Die Bewahrung tropischer Regenwälder durch völkerrechtliche Kooperationsmechanismen: Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung eines Rechtsregimes zur Erhaltung von Waldökosystemen dargestellt am Beispiel tropischer Regenwälder [1 ed.] 9783428507559, 9783428107551

Spätestens seit der Umweltkonferenz von Rio stehen Bemühungen um die Erhaltung der Waldökosysteme der Erde im Blickpunkt

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Die Bewahrung tropischer Regenwälder durch völkerrechtliche Kooperationsmechanismen: Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung eines Rechtsregimes zur Erhaltung von Waldökosystemen dargestellt am Beispiel tropischer Regenwälder [1 ed.]
 9783428507559, 9783428107551

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SUSAN NICOLE KROHN

Die Bewahrung tropischer Regenwälder durch völkerrechtliche Kooperationsmechanismen

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von Jost Delbrück, Rainer Hofmann und A n d r e a s Z i m m e r m an n Walther-Schücking-lnstitut für Internationales Recht

140

Völkerrechtlicher Beirat des Instituts:

Daniel Bardonnet l'Universite de Paris II Rudolf Bemhardt Heidelberg Lucius Caflisch Institut Universitaire de Hautes Etudes Internationales, Geneve

Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis Albrecht Randelzhofer Freie Universität Berlin

Antonius Eitel Münster

Krzysztof Skubiszewski Polish Academy of Sciences, Warsaw; The Hague

Luigi Ferrari Bravo Universita di Roma

Christian Tomuschat Humboldt-Universität zu Berlin

Louis Henkin Columbia University, NewYork

Sir Artbur Watts London

Tommy T. B. Koh Singapore John Norton Moore University of Virginia, Charlottesville

Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg

Die Bewahrung tropischer Regenwälder durch völkerrechtliche Kooperationsmechanismen Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung eines Rechtsregimes zur Erhaltung von Waldökosystemen dargestellt am Beispiel tropischer Regenwälder

Von

Susan Nicole Krohn

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Krohn, Susan Nicole:

Die Bewahrung tropischer Regenwälder durch völkerrechtliche Kooperationsmechanismen : Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung eines Rechtsregimes zur Erhaltung von Waldökosystemen dargestellt am Beispiel tropischer Regenwälder I Susan Nicole Krohn. Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel; Bd. 140) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 2001 ISBN 3-428-10755-1

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2002 Duncker &

ISSN 1435-0491 ISBN 3-428-10755-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2000/2001 vom Fachbereich Rechtswissenschaft an der Universität Kiel als Dissertation angenommen. Sie beschäftigt sich mit einem weitgehend ungelösten ökologischen Problembereich unserer Zeit, der Zerstörung der tropischen Regenwälder als ein Beispielsfall für die weltweite Vernichtung von Waldökosystemen. Die Arbeit liegt damit in einem Grenzbereich zwischen Umweltvölkerrecht und internationaler Umweltpolitik, den bestehenden rechtlichen Strukturen und der Frage ihrer Weiterentwicklung. Sie ist geprägt von dem Spannungsfeld zwischen ökologischen und sozio-ökonomischen Interessen, das besonders im Rahmen der Bemühungen um eine Bewahrung der Wälder dieser Erde deutlich wird. Das Manuskript der Dissertation wurde Ende 2000 abgeschlossen, die wesentlichen Entwicklungen auf internationaler Ebene bis Juli 2001 habenjedoch noch Berücksichtigung erfahren. Betreut wurde die vorliegende Dissertation von Herrn Prof. Dr. Delbrück, bei dem ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanke. Er ließ mir die Freiheit bei der Wahl dieses Themas und förderte das Zustandekommen der Dissertation durch zahlreiche Anregungen. Er nahm sich stets die Zeit, jedwede Anliegen mit mir zu besprechen. Bei Herrn Prof. Dr. Dr. Hofmann bedanke ich mich für die schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Zu Dank verpflichtet bin ich auch den Mitarbeitern des Walther-SchückingInstituts, die durch ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft zu einer sehr angenehmen Arbeitsatmosphäre beigetragen haben. Meine Freunde am WaltherSchücking-Institut, insbesondere Birgit Kessler und Susanne Heitmüller, haben durch Diskussionen über das Problem umweltvölkerrechtlicher Vollzugsdefizite und das staatliche Verständnis von Souveränität daran mitgewirkt, die Ansätze der vorliegenden Dissertation zu schärfen. Ihnen sei ebenso wie meinen Freunden Anke Charlotte Clodius, Jochen Sollmann und Anke Kabel für die Mühe gedankt, diese Arbeit korrekturzulesen. Verbliebene Fehler sind selbstverständlich allein der Verfasserio anzulasten. Die vorliegende Dissertation wurde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt mit einem Stipendium gefördert, wofür ihr mein Dank gilt. Herzlich gedankt sei

8

Vorwort

auch der Herbert-Quandt-Stiftung für die Bereitschaft, diese Arbeit zu unterstützen. Dankbar bin ich ferner dem Auswärtigen Amt für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Das Zustandekommen der Dissertation ist schließlich nicht unbedeutend auf die Unterstützung verschiedener Institutionen zurückzuführen, die mir bei der Beschaffung der erforderlichen Dokumente behilflich waren. Genannt seien hier das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Conservation International, das Environmental Law Center der IUCN sowie die deutsche Sektion des Forest Stewardship Council. An dieser Stelle gedankt sei auch einmal allen Entwicklern des Internets. Als ein den "Wundern der Technik" vielfach kritisch gegenüberstehender Mensch durfte ich erfahren, daß die Erstellung dieser Arbeit ohne eine Nutzung des von ihnen entwickelten Mediums kaum möglich gewesen wäre. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern als Dank für ihre Liebe und Unterstützung. Kiel, im Dezember 2001

Susan Nicole Krohn

Inhaltsverzeichnis Einleitung

Die Erhaltung tropischer Regenwälder als Regelungsmaterie des internationalen Umweltrechts

25

A. Einführung und Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Erster Teil

Das Ökosystem tropischer Regenwald: Begriff, Bedrohung und Interessengegensätze

33

A. Der Begriff des tropischen Regenwaldes und dessen Vorkommen

33

B. Umfang und Gründe der Zerstörung des Regenwaldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwaldungsraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 35

II.

Gründe der Zerstörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

C. Das Ökosystem Regenwald im Konfliktfeld zwischen nationalen Eigeninteressen und dem Erfordernis einer internationalen Umweltschutzkooperation . . . . . . . .

39

Nationale Eigeninteressen am Ökosystem Regenwald . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Rechtlicher Ausgangspunkt: das Recht auf freie Ausbeutung natürlicher Ressourcen als Bestandteil nationalstaatlicher Souveränität . . . . . . . . .

39

I.

II.

2. Die wirtschaftliche Bedeutung des Rechts auf Ausbeutung der Ressource Regenwald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

a) Bereitstellung von Holzprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

b) Bereitstellung von Nichtholzprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

c) Bereitstellung von Böden für alternative Nutzungsformen . . . . . . .

46

d) Erholungs- und Dienstleistungsfunktion der Regenwälder . . . . . . .

47

e) Zusammenfassung . .. .. ... . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

Internationale Kooperationserfordernisse: mögliche Anknüpfungspunkte .

48

I. Die Bedeutung des Ökosystems Regenwald in ökologischer Hinsicht .

48

a) Vitaler Umweltschutz: Erhaltung der Artenvielfalt . . . . . . . . . . . . .

48

b) Die Bedeutung der Regenwälder für die verschiedenen Umweltmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

Inhaltsverzeichnis

10

aa) Globale Auswirkungen der Regenwaldzerstörung ...... .. . . (1) Treibhauseffekt .... . . . ... . .. . ............ . .. . .. .

50 50

(1) Folgen für das Klima ..... .. .. . ............ . . . .. . .

52 52 52

(2) Bodenerosion .......... . . . .. . ..... .. ........ . .. .

53

c) Zusammenfassung ............ . . . .. .. ........ . ..... . .. .

54

2. Die Bedeutung des Ökosystems Regenwald für die Sicherung internationaler Menschen- und Minderheitenrechte . ........... . . .... ... . .

54

a) Menschen- und Minderheitenrechte als Gewährleistungen für einen verbesserten Waldschutz .......... . .. . ............ .... .. .

55

aa) Einbeziehung von Umweltstandards in herkömmliche Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . ............. .. . . . .

55

bb) Das Recht auf eine gesunde Umwelt als eigenständige Rechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

(2) Weitere Folgen für das Weltklima .. . ......... . . . ... . bb) Regionale Auswirkungen

cc) Waldschutz über die Sonderrechte indigener Völker . . . . . . . .

64

dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Menschenrechte als Rechtfertigungsgründe für die Nutzung der Ressource Regenwald: die Bedeutung des Rechts auf Entwicklung . . .

65

3. Die Bedeutung der Zerstörung tropischer Regenwälder aus sicherheitspolitischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

D. Zusammenfassung: Probleme bei der Ausgestaltung völkerrechtlicher Vorgaben zur Erhaltung der Regenwälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Zweiter Teil Der Stand der internationalen Bemühungen um die Erhaltung der Regenwälder

75

Erstes Kapitel Regenwaldschutz im Rahmen bestehender völkerrechtlicher Verträge A. Maßstäbe zur Beurteilung der Wirksamkeit umweltvölkerrechtlicher Verträge für die Erhaltung tropischer Regenwälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Beurteilungsmaßstäbe für die Wirksamkeit völkerrechtlicher Vereinbarungen: "effectiveness" und "compliance" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 76 76

l. "Effectiveness" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

2. "Compliance" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kriterien für die Beurteilung der Erfüllungseffektivität . . . . . . . . .

77 79

aa) Materiell-rechtlicher Inhalt der Vertragsverpflichtungen . . . . .

79

Inhaltsverzeichnis

11

( 1) Interessengerechte Ausgestaltung der Vertragspflichten

79

(2) Art und Weise der Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

bb) Verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Vertragsdurchführung ( 1) Verfahrensvorgaben zur Überwachung der Vertragstreue: "compliance information system" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Reaktionen auf Vertragsbrüche: Vorgaben des "non compliance response system" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfahrensmäßige Vorgaben zur Weiterentwicklung des Vertragsregimes: "readjustment mechanisms" . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzulegende Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

89 91 91

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

Verträge auf globaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. International Tropical Timber Agreement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92

a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . .

92

b) Waldrelevante Verhaltensvorgaben und ihre Formulierung . . . . . . c) Kontrollmechanismen und ihre mögliche Weiterentwicklung . . . .

93 97

d) Anreizmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

li. I.

84 86

e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . 100 b) Waldrelevante Vorgaben und ihre Formulierung . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Kontrollmechanismen und Vorgaben zur Reaktion auf Umsetzungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 d) Möglichkeit der Weiterentwicklung des Vertragswerks . . . . . . . . . 107 3. Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . 108 b) Waldrelevante Vorgaben und ihre Formulierung . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Anreizmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Inwertsetzung genetischer Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Finanzielle Unterstützung und Erleichterung des Technologietransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 7 d) Kontrollmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 e) Institutionelle Vorgaben zur Weiterentwicklung des Vertrages und ihre bisherige Anwendung auf den Waldbereich . . . . . . . . . . . . . . 121 4. Klimarahmenkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . 123 b) Waldrelevante Regelungen und ihre Formulierung....... . . . . . . 124 c) Anreizmechanismus und institutionelle Ausgestaltung . . . . . . . . . 126 5. Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt . . . . . . . 132

12

Inhaltsverzeichnis

II.

a) Geltungsbereich und waldrelevante Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anreizsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Institutionelle Vorgaben zur Umsetzungskontrolle und Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung 7. Waldrelevante Regelungen der Lome-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Afrika: Afrikanische Konvention zum Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Asien: ASEAN-Übereinkommen über den Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mittel- und Südamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konvention zum Schutz der Natur und zur Erhaltung wildlebender Arten in der Westlichen Hemisphäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Amazonasvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Schutz vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas . . . . . . . . . . . . . . d) Regionale Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme und die Entwicklung von Waldpflanzen . . 4. Europarechtliche Vorgaben zur Erhaltung der Tropenwälder . . . . . . . .

