaftlich in der Lage sind138. Diese Frage braucht aber nicht weiter vertieft zu werden, weil hinsichtlich der Abschleppkosten regelmäßig alle Verantwortlichen ausreichend leistungsfähig sein werden. Da bei unmittelbarer Ausführung eine Inanspruchnahme auf der Primärebene nicht möglich ist, kann der Effektivitätsgedanke auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung der Störer vor und nach Beseitigung der Gefahr 139 für die Heranziehung zu den Kosten Geltung erlangen. 2. Auswahl des am wenigsten belasteten Störers Der Grundsatz des geringsten Eingriffs soll die Auswahl eines Störers ausschließen, wenn die Gefahr oder Störung von einem anderen Verantwortlichen mit geringerem Aufwand beseitigt werden könne140. Einige Autoren berücksichtigen dabei die interne Verantwortlichkeit der Störer zueinander: Der nach der internen zivilrechtlichen Lastenverteilung „letztverantwortliche" Störer sei mit der Inanspruchnahme am wenigsten belastet141 und müsse daher in Anspruch genommen werden. Daraus folge, daß der Verhaltensverantwortliche vor dem Zustandsverantwortlichen in Anspruch genommen werden müsse142. Bei einer zweifelhaften Lage seien alle Störer gleichmäßig mit den Kosten zu belasten143. 3. Auswahl nach der Nähe zur Gefahr Vielfach werden Auswahlentscheidungen damit begründet, daß der Inanspruchgenommene der Gefahr in zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht 137

OVG Münster, OVGE 29, 44 (55); ähnlich Fleischer, S. 110; vgl. auch Mußmann, Rn. 302. 138 Vgl. Fleischer, S. 110 f.; ablehnend Giesberts, S. 57 f., 153. 139

1 4 0 Siehe hierzu

(grundsätzlich ablehnend) Giesberts, S. 58. Vgl. Fleischer, S. 71, 78, 113; Götz, Rn. 253; Hiltl, S. 101; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183. 141

Fleischer, S. 114; Hiltl, S. 103 f.; Knauf, S. 244; einschränkend VGH München, NVwZ 1986, 942 (945): nur wenn für die Behörde durchschaubar; a. Α.: VGH Mannheim, 142 VB1.BW 1993, 298 (301); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183. Fleischer, S. 114. 143 Fleischer, S. 111; Knauf S. 244.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

195

am nächsten stehe144. Die örtliche oder zeitliche Nähe eines Verantwortlichen zur Gefahr kann allenfalls Bedeutung erlangen, wenn sich hieraus die Möglichkeit einer effektiven Gefahrenabwehr ergibt. Der Begriff der sachlichen Nähe ist demgegenüber kaum greifbar. Rechtsprechung und Literatur konkretisieren diesen Begriff mit den unterschiedlichsten Erwägungen. So soll für die Sachnähe sprechen, daß ein Verantwortlicher Verhältens- und Zustandsstörer (sog. „Doppelstörer") sei oder durch die Gefahrenabwehr begünstigt werde145. Auch wird eine vorrangige Heranziehung des Verhaltensverantwortlichen befürwortet, weil dieser der Gefahr näher stehe als der Zustandsstörer146. Diese Ansichten zeigen, daß das Nähekriterium die eigentliche Problematik lediglich umschreibt. Der Grund für die Qualifizierung eines Verantwortlichen als „sachnäherer" Störer bleibt entweder im dunkeln oder ergibt sich aus anderen Auswahlgrundsätzen. Eigenständige Bedeutung hat das Merkmal der sachlichen Nähe bei Giesberts als negatives Abschichtungskriterium: Die Heranziehung des Zustandsverantwortlichen sei ausgeschlossen, wenn zwischen seiner Sachherrschaft und der Gefahr überhaupt kein Zusammenhang bestehe147. Sei ein Zusammenhang gegeben, dann müsse eine Gewichtung der Störerbeiträge zur Gefahr vorgenommen werden148. Das wird auch bei der Behandlung anderer Auswahlgrundsätze deutlich. So will Giesberts im Verhältnis von Geschäftsherr und Verrichtungsgehilfe keine Quotierung nach Köpfen vornehmen (Grundsatz der Auswahl nach Verursachungsanteilen), sondern vorrangig den Geschäftsherrn als „sachnäheren" Störer heranziehen, weil dieser die Verrichtung veranlaßt und ein Interesse an ihrer Abwicklung habe149. 4. Auswahl unter den Gesichtspunkten der Billigkeit

und des Verschul

Sehr oft wird betont, daß in die Auswahlentscheidungen Gerechtigkeitserwägungen einfließen müßten. Der Topos der Billigkeit ist sicherlich zu vage und bedarf weiterer Konkretisierung. Letztlich stellen sich denn auch alle Grundsätze, die eine gerechte Lastenverteilung zum Gegenstand haben, als Konkreti-

144

Vgl. ζ. B. Geiger, BayVBl. 1983, 10 (12). Siehe VGH Kassel, MDR 1970, 791 f. und Fleischer, S. 44 f.; Giesberts, S. 130. 146 Geiger, BayVBl. 1983, 10 (12); Knütel, DÖV 1970, 375 (378); Würtenberger/Görs, JuS 1981, 596 (602). 147 Giesberts, S. 101 in Anknüpfung an Friauf, Festschrift Wacke, S. 293 (300 ff.), der den Gedanken allerdings zur Eingrenzung der Zustandsverantwortlichkeit (Siehe unten S. 237) und nicht - wie bei Giesberts - des Auswahlermessens entwickelt hat. 148 Giesberts, S. 105. 149 Giesberts, S.91. 145

196

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

sierung des Billigkeitsgedankens und - sofern man Billigkeit im Sinne von Gleichbehandlung versteht - als Ausfluß des Art. 3 GG dar. Auch scheinbar einfach handbare Grundsätze wie die der Inanspruchnahme nach Verursachungsanteilen oder nach Leistungsfähigkeit (Effektivität der Gefahrenabwehr) führen nicht in jedem Fall zu einer einfachen Auswahlentscheidung. So bedarf es bei nicht meßbaren Verursachungsanteilen einer Gewichtung. Das Effektivitätspostulat tritt in den Hintergrund, wenn Eile nicht geboten oder bei allen Verantwortlichen eine effektive Gefahrenabwehr gewährleistet ist. Oftmals wird deshalb die Auswahlentscheidung der Behörde von der Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit oder Gerechtigkeit bestimmt. In dieser Abwägung kann für die Heranziehung eines Verhaltensverantwortlichen sprechen, daß er die Gefahrenlage (schuldhaft) herbeigeführt hat150 oder daß er eine Sache, auf die einzuwirken oder die zu benutzen ihm nicht gestattet war, in einen gefahrbringenden Zustand versetzt hat. Eine Heranziehung des Zustandsverantwortlichen oder des Geschäftsherrn liegt demgegenüber nahe, wenn dieser durch die Abwehr der Gefahr begünstigt wird (Beseitigung einer Altlast steigert den Wert eines Grundstücks)151, wenn die Ausübung der gefahrverursachenden Tätigkeit auf seine Veranlassung hin, mit seiner Billigung oder in seinem Interesse erfolgte oder wenn er es unterlassen hat, seine Sache vor Beeinträchtigungen zu schützen152. Diese Gründe können auch für eine Heranziehung des Halters vor dem Eigentümer sprechen153. 5. Auswahl nach Verursachungsanteilen

(pro rata)

Schließlich wird gefordert, die Verantwortlichen sollten entsprechend ihrem Verursachungsanteil zur Gefahrenabwehr herangezogen werden154. Bei technisch nicht meßbaren Verursachungsanteilen soll eine Quotierung nach Köpfen erfolgen 155.

150 151 152 153 154

Giesberts, S. 134 f.; Knütel, DÖV 1970, 375 (378). VGH Kassel, MDR 1970, 791 (792); Giesberts, S. 105. VGH München, NVwZ 1986, 942 (945). Knütel, DÖV 1970, 375 (378).

Giesberts, S. 79 ff. m. w. Nachw.; Beiz, § 6, Rn. 10; Mußmann, Rn. 304; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 337, 516. 155 Giesberts, S. 90 f.; a. A. VGH Mannheim, UPR 1994, 271 (272).

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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III. Kostenverteilung bei mehreren störenden Fahrzeugen In der veröffentlichten Rechtsprechung finden sich zwei Entscheidungen, in denen bei mehreren störenden Fahrzeugen eine nur anteilsmäßige Kostenbelastung zugelassen wurde: VG Frankfurt: Drei Fahrzeuge parkten auf einem Bürgersteig, nur das Fahrzeug des Klägers wurde abgeschleppt. Das VG hat es für nicht zulässig gehalten, den Kläger mit mehr als einem Drittel der Abschleppkosten zu belasten156. VGH Kassel: Mehrere Fahrzeuge hatten eine durch Zeichen 245 ausgeschilderte Busspur blockiert. Entsprechend der Verwaltungspraxis der Beklagten wurden zur Abwehr dieser Störung weniger Abschleppfahrzeuge angefordert, als falsch parkende Fahrzeuge vorhanden waren, weil erfahrungsgemäß immer einige der störenden Kfz bis zum Eintreffen der Abschleppfahrzeuge entfernt würden. Die Beklagte trug vor, die Reihenfolge, in der die Fahrzeuge abgeschleppt werden sollten, sei bereits bei Anordnung der Ersatzvornahme abstrakt bestimmt worden. Dem Kläger, der sein Kfz selbst wegfuhr, sei aufgrund dieser Reihenfolge eine Leerfahrt zuzurechnen. Der VGH Kassel hat dies nicht gelten lassen, sondern festgestellt, daß die Abschleppfahrzeuge nicht von vorneherein für bestimmte Fahrzeuge angefordert worden seien. Die Kostenerstattungspflicht habe sich deshalb auf alle diejenigen Personen zu erstrecken, die das polizeiliche Einschreiten verursacht hatten157. Folglich könne der Kläger nur anteilig zu den Lehrfahrtkosten herangezogen werden158. In der Literatur werden jene Entscheidungen im Sinne des oben erwähnten Grundsatzes einer Inanspruchnahme nach Verursachungsanteilen verstanden159. Dieser Auswahlgrundsatz kann jedoch nur bei Störermehrheit zu Anwendung kommen, also bezüglich der Verhaltensverantwortlichen nur dann, wenn eine Gefahrenlage durch mehrere Handlungen herbeigeführt wurde. Eine solche gemeinschaftliche (kumulative oder additive) Verursachung läge in den Abschleppfällen nur dann vor, wenn die abzuwehrende Gefahr von allen beteiligten Fahrern verursacht worden wäre. Anders ausgedrückt: Jeder Verantwortliche müßte hinsichtlich der gesamten Gefahrenlage beseitigungspflichtig sein. Eine präzise Bestimmung der Gefahrenlage ergibt, daß bei einer Mehrheit von Falschparkern keine Störermehrheit gegeben ist: Die Gefahrenlage besteht beispielsweise darin, daß jeder Gehwegparker für sich allein gegen § 12 Abs. 4 S. 1 StVO verstößt. Es handelt sich also um die Verursachung mehrerer Störun156

VG Frankfurt, DVBl. 1965, 779 (780); zustimmend Knauf, S. 224; a. A. in einem entsprechenden Fall VGH München, BayVBl. 1979, 307; Würtenberger/Görs, JuS 1981,596 (601 f.). 157 VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1198). 158 VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1199). 159 Giesberts, S. 91; vgl. auch Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 337.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

gen und nicht um die gemeinsame Verursachung einer Störung. Das wird besonders bei Verstößen gegen Verkehrszeichen deutlich. Parken mehrere Personen wie in dem vom VGH Kassel entschiedenen Fall auf einer Busspur (Zeichen 245), ergeht das Wegfahrgebot gegenüber jedem einzelnen Fahrer. Keinesfalls kann man ein an alle Fahrer gemeinsam gerichtetes Wegfahrgebot annehmen, da es eine gewissermaßen gesamtschuldnerische primäre Polizeipflicht nach geltendem Recht nicht gibt 6 0 und es die Verantwortlichkeit jedes einzelnen überschreiten würde, wenn er auch für die Parkverstöße anderer Verantwortlicher beseitigungspflichtig würde. Vom Ansatz her falsch ist deshalb die Entscheidung des VG Frankfurt: Es ist unerheblich, daß der Gehweg nur im Zusammenwirken aller Fahrzeuge blockiert werden konnte, weil jeder einzelne Fahrer bereits mit dem bloßen Abstellen auf dem Gehweg eine Störung der öffentlichen Sicherheit verursachte. Da der Kläger für die von ihm verursachte Störung in vollem Umfang verantwortlich war, konnte er auch in voller Höhe mit den Kosten belastet werden161. Das Ergebnis, daß jeder Fahrer nur hinsichtlich der von ihm verursachten Störung zu den Kosten herangezogen werden kann162, ist nach alledem nicht das Resultat eines ermessensbeschränkenden, mit „Verursachungsanteilen" argumentierenden Auswahlgrundsatzes, sondern unmittelbare Folge der gesetzlichen Verantwortlichkeitsbestimmung. Für die infolge einer Ersatzvornahme angefallenen Gebühren und Auslagen enthält § 9 VwVGKO eine besondere Verteilungsvorschrift. Hierbei handelt es 163

sich nicht - was mitunter verkannt wird - um eine gesetzliche Normierung der Störerauswahl. Die Vorschrift sieht eine „angemessene" Verteilung nämlich nur für den Fall vor, daß „gegen mehrere Pflichtige, die nicht Gesamtschuldner sind, bei derselben Gelegenheit vollstreckt wird". Die Bedeutung der Bestimmung wird erst deutlich, wenn man die Vorschriften des bwVwVG hinzunimmt: Mehrere Pflichtige einer Grundverfügung sind gem. §31 Abs. 1 bwVwVG Kostenschuldner und haften als solche gem. § 31 Abs. 6 bwVwVG i. V. m. § 4 Abs. 2 bwGebG gesamtschuldnerisch. Gesamtschuldner sind somit alle Personen, die Adressat des zu vollstreckenden Handlungsgebots sind. Wenn nun § 9 VwVGKO nur solche Pflichtigen erfaßt, die nicht Gesamtschuldner sind, dann folgt daraus, daß es sich bei den dort angesprochenen 160

Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 337, Fn. 429; Knauf S. 135; wohl auch VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1199); a. A. aber VGH Mannheim, VB1.BW 1991, 30 (3

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Im Ergebnis führt freilich die Ungleichbehandlung, die darin liegt, daß nur der Kläger abgeschleppt wurde, wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme. 162 Vgl. VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1199): „konkrete Zurechnung einer kostenverursachenden Maßnahme"; vgl. auch VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309), wo allerdings die Auswahlgrundsätze für anwendbar gehalten wurden. 163 Vgl. etwa Knauf, S. 180.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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Pflichtigen um Personen handeln muß, die Adressaten unterschiedlicher Handlungsgebote sind. Wie sich bei der Entscheidung des VGH Kassel gezeigt hat, gibt es Fallgestaltungen, in denen zwar jedem Pflichtigen gegenüber eigenständige Verfügungen vollzogen werden, die Vollstreckung aber bei „derselben Gelegenheit" geschieht und es deshalb Probleme bereitet, die Kosten den jeweiligen Vollstreckungshandlungen zuzuordnen. In solchen Fällen ermöglicht § 9 VwVGKO eine angemessene Verteilung der Gesamtkosten auf die einzelnen Pflichtigen. Dabei kann es auch darum gehen, Kostenvorteile, die aus dem zeitlichen und örtlichen Zusammentreffen der einzelnen Vollstrekkungshandlungen resultieren, gerecht auf die Pflichtigen umzulegen. Zur Veranschaulichung sei in Anlehnung an die bereits dargestellte Entscheidung des VGH Kassel folgendes Beispiel gebildet: Drei Fahrzeuge (A, B, C) blockieren eine Busspur. Der zuständige Beamte fordert zwei Abschleppfahrzeuge an. Vor deren Ankunft fahren A und Β weg, C wird abgeschleppt. Die Abschleppkosten164 betragen 180 DM, die der Leerfahrt 90 DM. Würde nun C mit den auf ihn entfallenden Abschleppkosten in Höhe von 180 DM und beispielsweise Β mit den Kosten der Leerfahrt belastet werden, dann profitierte allein A davon, daß aus Kostenersparnisgründen lediglich zwei Abschleppfahrzeuge angefordert wurden. Für eine solche Differenzierung gäbe es keinen sachlichen Grund; sie verstieße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 9 Abs. 2 VwVGKO könnten die gesamten Auslagen in Höhe von 270 DM auch gleichmäßig auf Α, Β und C verteilt werden. Wenn § 9 Abs. 2 VwVGKO von einer „angemessenen" Verteilung der Auslagen spricht, dann wird eine Quotierung „nach Köpfen" zwar regelmäßig geboten sein. Im Beispielfall erscheint jedoch eine Drittelung der gesamten Auslagen angesichts dessen, daß A und Β ihre Fahrzeuge selbst entfernten und somit nur jeweils eine Leerfahrt verursacht haben, unangemessen165. Angemessen ist hier eine Verteilung der Auslagen im Verhältnis der normalerweise angefallenen Leerfahrtkosten (2 χ 90 DM) zu den Abschleppkosten (180 DM). Folglich entfallen auf A und Β je ein Viertel (67,50 DM) und auf C die Hälfte (135 DM) der Gesamtsumme166. Wurde nicht im Wege der Ersatzvornahme, sondern in unmittelbarer Ausführung abgeschleppt, ist § 9 Abs. 2 VwVGKO mangels gesetzlicher Verweisung unanwendbar. Eine sachgerechte Lösung läßt sich hier - ebenso wie in den 164

Der Einfachheit halber soll hier nur der an den Abschleppunternehmer verauslagte Betrag angesetzt werden, zu Gebühren siehe § 6 VwVGKO und S. 258 ff. Vgl. dazu, daß auch eine ungleiche Belastung angemessen sein kann: Fliegauf/Maurer, § 31, Rn. 1; Knauf, S. 181. 166 Daß VGH Kassel, NJW 1984, 1197 nur die Leerfahrtkosten unter den Betroffenen verteilt, nicht aber auch die Abschleppkosten miteinbezieht, ist ohne sachliche Rechtfertigung. Aus Gründen der Gleichbehandlung muß die Kostenersparnis allen Betroffenen zugute kommen.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Bundesländern, die eine spezielle Regelung nicht kennen - jedoch bei der Bestimmung der Kostenhöhe erreichen: C muß zwar die Kosten des Abschleppens tragen. Hat die Verwaltung jedoch weniger Abschleppfahrzeuge bestellt, als Fahrzeuge abzuschleppen sind, dann ist eine Zuordnung der Kosten eines einzelnen Abschleppfahrzeuges zu einem bestimmten Verantwortlichen nicht abstrakt möglich. Nicht als Folge gemeinsamer Verantwortlichkeit (siehe oben), sondern allein aus Gründen der kostenrechtlichen Gleichbehandlung167 müssen dann die Kosten in der beschriebenen Weise zwischen allen Verantwortlichen verteilt werden. Keine Mehrheit von Störungen liegt vor, wenn hinsichtlich eines einzelnen Fahrzeugs mehrere Verantwortliche (ζ. B. Fahrer und Halter) zur Verfügung stehen. In dieser Konstellation handelt es sich um einen „echten" Fall der Störermehrheit, in dem die Auswahlgrundsätze fruchtbar gemacht werden können. IV. Auswahl zwischen Halter und Fahrer Hat der Halter sein Kfz einer anderen Person überlassen, dann stellt sich die Frage, wer von beiden auf Kostenersatz in Anspruch genommen werden kann. Die Konstellation des Zusammentreffens von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit tritt auch in anderem Zusammenhang auf und beschäftigt Rechtsprechung und Wissenschaft in außerordentlichem Maße168. Dabei wird oftmals pauschal eine vorrangige Heranziehung des Verhaltensstörers befürwortet. Auch in den Abschleppfällen stellen sich die Rechtsprechung und das Schrifttum auf diesen Standpunkt und postulieren einen grundsätzlichen Vorrang des Fahrers vor dem Halter169. Der „Grundsatz der vorrangigen Heranziehung des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer" entpuppt sich allerdings bei näherer Betrachtung als Leerformel. Denn weder aus dem Gesetz noch aus dem allgemeinen Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit ergibt sich eine derartige pauschale Beschränkung des polizeilichen Auswahlermessens. Im Einzelfall kann es ge167

Vgl. VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1199); siehe eingehend zu den Kosten der unmittelbaren Ausführung S. 259 ff. Vgl. z. B. § 304 Abs. 2 des „Professorenentwurfs" eines Umweltgesetzbuchs (Umweltbundesamt (Hrsg.), Forschungsbericht: Umweltgesetzbuch - Besonderer Teil -, Berlin 1994). 169 VGH München, BayVBl. 1979, 307 (309); 1986, 625 (626); 1987, 404; 1989, 438 (439); OVG Koblenz, NJW 1986, 1369 (1370); VG Münster, DÖV 1988, 87 (88); Geiger, BayVBl. 1983, 10 (12); Knütel, DÖV 1970, 375 (378); Scholler/Schloer, S. 262; Wolf/Stephan, § 7, Rn. 21; siehe auch mit weiteren Nachweisen Fleischer, S. 44 f.; Giesberts, S. 128, Fn. 1; Nagel, S. 127, Fn. 1; kritisch VGH Mannheim, NVwZ-RR 1991, 27; Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 98 f.; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183.

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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boten sein, den Verhaltensstörer auszuwählen, weil allein diese Entscheidung dem Gebot der gerechten Lastenverteilung Rechnung zu tragen vermag. Das ist regelmäßig der Fall, wenn eine Person die Sache einer anderen Person in einen störenden Zustand versetzt und es bei Betrachtung der Gesamtumstände geboten erscheint, die finanziellen Folgen allein dem Verhaltensstörer zuzuweisen. Um eine solche Konstellation handelt es sich beispielsweise, wenn ein Fahrzeug aus Gefälligkeit überlassen wird und es der Fahrer verbotswidrig abstellt. In diesem Fall ergibt sich der Vorrang der Verhaltensverantwortlichkeit daraus, daß der Anknüpfungspunkt der Zustandsverantwortlichkeit nur in geringem Maße zum Tragen kommt. Die Zustandsverantwortlichkeit gründet auf dem Gedanken, daß derjenige, der die Herrschaft über eine Sache und damit deren Vorteile hat, auch ihre Nachteile (die mit ihrer Nutzung verbundenen finanziellen Lasten) tragen muß170. Daran fehlt es zwar nicht bereits dann, wenn der Eigentümer sein Fahrzeug einer anderen Person überläßt, die es dann in einen gefährdenden Zustand versetzt171. Der Halter oder Eigentümer ist also ebenso wie der Fahrer polizeirechtlich verantwortlich. Der Umstand, daß die Störung auf einer Handlung beruht, die ausschließlich im eigenen Interesse des Handelnden vorgenommen wurde, kann aber für die Auswahlentscheidung Bedeutung erlangen, weil zwischen der Gefahrschaffung und der Sachherrschaft des Halters oder Eigentümers nur ein schwacher innerer Zusammenhang besteht. Anders als der Fahrer hat der Halter und Eigentümer keinen Nutzen an dem Fahrzeug und die Nutzung durch den Fahrer liegt auch nicht oder allenfalls in ganz untergeordnetem Maße in seinem eigenen Interesse. Da also nicht der Halter und Eigentümer die Vorteile der Sache genießt, erscheint es nur gerecht, wenn die Nachteile nicht ihm, sondern dem Fahrer als Nutznießer des Fahrzeugs auferlegt werden. Hinzukommt, daß der Fahrer durch sein Verhalten erst die Zustandsverantwortlichkeit des Halters oder Eigentümers aktualisiert; nicht jenen, aber dem Fahrer gegenüber kann bezüglich der Gefahrschaffung ein Schuldvorwurf erhoben werden. Wiewohl nicht offen ausgesprochen, scheint diese Bewertung ebenfalls bei den Stimmén in Literatur und Rechtsprechung anzuklingen, die vom Vorrang des sog. „Doppelstörers" ausgehen17 (der Fahrer ist als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft Zustands- und als Handelnder Verhaltensverantwortlicher). Die hier vorgenommene Differenzierung nach dem Interesse des Zustandsverantwortlichen am Gebrauch der Sache läßt sich in gleicher Weise auf andere Konstellationen übertragen, in denen ein Verantwortlicher ein Fahrzeug in sei-

170 Die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers stellt sich als Ausprägung der Sozialgebundenheit des Eigentums dar, Art. 14 Abs. 2 GG. 171 So ausdrücklich BVerwG, NJW 1992, 1908; Giesberts, S. 105. 172

Vgl. hierzu Giesberts, S. 107 ff.; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 19, 6 d (S. 305); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

nem ausschließlichen Eigeninteresse zur Verfügung hat. Vorrangig heranzuziehen ist deshalb - der Halter und Sicherungsgeber vor dem Eigentümer und Sicherungsnehmer bei Sicherungsübereignung eines Kfz, - der Halter und Vorbehaltskäufer vor dem Verkäufer und Noch-Eigentümer bei Erwerb eines Fahrzeugs unter Eigentumsvorbehalt, - unter mehreren Miteigentümern diejenige Person (oder diejenigen Personen), die als Halter anzusehen ist (sind). Hingegen fehlt es an einem ausschließlichen oder auch nur überwiegenden Eigeninteresse des Fahrers, wenn dieser auf Veranlassung des Halters oder in dessen Interesse tätig wird. So hat der Geschäftsherr und Halter eines Fahrzeugs dessen Nutzen, wenn das Kfz von einem Angestellten geschäftlich benutzt wird (Beispiel: ordnungswidriges Abstellen eines Lieferfahrzeuges zum Ausladen von Waren). In solchen Fällen ist es gerechtfertigt, den Halter mit den Kosten zu belasten. Es besteht auch kein Vorrang des Fahrers als „Doppelstörer", da der Halter nicht lediglich Zustandsverantwortlicher, sondern als Geschäftsherr auch Verhaltensverantwortlicher (§ 6 Abs. 3 bwPolG), also ebenfalls aus zweifachem Grund verantwortlich ist. V. Probleme bei der Sachverhaltsklärung Bislang wurde das Problem ausgespart, wie verfahren werden soll, wenn Verantwortliche von der Behörde nicht ermittelt werden können. Häufig gibt beispielsweise der Halter, der über das Kfz-Kennzeichen unschwer ausfindig gemacht werden kann, auf Anfrage an, nicht selbst gefahren zu sein und zur Identität des Fahrers keine Angaben machen zu wollen. Eine sachgerechte Lösung hat am Grundsatz der Amtsermittlung anzusetzen. Die Verwaltung hat nach § 24 bwVwVfG den Sachverhalt von Amts wegen zu untersuchen und dabei auch Ermittlungen nach den Verantwortlichen anzustellen. Die Sachverhaltsermittlung ist zugleich Voraussetzung einer rechtmäßigen Ermessensentscheidung. Denn Ausübung von Ermessen bedeutet, daß die Behörde mehrere rechtlich zulässige Handlungsmöglichkeiten gegeneinander abwägt. Eine solche Abwägung kann jedoch nur dann erfolgen, wenn die Behörde den Sachverhalt ermittelt hat, da sie nur dann alle wesentlichen Gesichtspunkte in die Abwägung einzustellen vermag173. Folglich handelt die Polizei ermessensfehlerhaft, wenn sie den Halter in Anspruch nimmt, ohne weitere Ermittlungen nach dem Fahrer angestellt zu haben14. 173 174

Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 339. VGH München, BayVBl. 1987, 404; vgl. Geiger, BayVBl. 1983, 10 (13).

1. Abschn. : Die für Abschleppmaßnahmen Verantwortlichen

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Die Polizei ist also gehalten, Nachforschungen anzustellen. Damit ist jedoch noch keine Aussage dazu getroffen, welchen Aufwand sie hierbei treiben muß. Die Ermittlungspflicht endet nach dem Willen des Gesetzgebers, wenn „weitere Bemühungen der Behörde im Verhältnis zum Erfolg nicht mehr vertretbar und zumutbar wären"175. In diesem Sinne hält auch die Rechtsprechung die Heranziehung des Zustandsverantwortlichen für möglich, wenn die Feststellung des Fahrers mit angemessenem und zumutbarem Aufwand nicht möglich sei176. Dabei sollen an den Ermittlungsaufwand keine hohen Anforderungen zu stellen sein177. Die neuere Rechtsprechung hält es nicht für notwendig, weitere Ermittlungen nach dem Fahrer anzustellen, wenn der Halter dessen Namen auf Anfrage nicht unverzüglich mitteile178. Denn angesichts der geringen Erfolgschancen ohne Mitwirkung des Halters würde es dem öffentlichen Interesse an einer möglichst großen Wirksamkeit der polizeilichen Tätigkeit durch angemessenen Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel widersprechen und eine Überspannung der polizeilichen Ermittlungspflicht bedeuten, wenn weiter nach einem Verhaltensverantwortlichen gesucht werden müßte179. Wenn der Fahrer nach den dargestellten Grundsätzen nicht zu ermitteln sei, könne der Halter auf Kostenersatz in Anspruch genommen werden180. Wenn demgegenüber die Ansicht vertreten wird, daß auch im Verhältnis von Verhaltens- und Zustandsstörer eine Verpflichtung nach Verursachungsanteilen geboten sei181, so daß bei Nichterweislichkeit eines Verantwortlichen dessen Kostenlast als Gemeinlast anfalle 182 , kann dem nicht zugestimmt werden183. Der Halter ist zwar nicht zur Mitwirkung bei den Ermittlungen verpflichtet hierzu bedürfte es einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht, § 26 Abs. 2 S. 3 bwVwVfG. Die Beteiligten „sollen" aber an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken (§ 26 Abs. 2 S. 1 bwVwVfG). Sie trifft eine Mitwirkungslast, eine Ob175

Begründung zu § 20 des Entwurfs eines VwVfG, BT-Drucks. 7/910, S. 49. VGH München, BayVBl. 1986, 625 (626); 1987, 404; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369 (1370); OVG Saarlouis, vom 7.12.1988 - 1 R 171/87 -. 177 Vgl. OVG Münster, NJW 1981, 478. 178 VGH München, BayVBl. 1986, 625 (627); OVG Koblenz, NJW 1986, 1369 (1370); OVG Bremen, DAR 1986, 159; VG Münster, DÖV 1988, 87 (88); VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (260); OVG Saarlouis, vom 7.12.1988 - 1 R 171/87 -; zustimmend Berr/Hauser, Rn. 648; Götz, Rn. 256; Scholler/Schioer, S. 262; kritisch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 183, Fn. 477; ablehnend Giesberts, S. 161. 179 VGH München, BayVBl. 1986, 625 (627); 1987, 404. 180 VGH München, BayVBl. 1986, 625 (627); 1987, 404; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369 (1370); VG Münster, DÖV 1988, 87 (88); VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (260); OVG Saarlouis, vom 7.12.1988 - 1 R 171/87 -. 181 Giesberts, S. 105. 182 Giesberts, S. 59. 176

183

Dagegen auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 182; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 340; vgl. Hormann, S. 233.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

liegenheit. Verweigert der Halter die Identifizierung des Fahrers ohne hinreichenden Grund, liegt darin eine Obliegenheitsverletzung, die zwar keine unmittelbare Sanktion nach sich zieht, aber mittelbar sich zu Lasten des Halters auswirken kann. Die Obliegenheitsverletzung hat nämlich zur Folge, daß die Behörde nicht mehr gehalten ist, allen weiteren, wesentlich aufwendigeren Erkenntnismöglichkeiten nachzugehen184. Sie kann es deshalb bei der Ermittlung des Halters bewenden lassen, wenn eine weitere Sachverhaltserforschung wenig erfolgsversprechend erscheint. Der Halter kann dann aufgrund der ermittelten Tatsachenlage als allein verantwortlich angesehen und in voller Höhe zum Kostenersatz verpflichtet werden185. VI. Lastengleichheit durch Gesamtschuldnerausgleich Eine gerechte Kostenbelastung ließe sich auch dadurch herbeiführen, daß die für ein abgeschlepptes Fahrzeug Verantwortlichen als Gesamtschuldner qualifiziert werden. Der Inanspruchgenommene könnte dann von den übrigen Kostenschuldnern gem. § 426 BGB Ausgleich verlangen. Anders als in anderen Polizeigesetzen16, findet sich im bwPolG keine ausdrückliche Gesamtschuldanordnung. Gesamtschuldner sind zwar gem. § 31 Abs. 6 bwVwVG i. V. m. § 4 Abs. 2 bwGebG mehrere Pflichtige bei einer Ersatzvornahme. Eine Gesamtschuld mehrerer Pflichtiger liegt aber nur dann vor, wenn diese zur Erbringung derselben Handlung verpflichtet sind, die Vornahme der Handlung durch einen der Verantwortlichen also auch zugunsten der anderen wirkt. Dies ist bei einer Mehrheit von Störungen (durch verschiedene Fahrzeuge, siehe oben) nicht gegeben, trifft aber bei einer Mehrheit von Störenden (hinsichtlich eines Fahrzeuges, ζ. B. Halter und Fahrer) zu. Da bei der zuletzt genannten Fallgruppe regelmäßig nur eine Person Pflichtiger einer Ersatzvornahme ist und den anderen gegenüber in unmittelbarer Ausführung gehandelt wird, können die §§31 Abs. 6 bwVwVG, 4 Abs. 2 bwGebG nicht zur Anwendung kommen. Ob eine Gesamtschuld auch ohne gesetzliche Anordnung angenommen werden kann, ist umstritten. Angesichts dessen, daß die Verantwortlichen inhaltlich in gleicher Weise zur Gefahrenabwehr und Kostentragung verpflichtet sind und somit exakt jene Situation gegeben ist, die §421 S. 1 BGB beschreibt, erscheint eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Gesamtschuldregeln ge-

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Kopp, VwVfG, § 26, Rn. 43 m. w. Nachw.; vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 185 § 26, Rn. 37; Clausen, in: Knack, § 26, Rn. 7. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 340; a. A. Giesberts, S. 161. Das gilt selbstverständlich nur dann, wenn die Verantwortlichkeit des Halters feststeht. 186 Vgl. die den §§24 Abs. 3 S. 2, 50 Abs. 2 MEPolG entsprechenden Vorschriften.

2. Abschn.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

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boten187, soweit dem nicht im einzelnen öffentliches Recht entgegen steht188. Die Begründung eines Ausgleichsanspruchs analog § 426 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB ist durch das öffentliche Recht nicht nur nicht ausgeschlossen189, sondern angesichts des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebots der Lastengleichheit sogar gefordert. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich vornehmlich nach dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner, welches regelmäßig einen Ausgleichsanspruch gegen den Fahrer in voller Höhe der vom Halter/Eigentümer beglichenen Kosten begründen wird 190. Zweiter Abschnitt

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit A. Inhalt und positivrechtliche Normierung Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn (auch als Übermaßverbot bezeichnet) hat Verfassungsrang 191. Er ist zudem in § 5 Abs. 1, Abs. 2 bwPolG und § 19 Abs. 2, Abs. 3 bwVwVG einfachgesetzlich normiert worden und auch in § 2 Abs. 1, Abs. 2 MEPolG enthalten. Als Elemente des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn werden die Prinzipien der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn unterschieden192: Erstens darf die Polizei sich keines Mittels bedienen, das zur Erreichung des verfolgten Zweckes ungeeignet ist, das also die Gefahr nicht auch nur teilweise abzuwehren vermag (Grundsatz der Geeignetheit). Zweitens ist sie verpflichtet, unter mehreren gleich geeigneten Mitteln dasjenige zu verwenden, das den Betroffenen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt (Grundsatz der Erforderlichkeit oder des geringstmöglichen Eingriffs, §§5 Abs. 1 bwPolG, 19 Abs. 2 bwVwVG, 2 Abs. 1 MEPolG). Drittens sind ihr selbst die zur Gefahrenabwehr geeigneten und erforderlichen Maßnahmen verboten, wenn durch sie ein 187

Siehe Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 100a; Götz, Rn. 259; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 184 m. w. Nachw.; a. A. BGH, DÖV 1981, 843 (844). Ζ. B. ist das Ermessen der Verwaltung bei der Schuldnerauswahl anders als jenes des privaten Gläubigers (§ 421 S. 1 BGB) rechtlich gebunden; vgl. Knauf, S. 239; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 184 f. 189 Die Analogie scheitert insbesondere nicht am Vorbehalt des Gesetzes, siehe ausfuhrlich und mit vielen weiteren Argumenten Schenke, in: Steiner, II, Rn. 185 f. 190

Dies kann sich beispielsweise aus einem Leihvertrag oder in analoger Anwendung des § 254 BGB (vgl. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 185 f.) ergeben. BVerfGE 19, 342 (348); 38, 348 (368); BVerwGE 26, 305 (309). 192

Siehe beispielsweise Maurer, § 10, Rn. 17; Möller/Wilhelm, Rn. 5; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 201.

S. 82; Rasch, § 2,

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Nachteil herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne oder der Angemessenheit, §§5 Abs. 2 bwPolG, 19 Abs. 3 bwVwVG, 2 Abs. 2 MEPolG).

B. Geeignetheit und Erforderlichkeit von Abschleppmaßnahmen Ohne Zweifel ist das Abschleppen und Verwahren eines Fahrzeugs geeignet, die von dessen Lage, Beschaffenheit oder Verwendung ausgehende Gefahr oder Störung zu beseitigen. Erforderlich ist diese Maßnahme aber nur dann, wenn ihr Zweck - die Abwehr einer Gefahr bzw. die Beendigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit - nicht auch auf mildere Art und Weise erreicht werden kann. Mildere Mittel sind regelmäßig solche Maßnahmen, die den Verantwortlichen mit geringeren Nachteilen, insbesondere mit geringeren Kosten belasten. Nachfolgend wird untersucht, in welchen Konstellationen Abschleppmaßnahmen erforderlich sind und wann die Polizei andere, mildere Mittel anwenden kann. I. Bußgeld kein milderes Mittel Zwar würde die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens in Anbetracht des zu verhängenden Bußgeldes den Verantwortlichen in finanzieller Hinsicht meist weniger belasten als das Abschleppen des Fahrzeugs. Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion vermag jedoch die Abschleppmaßnahme nicht zu ersetzen193. Durch die Verhängung eines Büß- oder Verwarnungsgeldes wird ein bestehenden Verkehrsverstoß zwar geahndet, nicht aber beendet. Um die Störung zu beenden, ist das Entfernen des Kfz - sei es durch den Verantwortlichen, sei es durch die Polizei - stets erforderlich. II. Entfernung durch den Verantwortlichen selbst oder durch die Verwaltung Für den Verantwortlichen ist es weniger belastend, wenn ihm selbst die Möglichkeit gegeben wird, das Fahrzeug wegzufahren und auf diese Weise die Störung, den Verstoß gegen das Halt- oder Parkverbot zu beenden. Dieser Gedanke hat sich in § 8 Abs. 1 bwPolG niedergeschlagen, wo die Zulässigkeit der

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Vgl. VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); OVG Bremen, DAR 1977, 276 (278); VG Leipzig, LKV 1995, 165; Ipsen, Rn. 297; unzutreffend VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22 (24).

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

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unmittelbaren Ausführung davon abhängig gemacht wird, daß Maßnahmen gegen Verantwortliche nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden können 9 4 . Damit stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Polizei zur Ermittlung des oder der Verantwortlichen tätig werden muß. 1. Der Umfang der Nachforschungspflicht Das VG Frankfurt hat in einem Urteil aus dem Jahr 1965 die Auffassung vertreten, die Polizei müsse die Wohnung des Kfz-Halters ermitteln, um diesen, falls er in unmittelbarer Nähe wohne, aufzufordern, seinen Wagen wegzufahren195. Gleicher Meinung waren möglicherweise noch der VGH Kassel, das VG Freiburg und das OVG Münster, die in ihren Urteilen aus den Jahren 1977 und 1979 eine Nachforschungspflicht jedoch verneinen konnten, da das Fahrzeug ein auswärtiges Kennzeichen aufgewiesen habe196. Der VGH Mannheim hat in einer früheren Entscheidung nicht darauf abgehoben, ob es sich um ein auswärtiges Fahrzeug handelt oder der Halter in der Nähe ermittelbar ist. Der VGH hat es nicht für ausreichend angesehen, daß der Fahrer seine Visitenkarte hinter der Windschutzscheibe zurückgelassen hatte, sondern Nachforschungen nur für den Fall für nötig erachtet, daß an dem Fahrzeug ein deutlich sichtbarer Hinweis angebracht sei, daß der Fahrer in der Nähe sei und kurzfristig aufgefunden werden könne197. Die neuere Rechtsprechung und die Literatur haben diesen restriktiven Standpunkt übernommen. Mit unterschiedlichen Nuancierungen in der Formulierung wird eine Nachforschungspflicht grundsätzlich abgelehnt. Das OVG Lüneburg hat entschieden, die Polizei sei bei einer schwerwiegenden Störung (Parken im Haltverbot) nicht verpflichtet gewesen, die Adresse des Fahrers oder Halters auf dem „zeitraubenden Weg" über die Zulassungsstelle zu ermitteln198. Auch eine telefonische Nachfrage beim Halter verspreche regelmäßig keinen Erfolg, da derjenige, der das Fahrzeug abgestellt habe, in aller Regel nicht kurzfristig auffindbar sei199. Ähnlich meint das OVG Münster, Nachforschungen seien der Polizei nur dann zuzumuten, wenn die Örtlichkeiten oder besondere Anhaltspunkte die Annahme nahelegten, daß eine gezielte Nachfra-

194

1 9 5 Siehe zur

unmittelbaren Ausführung S. 139 ff. VG Frankfurt, DVBl. 1965, 779 (780). VGH Kassel, VerkMitt 1978, 8; VG Freiburg, NJW 1979, 2060 (2061); OVG Münster, NJW 1981, 478; siehe auch BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022). 197 VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (170); ebenso OVG Berlin, VerkMitt 1982, 64. 198 OVG Lüneburg, VRS 58, 233 (234). 199 OVG Lüneburg, VRS 58, 233 (234); vgl. auch VGH München, NZV 1992, 207 (208). 196

208

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

ge in der Nähe zum sofortigen Auffinden des Kraftfahrzeugführers führen könnte200. Klenke fordert einen deutlich sichtbaren „Zettel mit einem Hinweis auf einen jederzeit erreichbaren Aufenthalt in unmittelbarer Nähe"201, Wolf/Stephan zufolge müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Fahrer ohne Schwierigkeit und ohne Verzögerung ermittelt werden kann202. Steckert und Berner/Köhler verlangen zwar grundsätzlich Ermittlungen, betonen aber, daß Nachforschungen unterbleiben könnten, wenn sie nur mit einem Zeitaufwand möglich seien, der die Erfüllung anderer polizeilicher Aufgaben beeinträchtige, und ohnehin nur eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit bestehe203. Fehlen besondere Anhaltspunkte, Zettel oder Hinweise, begnügen sich die Gerichte zunehmend damit festzustellen, daß der Halter oder Fahrer nicht erreichbar oder unbekannt und mit zumutbarem Aufwand nicht zu ermitteln gewesen sei204. In ähnlicher Weise hat der VGH Mannheim formuliert, eine Pflicht zur Ermittlung des Führers oder Halters des Fahrzeugs habe wegen der ungewissen Erfolgsaussichten und der nicht abzusehenden weiteren Verzögerungen nicht bestanden205. Das VG Berlin hat selbst in einem Fall, in dem der Fahrer im Pkw einen deutlich lesbaren Zettel mit Name, Anschrift und Telefonnummer hinterlassen hat, eine Nachforschungspflicht verneint. Denn es könne „nicht davon ausgegangen werden, daß eine Nachforschung nach einem Bediensteten innerhalb eines Behördengebäudes im Citybereich in den Mittagsstunden dazu geführt hätte, den Betreffenden als Fahrer des die öffentliche Ordnung bereits störenden Fahrzeugs ohne Schwierigkeiten und ohne Verzögerungen festzustellen und zur sofortigen Beseitigung des verbotswidrigen Parkens zu veranlassen"206. Die in der Rechtsprechung erkennbare Tendenz, an die Nachforschungspflicht stetig höhere Anforderungen zu stellen, zeigt, daß die Gerichte bemüht sind, angesichts der Begrenztheit der polizeilichen Mittel und der enormen mengenmäßigen Dimension der Abschleppfälle deren effektive Bewältigung sicherzustellen207. Vor diesem Hintergrund kann davon ausgegangen werden, 200

OVG Münster, NJW 1981, 478; ähnlich VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 28; VG Würzburg, NVwZ-RR 1989, 138 (139); Kottmann, DÖV 1983, 493 (499). 201 Klenke, NWVB1. 1994, 288 (290). 202 Wolf/Stephan, § 8, Rn. 18. 203 Steckert, DVBl. 1971, 243 (245); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9. 204 VGH München, BayVBl. 1979, 307 (308); OVG Münster, NJW 1990, 2835 (2836); DAR 1995, 377 (378); VG Düsseldorf, NZV 1993, 287 (288). 205 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; DVBl. 1991, 1370; NZV 1990, 286 (287); ebenso OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468 (470); VG Saarlouis, ZfS 1993, 215; Janssen, JA 1996, 165 (169). 206 VG Berlin, ZfS 1993, 252. 207 Vgl. die Ausführungen bei OVG Münster, NJW 1981, 478 und VG Berlin, ZfS 1993, 252.

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

209

daß Nachforschungen zumindest in Großstädten praktisch immer einen unverhältnismäßigen Zeitaufwand verursachen würden. Eine Nachforschungspflicht ist somit nur dann anzuerkennen, wenn der Fahrer nach den konkreten Umständen ohne nennenswerte Verzögerungen ausfindig gemacht und zur Störungsbeseitigung veranlaßt werden kann208. Nachforschungen sind nur dann geboten, wenn sich der Fahrer erkennbar in unmittelbarer Nähe aufhält und die Größe der in Betracht kommenden Örtlichkeiten so begrenzt ist, daß Nachfragen auch tatsächlich erfolgsversprechend sind. Die Polizei hätte beispielsweise in einem vom OVG Bremen entschiedenen Fall nachforschen müssen, ob sie den Fahrer „durch Betätigung des Klingelknopfes an der wenige Meter entfernten Hauseingangstür [...] hätte benachrichtigen und auffordern können, sein Fahrzeug wegzufahren" 209. Besteht die Möglichkeit, den Fahrer durch eine Lautsprecheranlage ausrufen zu lassen, dann sind derartige Nachforschungsversuche zumindest dann geboten, wenn aufgrund der Größe der Örtlichkeit, der Art der Veranstaltung etc. die Benutzung einer Lautsprecheranlage sinnvoll und erfolgsversprechend erscheint210. So könnte das Ausrufen während einer Theateraufführung oder während einer Konzertveranstaltung unterbleiben, weil ein solches Vorgehen angesichts der damit verbundenen Beeinträchtigungen zumindest unzweckmäßig, eventuell sogar unzulässig wäre. Gleiches gilt bei Großveranstaltungen mit Tausenden von Teilnehmern, da es hier schon angesichts der zurückzulegenden Entfernung und der Menschenmengen nicht zu erwarten ist, daß der Ausgerufene - sollte er die Durchsage überhaupt wahrnehmen - innerhalb kurzer Zeit am Fahrzeug erscheinen kann. 2. Erforderlichkeit

bei Erscheinen des Verantwortlichen

Wenn auch die Polizei einen Verantwortlichen nicht ermitteln konnte und somit die Abschleppmaßnahme ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit einleiten durfte, ändert sich diese Beurteilung, wenn der Verantwortliche während des Abschleppvorgangs erscheint und sein Fahrzeug wegfahren will. Die Fortführung der Maßnahme wäre in diesem Fall nicht erforderlich.

208 9(19

Vgl. OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468 (470); Vahle, VR 1997, 92 (94).

OVG Bremen, DAR 1985, 127 (128). Hier war aber nicht aufzuklären, ob die Polizei davon Kenntnis hatte, daß sich der Fahrer in dem nahe gelegenen Haus aufhielt. 210 Vgl. VG München, DAR 1965, 223 (224): erfolglose Lautsprecherdurchsage in Messehalle; VG Freiburg, VB1.BW 1987, 472 (473): erfolglose Lautsprecherdurchsagen im benachbarten Einkaufszentrum und auf dem dahinter gelegenen Flohmarkt. 14 Schieferdecker

210

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

III. Versetzen oder Abschleppen zur Verwahrung Ist die Entfernung aus einem Park- oder Haltverbot als erforderlich anzusehen, gilt das nicht zwangsläufig auch für den sich anschließenden Transport und die Verwahrung auf einem Verwahrplatz. Wie bereits im ersten Teil der Arbeit dargestellt wurde, wird die weitere Behandlung des von seinem Standort entfernten Fahrzeugs durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesteuert. Findet sich in der unmittelbaren Nähe (in Sichtweite) des bisherigen Standorts kein freier und zulässiger Parkplatz, ist es grundsätzlich erforderlich, daß die Polizei das Fahrzeug auf einen zur Verwahrung von abgeschleppten Fahrzeugen bestimmten Platz verbringt und dort bis zur Abholung durch einen Berechtigten verwahrt. Eine solche Behandlung des Fahrzeugs ist für den Betroffenen in der Regel weniger belastend als ein Abstellen in weiter Entfernung (beispielsweise auf einem mehrere Km entfernten Großparkplatz). Da nämlich die Abschleppkosten regelmäßig als Pauschale erhoben werden und beim Abtransport des Fahrzeugs in jedem Fall anfallen, ergibt sich wegen der Verwahrung eine nur geringe zusätzliche Kostenbelastung. Dem stehen die mit der Inobhutnahme verbundenen Vorteile gegenüber. Zudem können bei der Beurteilung der Erforderlichkeit auch Gesichtspunkte der Verwaltungseffizienz bedeutsam werden. Die Suche nach einem freien, kostenlosen, zum Dauerparken geeigneten und für die mit dem Abschleppfahrzeug auszuführenden Manöver hinreichend geräumigen Parkplatz wird sich oftmals als äußerst schwierig herausstellen, so daß ein solches Unterfangen als zur vollständigen Gefahrenabwehr ungeeignet erscheinen kann.

IV. Verwahrung oder kostenpflichtige Parkplatzbenutzung Fraglich ist, ob Fahrzeuge anstatt auf einem Verwahrungsgelände auch auf einem kostenpflichtigen Parkplatz abgestellt werden können. Die Inanspruchnahme eines kostenpflichtigen Parkplatzes wird regelmäßig nicht erforderlich sein, weil die Parkplatzkosten üblicherweise diejenigen einer Verwahrung übersteigen. Je nach Fallgestaltung kann jedoch auch eine andere Beurteilung sachgerecht sein. In der Entscheidung des OVG Hamburg vom 19.8.1993 ging es beispielsweise um ein in Flughafennähe ordnungswidrig abgestelltes Fahrzeug. Hier lag es nahe, davon auszugehen, daß das Abstellen des Fahrzeugs auf dem Flughafenparkplatz dem Interesse des Betroffenen entspricht. Denn es ist anzunehmen, daß dem Betroffenen daran gelegen sein wird, nach der Rückkehr aus dem Urlaub sein Fahrzeug zur Heimfahrt vom Flughafen zur Verfügung zu haben. Zudem dürften in einem solchen Fall geringere Kosten entstehen, als wenn der Betroffene zur Heimfahrt vom Flughafen und zur Abholung seines

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

211

Fahrzeugs ein Taxi in Anspruch nehmen und zudem die Kosten der Verwahrung tragen müßte211. V. Erforderlichkeit einer Sicherstellung Die amtliche Inverwahrungnahme durch Sicherstellung ist zwar ein geeignetes Mittel um Diebstahl oder Sachbeschädigung vorzubeugen. In vielen Fällen sind jedoch auch Maßnahmen ausreichend, die das Fahrzeug an seinem Standort belassen. So ist eine Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten (§ 21 Nr. 2 MEPolG, § 32 Abs. 1 bwPolG) nicht erforderlich, wenn ein Fahrzeug auch durch Verschließen der Türen oder andere Sicherungsmaßnahmen wirkungsvoll vor Diebstahl geschützt werden kann212. Auch ist die sofortige Sicherstellung wiederaufgefundener gestohlener Fahrzeuge grundsätzlich nicht erforderlich 213. Befinden sich wertvolle Gegenstände wie etwa eine Fotoausrüstung in einem offenen Cabriolet, ist es selbstverständlich nicht erforderlich, daß das Fahrzeug abgeschleppt wird. Es genügt, wenn die Polizei die gefährdeten Gegenstände sicherstellt. Auch eine Sicherstellung gem. §21 Nr. 1 MEPolG (Beschlagnahme gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) wird vielfach nicht erforderlich sein. Geht eine Gefahr beispielsweise in der Weise von einem Fahrzeug aus, daß es von einem fahruntüchtigen Fahrer in Bewegung gesetzt werden soll, dann kann diese Gefahr auch dadurch abgewehrt werden, daß die Polizei die Zündschlüssel sicherstellt214. Auch bei Fahrzeugen, die sich in einem verkehrsgefährdenden Zustand befinden, kommen je nach konkreter Situation Maßnahmen in Betracht, die dem Betroffenen zwar das Weiterfahren unmöglich machen, ihn aber nicht mit den Kosten für den Transport zu einem polizeilichen Verwahrungsgelände belasten. Eine Sicherstellung wäre in solchen Fällen nicht erforderlich und wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig215

211

Ebenso im Ergebnis OVG Hamburg, vom 19.8.1993 - Bf VIII 3/93 -, II 2 b der Entscheidungsgründe: Abstellen auf dem Parkplatz sei verhältnismäßig. 212 OVG Münster, NJW 1978, 720 (721); Janssen,, JA 1996, 165 (169). 213 Vgl. OVG Münster, NJW 1978, 720 (721).

Ίίά

71 sVgl. VGH Mannheim, vom 5.2.1979 -165/78. Vgl. auch VGH Mannheim, DOV 1994, 82 (83): die Beschlagnahme eines Fahrzeugs wegen abgefahrener Vorderreifen sei infolge des Vorrangs der einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Befugnisse rechtswidrig.

212

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

C. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne I. Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit von Abschleppmaßnahmen 1. Fußgängerzonen Der VGH Kassel hat in seinem Urteil vom 7.7.1980 die Auffassung vertreten, ein Abschleppen aus Fußgängerbereichen sei nur dann zulässig, wenn von dem betreffenden verkehrswidrig geparkten Fahrzeug eine konkrete Verkehrsbehinderung oder eine Verkehrsgefährdung ausgehe216. Das Gericht betont zunächst zutreffend, „daß ein verkehrswidrig geparktes Kraftfahrzeug stets eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt"217. Sodann legt es dar, daß aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine erhebliche Störung zu fordern sei. Erheblich sei die Störung aber nur dann, wenn zum bloßen Normverstoß eine konkrete Verkehrsbehinderung oder -gefährdung hinzukomme. Dies hänge von den Örtlichkeiten ab. So könne ein Kraftfahrzeug in einem engen oder unübersichtlichen Fußgängerbereich durchaus eine Verkehrsbehinderung, unter Umständen auch eine Verkehrsgefährdung darstellen218. Nach der Rechtsprechung des OVG Münster kommt es nicht darauf an, ob beim Parken in Fußgängerbereichen „im Einzelfall Belastungen feststellbar sind und Personen daran Anstoß nehmen"219. Denn es überwiege das öffentliche Interesse daran, den städtebaulichen und planerischen Gesichtspunkten, die bei der Einrichtung von Fußgängerbereichen verfolgt würden, Geltung zu verschaffen. Als maßgebliche Gesichtspunkte nennt das OVG die „Verbesserung der Lebensqualität" und die „Wiederbelebung des öffentlichen Verkehrsraumes in den Innenstädten" durch Schaffung von „Ruhezonen, die Passanten zum Aufenthalt und Verweilen einladen und ihnen eine ungestörte Kommunikation ermöglichen"220. Kraftfahrzeuge, die in Fußgängerbereiche einfahren und diese zum Parken nutzen, beeinträchtigten diese Zwecke, weil sie den ungefährdeten Aufenthalt von Fußgängern in Frage stellten und den Fußgängerbereich durch „Verunstaltung, Lärm und Abgase" belasteten221. Auch der VGH München und das OVG Koblenz halten den Nachweis einer 222

konkreten Behinderung oder Gefährdung im Einzelfall für entbehrlich . An216

VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22 (24). VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22 (24). 218 VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22 (24). 219 OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278). 220 OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278); vgl. auch VGH München, NJW 1984, 2962 (2965); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648). 221 OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278). 217

2. Abschn.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

213

ders als das OVG Münster stellen die beiden Gerichte jedoch nicht in erster Linie auf die hinter der straßenrechtlichen Entscheidung stehenden öffentlichen Interessen ab, sondern bleiben im wesentlichen der Ansicht des VGH Kassel verhaftet. Ein in einer Fußgängerzone geparktes Fahrzeug soll grundsätzlich als Gefahr für den Fußgängerverkehr angesehen werden können. Eine solche Gefahr sei gegeben, weil das Publikum in Fußgängerbereichen grundsätzlich nicht mit dem Auftauchen von Fahrzeugen rechnen müsse und aus diesem Grunde die Möglichkeit eines jederzeitigen Schadenseintritts bestehe223. In konsequenter Fortsetzung dieser Rechtsprechungslinie verneint das OVG Lüneburg die Zulässigkeit von Abschleppmaßnahmen, wenn der Verkehrsverstoß zur Nachtzeit (2 Uhr morgens) stattfinde. Zu dieser Zeitfinde überhaupt kein Fußgängerverkehr statt, so daß eine Beeinträchtigung desselben nicht in Betracht komme224. Folglich sei „die öffentliche Ordnung und Sicherheit entweder überhaupt nicht oder nur sehr geringfügig gestört"225. Abgesehen davon, daß eine Störung der öffentlichen Sicherheit bereits deshalb gegeben ist, weil der Fahrer gegen das die Fußgängerzone kenntlich machende Verkehrszeichen verstoßen und damit zugleich den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO verwirklicht hat, verkennt das OVG Lüneburg die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu beurteilenden öffentlichen Interessen. Es entwickelt damit den falschen Ansatz fort, der auch in den Entscheidungen des VGH Kassel, des VGH München und des OVG Koblenz zutage tritt: Zwar mag es zutreffen, daß das öffentliche Interesse am Schutz von Gesundheit und Leben der Fußgänger wegen des in der Regel nicht stattfindenden Fußgängerverkehrs in der Nachtzeit geschmälert ist. Dies kann jedoch die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht zugunsten des Bürgers ausfallen lassen. Denn entgegen der Ansicht des OVG Lüneburgs226 stehen den Nachteilen, die der Betroffene zu erdulden hat, gewichtige öffentliche Interessen gegenüber. Die Abschleppmaßnahme dient nicht allein der Abwehr von Gefahren für Fußgänger, sondern auch oder sogar in erster Linie der Erhaltung der widmungsgemäßen Funktionsbestimmung des Fußgängerbereichs. Die Einrichtung einer Fußgängerzone erfolgt, wie das OVG Münster zu Recht hervorgehoben hat, nicht oder nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit. Die Einrichtung einer Fußgängerzone ist eine städteplanerische Entscheidung der Gemeinde, letzlich 222

VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); ebenso Jahn, JuS 1989, 969 (971); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 17; für die Tageszeit auch OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648). 223 VGH München, NJW 1984, 2962 (2964); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659Ì; ebenso Hiltl, S. 151 f.; Jahn, JuS 1989, 969 (971). 22 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648); vgl. auch Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1030). 225 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648). 226 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648).