132 133 135 136 139 141 141 144 147 147 148 152 155 158

C. Versuch einer Zusammenfassung und Gesamtbewertung des einschlägigen Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Zweites Kapitel Völkergewohnheitsrechtliche Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

166

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Derzeitiger Konsens in Fragen der Walderhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 I. Non-legally authoritative Statement of principles foraglobal consensus on the management, conservation and sustainable development of all types of forests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

a) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben der Agenda 21 . . .. . .. ..... . . . .. . .. .. ... ........ . .. 3. Empfehlungen des lntergovernmental Panel on Forests . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Empfehlungen des Intergovernmental Forum on Forests . . . . . . . . . . . a) Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 170 173 176 176 177 179 179 180

Inhaltsverzeichnis

II.

13

5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Prüfung der gewohnheitsrechtliehen Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltschäden . . . . . . . . . 182 2. Verpflichtung zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Waldressourcen bzw. zur Förderung entsprechender Bewirtschaftungspraktiken . . . . . 187

3. Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen ..... 4. Verpflichtung zur Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen an der Planung und Umsetzung nationaler Waldpolitiken . . . . . . . . . . . . . 5. Verpflichtung zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei Bemühungen zur Walderhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finanzielle Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Erleichterung des Technologietransfers... . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191 192 193 193 195 195

B. Regionales Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

I.

Südamerika: gewohnheitsrechtliche Anerkennung des "Shared-natural-resources"-Grundsatzes im Hinblick auf grenzüberschreitende Waldgebiete . 196

II.

Mittelamerika/Afrika/Asien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

C. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Drittes Kapitel Programme und Projekte internationaler Organisationen und anderer Staatenverbindungen zur Erhaltung der Regenwälder

202

A. Programme und Waldschutzpolitiken im Rahmen internationaler Organisationen 202 I. FAO .......... . ....... . . . .... . ...... . .. . ............ . . . ... . 203 I. Aufgaben und institutionelle Struktur der Organisation . . . . . . . . . . . . 203 2. Aktivitäten der Organisation im Waldbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Tropical Forestry Action Programme (TFAP) ..... . .. ... ... ... 205 II.

b) Derzeitige Tätigkeit der FAO im Bereich der Walderhaltung . . .. . 208 United Nations Development Programme ....... . . .. ........... . . . . 210

111. United Nations Environment Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weltbank ...... ... . . ........... . .... . ..... . . . . . . .. . . . ... . . . . I. Umweltschutzaspekte in der Aufgabenwahrnehmung der Weltbank . . . 2. Waldrelevante Leitlinien der Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontrollmechanismen .. .... . .... .. . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. V.

211 212 212 213 215

4. Aufbau von Dialogstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 UNESCO ... . . . . . . ... .... . . . . ... . ... .. . ... ... . .. .... ... .. . . . 218

B. Walderhaltung im Rahmen des internationalen Finanzierungsinstruments Global Environmental Facility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 C. Internationale Gemeinschaftsprojekte zur Erhaltung tropischer Regenwälder . . . 224

14

Inhaltsverzeichnis I.

Internationales Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen Regenwälder im Amazonasgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begrenzte Abstimmung und sektorenübergreifende Vorgehensweise b) Fehlende Planungssicherheit bei der Mittelvergabe . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . li. Iwokrama International Center for Rainforest Conservation and Development . . ..... . .... . . . . .. . ...... . . . . . .. . . .. . .............. . .. . D. Zusammenfassende Bewertung . . ... . .. . . . . . . .. .. . . . ... . .. ....... . .. .

224 224 226 226 227 229 231 233

Dritter Teil

Die Tätigkeit internationaler nichtstaatlicher Akteure im Bereich der Regenwalderhaltung: internationale Nichtregierungsorganisationen A. Vorbemerkung: Die Bedeutung der internationalen Nichtregierungsorganisationen

für die internationale Umweltschutzkooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung . . . . . . . . . . . . I. "Debt-for-nature swaps". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollzugsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Bedeutung der "swaps" als Instrumente zur Erhaltung der Regenwälder . . . ... . .. . .. . . . . . . . .. .. . . .. ... . . . .. ..... . .. . .. . . . . li. Forest Alliance WWF-Weltbank ........ . .. .. . . . . ...... . .. . . . . ... III. Forest Stewardship Council (FSC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zielsetzung und Arbeitsweise des FSC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umsetzungsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung der Waldzertifizierung für die Erhaltung der tropischen Regenwälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung ....... . ................ . ............... . ...

237 238 240 240 240 244 247 250 254 254 256 259 260

Vierter Teil

Umweltvölkerrechtliche Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung für die Erhaltung der Ressource Regenwald

263

A. Sektorale Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

I. II.

Das Konzept der "shared natural resources" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Konzept des .,common heritage of mankind" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herkömmliche Inhaltsbestimmung des "Common-heritage"-Konzepts. a) UN-Seerechtsübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

263 264 266 266

Inhaltsverzeichnis

15

b) Weltraum- und Mondvertrag .... . .. . .. . . . ... . ...... .. ... . . 267 c) Antarktisvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Ausweitung des "Common-heritage"-Konzepts auf Gebiete im Territorium von Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972 . . .. . . ............. . . . .. ........... . . . . . . 271 b) Weitere Ansätze für eine Anwendung des "Common-heritage"-Gedankens auf Umweltgüter unter staatlicher Jurisdiktion . . . . . . . . . 273

III.

c) Ablehnung einer Ausweitung des Konzepts im Vorfeld zu UNCED d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Konzept des "common concern of mankind" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Bestimmbarkeil des "Common-concern"-Konzepts . . . . . . a) Verwendung des Begriffs in der völkerrechtlichen Praxis . . . . . . .

274 276 277 278 278

aa) Internationale Klimaschutzbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Internationale Bemühungen um die Erhaltung der Biodiversität cc) Internationale Bemühungen zur Bekämpfung der Wüstenbildung .... . ................. . . ............... . .. . .. dd) Allgemeine Umweltschutzbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

278 280 281 283 285

b) Inhaltsbestimmung in der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . 285 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Hinreichender Grad der Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. "Common concern" als Bestandteil der allgemeinen Umweltvölkerrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 4. Erhaltung der (Regen-)Wälder als zukünftiger Anwendungsbereich des "common concern" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 B. Beschränkung der Entscheidungsfreiheit über die Wälder mit Hilfe eines funktionalen Souveränitätsbegriffs-Souveränität als Verantwortlichkeit für die Erhaltung der Umwelt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. II.

Der Ansatz eines funktionalen Souveränitätsverständnisses . . . . . . . . . . . . 294 Diskussionsstand in der Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

111.

Ansätze in der Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 I. Souveränitätsverständnis im Vorfeld der Umweltkonferenz von Stockholm . . .. . . .. . . ... . . ... . . . ....... . .. . . .... ..... ........ . 299

2. Umweltkonferenz von Stockholm: die Ausarbeitung der Declaration on Human Environment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 3. Entwicklung zwischen Stockholm und UNCED ..... ... ......... . 303 4. Vorbereitungs- und Verhandlungsprozeß der Umweltkonferenz von Rio 307 5. Entwicklung seit UNCED . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 IV. Ergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

C. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

16

Inhaltsverzeichnis Fünfter Teil Inhaltliche Vorgaben und institutionelle Strukturen zur Erhaltung der tropischen Regenwälder

314

Erstes Kapitel Vorgaben zur Bewahrung der Regenwälder A. Verpflichtung zur Erarbeitung und Umsetzung von Waldaktionsplänen als Instru-

ment nationaler Walderhaltungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgaben zur Konkretisierung der Planungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . I. 1. Holistischer Planungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine instrumentelle Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Festschreibung von Partizipationsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpflichtung zur Berücksichtigung international formulierter Kriterien und Indikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verpflichtung zur Förderung und Einbeziehung der Ergebnisse umweltökonomischer Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezifische inhaltliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verpflichtung zur Förderung alternativer Waldbewirtschaftungsfarmen .. ..... . ... . ......... . ............ .... .. .. .. bb) Vorgaben zurReformierungder Forstwirtschaft . ..... . . ... ( 1) Begründungsansätze für eine stärkere internationale Einflußnahme auf die Holzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorgaben zum Ausbau einer umweltgerechteren Forstwirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Institutionelle Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Verpflichtung zum Ausbau staatlicher Forstbehörden . ...... .. . ... . . . . . .. .. . ............. (bb) Verpflichtung zur Kooperation mit nichtstaatlichen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Verpflichtung zur Schaffung einer stärkeren Transparenz des Forstsektors . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inhaltliche Anforderungen an staatliche Forstpolitiken: Formulierung umfassender Leitlinien unter Hervorhebung ökologisch bedeutender Einzelaspekte . . . . . . . . cc) Verpflichtung zur umweltschutzbezogenen Landnutzungsplanung durch Zonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sektorenübergreifender Planungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formelle Vorgaben . ... . .. ........... ... .......... ... ... aa) Verpflichtung zum Aufbau von Koordinierungs- und Kooperationsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpflichtung zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

314 314 315 315 316 317 318 318 319 320 322 323 326 326 326 327 327

328 332 333 333 333 334

Inhaltsverzeichnis b) Inhaltliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Problem der Ausgestaltung und Steuerung staatlicher Agrarpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eigentumsbezogene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Allgemeine wirtschaftspolitische Reformen im Agrarbereich (3) Unterstützung der Kleinbauern beim Ausbau standortgerechter Bewirtschaftungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Folgen für die Ausgestaltung internationaler Verhaltensvorgaben ... . ...... . . ......... . . . ............ . .. . . bb) Allgemeine Verpflichtung zum Abbau waldgefahrdender Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Partizipatorischer Planungsansatz und spezifische Vorgaben zum Kapazitätenaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . li. Weitere Handlungsvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Nutzungsausschluß für noch verbliebene Primärwälder? . . . . . . . . . . . 2. Erhöhung des Schutzstandards für Regenwälder durch die Verpflichtung zum Ausbau von Schutzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualitative Erfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Quantitative Erfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung und Sicherstellung der Rechte waldabhängiger Bevölkerungsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Indigene Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Verpflichtung zur Gewährleistung der Rechte indigener Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spezifische Verhaltensvorgaben . . .. . ..... . .......... . . . ( 1) Anerkennung und Sicherung traditioneller Landnutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beteiligung der indigenen Gemeinschaften an der Entwicklung und Umsetzung der sie betreffenden Maßnahmen . . . (3) Schutz und Berücksichtigung des traditionellen Wissens indigener Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Andere waldabhängige Bevölkerungsgruppen . ...... . . . . .... . 4. Maßnahmen zur Waldregeneration und Aufforstung . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorsorgeprinzip .... .. . . ... . . ........ . .. .. ... . ....... . .. . . III. Spezifische Mechanismen zur Verhinderung von Vollzugsdefiziten . . . . . 1. Vorgaben zur Förderung eines "Bottom-up"-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . a) Instrumente zur Verstärkung eines "Bottom-up"-Ansatzes . . . . . . aa) Ausbau staatlicher Kapazitäten vor Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stärkung der Rolle lokal arbeitender NGOs und anderer Basisgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ( 1) Ausbau des Kooperationsverhältnisses mit nichtstaatlichen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) NGOs als innerstaatliche "Kontrollorgane". . . . . . . . . . . . . 2 Krohn

17 336 336 337 339 340 340 341 342 342 342 345 346 348 349 349 350 351 351 353 353 354 355 355 356 358 360 360 360 360 361

18

Inhaltsverzeichnis cc) Ausbau eines Finanzierungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . 362 dd) Dezentralisierung waldrelevanter Zuständigkeiten? . . . . . . . . . 364 b) Grenzen eines "Bottom-up"-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

2. Stärkung der Einflußnahme internationaler Entwicklungshilfeorganisationen auf nationale Forstpolitiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 B. Vorgaben für den Ausbau eines Anreizsystems für die Einbindung der Entwicklungsländer in eine internationale Waldbewahrungsstrategie ....... . . . . . . . . . 366 I.

Vorgaben zur Bereitstellung von Finanzmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1. Bezugspunkt und Zielrichtung des Finanztransfers . . . . . . . . . . . . . . . 367 a) Kostenübernahme für konkrete Walderhaltungsprojekte . . . .

367

b) Erweiterung des monetären Anreizmechanismus durch Stärkung des ökonomischen Wertes der Wälder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 aa) Kompensationszahlungen für die Erhaltung der Regenwälder . 368 bb) Schaffung von internationalen Märkten für Güter und Dienstleistungen der Wälder ............ . ...... . ..... . .. . .. . 371 cc) Bewertung und Altemativvorschlag: Einbeziehung von Entschuldungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 2. Förderungsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 3. Vorgaben zur Aufbringung der Mittel . . ... . . . . ......... . ... . .. 375 4. Institutionelle Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 5. Vorgaben zur Beteiligung privater Akteure an den Umweltschutzkosten 377 a) Indirekte Einbeziehung durch staatliche Handlungsvorgaben . . . . . 378 aa) Handelspolitische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 bb) Stärkere Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten bei der Gewährung von ausländischem Investitionsschutz . . . . . . . . . . 384 b) Direkte Einbeziehung privater Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 II.

Förderung des Technologietransfers und der Kapazitätenbildung . . . . . . . . 387

III.

Förderung von Walderhaltungsstrategien durch verbesserte Handelsbedingungen . . .. . . ......... . ................. . ...... . ..... . ...... 388

C. Besondere Regelungstechniken zur Konkretisierung und Weiterentwicklung von Walderhaltungsvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 D. Ausbau eines "Compliance"-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 I.

"Compliance information system": Ausbau von Monitoring- und Evaluierungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

I. Ausbau von "Monitoring"-Verfahren .. . ... . ......... . . . .. . . ... 393 2. "Reporting" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 II.

"Compliance response system" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 I. Partnerschaftliehe Rechtsdurchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 397 2. Repressive Rechtsdurchsetzungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Empfehlung zur Kürzung der bi- und multilateralen Entwicklungshilfe bei fehlendem Normvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

Inhaltsverzeichnis

19

b) Handelspolitische Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 c) Zusammenfassung . . ............. . . . . .. . ......... . .... . . 402

Zweites Kapitel Regulativer Gestaltungsrahmen

402

A. Vorgaben zur Bewahrung der tropischen Regenwälder als Bestandteil eines universellen Walderhaltungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402

B. Institutioneller Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 I. II.

Stärkere Nutzung bereits existierender Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Zusatzprotokoll zur Biodiversitätskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

III.

Verhandlung einer Waldkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

IV. Außerrechtlicher Rahmen . . ................ . ............ . .. . . . . 410 V.

Bewertung und Ausblick . . . ............. . ... . ........ . .. . . . .... 412

Literaturverzeichnis

415

Sachwortverzeichnis

447

Abkürzungsverzeichnis ADFI

Annuaire Fran~ais de Droit International

AJIL

American Journal of International Law

AJIPL

Austrian Journal of Public and International Law

AMRK

Amerikanische Menschenrechtskonvention

ASEAN

Association of South-East-Asean States

AVR

Archiv des Völkerrechts

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BYIL

British Yearbook of International Law

CCAD

Comisi6n Centroamericana de Ambiente y Desarollo

CI

Conservation International

CITES

Convention on International Trade on Endangered Species

CJTL

Columbia Journal of Transnational Law

CSD

Commission on Sustainable Development

CYIL

Canadian Yearbook of International Law

DJILP

Denver Journal of International Law and Policy

DRiZ

Deutsche Richterzeitschrift

DVBI.

Deutsches Verwaltungsblatt

EA

Europa-Archiv

ECOSOC

Economic and Social Council

EJIL

European Journal of International Law

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

EPL

Environmental Policy and Law

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitung

FAO

Food and Agriculture Organisation

FS

Festschrift

FSC

Forest Stewardship Council

G

Gesetz

GAOR

General Assembly Official Records

GATT

Gerneral Agreement on Tariffs and Trade

Abkürzungsverzeichnis GEF

Global Environnmental Facility

GJICL

Georgia Journal of International and Comparative Law

GS

Gedächtnisschrift

GV

Generalversammlung

GYIL

German Y earbook of International Law

HdUR

Handwörterbuch des europäischen und deutschen Umweltrechts

HJIL

Harvard Journal of International Law

HRU

Human Rights Law Journal

HRQ

Human Rights Quarterly

HYIL

Hague Y earbook of International Law

IACHR

Inter-American Commission on Human Rights

ICJ

International Court of Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

IEA

International Environmental Affairs

IFF

Intergovernmental Forum on Forests

IGH

Internationaler Gerichtshof

IJGLS

Indiana Journal of Global Legal Studies

IJIL

Indian Journal of International Law

IL

The International Lawyer

ILM

International Legal Materials

ILO

International Labour Organisation

IO

International Organization

IPbpR

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

IPCC

Intergovernmental Panel on Climate Change

IPF

Intergovernmental Panel on Forests

IPwksR

Internationaler Pakt über wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte

ITIA

International Tropical Timher Agreement

ITIO

International Tropical Timher Organisation

IUCN

International Union for the Conservation of Nature

JA

Juristische Arbeitsblätter

Jahrbuch UTR

Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht

JuS

Juristische Schulung

JWI1..

Journal of World Trade Law

KJ

Kritische Justiz

MJIL

Michigan Journal of International Law

NGO

Non-Governmental Organisation

NILR

Netherlands International Law Review

21

22

Abkürzungsverzeichnis

NRJ

Natural Resource Journal

NuR

Natur und Recht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

OAS

Organisation of American States

OAU

Organisation of African Unity

ÖZöRV

Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht und Völkerrecht

RBDI

Revue Beige de Droit International

RdC

Recueil des Cours

RdT

Recueil des Traites

Rec.

Recommendation

RECIEL

Review of European Community and International Environmental Law

Rep.

Reports

Res.

Resolution

RHDI

Revue Hellenique de Droit International

RIAA

Report of International Arbitral Awards

SchJIL

Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht

SEED

Sustainable Energy and Environment Division

SRÜ

Seerechts-Übereinkommen

TFAP

Tropical Forest Action Programme

TIU

Texas International Law Journal

TNC

The Nature Conservancy

UN

United Nations

UNCED

United Nations Conference on Environment and Development

UNDP

United Nations Development Programme

UNEP

United Nations Environmental Programme

UNESCO

United Nations Educational Scientific and Cultural Organisation

UNTS

United Nations Treaty Series

UPR

Umwelt- und Planungsrecht

UVP

Umweltverträglichkeitsprüfung

VJIL

Virginia Journal of International Law

VJTL

Vanderbilt Journal of Transnational Law

VN

Vereinte Nationen

vo

Verordnung

VRÜ

Verfassung und Recht in Übersee

WCMC

World Conservation Monitoring Center

WTO

World Trade Organisation

Abkürzungsverzeichnis

WVK

Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge

WWF

World Wildlife Fund

YIEL

Yearbook of International Environmental Law

YJIL

YU

Yale Journal of International Law Yale Law Journal

YSWPO

Yale Studies in World Public Order

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZEuS

Zeitschrift für Europäische Studien

ZSchR

Zeitschrift für Schweizerisches Recht

ZUR

Zeitschrift für Umweltrecht

23

Einleitung

Die Erhaltung tropischer Regenwälder als Regelungsmaterie des internationalen Umweltrechts A. Einführung und Problemdarstellung Die Zerstörung der Waldökosysteme unserer Erde wird in einer Untersuchung der letzten Jahre wie folgt beschrieben: "Imagine a time-lapse film of the Earth taken from space. Play back the last 10,000 years sped up so that a millennium passes by every minute. For more than seven of the ten minutes, the screen displays what Iooks like a still photograph: the blue planet Earth, its Iands swathed in a mantle of trees. Forest cover 34 percent of the land. Aside from the occasional flash of a wildfire, none of the natural changes in the forest coat are perceptible. The Agricultural Revolution that transforms human existence in the film's first minute is invisible. After seven and a half minutes, the land around Athens and the tiny islands of the Aegean Sea lose their forests. This is the flowering of classical Greece. Little eise changes. At nine minutes - I ,000 years ago - the mantle grows threadbare in scattered parts of Europe, Central America, China and India. Then 12 seconds from the end, two centuries ago, the thinning spreads, leaving parts of Europe and China bare. Six seconds from the end, one century ago, eastem North America is deforested. This is the Industrial Revolution. Little eise appears to have changed. Forest cover 32 percent of the land. In the last three seconds- after 1950- the change accelerates explosively. Vast tracts of forest vanish from Japan, the Philippines, and the mainland of Southeast Asia, from most of Central America, from the Indian subcontinent and sub-Saharan Africa. Fires rage in the Amazon basin where they never did before, set by rangers and peasants. Central Europe's forests die, poisoned by the air and the rain. Southeast Asia resembles a dog with mange. Malaysian Borneo appears shaved. In the final fractions of a second, the clearing spreads to Siberia and the Canadian north. Forests disappear so suddenly from so many places that it Iooks like a plague of locusts has decended on the planet. The film freezes on the last frame. Trees cover 26 percent of the land. Three-fourths of the original forest area still bears some tree cover. But just 12 percent of the earth' s surface- one-third of the initial total- consists of intact forests systems. The rest holds biologically impoverished stands of commercial timher and fragmented regrowth. This

Einleitung

26

is the present: a globe profoundly altered by workings - or failings - of the human economy." 1

Mit dem vorstehenden Zitat beginnt eine Studie des Worldwatch Instituts unter dem Titel "Saving the Forests: What will it take?". Der vorliegenden Arbeit liegt eine begrenztere Fragestellung zugrunde. Sie ließe sich folgendermaßen formulieren: "Saving tropical rainforests by means of public internationallaw: Is it possible und what will it take?". Dabei soll untersucht werden, ob und inwieweit sich mit Hilfe umweltvölkerrechtlicher Regelungen die Erhaltung tropischer Regenwälder sicherstellen ließe. Ein solcher Ansatzpunkt mag auf den ersten Blick verwundern, zeigt doch das oben aufgeführte Zitat, daß es sich bei der Zerstörung von Waldflächen um ein globales Umweltproblem handelt, das nicht auf den Bereich der Tropen begrenzt ist. So verdeutlicht die unsachgemäße Bewirtschaftung und Zerstörung von Waldarealen der borealen Zone2, wie beispielsweise in Kanada oder Rußland3, das Erfordernis nach weltweiten Bemühungen um die Erhaltung der Wälder. Wenn der Gegenstand dieser Untersuchung dennoch auf die rechtlichen Möglichkeiten eines verbesserten Regenwaldschutzes begrenzt ist, soll damit keinesfalls die Notwendigkeit verstärkter Bestrebungen zur Erhaltung anderer Waldökosysteme der Erde in Frage gestellt werden. Die vorliegende Arbeit versteht sich vielmehr als Auseinandersetzung mit einem Teilbereich der Waldproblernatik, dem sowohl in ökologischer als auch sozio-ökonomischer Hinsicht ein besonderer Stellenwert zukommt. Statistische Erhebungen zeigen, daß in den letzten 15 Jahren die verschiedenen Waldformationen der Tropen am stärksten von der Waldzerstörung betroffen waren4 • Tropische Wälder, insbesondere Regenwälder, gehören bis heute zu den am wenigsten geschützten Waldtypen der S. 5 f. Nach dem Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema "Die Erhaltung tropischer Wälder", BTDrucks. 1117220 (im folgenden: Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220), S. 42 f., versteht man unter borealen Wäldern die Waldformationen der kaltgemäßigten nördlichen Breiten mit einer durch Nadelbäume dominierten Vegetation. 3 Hier wurden und werden in erheblichem Umfang Kahlschlagspraktiken durchgeführt. Ein Überblick über die Situation findet sich bei Hönerbach, S. 9 f.; Herkendell/Pretzsch, s. 95, 116 ff. 4 Nach dem Waldzustandsbericht der Food and Agriculture Organisation (FAO) aus dem Jahre 1997 (FAO, The State ofthe World's Forests 1997) hat die Zerstörung der Wälder in den Tropen zwischen den Jahren 1990 und 1995 weiter zugenommen. Die Waldfläche in industrialisierten Staaten soll sich demgegenüber auf konstantem Niveau halten und teilweise sogar angewachsen sein. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie findet sich bei Braatz, Nature & Resources 33 (1997), Issue 3/4, S. 18. Zur allgemeinen Entwicklung der Waldflächen vgl. auch Hönerbach, S. 4. 1 Duming,