214

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Ausfluß ihrer Planungshoheit. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Fußgängerzone in der Nachtzeit mangels Fußgängerverkehr ihre Funktion als Ruhezone, Kommunikationsort und „autofreier" Lebensraum verliert. Sie mag andere Funktionen haben. Es wäre zu denken an die Fernhaltung von Lärm und Abgasen zum Schutz historischer Gebäude oder der Nachtruhe der Anwohner oder an die Verdrängung des Individualverkehrs aus städtebaulich-ästhetischen Gründen. Letztlich muß es sein Bewenden damit haben, daß sich die Gemeinde aus städtebaulichen und planerischen Gesichtspunkten dafür entschieden hat, die betreffenden Flächen dem Fahrzeugverkehr zu entziehen. Die Gemeinde hat durch die Widmung zum Ausdruck gebracht, daß sie die genannten Zwecke für so gewichtig hält, daß das grundsätzliche Verkehrsverbot auch in der Nachtzeit aufrechterhalten bleiben muß. Anderenfalls hätte sie die Zone während dieser Zeit für den allgemeinen Fahrzeugverkehr freigeben können. Die Rechtsprechung des OVG Lüneburg bewirkt, daß entgegen der Widmung ein auf die Nachtzeit begrenztes, sanktionsloses Parken ermöglicht wird 227. Angesichts der vergleichsweise geringen Nachteile des Betroffenen steht das Abschleppen nicht außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck, eine derartige Aushöhlung der Funktionsbestimmung von Fußgängerbereichen zu verhindern228. Anderes kann nur in Ausnahmefällen gelten. Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn die Funktionsbestimmung eines Fußgängerbereichs nur unbedeutend beeinträchtigt ist, etwa deshalb, weil ein ansonsten ordnungsgemäß geparktes Fahrzeug geringfügig in den Fußgängerbereich hineinragt229. 2. Behinderten- und Anwohnerparkplätze Der Einrichtung von Behindertenparkplätzen liegt die Erwägung zugrunde, daß Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, insbesondere Rollstuhlfahrer, oft keine Parkmöglichkeit in der unmittelbaren Nähe ihres Zielesfinden und unzumutbare Wege gehen oder gar getragen werden müssen. In der amtlichen Begründung heißt es, dieser entwürdigende Zustand könne nicht hingenommen werden230. Der VGH Kassel fügt hinzu: „Diese Erwägungen machen hinreichend deutlich, daß für die Freihaltung von Parkraum für

227

Dies will auch der VGH München, NJW 1984, 2962 (2965) verhindern (im Zusammenhang mit der Entbehrlichkeit einer vorherigen Androhung). 228 OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278); VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (259); Funke-Kaiser, VB1.BW 1990, 260; Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (282); Kottmann, DÖV 1983, 493 (501). 229 So auch OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9. 230 Siehe bei Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 42 StVO, Rn. 6 a.

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

215

diesen Personenkreis [...] ein besonderes und gewichtiges öffentliches Interesse spricht"231. In der Tat besteht ein unabweisbares öffentliches Interesse daran, daß es körperlich behinderten Menschen ermöglicht wird, die durch ihre Behinderung erzwungene Hilflosigkeit und Zurückgezogenheit zu überwinden, um soweit als möglich wie andere Menschen am öffentlichen Leben teilzunehmen. Um der Ausgrenzung entgegenzuwirken kommt es deshalb ganz wesentlich darauf an, daß der mit der Behinderung einhergehende Mobilitätsverlust durch staatliche Maßnahmen aufgefangen wird. Das gebietet die Menschenwürde: „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt" (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG). Daß die Fürsorge für behinderte Menschen ein staatliches Anliegen höchster Qualität ist, ergibt sich auch aus dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG und aus dem Sozialstaatsprinzip. Demgegenüber kommt den Nachteilen des Falschparkers beim Abschleppen von einem Behindertenparkplatz nur eine geringe Bedeutung zu. Unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz parkende Fahrzeuge können deshalb ohne weitere Verzögerung und unabhängig davon, ob ein Behinderter konkret an der Benutzung des Behindertenparkplatzes gehindert worden ist, abgeschleppt werden232. Denn der Zweck, Behinderten kurze Wege und einfache Erreichbarkeit ihrer Ziele zu gewährleisten, gebietet es, Behindertenparkmöglichkeiten im voraus freizuhalten, um behinderten Menschen dann das unverzügliche Abstellen von Fahrzeugen zu ermöglichen233. Ähnliches gilt bei Anwohnerparkplätzen. Die Reservierung von knappem Parkraum für Anwohner erfolgt, um diesen eine zumutbare Benutzung ihrer Fahrzeuge zu ermöglichen. Da nicht kostenpflichtige und zum Dauerparken geeignete Parkplätze im Innenstadtbereich oftmals entweder überhaupt nicht vorhanden sind oder in unzumutbarer Entfernung von der Wohnung liegen, besteht ein gewichtiges Interesse der Allgemeinheit, die Bewohner stark „beparkter" Gebiete von den Folgen des stetig zunehmenden Verkehrsauf-

231

VGH Kassel, NVwZ 1987, 910 (911); ebenso VGH München, BayVBl. 1989, 116 (117); DÖV 1990, 483 (484); BayVBl. 1996, 376. 232 So auch OVG Münster, NJW 1986, 447; VGH München, BayVBl. 1989, 116 (117); DÖV 1990, 483; BayVBl. 1996, 376; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 299 (300); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; Kottmann, DÖV 1983, 493 (501); Jahn, JuS 1989, 969 (971); vgl. auch VGH Mannheim, NJW 1992, 2442 f. VGH Kassel, NVwZ 1987, 910 (911) hält das Abschleppen nur bei mindestens 15-minütigem Verstoß für verhältnismäßig; kritisch Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (281). 233 Vgl. VGH München, BayVBl. 1989, 116(117); OVG Koblenz, NVwZ-RR 1989, 299 (300); Jahn, JuS 1989, 969 (971).

216

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

kommens zu entlasten und die Parkmöglichkeiten für Anwohner zu sichern. Auch hier bedarf es daher keiner konkreten Behinderung eines Berechtigten234. 3. Einrichtungen zur Überwachung der Parkdauer Das OVG Hamburg hatte in seinem Urteil vom 22.4.1982 über das Abschleppen eines nach Ablauf der zulässigen Parkzeit an einer Parkuhr abgestellten Kfz zu befinden. Es äußerte hierbei die Auffassung, Abschleppmaßnahmen seien unangemessen, wenn die zulässige Parkzeit nur geringfügig überschritten worden sei. Ab welchem Zeitpunkt von einer erheblichen Störung ausgegangen werden könne, lasse sich nicht generell festlegen. Ein nachhaltiger Verstoß sei jedoch mit Sicherheit gegeben, wenn „die Parkzeit an einer abgelaufenen Parkuhr in der Innenstadt um mehr als 3 Stunden überschritten" sei 35 . Diese Rechtsprechung hat das BVerwG im Rahmen zweier Nichtzulassungsbeschwerden gebilligt2 6 . In einer jüngeren, auf dieselbe Weise vom BVerwG bestätigten Entscheidung hat es das OVG Hamburg genügen lassen, daß die zulässige Parkzeit um mehr als eine Stunde überschritten war 237. Schlichtweg keinen Bedarf an weiterer höchstrichterlicher Klärung der Frage der Verhältnismäßigkeit sah das BVerwG in einem Fall, der mindestens 15-stündiges Parken ohne Betätigung der Parkuhr zum Gegenstand hatte238. Nach Auffassung des OVG Hamburg hängt die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit maßgeblich davon ab, ob ein nachhaltiger Verstoß abzuwehren ist239. Als in die Abwägung einzubeziehenden Verstoß sieht das OVG auch die von ihm angenommene Gefährdung des Parksuchverkehrs an240. Daß die Verkehrssicherheit dadurch, daß andere Fahrzeuge nicht in den verbotswidrig besetzten Parkplatz einparken können, signifikant beeinträchtigt sein soll, ist nicht einleuchtend241. Auf das Vorliegen einer konkreten Verkehrsbeeinträchtigung kommt es auch gar nicht an242. Denn regelmäßig ist die mit der Aufstellung von

234

VGH Mannheim, NJW 1990, 2271; NVwZ-RR 1996, 149 (150); ZfS 1995, 237 (238); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; Kottmann, DÖV 1983, 493 (501). Nicht anders dürften Sondernutzungsberechtigungen zu beurteilen sein (ζ. B. Haltverbot auf einem Parkplatz zugunsten eines Flohmarkts oder Tannenbaumverkaufs). 23 * OVG Hamburg, DAR 1982, 306 (307). 236 BVerwG, DAR 1983, 398 (399) und DVBl. 1983, 1066; ebenso Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; ablehnend Berr, DAR 1983, 399. 237 OVG Hamburg, DAR 1989, 475; dazu BVerwG, vom 24.8.1989, - 7 Β 123/89 -. 238 BVerwG, NVwZ 1988, 623 (624). 239 OVG Hamburg, DAR 1982, 306 (307). 240 OVG Hamburg, DAR 1982, 306; ebenso Fehn, VR 1988, 167 (169). 241 Ebenso Berr, DAR 1982, 307; zurückhaltend auch BVerwG, DVBl. 1983, 1066 (1067).

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

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Parkuhren oder Parkautomaten verfolgte Zielsetzung der Straßenverkehrsbehörde, knapp verfügbaren Parkraum in stark frequentierten Bereichen einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern zugänglich zu machen243, ein die Nachteile des Betroffenen überwiegendes öffentliches Interesse. Insbesondere an Bahnhöfen und Postämtern, aber auch im Innenstadtbereich, sind vielfach keine ausreichenden Parkmöglichkeiten vorhanden. Parkzeitbeschränkungen verhindern, daß die wenigen vorhandenen Parkplätze von Dauerparkern blockiert und einer großen Zahl von Personen entzogen werden, die sie für kurzzeitige Erledigungen benötigen. Das an der Freihaltung solcher Parkmöglichkeiten bestehende öffentliche Interesse wird noch dadurch gesteigert, daß auf diese Weise wichtige öffentliche Einrichtungen erreichbar und wirtschafilichliche Interessen des anliegenden Einzelhandels gewahrt bleiben. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist deshalb allein entscheidend, daß „die Mißachtung der Parkuhr wesentlich deren verkehrsregelnde Funktion beeinträchtigt"244. Das Abschleppen kann aber dann unverhältnismäßig sein, wenn die Parkraumverteilungsfunktion der Parkuhr nur unwesentlich beeinträchtigt ist245. Die Toleranzgrenze läßt sich nicht exakt festlegen246. Auch das BVerwG betont, daß es auf die konkreten Umstände ankomme und aus seinen Beschlüssen vom 6.7.1983247 nicht gefolgert werden könne, daß das Abschleppen bei geringerer Überschreitung als 3 Stunden unverhältnismäßig sei248. Ob eine Parkzeitüberschreitung von unwesentlicher Dauer ist, sollte von der zulässigen Gesamtparkdauer abhängig gemacht werden249. Erlaubt beispielsweise ein Parkscheinautomat in der Innenstadt das Parken bis zu 2 Stunden, dürfte eine Überschreitung von 15 Minuten noch tolerabel sein. Hingegen ist eine derartige Überschreitung nicht mehr als geringfügig anzusehen, wenn le242

Α. Α.: Berr, DAR 1982, 307 und DAR 1983, 398; Fehn, VR 1988, 167 (169); Hiltl S. 147. 24i Vgl. hierzu BVerwG, DVBl. 1983, 1066 (1067); BVerwGE 58, 326 (331); OVG Hamburg, DAR 1982, 306 (307); Kottmann, DÖV 1983, 493 (497); VwV-StVO, II. zu § 13 Abs. 1. 244 BVerwG, DVBl. 1983, 1066(1067). 245

Problematisch Hiltl, S. 148, der eine Geringfügigkeitsgrenze nicht anerkennen will. 246

Ebenso OVG Hamburg, DAR 1982, 306 (307). BVerwG, DVBl. 1983, 1066 und DAR 1983, 398. 248 BVerwG, vom 28.8.1989, - 7 Β 123/89 -. Auch die in diesem Verfahren unbeanstandet gelassene Toleranzzeit von einer Stunde ist deshalb nicht als starre Grenze anzusehen, jenseits derer das BVerwG Abschleppmaßnahmen als unverhältnismäßig ansehen würde. Abzulehnen jedenfalls Schmittmann, VR 1996, 106 (107), der eine Überschreitung von mindestens 3 Stunden fordert. 2 So auch Fehn, VR 1988, 167 (169) und Kottmann, DÖV 1983, 493 (497), der das Abschleppen erst bei einer Überschreitung, die der zulässigen Höchstparkdauer entspricht, für zulässig hält. 247

218

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

diglich 15-minütiges Parken zugelassen ist. Denn dadurch verringert sich die Fluktuation auf die Hälfte des von der Straßenverkehrsbehörde intendierten Maßes, was eine deutliche Beeinträchtigung der Regelungsfunktion der Verkehrseinrichtung bedeutet. 4. Feuerwehranfahrtszonen An der Freihaltung von Feuerwehranfahrts- und Feuerschutzzonen besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse250. Das gilt ganz besonders in der unmittelbaren Nähe von Gebäuden, in denen sich gewöhnlich eine Vielzahl von Personen aufhalten, wie dies etwa bei Opernhäusern251, Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Sportstadien und großen Wohnkomplexen der Fall ist. Rettungsflächen werden geschaffen, um der Feuerwehr und den Rettungsdiensten bei Bränden und anderen Notfällen einen schnellen und ungehinderten Einsatz und den betroffenen Menschen schnellstmögliche Hilfe zu gewährleisten. Parkt ein Fahrzeug im Bereich einer amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß die gesamte Fläche im Ernstfall für Rettungsmaßnahmen benötigt wird und diese durch ein abgestelltes Fahrzeug behindert und verzögert werden252. Der Sicherheitszweck erfordert, daß Feuerwehranfahrtszonen jederzeit freigehalten werden253. In diesem Sinn fordert auch § 2 Abs. 4 S. 2 LBOAVO, daß die nach Bauordnungsrecht erforderlichen Rettungswege „ständig freizuhalten" seien. Es kann nicht abgewartet werden, ob im Ernstfall tatsächlich Einsatzfahrzeuge behindert und Personen auf diese Weise nicht rechtzeitig gerettet werden können. Vielmehr muß bereits vor Eintritt eines Notfalles sichergestellt sein, daß Rettungsmaßnahmen jederzeit ohne zeitliche Verzögerung ergriffen werden können. Angesichts der betroffenen Rechtsgüter (Leben und Gesundheit von Menschen) genügt bereits die im Zeitpunkt des Parkverstoßes geringe Wahrscheinlichkeit, daß Menschen wegen verzögerter Rettungsmaßnahmen Gesundheitsschäden erleiden oder das Leben verlieren könnten, für die Annahme einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinn254. Gegenüber dem hinter der 250 Ohne weitere Problematisierung sehen VGH München, BayVBl. 1986, 625 und 1989, 438 das Abschleppen aus Feuerschutzzonen als verhältnismäßig an. 251 Siehe OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589). 252 VGH München, BayVBl. 1991, 433 (435); vgl. OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589); VG Freiburg, VB1.BW 1987, 472 (473); OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247). 253 OVG Saarlouis, vom 14.8.1990 - 1 R 184/88 -; VG Freiburg, VB1.BW 1987, 472 (473Ì; Hiltl, S. 140; Jahn, JuS 1989, 969 (971). 25 ' Vgl. VG Freiburg, VB1.BW 1987, 472 (473), OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247), Hiltl, S. 140 und Jahn, JuS 1989, 969 (971): abstrakte Gefahr; vgl. auch Hup-

2. Abschn.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

219

Abschleppmaßnahme stehenden Zweck, diese Gefahr abzuwehren und den Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO zu beenden, sind die Nachteile des Verantwortlichen als lediglich gering und das Abschleppen als angemessenes Mittel anzusehen. 5. Fußgängerüberwege Auch das Abschleppen von Fahrzeugen, die auf einem durch Zeichen 293 markierten Fußgängerüberweg („Zebrastreifen") parken, begegnet unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne keinen rechtlichen Bedenken. Zweck der Einrichtung von Fußgängerüberwegen ist es, Fußgängern, insbesondere auch Kindern und gebrechlichen Menschen, die gefahrlose Überquerung von Straßen zu ermöglichen. Der Fahrzeugverkehr ist gem. § 26 Abs. 1 StVO verpflichtet, Fußgängern an Fußgängerüberwegen das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Um Gefährdungen durch hohe Geschwindigkeit und plötzliche Bremsmanöver auszuschließen, ist ferner vorgeschrieben, daß an einen Fußgängerüberweg nur mit mäßiger Geschwindigkeit herangefahren werden darf. Die Einhaltung dieser Gebote ist jedoch nur dann möglich, wenn der Fahrzeugverkehr erkennen kann, ob Fußgänger den Überweg benutzen wollen. Das soll durch das in § 13 Abs. 1 Nr. 4 StVO normierte Haltverbot gewährleistet werden. Das Halten auf oder 5 m vor Fußgängerüberwegen führt dazu, daß Fußgängerüberwege nur mit deutlich erhöhtem Risiko benutzt werden können. Es liegt somit zusätzlich zu dem Verstoß gegen das Haltverbot auch eine (abstrakte) Gefahr für Leib oder Leben potentieller Benutzer des Überwegs 255

vor , die abzuwehren im (die Nachteile des Verantwortlichen überwiegenden) öffentlichen Interesse liegt. Darauf, ob ein Fußgänger bei der Überquerung des Fußgängerüberwegs nachweislich konkret behindert oder gefährdet worden ist, kommt es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung deshalb nicht mehr 256

an

pertz, Die Polizei 1992, 252 (254) und OVG Münster, DVBl. 1975, 588 (589), das allerdings von einem „Verschulden" des Verantwortlichen spricht. 255 Vgl. Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1030). 256 Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1030); vgl. VGH Kassel, NVwZ 1988, 657; VGH München, BayVBl. 1987, 119 (120); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (282).

220

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

6. Gehwege und Radwege Insbesondere beim Gehwegparken haben Rechtsprechung und Schrifttum in der Vergangenheit eine zu dem Normverstoß hinzukommende besondere Gefährdung oder Behinderung des Fußgängerverkehrs gefordert 257. So führte das OVG Münster in seinem Urteil vom 4.6.1980 aus: „Es muß über den Verstoß gegen die StVO hinaus eine besondere Lage gegeben sein, die eine sofortige Beseitigung der Störung nahelegt, etwa wenn Kraftfahrzeuge konkret den übrigen Verkehr behindern oder wenn der Abstellort besondere Gefahren anderer Art mit sich bringt"258. Das Abschleppen wird allgemein für zulässig gehalten, wenn Gehwege vollständig oder nahezu vollständig versperrt sind und Fußgänger deshalb auf die Straße treten müssen und infolgedessen gefährdet sind259. Meist wird eine Behinderung angenommen, wenn in der konkreten Verkehrssituation keine ausreichende Gehwegbreite für einen ungehinderten Fußgängerbegegnungsverkehr verbleibt260. Der VGH München hat ein Abschleppen allein unter dem Gesichtspunkt der Gebäudesicherung (Sicherheitszone) für unzulässig gehalten, da infolge der späten Stunde und der verbleibenden Gehwegbreite von mindestens 2 m weder eine konkrete Gefahr noch eine Behinderung vorgelegen habe261. Demgegenüber hat das BVerwG betont, daß der Schutzzweck des § 12 Abs. 4 S. 1 StVO seit der Einfügung des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StVO auch den Gesichtspunkt der Gebäudesicherung umfasse262. Es stellt allerdings klar, daß der bloße Verstoß gegen § 12 Abs. 4 S. 1 StVO nicht ohne weiteres eine Abschleppmaßnahme rechtfertigen könne263. In einer späteren Entscheidung hielt es der VGH München für unmaßgeblich, daß eine Behinderung wegen des nur schwachen Fußgängerverkehrs und der Restbreite des Gehwegs von 4 m nicht konkret festzu-

257

Vgl. z. B. Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (282); Jahn, JuS 1989, 969 (971). OVG Münster, NJW 1981, 478; ähnlich BVerwGE 90, 189 (193) = NJW 1993, 870· VG München, NVwZ 1988, 667 und VGH München, NVwZ 1988, 657. 2 OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468 (470): vollständig versperrt; OVG Münster, NJW 1981, 478; VerkMitt 1988, 48: weniger als 55 cm Gehwegbreite; VG Frankfurt, DVBl. 1965, 779: 60 cm verbleibende Breite; VG Würzburg, NVwZ-RR 1989, 138 und VG Leipzig, LKV 1995, 165: bei 1 m Restbreite Durchkommen für Personen mit Gepäck oder mit Kinderwagen kaum mehr möglich; vgl. auch VGH München, BayVBl. 1979, 307 (308). 260 VG München, NVwZ 1988, 667 (669): 1,60 m ausreichend; Jahn, JuS 1989, 969 (971); vgl. auch Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1031) und VG Leipzig, LKV 1995, 165, die eine Mindestgehwegbreite von 1 m für nicht ausreichend halten. 261 VGH München, NVwZ 1988, 657. 262 BVerwGE 90, 189 (191 f.) = NJW 1993, 870. 263 BVerwGE, 90, 189 (193). 258

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

221

stellen war, denn eine konkrete Gefahr könne bereits darin gesehen werden, daß „sowohl bei der Anfahrt auf dem Bürgersteig wie auch bei der späteren Wegfahrt Fußgänger, die mit einem fahrenden Auto am Fußweg nicht rechnen mußten, hätten zu Schaden kommen können"264. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß die Entfernung eines auf dem Gehweg parkenden Fahrzeugs im öffentlichen Interesse liegt, wenn hierdurch Fußgänger konkret gefährdet oder behindert werden. Kann eine konkrete Behinderung im Einzelfall nicht festgestellt werden, ist zu untersuchen, welchen Zweck die Abschleppmaßnahme verfolgt und ob sie das angemessene Mittel zur Erreichung dieses Zweckes ist. Gehwege sind für den Fußgängerverkehr reserviert, um durch die Trennung von Fußgänger- und Fahrzeugverkehr sicherzustellen, daß weder Fußgänger die Sicherheit des Fahrzeugverkehrs noch Fahrzeuge die Sicherheit des Fußgängerverkehrs beeinträchtigen265. Der Zweck des Abschleppens von Gehwegparkern ist deshalb, die Trennung beider Verkehrsarten wieder zu gewährleisten. Wird ein Gehweg durch ein geparktes Fahrzeug dermaßen versperrt, daß damit zu rechnen ist, daß Fußgänger auf die Fahrbahn ausweichen werden, dann liegt es im überwiegenden öffentlichen Interesse, die Benutzbarkeit des Gehwegs wiederherzustellen und damit möglichen Gefährdungen der Fußgänger vorzubeugen. Je weniger das Parken die Trennungs- und Schutzfunktion des Gehwegs beeinträchtigt, desto geringer ist auch das öffentliche Interesse an der Entfernung des störenden Fahrzeugs. Daraus folgt, daß bei nur geringfügigen Verstößen - etwa, wenn das Fahrzeug nur mit zwei Rädern auf dem Gehweg steht und genug Freiraum für den Fußgängerverkehr verbleibt - das öffentliche Interesse an der Entfernung regelmäßig so gering zu bewerten ist, daß das Abschleppen bei Berücksichtigung der Nachteile des Fahrzeugführers als unverhältnismäßig angesehen werden muß. Für Radwege muß grundsätzlich das Gleiche wie für Gehwege gelten, da auch bei der Einrichtung von Radwegen vorwiegend der Gesichtspunkt der Verkehrstrennung verfolgt wird 266. Allerdings wird man beim Parken auf Radwegen in den meisten Fällen eine gravierende Beeinträchtigung der Verkehrsfunktion des Radwegs annehmen können267, da Ausweichmanöver wegen der gegenüber dem Fußgängerverkehr wesentlich höheren Geschwindigkeit der Radfahrer sehr schnell zu Unfällen mit Fußgängern oder Kraftfahrzeugen führen können. Das gilt in besonderem Maße, wenn ein Radweg durch parkende Ί 64

VGH München, BayVBl. 1989, 437; zustimmend Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; vgl. bereits VGH München, BayVBl. 1979, 307, wo aber auch auf eine konkrete Gefährdung abgehoben wurde. 265 Vgl. §§ 2 Abs. 1, 25 Abs. 1 StVO; Jagusch/Hentschel, § 2 StVO, Rn. 29. 266 Vgl. Jagusch/Hentschel, § 2 StVO, Rn. 67. 267 Vgl. VG Berlin, NZV 1993, 368.

222

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Fahrzeuge vollständig blockiert ist und Radfahrer deshalb zur Benutzung der Straße gezwungen sind. 7. Haltverbot und eingeschränktes Haltverbot Das OVG Lüneburg hat das Abschleppen aus dem uneingeschränkten Haltverbot als rechtmäßig angesehen, weil das Parken an der betreffenden Stelle die Sicht behindert habe, was vor Anordnung des Haltverbots bereits zu einigen Unfällen an dieser Stelle geführt habe. Das Gericht wäre jedoch zu einem anderen Ergebnis gekommen, wenn das Fahrzeug „für den Verkehr keine Gefahrenquelle dargestellt" hätte268. Auch das OVG Koblenz hat hervorgehoben, daß die Verkehrssicherheit durch das abgestellte Fahrzeug in besonderem Maße gefährdet gewesen sei, „indem sein Verbleib nach Beginn der Errichtung des Bauzauns die übrigen Fahrbahnbenutzer an der Durchfahrt gehindert oder dabei zumindest wesentlich behindert hätte"269. Das VG München hat den Standpunkt vertreten, eine Abschleppmaßnahme sei beim Parken im uneingeschränkten Haltverbot nur dann zulässig, wenn andere Verkehrsteilnehmer behindert würden270. Das öffentliche Interesse hält das Gericht aber immerhin für gewichtig genug, wenn durch die Haltverbotszeichen eine Sicherheitszone festgesetzt sei. Hierfür bedürfe es jedoch einer ausdrücklichen Kennzeichnung als Sicherheitszone271. Diese Rechtsauffassung haben der VGH München und das BVerwG verworfen: Ein eindeutiges Haltverbotszeichen bedürfe keines Zusatzschildes, das über die Motive und den Zweck der Anordnung (Gebäude272

schütz) Auskunft gebe . Der VGH München hat die Verhältnismäßigkeit des Abschleppens mit der Begründung bejaht, es sei nicht auszuschließen gewesen, daß das Fahrzeug zu einem Terroranschlag auf das Amerikanische Generalkon273

sulat hätte dienen können Die in den 70er- und 80er-Jahren geübte Zurückhaltung hat die Rechtsprechung in neuerer Zeit aufgegeben. Die Gerichte setzen eine zu dem Verstoß gegen das absolute Haltverbot (Wegfahrgebot) hinzutretende Gefahr nicht mehr voraus274. So stellte der VGH Mannheim fest, daß die Polizei nicht abzu268

OVG Lüneburg, VRS 58, 233 (235). OVG Koblenz, DÖV 1986, 37 (38). 270 VG München, DÖV 1988, 88. 271 VG München, DÖV 1988, 88 (89). 272 BVerwG, ZfS 1994, 189 (190); VGH München, BayVBl. 1990, 435. 273 VGH München, BayVBl. 1990, 435; ähnlich VGH München, BayVBl. 1989, 439: Abschleppen sei erlaubt, um den ordnungsgemäßen Verlauf einer Demonstration zu gewährleisten (zustimmend Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9). VGH Mannheim, NZV 1990, 286 (287); VGH Kassel, VerkMitt 1978, 8; NVwZRR 1991, 28; NVwZ-RR 1995, 29 (30); OVG Münster, NJW 1990, 2835 (2836); DAR 269

2. Abschn.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

223

warten brauche, bis sich die durch das Haltverbot bekämpften Gefahren im 275

276

konkreten Fall verwirklicht hätten . Dem kann nur zugestimmt werden . Daß das sofortige Abschleppen aus dem Bereich eines uneingeschränkten Haltverbots durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt wird, ergibt sich schon daraus, daß ein uneingeschränktes Haltverbot von der Straßenverkehrsbehörde ohnehin nur an Stellen angeordnet werden darf, an denen typischerweise Gefahren für die Sicherheit des Verkehrs aufzutreten pflegen 1 1 . Das uneingeschränkte Haltverbot soll gerade verhindern, daß eine konkrete Gefahr - etwa durch ein im Kreuzungsbereich sichtbehindernd abgestelltes Fahrzeug - eintritt. Der Einwand, das Parken habe keine konkrete Verkehrsbehinderung oder -gefährdung verursacht, verfängt also schon deshalb nicht, weil das Abschleppen und die damit verbundenen Nachteile keinesfalls außer Verhältnis zu dem Zweck stehen, die Konkretisierung der durch das Verkehrszeichen geregelten Gefahr zu verhindern. Gleiches gilt für das eingeschränkte Haltverbot278. Das BVerwG hält das Abschleppen bei einem Verstoß gegen ein eingeschränktes Haltverbot grundsätzlich für verhältnismäßig, weist aber darauf hin, daß es „im Einzelfall Ausnahmen geben kann, etwa bei geringfügiger Überschreitung von Haltverboten oder bei einer nur unerheblichen Gefährdung von Ordnung und Sicherheit des Verkehrs". In solchen Fällen werde „ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immerhin in Betracht kommen können"279. Im zu entscheidenden Fall (verbotswidriges Parken während 4 Stunden) lag eine solche Ausnahme nicht vor 280. Auch das OVG Bremen geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, daß bei einem Verstoß gegen ein eingeschränktes Haltverbot Abschleppmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne grundsätzlich nicht zu beanstanden sind281.

1995, 377 (378); VGH München, NZV 1992, 207; vgl. auch VGH Kassel, NVwU 1988, 655: OVG Hamburg, NJW 1992, 1909. 275 VGH Mannheim, NZV 1990, 286 (287); ähnlich auch VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 28 f. 276 Ebenso Huppertz, VD 1991, 183 (190); Jahn, NZV 1990, 287 (288). 277 Siehe VwV zu § 41 StVO, Zeichen 283, I.; VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29 (30\ Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1029); Huppertz, VD 1991, 283 (290). 278 Α. Α.: Huppertz, Die Polizei 1989, 280 (281); Vahle, VR 1997, 92 (93). 279 BVerwG, NJW 1978, 656 (657). 280 Ebenso VGH Mannheim, NJW 1990, 2270 (2271) für einstündiges Parken auf einem durch Zeichen 286 ausgewiesenen Anwohnerparkplatz. Siehe hierzu S. 214. 281 OVG Bremen, DAR 1977, 276 (278), DAR 1986, 159; vgl. auch OVG Bremen, DAR 1985, 127 (128), wo lediglich die Frage einer Nachforschungspflicht aufgeworfen wurde.

224

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

II. Die Nachteile des von der Maßnahme Betroffenen Die Nachteile, die der Verantwortliche durch die Abschleppmaßnahme erleidet, bestehen in dem mit der Wiedererlangung des Fahrzeugs verbundenen Zeitaufwand, in den Kosten des Abschleppens und des Verwahrens und in den Kosten, die für die Fahrt zum Verwahrungsgelände anfallen. Diese Nachteile 282

werden als regelmäßig nicht besonders schwerwiegend gewertet . Das mag allgemein betrachtet zutreffen. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß Abschlepp- und Verwahrungskosten in der Größenordnung von teilweise über 200 DM für manche Bevölkerungsschichten durchaus eine empfindliche Belastung darstellen können. III. Der mit dem Abschleppen beabsichtigte Erfolg 1. Die Abwägung der widerstreitenden

Interessen

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist verletzt, wenn die Nachteile des Verantwortlichen erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen. Hierzu bedarf es einer Abwägung aller wesentlichen 283

Umstände des Einzelfalls . Die Polizei hat in die Abwägung vor allem die die Maßnahme bestimmenden öffentlichen Interessen und die gegenläufigen Interessen des Verantwortlichen (Vermeidung von Nachteilen) und der Allgemeinheit einzustellen. Dabei genügt es für die Annahme der UnVerhältnismäßigkeit nicht, wenn die Nachteile des Betroffenen ebenso schwer oder geringfügig schwerer wiegen als die mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interessen. „Denn es ist davon auszugehen, daß die erforderliche Abwägung [...] grundsätzlich bereits durch den Gesetzgeber vorgenommen worden ist; sie ist insoweit bereits in die gesetzlichen Vorschriften [...] eingegangen. Solange deshalb die generelle gesetzliche Regelung nicht als solche schon unverhältnismäßig ist - und jedenfalls für das allgemeine Polizeirecht besteht kein Anlaß, dies anzunehmen - , ist die Verwaltung, mithin auch die Polizei, an diese Abwägung durch den Gesetzgeber gebunden"284. Um eine UnVerhältnismäßigkeit annehmen zu können, müssen deshalb die mit der Maßnahme verursachten Nachteile in einem krassen Mißverhältnis zu dem bezweckten Erfolg stehen. Zur Veranschaulichung des geforderten Mißverhältnisses wird gesagt, die Polizei dürfe

282

OVG Münster, NJW 1990, 2835 (2836); DAR 1995, 377 (378); OVG Hamburg, VRS 89, 68 (70); Klenke, NWVB1. 1994, 288 (291). 283 BVerwG, DVBl. 1983, 1066(1067). 284 Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 24, 6 (S. 392).

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

225

nicht „mit Kanonen auf Spatzen schießen"285 oder „das Kind mit dem Bade ausgießen"286. 2. Abwehr von Straftaten

und konkreten Behinderungen

Ohne Zweifel kann ein Mißverhältnis in dem genannten Sinne nicht festgestellt werden, wenn das Parken einen Straftatbestand erfüllt oder andere Verkehrsteilnehmer tatsächlich behindert hat287. Hierzu sind auch die Fälle zu zählen, in denen private Rechte (ζ. B. durch Benutzung eines Privatparkplatzes) beeinträchtigt werden. In all diesen Fallgestaltungen ist es evident, daß das Interesse der Allgemeinheit an der Abwehr dieser Beeinträchtigungen das Interesse des Verantwortlichen an der Vermeidung der mit dem Abschleppen verbundenen Nachteile überwiegt. 3. Bewahrung der Rechtsordnung In allen anderen Fällen kann auf Seiten des öffentlichen Interesses das Interesse des Staates an der Einhaltung der Rechtsordnung in die Abwägung eingestellt werden288. Dieses mag man mit der Erwägung, daß Verstöße gegen Haltverbotszeichen alltäglich und oftmals unvermeidbar seien, als eher gering werten und so im Abschleppen einen Nachteil sehen, der außer Verhältnis zu 289

dem Zweck, einen „bloßen Formalverstoß" zu beheben , stehe. Indessen wird bei einer solchen Betrachtungsweise verkannt, daß sich der Zweck einer Abschleppmaßnahme nicht allein darin erschöpft, einen Gesetzesverstoß zu beenden, sondern vielmehr darin besteht, der angeordneten Verkehrsregelung praktische Wirksamkeit zu verleihen. Das nötigt, auch die hinter der Verkehrsreglung stehenden Zwecke und Interessen in die Abwägung mit einzubeziehen:

285

Klenke, NWVB1. 1994,288(291). Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 24, 6 (S. 391). 287 Beispiele aus der Rechtsprechung: VGH Mannheim, DVBl. 1991, 1370 - Müllfahrzeug an der Durchfahrt gehindert; OVG Münster, VRS 71, 467 (468) - Behinderung des Marktbetriebes; OVG Koblenz, NJW 1986, 1369 - Versperren einer Parkplatzausfahrt; VGH München, BayVBl. 1987, 404 - Blockieren einer Hofeinfahrt; OVG Berlin, VerkMitt 1982, 64 - Lastzug am Durchfahren der Straße gehindert. 288 Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 24, 6 (S. 392): es sei „auch die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung als solche ein schutzwürdiges Gut". 289 So die überwiegende Mehrzahl der älteren Rspr. und Literatur, beispielsweise Wagner, § 30, Rn. 29; ausdrücklich dagegen Klenke, NWVB1. 1994, 288 (291); vgl. auch Vahle, VR 1997, 92 (93) und die Nachweise auf S. 212. 286

15 Schieferdecker

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

a) Wiederherstellung der Funktion einer Verkehrsregelung Wie bereits dargelegt wurde, führt das unberechtigte Parken in Fußgängerzonen, auf Behinderten- und Anwohnerparkplätzen, an Parkuhren und Parkscheinautomaten, auf Fußgängerüberwegen, in Feuerwehranfahrtszonen und auf Geh- und Radwegen dazu, daß diese Verkehrsregelungen und Verkehrseinrichtungen ihren besonderen Zweck, die ihnen zugedachte Verkehrsfunktion nicht mehr erfüllen können. Entsprechendes gilt für weitere Verkehrsregelungen, etwa für Sonderspuren für Busse290, Taxenstände und verkehrsberuhigte Bereiche291. Kann eine solche, von einer besonderen Zwecksetzung getragene Verkehrsregelung infolge des verbotswidrigen Parkens ihre Zwecke nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erreichen, liegt es im überwiegenden öffentlichen Interesse, daß die Funktionsfähigkeit der Verkehrsregelung wieder hergestellt wird und diese wieder den ihr zugedachten Zweck erfüllen kann. b) Minimierung der Schadenswahrscheinlichkeit Viele Verkehrsregelungen haben keine weitere Funktion, als den Straßenverkehr oder die Allgemeinheit vor möglichen Schäden zu bewahren. Das Parken im uneingeschränkten und im eingeschränkten Haltverbot, in Feuerwehranfahrtszonen und im Bereich von Fußgängerüberwegen erhöht regelmäßig die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Das folgt bereits daraus, daß diese Verkehrsregelungen gerade wegen einer Gefahrenlage angeordnet werden. Beispielsweise mag an einer engen Kreuzung ein Haltverbot angeordnet sein, um Gefahren, die durch Sichtbehinderung entstehen können, abzuwehren. Wird die Sicht durch ein dort parkendes Fahrzeug behindert, führt dies nicht zwangsläufig zum Eintritt eines Schadens, typischerweise jedoch zu einer erhöhten Schadenswahrscheinlichkeit. Eine solche Gefahrsteigerung abzuwehren, liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse. Das wird besonders deutlich, wenn durch das Haltverbot enorme Schäden verhindert werden sollen, wie dies bei Haltverboten der Fall ist, die zur Freihaltung von Rettungsflächen

290

VGH Kassel, ZfS 1993, 359: die von der Verkehrsregelung bezweckte Privilegierung des Linienomnibusverkehrs sei durch das Parken auf der Busspur aufgehoben worden; siehe auch Huppertz, VD 1994, 30 (32). 291 Vgl. VG Düsseldorf, NZV 1993, 287 (288): das Parken im verkehrsberuhigten Bereich belästige die anderen Verkehrsteilnehmer. Es sollte besser darauf abgestellt werden, daß das Parken die Funktion des verkehrsberuhigten Bereichs als Spiel- und Kommunikationsfläche und den bezweckten Vorrang des Fußgängerverkehrs beeinträchtigt, so auch OVG Münster, vom 26.9.1996 - 5 A 1746/94

2. Abschn.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

227

oder zur Sicherung staatlicher Gebäude vor terroristischen Anschlägen292 angeordnet worden sind. Ob die Gefahrsteigerung zu einem Schaden führt, ist im 293

Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unerheblich . Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wird auch durch das Parken auf Fuß- und Radwegen erhöht. Das gilt in erheblichem Maße, wenn damit zu rechnen ist, daß Fußgänger oder Radfahrer auf die Straße, Radfahrer auf den Gehweg oder Fußgänger auf den Radweg ausweichen müssen294. Entsprechendes ist anzunehmen, wenn Busse oder Taxen gezwungen sind, von einer Sonderspur auf die normale Fahrbahn auszuweichen295. c) Die Schwere des Verkehrsverstoßes Je nach der Schwere des Verkehrsverstoßes sind die dadurch betroffenen öffentlichen Interessen mehr oder weniger gewichtig. So meint das BVerwG, daß bei „geringfügiger Überschreitung von Haltverboten oder bei einer nur unerheblichen Gefährdung von Ordnung und Sicherheit des Verkehrs" ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immerhin in Betracht kommen könne296. Die Schwere des Verkehrsverstoßes erschließt sich daraus, wie erheblich die besondere Funktion einer Verkehrsregelung beeinträchtigt oder wie erheblich die Wahrscheinlichkeit eines Schadens an Leben, Körper oder Sachwerten erhöht worden ist. Beides hängt maßgeblich von der zeitlichen Dauer297 des Verkehrsverstoßes und dem räumlichen Umfang der Verbotsmißachtung ab. Wird etwa ein Behindertenparkplatz unberechtigt besetzt oder versperrt ein Fahrzeug den gesamten Gehweg, können Parkplatz und Gehweg die ihnen zugedachte Verkehrsfunktion überhaupt nicht mehr erfüllen, so daß ein schwerer Verkehrsverstoß vorliegt. Das Zuparken des Gehwegs führt zugleich zu einer stark erhöhten Schadenswahrscheinlichkeit, da sich Konflikte mit dem Fahrzeugverkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit ereignen werden.

292

Vgl. BVerwGE 90, 189 (192); BVerwG, ZfS 1994, 189 (190); VGH München, BayVBl. 1990, 435. Vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 28 f. 294 Vgl. VG Berlin, NZV 1993, 368. 295 Vgl. VGH Kassel, NJW 1984, 1197 (1198). 296 BVerwG, NJW 1978, 656 (657); ebenso OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247). Vgl. VGH Mannheim, NVwZ-RR 1996, 149 (150): „Parkverstoß längere Zeit begangen"; ZfS 1995, 237 (238): „Parkplatz über vier Stunden in Anspruch genommen"; OVG Münster, NJW 1990, 2835 (2836); Gril , VB1.BW 1997, 153 (155).

228

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Fraglich ist, ob der Umstand, daß der Parkverstoß zur Nachtzeit erfolgte, die Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten des Bürgers ausfallen lassen kann. Abzulehnen ist jedenfalls die Rechtsprechung des OVG Lüneburg, demzufolge das nächtliche Parken in einer Fußgängerzone als nur geringfügiger Verstoß zu werten sei, weil um 2 Uhr nachts überhaupt kein Fußgängerverkehr stattgefunden habe298. Zwar ist richtig, daß bei starkem Verkehrsaufkommen die Beeinträchtigung der Funktion einer Verkehrsregelung eher zum Tragen kommt als bei fast gänzlich fehlendem Verkehr. So ist die Trennungs- und Schutzfunktion von Gehwegen weitgehend obsolet, wenn an der betreffenden Stelle zur Nachtzeit nahezu überhaupt kein Fußgänger- und Fahrzeugverkehr stattfindet (so regelmäßig in reinen Wohngebieten). Wie bereits ausgeführt wurde, gilt dies jedoch gerade nicht für Fußgängerzonen, da deren Einrichtung über den Zweck der Entmischung der Verkehrsarten hinaus noch weitere, insbesondere städtebauliche Zielsetzungen verfolgen. Im übrigen ist zu beachten, daß es auch in den Fällen, in denen aus dem niedrigen Verkehrsaufkommen auf einen weniger schwer wiegenden Verkehrsverstoß geschlossen werden kann, einer genauen Prüfung weiterer betroffener öffentlicher Interessen bedarf. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß es sich bei einem Verzicht auf eine Abschleppmaßnahme regelmäßig nicht absehen ließe, wie lange das verbotswidrig abgestellte Fahrzeug an seinem Standort verbleiben und ab welchem Zeitpunkt der wieder zunehmende Verkehr die Durchsetzung der Verkehrsregelung erforderlich machen würde. Es bedürfte deshalb einer Beobachtung des Fahrzeugs, „die auch bei Vornahme in zeitlichen Abständen zur Beeinträchtigung in der Wahrnehmung anderer Aufgaben oder zur Vernachlässigung der von dem Kfz des Kl. ausgehenden [...] Gefahr und deren möglicher Konkretisierung führen könnte" . d) Verhinderung negativer Vorbildwirkung In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, daß im Rahmen der Verhältnismäßigeitsprüfung auch die Verhinderung einer negativen Vorbildwirkung als gewichtiges öffentliches Interesse zu berücksichtigen ist300. 298

OVG Lüneburg, NVwZ-RR 1989, 647 (648). OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247): Parken in einer Feuerwehrbewegungszone gegen 0.45 Uhr. 300 BVerwG, DVBl. 1983, 1066 (1067); BVerwG, NJW 1990, 931; BVerwGE 90, 189 (193) = NJW 1993, 870; OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468 (470); OVG Münster, NJW 1982, 2277 (2278); OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22 (24); NVwZ-RR 1991, 28 (29); VGH Mannheim, NZV 1990, 286 (287); NJW 1990, 2270 (2271); VB1.BW 1990, 257 (259); VGH München, BayVBl. 1991, 433; NZV 1992, 207; OVG Saarlouis, vom 14.8.1990, - 1 R 184/88 -; VG Frankfurt, NVwZ-RR 1993, 28; VG Düsseldorf, NZV 1993, 287 (288); VG Berlin, vom 299

2. Abschn. : Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

229

Damit ist der Umstand gemeint, daß erfahrungsgemäß verbotswidrig parkende Fahrzeuge zur Nachahmung verleiten, etwa weil andere Kraftfahrer ohne weiteres davon ausgehen, daß das Parken zulässig sei oder zumindest geduldet werde. Gegen diese Rechtsprechung werden in der Literatur kaum Einwände erhoben301. Berr hat der Auffassung des BVerwG, über längere Zeit an nicht betätigten Parkuhren abgestellte Fahrzeuge würden erfahrungsgemäß andere Kraftfahrer zu gleichem verbotswidrigen Verhalten veranlassen302, widersprochen. Bei Verstößen gegen andere Haltverbote könne diesen Ausführung zugestimmt werden, gerade im Bereich von Parkuhren lägen derartige Erfahrungen jedoch nicht vor 303. Nach Auffassung von Berr würden Kraftfahrer an Parkuhren parken - sei es mit oder ohne Betätigung - , ohne sich danach umzusehen, ob auch andere Kraftfahrer ihre Parkuhren ordnungsgemäß bedient haben304. Der Einwand ist berechtigt, was sich jedoch weniger bei Parkuhren, sondern vielmehr bei Parkscheinautomaten zeigt: Eine negative Vorbildwirkung kann sich nur dort ergeben, wo Verkehrsteilnehmer ohne weiteres den Eindruck gewinnen können, daß ein Haltverbot nicht bestehe oder nicht sanktioniert bzw. durchgesetzt werde. Ein solcher Eindruck wird bei Parkscheinautomaten zumindest dann nicht erweckt, wenn - wie üblich - die meisten Verkehrsteilnehmer den Automaten bedienen. In einem solchen Fall ist nur durch Ansicht der einzelnen Parkscheine ersichtlich, ob die Parkregelung mißachtet wird. Daß ein Kraftfahrer alle im Bereich eines Parkscheinautomaten abgestellten Fahrzeuge überprüfen wird, ist wenig wahrscheinlich, so daß von einer Vorbildwirkung nicht ausgegangen werden kann. Hingegen tritt die Mißachtung der Parkregelung bei einer Parkuhr optisch auffälliger in Erscheinung, ein Kraftfahrer kann sich schnell einen Überblick über das Parkverhalten verschaffen und so ebenfalls zu verbotswidrigem Parken veranlaßt werden. Durchgreifende Einwände rechtlicher Art gegen die Praxis, generalpräventive Gesichtspunkte im Polizeirecht zu berücksichtigen, bestehen nicht 0 5 . Denn die Gefahrenabwehraufgabe der Polizei deckt auch die Einbeziehung von Erwägungen der Gefahrenvorsorge im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung.

7.6.1990 - 15 A 585.88 -. Ebenso Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9 (S. 180); Wolf/Stephan, §8, Rn. 17. 301 Sie wird akzeptiert von Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9 (S. 180); Grünning/Möller, VR 1984, 156 (160); Klenke, NWVB1. 1994, 288 (291); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 17. Kritisch hingegen Jahn, NZV 1990, 287 (288); derselbe, NZV 1990, 377 (380); Berr, DAR 1983, 399; Fehn, VR 1988, 167 (169); Ipsen, Rn. 299. 302 BVerwG, DVBl. 1983, 1066 (1067); DAR 1983, 398 (399). 303 Berr, DAR 1983, 399. 304 Berr, DAR 1983, 399. 305 Vgl. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 24, 6 (S. 392).

230

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Es wird bisweilen nicht ausreichend deutlich gemacht, daß die Polizei im Fall einer negativen Vorbildwirkung nicht deshalb abschleppt, um eine Abschrekkungswirkung zu erzielen306. Das Abschleppen ist keine Strafe oder Sanktion, sondern Gefahrenabwehr. Das ohnehin schon gegebene öffentliche Interesse an der Beendigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit wird noch weiter gesteigert, wenn diese Störung Anlaß für weitere Verkehrsverstöße sein kann. Daß polizeiliches Handeln davon mitbestimmt wird, mit einer Störung zugleich den Anreiz für ein störungsverursachendes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu beseitigen, ist also nicht zu beanstanden. Fraglich ist allerdings, welches Gewicht generalpräventiven Gesichtspunkten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugemessen werden kann. Das BVerwG hat in seinem Beschluß vom 20.12.1989 erklärt, das Abschleppen eines Fahrzeugs sei „mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bereits dann vereinbar, wenn von dem verbotswidrigen Verhalten eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgehen kann"307. Dies wurde überwiegend so verstanden, daß bereits das Vorliegen negativer Vorbildwirkung zur Bejahung der Verhältnismäßigkeit führen könne308. Einer solchen Deutung ist das BVerwG jedoch in seinem Urteil vom 14.5.1992 entgegengetreten: Die Behörde könne sich neben dem Verkehrsverstoß „allein auf eine bloße Vorbildwirkung des fehlerhaften Verhaltens und allein auf den Gesichtspunkt der Generalprävention" nicht berufen 309. Folglich vermag bei nur geringfügigen Verkehrsverstößen auch der Gesichtspunkt der Generalprävention das Abschleppen nicht zu einer verhältnismäßigen Maßnahme zu machen. Er kann aber neben andere öffentliche Interessen treten, deren Gewicht verstärken und auf diese Weise zur Verhältnismäßigkeit einer Abschleppmaßnahme beitragen. Wie der vom BVerwG entschiedene Fall zeigt, treten generalpräventive Erwägungen ohnehin meist neben andere öffentliche Interessen310, hier neben den Zweck, staatliche Gebäude vor Terroranschlägen mit Auto-Bomben zu schützen.

306

Hierzu auch Grünning/Möller, VR 1984, 156 (160). Mißverständlich ζ. B. Jahn, NZV 1990, 337, der die negative Vorbildwirkung als „Abschleppgrund" bezeichnet. 307 BVerwG, NJW 1990, 931 (Leitsatz). 308 Vgl. Jahn, NZV 1990, 377 (379 f.); VGH München, BayVBl. 1991, 433 (434); NZV 1992, 207; VG Berlin, vom 7.6.1990 - 15 A 585.88 -. 309 BVerwGE 90, 189 (193) = NJW 1993, 870; ebenso VGH Mannheim, ZfS 1995, 237 (238); Janssen, JA 1996, 165 (169). 310 So auch bei VGH Mannheim, NZV 1990, 286 (287); NJW 1990. 2270 (2271); VB1.BW 1990, 257 (259); NVwZ-RR 1996, 149 (150); VGH Kassel, NVwZ-RR 1991, 28 (29).

2. Abschn.: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

4. Ergebnis: UnVerhältnismäßigkeit

231

nur im Ausnahmefall

Gegenüber den eher gering zu bewertenden Nachteilen des Verantwortlichen werden die aufgezeigten öffentlichen Interessen nur ausnahmsweise derart zurückfallen, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzunehmen wäre. Das hat seinen Grund darin, daß das Abschleppen einem Bündel von Interessen dient (Bewahrung der Rechtsordnung, Schutz besonderer Verkehrsfunktionen, Minimierung des Sicherheitsrisikos im Straßenverkehr, Verhinderung negativer Vorbildwirkung), die einzeln betrachtet manchmal von nur geringer Bedeutung sind, in ihrer Gesamtheit jedoch fast nie in einem deutlichen Mißverhältnis zu den Nachteilen des Verantwortlichen stehen. Wegen Geringfügigkeit 311 des Verkehrsverstoßes wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angenommen werden können, wenn ein Fahrzeug abgeschleppt wird, das - nur ganz unbedeutend in den räumlichen Bereich eines Haltverbots hineinragt312 oder - der Verkehrsverstoß nur von sehr geringer Dauer ist oder - die Funktion der Verkehrsregelung aus anderen Gründen kaum beeinträchtigt ist. Unzulässig ist das Abschleppen auch dann, wenn es Grundrechte des Betroffenen verletzt. Beispielsweise würde es gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn von zwei gleichermaßen störenden und unmittelbar nebeneinander parkenden Fahrzeugen nur das Fahrzeug des Betroffenen abgeschleppt würde und das andere verschont bliebe. Hingegen kann es nicht als willkürlich angesehen werden, wenn die Polizei Abschleppmaßnahmen auf bestimmte Straßenstrekken oder Örtlichkeiten beschränkt31 .