2

A. Einführung und Problemdarstellung

27

Erde5 und erscheinen daher besonders gefährdet. Gerade diese Ökosysteme sind es jedoch, die den Großteil der weltweit noch vorhandenen Primärwälder6 mit einer erheblichen Artenvielfalt bilden7. Die Frage nach stärkeren Bestrebungen zur Erhaltung der Regenwälder steht nicht nur unter besonderen ökologischen, sondern auch sozio-ökonomischen Vorzeichen. Staaten, die über derartige Naturgüter verfügen, können fast ausschließlich in die Kategorie der Entwicklungsländer8 eingeordnet werden. Wälder werden dort größtenteils als natürliche Ressource angesehen, über deren Ausbeutung zur wirtschaftlichen Entwicklung des Staates beigetragen werden kann. Eine Verstärkung von Umweltschutzbemühungen bringt Nutzungseinbußen mit sich und verursacht Kosten, die den kurz- und mittelfristigen Interessen der Drittweltstaaten zuwiderlaufen und von ihnen allein nicht aufgefangen werden können. Seit der Vorbereitungsphase zur UN Conference on Environment and Development (UNCED) in Rio de Janeiro im Jahre 1992 ist man auf internationaler Ebene bemüht, Vorgaben zu entwickeln, mit deren Hilfe eine weitere Vernichtung der Wälder in Bestand und Wertigkeit verhindert werden könnte. Ein Vorschlag zur Ausarbeitung einer Tropenwaldkonvention war im Rahmen von UNCED auf erheblichen Widerstand von seiten der Entwicklungsländer gestoßen. Die Vertreter der Gruppe der 77 als politische Koalition der Drittweltstaaten kritisierten, daß mit einem derart begrenzten Regelungsbereich eine Diskriminierung der Entwick-

s McNeely/Harrison/Dingwall, S. 187. Die Autoren sprechen aufS. 13 davon, daß lediglich 5,1 %der weltweit vorhandenen tropischen Regenwaldgebiete unter Schutz stehen. Grainger, S. 247, geht davon aus, daß der Anteil der geschützten Gebiete 8 % der Regenwaldgesamtfläche nicht überschreitet. 6 Nach Caujield, S. 326, versteht man unter dem Begriff Primärwald einen vom Menschen weitgehend unbeeinflußten Wald. 7 Bryant/Nielsen/Tangley, S. 21. 8 Der Begriff Entwicklungsland wird mit unterschiedlichem Inhalt verwendet. Einen Überblick über die wesentlichen Definitionsansätze findet sich bei Betz, Developing Countries, in: Wolfrum/Philipp, United Nations: Law, Policies and Practice, Vol. I, S. 398 ff. Die Bezeichnung Entwicklungsland soll im Rahmen dieser Arbeit im Sinne der Weltbank·kriterien verstanden werden, wonach das statistische Pro-Kopf-Realeinkommen über die Zuordnung entscheidet. Zu den Ländern mit Regenwaldressourcen vgl. die Aussagen des Forest Resources Assessment der FAO und des UN-Umweltprogramms aus dem Jahre 1990 (Forest Resources Assessment 1990: Tropical Countries, FAO, Forestry Paper No. 112, Rom 1993. Eine Zusammenfassung der Bewertung findet sich im Internationalen Umweltatlas, hrsg. vom World Resource Institute und dem UNEP, Bd. 6, Landsberg, Lech 1994/1995, Tabellenanhang, Tafel 5 .2). Zur Einkommenssituation der Regenwaldstaaten vgl. die Angaben im Fischer-Weltalmanach 2001, S. 31 ff.

28

Einleitung

lungsländer einhergehe9 • Wenn überhaupt, hielt man die Aufnahme von Konventionsverhandlungen nur bei einer Einbeziehung der Waldgebiete des Nordens in den Verhandlungsgegenstand für sachgerecht 10. Dazu war jedoch ein Teil der industrialisierten Staaten nicht bereit. Letztlich konnte man sich im Rahmen der Umweltkonferenz nur auf eine Erklärung von rechtlich unverbindlichen Waldgrundsätzen11 einigen, die sich im Einklang mit den Forderungen der Entwicklungsländer auf alle Waldökosysteme der Erde beziehen 12. Seither sind die Staaten um einen Ausbau des internationalen Konsenses in Waldfragen bemüht. Der Waldzustandsbericht der FAO aus dem Jahre 1999 spricht allerdings davon, daß es bisher kaum gelungen sei, auf folgende Fragen eine angemessene Antwort zu finden: - Welche Aspekte des Schutzes bzw. der Nutzung von Wäldern müssen auf internationaler Ebene geregelt werden? - Mit Hilfe welcher Instrumente müßte dies geschehen? - Reichen bestehende Kooperationsmechanismen aus oder bedarf es zusätzlicher Vereinbarungen? Wie wären diese gegebenenfalls auszugestalten? 13 Diese Fragestellungen heben das Problem der Bestimmung angemessener Regelungsinhalte und -techniken zur Bekämpfung der Entwaldung auf internationaler Ebene hervor. Verschiedene Autoren im Schrifttum bezweifeln generell, daß das Völkerrecht geeignet ist, der Waldzerstörung Einhalt zu gebieten 14 . Die 9 So beispielsweise der Premienninister von Malaysia, Dr. Mahathir Bin Mohamad, auf dem Umweltgipfel von Rio: "Was die Reichen machen, zählt, nicht was die Armen tun . .. Eine Veränderung des Lebensstils allein der Armen- ganz abgesehen davon, daß diese unfair wäre- ist im Sinne der Umwelt recht unproduktiv ... Die armen Länder wurden angewiesen, ihre Wälder und andere genetische Ressourcen zu bewahren, mit der vagen Chance, daß - irgendwann in der Zukunft - etwas entdeckt wird, das sich für die Menschheit als nützlich erweist. Es ist dasselbe, als würde man diesen armen Ländern sagen, daß sie selbst arm bleiben müssen, weil ihre Wälder und andere Ressourcen kostbarer sind als sie selbst." Auszüge aus der Rede finden sich abgedruckt bei Engelhardt/ Weinzierl, S. 38 ff. 10 Hönerbach, S. 42. 11 Diese wurden im "Non-legally binding authoritative statement of principles for a global consensus on the management, conservation and sustainable development of all types of forests" (im folgenden: Waldgrundsatzerklärung) niedergelegt. Die Erklärung vom 13. Juni 1992 findet sich abgedruckt in ILM 32 (1993), S. 882 ff. 12 Präambel Buchstabe (e), Ziffer 4 und 6 (a) der Waldgrundsatzerklärung. 13 FAO, The State ofthe World's Forests 1999, S. 93. 14 v. Moltke, IEA 9 (1997), S. 85; Saunders, S. 272.

A. Einführung und Problemdarstellung

29

komplexe und sektorenübergreifende Struktur dieser Problematik sei rechtlich kaum faßbar und mit den existierenden Methoden der zwischenstaatlichen Kooperation nicht zu lösen15 . Die Ausgestaltung umweltvölkerrechtlicher Regelungen begegnet auch deswegen Schwierigkeiten, weil die Regenwälder als Naturgüter innerhalb des Hoheitsbereichs der Staaten der staatlichen Souveränität unterliegen. Nach dem historisch gewachsenen Verständnis dieses Begriffs läßt sich aus ihm eine grundsätzliche Handlungs- und Entscheidungsfreiheit auch im Umgang mit Naturgütern ableiten16. Prinzipiell steht es damit den Tropenwaldländern frei, die Ausbeutung der Ressource Wald in Übereinstimmung mit eigenen Prioritäten vorzunehmen. Aufgrund der grenzüberschreitenden, teilweise globalen Folgen der Zerstörung dieser Wälder wäre zwar ein Interesse der gesamten Staatengemeinschaft an der Erhaltung der Waldökosysteme begründbar 17 • Dieses Staatengemeinschaftsinteresse läßt sich indes nur befriedigen, wenn und soweit die Tropenwaldstaaten bereit sind, ihre durch Souveränität geschützten Eigenbelange zurückzustellen. Das Problem der Waldzerstörung stellt sich somit als Beispiel für das im Umweltvölkerrecht zunehmend hervortretende Spannungsverhältnis zwischen nationalen Souveränitätsansprüchen und internationalen Kooperationserfordernissen dar. Ursprünglich umfaßte der Regelungsgegenstand des internationalen Umweltrechts fast ausschließlich Vorgaben für grenzüberschreitende Umweltverschmutzungen und die Nutzung gemeinschaftlicher Ressourcen 18 , mithin Bereiche, die dem Nachbarrecht entstammen 19• Eine Kooperation war damit auf Fragen beschränkt, in denen es bei Umweltnutzungskonflikten eines Interessenausgleichs 15Saunders, S. 272, unter Verweis auf den Bericht Possible Mandate, Key lssues Strategy and Work Plan 1993, Organising Committee for the Establishment of An Independent World Commission on Forests and Sustainable Development, S. 8: " ... such complex geopolitical problems that do not respond to existing methods of international discussion and cooperation". 1 ~ Bilder, NRJ 20 (1980), S. 452; Brownlie, RdC 162 ( 1979 1), S. 255 ; Schneider, S. 30. V gl. auch die Art. I Abs. 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 (im folgenden: IPbpR; der Vertragstext findet sich abgedruckt in: 999 UNTS 171) und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 (im folgenden: IPwskR; abgedruckt in: 992 UNTS 3). 17 Zum Begriffund zur Dimension des Staatengemeinschaftsinteresses vgl. Frowein, FS für Doehring, S. 219 ff. 18 Dazu näher: Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 5 ff., Rn. 8 ff. 19 Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 443, I 2; Verdross/Simma, § 1029; Vitzthum/ders. , 5. Abschn., Rn. 89.

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Einleitung

zwischen zwei oder mehreren aneinandergrenzenden Staaten bedurfte20. Die Erkenntnis, daß bestimmte Verhaltensweisen im Industriezeitalter weiträumige Umweltschäden hervorrufen können, hat zur Ausweitung dieses traditionellen Ansatzes und zu einer zunehmenden Globalisierung von Umweltschutzbestrebungen geführt21 • An die Stelle von Regelungen für Konflikte zwischen unmittelbaren Grenzanliegern ist ein weitreichender Handlungsrahmen mit zum Teil universellen Vorgaben getreten. Dem internationalen Umweltrecht kommt damit immer mehr die Aufgabe zu, ökologische Gefahren für die gesamte Menschheit zu bekämpfen22. Diese geänderte Zielsetzung hat Auswirkungen auf die Regelungsstruktur umweltvölkerrechtlicher Vereinbarungen. Nachbarrechtliche Abreden beruhten in erster Linie auf dem Gedanken der Gegenseitigkeit, einem "do ut des". Dabei wurde die Einschränkung der eigenen Handlungsfreiheit durch die Erlangung eigener Vorteile ausgeglichen. Umweltabkommen im Interesse der gesamten Menschheit sind demgegenüber nicht primär auf den Ausgleich nationaler Eigeninteressen gerichtet. Sie sollen vielmehr übergeordneten Belangen der gesamten Staatengemeinschaft Geltung verschaffen23 • Mit der Übernahme entsprechender Verpflichtungen korrespondieren meistens keine Rechte, die der Verwirklichung materieller Eigenbelange dienen. Vielmehr verzichten alle Staaten im Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Menschheitsgenerationen auf einen Teil ihrer Umweltnutzungsbefugnisse. Ein derartiger Ansatz läßt sich schwer verwirklichen, wenn Umweltgüter betroffen sind, die wie Regenwälder im Territorium bestimmter Staaten liegen und von diesen als bedeutend für die nationale ökonomische Entwicklung angesehen werden. Ein Staatengemeinschaftsinteresse an der Bewahrung der natürlichen Ressource wird sich unter diesen Umständen nur dann formulieren lassen, wenn auf die wirtschaftlichen Belange der betroffenen Länder in hinreichender Weise Rücksicht genommen wird. Die vorliegende Arbeit will vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen einen Beitrag zur Diskussion um die Ausgestaltung von Vorgaben zur Erhaltung tropischer Regenwälder liefern. Dabei soll einerseits untersucht werden, welche Regelungsinhalte und -techniken für eine wirksame internationale Koopera20 Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 447, II 4, für grenzüberschreitende Umweltverschmutzungen; Beyerlin, FS für Bernhardt, S. 941 f., für die Nutzung gemeinsamer Umweltressourcen. 21 lpsen/Heintschel v. Heinegg, S. 856, § 56, Rn. 4. 22 Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 451, IV; Kiss, International Protection, S. 1070, 1083 ff. 2J Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 442, I 1 d); Wolfrum, GYIL 33 (1990). S. 32 1 f., 327; Kiss, International Protection, S. 1084 f.

B. Gang der Untersuchung

31

tion zur Bewahrung dieser Waldökosysteme erforderlich sind. Andererseits will die Arbeit auch der Beantwortung der Frage dienen, inwieweit umweltvölkerrechtliche Konzepte zu einem angemessenen Ausgleich von W aldschutz- und Waldnutzungsinteressen beitragen und die Walderhaltung als Aufgabe der Staatengemeinschaft festschreiben können.

B. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in 5 Teile: 1. Darstellung der Dimension des Problems der Regenwaldzerstörung Der erste Teil ist dazu bestimmt, die faktischen Grundlagen und Anknüpfungspunkte für die weitere rechtliche Bewertung darzulegen. Im Anschluß an eine Definition des Begriffs tropischer Regenwald werden das Ausmaß der Waldvernichtung, ihre wesentlichen Ursachen sowie die am Ökosystem begründbaren nationalen und internationalen Interessen beschrieben. 2. Untersuchung des Standes und der Wirksamkeit der bisherigen internationalen Bemühungen um die Erhaltung tropischer Regenwälder Die Erarbeitung zukünftiger Regelungen zur Erhaltung der Regenwälder setzt eine Analyse der derzeit bestehenden, einschlägigen internationalen Kooperationsmechanismen voraus. Dabei ist insbesondere nach den Defiziten der vorhandenen Strukturen zu fragen . Im zweiten Teil soll die Wirksamkeit bereits existierender einschlägiger umweltvölkerrechtlicher Verträge, gewohnheitsrechtlicher Normen sowie der Programme und Projekte internationaler Organisationen oder anderer Staatengruppen zur Bekämpfung der Waldzerstörung untersucht werden. 3. Untersuchung des Beitrages internationaler, staatlich nicht beeinflußter Akteure im Rahmen der Bemühungen um die Erhaltung der Regenwälder: die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen Die zunehmende Globalisierung und Entstaatlichung von Aufgaben eröffnet auch im Bereich des Waldschutzes die Frage, inwieweit international tätige, staatlich nicht beeinflußte Akteure Strategien zur Bekämpfung der Waldzerstörung entwickelt haben. Die vorliegende Analyse beschränkt sich daher nicht nur auf eine Untersuchung der Formen der internationalen zwischenstaatlichen Kooperation. Sie will auch die wesentlichen Instrumentarien nichtstaatlicher

32

Einleitung

Akteure in die Bewertung einbeziehen. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit derartige Instrumente auch von staatlicher Seite übernommen bzw. mit staatlichen Maßnahmen im Interesse eines wirksamen Tropenwaldschutzes koordiniert werden könnten. 4. Umweltvölkerrechtliche Konzeptionen zur Begründung einer internationalen Verantwortung für die Erhaltung der Ressource tropischer Regenwald Anschließend ist zu untersuchen, ob das internationale Umweltrecht Konzeptionen bereithält, mit deren Hilfe sich das Problem der Zerstörung natürlicher Ressourcen, die im Territorium der Staaten liegen, aus einem rein nationalstaatlichen Bezugsrahmen herausheben läßt. Sofern diese existieren, ist zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen sie auf tropische Regenwälder angewendet werden können. Zu fragen ist dann auch, ob sich in der bisherigen internationalen Kooperation bereits Ansätze für die Anwendung derartiger Konzepte auf das Problem der (Regen-)Waldzerstörung finden. 5. Strukturen für ein wirksames Schutzregime zur Erhaltung der Regenwälder Im Rahmen des fünften Teils soll auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse schließlich der Versuch unternommen werden, Strukturen für eine wirksame internationale Zusammenarbeit zur Erhaltung der Regenwälder zu entwickeln. Dabei wird auch zu untersuchen sein, wie sich Regelungen zur Bewahrung dieser Wälder in das bestehende umweltvölkerrechtliche System einordnen ließen.

Erster Teil

Das Ökosystem tropischer Regenwald: Begriff, Bedrohung und Interessengegensätze Die nachstehenden Ausführungen dienen dazu, die ökologische, sozio-ökonomische und rechtspolitische Dimension der Regenwaldzerstörung aufzuzeigen und die Probleme zu verdeutlichen, die mit der Ausregulierung des Waldbereichs verbunden sind. Sie stellen die Grundlage für die weitere rechtliche Bewertung dar.

A. Der Begriff des tropischen Regenwaldes und dessen Vorkommen Der Begriff tropischer Regenwald bezeichnet einen immergrünen dichtbewachsenen Wald mit mehreren Stockwerken, der sich in den dauerfeuchten Tropen befindet 1• Er "ist von hygrophytischem Charakter, wenigstens30m hoch, aber meist bedeutend höher, reich an dickstämmigen Lianen und an holzigen sowie krautigen Epiphyten ... Die üppigen tropischen Wälder ... werden, soweit sie nicht durch die Kultur zerstört sind, in Gegenden gefunden mit einer jährlichen Regenmenge von 150 cm" 2• Diese Definition stammt von dem deutschen Geobotaniker A. F. W. Schimper, auf den der Begriff des tropischen Regenwaldes zurückgehe. Schimper legte seine umfassenden Untersuchungen über die Vegetation der Tropen in dem erstmals 1898 erschienenen Werk "Pflanzengeographie auf 1 Lexikon der Biologie, Band VII, unter dem Stichwort Regenwald. Umfassende Beschreibungen des Ökosystems finden sich bei Golley, Tropical Rain Forest Ecosystems, Bd. 1, und Lieth/Werger, Tropical Rain Forest Ecosystems, Bd. 2; Jacobs/Kruk, The Tropical Rain Forests- A First Encounter; Whitmore, An lntroduction to Tropical Rain Forests; Caufield, Der Regenwald. 2 Schimper/v. Faber, S. 403 f. 3 Bericht des World Conservation Monitaring Center (im folgenden: WCMC-Report), S. 256; Whitmore, S. 9; Jacobs/Kruk, S. 14.

3 Krohn

34

1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

physiologischer Grundlage" nieder. Dabei unterschied der Naturwissenschaftler vier verschiedene Waldformationen: Regenwälder in den immerfeuchten Gegenden, Monsunwälder in Gebieten mit einem Wechsel von Regen- und Trockenzeit, Savannenwälder und Dornenwälder in den äußeren Tropen4 • Seit Mitte der 70er Jahre findet sich in einer Vielzahl von Studien der Begriff des tropischen Feuchtwaldes, der nicht nur Regen-, sondern auch Monsunwälder im Sinne der obengenannten Klassifizierung urnfaßt5 • Auch wenn beide Bezeichnungen damit inhaltlich keinesfalls identisch sind, werden sie häufig synonym benutzt6 . Untersuchungen über das Ökosystem des tropischen Regenwaldes können damit bereits im Hinblick auf ihre begriffliche Grundlage und die einbezogenen Waldbestände erheblich voneinander abweichen. Ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für Wälder, das für Klarheit und Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Aussagen sorgen könnte, fehlt bis heute. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, daß sich die jeweiligen Waldgebiete nur sehr begrenzt den verschiedenen Waldtypen zuordnen lassen. Selbst der Begriff des tropischen Regenwaldes urnfaßt unterschiedliche Vegetationstypen7, die nach Wasserhaushalt, Bodenbeschaffenheit und Höhe des jeweiligen Gebietes differenziert werden können8 . Soweit nicht anders angegeben, bauen die folgenden Ausführungen auf der Klassifizierung des Forest Resources Assessment der Welternährungsorganisation FAO und des UN-Umweltprogramms UNEP9 auf. Danach werden unter tropischen Regenwäldern feuchte und sehr feuchte immergrüne und semi-immergrüne Wälder in Regionen verstanden, in denen das Jahresmittel der Niederschläge

Schimper u. Faber, S. 403 f. s Der Begriff des tropischen Feuchtwaldes wurde insbesondere von Sommer im Rahmen seiner Studie "Attempt at an Assessment ofthe World' s Tropical Moist Forests", Unasylva 28 (1976), Issue 1121113, S. 5 ff., geprägt. 6 WCMC-Report, S. 256. 7 Lamprecht, S. 34; Whitmore, S. 12 ff. 8 Whitmore, S. 12 ff., geht von 14 verschiedenen Waldformationen aus; Lamprecht, S. 34; spricht demgegenüber von 9 Waldtypen. 9 Das Forest-Resources-Assessment-Programm von FAO und UNEP will ein umfassendes Bild über den weltweiten Zustand von Wäldern liefern. Die Untersuchungen werden in einem zeitlichen Abstand von jeweils zehn Jahren vorgenommen. Während dieser Ausarbeitung fand die Beurteilung für das Jahr 2000 statt. Um ständig aktualisierte Daten für Entscheidungsträger bereitzustellen, hat sich die FAO 1994 verpflichtet, alle zwei Jahre einen aktualisierten Bericht (The State ofthe World's Forests) mit neuen Daten aus dem Forest-Resources-Assessment-Programm zu veröffentlichen. Der letzte Bericht erschien im Frühjahr 1999, enthält aber keine Differenzierung nach den unterschiedlichen Waldtypen. 4

B. Umfang und Gründe der Zerstörung des Regenwaldes

35

2.000 mm übersteigt und die nicht höher als 800 m liegen 10• 1990 wurde der weltweite Bestand dieser Wälder auf eine Gesamtfläche von 718.297 kJn2 mit etwa 12,1 %in Afrika, 24,7% in Asien und Ozeanien sowie 63,2% in Mittel- und Südamerika geschätzt 11 • Dies entspricht in etwa der Hälfte des ursprünglich vorhandenen Waldareals 12 •

B. Umfang und Gründe der Zerstörung des Regenwaldes I. Entwaldungsraten Eine Vielzahl von Studien hat den Umfang und die Ursachen der Regenwaldzerstörung untersucht und ist dabei zu erheblich voneinander abweichenden Ergebnissen und Prognosen gekommen 13 • Für den Zeitraum von 1981 bis 1990 gehen FAO und UNEP in ihrer Bewertung von einer jährlichen weltweiten Entwaldungsrate von 0,6 % für den Bereich der tropischen Regenwälder aus (Afrika: 0,5 %, Asien: 1,2 %, Ozeanien: 0,3 %und Amerika: 0,4 %) 14 • Umgerechnet auf das Jahr 1990 bedeutet diese Zahl, daß pro Tag 117,3 krn2 Waldfläche vernichtet wurden. Vergleicht man diese Aussagen mit Ergebnissen anderer Studien, so fällt auf, daß die Welternährungsorganisation und das UN-Umweltprograrnmdie Entwaldungsraten relativ zurückhaltend beurteilen. Aufgrund der Erkenntnisse des Forest Resources Assessment müßte beispielsweise für 1990 von der täglichen Zerstörung eines Areals aller tropischen Feuchtwälder von bis zu 324 krn2 ausgegangen werden 15 • Eine Studie des TropenökoInternationaler Umweltatlas 6 (199411995), S. 444. Forest Resources Assessment 1990: Tropical Countries, FAO Forestry Paper No. 112, Rom 1993 (im folgenden: Forest Resources Assessment 1990: Tropical Countries), Tabellenanhang, 7 a-7 c. 12 Terborgh, S. 201; Reichholf, Der unersetzbare Dschungel, S. 9; Wilson, S. 275. 1.1 Cook/Jenetos/Hinds, Environmental Conservation 17 ( 1990), S. 201, weisen dementsprechend darauf hin, daß eine Vergleichbarbeit der Studien bereits an der unterschiedlichen Definition der Entwaldung und der einbezogenen Waldbestände scheitert. Eine Übersicht über die Ergebnisse bedeutender Untersuchungen findet sich im WCMC-Report, S. 257 f., sowie bei Mather, S. 241 ff. 14 Forest Resources Assessment 1990: Tropical Countries, S. 26. Die regionalen Entwaldungsraten wurden anband des Zahlenmaterials aus dem Tabellenanhang 8 a-8 c errechnet. Zur Bewertungstechnik der Waldzustandsberichte: Singh/Janz, Nature & Resources 31 (1995), Issue 2, S. 34 f. 15 Als Berechnungsgröße wurden die Veränderungen in den Waldarealen der tropischen Regenwälder, der feuchten Laubwälder sowie der Berg- und Gebirgswälder im Sinne der 10 11