311

Vgl. BVerwG, NJW 1978, 656 (657); OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (247). Vgl. OVG Koblenz, NVwZ 1988, 658 (659); Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9; etwas großzügiger Vahle, VR 1997, 92 (93): Parken „am äußersten Rand einer Fußgängerzone". 313 Vgl. Klenke, NWVB1. 1994,288(292). 312

232

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Dritter Abschnitt

Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot A. Problemstellung Ausgehend von einem Urteil des VGH Mannheim vom 17. September 1990314 ist in jüngster Zeit die Frage in den Mittelpunkt des Interesses sowohl der Rechtsprechung315 als auch der Literatur 316 gerückt, ob der Halter oder Fahrer auch dann verantwortlich und zur Kostenerstattung verpflichtet ist, wenn er sein Fahrzeug zunächst ordnungsgemäß geparkt hat, sich die Verkehrssituation aber danach durch das Aufstellen von Haltverbotszeichen oder ähnliche Ereignisse geändert hat. Ob und wie der Ausschluß der von vielen als unbillig empfundenen Kostenerstattungspflicht rechtlich begründet werden kann, ist umstritten. Die verschiendenen dogmatischen Ansätze sollen im folgenden dargestellt und einer kritischen Untersuchung unterzogen werden. B. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv einer zu strengen Kostenhaftung I. Ermessensfehlerhafte Kostenanforderung Der Entscheidung des VGH Mannheim lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin parkte den von ihr genutzten Pkw am 15.9.1988 ordnungsgemäß. Am 20.9.1988 stellte die beklagte Stadt an dieser Stelle Haltverbotszeichen (Zeichen 286) mit dem Zusatz „ab 20.9.1988, 7.00 Uhr" auf, um Markierungen für das teilweise Benutzen des Gehwegs zum Parken anzubringen. Da das abgestellte Fahrzeug am Morgen des 22.9.1988 die Markierungsarbeiten behinderte, wurde es abgeschleppt. 314

VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; siehe auch die Entscheidung der Vorinstanz, VG Karlsruhe, DAR 1990, 192. 315 Siehe VGH Mannheim, DVBl. 1991, 1370; OVG Münster, DAR 1995, 377; VerkMitt 1996, 63; VR 1996, 105; OVG Hamburg, DÖV 1995, 783; VGH Kassel, DÖV 1997, 466 (467) und vom 17.12.1996 - 11 UE 2403/96 -; VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16; VG Saarlouis, ZfS 1993, 215; vgl. auch VG Köln, vom 19.3.1993 - 20 Κ 230/92 -; in Ordnungswidrigkeiten verfahren: OLG Köln, DAR 1993, 398; OLG Jena, NZV 1995, 289. 316 Siehe Berner/Köhler, Art. 25, Rn. 9, S. 181; Berr, DAR 1995, 264; Berr/Hauser, Rn. 647; Hauser, DAR 1991, 324; Huppertz, VD 1995, 125; Kierse, DAR 1995, 400; Mußmann, Rn. 347; Reichert/Ruder, Rn. 358; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 173 ff., 358; Schmittmann, VR 1996, 106; Schwab, VD 1992, 57; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 28; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 486, 514.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

233

Der VGH hat die Voraussetzungen für ein polizeiliches Abschleppen gem. §§ 1, 3 bwPolG als gegeben angesehen und das Abschleppen als rechtmäßige unmittelbare Ausführung qualifiziert. Die Kostenfolge des § 8 Abs. 2 bwPolG soll nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht automatisch eintreten, sondern auf einer Ermessensentscheidung der Polizei beruhen317. Diese Auslegung sei mit Rücksicht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten, um Härten zu vermeiden, die sich aus der strengen Zustandshaftung ergeben könnten. Gehe von einem Fahrzeug, das ohne Verstoß gegen Rechtsvorschriften zum Parken abgestellt worden sei, eine Störung aus, die nicht vorhersehbar gewesen sei und nicht in der Risikosphäre des Halters oder Fahrers liege, dann sei eine Kostenbelastung unzumutbar und damit wegen Verstoßes gegen den Grundsatz 318

der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig . Einen solchen Sachverhalt nahm das Gericht an, weil die Behörde die Markierungsarbeiten und die neue Verkehrsregelung nicht angemessene Zeit vorher angekündigt, sondern bereits am zweiten Tag nach dem Aufstellen des Haltverbotszeichens das Abschleppen veranlaßt hatte. In einer zweiten Entscheidung hatte der VGH Gelegenheit, seine Auffassung weiter zu präzisieren: Vorhersehbar und in der Risikosphäre des Halters oder Fahrers liegend sei eine Störung dann, wenn bereits im Zeitpunkt des Parkens erkennbar gewesen sei, daß sich die Verkehrsregelung ändern werde (Haltverbotsschilder, die durch gekreuzte Klebestreifen als noch nicht wirksam gekennzeichnet waren)319. Der Ansicht des VGH Mannheim sind im Grundsatz der VGH Kassel und wohl auch das OVG Hamburg beigetreten320.

317

VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; DVBl. 1991, 1370; ebenso VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 28 (29); DÖV 1997, 466; OVG Hamburg, DÖV 1995, 783 (784); Brandt/Schlabach, Rn. 204; Kästner, JuS 1994, 361 (366); Reichert/Ruder, Rn. 358 und 752; Schwab, VD 1992, 57 (59, Fn. 8); Seibert, in: Lisken/Denninger, M, Rn. 78; WölflStephan, § 8, Rn. 28; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 514; a. Α.: OVG Münster, DAR 1995, 377; VR 1996, 105 (106); Belz/Mußmann, § 8, Rn. 18; Götz, Rn. 460; Martensen, VB1.BW 1996, 81 (82 f.); Prümm/Thieß, S. 83; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 358; Wöhrle/Belz, § 8, Rn. 12; kritisch auch Schoch, JuS 1995, 508. 318 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698 (1699); vgl. auch Berr/Hauser, Rn. 647; Kierse, DAR 1995, 400 (401, Fn. 16). 319 VGH Mannheim, DVBl. 1991, 1370 f.; ebenso VG Saarlouis, ZfS 1993, 215 f.: es sei erkennbar gewesen, daß die Straße alsbald als Hochwasserumgehung in Betrieb genommen werden mußte. 320 VGH Kassel, NVwZ-RR 1995, 29 (30); DÖV 1997, 466 (467); OVG Hamburg, DÖV 1995, 783 (784); ebenso VG Saarlouis, ZfS 1993, 215 f.; VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16(17).

234

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

II. Unverhältnismäßigkeit des Abschleppens Hingegen hat das OVG Münster einen entgegengesetzten Standpunkt eingenommen: Die nordrhein-westfälischen Vorschriften über den Kostenersatz bei Ersatzvornahmen eröffneten der Behörde keinen Ermessensspielraum. Das Gericht läßt die Frage, ob die Koçtenhaftung des Zustandsstörers durch die Bildung von Risikosphären eingeschränkt werden könne, offen, „da das Risiko, das sich in Konstellationen der vorliegenden Art verwirklicht, der Sphäre des Fahrzeugeigentümers zuzuordnen ist"321. Der fließende Verkehr präge die notwendigen Regelungsinstrumentarien, die zur Bewältigung der Anforderungen des Straßenverkehrs flexibel einsetzbar, insbesondere kurzfristig veränderbar sein müßten. Daraus folge, daß die Erwartung, im öffentlichen Verkehrsraum an einer bestimmten Stelle für einen längeren Zeitraum parken zu können, rechtlich nicht geschützt sei322. Das OVG läßt somit Verhältnismäßigkeitserwägungen im Rahmen der Kostenheranziehung nicht zu. Das Abschleppen selbst wird als verhältnismäßig angesehen, wenn die Behörde seit der Aufstellung des Haltverbotszeichens 48 Stunden zugewartet hat323. Bei einer kürzeren Vorlauffrist würde das Gericht offenbar zu einer anderen Beurteilung kommen. Eine Abschleppmaßnahme wäre in einem solchen Fall wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtswidrig und der Betroffene zur Kostenerstattung nicht verpflichtet. Demgegenüber ist das Abschleppen nach Auffassung Vahles stets unverhältnismäßig, wenn der Betroffene überhaupt keine Gelegenheit hatte, das fragliche Schild zur Kenntnis zu nehmen324. III. Rückgriff auf die Billigkeitsregelung des § 20 bwGebG ? Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Regelung des § 20 Abs. 1, Abs. 2 bwGebG eröffne der Polizei einen Ermessensspielraum325. Die Vorschrift ist bei einer Ersatzvornahme gem. (§ 49 Abs. 1 bwPolG i. V. m.) § 31 Abs. 6 bwVwVG unmittelbar anwendbar und gestattet es der Behörde, von der Einziehung oder Festsetzung der Ersatzvornahmekosten abzusehen, wenn dies unbillig wäre326.

321 322 323 324 325

OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); ebenso VR 1996, 105 (106). OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); ebenso VR 1996, 105 (106). OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); VerkMitt 1996, 63; VR 1996, 105 (106). Vahle, VR 1997, 92 (94).

3 2 6 Mußmann,

Rn. 347; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 514: Analogie. Für Billigkeitserlaß auch Geiger, BayVBl. 1983, 10 (13); Götz, Rn. 460.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

235

Im Rahmen des § 8 Abs. 2 bwPolG ist die Vorschrift unmittelbar nicht anwendbar327, da das polizeiliche Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung keine Amtshandlung auf Veranlassung oder im Interesse des Verantwortlichen darstellt (§ 1 Abs. 1 bwGebG). Jedenfalls besteht Gebührenfreiheit, weil die polizeiliche Gefahrenabwehrmaßnahme überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 bwGebG). Anders als im regulären Vollstreckungsverfahren ist die Anwendung der Billigkeitsvorschrift bei unmittelbarer Ausführung auch nicht kraft gesetzlicher Verweisung vorgesehen. Sie kann mangels Regelungslücke auch nicht analog angewendet werden (siehe unten D.) 328 . IV. UnVerhältnismäßigkeit der Kostenheranziehung bei rechtlich gebundenem Handeln der Polizei Martensen hat die Ansicht vertreten, daß auch bei Ablehnung eines behördlichen Ermessensspielraums der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Korrektiv einer zu rigiden Kostenerstattungspflicht in Betracht kommen könne329. Zwar könne ein Gesetz auch dann als verfassungskonform angesehen werden, wenn es im Regelfall eine verhältnismäßige Güterzuordnung vornehme und nur in atypischen Fällen zu besonderen Härten führe. Dies beruhe darauf, daß bei Gesetzen aufgrund ihres typisierenden Charakters ein abstrakt-genereller Beurteilungsmaßstab anzulegen sei. Werde das Gesetz im Einzelfall vollzogen, dann könne sich der Vollzugsakt in einem atypischen Fall als unverhältnismäßig erweisen, weil die Verhältnismäßigkeitsprüfung dann einer konkret-individuellen Betrachtungsweise unterliege330. Erwiese sich die gesetzlich vorgeschriebene Kostenfolge im Einzelfall als unverhältnismäßig, dann müßte die Polizei nach dieser Auffassung vom Vollzug der Kostenerstattungsnorm absehen, ein gleichwohl ergangener Kostenbescheid wäre rechtswidrig. Ähnliche Ansätze finden sich in der Literatur insbesondere im Zusammenhang mit den sog. Altlastenfällen331. Hier wird teilweise auf den Verhältnis-

Ύ)Ί Schenke, in: Steiner, II, Rn. 358, Fn. 880; a. A. offenbar Mußmann, Rn. 347. Anderes gilt freilich in den Bundesländern, die eine Billigkeitsklausel im Polizeigesetz 328 normiert haben, vgl. ζ. B. Art. 76 S. 4 bayPAG. selbst Schenke, in: Steiner, II, Rn. 358, Fn. 880; a. A. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 514. 329 Martensen, VB1.BW 1996, 81 (84). 330 Martensen, VB1.BW 1996, 81 (84). 331

Die Problematik einer zu rigiden Zustandsverantwortlichkeit stellt sich auch in den Öltransportunfall- und Trümmergrundstücksfällen, siehe OVG Münster, DVBl. 1964, 683 (684); BVerwGE 10, 282 (283).

236

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

mäßigkeitsgrundsatz rekurriert, um eine höhenmäßige Begrenzung staatlicher Kostenersatzansprüche zu bewerkstelligen332. V. Die als erforderlich angesehene Vorlaufzeit Rechtsprechung und Literatur kommen in der Frage, ab wann ein Fahrzeug wegen eines nachträglich aufgestellten Haltverbotszeichens abgeschleppt werden darf, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während der VGH Mannheim und das VG Leipzig eine Frist von zwei Tagen als nicht ausreichend ansehen333, lassen das OVG Münster und das VG Karlsruhe einen zeitlichen Vorlauf von 48 Stunden genügen334. Ab welchem Zeitpunkt dem Verantwortlichen die Nachschau zumutbar ist und eine bei Parkbeginn nicht vorhersehbare Störung in seine Risikosphäre fällt, hat der VGH Mannheim ausdrücklich offengelassen335. Das BVerwG hat die Kostenbelastung bei einer Vorlaufzeit von vier Tagen als verhältnismäßig angesehen, sich über den entschiedenen Fall hinaus jedoch nicht zu einer (kürzeren) Mindestfrist geäußert336. Der VGH Kassel und das OVG Hamburg haben die Grenze bei drei Tagen gezogen337. Der VGH Kassel will in diese „Vorwarnfrist" auch Samstage einrechnen338. Nach Ansicht des OVG Hamburg ist die Drei-Tages-Frist jedoch unangemessen, wenn in die Zeit zwischen der Aufstellung des Verkehrszeichens und dem Abschleppen kein Sonn- oder Feiertag falle 339. Im Sinne einer großzügigeren Frist entschied das OLG Köln im Rahmen eines Bußgeldverfahrens 340: Die bloße Möglichkeit einer Änderung der Verkehrsanordnungen während des Jahresurlaubs zwinge regelmäßig nicht dazu, das Fahrzeug vorsorglich wegzufahren. Dadurch würde das Problem nur an einen anderen Ort verlagert werden, da es kaum öffentliche

«2 Vgl. ζ. B. Griesbeck, S. 105 ff.; Götz, Rn. 223; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 642; dagegen dezidiert Schenke, in: Steiner, II, Rn. 174. Gusy, Rnrn. 282, 294 ff. will den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erst bei der Auswahl unter mehreren Störern 333 fruchtbar machen. VGH Mannheim, NJW 1991, 1698 (1699); VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16 (17).

334 OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); VerkMitt 1996, 63; VR 1996, 105 (106); VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193). 335 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698(1699). 336 BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022). 337 VGH Kassel, DÖV 1997, 466 (467); OVG Hamburg, DÖV 1995, 783 (784). 338 VGH Kassel, vom 17.12.1996 - 11 UE 2403/96 -. 339 OVG Hamburg, DÖV 1995, 783 (784); kritisch Berr, DAR 1995, 264 (265). 340 OLG Köln, DAR 1993, 398 (399); siehe auch OLG Jena, NZV 1995, 289: keine Überwachungspflicht innerhalb von 3 Tagen; überhaupt gegen eine solche Pflicht Ν otthoff, ZfS 1995, 81.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

237

Flächen gebe, auf denen ausgeschlossen werden könnte, daß sich während einer Abwesenheit von mehreren Wochen die Verkehrsregelung nicht ändere341. Das Schrifttum plädiert für eine großzügigere Frist342: Thubauville will berücksichtigen, ob die Notwendigkeit der Verkehrszeichenregelung seitens der Behörde selbst veranlaßt worden sei: Eine Vorlaufzeit von 48 Stunden sei in solchen Fällen nicht ausreichend343. Schmittmann fordert wegen einer möglichen Urlaubsabwesenheit des Betroffenen einen zeitlichen Vorlauf von zwei Wochen344. Berr hält eine Frist von vier Tagen für zu kurz und das Vertrauen des Kraftfahrers in den Fortbestand der Verkehrsregelung bei „üblicher Abwesenheitsdauer, etwa während eines Urlaubs" für schutzwürdig345. C. Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit Andere Autoren setzen bei Behandlung der Öltransportunfall- und Altlastenfälle zur Begrenzung der Kostenlast einen Schritt früher an, indem sie den Umfang der materiellen Polizeipflicht des Zustandsverantwortlichen im Wege einer an Art. 14 GG orientierten verfassungskonformen Auslegung begrenzen346. Nur teilweise wird diese Argumentation auch auf die Problematik des nachträglichen Haltverbots übertragen347. Die genannten Ansichten sehen die dogmatische Grundlegung der Zustandsverantwortlichkeit in der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG). Da Art. 14 Abs. 2 GG einen Ausgleich von Individual- und Gemeinschaftsinteressen bezwecke, sei eine Verantwortlichkeit für den Zustand einer Sache nur dann legitimierbar, wenn die Gefahr oder Störung in irgendeiner Beziehung zur Sachherrschaft des Eigentümers stehe348, bzw. wenn sie ihren Ursprung in der privatnützigen Eigentumsverwendung habe349. Eine uneingeschränkte Verantwortlichkeit sei folglich nicht gerechtfertigt, wenn außergewöhnliche, außerhalb der Risikosphäre des Eigentümers liegende Ereignisse die Sache in einen gefährlichen Zustand versetzt

341

OLG Köln, DAR 1993, 398 (399); zustimmend Berr, DAR 1995, 264 (265). Grundsätzlich ablehnend Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 ff. 343 Thubauville, VerkMitt 1996, 64. 344 Schmittmann, VR 1996, 106 (108). 345 Berr, DAR 1997, 120; DAR 1995, 264 (265). 346 Friauf, Festschrift Wacke, 293 (303); Papier, Altlasten, S. 50 f.; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 173; gegen eine Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit VGH Mannheim, NVwZ 1986, 325 (326); VGH München, NVwZ 1986, 942 (945); OVG Münster, DVBl. 1989, 1009 (1010); Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 a α ÇS. 320); Mußmann, Rn. 281. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 175. 348 Friauf, Festschrift Wacke, 293 (301); vgl. BVerwG, NJW 1992, 1908. 349 Papier, Altlasten, S. 51; vgl. BVerwG, NJW 1992, 1908. 342

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

238 350

hätten oder wenn die von der Sache ohne eigene Verursachung ausgehende Gefahr zur Verhinderung jeder privatnützigen Eigentumsverwendung führe 351. In solchen Situationen entfalle die materielle Polizeipflicht des Zustandsverantwortlichen352 oder reduziere sich auf eine Pflicht zur Duldung der Gefahrenabwehr353, weshalb auch keine Pflicht zur Tragung der Kosten einer polizeilichen Gefahrenbeseitigung bestehen könne. Als außerhalb der Risikosphäre des Eigentümers liegender Umstand wird auch das nachträgliche Aufstellen von Haltverbotszeichen, die der rechtmäßig parkende Fahrer nicht erkennen konnte, angesehen354. Der Betroffene habe zwar das Abschieden zu dulden, sei aber zur Erstattung der Abschleppkosten nicht verpflichtet3 . D. Kritik I. Kein Ermessen bei § 8 Abs. 2 bwPolG Offenkundig findet die behauptete Einräumung eines Ermessensspielraums im Wortlaut des § 8 Abs. 2 bwPolG keine Stütze. Während nämlich üblicherweise der Gesetzgeber Ermessensnormen unter Verwendung des Verbs „können" formuliert, heißt es in § 8 Abs. 2 S. 1 bwPolG: „Entstehen der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, sind die in den §§6 und 7 bezeichneten Personen zu deren Ersatz verpflichtet". Der VGH Mannheim meinte, den entgegenstehenden Wortlaut mit einem systematischen Argument beiseite schieben zu können. Er berief sich auf den damals noch bestehenden § 81 Abs. 1 bwPolG, der folgenden Wortlaut hatte: „Für die Kosten polizeilicher Maßnahmen kann Ersatz verlangt werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist." Diese Vorschrift wiederholte den allgemeinen, verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz des Gesetzesvorbehalts im Bereich des Polizeirechts und hatte somit bloß deklaratorischen Charakter356. 350 Friauf, Festschrift Wacke, 293 (303); derselbe, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 92 f. und Schenke, in: Steiner, II, Rn. 173 m. w. Nachw.; kritisch Papier, Altlasten, S. 49; ablehnend Götz, Rn. 223; Schoch, JuS 1994, 1026; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 642. 351 Papier, Altlasten, S. 51. Friauf, Festschrift Wacke, 293 (303); derselbe, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 92. 353 Papier, Altlasten, S. 51; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 175. 354 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 173; auch der VGH Mannheim, NJW 1991, 1698 (1699) verwendet das Risikosphärenargument zur Begründung der von ihm angenommene UnVerhältnismäßigkeit der Kostenheranziehung; vgl. auch VG Saarlouis, ZfS 1993, 215; VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16 (17); a. Α.: OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); VR 1996, 105 (106). 35 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 175. 356 Vgl. LT-Drucks. 10/5230, S. 61.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

239

Die Argumentation des VGH Mannheim war deshalb bereits nach der damaligen Gesetzeslage wenig überzeugend. Ihr ist jedenfalls seit der ersatzlosen Streichung des § 81 Abs. 1 bwPolG bei der Novellierung des bwPolG im Jahr 1992 der Boden entzogen . Die Zulässigkeit einer Ermessensentscheidung kann auch nicht auf andere Weise dargetan werden. Dagegen sprechen nicht nur der Wortlaut, sondern auch Systematik und Normzweck: § 8 Abs. 2 bwPolG nimmt ausdrücklich auf die Normen über die polizeirechtlich Verantwortlichen Bezug. Die Kostenpflicht folgt somit zwanglos aus der materiellen Polizeipflicht. Dahinter steht die überaus einleuchtende Erwägung, daß derjenige, der seiner Gefahrenabwehrpflicht nicht nachgekommen ist oder nicht nachkommen konnte, für seine Untätigkeit nicht prämiert werden soll. Wer polizeirechtlich verantwortlich ist, soll die damit verbundenen Kosten auch selbst tragen und nicht auf die Allgemeinheit verlagern358. Dem entspricht es, die Kostenerstattungspflicht untrennbar mit der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit zu verknüpfen. Diese gesetzliche Wertung unterläuft, wer die Frage der Kostenerstattung in das Ermessen der Polizei stellen will 359 . II. Billigkeit und Verhältnismäßigkeit Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob eine Kostenfreistellung analog § 20 Abs. 1, Abs. 2 bwGebG oder wegen UnVerhältnismäßigkeit des Normvollzugs im Einzelfall möglich ist. Beide Auffassungen erwecken Bedenken, weil sie den Grundsatz des Gesetzesvorrangs negieren. Ordnet § 8 Abs. 2 bwPolG zwingend die Kostenbelastung des Verantwortlichen an, dann ist die Verwaltung an diese gesetzliche Vorgabe gebunden. Für eine analoge Anwendung hiervon abweichender Rechtsvorschriften besteht deshalb keine Regelungslücke360. Diese Konsequenz wird verschleiert, wenn gesagt wird, der Polizei sei ein Ermessensspielraum analog §20 Abs. 1, Abs. 2 bwGebG eingeräumt361. Zwar sieht diese Vorschrift Ermessen hinsichtlich der Niederschlagung oder Nichtfestsetzung einer Gebühr vor 362. Das ändert aber nichts daran, daß eine analoge Anwendung angesichts des zwingenden Charakters der polizeirechtlichen Kostenerstattungsnorm ausscheidet.

357

3 5 8 Auch

Mußmann, Rn. 347 mit Fn. 16 lehnt nun eine Ermessensentscheidung ab. Vgl. Martensen, VB1.BW 1996, 81 (83). 359 Vgl. Martensen,, VB1.BW 1996, 81 (83). 360 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 358, Fn. 880. Vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 514. 362 Im übrigen wäre bei Vorliegen einer unbilligen Härte regelmäßig von einer Ermessensreduzierung auszugehen, vgl. Maurer, § 7, Rn. 24 f.

240

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Ebenso wie die Anwendung des § 20 bwGebG soll auch die von Martensen befürwortete einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung in atypischen Fällen eine Abweichung von der gesetzlich normierten Kostenheranziehungspflicht ermöglichen. Beiden Ansätzen liegt die Erwägung zugrunde, daß eine zu strenge gesetzliche Kostenpflicht verfassungsrechtliche Bedenken erweckt und daher im Einzelfall gemildert werden muß, andernfalls die Anwendung der Norm verfassungswidrig wäre. Dabei wird verkannt, daß die Gesichtspunkte, aus denen sich die Unverhältnismäßigkeit der Kostenheranziehung ergeben soll, in gleicher Weise oder jedenfalls in den allermeisten Fällen auch die UnVerhältnismäßigkeit des Abschleppens selbst begründen363. Wieso beispielsweise das Abschleppen eines Kfz bei einem kurz zuvor aufgestellten Haltverbotszeichens verhältnismäßig, die Kostenerhebung dagegen unverhältnismäßig sein soll, ist nicht ersichtlich. Es ist folglich widersprüchlich, den Fahrer oder Halter als rechtmäßig in Anspruch genommenen polizeirechtlich Verantwortlichen zu klassifizieren, zugleich aber die Unbilligkeit oder UnVerhältnismäßigkeit einer Kostenheranziehung zu postulieren364. Ein derartiges Vorgehen trägt, indem es zu einer Abkoppelung der Kostenerstattungsebene von jener der Gefahrenabwehr führt, der Kongruenz von primärer Polizeipflicht und sekundärer Kostentragungspflicht 365 nicht Rechnung und mißachtet damit den eindeutigen Wortlaut der Vorschriften über die polizeirechtliche Verantwortlichkeit und der unmittelbar an sie anknüpfenden Kostenerstattungstatbestände (nach § 8 Abs. 2 S. 1 bwPolG sind „die in den §§6 und 7 bezeichneten Personen" zum Kostenersatz verpflichtet; gemäß § 31 Abs. 1 und 2 bwVwVG werden Kosten vom „Pflichtigen", also dem durch Verwaltungsakt in Anspruch genommenen polizeirechtlich Verantwortlichen erhoben). Kann die Polizei zur Gefahrenabwehr tätig werden, entspricht die uneingeschränkte Kostentragungspflicht des Verantwortlichen der ratio des § 8 Abs. 2 bwPolG. III. Zur Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit Die Lehre von der Begrenzung der Zustandsverantwortlichkeit lenkt den Blick auf das eigentliche Problem: Dem Gerechtigkeitsempfinden widerstreitet 363

Insoweit zutreffend siedelt das OVG Münster seine Argumentation denn auch auf der Sekundärebene an, vgl. OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); VR 1996, 105 (106). Vgl. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 358, Fn. 880: es gehe nicht an, den seiner materiellen Polizeipflicht nicht genügenden Störer durch einen Billigkeitserlaß noch zu prämieren. Zum unlösbaren Zusammenhang von primärer und sekundärer Polizeipflicht siehe Schenke, in: Steiner, II, Rn. 174; OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); VGH München, BayVBl. 1989, 438 (439) m. w. Nachw.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

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nicht allein die Kostenbelastung des Betroffenen, sondern weitaus grundsätzlicher dessen Qualifikation als Verursacher einer Störung der öffentlichen Sicherheit, woraus sich neben der Kostentragungspflicht noch weitere Nachteile ergeben: Während beispielsweise bei einem verseuchten Grundstück der Eigentümer, der seiner materiellen Polizeipflicht nicht nachkommt, bei behördlicher Gefahrenabwehr mit Kosten nicht belastet würde, stünde demjenigen, der auf eine entsprechende Anordnung hin die Dekontamination auf eigene Kosten durchführt, kein Entschädigungsanspruch zu, wobei ein solcher auch nicht in analoger Anwendung der Regelungen über die Nichtstörerentschädigung begründet werden könnte366. Allerdings erweckt auch die befürwortete verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit Bedenken. Die Zustandsverantwortlichkeit ist Ausdruck materieller Handlungspflichten, die ihren Ursprung in Art. 14 GG haben. Verantwortlichkeit für eine Gefahr oder Störung bedeutet somit die Verpflichtung, eine Gefahr abzuwehren oder eine Störung zu beenden. Die materielle Polizeipflicht ist also abstrakt. Sie wird erst durch polizeilichen Verwaltungsakt inhaltlich konkretisiert. Deshalb ist es nicht möglich, durch verfassungskonforme Auslegung die den Verantwortlichen treffende Gefahrenabwehrpflicht hinsichtlich des Umfangs oder der Art und Weise ihrer Erfüllung zu begrenzen. Die verfassungskonforme Auslegung kann lediglich zu dem Ergebnis kommen, daß die Pflicht zur Gefahrenabwehr (materielle Polizeipflicht) entweder besteht oder nicht besteht. Unzulässig ist es, die materielle Polizeipflicht derart zu relativieren, daß man zu einer Verantwortlichkeit gelangt, die lediglich einen Teil der Gefahrenabwehr (pro-rataVerantwortlichkeit)36 oder lediglich ein bestimmtes Gefahrenabwehrverhalten (Begrenzung auf Duldung) zum Gegenstand hat368. Eine verfassungskonforme Auslegung kann somit nur dann zum Ausschluß der Zustandsverantwortlichkeit führen, wenn sich jedwede Inanspruchnahme als verfassungswidrig darstellen würde. Die Frage, ob von mehreren möglichen Gefahrenabwehrhandlungen eine dieser Handlungen unzumutbar ist, ist eine solche der Verhältnismäßigkeit und berührt die materielle Polizeipflicht des Verantwortlichen nicht. So kann beispielsweise das Zerstören eines Kfz unverhältnismäßig, das Beiseiteschieben aber verhältnismäßig sein. Die Auffassung, der von einem nachträglich errichteten Haltverbot betroffene Halter sei nur zur Duldung, nicht hingegen zur Entfernung seines Fahrzeugs verpflichtet 369, kann somit nicht mit der verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften über die

366

Hierauf weist zutreffend Schenke, in: Steiner, II, Rn. 174 hin. So Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 337; dagegen auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 176, 182. So Papier, Altlasten, S. 51; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 175. 369 Schenke, in: Steiner, II, Rn. 175. 16 Schieferdecker

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Zustandsverantwortlichkeit begründet werden. Denkbar wäre allenfalls, eine polizeiliche Inanspruchnahme, die über ein Duldungsgebot hinausgeht und Entfernung des abgestellten Fahrzeugs zum Inhalt hat, als unverhältnismäßig und rechtswidrig zu qualifizieren und den Verantwortlichen auf diese Weise von den Kosten zu entlasten. IV. Gefahrenverursachung und Verantwortlichkeit 1. Ansätze zur Vermeidung der Kostenerstattungspflicht Abschleppkosten können nur dann erhoben werden, wenn die Abschleppmaßnahme und der kostenanfordernde Bescheid in jeder Hinsicht rechtmäßig sind370. Dogmatischer Ansatzpunkt einer die Kostenbelastung vermeidenden Lösung kann deshalb jede bei der Anordnung eines Entfernungsgebots, bei der Durchsetzung desselben und bei der Heranziehung zur Kostenerstattung zu beachtende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung sein. Schaubild 2 Ansatzpunkte zum Ausschluß der Kostenerstattungspflicht Primärebene

371

(Verwaltungsakt) Sekundärebene (Vollstreckung) Tertiärebene (Kostenanforderung)

(1) Vorliegen einer Gefahr (2) Verantwortlichkeit (Zurechenbarkeit der Gefahr) (3) Verhältnismäßigkeit des Abschleppens

(4) Verhältnismäßigkeit der Kostenerhebung (5) Absehen von Kosten wegen Unbilligkeit

Die bisherige Argumentation setzt fast ausschließlich auf der Tertiärebene an und schenkt den auf der Primär- und Sekundärebene zu berücksichtigenden Rechtmäßigkeitserfordernissen nur geringe Beachtung. Dabei ist es durchaus zweifelhaft, ob in den Fällen des nachträglich errichteten Haltverbots eine Störung der öffentlichen Sicherheit besteht bzw. der Betroffene polizeirechtlich verantwortlich ist (dazu sogleich unten 2). Besteht 370

Dem steht es gleich, wenn die Frage der Rechtmäßigkeit unanfechtbar oder (bei sofortiger Vollziehbarkeit eines Entfernungsgebots) einstweilen bindend beantwortet ist. 371 Bei Durchführung einer unmittelbaren Ausführung sind die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Primärebene gleichfalls zu beachten. Primär- und Sekundärebene fallen dann zusammen.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

243

keine Gefahr oder Störung, die ein polizeiliches Einschreiten rechtfertigt, oder ist der von der Gefahrenabwehr Betroffene für die abzuwehrende Gefahrenlage nicht verantwortlich, so ist er als Nichtstörer anzusehen, womit eine Kostenerstattungspflicht ausscheidet und gegebenenfalls Anspruch auf Entschädigung besteht. 2. Kein Verstoß gegen nachträglich errichtete Haltverbotszeichen Eine Störung der öffentlichen Sicherheit wäre gegeben, wenn das Abstellen gegen eine Verbotsnorm der StVO verstoßen oder den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen würde. Während im Normalfall das tatbestandsmäßige Verhalten im Abstellen des Fahrzeugs unter Mißachtung des Haltverbotszeichens zu sehen ist, kommt ein Verbotsverstoß nicht in Betracht, wenn das Verkehrszeichen beim Parken überhaupt noch nicht aufgestellt oder für den Verkehr sichtbar war. Bei nachträglicher Aufstellung des Verkehrszeichens wird das Haltverbot und Wegfahrgebot zwar existent, aber weder dem Halter noch dem Fahrer bekanntgegeben 7 2 . Folglich können diese auch nicht durch ihr Verhalten gegen das Haltverbot und die korrespondierenden Verbotsnormen bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestände verstoßen373. In Ermangelung eines vom Fahrer eines Kfz verursachten Verbotsverstoßes einer Störung der öffentlichen Sicherheit - kann auch keine Zustandsverantwortlichkeit dessen Halters oder Eigentümers gegeben sein. Zwar ist die Zustandsverantwortlichkeit im Regelfall von einem Verhalten unabhängig, wenn Ursache einer Gefahr allein die Beschaffenheit einer Sache ist374. Rutscht etwa ein Hanggrundstück ab und besteht die Gefahr, daß die Erdmassen ein Haus unter sich begraben, dann begründet die Beschaffenheit dieses Grundstücks die Gefahr für Leib und Sachwerte, ohne daß es von Bedeutung wäre, ob das Abrutschen auf Regenfälle oder unsachgemäße Grabearbeiten von Menschen zurückzuführen sind. Nach allgemeiner Meinung soll allerdings auch die bloße Lage einer Sache im Raum eine Gefahr oder Störung begründen können375. Diese These bedarf der Klarstellung: Bei Kraftfahrzeugen besteht die angeblich von der Lage im Raum ausgehende Störung regelmäßig in der Verwirklichung einer Straßenverkehrsordnungswidrigkeit bzw. in dem Verstoß gegen ein aus der StVO folgendes Haltverbot. Hierbei handelt es sich um Tatbestände, die ein bestimmtes Verhalten im Verkehr verbieten und mit Strafe (Geldbuße) belegen. Ein Ver372

373 374

Siehe zur Bekanntgabe und Wirksamkeit von Verkehrszeichen S. 39 ff. Siehe S. 82.

Siehe nur Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 b α (S. 320): „Unerheblich ist, auf welche Weise der polizeiwidrige Zustand entstanden ist". 375 Siehe S. 165.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

stoß kommt somit überhaupt nur durch das jeweils verbotene Verhalten in Betracht. Da die Störung in der Mißachtung eines Verhaltensverbotes besteht, bedarf es zur Annahme einer Störung eines entsprechenden tatbestandsmäßigen Verhaltens. Es wäre widersinnig, zu behaupten, daß das Fahrzeug selbst ohne menschliches Zutun die Störung begründe. Widersinnig deshalb, weil die Verhaltensgebote und -verböte der StVO zweifellos nicht an Sachen, sondern an Personen adressiert sind. Damit ist folgende Konsequenz zu ziehen: Besteht eine Störung in der Verletzung eines gesetzlichen Verhaltensgebotes oder -Verbotes, dann kann sie nur durch menschliches Verhalten (Abstellen eines Fahrzeugs im Haltverbot) verursacht werden. Nimmt man in einem solchen Fall an, die Störung gehe zugleich auch von der Sache selbst aus, dann kann dies nur damit begründet werden, daß das gefahrschaffende Verhalten die Sache in einen fortdauernden störenden Zustand versetzt, gewissermaßen die Sache „infiziert". Die Zustandsverantwortlichkeit kann in diesen Fällen überhaupt nur durch ein verbotswidriges Verhalten ausgelöst werden376. Wird ein Fahrzeug nach den vorhergehenden Ausführungen rechtmäßig abgestellt, kommt somit eine Zustandsverantwortlichkeit nicht in Betracht, weil es an einem verbotswidrigen Verhalten fehlt, das die Sache in einen störenden Zustand versetzen könnte. 3. Störung durch Beeinträchtigung Dritter? Einige Gerichte haben sich zur Rechtfertigung von Abschleppmaßnahmen bei nachträglich errichteten Haltverbotszeichen darauf berufen, es habe eine Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bestanden377. Was damit gemeint ist, erhellt eine frühere Entscheidung des VGH Mannheim, in der ausgeführt wurde: „Angesichts der ständig wachsenden Verkehrsdichte ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ein Gemeinschaftsgut von überragendem Wert"378. Diese Rechtsprechung weicht von der herkömmlichen polizeirechtlichen Dogmatik ab, nach der Schutzgut der öffentlichen Sicherheit (nur) der Bestand, die Einrichtungen und die Veranstaltungen des Staates, die

376 So wohl auch Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (316). Sofern ausnahmsweise ein Fahrzeugs nicht (nur) unter Verstoß gegen Verhaltensvorschriften der StVO abgestellt ist, sondern durch seine Lage im Raum (auch) private oder kollektive Rechtsgüter gefährdet, tritt die Zustandsverantwortlichkeit selbstverständlich unabhängig von einem störenden Verhalten ein. Siehe hierzu unten 3. 377 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; VG Saarlouis, ZfS 1993, 215; VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16 (17); ebenso Schwab, VD 1992, 57 (61); ähnlich OVG Hamburg, VRS 89, 68 (70): Das Kfz habe die Funktion des Verkehrszeichens, den unbehinderten Betrieb der Baustelle zu sichern, behindert. 378 VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 (168).

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

245

gesamte Rechtsordnung und die subjektiven Rechte Einzelner sind. Die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" ist ein Topos, der die ohnehin sehr weite und unbestimmte Generalklausel noch weniger bestimmbar machen würde. Ohnehin wohnt bereits der dargestellten, herkömmlichen Definition des Begriffs der öffentlichen Sicherheit die Tendenz inne, der Polizei eine möglichst umfassende Eingriffsbefugnis zu erhalten. Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ist es aber geboten, der polizeirechtlichen Generalklausel im Wege der Auslegung möglichst scharfe Konturen zu verleihen. Deshalb darf es nicht sein Bewenden damit haben, daß sich Polizei und Verwaltungsgerichte formelhaft auf die „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" berufen. Ein Schutzgut der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs"379 ist nicht anzuerkennen380. Ebensowenig kann aus der Tatsache, daß ein Verkehrszeichen aufgestellt werden sollte, auf eine konkrete Gefahr für Leben, Leib oder Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer geschlossen werden. Zwar kann ein Verkehrszeichen grundsätzlich nur aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs aufgestellt werden (§ 45 Abs. 1 S. 1 StVO). So sollen Regelungen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit veranlaßt sind, nur bei Vorliegen einer konkreten Gefahr angeordnet werden können381. Der Eintritt eines Schadens braucht aber weder gewiß zu sein, noch unmittelbar bevorstehen; es genügt, wenn irgendwann in überschaubarer Zukunft Schadensfälle eintreten können382, wenn also das Halten in dem betreffenden Streckenabschnitt typischerweise gefährlich 383

ist . Eine Regelung kann auch zur Ordnung des Verkehrs notwendig sein, ohne daß es der Gefährdung subjektiver Rechte oder Rechtsgüter Einzelner bedürfte. Es kommen auch nach § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. la-lc StVO zahlreiche Regelungen in Betracht, die nicht durch Gründe der Verkehrssicherheit motiviert sind (vgl. insbesondere § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StVO für die Durchführung von Markierungsarbeiten). Eine Störung der öffentlichen Sicherheit wegen einer Beeinträchtigung privater Rechte oder Rechtsgüter durch parkende Fahrzeuge kann deshalb nur dann angenommen werden, wenn andere Personen nachweislich behindert oder gefährdet werden (es liegt dann zugleich ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vor). 379

Vgl. VGH Mannheim, NJW 1991, 1698; VG Saarlouis, ZfS 1993, 215; VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16(17); ähnlich OVG Hamburg, VRS 89, 68 (70). 380 Tendenziell ebenso Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315). 381 Vgl. BVerwG, MDR 1975, 603 (604); BVerwGE 59, 221 (225); Kuckuk, in: Drees/Kuckuk/Werny, § 45 StVO, Rn. 6; Bauer, in: Kodal/Krämer, Kap. 42, Rn. 3.2. 382 BVerwG, MDR 1975, 603 (604); Bauer, in: Kodal/Krämer, Kap. 42, Rn. 3.2. Eine derart typisierende Betrachtungsweise ist erforderlich, weil das Verkehrszeichen eine nur durch den örtlichen Bezug eingrenzbare Fülle an Sachverhalten regelt. Der Sache nach bedarf es deshalb lediglich einer abstrakten Gefahr im polizeirechtlichen Sinn (zum Begriff Schenke, in: Steiner, II, Rn. 327; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 450).

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Eine Störung der öffentlichen Sicherheit würde desweiteren verursacht werden, wenn das Abstellen eines Fahrzeugs die „Funktionsfähigkeit einer Einrichtung des Staates" beeinträchtigte. Dieses Schutzgut umfaßt alle Handlungen, die staatliche Stellen im Rahmen ihres Aufgabenbereiches vornehmen, beispielsweise die Durchführung der kommunalen Müllabfuhr 384. Gleiches gilt für die Tätigkeit anderer öffentlicher Stellen im Straßenraum, also auch für Straßenbau· oder Markierungsarbeiten. In den hier interessierenden Fällen, in denen vor der Errichtung des Verkehrszeichens ordnungsgemäß geparkt wurde, sind jedoch im Zeitpunkt des Abstellens Umstände, die das Abstellen beispielsweise als Behinderung anderer Personen oder als Beeinträchtigung staatlicher Aufgabenerfüllung erscheinen lassen würden (Baustelle, Karnevalsumzug etc.), nicht gegeben. Eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der genannten privaten oder kollektiven Rechtsgüter könnte somit nur damit begründet werden, daß sich nach dem ordnungsgemäßen Abstellen die äußeren Umstände geändert haben. 4. Entstehung und Zurechnung einer Störung bei Änderung der äußeren Umstände? a) Ausgangspunkt und Problematik Nach dem bisher Gesagten handelt ordnungsgemäß, wer sein Fahrzeug im Einklang mit den Verkehrsvorschriften geparkt hat. Die Rechtmäßigkeit seines Handelns wird auch nicht dadurch berührt, daß nachträglich ein Haltverbotszeichen aufgestellt wird, weil dieses dem Abwesenden gegenüber keine rechtliche Wirkung entfalten kann. Oftmals soll ein solches Haltverbot eine bestimmte Nutzung des öffentlichen Straßengrundes ermöglichen: (1) Ein Wohnungsumzug soll stattfinden. Ein Haltverbotszeichen wurde aufgestellt, um für den benötigten LKW in der stets dicht beparkten Straße Parkraum zu reservieren. (2) Eine Baustelle soll auf einer Straßenseite unter Inanspruchnahme eines Teils der Fahrbahn errichtet werden. Ein Haltverbotszeichen soll verhindern, daß wegen auf der anderen Straßenseite parkenden Fahrzeugen die Straße unzulässig verengt und für LKW unpassierbar wird. (3) Am Fahrbahnrand soll durch Anbringung entsprechender Markierungen ein Radweg gekennzeichnet werden. Der betreffende Abschnitt der Straße soll zur Durchführung dieser Arbeiten durch Anordnung eines Haltverbots von parkenden Fahrzeugen freigehalten werden.

384

Vgl. Habermehl, Rn. 92.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

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Gleich gelagert sind jene Fälle, in denen die beabsichtigte Nutzung nicht vorausschauend geplant und durch Anordnung eines Haltverbots ermöglicht werden kann, sondern aufgrund der Umstände kurzfristig stattfinden soll: (4) Ein Wasserrohrbruch macht Arbeiten am Straßengrund erforderlich, die nur durchgeführt werden können, wenn rechtmäßig parkende Fahrzeuge entfernt werden. (5) Ein zuvor in einer öffentlichen Grünanlage stehender Baum wurde durch einen Sturm umgeworfen. Die Bergungsarbeiten gestalten sich schwierig, weshalb Fahrzeuge, die zwischen Grünanlage und Straße rechtmäßig parken, entfernt werden sollen. (6) Wegen eines Verkehrsunfalls muß der Verkehr durch eine beidseitig beparkte, schmale Straße umgeleitet werden. Um einen ungehinderten Begegnungsverkehr zu gewährleisten und Stauungen zu vermeiden, sollen rechtmäßig parkende Fahrzeuge abgeschleppt werden. (7) Ein Geschäftshaus in der Innenstadt steht in Flammen. Die Polizei möchte davor befindliche Fahrzeuge entfernen, um zu vermeiden, daß sich Feuerwehr und Rettungsdienste in der engen Straße gegenseitig behindern. Kennzeichnend für die hier zu behandelnden Konstellationen ist, daß ein zunächst rechtmäßig geparktes Fahrzeug später in Konflikt mit einer weiteren Nutzungsabsicht kommt. Es steht der beabsichtigten Nutzung der Straße zum Zweck des Umzugs, der Durchführung von Straßenbauarbeiten etc. entgegen. Es „stört", indem es die genannten Nutzungen verhindert. Liegt hierin eine polizeirechtlich relevante und dem Führer, Halter oder Eigentümer des Fahrzeugs zurechenbare Störung? Stellt das Abstellen eine Behinderung anderer dar, wenn infolge des abgestellten Fahrzeugs kein Parkraum für den Umzugswagen gegeben ist? Beeinträchtigt das Fahrzeug dadurch, daß es an seinem Standort verbleibt und Straßenbau- oder -markierungsarbeiten verhindert, die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen, nämlich die Erfüllung staatlicher Aufgaben durch die Straßenbaubehörde? Kann die infolge des Brandes bestehende Gefahr für Leib und Leben der Hausbewohner auch den für das Fahrzeug Verantwortlichen zugerechnet werden, weil die Rettungsarbeiten effizienter durchgeführt werden könnten, wenn dieses entfernt würde? Kann die infolge der Demonstration und der Verkehrsumleitung entstandene Stauung und Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer demjenigen zugerechnet werden, der in der als Umleitung benutzten Straße ordnungsgemäß geparkt hat? b) Polizeirechtliche Verantwortlichkeit bei Nutzungskonkurrenz? Soweit in den Beispielsfällen überhaupt eine Beeinträchtigung im Sinne eines Schadens an polizeirechtlich geschützten Rechtsgütern vorliegt, stellt sich die

248

2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

Frage, wem eine solche Rechtsgutsverletzung zugerechnet werden kann. Sowohl im Rahmen der Verhaltens- als auch der Zustandsverantwortlichkeit kann es sein Bewenden nicht bei der bloßen Ursächlichkeit des Kfz für die eingetretene Behinderung haben. Die polizeirechtliche Dogmatik hat weitere Kriterien entwickelt und dabei das Ziel verfolgt, die nur nebensächlichen Verursachungsbeiträge auszuscheiden und nur diejenige Ursache als polizeirechtlich relevant anzusehen, die bei wertender Betrachtungsweise sich als „unmittelbare", wesentliche Ursache herausstellt385. Ob man mit der herrschenden Meinung hierin ein Urteil über die Verantwortlichkeit einer Person sieht, oder annimmt, die „Zurechnung" stelle in Wirklichkeit nichts anderes dar, als die Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Gefahr" bzw. „Störung"386, ist im Ergebnis ohne Belang. Entscheidend ist, daß die Bestimmung der Verantwortlichkeit (oder nach anderer Auffassung die Feststellung einer Gefahr oder Störung) ein juristisches Werturteil beinhaltet387. Die polizeirechtliche Generalklausel ist in ihrer Unbestimmtheit nicht nur für Wertungen offen, sondern bei der Rechtsanwendung (wie jede Generalklausel) geradezu auf Ausfüllung und Konkretisierung durch objektive Wertungen angelegt388. Ob ein Verhalten oder ein Sachzustand im Spannungsverhältnis zwischen Rechtsgüterschutz und persönlicher Freiheit Bestand haben kann oder zurücktreten muß, ist durch Abwägung der konkurrierenden Interessen zu entscheiden. In die Abwägung fließen vor allem die Wertentscheidungen des Grundgesetzes ein, und zwar zum einen in der Form, wie sie unmittelbar in der Verfassung zum Ausdruck kommen, und zum anderen in der Gestalt, die sie in der Rechtsordnung als „konkretisiertes Verfassungsrecht" gefunden haben389. Aus der Rechtsordnung folgt somit, indem sie die Rechtsstellung der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat regelt, ein „allgemeines Risikoverteilungsprinzip"390. Im Grunde geht es bei der Zurechnung also darum, den Verantwortungsbereich, die Risikosphäre der betroffenen Personen und der Allgemeinheit zu bestimmen391. Ausgangspunkt muß hierbei sein, daß eine Nutzung, die im Einklang mit der Rechtsordnung erfolgt, nicht störend ist392 und gegenüber anderen konkurrierenden Nutzungen Bestand haben kann. Beispielsweise ist der Vermieter, der

385 387

Vgl. bereits oben S. 166. So Adamaschek, S. 32; wohl auch Höhle, S. 162 f.

Vgl. Adamaschek, S. 26. Auch die verschiedenen Verursachungstheorien gehen hiervon aus, siehe Schenke, in: Steiner, II, Rn. 156. 388 Siehe zur „Wertausfüllungsbedürftigkeit" rechtlicher Begriffe Engisch, Einführung 3 in das juristische Denken, Stuttgart, 8. Auflage 1983, S. 125 ff. Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (205). 390 Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (205); vgl. auch Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (459V 39 Vgl. ζ. B. Erichsen, VVDStRL 35 (1977), 171 (205); Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (459); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 168, 173.

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

249

aus einem Räumungstitel gegen seinen Mieter vollstreckt, nicht Störer, wenn der Mieter daraufhin obdachlos wird. Gleichfalls trifft die Teilnehmer einer Demonstration keine Verantwortlichkeit für die mit der Demonstration verbundenen Verkehrsbehinderungen. Soweit die Rechtsordnung dem Vermieter und den Demonstranten ein Recht gewährt, entlastet sie sie auch von den Folgen einer Ausübung des Rechts. Wer sich also im Rahmen der ihm zustehenden Rechte und des erlaubten Risikos hält, den trifft keine polizeirechtliche Verantwortlichkeit. Ob sich der Halter die durch sein parkendes Fahrzeug verursachten Behinderungen als von ihm zu verantwortende Störungen zurechnen lassen muß, hängt nun davon ab, ob er das Risiko solcher Nutzungsunverträglichkeiten zu tragen hat. Ähnliche Sachverhalte betreffen die unter dem Stichwort „latente Gefahr" behandelten Konstellationen: Auch beispielsweise in den „Schweinemästerfällen" 393 handelt es sich um Situationen, in denen eine ursprünglich nicht zu beanstandende Nutzung (Schweinemästerei) in Konflikt mit einer hinzutretenden Nutzung (heranrückende Wohnbebauung) gerät. Soweit er sich nicht auf eine Genehmigung stützen kann394, ist dem Schweinemäster die Ausübung einer gemeinwohlschädlichen Eigentumsnutzung nicht gestattet (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). Die von seinem Betrieb ausgehenden Geruchsemissionen stellen ein die normale Eigentumsnutzung überschreitendes besonderes Risiko dar, weil sie über den räumlichen Bereich der eigenen Nutzung, des eigenen Grundstücks hinausgreifen und in Rechtsgüter potentieller Dritter eingreifen können. Daß die Gefahrenschwelle erst mit dem Heranrücken der Wohnbebauung unmittelbar überschritten wird, liegt allein daran, daß das unerlaubt riskante Verhalten bis dahin mangels eines in Reichweite wohnhaften „Opfers" nicht zu einem Schaden führen konnte. Anders als im Fall des Schweinemästers bewirkt ein parkendes Fahrzeug grundsätzlich kein erhöhtes Risiko für Rechtsgüter Dritter (anders beispielsweise dann, wenn ein Kfz nach einem Unfall auf der Straße liegenbleibt und die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet). Hier besteht der Nutzungskonflikt allein darin, daß Dritte den Standort des Fahrzeugs für ihre Zwecke beanspru392

Vgl. OVG Münster, NJW 1993, 2698; VG Freiburg, ZfS 1994, 352; Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, §20, 3 (S. 316); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 156; Schoch, JuS 1994, 932 (933); Wolff/Bachof, VerwR III, § 127, Rn. 10. 393 Vgl. OVG Münster, OVGE 11, 250 ff.; siehe hierzu Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 21, 1 b β (S. 322 ff.); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 56, 161 f.; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 308 f. Vergleichbar sind der bei Martens ebenfalls aufgeführte „Ahnenbrühefall" (Verunreinigung eines Trinkwasserbrunnens durch benachbarten Friedhof) und der „Schornsteinfair (Gesundheitsgefährdung durch Abgase eines nach Aufstockung des Nachbarhauses zu niedrigen Kamins). 394 Vgl. zur Legalisierungswirkung von Genehmigungen Schenke, in: Steiner, II, Rn. 178.

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

chen. Eine Verantwortlichkeit des Parkenden wäre in dieser Konstellation nur zu rechtfertigen, wenn konkurrierende Nutzungen als vorrangig zu bewerten und Nutzungsunverträglichkeiten von ihm zu vermeiden wären395; andernfalls läge eine Behinderung überhaupt nicht vor bzw. wäre der „Gestörte" selbst Störer 396. Eine Pflicht, ordnungsgemäß abgestellte Fahrzeuge nach einer gewissen Zeit zu entfernen, gibt es nicht. Im Gegenteil: Auch das Dauerparken gehört als ruhender Verkehr zum Gemeingebrauch397 und ist nur dann unzulässig, wenn es in der StVO oder durch (wirksam bekanntgegebene) Verkehrszeichen ausdrücklich verboten ist. Zum Teil wird allerdings § 1 Abs. 2 StVO eine Pflicht zur Überwachung des Parkvorgangs entnommen: Ein Verkehrsteilnehmer müsse im ruhenden Verkehr auch dafür Sorge tragen, daß sein Verhalten für die Dauer der Inanspruchnahme seines Rechts auf Abstellen des Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO zu einer Belästigung oder Behinderung für andere werde398. Dem ist zu widersprechen: Die Vorschrift verbietet gefährdendes, behinderndes oder belästigendes Verkehrsverhalten. Für die behauptete Überwachungs- und Kontrollpflicht gibt § 1 Abs. 2 StVO keinen Anhaltspunkt. Eine solche Pflicht bedürfte angesichts der damit verbundenen Ausweitung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit einer ausdrücklichen Regelung; insbesondere müßte der Umfang der Überwachungspflicht eindeutig zu bestimmen sein. Eine Handlungspflicht kann aus denselben Gründen auch nicht aus der Sorgfaltspflicht der Verkehrsteilnehmer (§ 1 Abs. 1 StVO) hergeleitet werden. Im Zusammenhang mit Verhältnismäßigkeitsüberlegungen wird geäußert, die Erwartung, im öffentlichen Verkehrsraum an einer bestimmten Stelle für einen 399

längeren Zeitraum parken zu können, sei rechtlich nicht geschützt , ein Verkehrsteilnehmer könne nicht darauf vertrauen, daß sich die Verkehrsverhältnisse nicht änderten400, ihm obliege grundsätzlich die Pflicht, sich über die Zulässigkeit seines Verkehrsverhaltens zu vergewissern401. Solche Überlegungen mögen bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen im Rahmen der Ver395

Eine Störung könnte ihm dann wegen pflichtwidrigen Unterlassens der Gefahrenabwehr zugerechnet werden, vgl. zur Störung durch Unterlassen Götz, Rn. 211; Möller/Wilhelm, S. 56; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 152; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 292. 396 Siehe hierzu Pietzcker, DVBl. 1984, 457 (463 f.). 397 BVerfGE 67, 299 (323). 398 So Thubauville, VerkMitt 1996, 64. 399 BVerwG, NJW 1997, 1021 (1022); OVG Münster, DAR 1995, 377 (378); VR 1996, 105 (106). 400 VGH Mannheim, NJW 1991, 1698 (1699); VG Leipzig, SächsVBl. 1997, 16 (17V 401 VG Karlsruhe, DAR 1990, 192 (193).

3. Abschn.: Verantwortlichkeit bei nachträglichem Haltverbot

251

hältnismäßigkeitsprüfung von Bedeutung sein, können jedoch nicht zur argumentativen Begründung einer gesetzlich nicht geregelten Handlungspflicht führen. Selbst wenn man die Vorschrift des § 1 Abs. 1 StVO entgegen ihrer Funktion und unter Ausdehnung ihres Wortlauts so auslegen wollte, daß sie Verkehrsteilnehmer nicht nur zur Sorgfalt im fließenden Verkehr, sondern auch zur Beobachtung der Verkehrsregelung nach Beendigung eines Verkehrsvorgangs verpflichten würde402, könnte ein Sorgfaltsverstoß regelmäßig nicht angenommen werden. Stellt sich das Parken nämlich nach der beim Abstellen geltenden Parkregelung als zulässig dar, dann kann der Verkehrsteilnehmer hierauf grundsätzlich vertrauen. Zwar hat er kein Recht auf Beibehaltung der bisherigen Verkehrsregelung. Die günstige Verkehrsregelung kann insbesondere nicht mit einer Genehmigung verglichen werden40. Die Verkehrsregelung schafft jedoch dahingehend einen Vertrauenstatbestand, daß Verkehrsteilnehmer davon ausgehen können, sozial übliche Parkvorgänge ohne nachteilige Folgen durchführen zu können404. c) Ergebnis Nach alledem hält sich derjenige, der sein Fahrzeug den Verkehrsvorschriften gemäß abstellt, grundsätzlich im Rahmen des erlaubten Risikos405. Es wird in den eingangs (oben 4 a) aufgeführten Beispielen nicht lediglich eine potentiell bereits bestehende (latente) Gefahrenlage durch die Annäherung des Möbelwagens, des Bautrupps oder der Rettungsfahrzeuge aktualisiert. Vielmehr führen der beeinträchtigte Private oder die in ihrer Aufgabenwahrnehmung verhinderte Behörde die Beeinträchtigung quasi selbst herbei406; es kommt zu der Unverträglichkeit überhaupt erst dadurch, daß sie die Straße für eigene Zwecke in Anspruch nehmen wollen. Man kann deshalb nicht davon sprechen, daß sie von dem Parkenden zurechenbar „behindert" würden. Daß ihre Nut-

402 404

Vgl. BayObLG, NJW 1984, 2110; ferner OLG Köln, DAR 1993, 398 (399). Verkehrsregelungen unterfallen nicht den Restriktionen der §§ 48, 49 VwVfG.

Jenseits der Sozialadäquanz stellt das Parken eine Risikosteigerung dar, die im Falle einer kollidierenden Nutzung eine Verantwortlichkeit des Parkenden begründen kann. Die Grenze des sozial Üblichen dürfte jedoch nicht unterhalb von 4 Wochen zu ziehen 4 0 5 sein. Vgl. hierzu S. 166 ff. Siehe auch OVG Lüneburg, OVGE 17, 447 ff.: Keine Verantwortlichkeit, wenn aufgrund eines entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen mit einer hohen Hecke bepflanzten Grundstückes die Sicht an einer Straßenkreuzung beeinträchtigt ist und dies bei zunehmendem Fahrzeugverkehr zu Unfällen führt. 406 Vgl. Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (315 f.).

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2. Teil: Verantwortlichkeit und Verhältnismäßigkeit

zung zurückstehen muß, ist allein Folge dessen, daß sie kein besseres Recht an 407

der Nutzung der Straßenfläche haben als jener . Diese Ausführungen gelten auch für beabsichtigte Tätigkeiten öffentlicher Stellen: Allein daraus, daß diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen, kann nicht auf eine vorrangige Nutzungsbefugnis geschlossen werden. Wollte der Gesetzgeber öffentliche Stellen insoweit privilegieren, müßte er das Recht auf Gemeingebrauch entsprechend einschränken, was bisher nicht geschehen ist. In vielen Fällen ergibt sich zudem, daß die durchzuführende Maßnahme ihren Ursprung nicht im Pflichtenkreis des Parkenden, sondern in jenem einer anderen Person hat: Das Feuer im Rettungsfall, der umgestürzte Baum im Bergungsfall und die Verkehrsbeeinträchtigungen im Umleitungsfall entspringen (wenn überhaupt) der Risikosphäre der für das Gebäude, den Baum und die verunglückten Fahrzeuge verantwortlichen Personen. Der Verursachungsbeitrag „ordnungsgemäßes Parken" hat demgegenüber kein Gewicht. Im übrigen ist daraufhinzuweisen, daß sich die Verwaltung bei Erfüllung ihrer Aufgaben der gesetzlich vorgesehenen Instrumentarien bedienen kann: So können bei Arbeiten am Straßenraum mit ausreichendem Vorlauf Verkehrszeichen errichtet werden. Sollte eine Bekanntgabe nicht möglich sein, kann die Verkehrsregelung dem Halter auch individuell zur Kenntnis gebracht werden, womit bei weiterer Untätigkeit des Betroffenen ein kostenpflichtiges Abschleppen möglich würde. Wenn der Betroffene nicht erreichbar und sofortiges Handeln geboten ist, kann er als Nichtstörer in Anspruch genommen (§ 6 MEPolG, § 9 bwPolG), mit Kosten aber nicht belastet werden408. Letzteres ergibt sich bei polizeilichem Handeln in unmittelbarer Ausführung aus § 8 Abs. 2 bwPolG, kann jedoch auch bei Durchführung einer Ersatzvornahme nicht zweifelhaft sein. Kostenschuldner ist zwar gem. § 31 Abs. 2 bwVwVG der „Pflichtige", also der Adressat der Grundverfügung. Die Vorschrift ist jedoch teleologisch auf Maßnahmen gegen materiell Polizeipflichtige zu reduzieren bzw. der Nichtstörer ist für die Kosten der Ersatzvornahme zu entschädigen (§ 55 bwPolG)409.

407

Bei einer Kollision zweier rechtmäßiger Nutzungen erscheint es sachgerecht, nach dem der Priorität zu verfahren, vgl. Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 96. 4 0 Grundsatz 8 Im Ergebnis gleich Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (316); Schenke^in: Steiner, II, Rn. 175. 409 Vgl. Koch/Niebaum, JuS 1997, 312 (316).

Dritter Teil

Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht Erster Abschnitt

Die Kosten A. Überblick über die Kostenpflichtigkeit von Abschleppmaßnahmen Für Kosten, die der öffentlichen Hand beim Abschleppen (und Verwahren) von Kraftfahrzeugen entstehen, bestehen Erstattungsansprüche gegen den Verantwortlichen nur dann, wenn diese gesetzlich normiert sind. Diese Konsequenz ergibt sich wegen des mit der Kostenbelastung verbundenen Rechtseingriffs aus dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. Welche Kosten-, Gebühren- und Aufwendungsersatztatbestände in Betracht kommen, hängt davon ab, welche Maßnahme ergriffen worden ist. Führt die Polizei eine Abschleppmaßnahme unmittelbar aus, folgt die Kostenerstattungspflicht aus § 8 Abs. 2 bwPolG. Bei einer Ersatzvornahme fallen Kosten und Gebühren nach den §§ 25, 31 Abs. 1, Abs. 4 bwVwVG i. V. m. §§ 6, 8 VwVGKO an. Zweifelhaft ist die Kostenpflichtigkeit bei Sicherstellung und Beschlagnahme, da das bwPolG eine dem § 24 Abs. 3 S. 1 MEPolG vergleichbare Kostenregelung nicht kennt. Im Anwendungsbereich der öffentlichrechtlichen Kostenersatzansprüche, kommt eine Anwendung der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) mangels einer Regelungslücke bzw. wegen der Spezialität der öffentlichrechtlichen Regelungen nicht in Betracht1.

1

Vgl. OVG Münster, NJW 1978, 720 (721); Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (40); Knöll, DVB1. 1980, 1027 (1032); Steckert, DVB1. 1971, 243 (246); Straßberger, BayVBl. 1972, 36 (40). Siehe auch S. 267.

254

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

B. Die Kosten bei Sicherstellung und Beschlagnahme Die Kostenpflichtigkeit einer Sicherstellung ist in den Ländern, die entsprechend § 24 Abs. 3 S. 1 MEPolG einen Kostenersatzanspruch für die Kosten der „Sicherstellung und Verwahrung" normiert haben, unproblematisch zu bejahen. Soweit dies jedoch wie in Baden-Württemberg nicht geschehen ist, ergibt sich bei der Suche nach Kostenersatzansprüchen ein verwirrendes Bild. I. Die Kosten der Sicherstellung Einigkeit besteht hinsichtlich der Rechtsnatur der Sicherstellung insoweit, daß bei Anwesenheit des Inhabers der Sachherrschaft eine Sicherstellungsanordnung ergehen muß, die diesen entweder zur Aushändigung an die Polizei oder zur Duldung der Inbesitznahme durch die Polizei verpflichtet 2. Zur Inbesitznahme ist die Polizei aufgrund der Sicherstellungsbefugnis befugt. Leistet der Betroffene Widerstand, dann kann die Herausgabe- oder Duldungspflicht durch Anwendung unmittelbaren Zwanges durchgesetzt und somit die Inbesitznahme ermöglicht werden. Für die Anwendung unmittelbaren Zwanges wird gem. § 31 Abs. 1, Abs. 4 bwVwVG i. V. m. § 7 VwVGKO eine Gebühr in Höhe von 62 DM für jeden bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges eingesetzten Bediensteten je angefangener Stunde erhoben. Die an den Abschleppunternehmer zu zahlenden Auslagen können dagegen nicht gem. § 8 Abs. 1 Nr. 8 VwVGKO dem Betroffenen auferlegt werden, da der Abtransport des Fahrzeugs nicht der Durchsetzung einer Herausgabe- oder Duldungsverfügung dient, sondern der weiteren Behandlung des Fahrzeugs nach erfolgter Inbesitznahme durch die Polizei. Als Kostenersatzanspruch käme möglicherweise § 8 Abs. 2 S. 1 bwPolG in Betracht, wenn man mit der h. M. die Befugnis zur Ingewahrsamnahme der Sache bei Abwesenheit des Inhabers der Sachherrschaft nicht den Sicherstellungsermächtigungen selbst, sondern aus den Vorschriften über die unmittelbare Ausführung bzw. den sofortigen Vollzug entnimmt. Gegen die Konstruktion einer unmittelbar ausgeführten Sicherstellungsanordnung bestehen jedoch aus verschiedenen Gründen Bedenken. Zweifelhaft ist bereits, ob die Vorschrift über die unmittelbare Ausführung im Bereich der Standardmaßnahmen überhaupt anwendbar ist3. Weil Herausgabe und Duldung unvertretbare Handlungen sind, muß eine unmittelbare Ausführung der Sicherstellungsanordnung zudem ausscheiden, wenn man nur vertretbare Handlungen für unmittelbar

2

Siehe S. 151 ff. Verneinend: VG Leipzig, DAR 1994, 41; Samper, BayVBl. 1983, 333 (334); vgl. auch Knemeyer, Rn. 265; Mußmann, Rn. 177; Reichert/Ruder, Rn. 356. 3

1. Abschn.: Die Kosten

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ausführbar hält4. Für diese Auffassung spricht zwar die strukturelle Ähnlichkeit von unmittelbarer Ausführung und Ersatzvornahme. Dies schließt jedoch nicht aus, den Anwendungsbereich der unmittelbaren Ausführung in einem weiteren Sinn zu verstehen. Bereits die unmittelbare Ausführung nach dem PrPVG erlaubte sowohl Gewalt gegen Sachen, als auch Gewalt gegen Personen5. Die in der Nachkriegszeit erlassenen Polizeigesetze beschränkten den Anwendungsbereich der unmittelbaren Ausführung zwar zum Teil auf die Ausübung von Zwangsgewalt gegen Sachen6. Wo eine solche Beschränkung jedoch nicht vorgenommen wurde (so ζ. B. im bwPolG) oder in der heutigen Gesetzesfassung nicht mehr zum Ausdruck kommt7, ist in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen über den Sofortvollzug von einem umfassenden Begriffsverständnis auszugehen. Selbst wenn man soweit gelangt, bleibt das Dilemma, daß der hauptsächlich kostenträchtige Transport der sichergestellten Sache nicht das ist, was von dem Betroffenen durch die fiktive Duldungs- oder Herausgabeverfügung verlangt werden könnte. Dem Adressaten einer auf Duldung gerichteten Anordnung wird befohlen, die Wegnahme der Sache durch die Polizei zu ermöglichen. Durch Herausgabeverfügung wird dem Adressaten aufgegeben, die Sache an Ort und Stelle in den Gewahrsam der Polizei zu übergeben. Die eigentliche Gefahrenabwehrhandlung, nämlich die mit der Inbesitznahme beginnende Abschirmung der Sache von der Allgemeinheit (mit der Folge einer hoheitlichen Verstrickung der Sache), kann zwangsläufig nur durch die Polizei oder ihre Beauftragten erfolgen und somit nicht dem Betroffenen als Handlungspflicht auferlegt werden8. Der nach der polizeilichen Ingewahrsamnahme stattfindende Transport einer Sache, erfolgt somit nicht in unmittelbarer Ausführung (einer dem Verantwortlichen obliegenden Handlung), sondern als Teil der Sicherstellungstätigkeit der Polizei. Sofern eine Pflicht zur Erstattung der „Kosten der Sicherstellung" nicht ausdrücklich normiert ist, kann somit ein Kostenersatzanspruch hinsichtlich der eigentlichen Abschleppkosten auch nicht über die Annahme einer unmittelbaren Ausführung begründet werden. Diese sind schließlich auch nicht gem. § 3 Abs. 1 S. 3 DVO bwPolG als Kosten der Verwahrung erstattungsfähig, da eine „Verwahrung" nicht bereits wäh-

4

Dienelt, NVwZ 1994, 664; Gaul,, VB1.BW 1996, 1 (2); Gril , VB1.BW 1997, 153 (156); Habermehl, Rn. 740; Knemeyer, Rn. 265; Mußmann, Rn. 344; Reichert/Ruder, Rn. 356; a. Α.: Geiger, BayVBl. 1983, 10 (12); Kottmann, DÖV 1983, 493 (498); Rasch, § 5a, Rn. 7; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 78, 113; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 206, 503, 511; auch Götz, Rn. 468 (widersprüchlich aber Rn. 420). PrOVGE 16, 284 (286); 95, 111 (118); 105, 240 (243); Hormann, S. 138; Leinius, S. 111 f. 6 Vgl. Hormann, S. 138; Leinius, S. 114 ff. Ζ. B. § 5a MEPolG und die entsprechenden Vorschriften der Polizeigesetze. Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 422.

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3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

rend des Transports, sondern erst mit der tatsächlichen Inobhutnahme auf einem Verwahrungsgelände stattfindet9. Damit ergibt sich eine Lücke im baden-württembergischen Polizeikostenrecht, die wegen der bestehenden Gebührenfreiheit 10 auch nicht durch Erhebung einer Verwaltungsgebühr geschlossen werden kann11. II. Die Kosten der Verwahrung Während der Dauer einer Sicherstellung oder Beschlagnahme besteht ein Anspruch auf Ersatz der mit der Verwahrung verbundenen Aufwendungen gem. § 3 Abs. 1 S. 3 DVO bwPolG12. Dieser Anspruch entfällt mit der Freigabe des Fahrzeugs (Aufhebung der Sicherstellung oder Beschlagnahme, §§32 Abs. 4, 33 Abs. 3 bwPolG). Besteht das Verwahrungsverhältnis danach fort, dann erfolgt die weitere Verwahrung im Interesse des Betroffenen, so daß für die Verwahrung Verwaltungsgebühren erhoben werden können. Verwahrt der Polizeivollzugsdienst ein beschlagnahmtes oder sichergestelltes Kraftfahrzeug selbst, erhebt er dafür gem. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 bwGebG i. V. m. Nr. 57.4 des Gebührenverzeichnisses13 Gebühren. Diese setzen sich aus einer Grundgebühr in Höhe von 30 DM und Tagesgebühren zusammen, die je nach Größe des Fahrzeugs und Art der Aufbewahrung zwischen 1,50 DM und 10 DM betragen (Nr. 57.4.2 und 57.4.3 Gebührenverzeichnis). Beauftragt der Polizeivollzugsdienst einen privaten Abschleppunternehmer mit der Verwahrung, ist das Verwahrungsentgelt als Auslage zu erstatten (Nr. 57.4.6 Gebührenverzeichnis). Bei einer Verwahrung durch die Ortspolizeibehörde14 oder in deren Auftrag ist Rechtsgrundlage für

9

Ebenso Schwab, VD 1986, 225; vgl. auch Wolf/Stephan, § 49, Rn. 81: „Kosten der Aufbewahrung"; a. A. OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (253). Siehe hierzu auch oben S. 154 ff. 10 Die Sicherstellung erfolgt im öffentlichen Interesse: § 5 Abs. 1 Nr. 7 bwGebG. 11 Zum selben Ergebnis kamen VG Leipzig, DAR 1994, 41 für Sachsen und VGH Kassel, NVwZ 1987, 904 (909) für Hessen. In beiden Bundesländern bestehen heute dem § 24 Abs. 3 S. 1 MEPolG entsprechende Kostenersatzansprüche (§ 29 Abs. 1 S. 3 sächsPolG, § 43 Abs. 3 S. 1 hessSOG). 12 Verkannt von Reichert/Ruder, Rn. 622 (Anwendung des § 689 BGB), zutreffend aber Rn. 621,769. 13 Anlage zu § 1 der Verordnung der Landesregierung über die Festsetzung der Gebührensätze für Amtshandlungen der staatlichen Behörden vom 28.6.1993 (GBl. S. 381 [439]). Das ist gem. § 62 Abs. 4 S. 1 bwPolG die Gemeinde.

1. Abschn. : Die Kosten

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eine Gebührenerhebung eine auf § 8 Abs. 1 bwKAG gestützte kommunale Gebührensatzung15. Die genannten Regelungen schließen die Anwendung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag 16 ebenso aus wie Ansprüche aus dem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis17. III. Die Kosten der Verwertung Sichergestellte und beschlagnahmte Sachen können unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur verwahrt, sondern auch verwertet oder vernichtet werden. Die Kosten der Verwertung oder Vernichtung fallen dem Betroffenen zur Last (§ 34 Abs. 4 bwPolG, § 3 Abs. 2 DVO bwPolG). Beispiel: Die Polizei stellt ein liegengebliebenes Fahrzeug sicher. Da sich der Halter nicht zur Abholung einfindet und die Verwahrungskosten den Wert des Fahrzeugs beinahe übersteigen, wird es verwertet, um mit der weiteren Verwahrung verbundene unverhältnismäßig hohe Kosten zu vermeiden (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 DVO bwPolG). IV. Kostentragung bei Sicherstellung und Beschlagnahme im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren Bei einer Sicherstellung oder Beschlagnahme zur Beweis- oder Vollstrekkungssicherung besteht mangels Anwendbarkeit der polizei- und verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Kostenregelungen kein unmittelbarer Kostenersatzanspruch der Polizei gegen den Beschuldigten18. Der Beschuldigte hat jedoch die Verfahrenskosten zu tragen, wenn das Strafoder Ordnungswidrigkeitenverfahren zu einer Verurteilung, zur Verhängung einer Maßregel der Sicherung und Besserung oder zu einer Verwarnung mit Strafvorbehalt führt oder wenn das Gericht von Strafe absieht (§ 465 Abs. 1 StPO, bei Ordnungswidrigkeiten anwendbar gem. § 105 Abs. 1 OWiG). Im Falle eines Freispruchs und bei Einstellung des Verfahrens fallen die Kosten der Staatskasse zur Last.

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Wolf/Stephan, § 32, Rn. 9; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 555, Fn. 5. Vgl. Wolf/Stephan, § 32, Rn. 12. 17 Mayer, in: Polizei-Handbuch, S. 163. Siehe eingehend S. 261 ff. 18 Vgl. OVG Münster, NJW 1978, 720; Straßberger, BayVBl. 1972, 36 (39). Ebensowenig können die Kosten einer aus Gründen der Gefahrenabwehr oder im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgeführten Abschleppmaßnahme im Bußgeldverfahren als Auslagen erhoben werden, vgl. AG Düsseldorf, VerkMitt 1974, 30. 16

17 Schieferdecker

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3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Als Kosten des Verfahrens werden Gebühren und Auslagen erhoben (§ 464a Abs. 1 S. 1 StPO, bei Ordnungswidrigkeiten anwendbar gem. § 105 Abs. 1 OWiG). Die Höhe der Gebühren ergibt sich aus §§ 40-47 GKG19 bzw. § 107 Abs. 1, Abs. 2 OWiG. Als Auslagen sind insbesondere die an Dritte zu zahlenden Entgelte für das Abschleppen und Verwahren sichergestellter oder beschlagnahmter Kraftfahrzeuge zu entrichten (§ 107 Abs. 3 Nr. 10 lit. a OWiG).

C. Die Kosten beim Abschleppen verkehrsordnungswidrig parkender Fahrzeuge I. Die Kosten der Ersatzvornahme Die Kostenfolge bei Ersatzvornahme ergibt sich aus den §§25, 31 Abs. 1, Abs. 4 bwVwVG i. V. m. §§ 6, 8 VwVGKO. Führt die zuständige Behörde die Ersatzvornahme selbst aus, erhebt sie gem. § 6 VwVGKO eine Gebühr in Höhe von 62 DM für jeden bei der Ausführung eingesetzten Bediensteten je angefangene Stunde. Bei der Selbstvornahme können auch Auslagen für die sächlichen Kosten, die mit dem Einsatz eines zum Abschleppen benutzten behördeneigenen Fahrzeugs verbunden sind, verlangt werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 VwVGKO). Erfolgt die Ersatzvornahme im Wege der Fremdvornahme durch einen privaten Abschleppunternehmer, kann die zuständige Behörde gem. § 8 Abs. 1 Nr. 8 VwVGKO den an diesen zu zahlenden Werklohn als Auslagen vom Pflichtigen ersetzt verlangen. Das OVG Hamburg hat nach hamburgischem Vollstrekkungsrecht auch eine Mischform von Eigen- und Fremdvornahme für möglich gehalten20. In Baden-Württemberg konnte nach der eindeutigen Regelung des § 6 VwVGKO a. F. im Falle der Fremdvornahme eine Gebühr für gleichfalls anwesende Polizeibeamte bisher nicht verlangt werden21. Nach der Neufassung dieser Vorschrift ist es nun ausdrücklich zugelassen, zur Abgeltung der eigenen Aufwendungen eine Gebühr in Höhe von 10 % des Betrages zu erheben, der an den beauftragten Abschleppunternehmer zu zahlen ist (§ 6 Abs. 3 VwVGKO)22. Zusätzlich zu den Kosten des Abschleppunternehmers in der Größenordnung zwischen ca. 150 und 250 DM fällt somit in Zukunft eine Gebühr in Höhe von ca. 15 DM bis 25 DM an.

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Hierzu Nrn. 6110 ff. des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG. OVG Hamburg, DÖV 1987, 257 (258). Ebenso für Bayern VGH München, BayVBl. 1982, 469 (470); vgl. für Berlin Prümm/Thieß, S. 85. Dieser Betrag ist in der Höhe auf maximal 300 DM beschränkt. 20 21

259

1. Abschn.: Die Kosten

Erscheint der Fahrer eines Kfz nach der Anforderung eines Abschleppwagens und fährt er sein Fahrzeug selbst weg, dann entfällt zwar die Notwendigkeit des Abschleppens. Das ändert jedoch nichts daran, daß die Ersatzvornahme mit der Anforderung des Abschleppfahrzeugs bereits eingeleitet war, als der Fahrer erschien. Die für die Leerfahrt des Abschleppwagens entstandenen Kosten sind deshalb Kosten der Ersatzvornahme23. Aus rechtlichen Gründen ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß die Kosten des Abschleppunternehmers regelmäßig in pauschalierter Form erhoben werden24. Es sollte jedoch wegen des geringeren Arbeitsaufwandes bei einer Leerfahrt eine niedrigere Kostenpauschale angesetzt werden. II. Die Kosten der unmittelbaren Ausführung Rechtsgrundlage für die Auferlegung der Kosten einer unmittelbaren Ausführung ist § 8 Abs. 2 S. 1 bwPolG. Kosten der unmittelbaren Ausführung sollen nach vielfach vertretener Ansicht lediglich die Kosten sein, die der Polizei als Mehrausgaben durch die unmittelbare Ausführung entstanden sind25. Bei Beauftragung eines Abschleppunternehmers wäre somit der an diesen zu zahlende Werklohn zu erstatten 6 . Führte die Polizei eine Abschleppmaßnahme selbst aus, dann fielen keine Auslagen an, so daß die Maßnahme kostenfrei wäre. Dieses Ergebnis befremdet, wenn man bedenkt, daß der Kostenersatz bei einer Ersatzvornahme nicht nur die Auslagen der Polizei erfassen würde (§ 8 VwVGKO), sondern in pauschalierter Form auch ihre allgemeinen Personalund Sachkosten (§ 6 Abs. 1, Abs. 3 VwVGKO)27. Dies gilt umso mehr, als § 6 Abs. 3 VwVGKO nun auch die Erhebung einer Gebühr bei Ersatzvornahme durch einen Beauftragten vorsieht (siehe oben). Zwar erklärt § 8 bwPolG die Vorschriften der VwVGKO für die Bestimmung der Kosten einer unmittelbaren Ausführung nicht ausdrücklich für anwendbar. Der Personalaufwand kann 23

Allgemeine Ansicht, vgl. nur VGH Mannheim, ESVGH 21, 166 ff.; VGH Kassel, VerkMitt 1981, 22; ESVGH 38, 158 f.; OVG Münster, NJW 1981, 478; OVG Lüneburg, ZfS 1994, 468 (470); Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (249). OVG Saarlouis, vom 9.6.1989 - 1 R 279/88 -; Kottmann, DÖV 1983, 493 (502). 25 BVerwG, NJW 1981, 1571; VGH München, BayVBl. 1982, 469 (470); Beiz, § 6, Rn. 9; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (249); Reichert/Ruder, Rn. 751; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 30; Wöhrle/Belz, § 8, Rn. 8; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 564. 26 Daß dieser regelmäßig in pauschalierter Form ohne Differenzierung nach der Entfernung oder Schwierigkeit des einzelnen Einsatzes entrichtet wird, ist zweckmäßig und rechtlich nicht zu beanstanden, OVG Saarlouis, vom 9.6.1989 - 1 R 279/88 -; Kottmann, DÖV 1983, 493 (502). 27

Ablehnend deshalb Mußmann, Rn. 347; Belz/Mußmann, Bouska, DAR 1983, 147 (150); Götz, Rn. 456.

§ 8, Rn. 17; ähnlich

260

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

auch nicht gem. §§ 1 Abs. 1, 3 bwGebG durch Erhebung einer Verwaltungsgebühr abgegolten werden, da § 8 Abs. 2 bwPolG diese Vorschriften als abschließende Regelung verdrängt28 und überdies der Einsatz der Beamten im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 bwGebG)29. Es erscheint jedoch nicht zwingend, unter den Begriff der „Kosten" in § 8 Abs. 2 bwPolG lediglich die an Dritte zu zahlenden Auslagen zu subsumieren. Im Gegenteil spricht die Ratio der unmittelbaren Ausführung und ihre Verwandtschaft mit der Ersatzvornahme für eine einheitliche Ausfüllung des Kostenbegriffs 30: Im Regelfall erläßt die Polizei einen Verwaltungsakt gegenüber dem für eine Gefahr Verantwortlichen. Kommt dieser seiner Polizeipflicht nicht nach, kann die Polizei die gebotene Handlung im Wege der Ersatzvornahme vornehmen oder vornehmen lassen. Von diesem Regelfall weicht die unmittelbare Ausführung nur insoweit ab, als sie im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr die Vornahme der gebotenen Gefahrenabwehrhandlung auch ohne vorangegangenen Verwaltungsakt zuläßt. Bezüglich der Kostenfolge gilt jedoch für Ersatzvornahme und unmittelbare Ausführung gleichermaßen, daß die Durchführung der betreffenden Maßnahme durch die Polizei nicht dem Verantwortlichen zugute kommen soll. Er soll nach der gesetzlichen Verantwortlichkeitsbestimmung die mit der Gefahrenabwehr verbundenen Lasten tragen, also auch deren Kosten. Kosten entstehen jedoch nicht nur bei der Beauftragung eines Abschleppunternehmers, sondern auch bei der Selbstvornahme durch Bedienstete der Polizei. Es überzeugt nicht, wenn Mertens meßbare Kosten deshalb verneint, weil die Gehälter und Dienstbezüge der eingesetzten Beamten ohnehin gezahlt würden31. Indem die Bediensteten der Behörde nämlich eine Leistung zugunsten des Pflichtigen erbringen, sind sie umgekehrt gehindert, andere Aufgaben zu erfüllen. Auf diese Weise erleidet die Behörde durch die unmittelbare Ausführung einen Verlust an personellen - und somit auch finanziellen - Mitteln, der vom Pflichtigen abzugleichen ist. Da die Kostenregelung bei unmittelbarer Ausführung und Ersatzvornahme denselben Zweck verfolgt, ist eine einheitliche Bestimmung der Kostenhöhe geboten. Zweckmäßigerweise hat sich deshalb die Auslegung des Kostenbegriffs in § 8 Abs. 2 bwPolG an den Bestimmungen der §§ 6, 8 VwVGKO zu orientieren32. Bei einer unmittelbaren Ausführung durch die Polizei selbst kön-

28

Beiz, § 6, Rn. 12; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 34; Wöhr le/ Beiz, § 8, Rn. 9. Vgl. VGH München, DAR 1983, 239. 30 Auch BVerwG, NJW 1981, 1571 (1572) sprach sich für eine Gleichbehandlung bei An- und Abwesenheit des Verantwortlichen aus: Die Beschränkung der Kosten der unmittelbaren Ausführung auf Auslagen resultiert daraus, daß im entschiedenen Fall Gebührenersatz bei Durchführung des Regelvollstreckungsverfahrens nicht zugelassen war. 31 Mertens, S. 49. 29

1. Abschn.: Die Kosten

261

nen folglich Kosten in Höhe von DM 62,- pro angefangener Stunde und eingesetztem Polizeibeamten geltend gemacht werden. Wie bei der Ersatzvornahme sind auch die Kosten des Einsatzes von Polizeibeamten, die die Ausführung durch einen beauftragten Unternehmers veranlassen und überwachen, in pauschalierter Form zu erstatten (in Höhe von 10 % des an den Unternehmer zu zahlenden Werklohns, vgl. § 6 Abs. 3 VwVGKO). III. Die Kosten der Verwahrung 1. Analoge Anwendung der §§ 689, 693 BGB? Zahlungsansprüche des Staates werden bei rechtmäßiger Inbesitznahme anerkannt, etwa für die Zeit nach Aufhebung einer strafprozessualen Beschlagnahme ein Vergütungsanspruch analog § 689 BGB33 oder ein Aufwendungsersatzanspruch analog § 693 BGB für die Zeit nach Abschluß einer Ersatzvornahme34 oder einer Sicherstellung bzw. Beschlagnahme35. Teilweise wird auch in der Literatur explizit ein Anspruch der Polizei analog § 693 BGB36 auf Ersatz der Aufwendungen, die infolge der Verwahrung durch einen privaten Abschleppunternehmer zu erbringen waren, befürwortet. Einer analogen Anwendung der §§ 689, 693 BGB stehen offenbar auch diejenigen Stellungnahmen positiv gegenüber, die pauschal von der analogen Anwendbarkeit der §§ 688 ff. BGB auf das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis sprechen37. Daß die These von der analogen Anwendbarkeit der §§ 689, 693 BGB nicht haltbar ist, wird im Anschluß an eine kurze Beleuchtung der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ansprüche dargestellt werden. Bei analoger Anwendbarkeit des § 693 BGB hätte der öffentlichrechtliche Verwahrer Anspruch auf Aufwendungsersatz. Aufwendungen sind alle freiwilligen Vermögensopfer, die der Verwahrer zum Zwecke der Verwahrung auf sich nimmt, insbesondere auch solche Geldausgaben, die mit der Verwahrung notwendig verbunden sind. Keine Aufwendungen sind jedoch diejenigen Ko32

Ebenso Belz/Mußmann, § 8, Rn. 17; Mußmann, Rn. 347; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 512; für die unmittelbare Ausführung nach § 42 S. 2 bwStrG auch Lorenz, § 42, Rn. 20. Es handelt sich nicht um eine analoge Anwendung der VwVGKO. 33 VGH Mannheim, BWVPr. 1978, 150 (151); zustimmend Maurer, JuS 1981, 809 (812); Wolff/Stephan, § 32, Rn. 18. 34 VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); DÖV 1991, 699; ZfS 1993, 359; VGH Mannheim, ZfS 1995, 237 (239): analog §§ 689, 693 BGB. 35 OVG Bautzen, SächsVBl. 1995, 252 (254); OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280). Rachor, in: Lisken/Denninger, F, Rn. 430; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 114; Stober OVB\ 1973,351 (353). 3 BGH, NJW 1990, 1230; Nagel, S. 118, Fn. 2.

262

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

sten, zu deren Übernahme der Verwahrer bereits durch den Vertrag verpflichtet ist und die bei entgeltlicher Verwahrung mit der Vergütung abgegolten werden38, insbesondere die Kosten der Raumgewährung39. Ein Anspruch analog § 693 BGB könnte sich demnach nur dann ergeben, wenn man die Verwahrungskosten nicht bereits auf § 689 BGB stützte, bzw. neben einem Anspruch aus § 689 BGB nur hinsichtlich besonderer Aufwendungen, die über die Kosten der Raumgewährung hinausgehen (z. B. Aufwendungen für Frostschutzmittel). Die nach § 689 BGB als vereinbart anzunehmende Vergütung wäre entsprechend §§612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB in Höhe einer bestehenden Taxe, ansonsten in üblicher Höhe geschuldet40. Eine taxmäßige Vergütung könnte sich aus den einschlägigen Gebührenordnungen ergeben. Beispielsweise könnte die Höhe der Vergütung entsprechend den in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 bwGebG i. V. m. Nr. 57.4 des Gebührenverzeichnisses41 geregelten Gebührentatbeständen bemessen werden. Gegen die analoge Anwendung der §§ 689, 693 BGB hat sich Büllesbach ausgesprochen. Sie sieht in der analogen Anwendung der BGB-Regelungen einen Verstoß gegen das Prinzip des Gesetzesvorbehalts: Die Auferlegung einer Kostenpflicht für polizeiliche Maßnahmen sei eine den Bürger belastende Maßnahme, die einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe 42. Die in § 689 BGB getroffene Regelung hält sie für nicht übertragbar, weil der in dieser Bestimmung enthaltene Fiktionsgedanke im öffentlichen Recht fehl am Platze sei43. Auch stehe die „subjektive Tendenz" des § 693 BGB („für erforderlich halten darf') einer entsprechenden Anwendung im öffentlichen Recht entgegen: „Bei der Frage der Erfüllung hoheitlicher Pflichten oder Obliegenheiten darf nicht auf die subjektiven Maßstäbe einzelner Amtswalter abgestellt werden. Vielmehr sind die Interessensgegensätze nach rein objektiven Kriterien auszuloten"44. Zutreffend ist zwar, daß die Verwaltung aus Gründen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit nach objektiven Kriterien vorgehen muß. Das bedeutet aber nicht, daß subjektive Leitlinien im öffentlichen Recht schlechthin unmöglich seien. Man kommt nicht umhin, den vor Ort handelnden Beamten etwa bei der Entscheidung, ob eine Gefahr gegeben ist oder ob „ein

38

Krohn, in: RGRK, § 693, Rn. 1; Thomas, in: Palandt, § 693, Rn. 1; Vollkommer, in: Jauernig, § 693, Anm. 1. 39 A. A. VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656) und DÖV 1991, 699, der entgegen der im Zivilrecht vertretenen Meinung die Kosten der Raumgewährung über § 693 BGB abwickeln will; gegen den VGH Kassel auch Büllesbach, S. 24 und 111. 40 Vollkommer, in: Jauernig, § 689, Anm. 1; Thomas, in: Palandt, § 689, Rn. 1. 41 Bei Maßnahmen der Ortspolizeibehörde wären zur Bestimmung der taxmäßigen Vergütung einschlägige kommunale Gebührensatzungen vorrangig zu berücksichtigen. Büllesbach, S. 106 und 111. 43 Büllesbach, S. 104. 44 Büllesbach, S. 111.

1. Abschn.: Die Kosten

263

sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint" (§ 60 Abs. 2 bwPolG), eine subjektive Prognose zu gestatten. Dieses subjektive Element wird weitgehend objektiviert, wenn man zum Beispiel bei der Gefahrenprognose eine „verständige Würdigung der Sach- und Rechtslage"45 oder „das Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters"46 fordert. Ebenso wie bei diesem Beispiel könnte auch das subjektive Element in § 693 BGB an objektive Richtlinien gebunden werden. Die Polizei dürfte nur solche Aufwendungen für erforderlich halten, die objektiv im Interesse des Betroffenen liegen. Das ergibt sich für die Verwahrung, die sich an eine Sicherstellung (§ 21 MEPolG, §§ 32, 33 bwPolG) anschließt, unmittelbar aus § 32 Abs. 3 bwPolG, würde aber auch in allen anderen Fällen der Verwahrung gelten. In Anlehnung an das Beispiel der Gefahrenprognose könnte man auch formulieren: Der Deponent müßte Aufwendungen ersetzen, die nach dem Urteil eines verständigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters mit der Verwahrung notwendig verbunden oder im Interesse des Sachherrn waren. Ebenso wie die gegen die subjektive Tendenz des § 693 BGB geführte Argumentation greift auch der Einwand gegen den Fiktionscharakter des § 689 BGB nicht durch. Auch im öffentlichen Recht sind Fiktionen nichts Unbekanntes - es sei nur auf die berühmte Fiktionsregelung des § 44 PrPVG verwiesen. Bedeutsamer ist der Hinweis auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts. Es wurde bereits dargestellt, daß die Verwahrung lediglich dann, wenn sie der Gefahrenabwehr, nämlich der Durchführung einer Sicherstellung oder Beschlagnahme dient, als Maßnahme mit Eingriffscharakter anzusehen ist47. Ist der polizeiliche Zweck jedoch nach dem Abschleppen zu einem Verwahrungsgelände oder nach Aufhebung der Sicherstellung erfüllt, dann erfolgt die Verwahrung als Leistung der Verwaltung im Interesse des Sachberechtigten. Da sie keine belastende Maßnahme (mehr) darstellt, kann sie am Grundsatz des Gesetzesvorbehalts nicht gemessen werden. Das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis ist in dieser Konstellation ein Rechtsverhältnis, das durch eine mit vertraglichen Verwahrungsverhältnissen vergleichbare Interessenlage gekennzeichnet ist und daher im Wege der Analogie zivilrechtlicher Regelung grundsätzlich zugänglich ist48. Ob dies auch für belastende Rechtswirkungen gilt, wird man wohl zu verneinen haben49. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an, weil die analoge oder rechtsgrundsätzliche Anwendung 45

Schenke, in: Steiner, II, Rn. 54. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 13, 2 b (S. 223); vgl. auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 57; Scholler/Schloer, S. 69 f.; Würtenberger, Rn. 154 ff. 47 Siehe ausführlich auf S. 159 ff. Gleiches nimmt Büllesbach, S. 103 f., 105 für die von ihr gebildete „Gruppe 4 der Verwahrung" an. Es wird aber nicht deutlich, ob die Verwahrung abgeschleppter Fahrzeuge auch zu dieser Gruppe gehören soll. Büllesbach, S. 106 und 111. 46

264

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

der §§ 689, 693 BGB aus anderem Grund zum Scheitern verurteilt ist: Eine Anwendung dieser Vorschriften verstieße gegen den Grundsatz des Gesetzesvorrangs und wäre methodisch fehlerhaft, weil im öffentlichen Recht eine Regelungslücke angesichts des umfassend normierten Verwaltungskosten- und Verwaltungsgebührenrechts nicht auszumachen ist. Diese Bestimmungen schließen als öffentlichrechtliche Spezialregelungen einen Rückgriff auf Rechtsinstitute zivilrechtlichen Ursprungs aus. 2. Polizeirechtliche

Kostenersatzansprüche

Eine analoge Anwendung der §§ 689, 693 BGB ist ausgeschlossen und unmittelbar anwendbare50 Vorschriften des allgemeinen Verwaltungskostenrechts werden verdrängt, wenn das Polizeirecht eigene Regelungen hinsichtlich des Kostenersatzes bei polizeilicher Verwahrung von Sachen bereithält. Die Polizeigesetze enthalten zwar derartige Rechtsgrundlagen (vgl. § 24 Abs. 3 S. 1 MEPolG, § 3 Abs. 1 S. 3 DVO bwPolG). Diese sind jedoch in der Regel nur bei einem durch Sicherstellung oder Beschlagnahme begründeten Verwahrungsverhältnis anwendbar51. Nur vereinzelt verweisen die Polizeigesetze auch für die Kosten der Ersatzvornahme auf die besonderen Kostenersatzregelungen für die Verwahrung sichergestellter Sachen52. 3. Allgemeines Verwaltungskostenrecht In Baden-Württemberg und den meisten anderen Bundesländern sind die polizeirechtlichen Kostenersatzansprüche nicht anwendbar, wenn die Verwahrung Folge eines unmittelbar ausgeführten oder im Wege der Ersatzvornahme durchgesetzten Entfernungsgebots ist. Ein Rückgriff auf die §§ 689, 693 BGB ist bei dieser Rechtslage jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der durch die Verwahrung verursachte Aufwand durch Erhebung einer Verwaltungsgebühr geltend gemacht werden kann.

50

Siehe zur Anwendbarkeit des Verwaltungskostenrechts sogleich unten 3. Gleiches gilt für gebührenrechtliche Regelungen wie in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 bwGebG i. V. m. Nr. 57.4 des Gebührenverzeichnisses. Siehe aber sogleich unter b). 52 In Hessen kann die Polizei bei einer im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Abschleppmaßnahme Ersatz der Verwahrungskosten gem. § 49 Abs. 1 S. 2 hessSOG i. V. m. § 43 Abs. 3 S. 1 hessSOG verlangen. 51

1. Abschn.: Die Kosten

265

a) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des bwGebG ist lediglich für Amtshandlungen staatlicher Behörden eröffnet (§ 1 Abs. 1 bwGebG). Staatliche Behörden sind zwar die Dienststellen des Polizeivollzugsdienstes (§ 70 Abs. 1 bwPolG), nicht aber die Ortspolizeibehörden, deren Zuständigkeiten gem. § 62 Abs. 4 S. 1 bwPolG von den Gemeinden wahrgenommen werden. Der Polizeivollzugsdienst erhebt somit Verwaltungsgebühren nach dem bwGebG. Die Gemeinde kann für Amtshandlungen der Ortspolizeibehörde bzw. der kommunalen Vollzugsbediensteten Kostenersatz nach Maßgabe des § 8 bwKAG (in Verbindung mit einer kommunalen Gebührensatzung) verlangen. Das bwGebG ist insoweit zwar nicht unmittelbar, jedoch teilweise entsprechend anwendbar (§§ 4, 5, 8, 9, 15 und 16 bwGebG i. V. m. § 8 Abs. 3 S. 1 bwKAG). Gebühren können nur dann erhoben werden, wenn die Verwahrung eines abgeschleppten Fahrzeugs eine Amtshandlung darstellt, die nicht überwiegend im öffentlichen, sondern im Interesse des Berechtigten vorgenommen wird (§§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 7 bwGebG bzw. § 8 Abs. 1 und 3 KAG). Für Amtshandlungen, deren Vornahme überwiegend im öffentlichen Interesse liegt, dürfen Gebühren nicht erhoben werden, weil der betroffene Bürger den hiermit verbundenenfinanziellen Aufwand bereits durch die Entrichtung von Steuern trägt. Sollen die Kosten im öffentlichen Interesse liegender polizeilicher Maßnahmen nicht bei der Allgemeinheit verbleiben, sondern dem Verantwortlichen auferlegt werden, bedarf es hierzu einer speziellen gesetzlichen Regelung (die für die Verwahrung sichergestellter Sachen auch geschaffen wurde). Insofern kann man davon sprechen, daß die polizeirechtlichen Kostenersatzansprüche abschließenden Charakter haben und den Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungskostenrecht ausschließen53. Erfolgt die Verwahrung eines Kraftfahrzeugs jedoch nicht im Rahmen des Vollzugs einer Sicherstellungsanordnung, stellt sie sich stets als Amtshandlung dar, die im Interesse54 des rechtmäßigen Inhabers der Sachherrschaft vorgenommen wird. Denn die Gefahrenabwehr endet im Regelfall (in dem eine Sicherstellung nicht erforderlich ist) bereits mit dem Abstellen des Fahrzeugs auf dem Verwahrungsgelände, so daß die sich anschließende Aufbewahrung des

53

In manchen Bundesländern verweisen die Polizeigesetze jedoch auf die Verwaltunpkostengesetze, die dadurch zur Anwendung kommen können. Daß die Verwahrung nicht auf Veranlassung des Berechtigten durchgeführt wird, steht der Gebührenerhebung nicht entgegen, weil nach § 1 Abs. 1 bwGebG ausreichend ist, daß sie in dessen (objektiv verstandenen) Interesse erfolgt, vgl. Gerhardt, Verwaltungskostenrecht, § 1 LGebG, Rn. 7.

266

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Fahrzeugs ausschließlich im Interesse des Berechtigten erfolgt 55. Insoweit ist ein Rückgriff auf das bwGebG nicht ausgeschlossen. b) Erhebung und Höhe der Gebühr Das aufgrund § 2 Abs. 1 bwGebG als Rechtsverordnung erlassene Gebührenverzeichnis enthält in Nr. 57.4 Gebührensätze für die „Verwahrung sichergestellter oder beschlagnahmter Fahrzeuge oder anderer größerer Gegenstände". Ob hierunter auch abgeschleppte, nicht sichergestellte Fahrzeuge fallen, ist unklar, weil nicht eindeutig ist, ob als „andere größere Gegenstände" nur sichergestellte Sachen in Betracht kommen. Vorzugswürdig dürfte sein, Nr. 57.4 so auszulegen, daß die Verwahrung aller größerer Sachen gemeint ist, wobei der Verordnungsgeber offenbar sichergestellte oder beschlagnahmte Fahrzeuge als Hauptanwendungsfall ansah. Sieht man nicht sichergestellte Fahrzeuge als „andere Sachen" an, könnte nach Nr. 57.4.4 eine Tagesgebühr von 1-10 DM erhoben werden. Da sich die Verwahrung sichergestellter und nicht sichergestellter Fahrzeuge nicht unterscheidet, ist dieser Rahmen in Höhe der in Nr. 57.4.2 und Nr. 57.4.3 für sichergestellte Fahrzeuge vorgesehenen Gebühr auszufüllen. Nimmt man an, das Gebührenverzeichnis enthalte für die Verwahrung nicht sichergestellter Sachen keine Gebührentatbestände, könnte für die Verwahrung abgeschleppter, nicht sichergestellter Fahrzeuge eine allgemeine Verwaltungsgebühr erhoben werden (§ 3 bwGebG). Da für die Bemessung der allgemeinen Verwaltungsgebühr keine anderen Maßstäbe als für die Bemessung der Gebührensätze im Gebührenverzeichnis gelten (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 und § 8 bwGebG), würde sich auch bei dieser Auslegung die Gebührenhöhe an den unter Nr. 57.4 des Gebührenverzeichnisses geregelten Gebührensätzen zu orientieren haben. Im Interesse (§ 1 Abs. 1 bwGebG) des Gebührenschuldners ist bei verschiedenen Verwahrungsformen nur die kostengünstigste Möglichkeit der Verwahrung. Die Polizei kann also im Regelfall für die Verwahrung eines Pkw im Freien eine Grundgebühr in Höhe von 30 DM (Nr. 57.4.1) zuzüglich einer Tagespauschale in Höhe von 2,50 DM (Nr. 57.4.2) verlangen. Kommt aufgrund der Umstände des Einzelfalls nur eine Unterbringung in einem geschlossenen Raum in Betracht, kann nach Nr. 57.4.3 ein Tagessatz in Höhe von 5 DM erhoben werden (beispielsweise, wenn es an geeigneten Freiflächen fehlt, ein Unwetter mit Hagel zu befürchten ist oder das Fahrzeug im Freien nicht genügend vor Unbefugten geschützt wäre). Da das Entgelt, das für die Verwahrung durch einen Privaten zu bezahlen ist, regelmäßig die für die polizeieigene Verwahrung geltenden Gebührensätze übersteigt, liegt diese Form der Verwahrung nur dann im Interesse des Privaten, wenn der Polizei eigene Verwahrungsmöglich55

Siehe hierzu S. 159 ff.

1. Abschn.: Die Kosten

267

keiten nicht zur Verfügung stehen oder die private Verwahrung in Anbetracht der Umstände zweckmäßiger ist. Es sind dann die entstandenen Kosten als Auslagen zu erstatten (Nr. 57.4.6). c) Geltendmachung der Gebührenforderung Die Verwahrungsgebühr wird nach Beendigung der Verwahrung durch Gebührenfestsetzungsbescheid festgesetzt und damit fällig (§ 15 Abs. 1 bwGebG). Sofern erforderlich, kann sie im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden (§ 19 bwGebG). Die hier entwickelte Lösung hat folglich auch den Vorzug, daß die Verwahrungskosten durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden können. Dagegen sehen sich die Befürworter einer analogen Anwendung der §§ 689, 693 BGB dem Problem ausgesetzt, daß eine Befugnis zur Geltendmachung des Vergütungs- oder Aufwendungsersatzanspruchs durch Leistungsbescheid nicht erkennbar ist. IV. Parkplatzkosten Nimmt die Polizei ein Fahrzeug nach dem Abschleppen nicht in Verwahrung, sondern stellt sie es auf einem Parkplatz kostenpflichtig ab, dann schuldet sie das Parkentgelt bzw. die Parkgebühr. Ersatz dieser Kosten kann sie nach speziellen öffentlichrechtlichen Kostenerstattungsnormen nicht verlangen: Eine derartige Vorgehensweise kommt bei einer Sicherstellung (§21 MEPolG, §§ 32, 33 bwPolG) regelmäßig nicht in Betracht. Die Kosten eines Parkplatzes sind mangels Fortdauer der hoheitlichen Maßnahme auch nicht solche der unmittelbaren Ausführung oder der Ersatzvornahme und mangels Inobhutnahme auch keine Verwahrungskosten56. Ebenso wie bei der Verwahrung handelt es sich bei dem Abstellen auf einem Parkplatz aber um eine Maßnahme im Interesse des Betroffenen, so daß wie im Rahmen des Verwahrungsverhältnisses die Anwendung gebührenrechtlicher Vorschriften möglich ist. Die Verwaltung könnte deshalb für die Amtshandlung „Abstellen eines Fahrzeugs auf einem kostenpflichtigen Parkplatz" eine allgemeine Verwaltungsgebühr erheben (§§ 1 Abs. 1, 3 bwGebG), die sich nach den zu zahlenden Parkplatzkosten bemißt57.

56

Siehe zur Verwahrung S. 154 ff. Die der Behörde entstandenen Auslagen bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen, entspricht § 26 Abs. 1 S. 1 bwGebG und dem Kostendeckungsprinzip, vgl. Gerhardt, Verwaltungskostenrecht, § 26 LGebG, Rn. 3.

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3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

D. Kostenersatz bei spezialgesetzlichen Maßnahmen Beseitigt die zuständige Behörde eine unerlaubte Sondernutzung oder einen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 StVO durch unmittelbare Ausführung, kann Sie den Verantwortlichen gem. § 16 Abs. 8 S. 2 bzw. gem. § 42 S. 2 bwStrG zum Kostenersatz heranziehen. Ebenso wie bei der polizeirechtlichen unmittelbaren Ausführung umfaßt der Begriff der Kosten nicht nur die Mehrkosten, die für die Beseitigimg anfallen, sondern auch die allgemeinen Personal- oder Sachkosten der Behörde. Erläßt die Straßenbaubehörde eine auf § 16 Abs. 8 S. 1 bwStrG gestützte Beseitigungsverfügung, ergibt sich der Kostenersatzanspruch bei deren Vollstreckung aus den Vorschriften über den Kostenersatz bei Ersatzvornahme (§§25, 31 Abs. 1, Abs. 4 bwVwVG i. V. m. §§6, 8 VwVGKO)58. Hinsichtlich der Verwahrungskosten kann auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen werden59. Für abfall- und bauordnungsrechtliche Maßnahmen bestehen in BadenWürttemberg keine spezialgesetzlichen Kostenerstattungsnormen. Kommt der Besitzer eines Schrottfahrzeugs seiner Beseitigungspflicht60 nicht nach, dann kann eine hierauf gerichtete Beseitigungsanordnung der Abfallrechtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme durchgesetzt werden. Da das bwVwVG die Möglichkeit des Sofortvollzugs nicht vorsieht und die Abfallrechtsbehörden auch nicht zur unmittelbaren Ausführung ermächtigt sind, bedarf es in BadenWürttemberg der Durchführung des Regelvollstreckungsverfahrens. Die Kosten der Ersatzvornahme fallen dem zur Beseitigung Verpflichteten zur Last (§§ 25, 31 Abs. 1, Abs. 4 bwVwVG i. V. m. §§ 6, 8 VwVGKO). Entsprechendes gilt für bauordnungsrechtliche Beseitigungsverfügungen. Zweiter Abschnitt

Das öffentlichrechtliche Zurückbehaltungsrecht A. Problemstellung In der Praxis besteht ein großes Bedürfnis, die Herausgabe abgeschleppter Fahrzeuge von der Zahlung der Kosten abhängig zu machen. Denn durch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes kann auf den Kostenschuldner Druck ausgeübt und dieser zur Zahlung der Kosten veranlaßt werden, ohne daß hierzu der umständlichere Weg der Verwaltungsvollstreckung begangen werden müßte. 58 59 60

Zu einem solchen Fall VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 302 (304). Siehe S. 261 ff. Siehe ausführlich S. 31 ff.

2. Abschn.: Das öffentlichrechtliche Zurückbehaltungsrecht

269

Ein Zurückbehaltungsrecht ist in den meisten Polizeigesetzen für die Kosten einer Sicherstellung (bzw. Beschlagnahme) und Verwahrung geregelt61. In Baden-Württemberg findet sich ein Zurückbehaltungsrecht in § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG, allerdings nicht für die Kosten der Sicherstellung oder Beschlagnahme, sondern nur für die Kosten der Verwahrung. Diese inhaltliche Beschränkung folgt zwar nicht aus dem insoweit unergiebigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG, ergibt sich jedoch aus dem systematischen Zusammenhang mit Satz 3 (Ersatz von Aufwendungen „zum Zweck der Verwahrung"), sowie aus der amtlichen Überschrift des § 3 DVO bwPolG: „ Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen und Tiere". Soweit ein Zurückbehaltungsrecht für die Kosten einer unmittelbaren Ausführung oder Ersatzvornahme (in Baden-Württemberg auch für die Kosten einer Sicherstellung oder Beschlagnahme) nicht normiert wurde, ist zu untersuchen, ob für diese Fallgestaltungen ein Zurückbehaltungsrecht der Verwaltung auch auf andere Weise begründet werden kann. Mögliche Anknüpfungspunkte für die Begründung eines allgemeinen öffentlichrechtlichen Zurückbehaltungsrechts im Wege der Analogie wären die zivilrechtlichen (§ 273 Abs. 1 BGB), gebührenrechtlichen (§ 15 Abs. 2 bwGebG) oder polizeirechtlichen Normierungen von Zurückbehaltüngsrechten.

B. Zurückbehaltungsrecht analog § 273 Abs. 1 BGB? I. Der Meinungsstand Ein außerhalb der öffentlichrechtlichen Regelungen begründetes Zurückbehaltungsrecht wegen der Abschlepp- und Verwahrungskosten verneint eine große Zahl von Autoren62. Andere sprechen sich ohne weitere Begründung für ein Zurückbehaltungsrecht der Verwaltung in analoger Anwendung des § 273 Abs. 1 BGB aus63. Teilweise wird diese These immerhin mit dem Hinweis darauf untermauert, daß das Zurückbehaltungsrecht Ausfluß des Grundsatzes von Treu und Glauben sei, welcher im öffentlichen Recht nach allgemeiner Mei-

61

Vgl. § 24 Abs. 3 S. 3 MEPolG. Auch für die Kosten der unmittelbaren Ausführung und der Ersatzvornahme in Hessen (§§ 8 Abs. 2 S. 3, 49 Abs. 1 S. 2 hessSOG). 62 Daumann, DAR 1969, 317 (322); Knöll, DVB1. 1980, 1027 (1033); von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389; Nagel, S. 121; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 116; Stober, DVB1. 1973, 351; wohl auch Kierse, DAR 1995, 400 (401). 63 Bouska, DAR 1983, 147 (150); Medicus, JZ 1967, 63 (65); Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (249); G. Scholz, Polizeirecht, S. 245; Steckert, DVB1. 1971, 243 (248); zurückhaltender Möller/Wilhelm, S. 200.

270

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

nung auch Anwendung finde 64. Vielfach wird auch die Auffassung vertreten, der Grundgedanke des § 273 Abs. 1 BGB finde grundsätzlich auch im öffentlichen Recht Anwendung, müsse aber möglicherweise gegenüber höherrangigen Rechtsgrundsätzen oder wegen der Besonderheiten des Einzelfalls zurückstehen65. Dementsprechend wird eine Analogie zu § 273 Abs. 1 BGB zum Teil nur hinsichtlich der Verwahrungskosten befürwortet 66. II. Die zivilrechtliche Interessenlage Das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB stellt eine spezielle Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben, des Verbots der unzulässigen Rechtsausübung dar: Ihm liegt die Wertung zugrunde, daß es dem Schuldner nicht zugemutet werden könne, einseitig leisten zu müssen und dabei Gefahr zu laufen, die ihm zustehende Leistung nicht zu erhalten67. Das Zurückbehaltungsrecht ist ein für Austauschbeziehungen konstruiertes Sicherungs- und Druckmittel, das es dem Gläubiger gestattet, die Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Selbsthilfe zu erzwingen68. III. Die Interessenlage bei der Zurückbehaltung abgeschleppter Fahrzeuge 1. Zurückbehaltung und Vorbehalt des Gesetzes Die Übernahme eines derartigen Rechtsinstituts in das öffentliche Recht69 erscheint in den Fällen unbedenklich, in denen Verwaltung und Bürger einander

64

Straßberger, BayVBl. 1972, 36 (40); vgl. auch OVG Hamburg, NJW 1977, 1251 f. 65 Vgl. Wolf in Soergel, § 273 BGB, Rn. 6; Heinrichs, in: Palandt, § 273 BGB, Rn. 3; Keller, in: Münchener Kommentar, § 273, Rn. 6; Kuckuk, in: Erman, § 273 BGB, Rn. 8; vgl. auch VGH Kassel, NJW 1996, 2746 (2748); OVG Hamburg, NJW 1977, 1251. Würtenberger, DAR 1983, 155 (156); vgl. auch OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 37. Stober, DVBl 1973, 351 (352 f.) leitet das Zurückbehaltungsrecht aus den Vorschriften der Gebührengesetze ab, hält aber im Falle der Verwahrung eine Lückenfullung im Wege der analogen Anwendung des § 273 BGB für möglich. 6 Vgl. RGZ 152, 71 (73); BGH, NJW 1984, 2151 (2154); Ahlff, in: RGRK, § 273, Rn. 1; Heinrichs, in: Palandt, § 273, Rn. 1; Wolf, in: Soergel, § 273, Rn. 2. 68 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, § 273, Rn. 1; Selb, in: Staudinger, § 273, Rn. 3; Wolf, in: Soergel, § 273, Rn. 3. Siehe zur Anwendung privatrechtlicher Normen im öffentlichen Recht S. 157 ff.