1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

36

logen und Regenwaldexperten Myers aus dem Jahr 1989 hielt demgegenüber den Verlust eines Feuchtwaldgebiets von 670 km2 pro Tag für realistisch 16• Auch wenn beiden Untersuchungen keine vollständig übereinstimmenden Waldklassifizierungen zugrunde liegen, verdeutlichen sie die stark voneinander abweichenden Einschätzungen zur Waldentwicklung. Myers hatte bereits Anfang der 80er Jahre davor gewarnt, daß die tropischen Regenwälder bei konstant bleibenden Entwaldungsraten in etwa 40 Jahren nicht mehr existieren würden 17 • Andere Prognosen gehen- je nach einbezogener Waldfläche und geschätzter Zerstörungsratedavon aus, daß sämtliche tropischen Feuchtwälder zwischen 2020 und 2120 von der Erde verschwunden sein werden 18 • Fragt man nach dem Grund der restriktiven Einschätzung der Waldzerstörung vonseitender FAO und des UNEP, mag dieser in der Definition der Entwaldung zu finden sein, die ihren Walderhebungen zugrunde liegt. Danach wird ein Areal erst dann als entwaldet angesehen, wenn nur noch 10 % des ursprünglichen Kronendaches eines Waldgebiets vorhanden sind19 • Schädigungen der Waldvegetation, die zwar ein geringeres Ausmaß erreichen, die Regenerationsfähigkeit des Waldes jedoch erheblich beeinträchtigen können, werden insoweit nicht berücksichtigt. Die bis Mitte 2001 im Zusammenhang mit dem Forest Resources Assessment für den Zeitraum 1991- 2000 veröffentlichten Zahlen enthalten keine näheren Aussagen zur Waldflächenentwicklung speziell für den Bereich der tropischen Regenwälder. Allgemein spricht die Bewertung davon, daß in den Tropen im Untersuchungszeitraum pro Jahr eine Naturwaldfläche von 15,2 Mio. ha verloren ging20 • Die Vernichtung tropischer Wald flächen, die im Zeitraum 1981-1990 ein Ausmaß von 15, 4 Mio. ha pro Jahr erreichte21 , dauert damit auf hohem Niveau an. FAOIUNEP-Klassifizierung zugrunde gelegt. Diese Gleichsetzung mit tropischen Feuchtwäldern ist nicht ganz berechtigt, da Berg- und Gebirgswälder nicht nur Feuchtwaldareale umfassen. Eine nähere Aufgliederung wird im Forest Resources Assessment allerdings nicht vorgenommen. 16 Myers, Progress in Resource Management and Environmental Planning 4 ( 1983 ), s. 14. 17 Ders., Conversion Rates, S. 296. 18 Vgl. zu den unterschiedlichen Aussagen Mather, S. 241 ff., 247; ferner Reichho/f. Der unersetzbare Dschungel, S. 14, der von einer vollständigen Zerstörung im Zeitraum der nächsten 30 bis 50 Jahre spricht. 19 Sogenannte "Deforestation"; vgl. das Forest Ressources Assessment 1990: Tropical Countries, S. 10. Eine Auseinandersetzung mit der Begriffsbestimmung findet sich bei Amelung/Diehl, S. 19, und im WCMC-Report, S. 259. 2 FAO, Forest Resources Assessment 2000, Rom 2001 , Summary Findings, Punkt 3. 21 So das Ergebnis des Forest Ressources Assessment 1990; vgl. Singh/Janz. Nature & Resources 31 ( 1995), S. 36.

°

B. Umfang und Gründe der Zerstörung des Regenwaldes

37

II. Gründe der Zerstörung Wegen fehlender Daten und Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Regenwäldern einerseits und Monsunwäldern andererseits beziehen sich Untersuchungen über die Ursachen der Entwaldung vorwiegend auf tropische Feuchtwälder insgesamt. Die Gründe für ihre Zerstörung sind vielfältig und je nach betroffenem Land unterschiedlich. Dieser Umstand läßt allgemeingültige Feststellungen nur in sehr beschränktem Maße zu. Will man dennoch eine pauschale Aussage über die Faktoren der Waldvernichtung treffen, bietet sich ein Rückgriff auf eine Zusammenstellung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft an, die im Rahmen einer Studie über die ökonomischen Ursachen der Entwaldung tropischer Feuchtwälder erstellt wurde22 • Sie bezieht Erhebungen der F AO und Erkenntnisse der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" ein23 • Als Gründe für die Entwaldung der geschlossenen tropischen Wälder4 wurden zwischen 1981 und 1990 angesehen: - die Forstwirtschaft mit einer Verursachungsquote von 2 bis 10 %25 • Da eine Waldnutzung durch Holzeinschlag nur selten zum Verlust von 90% des Kronendaches führt, trägt die Forstwirtschaft kaum zur Entwaldung im Sinne der FAO/UNEP-Definition bei 26 • Dennoch wird sie teilweise als wesentlicher Faktor der Regenwaldvernichtung bezeichnet, da sie Waldareale für weitere wirtschaftliche Aktivitäten erschließe und die Infrastruktur für die zukünftige Ressourcenausbeutung schaffe27 • Zur Begründung dieser These wird auf Berechnungen verwiesen, wonach in 71 % der Fälle der Holzeinschlag die Primärursache für die Veränderung unberührter Wälder bildet28 • Inwieweit es auch ohne die forstwirtschaftliche Betätigung in einem Gebiet zur Walderschließung und -Schädigung gekommen wäre, läßt sich aus den Untersuchungen

22 Amelung/Diehl, S. 118. Auf diese Studie nimmt u. a. der 5. Tropenwaldbericht der Bundesregierung, Schutz und Bewahrung der Tropenwälder, BT-Drucksache 13/8100, S. 9, Bezug. 23 Amelung/Diehl, S. 118. 24 Unter diesem Begriff sind die Regen- und Monsunwälder zu verstehen; vgl. Whitmore, s. 164. 25 Die höhere Zahl entstammt dem Bericht der Enquete-Konunission, BT-Drucks. 1117220, s. 82. 26 Amelung/Diehl, S. 117 f. 27 Bryant/Nielsen!Jangely, S. 15; Utting, S. 19. 28 Dazu näher: Amelung/Diehl, S. 43 f., 119 f.; Amelungffhiele/Wiebelt, S. 7 f.

38

1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

jedoch nicht ableiten. Ihre Aussagekraft für das Schädigungspotential der Holzwirtschaft ist daher umstritten 29 • Unabhängig von dieser Streitfrage ist jedenfalls festzustellen, daß die Art und Weise des bisherigen Holzeinschlages in tropischen Wäldern größtenteils zu bedeutenden ökologischen Schäden geführt hat. Deren Ausmaß bestimmt sich je nach betroffenem Land unterschiedlich30. - die Landwirtschaft mit einer Quote von 86-94 o/o, davon 41-49% für den Wanderfeldbau. Der traditionelle Wanderfeldbau mit Brandrodung eines Waldgebietes zum Ackerbau und anschließender Brache und Regeneration des Waldes wird grundsätzlich als die ökologisch verträglichsteN utzungsart der Wälder angesehen 31• Das natürliche Gleichgewicht gerät allerdings dann außer Kontrolle, wenn zu viele Waldgebiete umgewandelt werden, zu kurze Regenerationszeiten vorgesehen sind oder die Bodenbearbeitung in unsachgemäßer Weise erfolgt32. Zerstörerischer Wanderfeldbau in Regenwaldregionen wird daher insbesondere auf das starke Bevölkerungswachstum und die Armut großer Teile der Bevölkerung zurückgeführt33. Indes ist auch zu berücksichtigen, daß der Zuzug von Kleinbauern in Regenwaldgebiete vielfach durch eine ungleiche Landverteilung in den betreffenden Staaten bedingt ist34. Von einigen Staatsregierungen wurde er überdies mit Hilfe von Urnsiedlungsprogammen als politisch opportunere Alternative zu Landreformen gefördert35 .

- 45% für den vielfach staatlich subventionierten Ausbau dauerhaft bewirtschafteter Flächen mit einem Großteil an Weide- und Ackerland36 . 29 Nach Amelung/Diehl, S. 119 f., sowie Amelung/Thiele/Wiebelt, S. 7, ist nicht nachgewiesen, daß andere Wirtschaftsakteure bei der Notwendigkeit einer Übernahme von Erschließungskosten von ihren Vorhaben absehen würden. Etwas anderes solllediglich für den Zustrom von Kleinbauern gelten. 30 Laut Amelung/Diehl, S. 42, betragen diese weltweit im Durchschnitt 15 %. Höhere Werte finden sich bei Terbough, S. 233, (45 %) und Jacobs/Kruk, S. 221 f. (60 %). 3 1 Thopa/Weber, S. 20m. w. N. 32 El-Hinnawi, S. 25; Utting, S. 17, unter Verweis auf die Tatsache, daß vielen Siedlern das Wissen über waldangepaßte landwirtschaftliche Nutzungstechniken fehlt. 33 Thopa/Weber, S. 20; Mather, S. 250, für tropische Wälder insgesamt. 34 Amelung/Diehl, S. 78 ff.; Gradwohl/Greenberg, S. 41 f.; Thopa/Weber, S. 23 ; Mathews, Foreign Affairs 68 (1989), S. 166; Mather, S. 251; Utting, S. 34. 35 Mather, S. 250; Amelung!Diehl, S. 80; Gradwohl/Greenberg, S. 40; Utting, S. 39; ähnlich auch Bryant!Nielsen/Tangley, S. 18, 25, 30. 36 Repetto, Spektrum der Wissenschaft 1990, S. 127 f.; Amelung/Thiele!Wiebelt, S. 6 f.

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

39

- Etwa 1 % der Entwaldung geht schließlich auf den Abbau von Bodenschätzen und angegliederte Industrien (insbesondere Kohleherstellung) zurück. - Die gleiche Quote gilt für industrielle Großprojekte wie Damrnbauten.

- 2 % der Waldzerstörung läßt sich auf andere Nutzungsarten zurückführen (z. B. Straßenbau).

C. Das Ökosystem Regenwald im Konfliktfeld zwischen nationalen Eigeninteressen und dem Erfordernis einer internationalen Umweltschutzkooperation Das Problern der Erhaltung tropischer Regenwälder steht im Konfliktfeld zwischen nationalen Eigeninteressen und internationalen Kooperationserfordernissen.

I. Nationale Eigeninteressen am Ökosystem Regenwald 1. Rechtlicher Ausgangspunkt: das Recht auf freie Ausbeutung natürlicher Ressourcen als Bestandteil nationalstaatlicher Souveränität In rechtlicher Hinsicht unterliegen die tropischen Regenwälder als Naturgüter im Gebiet bestimmter Staaten deren territorialer Souveränität. Der Begriff der Souveränität wird herkömmlich als Befugnis eines jeden Staates verstanden, seine innere Ordnung selbst und unabhängig von einer äußeren Einflußnahme zu bestimmen37. Davon ist auch das Recht auf freie Verfügung über die natürlichen Ressourcen im Staatsgebiet urnfaßt38 . Regenwaldstaaten ist es damit im Grundsatz überlassen, ihre Wälder in Übereinstimmung mit nationalen Eigeninteressen auszubeuten.