2. Abschn.: Das öffentlichrechtliche Zurückbehaltungsrecht

271

gleichgeordnet wie Privatrechtssubjekte gegenüberstehen70, etwa in einem öffentlichrechtlichen Vertragsverhältnis. Bezeichnenderweise hat sich der Gesetzgeber in diesem Bereich veranlaßt gesehen, die Anwendbarkeit der bürgerlich-rechtlichen Vorschriften ausdrücklich anzuordnen (§ 62 S. 2 VwVfG). Vielfach stellt sich das Verwaltungsrechtsverhältnis jedoch nicht als Gleichordnungs-, sondern als Subordinationsverhältnis dar. Begibt sich die Verwaltung in diesen Fällen gerade nicht auf die gleichgeordnete Ebene der Privatrechtssubjekte, dann kann sie ihr Handeln grundsätzlich nicht auf privatrechtliche Befugnisse stützen, sondern bedarf für belastende Maßnahmen einer unmittelbar anwendbaren gesetzlichen Ermächtigung. Nun könnte eingewendet werden, die Verwahrung erfolge nach Beendigung der Gefahrenabwehr im Interesse des Betroffenen 71, womit die Verwaltung zu diesem in ein Gleichordnungsverhältnis eintrete. Im Hinblick auf die Verwahrungskosten wird in diesem Sinne aus der Anwendbarkeit der §§ 688 ff. BGB die Zulässigkeit einer Zurückbehaltung analog § 273 Abs. 1 BGB gefolgert 72. Stober meint, es sei nicht einzusehen, daß die Verwaltung bei Ansprüchen gegenüber Bürgern schlechter gestellt werden solle, als Bürger untereinander, die einen Verwahrungsvertrag schließen. Die Einrede des Zurückbehaltungsrechts beruhe nicht auf der hoheitlichen Zwangsgewalt der Behörde, sondern sei ausschließlich fiskalisch motiviert73. Bei solcher Argumentation wird übersehen, daß die Gesichtspunkte, die für die analoge Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen der zivilrechtlichen Verwahrung auf das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis sprechen, nicht notwendigerweise auf andere Bestimmungen zutreffen müssen. Die analoge Anwendbarkeit der Verwahrungsbestimmungen beruht auf der Erwägung, daß die Verwahrung im Interesse des Berechtigten ist. Aufgrund der Schutzbedürftigkeit der Sache kann unterstellt werden, daß der Berechtigte der Verwahrung zustimmen würde, auch wenn für ihn nachteilige Kostenfolgen entstehen. Folglich drängt sich die Parallele zum zivilrechtlichen Verwahrungsvertrag geradezu auf, es erfolgt gewissermaßen eine „Geschäftsführung ohne Auftrag durch Verwahrung". Das zivilrechtliche Zurückbehaltungsrecht wurzelt in dem Prinzip der Privatautonomie: Wer sein Fahrzeug in Verwahrung gibt, setzt sich der möglichen Zurückbehaltung des Fahrzeugs freiwillig aus. Das wäre in einem öffentlichrechtlichen Vertragsverhältnis nicht anders: Die Freiwilligkeit der Fahrzeughingabe nähme der staatlichen Anwendung eines Zurückbehaltungsrechts von 70

Würtenberger, DAR 1983, 155 (156). Siehe hierzu S. 159 ff. 72 OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280); Medicus, JZ 1967, 63 (65); Steckert, DVB1. 1971, 243 (248); Stober, DVB1 1973, 351 (353); Würtenberger, DAR 1983, 155 (156); vgl. VGH Kassel, NJW 1996, 2746 (2748). 73 Stober, DVB1 1973, 351 (353). 71

272

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

vorneherein den Charakter eines Grundrechtseingriffs. Ganz anders stellt sich die Situation aber dar, wenn die Verwaltung den Besitz an dem Fahrzeug nicht aufgrund freiwilliger Hingabe im Rahmen eines Schuldverhältnisses, sondern als Folge einer staatlichen Zwangsmaßnahme erhält. Hier ist die Innehabung staatlicher Sachherrschaft ein Grundrechtseingriff, der der Legitimation bedarf 74. Dieser Eingriff ist rechtmäßig, solange er auf eine öffentlichrechtliche Befugnisnorm gestützt werden kann. Daran fehlt es, wenn die Sicherstellung oder Beschlagnahme aufgehoben oder die im Wege der Ersatzvornahme oder der unmittelbaren Ausführung durchgeführte Abschleppmaßnahme beendet ist. Macht die Verwaltung nun ein Zurückbehaltungsrecht geltend, verlängert sie auf diese Weise den Besitzentzug ohne gesetzliche Ermächtigung75. Ob die Verwaltung dies bezweckt oder wie Stober meint nur aus fiskalischen Motiven handelt, ist unerheblich, weil auch nicht final, sondern nur faktisch erfolgende Beeinträchtigungen Grundrechtseingriffe darstellen können. Die Begründung eines Zurückbehaltungsrechts in Analogie zu § 273 Abs. 1 BGB verstößt somit gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes76. Nicht ohne Grund haben die Polizeigesetze in neuerer Zeit das Zurückbehaltungsrecht bei Sicherstellung oder Beschlagnahme ausdrücklich geregelt77. 2. Zurückbehaltungsrecht

und Gesetzesvorrang

Der Gewährung eines Selbsthilferechts in § 273 Abs. 1 BGB liegt die Erwägung zugrunde, daß der Gläubiger nicht auf unter Umständen weniger erfolgversprechende staatliche Hilfe bei der Durchsetzung seiner Ansprüche verwiesen werden soll, wenn er selbst auf viel einfachere Art und Weise seinen Forderungen Nachdruck verschaffen kann. Die Verwaltung kann sich jedoch wenn sie sich nicht auf die Ebene des Vertragsrechts begeben hat - durch Erlaß eines Leistungsbescheids selbst einen Vollstreckungstitel verschaffen und ihre Rechte im Verwaltungszwangsverfahren ohne die Notwendigkeit gerichtlicher Hilfe durchsetzen. Ein Selbsthilferecht des Staates würde sowohl der ratio legis des § 273 BGB, als auch den in rechtstaatlicher Hinsicht ausdifferenzierten Verwaltungsvollstreckungsregelungen widersprechen. Wenn Geldforderungen nach diesen Vorschriften im Wege der Beitreibung durchzusetzen sind, dann ist damit zugleich die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes ausgeschlossen 8 . Der Einwand, in zahlreichen Gesetzen sei sowohl Zurückbehaltung 74

Vgl. Nagel, S. 117, 120. Würtenberger, DAR 1983, 155 (156); ebenso Nagel, S. 118. Schenke, in: Steiner, II, Rn. 116; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 489; hinsichtlich der Abschleppkosten auch Würtenberger, DAR 1983, 155 (156). Darauf weist auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 116 hin. 78 Ebenso Geiger, BayVBl. 1983, 10 (11, Fn. 12); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 116; a. A. Nagel, S. 107 f.; Stober, DVBl. 1973, 351 (353); vgl. auch VGH Kassel, NJW 75

2. Abschn. : Das öffentlichrechtliche Zurückbehaltungsrecht

273

als auch Beitreibung möglich, also könne die Anordnung des Verwaltungszwangsverfahrens ein Zurückbehaltungsrecht nicht ausschließen79, überzeugt nicht. Hat sich der Gesetzgeber nicht für beide Möglichkeiten der Durchsetzung eines Anspruchs entschieden, sondern nur die Beitreibung vorgesehen, dann verstößt die Durchsetzung einer Kostenforderung durch Zurückbehaltung einer Sache gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes.

C. Zurückbehaltungsrecht aus § 15 Abs. 2 bwGebG? I. Anwendbarkeit der Vorschrift Sofern die Verwahrung eines Fahrzeugs im Interesse des Berechtigten erfolgt 80, kann eine Verwaltungsgebühr erhoben werden81, hinsichtlich derer ein Zurückbehaltungsrecht nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 bwGebG gegeben sein könnte. Die Vorschrift ist aufgrund der Verweisung in (§ 49 Abs. 1 bwPolG i. V. m.) § 31 Abs. 6 bwVwVG auch für die Kosten einer Ersatzvornahme anwendbar. Teilweise wird deshalb aus § 15 Abs. 2 bwGebG ein Recht auf Zurückbehaltung abgeschleppter Fahrzeuge abgeleitet82. Mangels gesetzlicher Verweisung scheidet eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift jedenfalls dann aus, wenn die Abschleppkosten Kosten einer unmittelbaren Ausführung sind. In den anderen Fällen ist mehr als zweifelhaft, ob Kraftfahrzeuge überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 bwGebG erfüllen. Nach dem Gesetzeswortlaut können Schriftstücke oder sonstige Sachen bis zur Entrichtung der Gebühr zurückbehalten oder an den Gebührenschuldner auf dessen Kosten unter Nachnahme der Gebühr übersandt werden. Zwar handelt es sich auch bei einem Kfz um eine Sache. Der systematische Zusammenhang mit der Ermächtigung zur Versendung per Nachnahme und die ausdrückliche Nennung von Schriftstücken ergibt jedoch, daß es sich bei den anderen Sachen um Gegenstände handeln muß, die Schriftstücken vergleichbar sind. Daraus ergibt sich zum einen eine Beschränkung auf Sachen, die ihrer Beschaffenheit nach überhaupt eine Versendung per Post zulassen. Als Gegenstand des Zurückbehaltungsrechts kommen zum anderen nur solche Sachen in Betracht, deren Erstellung die gebührenpflichtige Amtshandlung

1996, 2746 (2748) für den Fall, daß durch staatliche Zurückbehaltung die Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG umgangen würden. 79 Stober, DVB1. 1973, 351 (353). Das ist nur während der Dauer einer Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG) oder Beschlagnahme (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) nicht der Fall, siehe S. 159 ff. 81 Siehe hierzu S. 261 ff. Gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 KAG ist § 15 bwGebG auch anwendbar, wenn die Verwahrung durch die Gemeinde erfolgt. 82 Reichert/Ruder, Rn. 621 : für die Zeit nach Aufhebung einer Sicherstellung. 18 Schieferdecker

274

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

darstellt (Beispiel: die beantragte und erlassene Baugenehmigung)83 oder die zur Ermöglichung oder Unterstützung der gebührenpflichtigen Amtshandlung vorgelegt wurden (Beispiel: die mit dem Antrag eingereichten Bauunterlagen)84. Das Zurückbehaltungsrecht des § 15 Abs. 2 bwGebG ist somit konzeptionell beschränkt auf büromäßig erbrachte Amtshandlungen und im Bürobetrieb behandelbare Sachen. II. Keine analoge Anwendung des § 15 Abs. 2 bwGebG Unabhängig davon, ob es sich um die Kosten einer Verwahrung, einer Ersatzvornahme oder einer unmittelbaren Ausführung handelt, käme eine Anwendung des § 15 Abs. 2 bwGebG somit allenfalls im Rahmen einer Analogie in Betracht. Sie setzte sich damit denselben Bedenken aus, die bereits zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 273 BGB dargelegt wurden. Gleiches gilt auch für die Ansicht, die ein Zurückbehaltungsrecht der Polizei nicht nur aus der Regelung des § 15 Abs. 2 bwGebG, sondern auch aus der gebührenrechtlich normierten Pflicht zu Kostenvorschuß oder Sicherheitsleistung herausfiltern möchte85. Die Erwägung, daß es gleich sei, ob die Behörde vor dem Abschleppen die Vorauszahlung der Kosten verlange (gesetzlich geregelt, vgl. etwa § 31 Abs. 5 bwVwVG) oder nach dem Abschleppen die Herausgabe von der Kostenzahlung abhängig mache, rechtfertigt keine Aushöhlung der Grundsätze des Gesetzesvorbehalts und -Vorrangs.

D. Zurückbehaltungsrecht aus § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG? § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG gewährt ein Zurückbehaltungsrecht für die Kosten der Verwahrung bei Sicherstellung oder Beschlagnahme. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift in anderen Fällen scheitert an ihrem eindeutigen Wortlaut, wonach die Zurückbehaltung erstens nur wegen Verwahrungskosten und zweitens nur von Sachen, die durch Sicherstellung oder Beschlagnahme in den Besitz der Verwaltung gelangt sind, zulässig ist. Eine analoge Anwendung verstieße gegen den Grundsatz des Vorbehalts und Vorrangs des Gesetzes8 .

83

Vgl. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 489. Vgl. Gerhardt, Verwaltungskostenrecht, § 15 LGebG, Rn. 7. 85 Vgl. Stober, DVBl. 1973, 351 (352 f.); Knöll, DVBl. 1980, 1027 (1033); Janssen, JA 1996, 165 (171). RA Vgl. Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (42) zu § 24 Abs. 3 S. 3 nwPolG.

2. Abschn.: Das öffentlichrechtliche Zurückbehaltungsrecht

275

E. Weitere Einwände gegen die Zurückbehaltung Selbst, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht eine Analogie für statthaft ansehen würde, bestünden gegen die Annahme einer Zurückbehaltungsbefugnis der Verwaltung weitere Bedenken. Vor allem müßte die dem Herausgabeanspruch des Betroffenen entgegenzuhaltende Kostenforderung rechtlich existent und fällig sein, was sich als problematisch erweist, wenn ein Kostenbescheid überhaupt nicht ergeht bzw. ergehen kann. Zwar entsteht der öffentlichrechtliche Kostenersatzanspruch entgegen einer verschiedentlich geäußerten Auffassung 87 nicht erst mit dem Erlaß eines Kostenbescheids, sondern unmittelbar mit der Verwirklichung des gesetzlichen Kostenerstattungstatbestands88. Die Verwaltung kann Kostenersatzansprüche durch Leistungsbescheid geltend machen89, um sich die gegenüber dem gerichtlichen Verfahren einfachere Möglichkeit der Verwaltungsvollstreckung zu eröffnen. Allerdings ist zu beachten, daß die Fälligkeit öffentlichrechtlicher Kostenforderungen teilweise an die Bekanntgabe eines Gebühren- oder Kostenfestsetzungsbescheids geknüpft ist (so § 15 Abs. 1 bwGebG für Verwahrungsgebühren und i. V. m. § 31 Abs. 6 bwVwVG für Ersatzvornahmekosten)90. In solchen Fällen wäre ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen, wenn ein festsetzender Bescheid nicht ergangen ist.

F. Ergebnis Das Zurückbehaltungsrecht des § 15 Abs. 2 bwGebG ist wegen Abschleppund Verwahrungskosten entweder überhaupt nicht anwendbar oder hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben. Im Wege der Analogie zu bestehenden zivilrechtlichen, gebührenrechtlichen oder polizeirechtlichen Normierungen kann ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht der Verwaltung nicht begründet werden.

87

VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16); VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Würtenberger, DAR 1983, 155 (157); vgl. auch Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (42). 8 * OVG Münster, DVB1. 1983, 1074; Janssen, JA 1996, 165 (171); Kottmann, DÖV 1983, 493 (499); Nagel, S. 70 ff.; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 354. 89

Eine solche Befugnis wird allgemein angenommen, siehe hierzu S. 291 ff. Fehlt es an derartigen Regelungen, ist davon auszugehen, daß der Kostenersatzanspruch mit seiner Entstehung, also mit der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes (z. B.: § 8 Abs. 2 bwPolG) fällig wird, vgl. Janssen, JA 1996, 165 (171). 90

276

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Dritter Abschnitt

Einbeziehung privater Abschleppunternehmer A. Zur Rechtsstellung privater Abschleppunternehmer Obwohl dies in § 8 Abs. 2 S. 1 bwPolG nicht zum Ausdruck kommt, kann sich die Polizei - wie dies auch in § 5a MEPolG vorgesehen ist - bei der unmittelbaren Ausführung auch eines Beauftragten bedienen91. Dasselbe ist für die Ersatzvornahme in § 25 bwVwVG ausdrücklich geregelt. Bezüglich der Verwahrung enthält das baden-württembergische Polizeirecht lediglich Regelungen für die Verwahrung sichergestellter oder beschlagnahmter Sachen. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 DVO bwPolG ist die Sache einem Dritten zu übergeben, wenn die amtliche Verwahrung nicht möglich oder nicht zweckgemäß ist. Gegen die Einbeziehung Privater in den Abschleppvorgang bestehen auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung keine Bedenken, sofern diesen nur die tatsächliche Durchführung und nicht auch die rechtliche Entscheidungskompetenz übertragen wird92. Letzteres ist in der Praxis nicht der Fall, da eine Beleihung mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig wäre. Folglich bestehen zwischen dem Abschleppunternehmer und dem Betroffenen keine öffentlichrechtlichen Beziehungen. Der Abschleppunternehmer wird auch nicht für den Betroffenen tätig, sondern handelt in Erfüllung eines mit der Verwaltung abgeschlossenen meist als Rahmenvertrag ausgestalteten - Werkvertrags93.

B. Kostenerhebung durch den Unternehmer I. Kein eigenes Forderungsrecht des Unternehmers Der Abschleppunternehmer hat einen werkvertragsrechtlichen Vergütungsanspruch gegen den Rechtsträger der handelnden Behörde. Gegen den Betroffenen hat der Abschleppunternehmer dagegen keinen Vergütungsanspruch. In der Vergangenheit wurde von einigen Untergerichten ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683, 670 BGB bejaht 4 , mittlerweile ist jedoch anerkannt, daß ein solcher Anspruch regelmäßig am fehlenden FremdgeschäftsfÜhrungswillen des Abschleppunter91

Belz/Mußmann, § 8, Rn. 11; Brandt/Schlabach, Rn. 199; Reichert/Ruder, Rn. 351; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 5; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 511. Vgl. zu den Grenzen der Privatisierung staatlicher Aufgabenbereiche S. 86. 93 Hierzu ausführlicher im Rahmen der Amtshaftungsproblematik, S. 320. 94 Vgl. LG Limburg, MDR 1965, 742; LG Braunschweig, NJW 1966, 1820 f.; LG München I, NJW 1976, 898; AG Lübbecke, MDR 1975, 228.

3. Abschn. : Einbeziehung privater Abschleppunternehmer

277

nehmers oder an der fehlenden Berechtigung zur Fremdgeschäftsführung scheitern wird95. II. Forderungsbefugnis des Unternehmers aus abgetretenem Recht

1. Einführung in die Problematik und Überblick über den Meinungssta Der Abschleppunternehmer könnte die öffentlichrechtliche Kostenforderung durch Abtretung erwerben und dann im eigenen Namen geltend machen. Fraglich ist indes, ob öffentlichrechtliche Forderungen des Staates gegen Private überhaupt an andere Privatpersonen abgetreten werden können. Mangels Regelung des Problembereichs im öffentlichen Recht stellt sich die Frage nach der analogen Anwendbarkeit der §§ 398 ff. BGB. Nach einer Ansicht soll die Abtretung öffentlichrechtlicher Forderungen durch die Behörde immer dann zulässig sein, wenn es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handele96, hingegen unzulässig bei Ansprüchen mit höchstpersönlichem Charakter der Leistungspflicht97. Maßgebliches Kriterium soll folglich allein der Inhalt der Leistungspflicht des Bürgers sein. Sei der Anspruch auf Geld gerichtet, komme dem Umstand, daß nicht ein Privater, sondern ein Träger öffentlicher Gewalt Anspruchsgläubiger ist, keine besondere Bedeutung zu98. Gegen ein bloßes Abstellen auf den Inhalt der Leistungspflicht hat sich Werner ausgesprochen: Im öffentlichen Recht könne nicht von den einer Forderung zugrundeliegenden Sachverhalten abstrahiert werden, sondern es bedürfe „in jedem Falle einer Prüfung der Kausalverhältnisse daraufhin, ob diese einer Abtretung im Wege stehen oder nicht"99. Ein Teil der zivilrechtlichen Kommentarliteratur nimmt dieselbe Position ein und macht die Anwendbarkeit der §§ 398 ff. BGB von den Besonderheiten der jeweiligen Interessenlage abhän-

95

Vgl. OVG Münster, NJW 1980, 1974; LG München I, NJW 1978, 48; LG Düsseldorf, VersR 1980, 980; AG Düsseldorf, JZ 1967, 62 (63); Medicus, JZ 1967, 63 (65); Nagel, S. 82 ff.; Steckert, DVB1. 1971, 243 (246 f.); Würtenberger, DAR 1983, 155 (157). Forsthoff, S. 192; Steckert, DVB1. 1971, 243 (248); Wallerath, § 6 Abs. 5 S. 3 b (S. 136); Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 41, Rn. 16 und Wolff/Bachof, VerwR III, § 160, Rn. 16. 97 Forsthoff, S. 192; Wallerath, § 6 Abs. 5 S. 3 b (S. 136); Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 41, Rn. 16. 98 Steckert, DVB1. 1971, 243 (248). Werner, Der Übergang öffentlichrechtlicher Forderungen in die Hand eines Privatgläubigers, VerwArch 44 (1939), 273 (287).

278

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

gig100. Generell gegen die Zulässigkeit der Abtretung spricht sich schließlich ein großer Teil der Literatur aus101. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bisher lediglich mit der Abtretung öffentlichrechtlicher Ansprüche gegen den Staat befaßt 102, zu dem Problem der Abtretbarkeit von Ansprüchen des Staates gegen Private an andere Privatpersonen aber nicht Stellung genommen. Das RG hat die Frage offengelassen103, der BGH hatte lediglich über die Übertragung von Steuerforderungen auf Private im Wege der cessio legis zu befinden 104. Das VG Düsseldorf hält die rechtsgeschäftliche Übertragung einer polizeilichen Kostenforderung auf den Abschleppunternehmer jedenfalls dann für unzulässig, wenn die Forderung nicht bestands- oder rechtskräftig festgestellt oder unstreitig sei105. 2. Voraussetzungen einer Zession Die §§ 398 ff. BGB können im öffentlichen Recht nicht unmittelbar angewendet werden106. §411 BGB spricht zwar von öffentlichrechtlichen Forderungen, betrifft aber nur eine bestimmte Art von Forderungen des Bürgers gegen den Staat, nämlich öffentlichrechtliche Gehaltsansprüche. Die Abtretbarkeit öffentlichrechtlicher Kostenersatzansprüche behandelt die Vorschrift nicht. Da auch das öffentliche Recht keine einschlägigen Vorschriften bereitstellt, ist daran zu denken, das Regelungsdefizit durch eine analoge Anwendung der §§ 398 ff. BGB abzugleichen. Bevor der Frage der Analogiefähigkeit der §§ 398 ff. BGB nachgegangen wird 107, soll untersucht werden, ob bejahendenfalls die Voraussetzungen für ei-

1ΩΟ Heinrichs, in: Palandt, § 398, Rn. 2; Keller, in: Münchener Kommentar, § 398, Rn.1018. Daumann, DAR 1969, 317 (319); Erichsen, § 11, Rn. 45; Ipsen, Rn. 528; von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389; Nagel, S. 102; Stober, JuS 1982, 740 (745); Wagner, § 30, Rn. 38; Würtenberger, DAR 1983, 155 (157 f.); Zeiss, in: Soergel, Rn. 7 vor § 398; vgl. auch Grünning/Großmann, VR 1985, 37 (42). Gegen die Abtretbarkeit von Steuerforderungen Birk, Allgemeines Steuerrecht, 2. Auflage, München 1994, S. 130; Tipke/Lang, Steuerrecht, 13. Auflage, Köln 1991, S. 125; Walz, Zivilrechtlicher Ausgleich bei geschäftsmäßiger Steuerzahlung für Dritte, ZIP 1991, 1405 (1410). 102 BVerwG, NJW 1993, 1610; BVerwGE 28, 254 (258); 39, 273 (275). 103 RGZ 143, 91 (94). 104

BGHZ 75, 23 (25): Die Steuerforderung verliere durch den Ubergang ihren Charakter 1 0 5 als öffentlichrechtliche Forderung. VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; ebenso Wolf/Stephan, § 8, Rn. 37; vgl. auch VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16); AG Düsseldorf, JZ 1967, 63. 106 Vgl. Stober, JuS 1982, 740 (742). 107 Siehe zur Anwendung privatrechtlicher Normen im öffentlichen Recht S. 157 ff.

3. Abschn.: Einbeziehung privater Abschleppunternehmer

279

ne Zession vorliegen würden. Teilweise wird nämlich die Abtretbarkeit öffentlichrechtlicher Kostenersatzansprüche an Abschleppunternehmer bereits deshalb verneint, weil ein abzutretender Anspruch überhaupt nicht bestehe108. Es ist zwar im Zivilrecht anerkannt, daß auch künftige Forderungen, also solche, die bei Abschluß des Abtretungsvertrages noch nicht entstanden sind, abgetreten werden können. Das setzt aber voraus, daß die Entstehung der Forderung zur Zeit der Abtretung möglich erscheint109. Stellt man sich nun auf den Standpunkt, daß dem Erlaß eines Kostenbescheids konstitutive Bedeutung für die Existenz eines Kostenersatzanspruchs zukommt, dann kann eine solche Forderung nach Vorausabtretung an einen Privaten nie zur Entstehung gelangen, weil der Private mangels gesetzlicher Beleihung einen Kostenbescheid^nicht erlassen kann. Da jedoch die Kostenerstattungspflicht für eine rechtmäßige Abschleppmaßnahme nicht erst durch Leistungsbescheid, sondern bereits kraft Gesetzes begründet wird 110, wäre gegen eine Vorausabtretung nichts einzuwenden. Denn die Entstehung von Kostenersatzansprüchen infolge zukünftiger Abschleppmaßnahmen wäre möglich, die betreffenden Forderungen wären auch bei ihrer Entstehung eindeutig bestimmbar. 3. Anwendbarkeit der §§ 398 ff. BGB im öffentlichen

Recht

Die §§ 398 ff. BGB dienen dem Ausgleich der Interessen des Gläubigers und des Schuldners. Im wirtschaftlichen Interesse des Gläubigers wird eine Übertragung der Forderung und damit ein Gläubigerwechsel (§ 398 S. 2 BGB) ermöglicht. Gleichzeitig dient die gesetzliche Regelung dem Interesse des Schuldners, der durch den Gläubigerwechsel keine Nachteile erleiden soll (vgl. §§399, 404,406-409 BGB). Wie bei der Abtretung zwischen Privatpersonen ist unbestreitbar ein wirtschaftliches Interesse der öffentlichen Hand an der Abtretbarkeit öffentlichrechtlicher Kostenforderungen zur Effektivierung des Verfahrenablaufes gegeben. Die Polizei könnte den Unternehmer seine Vergütung selbst vereinnahmen lassen und müßte die Kosten nicht erst von dem Kostenschuldner einziehen und dann an den Unternehmer überweisen. Fraglich ist jedoch, ob bei der Abtretung öffentlichrechtlicher Forderungen auch die Rechtsposition des Schuldners gewahrt bleibt. Bewirkte die Abtretung Rechtsnachteile auf der Schuldnerseite, wäre eine mit der zivilrechtlichen Interessenslage nicht vergleichbare, sondern durch Besonderheiten des öffentlichen Rechts geprägte Situation gegeben.

108 109 110

Vgl. VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Würtenberger, Vgl. Heinrichs, in: Palandt, § 398, Rn. 11. Siehe S. 275.

DAR 1983, 155 (157).

280

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Steckert meint, es komme nur auf den Gegenstand der Forderung an. Bei einer auf Geld gerichteten Forderung fehle nach der Abtretung eine Beziehung, die es zulasse, die Forderung als öffentlichrechtlich zu qualifizieren 111. Wie an späterer Stelle von Steckerts Ausführungen deutlich wird, meint er nicht, daß die Abtretung die Rechtsnatur der Forderung verändere. Er ist vielmehr der Ansicht, daß sie von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis nicht beeinflußt werde: Die bloße Beteiligung eines Hoheitsträgers erscheint ihm nachrangig112. Ganz im Gegenteil kann jedoch die Kostenforderung nicht isoliert von ihrem öffentlichrechtlichen Entstehungszusammenhang gesehen werden. Welchen Sinn sollte es sonst machen, von einer öffentlichrechtlichen Forderung zu sprechen? Entscheidend für die Zugehörigkeit einer Forderung zum öffentlichen Recht ist nicht die Beteiligung eines Hoheitsträgers - Hoheitsträger können auch Gläubiger oder Schuldner privatrechtlicher Forderungen sein. Entscheidend ist vielmehr, daß die Gläubigerstellung einem Träger öffentlicher Gewalt durch Gesetz zugewiesen ist und auch nur einem Hoheitsträger zugewiesen werden kann. Weiterhin hat die Forderung öffentlichrechtlichen Charakter, weil sie Korrelat der materiellen Polizeipflicht des Kostenschuldners und somit Ausfluß des Subordinationsverhältnisses zwischen Polizei und Ordnungspflichtigem ist. Der öffentlichrechtliche Entstehungszusammenhang der Forderung muß mit einbezogen werden, wenn die Frage der Vergleichbarkeit der Interessenslage beantwortet und die Analogiefähigkeit der zivilrechtlichen Regelungsmaterie beurteilt werden soll. Auf der Seite des Schuldners bedeutet Vergleichbarkeit mit der zivilrechtlichen Interessenslage, daß ihn durch die Abtretung keine zusätzlichen, durch die Besonderheiten des öffentlichen Rechts bedingten Nachteile treffen dürfen 113. Auf der Seite der Behörde ist zu beachten, daß die Abtretung nicht zu einer Umgehung der für sie geltenden öffentlichrechtlichen Vorschriften führt. Durch Analogie kann sich die Behörde weder über gesetzliche Verfahrens- und Zuständigkeitsbestimmungen (Grundsatz des Gesetzesvorrangs), noch über das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für Einpiffe in Rechte des Bürgers (Grundsatz des Gesetzes Vorbehalts) hinwegsetzen11 .

111 112 113

Steckert, DVBl. 1971, 243 (248). Steckert, DVBl. 1971, 243 (248). Stober, JuS 1982, 740 (744); vgl. auch Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 Siehe hierzu bereits oben S. 157.

3. Abschn. : Einbeziehung privater Abschleppunternehmer 4. Entgegenstehende Besonderheit des öffentlichen

281 Rechts

a) Schuldnerschutz Auf den ersten Blick erscheint es unproblematisch, vermögensrechtliche Ansprüche des Staates gegen den Bürger für abtretbar zu halten. Der Schuldner ist wie bei der Abtretung privatrechtlicher Forderungen geschützt, weil er dem Zessionar (Abschleppunternehmer) alle gegenüber dem bisherigen Gläubiger (Verwaltung) bestehenden Einwendungen und Einreden entgegensetzen kann (§ 404 BGB). So könnte sich ein Betroffener dem Abschleppunternehmer gegenüber darauf berufen, daß die Abschleppmaßnahme rechtswidrig gewesen und er folglich nicht zum Kostenersatz verpflichtet sei. Eine Abtretung würde auch nicht den öffentlichrechtlichen Charakter der Forderung beseitigen115, da sie nicht deren Rechtsnatur berührt, sondern nur die Rechtsnachfolge in die Gläubigerstellung bewirkt. Folglich bliebe weiterhin das VG zuständig, so daß sich auch keine Nachteile wegen Einschlägigkeit des ordentlichen Rechtswegs einstellen können. b) Unzulässige Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung Das Gesetz sieht einen Träger öffentlicher Gewalt als Gläubiger des Kostenerstattungsanspruchs vor. Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen erfolgt nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen durch Beitreibung. Ein anderer Kostengläubiger und eine andere Form der Durchsetzung ist nicht vorgesehen und damit auch nicht zugelassen116. Eine gerichtliche Durchsetzung der öffentlichrechtlichen Forderung durch den Abschleppunternehmer würde dazu führen, daß nicht durch Beitreibung, sondern im Verfahren der ZPOZwangsvollstreckung vorgegangen würde. Im Regelfall bedeutete die Abtretung einer öffentlichrechtlichen Forderung an einen Privaten nicht nur die Übertragung der Gläubigerstellung, sondern zugleich die Übertragung hoheitlicher Aufgaben und Befugnisse. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse wird beispielsweise erforderlich, wenn mehrere Verantwortliche Kostenschuldner sind und eine Auswahlentscheidung zu treffen ist117. Auch wurde bereits dargelegt, daß ein öffentlichrechtliches Zurückbehaltungsrecht nur durch die Behörde ausgeübt werden kann. Eine Übertragung der Forderung auf den privaten

115

So bereits RGZ 143, 91 (94); AG Krefeld, NJW 1979, 722; Nagel, S. 95; Stober, JuS 1982, 740 (742, 743); Steckert, DVB1. 1971, 243 (248). 116 RGZ 143, 91 (94); VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16); VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; AG Düsseldorf, JZ 1967, 62 f.; Stober, JuS 1982, 740 (745). 117 VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Stober, JuS 1982, 740 (745); Würtenberger, DAR 1983, 155 (157).

282

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Abschleppunternehmer wäre folglich auch Übertragung der hoheitlichen Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts118. Schließlich kommen Entscheidungsspielräume bei der Bestimmung der Höhe der Kosten119 in Betracht. Probleme stellten sich auch, wenn die Fälligkeit der Kostenforderung erst durch die Bekanntgabe eines Festsetzungsbescheids bewirkt wird 120 und ein solcher vor Abtretung nicht ergangen ist. Der Abschleppunternehmer müßte einen Kostenfestsetzungsbescheid erlassen, weil andernfalls die Fälligkeit der erworbenen Forderung überhaupt nicht herbeigeführt werden könnte. Der Sache nach stellte sich die Abtretung somit als Beleihung dar, was mangels gesetzlicher Regelung unzulässig wäre121. c) Umgehung der gesetzlichen Verfahrensordnung und Beeinträchtigung des Rechtsschutzes Bedenken würden sich weiterhin dann ergeben, wenn durch eine Übertragung der Forderung auf einen Privaten das fehlende Rechtsschutzinteresse der Behörde für eine Zahlungsklage umgangen werden könnte. Die Möglichkeit, einen Leistungsbescheid zu erlassen, schließt grundsätzlich eine klageweise Durchsetzung der Kostenforderung aus, da sich die Behörde auf einfachere Art und Weise einen Vollstreckungstitel verschaffen kann122. Das gilt nach der Rechtsprechung des BVerwG jedoch nicht, wenn ohnehin damit zu rechnen ist, daß der Kostenschuldner dem Leistungsbescheid nicht Folge leisten und es daraufhin sowieso zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen wird 123. In einem solchen Fall kann es der Behörde nicht verwehrt werden, gleich gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Eine Möglichkeit, das fehlende Rechtsschutzinteresse für eine Klage der Verwaltung durch Abtretung an einen Privaten zu umgehen, besteht aber jedenfalls dann, wenn man sich der Auffassung des BVerwG nicht anschließt und die Verwaltung in jedem Fall als verpflichtet ansieht, Kostenforderungen durch Verwaltungsakt geltend zu ma-

118

Stober, JuS 1982, 740 (744). VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Stober, JuS 1982, 740 (745); Würtenberger, DAR 1983, 155 (157). Das ist in Baden-Württemberg hinsichtlich der Verwaltungsgebühren (§ 15 Abs. 1 bwGebG) und Ersatzvornahmekosten der Fall (§ 31 Abs. 6 bwVwVG i. V. m. § 15 Abs. 1 bwGebG), vgl auch VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16). 121 Vgl. VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16); Nagel, S. 96. 122 Kopp, VwGO, vor § 40, Rn. 32 a m. w. Nachw. 123 BVerwGE 28, 153 (154 f.); 29, 166 (172); Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 573, 592. 119

3. Abschn.: Einbeziehung privater Abschleppunternehmer

283

chen124. Gleiches gilt in den Fällen, in denen die Behörde auch nach der Rechtsprechung des BVerwG gehalten wäre, einen Leistungsbescheid zu erlassen. Die Abtretung bewirkte auch eine Entwertung des Widerspruchverfahrens. Denn nach Abtretung der Kostenersatzforderung wäre die Behörde gehindert, einen Kostenbescheid zu erlassen. Die Abtretung hätte somit eine Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen zur Folge, dem die Möglichkeit des Widerspruchs und damit eine Instanz der Recht- und Zweckmäßigkeitskontrolle genommen würde125. Zudem könnte das Widerspruchsverfahren die ihm zugedachten Funktionen - Selbstkontrolle der Verwaltung126 und Entlastung der Gerichte127 - nicht mehr erfüllen. Besondere Probleme stellten sich dann, wenn die Verwaltung bereits vor oder auch nach Abtretung des Kostenersatzanspruchs einen Leistungsbescheid erlassen würde. Ein trotz Abtretung ergangener Leistungsbescheid wäre rechtswidrig, da der Behörde der geltend gemachte Anspruch nicht mehr zustünde. Zur Vermeidung der Bestandskraft wäre der Betroffene jedoch gezwungen, Rechtsmittel einzulegen. Die Abtretung könnte somit dazu führen, daß sich der Betroffene sowohl gegen die Behörde als auch gegen den Abschleppunternehmer zur Wehr setzen müßte. Schließlich ist zu bedenken, daß bereits die Tatsache des Gläubigerwechsels eine Rechtsunsicherheit bewirkte, die nachteilige Auswirkungen auf den Rechtsschutz des Kostenschuldners haben könnte. d) Verlust der Grundrechtsbindung Unter dem Stichwort „keine Flucht ins Privatrecht" wird gemeinhin festgestellt, daß die Verwaltung sich durch Wahrnehmung privatrechtlicher Mittel oder Organisationsformen nicht ihrer Grundrechtsbindung (Art. 1 Abs. 3 GG) entziehen dürfe 128. Ob der Abschleppunternehmer im Falle des derivativen Erwerbs einer öffentlichrechtlichen Forderung bei der Einziehung derselben ein öffentliches Amt ausübte und an die Grundrechte gebunden wäre, kann bezweifelt werden. Jedenfalls wäre diese Grundrechtsbindung praktisch kaum aktualisierbar, da der Abschleppunternehmer organisatorisch selbständig ist, keiner

124

So VGH Mannheim, JA 1979, 165; VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Nagel, S. 101; vgl. VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16): Festsetzung durch VA. 125 VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Nagel, S. 101; Stober, JuS 1982, 740 (745); Würtenberger, DAR 1983, 155 (158). 126 VG Düsseldorf, NJW 1981, 1283; Stober, JuS 1982, 740 (745). 127 Stober, JuS 1982, 740 (745); Würtenberger, DAR 1983, 155 (158); vgl. zum Zweck des Vorverfahrens Kopp, VwGO, Vor § 68, Rn. 1 m. w. Nachw. 128 Vgl. Stober, JuS 1982, 740 (744 f.); vgl. Nagel, S. 98.

284

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Rechtsaufsicht unterliegt und nach der typischen Abtretungsvereinbarung auch keinen Weisungen unterworfen sein soll 2 . 5. Unanwendbarkeit

der §§ 398 ff. BGB

Als Ergebnis kann festgehalten werden: Einer analogen Anwendung der §§ 398 ff. BGB steht die gänzlich anders geartete Interessenlage im öffentlichen Recht entgegen. Eine Abtretung der öffentlichrechtlichen Kostenforderung an einen privaten Abschleppunternehmer ist deshalb nicht möglich. III. Der Unternehmer als Einziehungsberechtigter Die Kosten des Abschleppens und der Verwahrung kann der Abschleppunternehmer nach den bisherigen Ausführungen nicht in eigenem Namen einziehen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß er insoweit als Empfangsbevollmächtigter bzw. Einziehungsberechtigter für die Polizei als Kostengläubigerin tätig wird. Die Zulässigkeit einer Einziehungsermächtigung kann den §§185 Abs. 1, 362 Abs. 2 BGB entnommen werden. Sie entspricht einem praktischen Bedürfnis und wird daher im Zivil- wie auch im öffentlichen Recht überwiegend bejaht130. Der Abschleppunternehmer ist folglich berechtigt, die Kosten zu fordern und zu empfangen; Leistung an den Abschleppunternehmer befreit den Kostenschuldner von seiner Kostenerstattungspflicht (§ 362 Abs. 2 BGB).

C. Geltendmachung von Zurückbehaltüngsrechten durch den Unternehmer I. Kein Zurückbehaltungsrecht des Privaten In dem Dreiecksverhältnis Behörde-Abschleppunternehmer-Betroffener bestehen keine rechtlichen Beziehungen zwischen dem Abschleppunternehmer und dem Betroffenen. Wegen einer eigener Kostenforderung aus einem zivilrechtlichen Vertragsverhältnis oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag kann

129

Vgl. Nagel, S. 98. Vgl. BGH, NJW-RR 1989, 315 (317). Speziell zum Fall des Abschleppunternehmers: OVG Münster, NJW 1980, 1974; DVBl. 1983, 1074 (1075); Medicus, JZ 1967, 63 (65); Kottmann, DÖV 1983, 493 (502) m. w. Nachw.; Möller/Wilhelm, S. 195; Nagel, S. 103; Wagner, § 30, Rn. 37; Würtenberger, DAR 1983, 155 (158). 130

3. Abschn.: Einbeziehung privater Abschleppunternehmer

285

der Unternehmer somit ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB nicht ausüben. II. Zurückbehaltungsrecht der Behörde Nach der hier vertretenen Ansicht steht der Polizei wegen der Abschleppund Verwahrungskosten ein öffentlichrechtliches Zurückbehaltungsrecht grundsätzlich nicht zu. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Fahrzeuge sichergestellt oder beschlagnahmt wurden. In diesen Fällen steht der Polizei gem. § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG ein Zurückbehaltungsrecht zu. Hier stellt sich die Frage (und ebenso für die Gegenauffassung, die ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht der Polizei bejaht), ob ein privater Abschleppunternehmer das öffentlichrechtliche Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann. 1. Keine Ausübung durch den Abschleppunternehmer

Die Zurückbehaltungsbefugnis der Verwaltung kann von einem privaten Abschleppunternehmer nicht ausgeübt werden, weil diese nach der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung einem Träger öffentlicher Gewalt zusteht. Dieser hat nach pflichtgemäßem Ermessen über die Ausübung zu entscheiden131. Abweichungen würden eine Übertragung der betreffenden öffentlichen Aufgabe auf den Privaten voraussetzen. Da es aber an der erforderlichen Rechtsgrundlage für eine solche Beleihung des privaten Abschleppunternehmers fehlt, kann dieser ein öffentlichrechtliches Zurückbehaltungsrecht der Behörde nicht ausüben132. 2. Abgeleitetes Zurückbehaltungsrecht §§273, 986 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB ?

gemäß

Dörner hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Abschleppunternehmer dem Herausgabeverlangen des Eigentümers gem. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht seines Auftraggebers entgegenhalten könne133. § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB wäre anwendbar, wenn die Polizei als mittelbarer

131

Vgl. OVG Münster, DVB1. 1983, 1074 (1075); Würtenberger,

DAR 1983, 155

(158). 13

Siehe Schenke, in: Steiner, II, Rn. 115; vgl. auch Bouska, DAR 1983, 147 (150); Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (249). 133 Dörner, DAR 1980, 102 (106).

286

3. Teil: Kostenersatz und Zurückbehaltungsrecht

Besitzer des verwahrten Fahrzeugs (§§ 688, 868 BGB) dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt wäre. Ob ein Zurückbehaltungsrecht als Recht zum Besitz i. S. d. § 986 BGB anzuerkennen ist, ist umstritten134. Auch wenn man dies mit der Rechtspechung bejaht, kann der Unternehmer die Herausgabe nur dann verweigern, wenn die Polizei ein ihr zustehendes Zurückbehaltungsrecht auch ausgeübt hat135. Das bedeutet allerdings nicht, daß in den Fällen, in denen der Polizei entweder kein Zurückbehaltungsrecht zusteht oder sie dieses nicht geltend macht, der Eigentümer eines verwahrten Fahrzeugs vor den Zivilgerichten mit Erfolg sein Eigentum von dem verwahrenden Unternehmer vindizieren könnte. Seinem Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) kann der Unternehmer nämlich über § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auch als Einwendung entgegenhalten, daß die Polizei aufgrund öffentlichen Rechts zum Besitz berechtigt sei136. Die Problematik stellt sich überhaupt nicht, wenn man den Abschleppunternehmer als Besitzdiener (§ 855 BGB) und nicht als unmittelbaren Besitzer 137

qualifiziert . 3. Der Abschleppunternehmer als Erklärungsbote

der Behörde

Angesichts der dargestellten Probleme hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, daß der Abschleppunternehmer bei der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts als Erklärungsbote der Polizei handele138. Zutreffend wird dabei berücksichtigt, daß die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht auf den Abschleppunternehmer übertragen werden kann. Da die Ausübung jedoch eine öffentlichrechtliche Willenserklärung darstellt139, muß diese dem Betroffenen zugehen, um wirksam zu werden. Die Übermittlung der Willenserklärung an den Betroffenen erfolgt über den Abschleppunternehmer, der als

134

Dafür BGHZ 64, 122 (124); NJW-RR 1986, 282 (283); a. Α.: Bassenge, in: Palandt, § 986, Rn. 4; Jauernig, § 986, Anm. 3 b). Ebenso Dörner, DAR 1980, 102 (106), der die Vorschrift aber analog anwenden will. 135 Dörner, DAR 1980, 102 (106). Das OVG Münster, DVBl. 1983, 1074 f. hat auch eine generelle Ausübung des Zurückbehaltungsrechts gebilligt, ebenso Nagel, S. 74. 13(Γ Siehe S. 298. 137 So zutreffend OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280). 138 OLG Nürnberg, VersR 1971, 279 (280); OVG Münster, NJW 1980, 1974; DVBl. 1983, 1074 (1075); Kottmann, DÖV 1983, 493 (502) m. w. Nachw. in Fn. 118; Nagel, S. 103; Rasch, § 24, Rn. 4; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 115; Wagner, § 30, Rn. 38. 139 OVG Münster, DVBl. 1983, 1074; Nagel, S. 64; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 115.

3. Abschn. : Einbeziehung privater Abschleppunternehmer

287

Erklärungsbote der Polizei fungiert. Das ist rechtlich unbedenklich, weil der Abschleppunternehmer als Bote eine fremde Erklärung übermittelt und somit selbst keine hoheitlichen Entscheidungen trifft 140 .

140

Zumindest mißverständlich ist es, wenn von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389 davon spricht, der Abschleppunternehmer sei „Vertreter" der Behörde. Als Stellvertreter würde der Abschleppunternehmer nämlich eine eigene Erklärung abgeben und somit wie ein Beliehener in eigenem Namen hoheitliche Befugnisse ausüben.

Vierter

Teil

Rechtsschutz Erster Abschnitt

Überblick Die Gerichte werden nahezu ausschließlich mit Klagen beschäftigt, die darauf gerichtet sind, die anordnende Behörde auf Rückzahlung der Abschleppund Verwahrungskosten zu verurteilen. Der Grund hierfür liegt darin, daß in der Praxis meist ein Zurückbehaltungsrecht an abgeschleppten Fahrzeugen geltend gemacht wird. Die Betroffenen ziehen es dann vor, die Kosten einstweilen zu bezahlen, um baldmöglichst wieder in den Besitz ihres Fahrzeugs zu kommen. Der Rechtsschutz des Betroffenen beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Kostenrückzahlungsklage1. Ebenfalls rechtsschutztauglich ist eine Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs2. Der von einer Abschleppmaßnahme Betroffene vermag nicht nur wegen derfinanziellen und tatsächlichen Folgen der Maßnahme Rechtsschutz zu erlangen, er kann sich auch gegen das der Abschleppmaßnahme zugrundeliegende Entfernungsgebot oder gegen die Art und Weise der Durchführung zur Wehr setzen (dazu sogleich). Von besonderer Bedeutung ist schließlich die Möglichkeit des Betroffenen, sich bei Verlust oder Beschädigung seines Fahrzeugs durch die Geltendmachung von Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen schadlos zu halten3. Zweiter Abschnitt

Rechtsschutz gegen das Abschleppen A. Das Entfernungsgebot Fordert die Polizei eine Person zur Entfernung deren Fahrzeugs auf, dann weist diese Anordnung alle Merkmale des Verwaltungsaktsbegriffs auf. Frag1 2 3

Siehe S. 291 ff. Siehe S. 296 ff. Siehe S. 301 ff.

. Abschn. Rechtsschutz gegen d s h e e n

289

lieh erscheint, ob sich diese Anordnung erledigt hat, wenn entweder der Adressat ihr nachgekommen ist oder die Polizei sie zwangsweise durchgesetzt hat. Wie sich aus § 43 Abs. 2 VwVfG entnehmen läßt, tritt Erledigung insbesondere dann ein, wenn der Verwaltungsakt durch Aufhebung, Zeitablauf oder auf andere Weise wirkungslos geworden ist. Beifreiwilliger Befolgung oder zwangsweiser Durchsetzung eines Wegfahrgebots tritt zwar die mit der Regelung intendierte Wirkung ein, doch zieht der Vollzug eines Verwaltungsakts nicht zwingend dessen Erledigung nach sich (vgl. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO). Der Verwaltungsakt äußert auch nach seinem Vollzug noch Wirkungen, wenn er die Grundlage für darauf aufbauende Folgeakte oder die Sanktionierung einer Ordnungswidrigkeit4 darstellt. Das setzt voraus, daß mit der Aufhebung eines Verwaltungsakts zugleich auch rückwirkend die Rechtmäßigkeit der Folgeakte bzw. die Bußgeldbewehrung des Verwaltungsakts beseitigt werden kann5. Teilweise wird argumentiert, eine Grundverfügung werde nach ihrer Durchsetzung gegenstandslos, da die Rechtmäßigkeit des Vollstreckungsaktes nur davon abhänge, daß bei Durchführung der Ersatzvornahme eine wirksame Grundverfügung bestanden habe. Danach trete ex nunc Erledigung ein6. Eine Anfechtung der Grundverfügung muß jedoch möglich sein, weil ansonsten oftmals nicht erfolgreich gegen die Vollstreckungsmaßnahme vorgegangen werden könnte. Bleibt dem Kfz-Halter keine Zeit, ein rechtswidriges mündliches Wegfahrgebot anzufechten, dann kann er dessen Rechtswidrigkeit später nicht mehr geltend machen, da es für Vollstreckungsmaßnahmen nur auf die Wirksamkeit, dagegen nicht auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung ankommt. Durch Anfechtung des Grundverwaltungsakts entfällt dessen Wirksamkeit ex tunc, so daß die Vollstrekkungsmaßnahme fehlerhaft ist und gerichtlich ebenfalls angegriffen werden kann. Da die Aufhebung des Grundverwaltungsakts folglich auch nach seiner zwangsweisen Durchsetzung noch sinnvoll erscheint, kann eine Erledigung nicht angenommen werden7, so daß die Anfechtungsklage statthaft ist. Beruht die Abschleppmaßnahme auf einem durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen Wegfahrgebot, tritt auch nach dessen Durchsetzung im Wege der Ersatzvornahme keine Erledigung ein, da die Verkehrsregelung auch für zukünftige Verkehrssituationen Geltung beansprucht und somit eine Aufhebung durch das Verwaltungsgericht durchaus sinnvoll ist.

4

Ζ. B. bei Verstoß gegen eine polizeiliche Weisung aufgrund der §§24 StVG, 49 Abs. 3 Nr. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO. Siehe zu der sich dabei stellenden Problematik, vgl. Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 318 mit Nachweisen in Fn. 4. 6 Bodanowitz, JuS 1996, 911 (912). 7 Vgl. Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 318. 19 Schieferdecker

290

4. Teil: Rechtsschutz

Β. Die Durchführung des Abschleppens Auf den Streit über die Rechtsnatur einer unmittelbare Ausführung wurde bereits anfrüherer Stelle hingewiesen8. Er soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden, allein die prozessualen Konsequenzen der beiden Auffassungen werden darzustellen sein. Bei Zugrundelegung des Verwaltungsaktscharakters der unmittelbaren Ausführung oder Ersatzvornahme wäre grundsätzlich die Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage die statthafte Klageart. Sofern eine Behandlung als Verwaltungsakt nicht wie in § 18 Abs. 2 BVwVG (für den Sofortvollzug) ausdrücklich angeordnet ist, erscheint es überzeugender, auf die Konstruktion einer implizierten Duldungsverfügung zu verzichten und die Vornahme der Gefahrenabwehrhandlung als Realakt anzusehen. Soweit bei einem mündlich ausgesprochenen Wegfahrgebot eine Ersatzvornahme angedroht oder festgesetzt wurde und die Androhung oder Festsetzung Vollstreckungsvoraussetzungen sind, enthalten sie eine rechtliche Regelung und stellen Verwaltungsakte dar9, deren Aufhebung im Wege der Anfechtungsklage10 begehrt werden kann (§§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Die Ersatzvornahme selbst, also die Vornahme der gebotenen Handlung durch die Verwaltung oder ihren Beauftragten, weist keinen Regelungscharakter auf und ist Realakt11. Rechtsschutz findet deshalb deshalb bei einer Ersatzvornahme wie bei einer unmittelbaren Ausführung über die allgemeine Feststellungsklage des § 43 Abs. 1 VwGO statt12, wobei das Klagebegehren auf Feststellung gerichtet ist, daß die Polizei zur Vornahme der konkret erfolgten Handlungen in unmittelbarer Ausführung bzw. im Wege der Ersatzvornahme nicht berechtigt gewesen war. Beim gerichtlichen Vorgehen gegen eine Ersatzvornahme im gestreckten Verfahren ist zu beachten, daß auf diese Weise nur Mängel der Vollstreckung geltend gemacht werden können. So kann vorgebracht werden, die Durchführung der Ersatzvornahme habe gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, es sei eine zur Vollstreckung nicht zuständige Stelle tätig geworden oder es habe an einer Grundverfügung gänzlich gemangelt (keine Bekanntgabe oder Nichtigkeit)13. Fehler der Grundverfügung, also des durch Verkehrszeichen bekanntgegebenen Wegfahrgebots, können dagegen nur durch Anfech-

8 9

Siehe S. 149 ff. Erichsen, § 21, Rn. 18; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 196. Zur Frage der Erledigung siehe S. 288. 11 Erichsen, § 21, Rn. 18; Maurer, § 20, Rn. 24; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 196; Bodanowitz, JuS 1996, 911 (916 f.); vgl. auch Wolff/Bachof, VerwR III, § 160, Rn. 31. 12

Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 517. Zu den Vollstreckungsvoraussetzungen siehe S. 125 ff.

3. Abschn.: Rechtsschutz gegen die Kostenheranziehung

291

tung der Polizeiverfügung oder Verkehrszeichenregelung selbst gerügt werden14. Anders liegt es naturgemäß bei der unmittelbaren Ausführung. Bei dieser müssen sowohl die Voraussetzungen für eine Maßnahme gegenüber dem Verantwortlichen (aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel) als auch die besonderen Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung (§ 8 Abs. 1 bwPolG) gegeben sein. Dritter Abschnitt

Rechtsschutz gegen die Kostenheranziehung A. Klage gegen einen Kostenbescheid I. Anfechtungsklage Für die Klage gegen einen Kostenbescheid ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO, denn ein Kostenbescheid stellt einen Verwaltungsakt dar, der die gesetzliche Kostenerstattungspflicht konkretisiert und deren Vollstreckbarkeit (und teilweise auch deren Fälligkeit) bewirkt15. Oftmals ergeht jedoch kein förmlicher Kostenbescheid, sondern dem Betroffenen wird lediglich bei der Abholung des Fahrzeugs eine Quittung über die bezahlten Kosten ausgehändigt. Ob in einer solchen Quittung ein Leistungsbescheid gesehen werden kann16, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung ab. Ein Verwaltungsakt liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Quittung neben den Angaben zu der erfolgten Zahlung keine weiteren textlichen Zusätze enthält. ^Hingegen erscheint es möglich, in der Quittung zugleich einen Verwaltungsakt zu erblicken, wenn auf ihr die Rechtsgrundlagen für die Kostenheranziehung nebst Rechtsbehelfsbelehrung angegeben sind und die inhaltlichen Aussagen einer bestimmten Behörde zugeordnet werden können. Unter den besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage sei insbesondere auf die Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens vor Klageerhebung (§ 68 Abs. 1 VwGO) und das Fristerfordernis des § 74 VwGO hingewiesen.