37 Statt aller: Wildhaber, S. 437 ("Sovereignty is internal self-determination and independence from any superior power."); Verdross/Simma, §§ 34 f.; Brownlie, S. 291. Hervorzuheben ist insoweit auch die Schiedsgerichtsentscheidung im Fall Island ofPalmas, Report of International Arbitral Awards (im folgenden: RIAA) 1928, Vol. li, S. 838: "Sovereignty in the relations between states signifies independence." 38 Bilder, NRJ 20 ( 1980), S. 452; Brownlie, RdC 162 ( 1979 I), S. 255; Schneider, S. 30; Elian, RdC 149 (1976 1), S. 9; O'Keefe, JWTL 8 (1974), S. 244; Hyde, AJIL 50 (1956), S. 862. Vgl. dazu auch die Art. I Abs. 2 des IPbpR und des IPwskR.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

Die staatliche Souveränität als Rechtsprinzip der Völkerrechtsordnung gilt zwar nicht absolut, sondern findet ihre Grenze in den Normen des internationalen Rechts, denen die Staaten unterworfen sind39• Die Entwicklung von Vorgaben in einem auf Gleichordnung beruhenden internationalen System hängt jedoch entscheidend davon ab, inwieweit die Staaten als Rechtsetzungssubjekte bereit sind, auf Alleinentscheidungskompetenzen zu verzichten. Gerade für Entwicklungsländer kann die Aufgabe derartiger Befugnisse eine erhebliche politische Dimension einnehmen. Diese wird deutlich, wenn man die rechtshistorische Entwicklung des ressourcennutzungsbezogenen Aspekts der Souveränität betrachtet. Im Rahmen des Dekolonialisierungsprozesses erfuhr er eine wesentliche Aufwertung durch seine Verknüpfung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Dieses Recht, auf dem die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien gründet40, sollte nicht nur eine eigenständige Entscheidungsmöglichkeit über den politischen Status umfassen, sondern auch die Verfügungsfreiheit über die natürlichen Ressourcen im betreffenden Territorium gewährleisten41 • Ohne eine derartige wirtschaftliche Selbständigkeit erschien eine politische Autonomie letztlich nicht realisierbar. Die Verbindung zwischen Selbstbestimmung und Ressourcennutzung kam dabei durch die Hervorhebung der sogenannten permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen zum Ausdruck42 . Sie fand Eingang in eine Vielzahl von Resolutionen der UN-Generalversammlunt3•

Statt aller: Delbrück, Souveränität, S. 198; Wildhaber, S. 441. Vgl. die Declaration on Independence for Colonial Countries and Peoples, GY-Res. 1514 (XV) vom 14. Dezember 1960 (abgedruckt im UN Yearbook 1960, S. 48 ff.), Ziffer2. Zur Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts und zu seinem Rechtscharakter: Simma/ Doehring, The Charter of the United Nations, Self-Determination, nach Art. I ; Nowak, Art. 1, Rn. 1 ff., beide m. w. N. 41 Vgl. die Declaration on Independence for Colonial Countries and Peoples, Ziffer 2. 42 Banajee, IJIL 8 (1968), S. 515; O 'Keefe, JWTL 8 (1974), S. 242; Dolzer, HRLJ 7 (1986), S. 218 f. ; Hyde, AJIL 50 (1956), S. 862; Mickelson, S. 243 f.; Schrijver, S. 1. Vgl. auch das Dokument Historical Summary of Decisions Relating to the Question of Permanent Sovereignty over Natural Wealth and Resources, UN Commission on Permanent Resources, UN-Doc. NAC.97/l vom 12. Mai 1959, Ziffer 1: "The right of peoples to selfdetermination shall also include permanent sovereignty over natural resources". 43 So z. B. The Right of Peoples and Nations to Self-Determination, GV -Res. 837 (IX) vom 14. Dezember 1954 (abgedruckt im UN Yearbook 1954, S. 212); The Right ofPeoples and Nations to Self-Determination, GV -Res. 1314 (XIII) vom 12. Dezember 1958 (abgedruckt im UN Yearbook 1958, S. 214 ff.); Permanent Sovereignty over Natural Resources, GY-Res. 1803 (XVII) vom 14. Dezember 1962 (abgedruckt im UN Yearbook 1962, s. 503 f.). 39

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C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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Mit zunehmender Staatswerdung der ehemals abhängigen Gebiete wurde die permanente Souveränität nicht mehr als .,Recht der Völker", sondern als .,Recht der Staaten" verstanden44 • Sie löste sich gleichzeitig aus dem begrenzten Kontext der Dekolonialisierung heraus. Inhaltlich sollte das Recht nun nicht mehr allein dazu dienen, die durch Fremdherrschaft geschaffenen Strukturen und faktischen Abhängigkeiten zu überwinden. Der Gedanke der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen wurde vielmehr als Grundlage der ökonomischen Entwicklung der Drittweltstaaten insgesamt verstanden45 • Zunehmend trat er im Zusammenhang mit Forderungen um einen Ausgleich des weltweiten Wohlstandsgefälles hervor46. Den bisherigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellen die Deklarationen der UN-Generalversammlung zumAufbau einerneuen Weltwirtschaftsordnung dar47 • Diese formulieren die Entwicklung der Drittweltstaaten als Ziel und Aufgabe aller Staaten der Erde48 • Verwirklicht werden sollte sie durch eine Umverteilung und systematische Vorzugsbehandlung der Entwicklungsländer49. Die Forderungen nach einerneuen Weltwirtschaftsordnung blieben dabei durch zwei kontradiktorische Leitgedanken geprägt50 • Zwar findet sich ein Bekenntnis zur internationalen Zusammenarbeit im Interesse verbesserter Lebensbedingungen in den Drittweltstaaten. Gleichzeitig hoben die Entwicklungsländer aber auch ihre ökonomische Eigenständigkeil durch die Betonung der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen hervor. Umstritten blieb dabei, welche konkreten Rechtsfolgen aus diesem Souveränitätsrecht abgeleitet werden konnten5 t. Einigkeit herrschte indes insoweit, als es ein freies Recht auf Nutzung der natürlichen Ressourcen beinhalten sollte52 .

Schrijver, S. 8; O'Keefe, JWlL 8 (1974), S. 247. Dolzer, HRU 7 (1986), S. 221 f. , 228; Brownlie, RdC 162 (1979 1), S. 262; Schrijver, s. 20, 164 ff. 46 Vgl. Schrijver, S. 84 ff. 47 Declaration on the Establishment of a New International Economic Order, GY -Res. 3201 (S-VII) vom 1. Mai 1974 (abgedruckt im UN Yearbook 1974, S. 324 ff.), Ziffer 4 e); Charter of Economic Rights and Duties of States, GY-Res. 3281 (XXIX) vom 12. Dezember 1974 (abgedruckt im UN Yearbook 1974, S. 402 ff.), Art. 2 Abs. 1. 48 Stocker, S. 131. 49 Verdross/Simma, § 507; Tomuschat, EPIL III, S. 578. 50 Tomuschat, EPIL III, S. 579; Vitzthum, EA 33 (1978), S. 458. 51 Dies galt insbesondere für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die permante Souveränität zur Enteignung und Nationalisierung ausländischen Investitionsvermögens berechtigt. V gl. Banajee, IJIL 8 (1968), S. 542; Tomuschat, ZaöRV 36 (1976), S. 450; Hyde, AJIL 50 (1954), S. 859; Brownlie, RdC 162 (1979 1), S. 262 ff. 52 Hyde, AJIL 50 (1954), S. 862; Deng, S. 308. 44

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen die enge Verknüpfung des ressourcennutzungsbezogenen Aspekts der Souveränität mit dem Gedanken der Erlangung und Bewahrung der nationalen Eigenständigkeil sowie mit Forderungen um eine stärkere weltweite Solidarität bzw. ökonomische Verteilungsgerechtigkeit Das Bestreben um nationale Eigenständigkeil kann eine gesteigerte Sensibilität gegenüber dem Verlangen nach einer Einschränkung staatlicher Alleinentscheidungsbefugnisse aus Umweltschutzgründen hervorrufen. Die Verbindung mit dem Postulatder Solidarität veranschaulicht, daß sich das Ansinnen nach einer Begrenzung von Ressourcennutzungsbefugnissen im Interesse der gesamten Menschheit nicht von Forderungen nach einem Ausgleich des weltweit bestehenden Wohlstandsgefälles loslösen lassen wird.

2. Die wirtschaftliche Bedeutung des Rechts auf Ausbeutung der Ressource Regenwald Fraglich erscheint, welche ökonomische Bedeutung dem Recht auf freie Ausbeutung der Ressource Regenwald zukommt.

a) Bereitstellung von Holzprodukten Von Erheblichkeil ist vor allem die holzwirtschaftliche Nutzung der Wälder, die in zahlreichen Tropenwaldstaaten einen wichtigen Beitrag zur Gesamtwirtschaft liefert53 . So haben Berechnungen im Rahmen des Forest Resources Assessment von 1990 festgestellt, daß 49 % der Gesamtheit der tropischen Waldflächen Asiens sowie jeweils etwa 11 % der Waldgebiete Lateinamerikas und Afrikas für die Holzwirtschaft genutzt werden54• Dabei ist das Holzeinschlagsvolumen in Asien und Lateinamerika ständig gestiegen, während es in Afrika vergleichsweise konstant geblieben ist55 • 1995 wurden etwa 63% des weltweiten Holzeinschlags in Entwicklungsländern vorgenornrnen 56• Vier Fünftel des Holzes wurde dort zur Energieversorgung genutzt, während lediglich ein Fünftel für die industrielle Wei53 Amelung!Thiele/Wiebelt, S. 7 f.; Amelung/Diehl, S. 37. Dies soll insbesondere für verschiedene südost-asiatische und afrikanische Staaten gelten. 54 Internationaler Umweltatlas, S. 193. 55 Forest Resources Assessment 1990: Tropical Countries, S. 51 , für den Untersuchungszeitraum zwischen 1961 und 1990. 56 Dies entspricht etwa 2.303 Mio. m3 Holz. Das Zahlenmaterial wurde entnommen aus dem FAO Yearbook on Forest Products 1991-1995, Rom 1997, S. I, 27.

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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terverarbeitung bestimmt war57 . Die Zerstörung der tropischen Wälder läßt sich demnach zum Großteil auf den Bedarf an Brennholz zurückführen. Diese Tatsache wird häufig angeführt, um die Verantwortlichkeit der Holzindustrie für die Regenwaldzerstörung zu relativieren58 • Unberücksichtigt bleiben dabei allerdings die Unterschiede in der Waldnutzung der äußeren und inneren Tropen. Während das Problem der Waldzerstörung zur Gewinnung von Brennholz in erster Linie den Bereich der offenen Wälder in den äußeren Tropen betrifft59, konzentrieren sich die Einschläge von Nutzungsholz auf immer- bzw. wechselgrüne tropische Waldflächen60. Der industriellen Holznutzung kommt damit in tropischen Feuchtwäldern eine größere Bedeutung zu. Konkrete Aussagen über Art und Umfang der Nutzung tropischer Regenwälder als Holzressource lassen sich hingegen nicht treffen. Weder die Statistiken der FAO noch die Angaben der Internationalen Tropenholzorganisation (ITTO) differenzieren zwischen Holzentnahmen im Bereich der geschlossenen und offenen tropischen Wälder. Lediglich 30 % des Tropenholzes wird von Entwicklungsländern exportiert61• Auffällig erscheint dabei, daß der Exportanteil für unverarbeitetes Holz abnimmt, während der Handel mit teilverarbeiteten Hölzern zumindest seit Anfang der 80er Jahre an Bedeutung gewinnt62 • Diese Tatsache verdeutlicht die Bemühungen der Drittweltstaaten um eine stärkere Industrialisierung durch den Aufbau eigener Verarbeitungsbetriebe63 . Da nach Einschätzung der ITTO der weltweite Holzbe57 1.729,6 Mio. m3 für die Energieversorgung und 573,4 Mio. m3 für die industrielle Weiterverarbeitung; ebenda. 58 Vorwort von Kar! Heinz Danzer und Hans-Jörg Danzer in: Holz Aktuell3/1981, S. I; Erklärung des Verbandes Deutscher Holzimporteure vom 17.04.1989 zur Anhörung der Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema: "Die Erhaltung tropischer Wälder", S. 14 f. 59 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 159; Amelung/Diehl, S. 22; Gradwoh/1 Greenberg, S. 37; Eckholm, Erik!Foley, Gera1d!Bamard, Geoffrey!Timberlake, Lloyd, Fue1wood: The Energy Crisis that Won' t Go Away, London!Washington 1984; zitiert nach dem WCMC-Report, S. 267, ohne Seitenzahlangabe. 60 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 159. 61 Berechnungen der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft und des Instituts für Ökonomie, bezogen auf das Jahr 1995; entnommen aus dem 5. Tropenwaldbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8100, S. 6. Nach Informationen der ITTO, zu erhalten überdas Internet: http://www.itto.or.jp, macht der Tropenholzhandel weltweit 10% des Holzhandels aus. 62 Amelung!Diehl, S. 24 ff., für die Entwicklung in den 80er Jahren. Dieser Trend hat sich in den 90er Jahren weiter verfestigt; vgl. insoweit das FAO Yearbook on Forest Products 1991-1995, Rom 1997, S. 31, 131, 169. 63 Amelung!Diehl, S. 30.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