14

Erichsen, § 21, Rn. 19; Maurer, § 20, Rn. 24; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 283. Vgl. Bodanowitz, JuS 1996, 911 (916); Gornig/Jahn, S. 226; Prümm/Thieß, S. 75. 16 Bejaht von VGH München, NJW 1984, 2962 (2963); NVwZ 1988, 657; BayVBl. 1990, 433. 15

292

4. Teil: Rechtsschutz

II. Vorläufiger Rechtsschutz Umstritten ist die Frage, ob Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Kostenbescheid gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung haben. Nach der Rechtsprechung des VGH München soll die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfallen, da die Kosten einer Ersatzvornahme und einer unmittelbaren Ausführung als Kosten i. S. d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO anzusehen seien17. Dem widerspricht die h. M. 18 . Sie hebt zutreffend darauf ab, daß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Sicherung des öffentlichen Finanzbedarfs im Auge hat. Die Vorschrift solle verhindern, daß die ordnungsgemäße Haushaltsplanung und die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben durch die aufschiebende Wirkung von zahlreichen Prozessen gegen Abgaben- und Kostenforderungen gestört werde19. Zu Recht wird auch daraufhingewiesen, daß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO als Ausnahmevorschrift von dem Grundsatz, daß belastende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung haben, eng auszulegen ist20. Zu den „Abgaben und Kosten" i. S. d. § 80 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sind deshalb nur diejenigen Geldleistungspflichten zu rechnen, die einen normativ bestimmten Tatbestand erfüllen und zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs dienen. Ansprüche auf Erstattung im Einzelfall verauslagter Beträge (Werklohn des Abschleppunternehmers) zählen hierzu nicht. Da die Kostenbelastung nicht der Durchsetzung einer Polizeiverfügung dient, sondern lediglich den Ausgleich derfinanziellen Folgen einer solchen zum Gegenstand hat, kann der Kostenbescheid auch nicht als eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung angesehen werden, bei der die aufschiebende Wirkung gem. § 12 S. 1 bwVwVG i. V. m. § 187 Abs. 3 VwGO entfiele 21.

17

VGH München, BayVBl. 1995, 694 f.; BayVBl. 1994, 372; BayVBl. 1990, 435. VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 262; NVwZ-RR 1991, 512; NVwZ 1986, 933; OVG Bautzen, SächsVBl. 1996, 70; OVG Berlin, UPR 1995, 360; OVG Münster, NJW 1967, 1980 (1981); VG Frankfurt, NVwZ-RR 1989, 57; Heckmann, Der Sofortvollzug staatlicher Geldforderungen, Berlin 1992, S. 139; Kopp, VwGO, § 80, Rn. 37 b; Mertens, S. 62 f.; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 355; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 80, Rn. 120. 19 Siehe Kopp, VwGO, § 80, Rn. 37a; Mertens, S. 63 und Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 80, Rnrn. 113, 120 jeweils m. w. Nachw. 20 Siehe beispielsweise OVG Bautzen, SächsVBl. 1996, 70; Kopp, VwGO, § 80, Rn. 37 a. 18

21

So aber Fliegauf/Maurer, § 25, Rn. 4; wie hier dagegen VGH Mannheim, VB1.BW 1996, 262; NVwZ-RR 1991, 512; ebenso OVG Bautzen, SächsVBl. 1996, 70; VG Frankfurt, NVwZ-RR 1989, 57; Kopp, VwGO, § 80, Rn. 40; Mertens, S. 65 f.

3. Abschn.: Rechtsschutz gegen die Kostenheranziehung

293

III. Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids Der Leistungsbescheid muß von der zuständigen Behörde erlassen werden und hinreichend bestimmt sein22. Zuständig ist die Behörde, die die kostenverursachende Maßnahme angeordnet oder unmittelbar ausgeführt bzw. die zu erstattenden Aufwendungen erbracht hat23. Der VGH Mannheim hatte darüber zu entscheiden, ob es einem Kostenbescheid, der wahlweise an den Fahrer und an den Halter gerichtet ist und erst bei Zahlung der Abschlepp- und Verwahrungskosten durch Eintragung desjenigen, der das Fahrzeug abholt, konkretisiert wird, an der erforderlichen Bestimmtheit mangelt. Zu Recht hat der VGH diese Praxis bestätigt24. Unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten ist ein Kostenbescheid rechtmäßig, wenn der Kläger zur Kostenerstattung verpflichtet und eine Befugnis zur Geltendmachung der Kosten gerade durch Leistungsbescheid gegeben ist. Eine Befugnis zur Geltendmachung durch Verwaltungsakt wird von der h. M. durchweg angenommen25, teilweise auch für entbehrlich gehalten26. Sie ist zwar nicht ausdrücklich normiert, aber in den Kostenersatzregelungen mitenthalten oder ergibt sich daraus, daß die Gesetze die Möglichkeit der Beitreibung der Kosten eröffnen, womit notwendigerweise auch die Befugnis zum Erlaß eines im Wege der Beitreibung zu vollstreckenden Leistungsbescheids verbunden sein muß (vgl. §§ 5a Abs. 2 S. 2, 30 Abs. 2 S. 2 MEPolG, § 8 Abs. 2 S. 2 bwPolG, § 19 bwGebG). Zur Kostenerstattung verpflichtet ist, wer im Falle einer rechtmäßig ausgeführten Ersatzvornahme oder unmittelbaren Ausführung für die abgewehrte Gefahr oder Störung verantwortlich war und unter mehreren Verantwortlichen ohne Ermessensfehler ausgewählt werden konnte27. Die Kostenerhebung muß zudem nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in der konkreten Höhe rechtmäßig sein.

22

Vgl. zu weiteren Rechtmäßigkeitserfordernissen Möller/Wilhelm, S. 129 ff. Vgl. Mußmann, Rn. 348; Prümm/Thieß, S. 78; Wolf/Stephan, § 8, Rn. 39. VGH Mannheim, VB1.BW 1990, 257 (258); NJW 1990, 2270 (2271); NZV 1990, 286· ebenso Gornig/Jahn, S. 239. 25 OVG Bremen, DAR 1977, 276; OVG Koblenz, DÖV 1986, 37; NVwZ-RR 1989, 299; Bouska, DAR 1983, 147 (150); Ipsen, Rn. 523; Knöll, DVB1. 1980, 1027 (1032); Mußmann, Rn. 348; Peters/Schell, BWVPr 1989, 246 (248); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 355, 358; Steckert, DVB1. 1971, 243 (246); Wolf/Stephan, § 8, Rn. 38. 26 VGH Kassel, DÖV 1991, 699. 23

24

27

Zur Kostenerstattungspflicht siehe sogleich unter B.

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4. Teil: Rechtsschutz

Β. Klage auf Erstattung bereits gezahlter Abschlepp- oder Verwahrungskosten I. Verwaltungsrechtsweg Richtet sich die Klage gegen einen Kostenbescheid, dann ist stets eine öffentlichrechtliche Streitigkeit gegeben, weil sich die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts nach öffentlichem Recht bemißt. Zweifel könnten sich stellen, wenn ein Kostenbescheid nicht ergangen ist und der Betroffene lediglich Kostenerstattung begehrt. Hierbei handelt es sich um einen öffentlichrechtlichen Sachverhalt, da das der Kostenerstattung zugrundeliegende Rechtsverhältnis beim polizeilichen Abschleppen hoheitlicher Natur ist28. Der Kläger macht somit einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch geltend und nicht etwa einen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallenden Schadensersatzanspruch29. Der Verwaltungsrechtsweg ist auch für Ansprüche auf Ersatz der Verwahrungskosten gegeben. Zwar verweist § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlichrechtlicher Verwahrung auf den ordentlichen Rechtsweg. Nach h. M. ist diese Bestimmung jedoch so zu verstehen, daß sie nur Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, nicht aber solche des Staates gegen den Bürger betrifft 30. Ist für das staatliche Kostenersatzverlangen somit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, dann gilt das Gleiche für den actus contrarius, das Rückerstattungsbegehren31. II. Die Klageart Sofern ein Kostenbescheid ergangen ist, kann hiergegen Anfechtungsklage erhoben werden (siehe oben). Mit der Anfechtungsklage gegen den Kostenbescheid kann ein Leistungsantrag, der auf Rückzahlung der Abschlepp- und Verwahrungskosten gerichtet ist, verbunden werden. Über Anfechtungsklage

28

OVG Münster, NJW 1980, 1974; VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15; Knöll, DAR 1980, 95. Das gilt auch, wenn das Abschleppen im Auftrag der Verwaltung von einem privaten Abschleppunternehmer durchgeführt wird, siehe S. 320 ff. 29 Unzutreffend VG Gelsenkirchen, DAR 1980, 94 f. mit ablehnender Anmerkung von Knöll (S. 96). Um einen Anspruch auf Schadensersatz handelt es sich, wenn der Kläger Ersatz für den Nutzungsentzug oder die Kosten der Fahrt zum Verwahrplatz verlangt, vgl. VGH München, BayVBl. 1990, 435. 30 Siehe VGH Mannheim, BWVpr 1978, 150 (151); Maurer, JuS 1981, 809 (810); Menger/Erichsen, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, VerwArch 57 (1966), 64 (75); Kopp, VwGO, § 40, Rn. 67 m. w. Nachw.; Papier, Forderungsverletzung, S. 145. 3 Vgl. Kopp, VwGO, § 40, Rn. 21; Knöll, DAR 1980, 95.

3. Abschn.: Rechtsschutz gegen die Kostenheranziehung

295

und Leistungsantrag kann das Gericht dann im selben Urteil befinden (§113 Abs. 4 VwGO). Sofern ein wirksamer Kostenbescheid nicht ergangen ist, kann der Kläger mit der allgemeinen Leistungsklage Rückzahlung der bereits gezahlten Abschleppund Verwahrungskosten verlangen32. Anderer Ansicht ist offenbar Fehn, der beim Abschleppen im Wege der Ersatzvornahme der Zwangsmittelanwendung Verwaltungsaktscharakter beimißt. Da sich dieser Verwaltungsakt mit der Durchführung des Abschleppens erledigt habe, sei die Fortsetzungsfeststellungsklage die richtige Klageart33. Dem ist zu widersprechen. Die Ersatzvornahme bringt keinerlei rechtliche Regelung zum Ausdruck, sondern vollzieht als Realakt das ihr zugrundeliegende Handlungsgebot34. Verwaltungsakt ist allerdings eine eventuell nach Landesrecht als Vollstreckungsvoraussetzung vorgeschriebene Anordnung oder Festsetzung der Zwangsmittelanwendung35. III. Bestehen eines RückZahlungsanspruchs Es ist heute anerkannt, daß das öffentliche Recht einen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch36 kennt, dessen rechtliche Voraussetzungen denen der zivilrechtlichen ungerechtfertigten Bereicherung weitgehend entsprechen37. Voraussetzung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs ist deshalb unter anderem, daß die öffentliche Hand eine Leistung ohne Rechtsgrund empfangen und diese Leistung auch noch nicht zurückgewährt hat38. Geleistet wurde der für die Abschleppmaßnahme und die Verwahrung zu zahlende Betrag. Die Leistung ist ohne Rechtsgrund erfolgt, wenn der Leistende zur Kostentragung nicht verpflichtet war und ist. Die Kostentragungspflicht des Verantwortlichen und der Rechtsgrund für den Empfang der Zahlung folgt unmittelbar aus der öffentlichrechtlichen Kostenerstattungsnorm (z. B. § 8 Abs. 2 bwPolG)39. Hat 32

Vgl. VG Freiburg, VB1.BW 1987, 472. Fehn, VR 1988, 167(170). 34 OVG Koblenz, NVwZ 1986, 762; Kopp, VwVfG, § 35, Rn. 39; Schenke, VerwaltunpprozeßR, Rn. 196. Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 196, Fn. 7. In Baden-Württemberg existiert keine derartige Vorschrift. Als weitere Anspruchsgrundlage käme auch der Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht, vgl. Janssen, JA 1996, 165 (172); Kierse, DAR 1995, 400 (401 f.); allgemein zur Konkurrenz beider Ansprüche Ossenbühl, § 39, 2 (S. 278 f.). Siehe die bereichsspezifische Regelung des öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs in § 49a bwVwVfG; vgl. im übrigen Ossenbühl, § 54, 2 a (S. 341); OVG Münster^ NJW 1980, 1974; VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16). § 818 Abs. 3 BGB kann nicht angewendet werden, wenn der Staat erstattungspflichtig ist, vgl. nur BVerwGE 71, 85 (89); Ossenbühl, § 55, 4 c dd (S. 354). 39 Siehe dazu bereits S. 275. 33

296

4. Teil: Rechtsschutz

die Polizei einen Kostenbescheid erlassen, dann konkretisiert dieser die bereits gesetzlich begründete Leistungspflicht und ist gleichfalls als Rechtsgrund für den Empfang der Kosten anzusehen, sofern er wirksam ergangen und auch nicht zurückgenommen oder aufgehoben ist40. Grundsätzlich bedürfte es demnach zunächst einer rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung des Kostenbescheids. Die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO erlaubt es jedoch, zugleich über das Aufhebungs- und das Leistungsbegehren zu entscheiden. Folglich ist dem Leistungsantrag stattzugeben, wenn im selben Urteil das Gericht auch die Aufhebung des Kostenbescheids ausspricht. Die Rückzahlungsklage ist folglich begründet, soweit ein fälliger 41 Kostenerstattungsanspruch nicht besteht oder bestand und der ergangene Kostenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das ist insbesondere der Fall, wenn die Durchführung der Abschleppmaßnahme rechtswidrig war42. Vierter Abschnitt

Herausgabe des Fahrzeugs A. Die verschiedenen Herausgabeansprüche I. §695 BGB Gemäß § 695 BGB kann der Hinterleger die verwahrte Sache jederzeit zurückfordern. Ob diese Vorschrift analog auf das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis angewendet werden kann, istfraglich 43.Bei Sicherstellung oder Beschlagnahme von Fahrzeugen kommt eine Analogie nicht in Betracht, da eine sichergestellte oder beschlagnahmte Sache erst durch Aufhebung der Maß-

40

Vgl. Ossenbühl, § 55, 1 a (S. 345) m. w. Nachw. An der Fälligkeit eines behördlichen Kostenersatzanspruchs fehlt es, wenn diese erst durch einen Kostenbescheid bewirkt wird, ein solcher jedoch nicht ergangen ist (siehe S. 275 zu § 15 Abs. 1 bwGebG). Vgl. zur Notwendigkeit einer Festsetzung durch Verwaltungsakt VGH Kassel, VerkMitt 1981, 15 (16), a. A. OVG Münster, DVBl. 1983, 1074. 42 Allgemeine Meinung, vgl. Prümm/Thieß, S. 80; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 355. Regelmäßig nicht anwendbar: Büllesbach, S. 114 m. w. Nachw. in Fn. 68; Hüffer, in: Münchener Kommentar, § 688, Rn. 63; Reuter, in: Staudinger, vor §§ 688 ff, Rn. 54. Für einen Rückgabeanspruch aus dem Verwahrungsverhältnis OLG Hamburg, MDR 1974, 510; Kopp, VwGO, § 40, Rn. 64; Redeker/von Oertzen, § 40, Rn. 44. Oft wird abstrakt eine Rückerstattungspflicht statuiert, wenn sich der öffentlichrechtliche Zweck, zu dem die Sache übernommen worden sei, erledigt habe: RGZ 51, 219 (221); 166, 218 (222); prOVGE 74, 461 (462); vgl. auch Büllesbach, S. 114; Stern, JuS 1965, 355 (358, Fn. 17).

4. Abschn.: Herausgabe des Fahrzeugs

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nähmefreigegeben werden muß. Nach Aufhebung der Sicherstellung oder Beschlagnahme ist § 695 BGB hingegen entsprechend anwendbar, da die Verwahrung nun nicht mehr den öffentlichrechtlichen Bindungen unterworfen ist. Gleiches gilt für die Verwahrung im Wege der unmittelbaren Ausführung oder der Ersatzvornahme abgeschleppter Fahrzeuge. II. Folgenbeseitigungsanspruch Ein Herausgabeverlangen könnte jedoch auch auf den öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch gestützt werden44. Wenn ein solcher gegeben ist, muß er als speziellere Regelung des öffentlichen Rechts angesehen werden und deshalb einer entsprechenden Anwendung des § 695 BGB vorgehen45. Obwohl zu seiner dogmatischen Begründung unterschiedliche Ansichten vertreten werden46, ist der Folgenbeseitigungsanspruch heute allgemein als Rechtsinstitut anerkannt und wird auch von § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO vorausgesetzt. Der Anspruch ist gegeben, wenn durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde und dieser Zustand noch andauert47. Das Abschleppen oder die Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) eines Fahrzeugs durch die Polizei stellen einen hoheitlichen Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Besitzrecht des Betroffenen dar. Ein rechtswidriger Zustand kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn die Maßnahme entweder von Anfang an rechtswidrig war oder wenn sie später rechtswidrig wurde. Letzteres kommt insbesondere bei Sicherstellung und Beschlagnahme von Fahrzeugen in Betracht. Die Beschlagnahme wird rechtswidrig, wenn sie nicht aufgehoben wird, obwohl ihr Zweck erreicht ist (§ 34 Abs. 3 S. 1 bwPolG), oder wenn sie länger als 6 Monate aufrechterhalten wird (§ 34 Abs. 3 S. 2 bwPolG). Gleiches gilt für eine Sicherstellung, die entgegen § 33 Abs. 4 bwPolG nicht aufgehoben wird. Beim Abschleppen von Fahrzeugen im Wege der unmittelbaren Ausführung oder der Ersatzvornahme wird die Maßnahme rechtswidrig, wenn der Betroffene erscheint und das Fahr-

44

Als Ausprägung des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs stellen sich auch polizeirechtliche Herausgabeansprüche (vgl. § 24 Abs. 1 MEPolG) dar, vgl. Martens, in Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 12, 11 b (S. 211); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 110. Vgl. Battis, Rn. 273; Papier, Forderungsverletzung, S. 145 f.; für Anspruchskonkurrenz: Büllesbach, S. 166; Mühl, in: Soergel, 11. Aufl., vor § 688, Rn. 6; Kopp, VwGO, § 40, Rn. 64; Redeker/von Oertzen, § 40, Rn. 44. S. hierzu Maurer, § 29, Rn. 5; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 508; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 32, 1 (S. 624); alle mit weiteren Nachweisen. 47 Vgl. Maurer, § 29, Rn. 7; Ossenbühl, § 37 (S. 258 ff.); Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 507; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 32, 1 (S. 624 f.).

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4. Teil: Rechtsschutz

zeug selbst wegfahren will, die Polizei die Abschleppmaßnahme hingegen nicht abbricht (Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Wenn das Abschleppen und die Inverwahrungnahme jedoch rechtmäßig erfolgten, ist für den Folgenbeseitigungsanspruch kein Anwendungsbereich eröffnet. Denn, da das Verwahrungsverhältnis rechtmäßig zustandegekommen ist, übt die Polizei rechtmäßigen Besitz über das Fahrzeug aus. Ebenso wie bei der nach Aufhebung einer rechtmäßigen Sicherstellung oder Beschlagnahme fortdauernden Verwahrung besteht damit kein rechtswidriger Zustand. In diesen Fällen liegen keine öffentlichrechtlichen Besonderheiten vor, die einer Analogie zu § 695 BGB entgegenstehen könnten. Der Folgenbeseitigungsanspruch ist folglich immer dann einschlägig, wenn die Sicherstellung, Beschlagnahme, unmittelbare Ausführung oder Ersatzvornahme zu Unrecht erfolgten oder rechtswidrig fortgeführt wurden. Der Anspruch des Betroffenen auf Rückgabe seines Fahrzeugs ergibt sich dagegen in entsprechender Anwendung des § 695 BGB, wenn nach Abschluß einer rechtmäßigen Abschleppmaßnahme (bzw. nach polizeilicher Aufhebung einer rechtmäßigen Sicherstellung oder Beschlagnahme) die Sache zulässigerweise in Verwahrung ist. III. §985 BGB Schließlich ist fraglich, ob der Eigentümer des Fahrzeugs auch seinen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB geltend machen kann48. Bei einer gegen die Verwaltung gerichteten Klage ist diese zwar als unmittelbare Besitzerin anzusehen. Dem Anspruch aus § 985 BGB steht jedoch bei Sicherstellung oder Beschlagnahme des Fahrzeugs solange ein Besitzrecht der handelnden Behörde entgegen, bis die Sicherstellung oder Beschlagnahme aufgehoben wird und damit die hoheitliche Besitzbefugnis entfällt (§ 986 Abs. 1 S. 1 BGB). Nicht zu überzeugen vermag es, wenn Büllesbach die Anwendbarkeit des § 985 BGB generell unter Hinweis auf den „actus contrarius-Gedanken", den „Rückfall in das historische Anfangsstadium der Sonderbeziehung" oder das „Prinzip der Einheitlichkeit des Rechtsverhältnisses" ausschließt9. Dogmatisch befriedigender dürfte es sein, dem öffentlichrechtlichen Regelungszusammenhang durch Anerkennung einer Einwendung im Sinne des § 986 Abs. 1 S. 1 BGB Geltung zu verschaffen.

48 Bejahend etwa OVG Hamburg, MDR 1951, 697 (698); Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 2. Aufl., Tübingen 1968, S. 102; von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389; G. Scholz, Polizeirecht, S. 245; verneinend Büllesbach, S. 169. 49 Büllesbach, S. 168 f.

4. Abschn.: Herausgabe des Fahrzeugs

299

Aus einem in rechtmäßiger Weise begründeten öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis folgt zumindest solange ein Recht zum Besitz, wie der Eigentümer die Verwaltung noch nicht zur Herausgabe des verwahrten Fahrzeugs aufgefordert hat50. IV. Keine Herausgabeansprüche gegen einen mit der Verwahrung beauftragten Privaten Gegen den verwahrenden Abschleppunternehmer sind Herausgabeansprüche allenfalls gem. § 695 BGB oder § 985 BGB denkbar. Der erstgenannte Anspruch scheidet aus, weil im öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis nicht der Private, sondern die Verwaltung „Verwahrer" ist. Auch eine Eigentümerherausgabeklage scheiterte an der Passivlegitimation des Unternehmers. Dieser ist nämlich nicht unmittelbarer Besitzer des verwahrten Fahrzeugs, sondern aufgrund seiner Weisungsgebundenheit und seiner Einbettung in den öffentlichrechtlichen Regelungszusammenhang lediglich Besitzdiener (§ 855 BGB)51.

B. Prozessuale Durchsetzung I. Rechtsweg Für den Eigentümerherausgabeanspruch ist gem. § 13 GVG der ordentliche Rechtsweg gegeben. Gleiches gilt gem. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO für vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlichrechtlicher Verwahrung. Hierzu zählen auch Herausgabeansprüche52 analog § 695 BGB. Demgegenüber ist für die Geltendmachung des Folgenbeseitigungsanspruchs der Verwaltungsrechtsweg gegeben53. Wegen § 17 Abs. 2 S. 1 GVG kommt es jedoch nicht zu einer Aufspaltung des Rechtswegs. Sofern der Kläger sich zumindest auch auf den Anspruch beruft, für den der eingeschlagene Rechtsweg zulässig ist, kann das Zivilgericht auch über den Folgenbeseitigungsanspruch und das Verwaltungsgericht auch über den Anspruch aus öffentlichrechtlicher Verwahrung oder § 985 BGB befinden.

50 51 52 53

Vgl. AG Hamm, MDR 1978, 51 (52). So zutreffend OLG Nürnberg, VersR 1971, 279. Vgl. OLG Hamburg, MDR 1974, 510; Kopp, VwGO, § 40, Rn. 64. Vgl. Kopp, VwGO, § 40, Rn. 64; Redeker/von Oertzen, § 40, Rn. 44.

300

4. Teil: Rechtsschutz

II. Klage im Verwaltungsrechtsweg Dauert eine Sicherstellung oder Beschlagnahme fort, die dem Betroffenen gegenüber durch Bekanntgabe Verwaltungsaktsqualität erlangt hat, dann bedarf es einer Anfechtungsklage, mit der gem. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO zugleich der Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht werden kann. Stellt sich die Verwahrung nicht oder nicht mehr als Vollzug einer Sicherstellung oder Beschlagnahme dar, so kann das Herausgabebegehren durch Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten (oder vor den Zivilgerichten) verfolgt werden. Auch bei Geltendmachung eines öffentlichrechtlichen Zurückbehaltungsrechts ist die allgemeine verwaltungsgerichtliche Leistungsklage und nicht die Anfechtungsklage die geeignete Rechtsschutzmöglichkeit, weil die Geltendmachung eines öffentlichrechtlichen Zurückbehaltungsrechts nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch öffentlichrechtliche Willenserklärung erfolgt 54. Gegenüber der zuvor genannten Leistungsklage auf Herausgabe eines verwahrten Fahrzeugs wäre eine vor den Verwaltungsgerichten erhobene Feststellungsklage, die darauf gerichtet ist, die Unzulässigkeit der Zurückbehaltung durch die Verwaltung festzustellen, zwar gem. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO subsidiär. Die Rechtsprechung hält die Feststellungsklage jedoch für statthaft, wenn davon ausgegangen werden könne, daß ein Träger öffentlicher Gewalt seine gerichtlich festgestellten Pflichten auch dann erfüllen werde, wenn er nicht durch vollstreckbares Leistungsurteil dazu verpflichtet worden sei55. III. Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts Sofern ein ausdrücklich normiertes öffentlichrechtliches Zurückbehaltungsrecht gegeben ist56 und im Herausgabeprozeß als Einrede gegen den Herausgabeanspruch geltend gemacht wird, führt dies hinsichtlich des Herausgabebegehrens nur zu einer Verurteilung Zug-um-Zug (vgl. § 274 Abs. 1 BGB).

54 OVG Münster, DVBl. 1983, 1074 f.; Maurer, § 9, Rn. 10; Nagel, S. 64; Kopp, VwVfG, § 35, Rn. 35; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 115. 55 BVerwGE 36, 179 (184); 40, 323 (327 f.); ablehnend Kopp, VwGO, § 43, Rn. 28; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 420. 56 Siehe ausfuhrlich S. 268 ff.

5. Abschn. : Schadensersatz und Entschädigung

3 01

Fünfter Abschnitt

Schadensersatz und Entschädigung A. Einführung und Überblick Von großer Bedeutung ist die Frage nach dem Rechtsschutz des von einer Abschleppmaßnahme Betroffenen schließlich in den Fällen, in denen ein Fahrzeug während des Abschleppens oder während der Verwahrung beschädigt oder entwendet wird. Bei einer rechtswidrigen Abschleppmaßnahme oder Verwahrung kommen Schadensersatzansprüche auch unter weiteren Gesichtspunkten in Betracht, etwa weil der Betroffene durch den Entzug des Fahrzeugs an dessen Benutzung gehindert und zu besonderen Aufwendungen gezwungen war. Wurde ein Schaden durch das Verhalten eines Bediensteten der öffentlichen Verwaltung verursacht, kommen Ansprüche des Geschädigten aus Amtshaftung, aus öffentlichrechtlicher Verwahrung und aus enteignungsgleichem oder enteignendem Eingriff bzw. aus spezialgesetzlichen Entschädigungstatbeständen in Betracht. Besondere Schwierigkeiten stellen sich bei der Beurteilung von Haftungsfragen, wenn sich die Verwaltung zur Durchführung einer Abschleppmaßnahme und der anschließenden Verwahrung eines privaten Abschleppunternehmers bedient und durch dessen Tätigkeit ein Fahrzeug beschädigt wird. Es wird daher im folgenden vor allem zu untersuchen sein, ob in einer solchen Konstellation Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen die den Unternehmer beauftragende Behörde gegeben sind oder ob eine Haftung des Unternehmers nach zivilrechtlichen Vorschriften stattfindet.

B. Staatshaftung wegen Amtspflichtverletzung I. Amtshaftung und Staatshaftung 1. Art. 34 GG, § 839 BGB

Das deutsche Staatshaftungsrecht ist gekennzeichnet durch das Zusammenspiel des § 839 BGB mit der Bestimmung des Art. 34 S. 1 GG. Die Staatshaftung ist demnach keine unmittelbare, sondern lediglich mittelbare Haftung des Staates: § 839 Abs. 1 BGB statuiert eine unmittelbare, persönliche Haftung des tätig gewordenen Beamten, die gem. Art. 34 S. 1 GG auf den Staat übergeleitet wird (privative Schuldübernahme). § 839 BGB betrifft seinem Wortlaut nach allein die Amtshaftung von Beamten im statusrechtlichen Sinn. Diese Beschränkung auf Personen, die durch Aushändigung der Ernennungsurkunde in

302

4. Teil: Rechtsschutz

das Beamtenverhältnis berufen worden sind, wird jedoch durch Art. 34 S. 1 GG derogiert. Denn die Verfassungsnorm ordnet die Überleitung der Haftung auf den Staat nicht nur bei Schadensverursachung durch Beamten an, sondern setzt lediglich voraus, daß Jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht" verletzt hat. Maßgeblich ist somit nicht der rechtliche Status des Handelnden als Beamter, Angestellter, Arbeiter oder beauftragter Unternehmer, sondern der Umstand, ob der Schaden in Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes verursacht wurde. Im einzelnen müssen für den Eintritt der Staatshaftung für Amtspflichtverletzung gem. § 839 BGB, Art. 34 GG sechs Tatbestandselemente gegeben sein: Der Haftungstatbestand ist erfüllt, wenn (1) jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes (2) eine Amtspflicht verletzt, (3) die ihm einem Dritten gegenüber obliegt, und (3) dadurch einen Schaden verursacht, wobei (4) die Amtspflichtverletzung schuldhaft erfolgt sein muß und (6) weder ein Haftungsausschluß noch sonstige Haftungsbeschränkungen eingreifen dürfen. 2. Staatshaftung in den neuen Bundesländern

Das Staatshaftungsgesetz der ehemaligen DDR vom 12. Mai 1969 gilt gemäß dem Einigungsvertrag57 in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie im Ostteil von Berlin als Landesrecht fort. § 1 Abs. 1 StHG-DDR lautet in der Form, die die Vorschrift durch den Einigungsvertrag erhalten hat, wie folgt: „Für Schäden, die einer natürlichen oder juristischen Person hinsichtlich ihres Vermögens oder ihrer Rechte durch Mitarbeiter oder Beauftragte staatlicher oder kommunaler Organe in Ausübung staatlicher Gewalt rechtswidrig zugefügt werden, haftet das jeweilige staatliche oder kommunale Organ"58. Unter den Begriff des Beauftragten fallen zwanglos Private, die von der Verwaltung mit der Durchführung von Verwaltungshandlungen betraut wurden59, insbesondere auch private Abschleppunternehmer. Wie beim Amtshaftungstatbestand der Art. 34 GG, § 839 BGB kommt es zusätzlich darauf an, ob Private in Ausübung staatlicher Gewalt gehandelt haben (dazu sogleich unter II). Liegen auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen60 vor, können beide Ansprüche miteinander konkurrieren61. Anders als der Amtshaftungsan57

Anlage II B, Kapitel III, Sachgebiet B, Abschnitt III (BGBl. 1990 II, 1168). Siehe Ossenbühl, § 65, 4 (S. 394). 59 Vgl. Ossenbühl, § 65, 4 e (S. 398). Im einzelnen weist das DDR-StHG gegenüber dem Amtshaftungstatbestand bedeutende Abweichungen auf, siehe ausführlich Ossenbühl, § 65 (S. 391 ff.). 61 Küchenhoff, in: Erman, § 839, Rn. 11; Ossenbühl, § 65, 9 a (S. 405). 58

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

spruch kann der Anspruch aus dem DDR-StHG aber nicht unmittelbar eingeklagt werden, sondern muß zunächst in einem zweigestuften Vorverfahren geltend gemacht werden (§§ 5, 6 DDR-StHG). II. Amtshaftung für schädigendes Verhalten privater Abschleppunternehmer 1. Formen der Einbeziehung Privater

in die öffentliche

Verwaltung

a) Beleihung Beliehene sind natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, denen durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmte hoheitliche Kompetenzen zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen worden sind62. Die Ausübung eines öffentlichen Amtes ergibt sich bei den Beliehenen zwanglos, weil ihnen durch den Beleihungsakt ausdrücklich öffentliche Aufgaben zur eigenständigen Wahrnehmung (mit hoheitlichen Befugnissen) übertragen werden. Folglich wird eine Staatshaftung für das Handeln Beliehener heute einhellig befürwortet 63. Freilich ist es oftmals nicht leicht zu entscheiden, ob die übertragenen Aufgaben überhaupt öffentlicher und nicht nur privater Natur sind. Daß ein von der Polizei beauftragter Abschleppunternehmer nicht als Beliehener angesehen werden kann, weil er zum einen keine Aufgaben in eigener Kompetenz wahrnimmt und es zum anderen auch an einer gesetzlicher Grundlage für eine Beleihung fehlt, wurde bereits mehrfach dargelegt. b) Hoheitliche Indienstnahme Von der Beleihung unterscheidet sich die Indienstnahme eines Privaten dadurch, daß letztere dem Privaten keine hoheitlichen Befugnisse zur eigenständigen Wahrnehmung verschafft, sondern ihn zur Vornahme bestimmter Handlungen verpflichtet . Ein klassischer Fall der hoheitlichen Indienstnahme stellt die Inanspruchnahme eines Nichtstörers im polizeilichen Notstand dar (§ 9 bwPolG). Die Bedeutung dieser Vorschrift tendiert im Zusammenhang mit dem Abschleppen von Kraftfahrzeugen durch private Abschleppunternehmer gegen 62

Bender, Rn. 679; Jacobs, Rn. 146; Ossenbühl, § 6, 1 b aa (S. 15); Papier, in: Münchener Kommentar, § 839 BGB, Rn. 113; Steinberg/Lubberger, S. 266; Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 104, Rn. 2. 63 Ossenbühl, § 6, 1 b aa (S. 15) m. w. Nachw.; Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 112 f.; Schimikowski, VersR 1984, 315 (316); ebenso (auf der Grundlage des StHG 1982) Bender, Rn. 676; Jacobs, Rn. 146. 64 Wolff/Bachof/Stober, VerwR II, § 104, Rn. 5: „Inpflichtnahme".

304

4. Teil: Rechtsschutz

Null, da die Polizei sich die Dienste des Abschleppunternehmers regelmäßig durch Abschluß eines Werkvertrags sichern kann. Eine zwangsweise Indienstnahme des Unternehmers ist deshalb nur dann denkbar, wenn er zum Abschluß eines solchen Vertrags nicht bereit und die vertragliche Verpflichtung eines anderen Unternehmers nicht möglich ist. Von einer „Indienstnahme zum Zwecke der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben" spricht auch Burmeister, der für eine einheitlich öfFentlichrechtliche Konstruktion der Rechtsbeziehungen bei Ersatzvornahme plädiert65. Eine als Verwaltungsakt auf Zustimmung66 zu qualifizierende Indienstnahme des Abschleppunternehmers scheidet jedenfalls in der Praxis deshalb aus, weil die beauftragenden Behörden einen Vertrag zu schließen beabsichtigen, so daß mangels darauf gerichteten Willens ein Verwaltungsakt überhaupt nicht zur Entstehung gelangt67. c) Die sogenannte „Verwaltungshilfe" Neben den Fällen einer Beleihung oder hoheitlichen Indienstnahme begegnet in der Rechtspraxis eine weitere Form der Einbeziehung Privater in den Verwaltungsablauf. Es handelt sich hierbei um Konstellationen, in denen die öffentliche Hand auf Leistungen von Privatpersonen zurückgreift, um auf diese Weise öffentliche Aufgaben zu erfüllen 68. Erfüllt die Behörde in solchen Fällen Verwaltungsleistungen nicht „eigenhändig", sondern durch Beauftragung einer privaten Hilfsperson, dann kann man von einer mittelbaren Verwaltungsleistung sprechen und den Privaten als Verwaltungsmittler oder Verwaltungshelfer bezeichnen. Im folgenden soll Verwaltungshilfe in einem weiten Sinne verstanden werden: Erfaßt sind sowohl unselbständige als auch selbständige Hilfeleistungen Privater. Im Gegensatz zur Indienstnahme ist die Verwaltungshilfe dadurch gekennzeichnet, daß die privaten Leistungen freiwillig erbracht werden.

65

Burmeister, JuS 1989, 256 (261). Burmeister, JuS 1989, 256 (262); angedeutet bereits bei Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 211 (230). 67 Vgl. Maurer, § 14, Rn. 19. 68 Vgl. Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 211 (213); Jacobs, Rn. 153; Maurer, § 23, Rn. 60; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), 137 (147 f.); Steinberg/Lubberger, S. 267. 66

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung 2. Argumentationslinien

zur Staatshaftung fiir Private

a) Das Kriterium der Rechtsform Bei der Beurteilung der Frage, ob das schädigende Verhalten eines Verwaltungsmittlers eine Haftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB auszulösen vermag, wird meist auf die Rechtsform, in der gehandelt wird, abgestellt. Könne die Zielsetzung, die die Verwaltung verfolge, sowohl mit hoheitlichen wie privatrechtlichen Mitteln verfolgt werden, dann komme es darauf an, wie die öffentliche Hand die Bewältigung der Aufgabe organisiert habe69. Eine Haftung nach Amtshaftungsgrundsätzen soll deshalb dann ausscheiden, wenn die Enttrümmerung von Grundstücken70, die Errichtung öffentlicher Einrichtungen71 oder die Programmierung von Ampelanlagen72 nicht durch die öffentliche Hand selbst erfolge, sondern durch einen mit der Durchführung der Arbeiten betrauten privaten Unternehmer. Dieser übe kein öffentliches Amt aus, da er auf privatrechtlicher Grundlage tätig werde73. Auf die Rechtstellung des privaten Unternehmers hat die Rechtsprechung auch in Fällen abgehoben, in denen dieser nicht Aufgaben der leistenden Verwaltung, sondern wie beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen solche der Eingriffsverwaltung erfüllte 74. Von der Wahl der Rechtsform hängt die Haftung nach der Rechtsprechung auch bei der Benutzung öffentlicher Einrichtungen ab. Beispielsweise handele der Arzt eines Klinikums nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes, wenn die Beziehungen zwischen Patient und Krankenhaus privatrechtlich geregelt seien75. Umgekehrt nahm der BGH Ausübung eines öffentlichen Amtes an, wenn die Beziehungen zwischen einem Arzt und einer öffentlichrechtlichen Körperschaft zwar privatrechtlich geregelt waren, die beanstandete ärztliche Leistung aber im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Verhältnisses erfolgte, etwa bei Durchführung einer Untersuchung als Vertrauensarzt für eine Allge-

69

BGH, LM § 909 BGB Nr. 2; BGH, NJW 1973, 1650 f. Vgl. BGH, VersR 1953, 479; BGH, LM § 909 BGB Nr. 2. 71 Vgl. BGHZ70, 212 (216); NJW 1979, 164; VersR 1973, 417 (418); VersR 1965, 562 - Straßenbauarbeiten - ; BGH, NVwZ 1984, 677 - Kanalarbeiten 72 BGH, NJW 1971, 2220 (2221); vgl. dazu Ossenbühl, JuS 1973, 421 ff. 73 BGH, LM § 909 BGB Nr. 2; BGH, NJW 1971, 2220 (2221). 74 OLG Nürnberg, JZ 1967, 61; OLG Düsseldorf, VersR 1982, 246 (248); OLG Frankfurt, VersR 1983, 46; LG München I, NJW 1978, 48. Der BGH hat die Frage der Amtshaftung bei Ersatzvornahme in letzter Zeit dahinstehen lassen (BGH, NVwZ 1993, 1228 - Niederlegung einer Brandruine - ) und sie nunmehr in BGHZ 121, 161 (165 ff.) verneint. 75 Vgl. BGHZ 9, 145 (147) - Universitätsklinik - ; BGHZ 38, 49 (51) - psychiatrisches Landeskrankenhaus - (anders aber bei zwangsweiser Unterbringung). 70

20 Schieferdecker

4. Teil: Rechtsschutz

306

meine Ortskrankenkasse76, als Vertragsarzt für das Versorgungsamt77 oder die Bundeswehr78 oder als freiberuflich tätiger Notarzt für den in NordrheinWestfalen öffentlichrechtlich ausgestalteten Rettungsdienst79. In all diesen Fällen hat der BGH auf die Qualifikation der Rechtsbeziehungen im Außenverhältnis zwischen Versorgungsamt, Krankenkasse, Bundeswehr oder Rettungsdienst zum Patienten abgestellt und es für irrelevant angesehen, daß der handelnde Arzt im Innenverhältnis jeweils privatrechtlich tätig wurde. Ausübung eines öffentlichen Amtes hat der BGH auch bei einem Zivildienstleistenden angenommen, da es nicht auf dessen Tätigkeit im Rahmen einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle ankomme, sondern auf die Einbettung dieser Tätigkeit in das von einer hoheitlichen Zielsetzung bestimm80

te Zivildienstverhältnis . b) Der Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, soll sich auch danach bestimmen, „ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und ob bejahendenfalls zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, daß die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muß"81. Diese Formel hat der BGH ursprünglich bei Schadensfällen im Straßenverkehr herangezogen82. Sie sollte weiterhelfen, wenn das Kriterium der Rechtsform unergiebig blieb, weil das schädigende Verhalten sich einer klaren Zuordnung zum hoheitlichen oder privatrechtlichen Rechtskreis entzog. In neueren Entscheidungen wendet der BGH den Gesichtspunkt des Zusammenhangs mit hoheitlicher Tätigkeit auch an, wenn es um die Staatshaftung für das Handeln privater Verwaltungsmittler geht83: Abzustellen sei nicht auf die Per-

76

BGH, NJW 1968, 2293 (2294). BGH, NJW 1961, 969; siehe auch allgemein Herimg, Verwaltungsrechtsverhältnis S. 71 ff.; 185 ff. 8 BGHZ 108, 230 (236) = NJW 1990, 760. 79 BGH, NJW 1991, 2954. 80 BGH, NJW 1992, 2882 (2883). 81 BGH, NJW 1992, 2882; NJW 1991, 2954; BGHZ 108, 230 (232); BGH, VersR 1985, 1186 (1187); NJW 1973, 1650; Ossenbühl, § 6, 1 f (S. 38). 82 So etwa BGHZ 29, 38 - Dienstfahrt - ; BGH LM Art. 34 GG Nr. 25 - Kurierfahrt- im Anschluß an RGZ 165, 365 (370 ff.); 166, 1 (6 ff.). 83 So in BGH, NJW 1992, 2882 - Zivildienstleistender - ; NJW 1991, 2954 - Notarzt - ; BGHZ 108, 230 (232) - Vertragsarzt der Bundeswehr -.

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

son des Handelnden, sondern auf dessen Funktion, also „auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient"84. Nach dem Kriterium des Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit des Privaten und der der Behörde entschied der BGH bereits in zwei Fällen, die den Beleihungstatbeständen zuzurechnen sind: So wurde die Amtshaftung für einen Prüfingenieur bejaht, weil dieser durch den Auftrag der Baugenehmigungsbehörde in deren hoheitliche Tätigkeit einbezogen und zur Mitwirkung an deren hoheitlicher Aufgabe berufen sei85. In ähnlicher Weise stellte der BGH fest, daß die Tätigkeit eines TÜV-Sachverständigen der hoheitlichen Tätigkeit der Straßenverkehrsbehörde zuzurechnen sei, da seine Tätigkeit mit der Erteilung der Erlaubnis durch die Straßenverkehrsbehörde auf engste zusammenhänge8 . Auch die (im folgenden noch darzustellende) Abschlepp-Entscheidung BGHZ 121, 161 nannte als mitentscheidendes Abgrenzungskriterium die Enge der „Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe"87. c) Die „Werkzeug- oder Ingerenztheorie" (1) Das Merkmal des „ Werkzeugs " in der Rechtsprechung des BGH

Erstmals ausgesprochen wurde der Werkzeuggedanke in der Entscheidung des BGH vom 18. Mai 1967. Der BGH stellt darin fest, daß die Schaffung und Erhaltung von öffentlichen Straßen zwar eine öffentliche Aufgabe sei, es dem Staat aber grundsätzlich unbenommen bleibe, diese Aufgabe in den Formen des Privatrechts, durch Einschaltung privater Bauunternehmer, zu erledigen88. Jedoch könne „die Behörde trotz Einschaltung der privaten Baufirma durch die Art ihres Vorgehens, insbesondere durch bindende Weisungen und andere starke Einflußnahmen sich in einer Weise der Baufirma bedienen, und sich damit in einer Form betätigen, daß sie das Verhalten der Firma gegen sich wie eigenens gelten lassen muß, weil es dann so angesehen werden kann, als ob sie eine hoheitliche Maßnahme durch ein Werkzeug oder einen Mittler ausführen läßt"89. Je stärker die Einwirkungen auf die Baufirma seien, desto eher sei das Vorgehen der beklagten Stadt als eigener hoheitlicher Eingriff zu werten. Dabei legte der Senat einen strengen Maßstab an: Die Beklagte müsse sich das

84

BGH, NJW 1992,2882. BGHZ 39, 358 (361, 362) = NJW 1963, 1821; vgl. BGH, NJW 1971,2220(2221). 86 BGHZ49, 108 (113) = NJW 1968, 443; ebenso BGH, NJW 1973, 458. 87 BGHZ 121, 161 (165). 88 BGH, VersR 1967, 859 (861); ebenso BGHZ 48, 98 (103) = NJW 1967, 1857; BGH, VersR 1964, 1070 (1072); NJW 1971, 2220 (2221); NJW 1973, 1650 f. 89 BGH, VersR 1967, 859 (861); ebenso BGH, VersR 1973, 417 (418). 85

308

4. Teil: Rechtsschutz

Verhalten des Privaten zurechnen lassen, wenn sie der Baufirma die Weisung 90

erteilt hätte, „ihren Bagger in einer bestimmten Art einzusetzen" . Die Ausführungen hat der BGH wenig später auf eine auch in der Literatur oft zitierte Formel gebracht: Die Tätigkeit eines privaten Unternehmers trage hoheitlichen Charakter, wenn die ihn beauftragende staatliche Stelle „in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluß nahm, daß sie [...] die Arbeiten der Baufirma wie eigene gegen sich gelten lassen und es so angesehen werden muß, wie wenn die Firma lediglich als Werkzeug der öffentlichen Behörde bei der Durchführung der hoheitlichen Aufgabe tätig geworden wäre"91. Der Werkzeuggedanke tritt noch in einer Reihe weiterer BGHEntscheidungen zutage92. Allerdings wurde nur in zwei Entscheidung die Haftung des Staates tatsächlich auf die Werkzeugeigenschaft eines privaten Unternehmers gestützt93, in allen anderen Fällen bestand keine dem Werkzeugbegriff genügende Weisung94 oder fehlten entsprechende Feststellungen der Untergerichte95. Eine Haftung des Staates kam deshalb beim Einsatz privater Unternehmer regelmäßig nur in Betracht, wenn die Behörde im Zusammenhang mit der Planung, Organisation oder Überwachung der privaten Tätigkeit selbst amtspflichtwidrig handelte96. Ansonsten kam eine Amtshaftung in der Vergangenheit allein für sogenannte unselbständige Verwaltungshelfer in Betracht. Als solche wurden die Schülerlotsen und die mit Unterrichts- oder Pausenaufsicht betrauten oder zur Hilfestellung im Sportunterricht eingesetzten Schüler angesehen97. Bei diesen Fallgestaltungen tritt ebenso wie beim Handeln eines als „Werkzeug" zu qualifizierenden Unternehmers die Einbindung des Privaten

90

BGH, VersR 1967, 859 (861). BGHZ 48, 98 (103); ebenso BGH, NJW 1971, 2220 (2221); BGHZ 125, 19 (25) = NJW 1994, 1468. 92 BGH, NJW 1971, 2220 (2221) - Schaltung einer Ampelanlage - ; NJW 1973, 1650 (1651) - Einrichtung einer Versuchsstrecke auf Autobahn -;VersR 1973, 417 (418) und NJW 1980, 1679 - Straßenbauarbeiten - ; BGHZ 125, 19 (25) - Planung eines Pumpwerks 93 BGH, VersR 1973, 417 (418 f.): Zwar fehlten ausdrückliche Feststellungen, doch sei „für die weitere revisionsrechtliche Prüfung" vom Bestehen einer Weisung auszugehen; BGH, NJW 1980, 1679: Weisung, die für die Anlage der Straße erstellten Höhenpläne einzuhalten. 94 Vgl. BGH, NJW 1973, 1650 (1651). 95 Vgl. BGHZ 48, 98 (103); 125, 19 (25); BGH, VersR 1967, 859 (861); NJW 1971, 2220 (2221). 96 Vgl. BGH, NJW 1964, 198 (199) - fehlerhafte Anordnung zur Sperrung einer Straße bei Bauarbeiten; BGH, VersR 1964, 1070 (1074, 1072) - Brückenbau nach Planung und unter Oberaufsicht des bekl. Landes. 9 Vgl. Ossenbühl, § 6, 1 b bb (S. 18 f.) m. w. Nachw. 91

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

in den behördlichen Pflichtenkreis als maßgebliches Zurechnungskriterium zutage. (2) Reaktionen im Schrifttum

und in der untergerichtlichen

Rechtsprech

Die Unterscheidung zwischen weisungsgebundenen, unselbständigen Verwaltungshelfern, für die der Staat wie für eigenes Verhalten hafte, und selbständigen Verwaltungshelfern, deren Handeln rein privatrechtlich zu beurteilen sei, hat vor allem im älteren Schrifttum Gefolgschaft gefunden98, während sie im neueren Schrifttum weitgehend abgelehnt wird99. Kontrovers wurde vor allem die Anwendung der Werkzeugtheorie auf private Unternehmer, die wie beim Abschleppen im Rahmen der Ersatzvornahme oder unmittelbaren Ausführung tätig sind, beurteilt. Da diese im Regelfall nicht als Werkzeug angesehen werden können100, lehnen die Befürworter der Werkzeugtheorie durchweg eine Haftung des Staates für private Abschleppunternehmer ab101. Demgegenüber verweisen die Vertreter der Gegenauffassung meist darauf, daß die Einschaltung des Privaten der Abschleppmaßnahme ihren Charakter als hoheitliche Maßnahme der staatlichen Eingriffsverwaltung nicht nehmen könne102. OS

Bender, Rn. 682 f.; Dagtoglou, in: BK, Art. 34, Rn. 97 f.; Glaser, in: Soergel, § 839, Rn. 80; Hamann/Lenz, Art. 34 GG, Anm. Β 1; Kreft, in: RGRK, § 839, Rn. 104; Schäfer, in: Staudinger, § 839, Rn. 96; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 32, 2 (S. 631); Wolff/Bachof VerwR I, § 64, II c 3 (S. 566) und VerwR III, § 160, Rn. 16; wohl auch Vahle, Die Polizei 1981, 101 (105). 99 Ehlers, S. 505; Jacobs, Rn. 154; Küchenhoff, in: Erman, § 839, Rn. 15; Kühlhorn, S. 116; Maurer, § 25, Rn. 13; Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 21 ff.); derselbe, JuS 1973, 421 ff.; Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 117 f.; Papier/Dengler, Jura 1995, 38 (41 f.); Schäfer/Bonk, § 12, Rn. 15; Seibert, JuS 1985, 625 (631 f.); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 295; Schimikowski, VersR 1984, 315 (317); Steinberg/Lubberger, S. 269 f.; Stober, JuS 1982, 740 (742); Thomas, in: Palandt, § 839, Rn. 25; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 491; explizit nur für den Bereich der Eingriffsverwaltung ablehnend Würtenberger, DAR 1983, 155 (160 f.); vgl. auch Weißen, JA 1980, 477 (479). 100 Anders aber Rachor, in: Lisken/Denninger, L, Rn. 23: daß der Unternehmer als Werkzeug anzusehen sei, folge aus § 5a MEPolG, der es der Polizei erlaube, eine Maßnahme durch einen Beauftragten unmittelbar auszuführen. 101 Vgl. Dagtoglou, in: BK, Art. 34, Rn. 97 f.; Glaser, in: Soergel, § 839, Rn. 80; Hamann/Lenz, Art. 34 GG, Anm. Β 1; Schäfer, in: Staudinger, § 839, Rn. 96; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 32, 2 (S. 631); Wolff/Bachof VerwR I, § 64, II c 3 (S. 566). 102 Vgl. Ehlers, S. 505; Hust, Die Polizei 1968, 44 (46); Jacobs, Rn. 154; von Mallinckrodt, Die Polizei 1983, 389 (390); Maurer, § 25, Rn. 13; Medicus, JZ 1967, 63 (64); Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 21); Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 117 f.; Papier/Dengler, Jura 1995, 38 (41 f.); Schäfer/Bonk, § 12, Rn. 15; Seibert, JuS 1985, 625 (631 f.); Schenke, in: Steiner, II, Rn. 295; Schimikowski, VersR 1984, 315 (317);

310

4. Teil: Rechtsschutz

Die untergerichtliche Rechtsprechung hat sich - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich zur Werkzeugtheorie bekannt, verneinte aber in der Vergangenheit eine Haftung des Staates für private Abschleppunternehmer103. Dabei stellten die Gerichte darauf ab, daß der beauftragte Unternehmer im Rahmen eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses tätig wurde. Daraus könne der Schluß gezogen werden, er handele in Erfüllung privater Angelegenheiten und übe kein öffentliches Amt aus104. (3) Die Entscheidung BGHZ 121, 161 Nachdem der BGH die Frage der Staatshaftung für von der Polizei beauftragte Abschleppunternehmer im Jahr 1978 noch offen gelassen hatte105, nahm er in seiner Entscheidung vom 21. Januar 1993 hierzu Stellung. Dabei ging es um folgenden Sachverhalt: Ein Fahrzeug war von der Fahrbahn abgekommen und beschädigt im Straßengraben liegen geblieben. Die Polizei nahm den Unfall auf und beauftragte einen Abschleppunternehmer mit der Bergung des Fahrzeugs. Der Fahrer des Abschleppfahrzeugs versuchte, das Unfallfahrzeug mit einem Stahlseil aus dem Straßengraben zu ziehen. Die Klägerin fuhr mit ihrem Kfz in das gespannte Stahlseil, das ihr Fahrzeug beschädigte und sie selbst erheblich verletzte. Der BGH sah sich nicht genötigt, sich mit der gegen die Werkzeugtheorie vorgebrachten Kritik abschließend auseinanderzusetzen, sondern verwies auf die Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen bei der Heranziehung privater Unternehmer: „Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinn anzusehen"106. Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung könne sich die öffentliche Hand der Amtshaftung nicht dadurch entziehen, daß sie die Durchführung einer von ihr angeordneten Maßnahme auf einen privatrechtlich tätigen Unternehmer übertrage. Ebenso wie die Steinberg/Lubberger, S. 270; Stober, JuS 1982, 740 (742); Thomas, in: Palandt, § 839, Rn. 25; Wagner, § 30, Rn. 43; Würtenberger, DAR 1983, 155 (160 f.); Würtenberger/Heckmanrt/Riggert, Rn. 491. 103 OLG Nürnberg, VersR 1966, 1016; OLG Frankfurt, VersR 1983, 46 (47); LG München I, NJW 1978, 48; LG Düsseldorf, VersR 1980, 980; a. Α.: LG Frankfurt, VersR 1983, 46 (47); LG Lüneburg, vom 22.1.1993 - 2 Ο 247/92. 104 OLG Nürnberg, VersR 1966, 1016; OLG Frankfurt, VersR 1983, 46 (47); LG München I, NJW 1978, 48; LG Düsseldorf, VersR 1980, 980. 105 BGH, NJW 1978, 2502 (2503). 106 BGHZ 121, 161 (165 f.).

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

Kritiker der Werkzeugtheorie stellt der BGH auf die rechtliche Qualifikation des Verhältnisses zwischen Bürger und Staat ab107. Die in diesem Verhältnis durchgeführte Vollstreckungshandlung habe hoheitlichen Charakter ungeachtet dessen, ob die Polizei selbst tätig werde oder sich auf privatrechtlicher Grundlage der Dienste eines Abschleppunternehmers als Erfüllungsgehilfe des Trägers öffentlicher Gewalt bediene18. (4) Fortbestand der Werkzeugtheorie? Die Entscheidung BGHZ 121, 161 fand im Schrifttum wegen dér Bejahung der Amtshaftung im Ergebnis einhellige Zustimmung109, wurde jedoch im Detail durchaus unterschiedlich aufgenommen. So spricht Würtenberger von einer „deutlichen Kehrtwendung", hält aber die vom BGH genannten Kriterien der Sachnähe und des Grades der unternehmerischen Einbindung für gänzlich verzichtbar110. Demgegenüber meint Schmidt, die Entscheidungsbegründung sei „in die bisherige Rechtsprechung eingepaßt", sie vermeide zwar die „für den Bereich der Eingriffsverwaltung weniger geeignete Werkzeugkonstruktion", liefere aber auch insoweit Hinweise für die künftige Diskussion111. In der neueren Lehrbuchliteratur wird zum Teil ausdrücklich an der Bezeichnung Werkzeugtheorie festgehalten und der Unternehmer als Werkzeug bezeichnet112. Daß der BGH die Werkzeugtheorie nicht im Stillen verabschiedet hat, zeigt eine neuere Entscheidung113 vom 27. Januar 1994, die allerdings wieder einen Fall der leistenden Verwaltung zum Gegenstand hatte. Doch auch im Bereich der Eingriffsverwaltung erscheint nach den vom BGH herangezogenen Kriterien eine Zurücknahme der Amtshaftung auf Mängel bei der Auswahl und Beaufsichtigung möglich, wenn der Unternehmer nicht in dem Maße wie in dem vom BGH entschiedenen Fall in das Handeln der Behörde eingebunden ist, beispielsweise nicht vor Ort von Polizeibeamten angeleitet wird, sondern selbständiger handelt. Denn der BGH hat ausdrücklich darauf abgestellt, daß dem Unternehmer nur ein sehr begrenzter Entscheidungsspielraum zustand und seine Stellung „derjenigen eines Verwaltungshelfers angenähert" gewesen sei114.

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BGHZ 121, 161 (167). BGHZ 121, 161 (166 f.). 109 Vgl. Götzen, VR 1994, 170 ff.; Kreissl, NVwZ 1994, 349 ff.; Schmidt, LM Art. 34 GG Nr. 179 Blatt 5; Würtenberger, JZ 1993, 1003 ff. 110 Würtenberger, JZ 1993, 1003 (1004); ähnlich Götzen, VR 1994, 170 (172); vgl. auch Schenke, in: Steiner, II, Rn. 295, Fn. 712. 111 Schmidt, LM Art. 34 GG Nr. 179 Blatt 5. 112 Vgl. Götz, Rn. 426; Möller/Wilhelm, S. 224. 113 BGHZ 125, 19 (25) = NJW 1994, 1468; dazu Ossenbühl, JZ 1994, 786. 114 BGHZ 121, 161 (167). 108

312

4. Teil: Rechtsschutz

Kreissl meint deshalb, der BGH habe die Werkzeugtheorie keinesfalls aufgegeben, sondern er sei zu dem Ergebnis unter Verwendung der bisher in ständiger Rechtsprechung entwickelten Kriterien gelangt115. Diese Kriterien stimmten mit jenen überein, die für die Haftung aus § 831 BGB entwickelt worden seien116. Der BGH sei folglich - „wenn auch offenbar mehr intuitiv" - von einer Haftung des Staates wegen fehlerhafter Auswahl (entsprechend § 831 BGB) ausgegangen117. Welche Bedeutung die Werkzeugtheorie im Bereich der Eingriffsverwaltung noch hat, ist scheinbar offen. Das macht es erforderlich, die Grundlinien der Haftungsproblematik herauszuarbeiten, um auf diese Weise zu einer fundierten Analsye der Rechtsprechung des BGH zur Haftung für private „Erfüllungsgehilfen" zu kommen. 3. Dogmatische Wege zur Begründung einer Staatshaftung für von privaten Unternehmern verursachte Schäden Zur Einbeziehung privater Gehilfentätigkeiten in das geltende System der Staatshaftung bieten sich verschiedene konstruktive Möglichkeiten an: a) Zurechnung des Fehlverhaltens durch die Werkzeugtheorie Den ersten dogmatisch gangbaren Weg hat der BGH mit der Werkzeugtheorie beschritten. Die Werkzeugtheorie führt in engen Grenzen zu einer Staatshaftung für private Hilfstätigkeiten, weil sie den Privaten als Teil der Verwaltung versteht und sein Fehlverhaltens der staatlichen Stelle zurechnet, die sein Tätigwerden veranlaßt hat118. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, daß der Staat nur dann als verantwortlich angesehen werden kann, wenn er in der Lage ist, das schädigende Verhalten Privater in hinreichendem Maße zu beeinflussen119. Folglich führt die Werkzeugtheorie zur Bejahung der Amtshaftung der Behörde, wenn sich die Sachlage so darstellt, „als hätte sie eine hoheitliche Maßnahme durch ein Werkzeug oder einen Mittler vorgenommen"120. Teilweise hat der BGH auch davon gesprochen, daß die Behörde sich das Handeln des

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Kreissl, NVwZ 1994, 349 (350). Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351); vgl bereits Kühlhorn, S. 115. 117 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351); hierzu kritisch die Ausführungen weiter unten. 118 Vgl. Bender, Rn. 682; Seibert, JuS 1985, 625 (631); Reichert/Ruder, Rn. 705; unzutreffend sieht Kühlhorn, S. 120, Fn. 362 die Werkzeugtheorie nicht als Zurechnungslehre an. 119 Vgl. Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 20); siehe auch BGHZ 125, 19 (24). 120 BGH, NJW 1980, 1679. 116

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

Unternehmers zurechnen121 bzw. es wie eigenes Verhalten gegen sich gelten122 lassen müsse. Die faktische Inkorporation des Privaten führt folglich dazu, daß haftungsrechtlich gesehen die Tätigkeit des Privaten als Tätigkeit der Behörde verstanden wird 123. Die Verwaltung haftet also nach der Werkzeugtheorie für das Fehlverhalten ihres Gehilfen. Kreissl hat die These formuliert, die Werkzeugtheorie des BGH bedeute nichts anderes als eine Umschreibung des Haftungstatbestandes des § 831 BGB. In der Tat lassen sich Parallelen entdecken; beispielsweise erinnert die Definition des Werkzeugs an den Begriff des Verrichtungsgehilfen. Die Entscheidung BGHZ 121, 161 begreift Kreissl als Harmonisierung der Werkzeugtheorie mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 831 BGB. Aus diesem Blickwinkel begrüßt er es im Gegensatz zu anderen Kommentatoren124 dieser Entscheidung, daß der BGH weiterhin auf das Kriterium der Eingebundenheit des Unternehmers abhebt. Nicht ohne Plausibilität weist Kreissl daraufhin, daß damit Übereinstimmung mit §831 BGB erreicht sei125, dessen Begriff des Verrichtungsgehilfen auch selbständige Unternehmer erfaßt, wenn diese weisungsgebunden sind. Bei kritischer Betrachtung erweist sich jedoch die dogmatische Rückführung der BGH-Rechtsprechung auf § 831 BGB als problematisch. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift im Sinne einer rein privatrechtlichen Haftung der Verwaltung bei Beauftragung von Privaten hat Kreissl offenbar nicht im Sinn. Sie begegnet nicht nur erheblichen Bedenken (dazu unten 4.), sondern wurde auch in der von Kreissl besprochenen Entscheidung verworfen. Der Rechtsgedanke des § 831 BGB kann auch nicht im Wege der Analogie im Staatshaftungsrecht fruchtbar gemacht werden. Dagegen spricht einmal, daß Anknüpfungspunkt und haftungsbegründende Norm des geltenden Amtshaftungssystems § 839 BGB ist und § 831 BGB als eigenständige Anspruchsgrundlage auch nicht im Rahmen des § 839 BGB zur Anwendung kommen kann. Wie Kreissl selbst einräumt126, hat der BGH § 831 BGB in diesem Zusammenhang nie erwähnt - aus gutem Grund. Vor allem aber entspricht die in § 831 Abs. 1 S. 2 BGB normierte Exkulpationsmöglichkeit nicht der das Staatshaftungsrecht beherrschenden Interessenslage: Das Recht der staatlichen Ersatzleistungen wird allgemein als „ultima ratio des Rechtsstaats" oder als „notwendige Konsequenz" eines material verstandenen Rechts-

121

So BGH, VersR 1967, 859 (861); NJW 1971, 2220 (2221); NJW 1973, 1650 (1651); ebenso Glaser, in: Soergel, § 839 BGB, Rn. 77. 122 So BGH, NJW 1971, 2220 (2221); VersR 1973, 417 (418); BGHZ 125, 19 (25). 123 Vgl. auch Weißen,, JA 1980, 477 (478): in diesen Fällen sei die tatsächliche Durchführung beim Hoheitsträger verblieben. 124 Z. B. Würtenberger, JZ 1993, 1003 (1004). 125 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351). 126 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351).

314

4. Teil: Rechtsschutz

staatsprinzips angesehen127. Mit dieser Auffang- und Wiederherstellungsfunktion wäre es nicht vereinbar, wenn sich der Staat bei hoheitlichem Handeln gem. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB entlasten könnte. Wenn Kreissl die Möglichkeit einer Exkulpation durch Auferlegung sehr strenger Überwachungspflichten zu vermeiden versucht128, erkennt er im Grunde selbst an, daß das von § 831 BGB verkörperte Haftungsmodell der öffentlichrechtlichen Interessenslage nicht entspricht129. b) Der Unternehmer als Träger eines öffentlichen Amtes Die zweite Möglichkeit einer staatshaftungsrechtlichen Einbeziehung privater Unternehmer wäre, den Verwaltungshelfer nicht gewissermaßen in der Behörde aufgehen zu lassen, sondern ihn selbst als mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben betrauten Amtswalter anzuerkennen. Auf diese Weise erschiene also nicht die ihn beauftragende Behörde, sondern der private Unternehmer als Träger eines öffentlichen Amtes und primäres Haftungssubjekt. Das neuere Schrifttum geht fast einhellig von der Qualifikation des Unternehmers als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn aus. Eine positive Begründungfindet sich selten; meist gelangt man zu diesem Ergebnis durch Ablehnung der dem Werkzeuggedanken verhafteten älteren Lehre und Rechtsprechung. Der BGH hat sich nun eine im Schrifttum entwickelte Argumentation zu eigen gemacht und den Unternehmer als „Erfüllungsgehilfen" der Behörde bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben bezeichnet130. Diese Terminologie verweist zwar auf die Zurechnungsnorm des § 278 BGB. Es bleibt aber unausgesprochen, welche inhaltliche Aussage mit dem Begriff des Erfüllungsgehilfen transportiert werden soll. Nur wenige Stellungnahmen im Schrifttum erörtern ausdrücklich eine analoge Anwendung des § 278 BGB131 127

Vgl. von Mangoldt/Klein, Art. 34 GG, Anm. II 3; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage, München 1984, S. 855 f. Der Ersatz des Integritätsinteresses ist darüberhinaus als zwingende Folge der grundrechtlichen Abwehrpositionen anzusehen, vgl. W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 71 f.; 85 ff. 128 Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351). 129

Selbst im Zivilrecht wird die Exkulpationsmöglichkeit vielfach für nicht interessensgerecht gehalten, was sich in der Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 278 BGB und in der Anerkennung weitreichender Verkehrs- und Überwachungspflichten widerspiegelt, vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 783, 800, 656 f. 130 Siehe BGHZ 121, 161 (166); Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 21); Osterloh, JuS 1994, 174 (175); Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 118; Papier/Dengler, Jura 1995, 38 (42); Würtenberger, JZ 1993, 1003 (1004); vgl auch Götzen, VR 1994, 170 (172): „Erfüllungshelfer". Papier, Forderungsverletzung, S. 159: als Zurechnungsnorm sei Art. 34 GG durch § 278 BGB analog zu ergänzen.

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

im Rahmen der Art. 34 GG, § 839 BGB oder sprechen - etwas vorsichtiger von der Heranziehung des dieser Regelung zugrundeliegenden Rechtsgedankens132. Auf diese Begründungsversuche wird an späterer Stelle zurückzukommen sein. Zunächst soll ein Blick darauf geworfen werden, ob die erwähnte Anknüpfung an § 278 BGB nicht möglicherweise außerhalb des Instituts der Amtshaftung eine Staatshaftung auszulösen vermag. c) Staatshaftung im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses? Eine analoge Anwendung des § 278 BGB wäre zu erwägen, wenn der Abschleppunternehmer für die Behörde im Rahmen eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses tätig werden würde133. Die Zurechnung des Unternehmerverschuldens führte in diesem Fall zu einer Haftung der Behörde wegen positiver Forderungsverletzung oder Unmöglichkeit134. Eine solche Haftung ist beim Bestehen eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses anerkannt135. Fraglich ist jedoch, ob bereits vor dem Entstehen eines Verwahrungsverhältnisses eine Beziehung besteht, innerhalb derer dem Bürger relative Rechte zustehen, denen Obhuts- und Schutzpflichten des Staates korrespondieren. Einen Anknüpfungspunkt für die Gewinnung subjektiver relativer Rechte des Bürgers gegen den Staat könnten die Grundrechte bilden. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob die grundrechtlichen Abwehrpositionen den, relativen136 Rechten des Zivilrechts vergleichbar sind. Überzeugender erscheint es, die durch die Grundrechte geschützten Rechtspositionen als absolute Rechte des öffentlichen Rechts anzusehen137 und die bei einer Beeinträchtigung der Grundrechte gege-

132

Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 118; derselbe, in: Isensee/Kirchhof, § 157, Rn. 21; Kühlhorn, S. 116; Seibert, JuS 1985, 625 (631). 133 Hier ist die analoge Anwendbarkeit des § 278 BGB anerkannt, vgl. BGHZ 54, 299 (303); Maurer, § 28, Rn. 6; Ossenbühl, § 43, 2 b (S. 297); Papier, Forderungsverletzung, S. 158. 134 Als mögliche Haftungstatbestände werden auch Art. 34 GG {Papier, Forderungsverletzung, S. 111 ff.) und Art. 34 GG, § 839 BGB (Häberle, Verwaltungsrechtsverhältnis, 1 3 5 S. 248 [261]) genannt. Zur Haftung aus dem Verwahrungsverhältnis siehe S. 332 ff. 136 Dafür ζ. B. Weyreuther, Empfiehlt es sich, die Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Handelns gesetzlich zu regeln (Folgenbeseitigung, Folgenentschädigung)?, Gutachten für den 47. Deutschen Juristentag 1968, Teil B, S. 75. 137 Papier, Forderungsverletzung, S. 23 ff., 26 ff.; Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4, Rn. 299; derselbe, VerwPrR, Rn. 385; vgl. auch Hertwig, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 76 f.; W. Roth, Faktische Eingriffe, S. 71.

316

4. Teil: Rechtsschutz

benen Abwehrrechte138 den negatorischen Ansprüchen des Zivilrechts gleichzustellen. Dem entspricht es, wenn die Grundrechte traditionell als Abwehrrechte und gerade nicht als Ansprüche auf staatliche Obhut in den von den Grundrechten umfaßten Lebensbereichen angesehen werden. Anerkannt sind verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse vor allem in den Fällen, in denen ein vermögensrechtliches Leistungsrecht des Bürgers gegen den Staat besteht139. Aber damit ist noch nichts dazu gesagt, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger Leistungsrechte gegen den Staat erwachsen und folglich eine über das allgemeine Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger hinausgehende Sonderverbindung entsteht. Der BGH knüpft an das Bestehen besonders enger Beziehungen zwischen Verwaltung und Bürger an140. Im Schrifttum wird von einer individualisierenden besonderen Verdichtung dieser Beziehung gesprochen141. Eine solche „individualisierende Nähebeziehung" kann durch Gesetz, Verwaltungsakt, Vertrag und grundsätzlich auch durch reales Verwaltungshandeln zur Entstehung gelangen12. In inhaltlicher Hinsicht müssen die Rechte und Pflichten denen eines zivilrechtlichen Sonderschuldverhältnisses vergleichbar sein, um eine Übertragbarkeit des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts begründen zu können143. Es müssen also die zwischen Staat und Bürger gegebenen Rechtsbeziehungen von ihrer Art her auch zwischen Privaten bestehen können, was etwa beim öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis der Fall ist. Eine individualisierende Nähebeziehung liegt zwar bei polizeirechtlichen oder vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen vor. Unmittelbare Ausführung und Ersatzvornahme begründen daher ein Rechtsverhältnis zwischen Polizei und Betroffenem. Eine Heranziehung des schuldrechtlichen Haftungsregimes kommt nach Auffassung des BGH bei personenbezogenen Rechtsverhältnissen nur dann in Betracht, wenn eine als Hauptpflicht bestehende Fürsorgepflicht verletzt wurde144. Entsprechendes muß auch im Rahmen von Polizei- und Vollstreckungsrechtsverhältnissen gelten, da diese subordinationsrechtlichen Charakter haben und privatrechtlichen Schuldverhältnissen nicht vergleichbar sind. Demgegenüber tritt der Subordinationscharakter in den Hintergrund, 138

Vgl. Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4, Rn. 299; W. Roth, Faktische Eingriffe, S.

71.

139

Vgl. Hertwig, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 65 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BGH. 140 Vgl. BGHZ 21, 214 (218); 54, 299 (303); 59, 303 (305); 61, 7 (11). 141 Häberle, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 248 (254, 261); ähnlich Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301 (320 f.); Bender, Rn. 810; kritisch Büllesbach, S. 63. 142 Häberle, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 248 (258, 262); Bauer, Die Verwaltung 25 Π992), 301 (320 f.); gegen Realakt Hertwig, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 37. 1 3 Maurer, § 28, Rn. 2; vgl. auch Bender, Rn. 810. 144 BGHZ 21, 214 (220).

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

wenn dem Rechtsverhältnis eine staatliche Fürsorgepflicht zugrundeliegt, die der Rechtsbeziehung ein schuldrechtsähnliches Gepräge gibt. Hierfür ist es nicht ausreichend, daß die Verwaltung bei der Durchführung von Vollstrekkungsmaßnahmen gewisse zum Schutz des Pflichtigen getroffene Bestimmungen (insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) zu beachten hat145. Außerhalb der öffentlichrechtlichen Verwahrung kommt somit eine analoge Anwendung des § 278 BGB zur Begründung einer Staatshaftung für das Fehlverhalten von Abschleppunternehmern nicht in Betracht. Im folgenden soll daher der Blick wieder auf die Amtshaftungsproblematik gelenkt werden. 4. Kritik der traditionellen Ansicht von der privatrechtlichen Durchführbarkeit öffentlichrechtlicher Maßnahmen a) Die Ablehnung einer Amtswalterstellung Auf der Grundlage der Werkzeugtheorie mußte eine Zurechnung des Handelns privater Unternehmer an die sie beauftragende Behörde scheitern, da selbständige Unternehmer in der Regel einen zu weiten Handlungsspielraum hatten, als daß ihr Handeln nach dem Werkzeugbegriff des BGH als Handeln der Behörde hätte angesehen werden können. Die früher ganz einhellige Ablehnung einer Amtshaftung für private Unternehmer hatte ihren weiteren Grund darin, daß man von dem gedanklichen Bild des Beliehenen ausging. Dieser tritt mit eigenen Befugnissen ausgestattet gleichsam an die Stelle der ihn beleihenden Verwaltung; das Eigenhandeln der Verwaltung wird somit im Aufgabenkreis der Beleihung vollständig durch dasjenige des Beliehenen ersetzt. Er erfüllt an Stelle der eigentlich zuständigen Verwaltung die ihm durch die Beleihung anvertrauten öffentlichen Aufgaben. Von diesem Grundmodell ausgehend wird eine Staatshaftung für private Unternehmer auf zweierlei Weise abgelehnt: Zum einen wird gesagt, das Anvertrauen eines öffentlichen Amtes könne nur durch förmlichen Beleihungsakt erfolgen, somit das Handeln nicht beliehener Privater sich niemals als Ausübung eines dem Privaten anvertrauten öffentlichen Amtes darstellen146. Eine solch enge, allein auf den Beliehenen zugeschnittene Begriffsbestimmung ist jedoch in keiner Weise gerechtfertigt. Wie die Verwendung der Bezeichnung jemand zeigt, hebt Art. 34 GG ausdrücklich 145

Wohl a. A. Seibert, JuS 1985, 625 (632), der sich bei der Anwendung des § 278 BGB auf die „besondere Pflichtenstellung" des Staates bei der Durchführung einer Ersatzvornahme beruft. Siehe ζ. B. Martens, Übertragung von Hoheitsgewalt auf Schüler, NJW 1970, 1029; in neuerer Zeit Kreissl, NVwZ 1994, 349 (351).

318

4. Teil: Rechtsschutz

nicht auf die persönliche Rechtsstellung des Amtsträgers ab, so daß es beispielsweise irrelevant ist, ob eine öffentliche Aufgabe einem Beliehenen zur selbständigen Durchführung übertragen wurde oder von einem Angestellten im öffentlichen Dienst nach Weisung erfüllt wird. Auch sind für den Eintritt der Rechtsfolgen des Art. 34 GG Mängel der Beleihung, der Anstellung oder der Berufung ins Beamtenverhältnis unbeachtlich. Folglich ist in dem Anvertrauen eines öffentlichen Amtes ein rein tatsächlicher Vorgang zu sehen147. Dabei ist es keineswegs so, daß eine solche Auslegung dem Tatbestandsmerkmal des Anvertrauens jede Bedeutung nehmen würde. Mit dem Erfordernis des Anvertrauens wird ausgesprochen, daß die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe durch Private nur dann eine Haftung des Staates auslösen kann, wenn sie auf Veranlassung oder mit Willen des Staates und nicht lediglich als Akt privater Amtsanmaßung geschieht148. Zum anderen wird gegen die Qualifikation des Unternehmers als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn vorgebracht, es fehle nicht allein an dem Anvertrauensakt, sondern bereits an der Ausübung eines öffentlichen Amtes149. Ohne dies ausdrücklich auszusprechen, geht die traditionelle Ansicht wieder vom Leitbild der Beleihung aus: Dort stellt sich das Handeln des Beliehenen unzweifelhaft als Ausübung öffentlicher Gewalt dar, weil dieser Verwaltungsaufgaben aufgrund öffentlichrechtlicher Befugnisse wahrnimmt. Demgegenüber erbringt ein nicht beliehener Unternehmer Leistungen aufgrund eines mit der Verwaltung geschlossenen privatrechtlichen Vertrages. Isoliert betrachtet, handelt es sich dabei um ein Tätigwerden wie im allgemeinen Privatrechtsverkehr auch. b) Das Postulat der freien Rechtsformenwahl Es fragt sich nun aber, ob die Argumentation der traditionellen Auffassung, daß das schädigende Verhalten eines nicht Beliehenen als privatrechtlich anzusehen sei, Bestand haben kann. Es wurde bereits dargelegt, daß Art. 34 GG, § 839 BGB in Bezug auf die persönliche Rechtsstellung des Handelnden keine Beschränkung entnommen werden kann. Maßgeblich ist, ob jemand in Ausübung eines „öffentlichen Amtes" oder wie Art. 131 WRV ausdrückte in Ausübung „öffentlicher Gewalt" gehandelt hat. Diese grobe Grenzziehung ist über-

147

So die h. M., vgl. Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG, Rn. 79; Kayser/Leiß, S. 26; Kühlhorn, S. 149; von Mangoldt/Klein, Art. 34 GG, Anm. III 2 d; Ossenbühl, § 6, 1 b bb fS. 19). Vgl. RGZ 140, 129 (130); Kayser/Leiß, S. 25; weitergehend Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG, Rn. 80 am Ende. 149

Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG, Rn. 97; Hamann/Lenz, Art. 34 GG, Anm. Β 1; Hust, Die Polizei 1968, 44 (46); Kreissl, NVwZ 1994, 349 (350); Schäfer, in: Staudinger, § 839 BGB, Rn. 96.

5. Abschn. : Schadensersatz und Entschädigung

aus einleuchtend: Im spezifisch hoheitlichen Tätigkeitsbereich soll der Staat vom betroffenen Bürger in die Verantwortung genommen werden können, im allgemeinen Privatrechtsverkehr soll er jedoch weder besser noch schlechter gestellt sein, als alle anderen Rechtssubjekte. Primärer Anknüpfungspunkt für die Beurteilung einer Staatshaftung für private Unternehmer ist somit die Frage, ob der schadensverursachende Vorgang als öffentlichrechtliche oder als privatrechtliche Tätigkeit des Staates zu beurteilen ist. Wäre das betreffende Verhalten dem Privatrecht zu unterwerfen, dann käme eine Haftung des Staates für beauftragte Unternehmer allenfalls gem. § 831 Abs. 1 BGB in Betracht150. Ein solcher Anspruch wäre jedoch ausgeschlossen, wenn der Unternehmer mangels behördlicher Weisungen nicht als Verrichtungsgehilfe anzusehen wäre oder wenn sich die Verwaltung exculpieren könnte (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). Die eigentliche Schwierigkeit liegt nun darin, das schadensverursachende Verhalten als öffentlichrechtlich oder privatrechtlich zu qualifizieren. Problematisch ist diese Qualifikation, weil sie an zwei verschiedene Rechtsbeziehungen anknüpfen könnte: Im Verhältnis Verwaltung-Bürger (Außenverhältnis) stellt sich eine Abschleppmaßnahme als unmittelbare Ausführung oder Ersatzvornahme, als Sicherstellung oder Beschlagnahme, in jedem Fall also als typische hoheitliche Maßnahme dar. Das Innenverhältnis Verwaltung-Unternehmer ist hingegen durch eine privatrechtliche Vereinbarung (Werkvertrag) geprägt. Welche dieser beiden Beziehungen vermag sich nun für die Qualifikation des schadensverursachenden Verhaltens durchzusetzen? c) Keine Flucht ins Privatrecht Wenn sich die traditionelle Auffassung darauf beruft, daß der Unternehmer aufgrund einer bürgerlichrechtlichen Verpflichtung tätig werde und folglich private, nicht aber öffentliche Aufgaben erfülle 151, dann gründet sie ihre Argumentation auf eine überaus fragwürdige Prämisse. Stillschweigend vorausgesetzt wird dabei nämlich, daß sich die Verwaltung durch Beauftragung eines privaten Unternehmers dem öffentlichrechtlichen Haftungsregime entziehen könne. Von Seiten der Befürworter einer Staatshaftung für private Unternehmer ist deshalb der Werkzeugtheorie des BGH zu Recht entgegengehalten worden, sie sei geeignet, die Verwaltung zu einer Flucht in das Privatrecht zu 150

Die §§ 31, 89 BGB scheiden als haftungsbegründende Normen aus, weil ein beauftragter Unternehmer außerhalb der Verwaltungsorganisation steht und somit nicht deren verfassungsmäßiges Organ ist. 151 OLG Nürnberg, VersR 1966, 1016; OLG Frankfurt, VersR 1983, 46 (47); LG München I, NJW 1978, 48; LG Düsseldorf, VersR 1980, 980; Dagtoglou, in: BK, Art. 34 GG, Rn. 98; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 32, 2 (S. 631).

320

4. Teil: Rechtsschutz

ermuntern152. Es ist hier nicht der Ort, in die seit langem geführte Formenmißbrauchsdiskussion einzusteigen153. Im Rahmen dieser Arbeit bedarf es auch keiner Stellungnahme dazu, ob sich die Verwaltung im Bereich schlichten Verwaltungshandelns privatrechtlicher Handlungsformen bedienen und die Regulierung von Schäden in das allgemeine Deliktsrecht verlagern darf. Dafür spricht angesichts der sonst gegenüber vergleichbaren Privaten (ζ. B.: Haftung für durch Bauarbeiten verursachte Schäden) erweiterten Haftung einiges. Die Kritik, die der Werkzeugtheorie entgegengebracht wurde, wird denn meist auch auf die Abschleppfälle fokussiert, im Bereich der schlicht hoheitlichen Verwaltung fällt sie wesentlich verhaltener aus154. Im Bereich der hoheitlichen Verwaltung, also insbesondere bei der Durchführung polizeilicher oder vollstreckungsrechtlicher Maßnahmen mit Hilfe eines privaten Abschleppunternehmers, kann jedoch die von den Untergerichten aufgestellte These der Wahlfreiheit 155 keinen Bestand haben. Zumindest hier kann die Verwaltung das eingreifende Rechtsregime nicht bestimmen, da die polizei-, Verfahrens- und vollstreckungsrechtlichen Normen die öffentlichrechtliche Handlungform zwingend anordnen156. d) Die zwischen Behörde, Unternehmer und Betroffenem bestehenden Rechtsverhältnisse Daß der öffentlichrechtliche Formenzwang für polizei- oder vollstreckungsrechtliche Maßnahmen auch die tatsächliche Durchführung der Maßnahme erfaßt, wird bei einer Analyse der Rechtsbeziehungen im Dreiecksfeld von Behörde, Unternehmer und betroffenem Bürger deutlich. Hier lassen sich im wesentlichen die folgenden Rechtsverhältnisse unterscheiden: - das Rechtsverhältnis zwischen der die Abschleppmaßnahme anordnenden Stelle und dem hiervon betroffenen Bürger (Außenverhältnis), - das Rechtsverhältnis zwischen der öffentlichen Hand und dem für diese handelnden Privaten (Innenverhältnis),

152

Vgl. etwa Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 211 (217); Schimikowski, VersR 1984, 315 (317 f.); Steinberg/Lubberger, S. 269; Würtenberger, DAR 1983, 155 (160). 153 Vgl. Ehlers, S. 74 ff. und derselbe, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 241 ff.; Maurer, § 3, Rn. 9 ff. In Bezug auf den Bereich schlichten Verwaltungshandelns wird die Werkzeugtheorie gebilligt von Würtenberger, DAR 1983, 155 (160 f.); vgl. auch Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 22 f). 155

156

Siehe oben Fn. 151. Ehlers, S. 505; derselbe, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 427.

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

- das Rechtsverhältnis zwischen der nach Art. 34 GG haftenden Körperschaft und dem geschädigten Bürger, beim Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit das Rechtsverhältnis zwischen dem anderweitig Ersatzpflichtigen und dem geschädigten Bürger (Haftungsverhältnis). Das Außenverhältnis stellt sich bei der Durchführung einer Abschleppmaßnahme als Vollstreckungs- bzw. Polizeirechtsverhältnis dar (Ersatzvornahme, unmittelbare Ausführung oder Sicherstellung). Gegenstand eines solchen Verwaltungsrechtsverhältnisses157 ist das Recht (die Befugnis) eines Hoheitsträgers, durch Anwendung hoheitlicher (Zwangs-) Mittel in subjektive Rechte des betroffenen Bürgers einzugreifen. Subjekte des bei der Durchführung einer Abschleppmaßnahme bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnisses sind somit der von der Maßnahme betroffene Bürger und der diese Maßnahme anordnende Träger von Hoheitsgewalt. Führt dieser Hoheitsträger die Maßnahme nicht selbst aus, sondern bedient sich hierzu der Dienste eines privaten Unternehmers, dann ist wie folgt zu unterscheiden: Werden dem Privaten die zur Anordnung und Durchführung der Maßnahme erforderlichen hoheitlichen Befugnisse zur eigenständigen Ausübung übertragen, dann ist der Private als Beliehener selbst Träger von Hoheitsgewalt. Übt er die übertragenen hoheitlichen Befugnisse aus, dann ist der Beliehene und nicht die beleihende Behörde Subjekt des im Außenverhältnis zum Bürger bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnisses. Werden dem Privaten wie im Fall eines beauftragten Abschleppunternehmers jedoch keine hoheitlichen Befugnisse übertragen, dann bleibt es bei der Subjektstellung der Verwaltung, da die hoheitliche Befugnis zur Durchführung der Maßnahme bei ihr verblieben ist. Die Einschaltung des Abschleppunternehmers zur tatsächlichen Durchsetzung der hoheitlichen Befugnis hat somit keinerlei Auswirkung auf das zwischen der Verwaltung und dem Bürger bestehende Außenverhältnis. Die Rechtsstellung des in die Verwaltungstätigkeit einbezogenen Privaten ergibt sich - und das gilt gleichermaßen für den beliehenen wie den nicht beliehenen Unternehmer - ausschließlich aus dem Innenverhältnis. Als Haftungsverhältnis kann man schließlich das zwischen der haftenden (natürlichen oder juristischen) Person und dem (gem. Art. 34 GG, § 839 BGB oder gem. anderweitiger Ersatzmöglichkeit) anspruchsberechtigten Bürger bestehende Schuldverhältnis bezeichnen. Das Denken in Verwaltungsrechtsverhältnissen erweist sich als hilfreich für die Einordnung privater Unternehmen in das System des Staatshaftungsrechts. Vor allem bietet das VRV das dogmatische Fundament, um die verfehlte

157

Siehe zur Dogmatik des Verwaltungsrechtsverhältnisses Achterberg, § 20, Rn. 34 ff.; Bauer, Die Verwaltung 25 (1992), 301 ff.; Häberle, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 248 ff.; Hertwig, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 13 ff. 21 Schieferdecker

4. Teil: Rechtsschutz

322

Zweiteilung des Abschleppvorgangs in eine hoheitliche Anordnung und eine privatrechtliche Durchführung der Abschleppmaßnahme zu verabschieden. Anders als möglicherweise im Bereich der leistenden Verwaltung158 kann eine Maßnahme der Eingriffsverwaltung nicht partiell hoheitlich und nichthoheitlich qualifiziert werden 5 9 . Wie die Analyse der Rechtsverhältnisse aufgezeigt hat, kann es für die Charakterisierung der Handlung als hoheitliche oder privatrechtliche Maßnahme allein auf das Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Behörde und betroffenem Bürger ankommen160. Es kann aus staatshaflungsrechtlicher Perspektive nicht anders entschieden werden als bei der Frage der Rechtsnatur des Kostenersatzanspruchs oder eines Zurückbehaltungsrechts: Haftung, Kostenforderung und Zurückbehaltungsrecht resultieren aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Bürger und Behörde und unterliegen somit ohne Ausnahme dem öffentlichen Recht. 5. Die Figur des „ Erfüllungsgehilfen

"

Bezeichnet man den privaten Unternehmer als Erfüllungsgehilfen 161, dann wird damit zum Ausdruck gebracht, daß das Handeln des Privaten zur Haftung des Staates führen soll. Eine Anlehnung an § 278 BGB bringt jedoch eine Reihe dogmatischer Ungereimtheiten mit sich. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen wie eigenes zu vertreten. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift wird im Rahmen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse durchweg befürwortet, im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs ist sie jedoch ausgeschlossen, weil die Amtshaftung eine unmittelbare deliktische Amtswalterhaftung und erst mittelbar eine Haftung des Staates ist. Möglich wäre auch eine Anknüpfung an ein allgemeines, der Rechtsordnung zugrundeliegendes Zurechnungsprinzip, das in § 278 BGB lediglich seinen Niederschlag gefunden habe, aber über diese konkrete Ausgestaltung hinaus auch in Art. 34 GG verkörpert sei162. Dieser Begründungsversuch stellt sich als wenig aussagekräftig heraus: Ein allgemeines Zurechnungsprinzip derart, daß jemand für Personen, die für ihn tätig werden, haftet, kennt die Rechtsordnung nicht. Bereits im Zivilrecht

158

1 5 9 Beispiel:

Zwei-Stufen-Theorie. Vgl. Würtenberger, DAR 1983, 155 (160). Vgl. Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 21); derselbe, JuS 1973, 421 (423); Kühlhorn, S. 148 ff., 151; Würtenberger, DAR 1983, 155 (160 f.). 161 Siehe BGHZ 121, 161 (166); Ossenbühl, § 6, 1 b cc (S. 21); Osterloh, JuS 1994, 174 (175); Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 118; Papier/Dengler, Jura 1995, 38 (42); Würtenberger, JZ 1993, 1003 (1004); vgl auch Götzen, VR 1994, 170 160

Papier, in: Münchener Kommentar, § 839, Rn. 118; ähnlich Kühlhorn, S. 116.

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

wird ja zwischen Organen (§ 31 BGB), Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) und Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) unterschieden. Ein enger gefaßtes Zurechnungsprinzip könnte zwar auch an den verallgemeinerungsfähigen Gehalt des § 278 BGB anknüpfen. Aus dieser Vorschrift ließe sich der allgemeine Rechtsgrundsatz ableiten, daß ein Schuldner sich in einer Sonderverbindung der Verantwortung für seine Leistung nicht dadurch entziehen kann, daß er sie nicht selbst, sondern durch einen Dritten erbringt. Die Anwendung eines solchermaßen verstandenen Rechtsgrundsatzes miißte jedoch ebenso wie die Analogie zu § 278 BGB daran scheitern, daß es außerhalb des öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses an einer Sonderverbindung fehlt. Die Amtshaftung für Privatunternehmer kann somit zwar nicht mit einem allgemeinen Zurechnungsprinzip begründet werden. Sie ergibt sich aber ohne weiteres aus der Erkenntnis, daß es der Verwaltung nicht frei steht, Aufgaben der Eingriffsverwaltung privatrechtlich zu organisieren. Stehen der Verwaltung privatrechtliche Handlungsformen nicht zur Verfügung, bleibt die Erledigung der Aufgabe an die Vorschriften des öffentlichen Rechts, insbesondere an das öffentlichrechtliche Haftungsregime gebunden163. Kann die Verwaltung die Durchführung einer Aufgabe nicht privatisieren, bleibt es bei der Öffentlichrechtlichkeit des Rechtsverhältnisses zum Bürger. Es macht dann keinen Unterschied, ob die Behörde die Aufgabe von einem Privaten oder von eigenen Bediensteten erfüllen läßt. Der Begriff „Erfüllungsgehilfe" mag verdeutlichen, daß ein solcherart eingesetzter Privater ebenso wie ein Behördenbediensteter eine öffentliche Aufgabe erfüllt und damit ein öffentliches Amt ausübt. Er ist jedoch mißverständlich und daher besser zu vermeiden, weil er suggeriert, es bedürfe zur Anerkennung einer Amtshaftung für staatlich beauftragte Unternehmer einer Zurechnungsnorm. 6. Einbindung des Privaten in die Verwaltung

als Kriterium?

Nach den bisherigen Erkenntnissen erscheint es zweifelhaft, ob dem Werkzeuggedanken und dem Grad der Einbindung des Privaten in die Verwaltung noch eine eigenständige Bedeutung zukommen kann. Das „Einbindungskriterium" fordert eine gewisse Nähe zwischen dem privaten Helfer und der Verwaltung. Soweit der BGH damit entsprechend der Werkzeugtheorie auf die Weisungsgebundenheit des Privaten abstellt, ist dieses Kriterium aufzugeben.

163

Zutreffend Ehlers, S. 505; derselbe, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40, Rn. 427.

324

4. Teil: Rechtsschutz

a) Unbeachtlichkeit der Ausgestaltung des Innenverhältnisses Aufzugeben ist es deshalb, weil ein Kriterium, das auf die Abhängigkeit des privaten Helfers abstellt, von der verfehlten Zweiteilung der traditionellen Ansicht ausgeht. Die Werkzeugtheorie sah das Tätigwerden von Unternehmern dem Betroffenen gegenüber als grundsätzlich privatrechtlich an. Konnte das Verhalten des Unternehmers wegen seiner abhängigen Stellung (Werkzeug) der Behörde zugerechnet werden, dann bewirkte die Werkzeugqualifikation nach diesem Grundverständnis eine Erweiterung der Staatshaftung. Eine solche Argumentation geht jedoch ins Leere, wenn im Bereich der Eingriffsverwaltung der Einsatz privater Unternehmer der Durchführung polizeilicher Maßnahmen nicht ihren öffentlichrechtlichen Charakter zu nehmen vermag. Versteht man den BGH so, daß je nach dem Grad der Einbindung des Unternehmers eine Staatshaftung auch bei Maßnahmen der Eingriffsverwaltung ausscheiden könne, dann würde sich das Gericht auf diese Weise mit seiner Aussage in Widerspruch setzen, daß es jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung nicht auf das Innenverhältnis ankommen könne. Im übrigen wurde in der Literatur zu Recht vielfach hervorgehoben, daß das Abstellen auf das Innenverhältnis zu einer Verschleierung der Haftungslage und damit zu Rechtsunsicherheit führt, weil der Bürger das Innenverhältnis zwischen Verwaltung und Unternehmer nicht zu überblicken vermag und so regelmäßig nicht abschätzen kann, ob der Unternehmer „eingebunden" ist oder weisungsgebunden handelt164. b) Widerspruch zu den in der Rechtsprechung verwendeten Argumentationslinien Das Kriterium der Weisungsgebundenheit fügt sich auch keineswegs in die bisherige Rechtsprechung des BGH ein165. Die Werkzeugtheorie fand nämlich bisher lediglich in Fallgestaltungen Anwendung oder Erwähnung, in denen eine Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch vertragliche Verpflichtung eines Privaten in Betracht kam bzw. die Zulässigkeit einer solchen privatrechtlichen Organisation der Aufgabenerfüllung zumindest nicht wie im Bereich der Eingriffsverwaltung von vorneherein ausscheiden mußte166.

164

Vgl. Gallwas, WDStRL 29 (1971), 211 (221, 231); Götzen, VR 1994, 170 (172); Steinberg/Lubberger, S. 270. 16 So aber Schmidt, LM Art. 34 GG Nr. 179 Blatt 5. 166 Siehe ζ. B. BGHZ 125, 19 - infolge privater Ingenieursleistung falsch errichtetes Pumpwerk -. Freilich erscheint es gerade im Hauptanwendungsfall der Werkzeugtheorie, den Straßenbauarbeiten, zweifelhaft, ob angesichts der bestehenden öffentlichrechtlichen Vorschriften über die Straßenbaulast etc. die Wahl der Privatrechtsform zulässig ist.

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

Dagegen hat der BGH auch bisher schon in vielen Fällen, in denen Private im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses Leistungen für öffentlichrechtliche Körperschaften erbrachten, auf die Rechtsnatur des Außenverhältnisses abgestellt und dem Innenverhältnis und der Selbständigkeit des Privaten keine Beachtung geschenkt167. Vielfach entschieden wurden in diesem Sinne Haftungsfälle, in denen Ärzte auf vertraglicher Grundlage für das Versorgungsamt, eine Allgemeine Ortskrankenkasse, die Bundeswehr oder den öffentlichrechtlich organisierten Rettungsdienst tätig wurden168. In Fällen, in denen die Zuordnung der Tätigkeit zum Bereich der staatlichen Aufgabenerfüllung mangels öffentlichrechtlicher Rechtsbeziehung zum Betroffenen weniger deutlich hervortrat, hat der BGH nicht auf die Rechtsnatur des zum Geschädigten bestehenden Rechtsverhältnisses, sondern auf den Charakter der erfüllten Aufgabe, auf die Zielsetzung der von dem Privaten erbrachten Leistung abgestellt169. Der BGH hat sich damit zu dem in der Literatur zu Recht geforderten funktionsbezogenen Ansatz170 bekannt und gerade nicht auf die Weisungsgebundenheit oder Selbständigkeit des Privaten abgehoben. Desweiteren bringt das Erfordernis eines äußeren und inneren Zusammenhangs mit der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde zum Ausdruck, daß die Schädigung bei Erfüllung der öffentlichen Aufgaben und nicht lediglich bei Gelegenheit der Aufgabenerfüllung erfolgt sein muß. In diesem doppelten Sinn ist es auch zu verstehen, wenn der BGH in seiner Leitentscheidung zu Abschleppschäden die Enge der „Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe" als mitentscheidendes Kriterium für die Qualifizierung des Unternehmers als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn nennt171. c) „Einbindung" als Abgrenzungsmerkmal gegenüber Beleihung und Amtsanmaßung Lediglich dann, wenn der Unternehmer mit eigenen hoheitlichen Befugnissen beliehen ist, kommt seiner Rechtsstellung im Verhältnis zum Betroffenen Bedeutung zu. Denn bei Ausübung der Befugnisse ist dann er selbst und nicht die

167

1 6 8 Siehe zur

„Rechtsformtheorie" oben S. 305. BGH, NJW 1961, 969; NJW 1968, 2293 (2294); BGHZ 108, 230 (236); BGH, NJW 1991, 2954. 169 Siehe vor allem BGH, NJW 1992, 2882 (2883): entscheidend sei nicht die Tätigkeit eines Zivildienstleistenden im Rahmen einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle, sondern die Einbettung dieser Tätigkeit in das von einer hoheitlichen Zielsetzung bestimmte Zivildienstverhältnis. 170 1 7 1 Siehe beispielsweise Ossenbühl, § 6, 1 (S. 14, 20). BGHZ 121, 161 (165).

326

4. Teil: Rechtsschutz

Behörde Subjekt des gegenüber dem Betroffenen entstandenen Verwaltungsrechtsverhältnisses. Der Beliehene übt im eigenen Namen selbständig Befugnisse aus. Fehlt es wie bei einem Abschleppunternehmer an einer Beleihung, dann handelt dieser insofern unselbständig, als er das Abschleppen nicht selbst anordnen kann, sondern auf eine Anordnung der Behörde angewiesen ist. Der nicht Beliehene ist dann insofern in die Tätigkeit der Behörde „eingebunden" sein, als er in arbeitsteiligem Zusammenwirken die tatsächliche Durchführung der von der Behörde angeordneten Maßnahme übernimmt. Unter dem Aspekt des Anvertrauens eines öffentlichen Amtes ergibt sich eine zweite Funktion des Einbindungskriteriums: Eine Staatshaftung kann nicht bereits dann in Betracht kommen, wenn ein Privater staatliche Aufgaben usurpiert. Sein Handeln kann nur dann zu einer Staatshaftung führen, wenn er aufgrund der Erteilung eines Abschleppauftrags in den hoheitlichen Funktionsbereich einbezogen worden ist. Diese Einbeziehung bedeutet nichts anderes als das Anvertrauen eines in der tatsächlichen Durchführung einer polizeilich angeordneten Maßnahme liegenden öffentlichen Amtes. 7. Ergebnis Bezieht die Verwaltung einen privaten Unternehmer in die Ausführung hoheitlicher Maßnahmen ein, dann verhindert der insbesondere für polizei- und verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Rechtsverhältnissen bestehende öffentlichrechtliche Formenzwang eine Verlagerung dieser Tätigkeit auf die Ebene des Privatrechts. Damit greift zwingend das öffentlichrechtliche Haftungsregime ein, ohne daß es auf die Rechtsstellung einer eingesetzten Hilfsperson ankäme. Eine Amtshaftung scheidet nur dann aus, wenn die Schädigung dem Bereich der hoheitlichen Aufgabenerfüllung nicht zugerechnet werden kann. Das ist zum einen der Fall, wenn die Schädigung nicht bei Durchführung der polizeilichen Maßnahme, sondern nur bei Gelegenheit derselben erfolgt. Zum anderen ist das Handeln eines Abschleppunternehmers dem hoheitlichen Tätigkeitsbereich nicht zuzurechnen, wenn er nicht auf Veranlassung und mit Willen der Behörde handelt und ihm die Wahrnehmung des in der Ausführung der Maßnahme liegenden öffentlichen Amtes nicht anvertraut wurde. Der Weisungsabhängigkeit des Unternehmers oder dem Grad seiner Einbindung in die behördliche Aufgabenerfüllung kommt darüberhinaus als Kriterium im Rahmen der Amtshaftung keine Bedeutung zu. III. Amtshaftung wegen Pflichtverletzungen behördeneigener Bediensteter Unproblematisch kann eine Amtshaftung immer schon dann angenommen werden, wenn ein Bediensteter der Verwaltung eine ihm dem Betroffenen ge-

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

genüber obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden verursacht hat. Eine solche Haftung wurde beispielsweise einhellig befürwortet für den praktisch eher bedeutungslosen Fall, daß die Verwaltung einen ersichtlich unzuverlässigen Abschleppunternehmer beauftragt. Eine Amtspflichtverletzung stellt es auch dar, wenn die Verwaltung die gesetzlich vielfach vorgeschriebene172 Benachrichtigung des Betroffenen unterläßt und diesem dadurch Schäden (Verwahrungskosten, Nutzungsausfall) entstehen. IV. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten Der Amtshaftungsanspruch ist gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB subsidiär, wenn dem Amtswalter nur Fahrlässigkeit zur Last fällt und der Geschädigte eine anderweitige Ersatzmöglichkeit besitzt. Als anderweitige Ersatzansprüche sind früher vielfach die gegen den Unternehmer gegebenen Schadensersatzansprüche betrachtet worden. Da der Unternehmer aber als Amtsträger anzusehen ist, greift zu seinen Gunsten Art. 34 S. 1 GG ein, so daß den Unternehmer keine eigene deliktische Verantwortlichkeit gegenüber dem Geschädigten trifft 173. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeiten könnten lediglich vertragliche Ansprüche gegen den Abschleppunternehmer darstellen. Der BGH hat in einem Urteil vom 11.7.1978 dem Kläger einen Ersatzanspruch aus § 328 BGB zuerkannt: „Die Gesamtwürdigung der Rechtsbeziehungen zwischen der Stadt und dem Bekl. unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage und vor allem in Auslegung des in der Gestaltung der Risikoverteilung zum Ausdruck gekommenen Willens dieser beiden Beteiligten ergibt nämlich im Streitfall, daß diese den Haltern abgeschleppter Fahrzeuge einen unmittelbaren Schadensersatzanspruch gegen den Bekl. einräumen wollten, wenn das Fahrzeug durch dessen Verschulden oder ein solches seiner Erfüllungsgehilfen beschädigt wird"174. Bei näherer Betrachtung wirkt die Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung für den Kläger jedoch recht konstruiert: So meint der BGH, es sei naheliegend gewesen, den Abschleppunternehmer nicht von seinem Risiko, bei Beschädigung Ersatz leisten zu müssen, zu befreien. Als weiteres Indiz wertet der BGH die Tatsache, daß der Unternehmer zum Abschluß einer ent-

172

Vgl. § 8 Abs. 1 S. 2, § 32 Abs. 2, § 33 Abs. 2 bwPolG. Vgl. BGHZ 99, 62 (63 f.); 121, 161 (163); Würtenberger, JZ 1993, 1003 (1004 f.); dagegen hält Ossenbühl, JuS 1973, 421 (423) eine direkte Inanspruchnahme des Abschleppunternehmers auch dann für möglich, wenn seine Tätigkeit als Ausübung eines öffentlichen Amtes qualifiziert werden kann. 174 BGH, NJW 1978, 2502 (2503); offenbar zustimmend Vahle, Die Polizei 1981, 101 (105); vgl. bereits zuvor Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 211 (230); ablehnend „nach den Umständen des vorliegenden Falls" LG Düsseldorf, VersR 1980, 980. 173

4. Teil: Rechtsschutz

328

sprechenden Versicherung verpflichtet worden war 175. Diese Fakten rechtfertigen hingegen keine ergänzende Vertragsauslegung. Angesichts dessen, daß bei Abschleppschäden Amtshaftungsansprüche gegeben sind, kommt den vom BGH angeführten Indizien nur geringe Evidenz zu. In aller Regel wird ein Anspruch aus § 328 BGB nicht begründbar sein176. Schuldrechtliche Ersatzansprüche ergeben sich auch nicht aus den §§ 987 ff. BGB, da der Abschleppunternehmer nicht unmittelbarer Besitzer, sondern nur Besitzdiener (§ 855 BGB) ist177. Behandelte man ihn als unmittelbaren Besitzer, wären Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ausgeschlossen, weil der Unternehmer der Behörde gegenüber aus dem Abschlepp- und Verwahrungsvertrag zum Besitz berechtigt ist (§ 986 Abs. 1 S. 1 Alternative 2 BGB) 1 . Soweit der Schaden wie im Fall von BGHZ 121, 161 „beim Betrieb" des Abschleppfahrzeugs entsteht, also auf den typischen von Kraftfahrzeugen für den Straßenverkehr ausgehenden Gefahren beruht, verdrängt die Amtshaftung die Verschuldenshaftung des Fahrers gem. § 18 StVG. Nicht von § 839 Abs. 1 S. 2 BGB erfaßt werden dagegen Ansprüche des Geschädigten gegen den Abschleppunternehmer aus § 7 StVG (bzw. nach § 3 Nr. 1 PflVG gegen dessen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) 179. V. Die ersatzpflichtige Körperschaft Nach Art. 34 S. 1 GG trifft die Verantwortlichkeit diejenige Körperschaft, die dem Amtsträger das öffentliche Amt anvertraut hat. Bei einer Amtspflichtverletzung von Polizeibeamten oder Behördenbediensteten ist somit die jeweilige Anstellungskörperschaft passivlegitimiert. Entsprechend haftet bei vertraglicher Heranziehung eines privaten Abschleppunternehmers diejenige Körperschaft, die ihn mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben betraut hat1 Sie kann gegen den Abschleppunternehmer wegen Verletzung der aus dem „Abschleppvertrag" folgenden Obhuts- und Sorgfaltspflichten Rückgriff nehmen; der Innenregreß ist jedoch auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (Art. 34 S. 2 GG).

175 176

BGH, NJW 1978, 2502 (2503).

1 7 7 Dies

wurde auch von BGHZ 121, 161 nicht mehr versucht. OLG Nürnberg, VersR 1971, 279. 178 AG Hamm, MDR 1978, 51 (52); siehe zu § 985 BGB auch S. 298. 179 BGHZ 121, 161 (168) m. w. Nachw.; Schmidt, LM Art. 34 GG Nr. 179 Blatt 4 (Rücks.); a. A. Papier/Dengler, Jura 1995, 38 (44). 180 Vgl. Ossenbühl, § 9, 3 b (S. 95).

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

C. Staatshaftung aus enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff, sowie aus polizeirechtlichen Entschädigungsansprüchen I. Rechtsgrundlagen, Rechtsweg und Umfang Nachdem der Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG 181 zu einer Abkoppelung der richterrechtlich entwickelten Entschädigungstatbestände des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs von Art. 14 GG geführt hat, stützt die Rechtsprechung diese Institute nun auf den Aufopferungsgedanken 182. Die in Anlehnung an §§45 ff. MEPolG in vielen Polizeigesetzen enthaltenen Entschädigungbestimmungen stellen sich als bereichsspezifische Konkretisierung dieser allgemeinen Haftungsinstitute dar. Wie für jene183 sind für die polizeirechtlichen Entschädigungsansprüche die Zivilgerichte zuständig (§51 MEPolG). Bei Abschleppschäden geht es in erster Linie um Substanzverletzungen (Beschädigung der Karosserie, der Verglasung oder des Lacks). Insoweit ergeben sich für den Umfang der Entschädigung keine Unterschiede zu Schadensersatzansprüchen. Wie bei jenen kann auch der merkantile Minderwert entsprechend den im allgemeinen Schadensrecht entwickelten Grundsätzen in Ansatz gebracht werden14. II. Entschädigung für rechtswidrige Maßnahmen Soweit die Polizeigesetze einen Entschädigungsanspruch für rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen enthalten185, geht dieser Anspruch demjenigen aus enteignungsgleichem Eingriff vor 186. In Baden-Württemberg ist nach wie vor auf das Institut des enteignungsgleichen Eingriffs zurückzugreifen, weil das bwPolG die Musterregelung des § 45 MEPolG nicht übernommen und allein den Entschädigungsanspruch des Nichtstörers (§ 55 bwPolG) normiert hat.

181

182

BVerfGE 58, 300 ff.

BGHZ 90, 17 (31) - enteignungsgleicher Eingriff; 91, 20 (28) - enteignender Eingriff. 1Ö3 Da es sich um Aufopferungsansprüche handelt, folgt dies aus § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO; 1 8 4 vgl. BGHZ 90, 17 (31); 91, 20 (28); Kopp, VwGO, § 40, Rn. 58. Vgl. BGH, NJW 1981, 1663; Ossenbühl, § 25, 1 (S. 221). 185 Vgl. § 45 Abs. 1 S. 2 MEPolG. Art. 70 Abs. 2 bayPAG sieht eine Entschädigung für Personen vor, die weder Störer sind, noch als Nichtstörer in Anspruch genommen wurden. Darunter fallen auch Personen, die rechtswidrig in Anspruch genommen wurden (Honnacker/Beinhofer, Art. 70, Anm. 21). 18 * BGHZ 72, 273 (276); Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Rn. 200; Maurer, § 26, Rn. 103.

330

4. Teil: Rechtsschutz

Eine Haftung aus entçignungsgleichem Eingriff ist gegeben bei hoheitlichen Eingriffen in das Eigentum, die zum Wohle der Allgemeinheit erfolgen und rechtswidrig sind, da sie für den Verletzten ein Sonderopfer darstellen187. Das weitere negative Erfordernis einer Haftung aus enteignungsgleichen Eingriffs, die vorrangige Schadensvermeidung mit den Mitteln des Primärrechtsschutzes188, hat im vorliegenden Fall keine Bedeutung. Denn der Substanzschaden an einem Kraftfahrzeug kann durch das Gebrauchmachen von Rechtsmitteln gegen die Abschleppmaßnahme nicht verhindert werden. Die Beschädigung von Kraftfahrzeugen im Zuge von Abschleppmaßnahmen ist ohne Zweifel ein Eingriff 189 in das Eigentum an dem Wagen. Wie im Zusammenhang mit dem Amtshaftungsanspruch ausführlich dargelegt wurde, ist dieser Eingriff auch dann als hoheitlich zu qualifizieren, wenn der Schaden nicht von der Polizei selbst, sondern von einem von ihr beauftragten Abschleppunternehmer verursacht wurde. Da die Abwehr von Gefahren dem Wohl der Allgemeinheit dient, ist die schädigende Abschleppmaßnahme auch gemeinwohlbezogen190. Schließlich ist die materielle Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Handlung, als deren unmittelbare Auswirkung sich der Schaden darstellt, erforderlich. Bei Schäden, die auf der Durchführung von Abschleppmaßnahmen beruhen, kommt es darauf an, ob deren materiellrechtliche Voraussetzungen (etwa die des § 8 Abs. 1 bwPolG) beachtet wurden. Sind Schäden unmittelbare Auswirkung einer Verwahrung, kommt deren Rechtswidrigkeit insbesondere dann in Betracht, wenn die Inverwahrungnahme nicht erforderlich war. III. Entschädigung für rechtmäßige Maßnahmen Entschädigung ist nach allen Polizeigesetzen zu leisten, wenn eine als Nichtstörer herangezogene Person durch die polizeiliche Maßnahme einen Schaden erleidet191. Beispiel: Die Sicherstellung des PKW eines Unbeteiligten

187

Vgl. Maurer, § 26, Rn. 88; Ossenbühl, § 24, 1 (S. 200 f.). Vgl. BGHZ 90, 17 (31 f.); Ossenbühl, § 24, 6 (S. 217 ff.). Es muß sich nicht um einen finalen Eingriff handeln. Ausreichend ist, daß der Schaden unmittelbare Auswirkung einer hoheitlichen Maßnahme ist, vgl. BGHZ 37, 44 (47) - Waldbrand durch Schießübungen. Letztlich geht es um eine wertende Zurechnung von Schäden, die bei Abschleppschäden unproblematisch ist. Zur Kritik an der Gemeinwohlbezogenheit siehe Ossenbühl, § 24, 5 (S. 216 f.). 191 Vgl. § 45 Abs. 1 S. 1 MEPolG; § 55 Abs. 1 S. 1 bwPolG; siehe hierzu Treffer, Staatshaftung im Polizeirecht, Berlin 1993. Strittig ist, ob § 55 bwPolG auch die rechtswidrige Inanspruchnahme von Nichtstörern erfaßt, bejahend Belz/Mußmann, § 55, Rn. 2; Reichert/Ruder, Rn. 738; Wolf/Stephan, §55, Rn. 1; a. A. Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 535. Nach der Konzeption des MEPolG folgt der Anspruch bei 188

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

ist erforderlich, um eine Notlage abzuwenden; bei der Benutzung beschädigt die Polizei das Fahrzeug. Dagegen ist ein Störer bei rechtmäßiger Inanspruchnahme grundsätzlich 192

nicht zu entschädigen . Etwas anderes muß aber dann gelten, wenn eine im übrigen in rechtmäßiger Weise durchgeführte Abschleppmaßnahme zu einer Beschädigung des Fahrzeugs führt. Denn im Gegensatz zu der polizeilichen Maßnahme hat der Betroffene die Eigentumsverletzung nicht zu dulden. Diese stellt sich als rechtswidrige Maßnahme (im Sinne des Erfolgsunrechts) dar und zieht folglich einen Entschädigungsanspruch nach den polizeirechtlichen Haftungsbestimmungen oder subsidiär nach enteignungsgleichem Eingriff nach sich (siehe oben II) 193 . Wird der Beschuldigte in einem Strafverfahren 194 freigesprochen, hat er gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG Anspruch auf Ersatz der Schäden, die er infolge der rechtmäßigen strafprozessualen Sicherstellung oder Beschlagnahme seines Kraftfahrzeugs erlitten hat195. Hat eine andere Person einen Schaden erlitten (ζ. B. der mit dem Beschuldigten nicht identische Eigentümer des Fahrzeugs), dann könnte sich ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff ergeben. Allerdings stellen rechtmäßige Strafverfolgungsmaßnahmen regelmäßig kein Sonderopfer dar, da die betreffenden Befugnisnormen nur Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) bestimmen und nicht über das hinausgehen, was jeder Bürger im Interesse einer funktionierenden Strafrechtspflege hinzunehmen hat196. Ein Anspruch aus enteignendem Eingriff kommt nach Ansicht des BGH nur dann in Betracht, wenn sich eine besondere Gefahr verwirkliche, die in der Maßnahme selbst angelegt sei, so daß sich der im konkreten Fall eintretende Nachteil aus der Eigenart der Maßnahme ergebe197. Diese Voraussetzungen sollen nicht vorliegen, wenn ein rechtmäßig sichergestelltes und ordnungsgemäß verwahrtes Fahrzeug von Dritten vorsätzlich beschädigt wird 198.

rechtswidriger Inanspruchnahme eines Nichtstörers aus § 45 Abs. 1 S. 2 MEPolG, vgl. Möller/Wilhelm,, S. 220. 1Q2 Allg. Meinung, vgl. nur Möller/Wilhelm, S. 219; Schenke, in: Steiner, II, Rn. 339. Siehe hierzu Götz, Rn. 442; Rachor, in: Lisken/Denninger, L, Rn. 10; Schenke, 94 in:1Steiner, II, Rn.gilt 343; Rn.OWiG. 539. Gleiches für Würtenberger/Heckmann/Riggert, ein Bußgeldverfahren, vgl. §§46 Abs. 1,110 Vgl. hierzu und zur Frage des Schadensersatzes im Falle einer Einstellung oder Wiederaufnahme eines Verfahrens Roxin, Strafverfahrensrecht, § 58, Rn. 3 ff. Siehe zur Geltendmachung dieses Anspruchs BGH, NJW 1987, 2573 (2574); LG Osnabrück, VersR 1983, 692. 196 Vgl. BGH, NJW 1987, 2573 (2574); Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 547. 197 Vgl. BGH, NJW 1987, 2573 (2574) m. w. Nachw. 198 Vgl. BGH, NJW 1987, 2573 (2574).

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4. Teil: Rechtsschutz

D. Staatshaftung wegen Leistungsstörungen im öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis I. Entstehung und Beteiligte des Schuldverhältnisses Das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis entsteht mit dem Abstellen des Fahrzeugs auf einem Verwahrungsgelände199. Verwahrer ist die staatliche Stelle, die das Abschleppen und die Inverwahrungnahme angeordnet hat. Partei des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses ist also nicht notwendig derjenige, der die Sache in Besitz hat und für ihre Verwahrung Sorge trägt. Insbesondere ist der private Abschleppunternehmer, dem die Verwahrung von der Behörde übertragen wurde, nicht Beteiligter der Sonderbeziehung, sondern lediglich Gehilfe der Verwaltung200. Er erfüllt die der Verwaltung obliegende Verwahrungs- und Obhutspflichten und kann somit als Erfüllungsgehilfe angesehen werden, auf den die Bestimmungen der §§ 276, 278 BGB entsprechend anwendbar sind201. Auf der Seite des Deponenten ist die Bestimmung des oder der an der Sonderverbindung Beteiligten schwieriger. Sie ergibt sich indes bei näherer Betrachtung aus der Zielrichtung des öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses. Die Verwahrung erfolgt, weil die Berechtigten von der Einwirkung auf die Sache rechtlich (Sicherstellung gem. § 21 Nr. 1 MEPolG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) oder tatsächlich ausgeschlossen sind. Als Hinterleger sind folglich alle Personen Beteiligte des Schuldverhältnisses, die kraft Eigentums oder Besitzrechts zur Einwirkung auf die Sache berechtigt sind (vgl. die entsprechenden Regelungen in § 32 Abs. 1-4 bwPolG, die den Eigentümer und den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt nennen). II. Positive Forderungsverletzung 1. Die Anspruchsvoraussetzungen Das gesetzlich nicht geregelte Rechtsinstitut der positiven Forderungsverletzung ist im Zivilrecht seit langem anerkannt und kann mittlerweise als Gewohnheitsrecht angesehen werden. Es gewährt Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB, wenn im Rahmen einer schuldrechtlichen Sonderverbin-

199

Siehe oben S. 154 ff. Vgl. LG Osnabrück, VersR 1983, 692. 201 BGHZ 1, 369 (383); 3, 162 (173); LG Osnabrück, VersR 1983, 692; Maurer, § 28, Rn. 6; vgl. auch BGHZ 54, 299 (302); 61,7(11). 200

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

dung eine Partei Obhuts- oder Nebenpflichten verletzt und hierdurch die andere 202

Partei in adäquat kausaler Weise einen Schaden erleidet . Der Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts des allgemeinen Leistungsstörungsrechts ist nicht auf das Zivilrecht beschränkt, sondern erfaßt auch verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse203, also insbesondere das öffentlichrechtliche Verwahrungsverhältnis. Als Pflicht, deren Schlechterfüllung oder Verletzung einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung auslösen kann, kommt vorrangig die Verwahrungs- und Obhutspflicht des Depositars in Betracht204. 2. Verletzung der Verwahrungs-

und Obhutspflicht

Die Verwaltung ist aus dem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis verpflichtet, das Fahrzeug des Betroffenen sorgfältig zu verwahren und Beschädigungen, Wertminderungen und Verlust des Fahrzeugs zu verhindern205. Es muß gewährleistet sein, daß das Fahrzeug in dem Zustand an den Betroffenen herausgegeben werden kann, in dem es sich bei Beginn der Verwahrung befand 206. Die Verwahrung soll den Umstand ausgleichen, daß der Betroffene nicht selbst Schutz- und Fürsorgemaßnahmen ergreifen kann. Daraus folgt einserseits, daß sich die Verwahrung an den Interessen des Betroffenen zu orientieren hat. Andererseits kann von der Verwaltung aber nicht mehr Sorgfalt verlangt werden, als sie vorher der Inhaber des Fahrzeugs zeigte207. Die Verwahrungspflicht kann der Bestimmung des § 688 BGB entnommen werden. Soweit allerdings das öffentliche Recht die Pflichten der Verwaltung gegenüber dem Bürger bei der Durchführung der Verwahrung selbst regelt, bietet sich vorrangig eine analoge Anwendung dieser Vorschriften an208, da sie besser auf die Interessenlage im öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis zugeschnitten sind als die allgemeinen Regeln des BGB. In BadenWürttemberg regeln § 32 Abs. 3 bwPolG und § 3 Abs. 1 DVO bwPolG die 209

Durchführung der Verwahrung sichergestellter und beschlagnahmter

Sachen.

Vgl. etwa Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 306 ff. Vgl. Maurer, § 28, Rn. 4 f.; Ossenbühl, § 44, 1 c (S. 298); ebenso für den öffentlichrechtlichen Vertrag Papier, Forderungsverletzung, S. 152. 204 Schadensersatz wegen Verletzung einer Mitteilungspflicht lehnte OLG Frankfurt, VersR 1983, 46 (47) ab. 205 VGH Kassel, NVwZ 1988, 655 (656); DÖV 1991, 699. 206 RGZ 105, 338 (339). 207 LG Hamburg, vom 27.1.1989 - 3 Ο 331/89 - (in ZfS 1989, 389 nicht abgedruckt). 208 Büllesbach, S. 130 f.; Maurer, JuS 1981, 809 (812); Reichert/Ruder, Rn. 704; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Rn. 487. 203

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4. Teil: Rechtsschutz

Entsprechend anwendbar sind wegen der vergleichbaren Interessenslage bei der Verwahrung abgeschleppter Kraftfahrzeuge folgende Vorschriften: - § 33 Abs. 3 bwPolG („Bei der Verwahrung sichergestellter Sachen ist den Belangen des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt Rechnung zu tragen"). - § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 DVO bwPolG („Sichergestellte Sachen sind so zu verwahren, daß sie der Einwirkung Unbefugter entzogen sind; Wertminderungen ist nach Möglichkeit vorzubeugen. Ist eine amtliche Verwahrung nicht möglich oder nicht zweckmäßig, so ist die sichergestellte Sache einem Dritten zur Aufbewahrung zu übergeben"). - §§ 33 Abs. 2, 34 Abs. 2 S. 1 bwPolG (Pflicht, den Betroffenen unverzüglich zu benachrichtigen). 3. Verschulden Der Verschuldensmaßstab richtet sich nach § 276 Abs. 1 BGB analog. Die Haftungsbeschränkung des § 690 BGB, derzufolge der Verwahrer nur für die eigenübliche Sorgfalt (diligentia quam in suis, § 277 BGB) einstehen soll, kann im öffentlichen Recht nach ganz einhelliger Ansicht nicht entsprechend angewendet werden210, weil die Stellung des Staates als Verwahrer eine gänzlich andere als die des privaten Depositars ist und der Grund für die Haftungserleichterung, die Schutzbedürftigkeit des unentgeltlich Verwahrenden, im öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis nicht zum Tragen kommen kann. Das Verschulden von mit der Verwahrung beauftragten Hilfspersonen (Abschleppunternehmer) hat die Verwaltung wie eigenes gegen sich gelten zu lassen (§ 278 BGB analog). An die Sorgfaltspflicht der verwahrenden Stelle können nach Ansicht der Rechtsprechung keine höheren Anforderungen gestellt werden, als dies bei der Behandlung und Aufbewahrung des Fahrzeugs durch den Betroffene selbst der Fall ist. Teilweise regeln die Polizeigesetze auch den Umfang der erforderlichen Sorgfalt. Diese Vorschriften, die unmittelbar nur für Verwahrungen im Rahmen einer Beschlagnahme oder Sicherstellung gelten, können auch auf andere Fälle der Verwahrung von abgeschleppten Kfz entsprechende Anwendung finden (siehe zum Ganzen bereits oben unter 2.). ?OQ Gemäß § 33 Abs. 2 S. 3 bwPolG und § 3 Abs. 3 DVO bwPolG sind die genann0 ten2 1Vorschriften auch Beschlagnahme anwendbar. Vgl. BGHZ 4,bei 192 (194); LG Osnabrück, VersR 1983, 692; Büllesbach, S. 20; Hüffer, in: Münchener Kommentar, § 688, Rn. 63; Maurer, § 28, Rn. 5; Reuter, in: Staudinger, vor §§ 688 ff., Rn. 54; offenlassend, weil im konkreten Fall nicht erheblich BVerwGE 52, 247 (254).

5. Abschn.: Schadensersatz und Entschädigung

III. Unmöglichkeit Ebenfalls entsprechend anwendbar sind im Rahmen verwaltungsrechtlicher Verwahrungsverhältnisse die Regeln über die Haftung bei zu vertretender Unmöglichkeit (§§ 280, 282)211. Der Deponent kann deshalb analog § 280 BGB Schadensersatz verlangen, wenn die Herausgabe eines verwahrten Fahrzeugs (vgl. § 695 BGB) infolge eines Umstandes, den die Verwaltung oder ihr Erfüllungsgehilfe zu vertreten hat (§§ 276, 278 analog). Die Herausgabe kann etwa dann unmöglich werden, wenn das Fahrzeug gestohlen oder zerstört wird. Von besonderer Bedeutung für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ist die Beweislastumkehr des § 282 BGB. Sie führt nämlich anders als im Rahmen der Amtshaftung dazu, daß der Betroffene das Vertretenmüssen des Verwahrenden nicht beweisen muß, was ihm angesichts der für ihn regelmäßig nicht durchschaubaren Zusammenhänge auch kaum möglich wäre. E. Rechtsweg und Verhältnis der Ersatzansprüche zueinander Klagen auf Schadensersatz oder Entschädigung sind in allen Fällen im ordentlichen Rechtsweg zu erheben. Dies folgt für Amtshaftungsansprüche aus Art. 34 S. 3 GG, für polizeirechtliche Entschädigungsansprüche aus § 58 bwPolG (§ 51 MEPolG) und für Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem bzw. enteignendem Eingriff 212 und für Schadensersatzansprüche aus dem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis aus § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO. Da der enteignungsgleiche Eingriff auch bei schuldhaften Eingriffen in Betracht kommt, ergeben sich Überschneidungen mit dem Anwendungsbereich der Amtshaftung. Beide Ansprüche stehen jedoch selbständig nebeneinander, da sie im Fall des enteignungsgleichen Eingriffs Ausdruck einer unmittelbaren, im Fall des Amtshaftungsanspruchs Ausdrucks einer nur mittelbaren Staatshaftung sind213. Schuldrechtliche und deliktische Schadensersatzansprüche stehen in Anspruchskonkurrenz. Somit kommt auch die Haftung aus einem Verwahrungsverhältnis neben der aus Art. 34 GG, § 839 BGB zum Tragen. Enteignungsgleicher Eingriff und Verwahrung sind für den Geschädigten vor allem wegen der dreißigjährigen Verjährungsfrist (im Gegensatz zu der für Amtshaftungsansprüche geltenden Dreijahresfrist des § 852 BGB) und dem Vorteil einer primären Ersatzmöglichkeit (im Gegensatz zu § 839 Abs. 1 S. 2 211

Vgl. BGHZ 3, 162 (174); BGHZ 4, 192 (195); BGH, NJW 1990, 1230 (1231); LG Osnabrück, VersR 1983, 692; vgl. auch BVerwGE 52, 247 (255). 212 Dies sind Aufopferungsansprüche, vgl. Kopp, VwGO, § 40, Rn. 61 m. w. Nachw.; Schenke, VerwaltungsprozeßR, Rn. 145. 213 Vgl. BGHZ 13, 88 (93 ff.); Maurer, § 26, Rn. 104.

336

4. Teil: Rechtsschutz

BGB) günstig. Einige Polizeigesetze sehen allerdings für die polizeirechtlichen Entschädigungstatbestände ebenfalls nur eine dreijährige Verjährungsfrist vor 214.

214

Vgl. die Nachweise bei Friauf in: Schmidt-Aßmann, Rn. 202, Fn. 482.

Fünfter

Teil

Zusammenfassung Ergebnisse des ersten Teils Das Abschleppen von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr stellt sich in den allermeisten Fällen als Vollzug eines von der Polizei oder Ordnungsverwaltung erlassenen Entfernungsgebotes bzw. als unmittelbare Ausführung oder sofortiger Vollzug der gebotenen Entfernungshandlung dar. Entfernungsgebote können von der Straßenverkehrsbehörde sowie im Eilfall von der Polizei zum Zweck der Verkehrsregelung ausgesprochen und durch das Aufstellen von Halt- bzw. Parkverbotszeichen oder entsprechender Verkehrseinrichtungen bekanntgegeben werden1. Die Entfernung eines Kraftfahrzeugs kann im Einzelfall aus Gründen der Gefahrenabwehr angeordnet werden, wenn das Abstellen des Fahrzeugs - eine abfallrechtswidrige Abfallbeseitigung darstellt2, - aufgrund dessen schadhaften Zustandes zu einer Belastung des Grundwassers oder des Bodens führen kann3, - nicht mehr als Vorgang des ruhenden Verkehrs angesehen werden kann und entweder ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 1 StVO4 oder eine unerlaubte Sondernutzung5 gegeben ist, - mit einer Nutzung verbunden ist, die Bauordnüngsrecht widerspricht6, - verkehrsrechtlich unzulässig ist und zugleich ein Bedürfnis für eine Regelung der aktuellen, konkreten Verkehrssituation gegeben ist7, 1

Vgl. §§ 44 Abs. 2 S. 2, 45 StVO; siehe hierzu S. 36 ff.; 52 ff. und 69 ff. Anordnung der Abfallrechtsbehörde nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG, siehe S. 31 ff. 3 Entfernungsgebot der Polizei gem. § 82 Abs. 1 S. 2 bwWasserG bzw. § 8 Abs. 2 bwBodSchG; soweit eine Entsorgung als Abfall geboten ist, sind abfallrechtliche Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG zu ergreifen. 4 Anordnung der Polizei aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel, bzw. in Baden· Württemberg des Trägers der Straßenbaulast gem. § 42 S. 2 bwStrG, siehe S. 28 ff. 5 Anordnung des Trägers der Straßenbaulast gem. § 16 Abs. 1 S. 1 bwStrG, siehe S. 28 ff. 6 Beseitigungsanordnung der Baurechtsbehörde gem. § 65 bwBO. siehe S. 35 ff. 2

22 Schieferdecker

338

Zusammenfassung

- eine sonstige Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt8, etwa wegen Verletzung eines in der StVO normierten Halt- bzw. Parkverbots oder wegen Verwirklichung des Tatbestandes einer (Verkehrs-) Ordnungswidrigkeit oder eines Strafgesetzes. In keiner dieser Fallgestaltungen besteht ein Anwendungsbereich für die präventivpolizeiliche Sicherstellung oder Beschlagnahme. Sichergestellt oder beschlagnahmt werden kann ein Fahrzeug lediglich dann, wenn die im Einzelfall bestehende Gefahr nicht bereits durch die Veränderung des Standorts oder eine andere Einwirkung auf den Zustand des Fahrzeugs, sondern nur durch dessen polizeiliche Ingewahrsamnahme unter Ausschluß der Allgemeinheit und (außer im Fall einer Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten) des Berechtigten abgewehrt werden kann. Eine Sicherstellung oder Beschlagnahme kommt in Betracht, wenn die von der Beschaffenheit oder von der Verwendung des Fahrzeugs ausgehende oder ihm selbst drohende Gefahr effektiv nur durch amtliche Ingewahrsamnahme abgewehrt werden kann. Das Abschleppen kann auch nicht nur hinsichtlich des Abtransports eines entfernten Fahrzeugs als Sicherstellung zum Schutz des Sachberechtigten qualifiziert werden. Ein Anwendungsbereich für jene ist nur insoweit eröffnet, als bereits am ursprünglichen Standort die Gefahr droht, daß das Fahrzeug beschädigt oder entwendet werden könnte9. Entfernungsgebote können von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, im Wege der Ersatzvornahme durchgesetzt werden. Erfolgt das Abschleppen in Abwesenheit des oder der Verantwortlichen, kann die Polizei die Entfernungshandlung unmittelbar ausführen und den Gefahrenabwehrerfolg selbst bewirken10. Ein Handeln in unmittelbarer Ausführung ist entgegen der herrschenden Meinung auch dann möglich, wenn das Fahrzeug unter Verstoß gegen ein Haltverbotszeichen abgestellt wurde. Die Zulässigkeit der unmittelbaren Ausführung folgt aus der Ratio des in § 8 Abs. 1 bwPolG konkretisierten Erforderlichkeitsprinzips. Danach ist das Handeln in unmittelbarer Ausführung lediglich dann ausgeschlossen, wenn dem Verantwortlichen im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens durch Erlaß eines Entfernungsgebots die Eigenvornahme ermöglicht werden könnte. Eine unmittelbare Ausführung ist also nur dann unzulässig, wenn der Verantwortliche anwesend ist. Das ist in der Praxis kaum der Fall. Selbst bei Zugrundelegung der These vom Vorrang des Regelvollstreckungsverfahrens ergibt sich die Zulässigkeit einer unmittelbaren Ausführung stets dann, wenn beim Vollzug der Verkehrszeichenregelung Recht-

7

Weisung der Polizei gem. §§ 44 Abs. 2 S. 1, 36 Abs. 1 S. 1 StVO, siehe S. 61 ff. Entfernungsgebot der Polizei aufgrund der polizeirechtlichen Generalklausel, siehe S. 73 ff. 9 Siehe S. 89 ff. und S. 109 ff. 10 Siehe S. 139 ff.

Zusammenfassung

mäßigkeitserfordernisse des Vollstreckungsverfahrens nicht gegeben sind, beispielsweise weil es an der zwingend vorgesehenen Androhung oder Festsetzung des Zwangsmittels Ersatzvornahme oder an der Vollstreckungszuständigkeit fehlt. So ist in Baden-Württemberg eine Zuständigkeit des Polizeivollzugsdienstes grundsätzlich nicht begründbar11. Bei entsprechendem Umfang der Aufgabenübertragung können kommunale Vollzugsbedienstete dieselben Befugnisse wie Polizeivollzugsbeamte ausüben. Die Vollstreckungszuständigkeit der Gemeinde als Straßenverkehrsbehörde können sie in rechtmäßiger Weise nur dann wahrnehmen, wenn ihnen diese Aufgabe nach der gemeindeinternen Geschäftsverteilung zugewiesen ist12. Eine Übertragung der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse beim Abschleppen von Kraftfahrzeugen auf Private wäre nicht nur mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig; sie scheiterte daran, daß eine Privatisierung polizeilicher Gefahrenabwehr aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist13. Die Befugnis zur unmittelbaren Ausführung bzw. zur Ersatzvornahme erfaßt auch das Verbringen eines Fahrzeugs zum Verwahrungsgelände, wenn das Fahrzeug nicht mit vertretbarem Aufwand in der Nähe des ursprünglichen Standortes abgestellt werden kann14. Weitergehende Handlungen bedürfen, was insbesondere im Hinblick auf die Kosten von Bedeutung ist, einer besonderen Rechtsgrundlage. Mit dem Abstellen eines abgeschleppten Kfz auf einem Verwahrungsgelände kommt unabhängig von der rechtlichen Qualifikation der vorangegangenen Abschleppmaßnahme ein öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis zur Entstehung. Die Verwahrung dient der Gefahrenabwehr, wenn sie im Vollzug einer Sicherstellung (§ 21 Nr. 1 MEPolG, Beschlagnahme gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 bwPolG) stattfindet. Sie hat in diesem Fall den Charakter eines Eingriffs in die Rechte des Betroffenen und bedarf für nachteilige Auswirkungen der ausdrücklichen gesetzlichen Legitimation. In allen anderen Fällen stellt sich die Verwahrung als eine Leistung der Behörde im Interesse des Berechtigten dar, weshalb auf das Verwahrungsverhältnis die §§ 688 ff. BGB dem Grundsatz nach analoge Anwendungfinden können15.

11 12

13 14 15

Siehe S. 130 ff. Siehe S. 83. und S. 131; zur „kommunalen Parküberwachung" S. 84 f. Siehe S. 86 ff. Siehe S. 118 und S. 153. Siehe S. 154 ff.; S. 159 ff. Dies gilt nicht hinsichtlich der Kosten, vgl. S. 261 ff.

Zusammenfassung

340

Ergebnisse des zweiten Teils Verantwortlich für polizeirechtliche Abschleppmaßnahmen ist der Fahrer als Verhaltensverantwortlicher, sowie der Eigentümer und der Inhaber der Sachherrschafi als Zustandsverantwortlicher. Eine Verantwortlichkeit des Halters kann in verschiedener Weise begründet sein. Er ist Verhaltensverantwortlicher, wenn er das Fahrzeug selbst abgestellt hat, als Geschäftsherr für Verrichtungsgehilfen haftet oder ausnahmsweise bereits durch die Überlassung des Fahrzeugs an einen Dritten die polizeirechtliche Gefahrenschwelle unmittelbar überschritten hat16. Eine Zustandsverantwortlichkeit des Halters ist gegeben, wenn er Eigentümer des Fahrzeugs ist; ansonsten kann der Halter regelmäßig als anderer Berechtigter angesehen werden. Die tatsächliche Sachherrschaft hat der Halter grundsätzlich auch dann inne, wenn er sein Fahrzeug kurzfristig an eine andere Person zum Gebrauch überlassen hat. Es genügt, ist aber auch erforderlich, daß er über die Möglichkeit, auf das Verhalten des Fahrers Einfluß nehmen zu können, mittelbar auch auf das Fahrzeug einwirken kann. Besteht keine Einwirkungsmöglichkeit auf den Fahrer, weil dieser sich dem Willen des Halters ersichtlich nicht unterordnen will, entfällt auch die tatsächliche Sachherrschaft des Halters17. In einer solchen Konstellation besteht auch keine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers18. Die Zustandsverantwortlichkeit des Halters oder Eigentümers wird durch die Verhaltensverantwortlichkeit des Fahrers nicht verdrängt19. Stehen mehrere Verantwortliche zur Gefahrenabwehr oder als Kostenschuldner zur Verfügung, ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Mehrheit von Störungen (ζ. B.: mehrere Kfz parken auf einer Busspur) oder um eine Mehrheit von Störenden (ζ. B.: Verantwortlichkeit des Fahrers wie auch des Eigentümers eines Kfz) handelt. Bei einer Mehrheit von Störungen werden die Kosten jeder Abschleppmaßnahme dem jeweiligen störungsverursachenden Fahrzeug zugeordnet; soweit dies nicht möglich ist, sind die Gesamtkosten angemessen auf alle Fahrzeuge zu verteilen20. Lediglich im Fall einer Mehrheit von Störenden kommt eine Auswahlentscheidung in Betracht, die regelmäßig erst hinsichtlich der Kostenheranziehung erfolgen kann. Auf der Sekundärebene erfolgt die Auswahl unter dem Gesichtspunkt der gerechten Lastenverteilung, wobei dem Interesse der Verantwortlichen an der konkreten gefahrschaffenden Nutzung des Fahrzeugs besondere Bedeutung zukommt, weil die dem Nutzungsinteresse korrespondierende Lastenzuweisung (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG) bei einem gesteigerten Nutzungsinteresse die Verantwortlichkeit einer 16 17 18 19 20

Siehe S. 179 ff. Siehe S. 183 ff. Siehe S. 175 ff. Siehe S. 171 ff. Siehe S. 197 ff.

Zusammenfassung

Person in stärkerem Maße legitimiert, als dies bei einem geringeren Interesse der Fall ist21. Die demnach in den meisten Fällen gebotene vorrangige Heranziehung des Fahrers vor dem Halter bzw. Eigentümer scheidet jedoch dann aus, wenn der Fahrer nicht ermittelt werden kann, vom Halter aber benannt werden könnte. Kommt der Halter nämlich seiner Mitwirkungsobliegenheit bei der Ermittlung des Sachverhalts nicht nach, besteht für die Verwaltung keine weitere Aufklärungspflicht, womit der Halter als nach der Sachverhaltslage einzig Verantwortliche herangezogen werden kann22. Der Vollzug eines Entfernungsgebots ist nicht erforderlich und damit rechtswidrig, wenn der nicht anwesende Fahrer ermittelt und ihm Gelegenheit zur Entfernung des störenden Fahrzeugs gegeben werden kann. Nachforschungen sind jedoch nur dann geboten, wenn sich der Fahrer erkennbar in unmittelbarer Nähe aufhält und die Größe der in Betracht kommenden Räumlichkeiten so begrenzt ist, daß Nachforschungen auch tatsächlich erfolgsversprechend sind23. Nicht erforderlich ist auch das Abschleppen zu einem Verwahrungsgelände, wenn ein Versetzen möglich ist, ebenso das Abstellen auf einem kostenpflichtigen Parkplatz, wenn eine Verwahrung sich als milderes Mittel darstellt, oder die Sicherstellung zum Schutz eines Fahrzeugs, wenn dieses wertlos ist oder am ursprünglichen Abstellort nicht gefährdet ist bzw. ausreichend gesichert werden kann. Gegenüber den eher gering zu bewertenden Nachteilen des Verantwortlichen werden die mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interessen nur ausnahmsweise derart zurückfallen, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne anzunehmen wäre. Das hat seinen Grund darin, daß das Abschleppen einem Bündel öffentlicher Interessen dient (Bewahrung der Rechtsordnung, Schutz besonderer Verkehrsfimktionen, Minimierung des Sicherheitsrisikos im Straßenverkehr, Verhinderung negativer Vorbildwirkung), die einzeln betrachtet manchmal von nur geringer Bedeutung sein mögen, in ihrer Gesamtheit jedoch fast nie in einem deutlichen Mißverhältnis zu den Nachteilen des Verantwortlichen stehen. Wegen Geringfügigkeit des Verkehrsverstoßes wird eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angenommen werden können, wenn ein Fahrzeug abgeschleppt wird, das nur ganz unbedeutend in den räumlichen Bereich eines Haltverbots hineinragt, wenn der Verkehrsverstoß von sehr geringer Dauer ist oder wenn die Funktion der Verkehrsregelung aus anderen Gründen kaum beeinträchtigt ist24.

21 22 23 24

Siehe S. 200 ff. Siehe S. 202 ff. Siehe S. 206 ff. Siehe S. 212 ff.

342

Zusammenfassung

In den Fällen des nachträglich errichteten Haltverbots25 kann eine Kostenbelastung nicht mit der Argumentation abgelehnt werden, dies sei unverhältnismäßig. Vielmehr hat eine dogmatisch überzeugende Lösung auf der Ebene der Störungsverursachung anzusetzen: Da das nachträglich errichtete Haltverbotszeichen dem Verkehrsteilnehmer, der bereits an der betreffenden Stelle parkt, nicht bekanntgegeben und damit wirksam wird, stellt das Abstellen im Haltverbot keine Störung der öffentlichen Sicherheit dar. Zur polizeirechtlichen Verantwortlichkeit kann auch nicht die Leerformel von der „Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs" oder der Verweis auf das bestehende straßenverkehrsrechtliche Regelungsbedürfnis führen. Soweit durch das abgestellte Fahrzeug eine konkurrierende Nutzung verhindert wird, bedarf es der Abwägung der entgegenstehenden Interessen und Risikosphären. Dabei zeigt sich, daß eine straßenverkehrsrechtliche Nachschau- und Überwachungspflicht in Bezug auf das Verhalten im ruhenden Verkehr nicht festgestellt werden kann. Der Parkende darf darauf vertrauen, daß er durch ordnungsgemäße Parkvorgänge keine Nachteile erleidet. Das Risiko einer Nutzungsunverträglichkeit wird von der Rechtsordnung jedenfalls im Rahmen des sozial Üblichen toleriert. Es behindert also nicht der Parkende andere Verkehrsteilnehmer oder im Straßenraum tätige öffentliche Stellen, sondern deren Nutzung muß zurückstehen, weil sie kein besseres Recht an der Straße haben, als jener.

Ergebnisse des dritten Teils Hinsichtlich der Kostenerstattungsansprüche der Verwaltung ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Kosten des Entfernens und - sofern erforderlich - des Transports zum Abstellort sind je nach Qualifikation der Maßnahme als Kosten der unmittelbaren Ausführung (§ 5a Abs. 2 MEPolG, § 8 Abs. 2 bwPolG) oder als Kosten der Ersatzvornahme (§§ 25, 31 Abs. 1, Abs. 4 bwVwVG in Verbindung mit §§ 6, 8 VwVGKO) zu erstatten. Der Umfang der Kosten der unmittelbaren Ausführung ist durch Auslegung des § 8 Abs. 2 bwPolG zu bestimmen, was wegen der strukturellen Verwandtschaft der unmittelbaren Ausführung mit der Ersatzvornahme zu einem Gleichklang mit den für die Ersatzvornahme ausdrücklich normierten Bestimmungen der VwVGKO führt 26. Sofern das Abschleppen ausnahmsweise als Sicherstellung zu qualifizieren ist, sind die Kosten des Entfernens und des Transports solche der Sicherstellung. In Baden-Württemberg besteht insoweit kein Kostenerstattungsanspruch - lediglich bei zwangsweiser Durchsetzung der Sicherstellung können für die

25 26

Siehe S. 232 ff. Siehe S. 259 ff.

Zusammenfassung

Anwendung unmittelbaren Zwangs (und somit nicht auch für den Transport des sichergestellten Fahrzeugs) Gebühren erhoben werden27. Anders stellt es sich bei den Verwahrungskosten dar: Erfolgt die Verwahrung im Vollzug einer Sicherstellungsanordnung, ergibt sich der polizeiliche Kostenersatzanspruch aus § 3 Abs. 1 S. 3 DVO bwPolG. Nach Aufhebung der Sicherstellung, sowie in allen anderen Konstellationen, können die Kosten der Verwahrung durch Erhebung einer Verwaltungsgebühr geltend gemacht werden28. Die §§ 689, 693 BGB sind nicht analog anwendbar. Wegen der Abschlepp- und Verwahrungskosten kann die Verwaltung ein Zurückbehaltungsrecht nur geltend machen, wenn ein solches ausdrücklich normiert ist29, in Baden-Württemberg also nur wegen der Kosten der Verwahrung sichergestellter oder beschlagnahmter Fahrzeuge (§ 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG). Der Anwendungsbereich des in § 15 Abs. 2 bwGebG geregelten Zurückbehaltungsrechts ist zwar hinsichtlich der Kosten einer Ersatzvornahme und hinsichtlich der Verwahrungsgebühren grundsätzlich eröffnet, Kraftfahrzeuge gehören jedoch nicht zu den von dieser Vorschrift behandelten Sachen, so daß eine Zurückbehaltungsbefugnis aus § 15 Abs. 2 bwGebG nicht abgeleitet werden kann30. Da die Zurückbehaltung als Grundrechtseingriff einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage bedarf, sind Versuche, in Analogie zu § 273 BGB, § 15 Abs. 2 bwGebG oder § 3 Abs. 1 S. 4 DVO bwPolG ein öffentlichrechtliches Zurückbehaltungsrecht zu begründen, gleichfalls zu verwerfen. Die Einbeziehung privater Abschleppunternehmer in den Abschleppvorgang ist rechtlich zulässig, weil und sofern sie nicht mit hoheitlichen Befugnissen beliehen werden, sondern lediglich physisch-reale Hilfstätigkeiten übernehmen. Zwischen dem Abschleppunternehmer und dem Verantwortlichen bestehen keine rechtlichen Beziehungen, weshalb jener diesem gegenüber keine eigenen Kostenersatzansprüche oder Zurückbehaltüngsrechte geltend machen kann31. Ein eventuell gegebenes öffentlichrechtliches Zurückbehaltungsrecht kann der Unternehmer auch nicht durch Erwerb der öffentlichrechtlichen Kostenforderung erlangen, da die §§ 398 ff. BGB angesichts der entgegenstehenden Interessenlage im öffentlichen Recht, insbesondere wegen der Unvereinbarkeit mit den Grundsätzen des Gesetzesvorrangs und Gesetzesvorbehalts, nicht analog angewendet werden können. Die Abtretung würde sich ebenso wie die gleichfalls abzulehnende Übertragung der Zurückbehaltungsbefugnis auf den Abschleppunternehmer als mangels gesetzlicher Grundlage unzulässige Beleihung 27 28 29 30 31

Siehe S. 254 ff. Siehe S. 261 ff. Siehe S. 268 ff. Siehe S. 273. Siehe S. 276 ff.

Zusammenfassung

344

darstellen32. Das Handeln des Abschleppunternehmers ist dagegen nicht zu beanstanden, wenn er Zahlungen des Kosten- oder Gebührenschuldners als Empfangsbevollmächtigter der ihn beauftragenden Behörde entgegennimmt und deren Erklärung der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts als Bote an den Kostenschuldner übermittelt.

Ergebnisse des vierten Teils Der Rechtsschutz des für eine Abschleppmaßnahme Verantwortlichen findet auf verschiedenen Ebenen statt. Gerichtlich angreifbar ist sowohl ein der Maßnahme zugrundeliegendes Entfernungsgebot, dessen zwangsweise Durchsetzung bzw. die unmittelbare Ausführung des Entfernens, sowie ein im Anschluß ergangener Kostenbescheid33. Wurden die Abschleppkosten bei der Inempfangnahme des Fahrzeugs entrichtet, kann mit der gerichtlichen Anfechtung des Kostenbescheids gem. § 113 Abs. 4 VwGO ein Leistungsantrag bzgl. der Kostenrückzahlung verbunden werden. Rechtsschutz gegen die Zurückbehaltung des Fahrzeugsfindet im Wege der allgemeinen Leistungsklage statt, gerichtet auf Herausgabe des Fahrzeugs. Herausgabeansprüche des Betroffenen können sich je nach Fallgestaltung aus § 695 BGB, aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch oder spezialgesetzlichen Normierungen desselben, sowie aus § 985 BGB ergeben34. Werden entsprechende Klagen gegen den das Fahrzeug verwahrenden Abschleppunternehmer gerichtet, können sie keinen Erfolg haben, weil dieser nicht passivlegitimiert ist. Für Schäden, die der Eigentümer eines Fahrzeugs infolge des Abschleppens oder der Verwahrung erleidet, stehen ihm Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen die öffentliche Hand auch dann zu, wenn sich diese zur Ausführung der Abschleppmaßnahme eines privaten Abschleppunternehmers bedient hat35. Dies folgt aus dessen Stellung als Erfüllungsgehilfe der Verwaltung im Rahmen eines zwischen dieser und dem Eigentümer des Fahrzeugs bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnisses. Unerheblich ist nicht nur, ob der Unternehmer weisungsgebunden und gleich einem Werkzeug der Behörde tätig geworden ist, systemwidrig ist es auch, auf den Grad der Einbindung des Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis abzustellen. Der private Unternehmer handelt allein deshalb in Ausübung eines ihm anvertrauten Amtes, weil es der öffentlichen Hand verboten ist, Abschleppmaßnahmen auf die Ebene des Privatrechts zu verlagern. Ist somit für die fraglichen Rechtsbeziehungen öffentliches Recht maßgeblich, kann das Handeln des einbezogenen Privaten nur 32 33 34 35

Siehe S. 277 ff. Siehe S. 288 ff. Siehe S. 296 ff. Siehe S. 301 ff.

Zusammenfassung

als Wahrnehmung des der Behörde anvertrauten öffentlichen Amtes qualifiziert werden, so daß er haftungsrechtlich dieselbe Position einnimmt wie eigene Bedienstete der Behörde. Gleichfalls in Betracht kommen Ansprüche aus enteignungsgleichem und enteignendem Eingriff, aus polizeirechtlichen Entschädigungstatbeständen und wegen Verletzung der aus dem Verwahrungsverhältnis folgenden staatlichen Obhuts- und Fürsorgepflicht 36. Zur Konkretisierung dieser Pflichten kann im Wege der Analogie auf die die Verwahrung sichergestellter Sachen betreffenden polizeirechtlichen Normierungen zurückgegriffen werden.

Schlußbemerkung Die Untersuchung hat ergeben, daß die Verwaltung umfassende Befugnisse zur Bewältigung der Abschleppfälle besitzt, wenngleich in diversen Abwicklungsfragen, insbesondere hinsichtlich der Kostenfrage und des Zurückbehaltungsrechts noch Regelungsdefizite bestehen. Der Betroffene genießt zwar lükkenlosen Rechtsschutz, kann aber anders als früher nicht mehr auf Milde hoffen, nachdem die Gerichte mehr und mehr die Verhältnismäßigkeitsprüfung von systemfremden Billigkeitserwägungen „entschlackt" haben. Im Sinne rechtsdogmatischer Klarheit wie auch angesichts der teilweise rüden Parksitten ist diese Tendenz grundsätzlich zu begrüßen. Wie sich an der Konstellation des „nachträglichen Haltverbots" zeigt, ist die Rechtsprechung jedoch offenbar im Begriff „über das Ziel hinauszuschießen". Allein die Erwägung, daß das Abschleppen von verbotswidrig abgestellten Fahrzeugen ein Massenphänomen ist, vermag eine noch weitere Ausdehnung polizeilicher Eingriffsbefugnisse nicht zu legitimieren. Letztlich ist auch nicht zu verkennen, daß der zunehmenden Zahl an Kraftfahrzeugen eine eher stagnierende, wenn nicht gar abnehmende Zahl an Parkplätzen gegenübersteht. Dies nötigt nicht zu juristischen Schlüssen, läßt aber Verständnis dafür aufkommen, wenn die Polizei- und Ordnungsbehörden sich in wohlverstandener Anwendung des Opportunitätsprinzips dafür entscheiden, die ihnen verliehenen Befugnisse nicht bei jeder Übertretung auszuüben.

36

Siehe S. 329 ff., S. 332 ff.

Literaturverzeichnis Achterberg, Norbert: Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Heidelberg 1986, zitiert: Achterberg. Adamaschek, Barbara: Die polizeiliche Generalklausel unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsstaatsgedankens, Bonn 1980, zitiert: Adamaschek. Albrecht, Karl-Dieter: Probleme der Kostenerhebung für polizeiliche Maßnahmen, in Festschrift für RudolfSamper, Stuttgart 1982, zitiert: Albrecht, Festschrift Samper. Arbeitskreis Polizeirecht'. Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder, Neuwied, Darmstadt 1979, zitiert: Arbeitskreis Polizeirecht. Arndt, Wolfgang: Umweltrecht, in Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, VIII, zitiert: Arndt, in: Steiner, VIII. Battis , Ulrich: Allgemeines Verwaltungsrecht, Heidelberg 1985, zitiert: Battis. Bauer, Hartmut: Verwaltungsrechtslehre im Umbruch?, Die Verwaltung 25 (1992), 301. Baumbach, Adolf / Lauterbach, Wolfgang / Albers, Jan / Hartmann, Peter: Zivilprozeßordnung, mit Gerichtsverfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, 54. Auflage, München 1996, zitiert: Verfasser, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann. Beiz, Reiner: Polizeigesetz des Freistaates Sachsen mit Erläuterungen, 2. Auflage, Dresden 1994, zitiert: Beiz. Beiz, Reiner / Mußmann, Eike: Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Auflage, Stuttgart u. a. 1996, zitiert: Belz/Mußmann. Bender, Bernd: Staatshaftungsrecht, 3. Auflage, Heidelberg 1981, zitiert: Bender. Berner, Georg / Köhler, Gerd Michael: Polizeiaufgabengesetz, 12. Auflage, München 1991, zitiert: Berner/Köhler. Berr, Wolfgang: Anmerkung zu OVG Hamburg, DAR 1982, 307. - Anmerkung zu OVG Hamburg, DAR 1995, 264. - Anmerkung zu BVerwG, DAR 1997, 120. Berr, Wolfgang / Hauser, Josef: Das Recht des ruhenden Verkehrs, München 1993, zitiert: Berr/Hauser. Biletzki, Gregor: Rechtsprobleme beim Abschleppen unerlaubt parkender Kraftfahrzeuge, NZV 1996, 303.

Literaturverzeichnis

347

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arverzeichnis Abfallbegriff 32 Abfallrecht 31; 164; 191; 268 Abschleppmaßnahme 24 Abschleppuntemehmer 87 - Abtretung 277 - als Besitzdiener 286 - als Einziehungsberechtigter 284 - als Erfüllungsgehilfe 332 - als Erklärungsbote 286 - als Störer 111 - Amtshaftung 303; 309 - eigenes Forderungsrecht 276 - Rechtsstellung 276 - Zurückbehaltungsrecht 284 Abschleppvorgang 26; 91; 118 Abtretung - öffentlichrechtlicher Forderungen 277 - Schuldnerschutz 281 - Voraussetzungen 278 Allgemeinverfugung 40 Altlasten 237 Amtsermittlung 202 Amtshaftung Siehe Staatshaftung Analogieschluß 157 anderweitige Ersatzmöglichkeit 327 Anfechtungsklage 289; 291 - und Leistungsantrag 294 Anscheinsstörer 169 Anwendung privatrechtlicher Normen 157 Anwohnerparkplatz 53; 214 Aufbewahrung 98; 120 Aufopferung 329 aufschiebende Wirkung 292 Autobahn 78 Bauordnungsrecht 35; 268

Beeinträchtigung staatlicher Aufgabenerfüllung 246 Behindertenparkplatz 53; 214 Behinderung 246; 247 Bekanntgabe 126 - Begriff 39; 44 - individuelle 42; 46; 82; 141; 252 - Möglichkeit der Kenntnisnahme 46 - öffentliche 40; 43; 44 Beleihung 303; 317; 321; 326; 343 Beschlagnahme Siehe Sicherstellung Billigkeit 195; 234; 239 Dauerparken 250 differenzierende Lösung 94; 111; 114 doppelfunktionale Maßnahme 120 Duldungsgebot 242 enteignender Eingriff 331 enteignungsgleicher Eingriff 330 Entfernen 24; 91; 100; 112; 114; 115; 116; 118; 120 Entfemungsgebot 24; 26; 70; 113; 118; 241; 242 - Abfallrecht 31; 35 - durch Verkehrszeichen 36 - durch Weisung 61 - mündliches 119; 146 - Polizeirecht 73; 120 - Rechtsschutz 288 - Straßenrecht 28 - Vollstreckung 125 Entschädigungsanspruch - aus enteignendem Eingriff 331 - aus enteignungsgleichem Eingriff 330 - bei rechtmäßiger Inanspruchnahme 331 - polizeirechtlicher 329

362

arverzeichnis

Erforderlichkeit 142; 146; 205; 207; 209; 210 - Sicherstellung 110; 115; 211 - unmittelbare Ausführung 146 Erfüllungsgehilfe 311; 312; 314; 322 Erledigung 289 Ermessen 85; 192; 239 - bei Kostenheranziehung 233; 238 Ersatzvornahme 125; 141; 268 - Androhung 129; 144 - bei Verkehrszeichen 82; 147 - Kosten 258 - Rechtsschutz 290 - Umfang 119; 153 - Vollstreckungsvoraussetzungen 126 - Vollstreckungszuständigkeit 130 - Zurückbehaltungsrecht 273 Erstattungsanspruch 294; 295 Fahrer 142; 189 Feuerwehranfahrtszone 218 Feuerwehrzufahrt 77 Flucht ins Privatrecht 283; 319 Folgenbeseitigungsanspruch 163; 297 Forderungsverletzung 315 ; 3 3 2 Funktion einer Verkehrsregelung 226 Fußgängerüberweg 77; 219 Fußgängerzone 56; 212

Gesetzesvorbehalt 60; 76; 138; 159; 160; 238; 253; 262; 270; 274 Gesetzesvorrang 136; 138; 158; 239; 264;272; 274 Gewahrsam 95; 96; 97; 99 Halten, Begriff 51 Halter 142; 200 - als anderer Berechtigter 182 - als Verhaltensverantwortlicher 179 - Begriff 178 - eigentümerähnliche Stellung 181 - Ermittlung des Fahrers 202 - Sachherrschaft bei Kfz-Überlassung 183 - Verantwortlichkeit für Gehilfen 180 Haltverbot 38; 41; 52; 64; 78; 113; 145; 222; 246 - eingeschränktes 223 - modifiziertes 55 - nachträglich errichtetes 39; 45; 49; 82; 232 Hausfriedensbruch 75; 80 Herausgabeanspruch - bei Verwahrung 297 - des Eigentümers 298 - gegen Abschleppuntemehmer 299 Indienstnahme 303

Geeignetheit 205 Gefahr - Anscheinsgefahr 81 - bei Sicherstellung 106; 114; 115 - gegenwärtige 82; 112 - in Verzug 64; 70; 129; 133 - konkrete 74; 76; 80; 116; 245 - latente 249; 251 Gehweg 77; 220 Gemeinde 59; 83; 130; 131; 135; 213; 265 Gemeingebrauch 28; 252 Genehmigung 249; 251 Generalklausel 120; 148; 245; 248 Generalklausellösung 91; 114 Gesamtschuld 204 Geschäftsführung ohne Auftrag 276

Kfz - als bauliche Anlage 35 - Schrottfahrzeuge 32; 35 - verkehrsfremde Sache 29; 31 Kombinationslösungen 93; 115; 116 Kosten - bei Ersatzvornahme 198; 258 - bei Sicherstellung 254 - bei unmittelbarer Ausführung 259 - bei Verwahrung 163; 256; 261 - bei Verwertung 257 - Erstattung 294 - Gemeinkostenaufschlag 258 - Parkplatznutzung 267 - Straßenrecht 268 - unmittelbare Ausführung 199 - Verteilung auf mehrere Kfz 197

Sachwortverzeichnis Kostenbescheid 275; 296 - Rechtmäßigkeit 293 - Rechtsschutz 291 Kostenersatzanspruch - Abtretung 277 - Entstehung 275; 279 - Fälligkeit 275 Kostenerstattungspflicht 242 Leistungsbescheid 267; 275; 282; 291 Leistungsklage 295 Mandat, organisationsrechtliches 137 Minimierung der Schadenswahrscheinlichkeit 226 Nachforschungspflicht 207 Nähebeziehung 316 negative Vorbildwirkung 228 Nichtstörer 243; 252 Nötigung 74; 80 Nutzungskonkurrenz 247 öffentliche Ordnung 76 öffentliche Sicherheit 74; 76; 83; 243; 245 Ordnungswidrigkeit 68; 78; 79; 123; 243; 289 Parken, Begriff 52 Parkuhr 53; 216 Pflicht zur Überwachung eines Parkvorgangs 250 Platzverweis 88; 125 Polizei - Aufgaben 59; 65 - Eilmaßnahmen 69 - Generalklausel 74; 91; 118 - Schutz privater Rechte 79; 103 - Zuständigkeit 70; 132 Polizeipflicht, materielle 241 Private 86; 303 Radweg 52; 55; 77; 220 Rechtsschutz 288; 290; 301 - vorläufiger 292 Rechtsschutzinteresse 282 Rechtsweg

363

-

Schadensersatz und Entschädigung 335 - Verwaltungsrechtsweg 291; 294; 300 Risiko 166; 173; 180; 249; 251 Risikosphäre 170; 177; 234; 236; 238; 248; 252

Sachherrschaft 96; 97; 99; 100; 104; 175;183; 195 Schadensersatz 294 Schuldverhältnis 154; 315; 332 Schwere des Verkehrsverstoßes 227 Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs 244 Sicherheit und Ordnung des Verkehrs 245 Sicherstellung - Anwendbarkeit auf Kfz 109 - Begriff 96; 101 - bei festgehaltenen Personen 104 - Durchführung 151 - Herausgabe von Kfz 296 - in Spezialgesetzen 105 - Kosten 254 - Rechtsnatur 151 - strafprozessuale 102; 120 - und Beschlagnahme 89 - und Generalklausel 91 - zum Schutz des Sachberechtigten 103; 110; 115; 116; 160 - zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr 101; 109; 111; 160 - Zurückbehaltungsrecht 274 Sicherstellungslösung 92; 97; 111 Sichtbarkeitsgrundsatz 44 sofortiger Vollzug Siehe unmittelbare Ausführung Sondernutzung 28; 30; 268 Sorgfaltspflicht 250 Staatshaftung 315 - Abschleppuntemehmer 310 - Amtshaftung 301; 326 - Anvertrauen eines öffentlichen Amtes 317; 326 - Aufgabenprivatisierung 323 - Außenverhältnis 320; 325

364

arverzeichnis

- Ausübung eines öffentlichen Amtes 318 - Einbindungskriterium 323 - Haftungsverhältnis 321 - hoheitliche Tätigkeit 306; 307 - Innenverhältnis 320; 324 - private Unternehmer 305; 308; 319 - Rechtsformtheorie 305 - Verwaltungshelfer 308; 314 - Werkzeugtheorie 307; 309; 310; 312; 317; 323 Störerauswahl 192; 200 Störung 70; 80; 248 - bei nachträglich errichtetem Haltverbot 82; 243 Straßenrecht 29; 56; 190 Straßenverkehrsbehörde 130; 134 - Aufgaben 65 - Befugnisse 63 Straßenverkehrsrecht 29; 191 Transport 91; 99; 111; 113; 116; 118; 119;148 Übermaßverbot 205 Umsetzen Siehe Versetzen unmittelbare Ausführung 113 - Kosten 259 - Rechtsnatur 149 - Rechtsschutz 290 - Sicherstellung 114 - Straßenrecht 268 - Subsidiarität 142; 145 - Umfang 119 - und sofortiger Vollzug 139 - und Straßenverkehrsrecht 148 - und Vollstreckung 141 unmittelbarer Zwang 125 ; 151 Unmöglichkeit 315; 335 verfassungskonforme Auslegung 241 Verfügung, unselbständige 76 Verfügungsbeschränkung 102 Verfügungsgewalt 99; 111 Verhaltensverantwortlichkeit 165 ; 174; 179; 195 Verhältnismäßigkeit 98; 119; 205; 212; 231; 240

-

der Kostenheranziehung 232; 235; 239 Verkehrsüberwacher, kommunale 84 Verkehrszeichen - als Wegfahrgebote 51 - Bekanntgabe Siehe Bekanntgabe - mobile 45; 48; 82; 127 - nachträglich errichtete Siehe Haltverbot - Nichtigkeit 127 - Ordnungswidrigkeit 78; 243 - Rechtsnatur 36 - sofortige Vollziehbarkeit 128 - Wegfahrgebot 39; 52 - Wirksamkeit 39; 43; 45; 46; 48; 50; 82; 141; 243 - Zusatzschilder 55 Verrichtungsgehilfe 313 ; 319 Versetzen 27; 97; 99; 111; 112; 118; 148; 210 Verstrickung 100; 103; 111; 117 Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte 327 Vertrauenstatbestand 251 Verursachung 166; 242; 247 - durch Kfz-Überlassung 179 - Kausalität 168 - unmittelbare 166; 167; 175; 248 Verwahrung 27; 91; 97; 112; 114; 154; 210 - gebührenpflichtige Amtshandlung 265 - Herausgabeanspruch 163; 296 - Interessenlage 159 - Kosten 163; 164; 256; 261 - nach Sicherstellung 98 - öffentlichrechtliche Vorschriften 161 - Rechtsweg 299 - Verwertung 163 - Zurückbehaltungsrecht 273 Verwahrungsverhältnis 98; 120 - Entstehung und Beendigung 154 - Leistungsstörungen 332 Verwaltungsgebühr 264; 266; 267; 273 Verwaltungshelfer 304; 308; 311; 314 Verwaltungsmittler 304; 306

Sachwortverzeichnis Vollzugsbedienstete, gemeindliche 83; 131 Vollzugshilfe 135 Wegfahrgebot Siehe Entfernungsgebot Weisung, polizeiliche 61; 69 Weisungsrecht 135 Widerspruchsverfahren 283; 291 Zurechnung 246; 248 Zurückbehaltungsrecht 163; 268 - abgeleitetes 285 - Abschleppuntemehmer 284 - analog § 273 BGB 269 - aus§ 15 Abs. 2 bwGebG 273 - Befugnisnorm 272 - bei Ersatzvornahme 273 - bei Herausgabeklage 300 - bei Sicherstellung 269; 274 - bei unmittelbarer Ausführung 274 Zuständigkeit - Abfallrechtsbehörde 34 - Baurechtsbehörde 35

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- Gemeinde 131 - gemeindliche Vollzugsbedienstete 83;131 - kommunale Verkehrsüberwacher 84 - Polizei 61; 65; 70; 83; 103; 265 - Polizeivollzugsdienst 132; 143 - Straßenbaubehörde 30 - Straßenverkehrsbehörde 65; 71; 130 - Vollstreckungsbehörde 130; 135 Zustandsverantwortlichkeit 165 - Ausschluß 175; 177 - Auswahl 195 - Beendigung 187 - Begrenzung 237; 240 - Dereliktion 188 - des Halters 180 - Eigentümer 189 - für Lage im Raum 175; 243 - Verhältnis zur Verhaltensverantwortlichkeit 171; 243