darf in den nächsten Jahren ansteigen wird64 , kann mit einem Versuch eines weiteren Ausbaus der Holzindustrie in verschiedenen Tropenwaldstaaten gerechnet werden. Problematisch erscheint die ökologische Verträglichkeit bisheriger Forstbewirtschaftungspraktiken. Aufgrund der erheblichen ökologischen Sensibilität der Regenwälder und vor dem Hintergrund fehlender Erkenntnisse über die Langzeitwirkungen des Holzeinschlages ist bis heute umstritten, ob die forstwirtschaftliche Nutzung dieser Wälder überhaupt ohne irreversible Schädigungen möglich ist. Zwar gehen Forstwissenschaftler davon aus, daß sich die wesentlichen ökologischen Funktionen der Regenwälder auch bei einem Holzeinschlag langfristig aufrechterhalten lassen65 • Allerdings wird eine Verringerung der Anzahl der Arten der Wälder als Folge der holzwirtschaftliehen Nutzung eingeräumt66 • Vor dem Hintergrund der hohen Artenvielfalt und der großen Zahl von lokal begrenzt auftretenden Spezies67 bezweifeln Kritiker daher die Möglichkeit einer wirklich "nachhaltigen" Holzwirtschaft68 . Nach einer von der ITTO in Auftrag gegebenen Studie beruhte Ende der 80er Jahre lediglich etwa 1 %der gesamten Tropenholzproduktion auf grundsätzlich umweltschonenden Nutzungsmethoden69 . Von 1994 bis 1996 ist der Anteil ökologisch verträglicher Forstwirtschaft an der Gesamtproduktion von 1,5 auf 3 % gestiegen70. Ohne grundlegende Änderung der Bewirtschaftungsformen wird die Forstwirtschaft zumindest mittelfristig zur erheblichen Degradierung und Zerstörung tropischer Regenwälder beitragen. Zwar existieren in den meisten Tropenwaldländern Gesetze, die einer verbesserten Regulierung des Holzeinschlages dienen sollen. Sie sind jedoch teilweise nicht hinreichend auf die Besonderheiten tropischer Waldökosysteme ausgerichtet, enthalten keine Anreize für ökologisch verträgliche Nutzungspraktiken und werden nicht in die Praxis umgesetzt' 1• Dieses Vollzugsdefizit beruht zum einen auf dem Mangel an organisatorischen und finanInfonnationen der ITTO; zu erhalten über das Internet http://www.itto.or.jp. Vgl. den Bericht der Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 409. 66 Ebenda; Bruening, Vse and Misuse, S. 333. Auf diese Unbestimmtheit verweisen auch Thiele, Die Weltwirtschaft 1994, S. 367; Gradwohl/Greenberg, S. 141. 67 Dazu näher II. 1. a). 68 Obemdörfer, VRÜ 22 (1989), S. 430 f.; Rice/Gullison/Reid, Spektrum der Wissenschaft 1997, S. 86 ff.; Hönerbach, S. 94, unter zusätzlichem Verweis auf die sozio-ökonornischen Rahmenbedingungen. Ähnlich auch Utting, S. 117 f. 69 Poore, S. 21. 70 Der Fischer Weltalmanach 2001, S. 1279. 71 Dazu näher: Repetto, Spektrum der Wissenschaft 1990, S. 125 ff.; Bericht derEnquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 175 ff. 64 65

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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zieHen Mitteln72 , ergibt sich aber auch aus Interessenverknüpfungen zwischen Holzindustrie und staatlichen Entscheidungsträgem73 • Darüber hinaus hat eine verfehlte Abgaben- und Steuerpolitik in vielen Tropenwaldländern dazu geführt, daß keine angemessenen Renditen aus dem Forstwirtschaftssektor gezogen worden sind74 •

b) Bereitstellung von Nichtholzprodukten Neben Holz stellen Regenwälder eine Vielzahl von Nichtholzprodukten, sogenannte sekundäre Waldprodukte, bereit. Sie werden größtenteils von der vor Ort ansässigen Bevölkerung in Subsistenzwirtschaft oder für lokale Märkte genutd5 • Diese Form der Ressourcennutzung wird grundsätzlich als weniger umweltintensiv angesehen, weil die betreffenden Wirtschaftssubjekte vielfach über traditionelles Wissen zur angemessenen Waldbewirtschaftung verfügen und ein Interesse an der Erhaltung der Wälder zur Sicherung ihrer Lebensgrundlage haben76 • Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Nutzung von Nichtholzprodukten läßt sich bisher nur eingeschränkt abschätzen. Da dieser Wirtschaftszweig größtenteils der Selbstversorgung der lokalen Bevölkerung dient, liegt er vielfach außerhalb der statistisch erfaßten und von der nationalen Politik beeinflußten Wirtschaftszweige77. Nach einer 1989 veröffentlichten Studie beträgt der ökonomische Wert eines Hektars peruanischen Regenwaldes bei Nutzung seiner tropischen Hölzer 1.000 US-Dollar. Bei selektivem Holzeinschlag und einer Einbeziehung sekundärer Waldprodukte wäre hingegen ein Betrag von 6.820 US-Dollar zu erzielen78 • Die Einbeziehung von Nichtholzprodukten wird daher vielfach als umweltverträglichere und dennoch wirtschaftlich rentable Möglichkeit zur Nutzung tropischer Regenwälder angesehen79 • Studien der letzten Jahre haben diese Bewertung allerdings relativiert. Ihnen zufolge lassen sich verallgemeinerungsfähige Aussagen über die Bedeutung von Nichtholzprodukten aufgrundder erheblichen Unterschiede in den lokalen Gegebenheiten nur eingeschränkt treffen 80. Bericht der Enquete-Kommission, BT-Drucks. 11/7220, S. 176. Ebenda. 74 Ebenda; Repetto, Spektrum der Wissenschaft 1990, S. 125 f. 75 de Beer, S. 88 ff., 92; Amelung, S. 25 f., 30; Amelung!Thiele/Wiebelt, S. 4. 76 Amelung, S. 30. 77 Amelung, S. 25 f. 78 Peters/Gentry/Mendelsohn, Nature 339 (1989), S. 655 f. 79 de Beer, S. 87 ff. 80 Vgl. die Zusammenfassung bisheriger Ergebnisse bei Pearce, 5 f.; Thiele, Die Weltwirtschaft 1994, S. 371 ff. 72

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

Für den internationalen Markt kommt Nichtholzprodukten im Hinblick auf die Nutzung genetischer Ressourcen für den Bereich der Nahrungsmittel-, Arzneimittel- und Landwirtschaftsproduktion eine erhebliche Bedeutung zu81• Auch insoweit fehlt es an eindeutigen Aussagen zum Ertragspotential82 . Die stärkere Vermarktung von Nichtholzprodukten trägt die Gefahr in sich, daß es zu einer zusätzlichen Ausbeutung der Wälder zugunsten kurzfristiger wirtschaftlicher Interessen kommt.

c) Bereitstellung von Bödenfür alternative Nutzungsformen Die Landwirtschaft weist in Tropenwaldstaaten eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung auf. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft trug sie in den meisten Ländern Ende der 80er Jahre mit mehr als einem Viertel zum Bruttosozialprodukt bei und erzielte eine hohe Exportquote83 . Als arbeitsintensiver Wirtschaftszweig schafft sie überdies eine große Zahl von Arbeitsplätzen84 • Im Hinblick auf die Absatzmärkte der landwirtschaftlichen Produkte läßt sich vereinfacht feststellen, daß auf dauerhaften N utzungsflächen, die sich in ursprünglichen Waldarealen befinden, in erster Linie für den nationalen oder internationalen Markt produziert wird85 • Die Brandrodung von Regenwaldgebieten im Rahmen des Wanderfeldbaus erfolgt demgegenüber vielfach zur Subsistenzsicherung und zur Belieferung lokaler oder regionaler Absatzgebiete86 . Die Ausweitung beider Nutzungsformen in Waldareale ist in der Vergangenheit von einer Vielzahl der Tropenwaldländer subventioniert worden87 • In welchem Umfang die Umwandlung von Regenwaldflächen zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion beigetragen hat, läßt sich aufgrundfehlender Daten nicht erschließen. Die am Institut für Weltwirtschaft erstellte Analyse kommt aufgrund verschiedener Länderstudien zu dem Ergebnis, daß die Ausweitung 81 Stiles, Ambio 23 (1994), S. 106; Peters/Gentry/Mendelsohn, Nature 339 (1989), S. 655 ; Mendelsohn/Balick, Conservation Biology 6 (1991), S. 128 f.; Myers, Environmental Conservation 23 (1996), S. 157 f.; Caufield, S. 253 ff. 82 Pearce, S. 5 f.; Thiele, Die Weltwirtschaft 1994, S. 371 ff. 83 Amelung/Diehl, S. 51. 84 Ebenda.

Dies. , S. 53. Ebenda. Die Autoren weisen aufS. 79 ihrer Studie allerdings darauf hin, daß in den von ihnen näher untersuchten Ländern (Brasilien, Kamerun, Indonesien) der Wanderfeldbau teilweise auch in nationale oder internationale Absatzmärkte integriert ist. 87 Dies., S. 85 ff. 85

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C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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landwirtschaftlicher Nutzungsflächen in Tropenwaldareale keine wesentliche Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation zur Folge hatte88 • Zurückgeführt wird dies vor allem auf die geringe Produktivität der Waldböden89 . Die Nutzung von Bodenschätzen in Regenwaldregionen spielt nach bisherigen Erkenntnissen nur eine untergeordnete Rolle. Wegen der Unzugänglichkeit der Waldgebiete sind die Lage und die Art der Rohstoffvorkommen vielfach nicht bekannt; ferner ist ihre Erschließung mit erheblichen Kosten verbunden90• Von den 3.500 größeren Abbaugebieten der Erde lagen Anfang der 90er Jahre nur 93 in Regenwaldarealen91 • Für den Fall, daß die Preise für Bodenschätze auf dem Weltmarkt steigen, kann jedoch mit dem Versuch einer Ausweitung des Rohstoffabbaus in den betreffenden Staaten gerechnet werden. In diesem Zusammenhang würde auch die Nutzung großer Flußläufe innerhalb der Regenwaldregionen zur Herstellung von Hydroenergie an Bedeutung gewinnen. Sie spielt bisher nur in einigen Staaten eine größere Rolle92 •

d) Erholungs- und Dienstleistungsfunktion der Regenwälder Inwieweit die Regenwälder durch die ökonomische Nutzung ihrer Erholungsfunktion, also insbesondere durch Tourismus, in Wert gesetzt wurden, ist bislang kaum untersucht worden93• Als ein weltweit bedeutender Wirtschaftszweig könnte der Tourismus zur wirtschaftlichen Entwicklung in den betreffenden Ländern beitragen. Eine ökologisch und ökonomisch angemessene Nutzung des Erholungswerts setzt allerdings ein umfassendes Schutzkonzept voraus, das Störungen weitgehend verhindert und eine umweltverträgliche touristische Infrastruktur bereitstellt.

e) Zusammenfassung Die Ausbeutung der Ressource Regenwald bringt für Entwicklungsländer ein ökonomisches Potential mit sich, dessen konkrete Bedeutung nur schwer abgeschätzt werden kann. Bisher überwiegt die Nutzung der Waldareale durch ForstDies., S. 73 . Ebenso: Thiele/Wiebelt, S. 6. Dazu: Il. I. b) bb). 90 Amelung/Diehl, S. 95. 9 1 Dies., S. 98. 92 Dies., S. 109. 93 Zu bisherigen Ergebnissen vgl. Pearce, S. 7; Thiele, Die Weltwirtschaft 1994, S. 373. 88 89

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

wirtschaft und durch Umwandlung in landwirtschaftliche Flächen. Nähere Angaben zu den staatlichen Einnahmen aus diesen Wirtschaftszweigen liegen dabei nicht vor. Die industrielle Forstwirtschaft ist zumindest kurz- und mittelfristig von gesteigerter ökonomischer Bedeutung für die Tropenwaldstaaten. Aufgrund der weitgehend praktizierten zerstörerischen Bewirtschaftungsmethoden erscheinen langfristige Einnahmen aus diesem Sektor kaum realistisch. Von der landwirtschaftlichen Produktion gehen in Entwicklungsländern hohe Beschäftigungseffekte und wirtschaftliche Ertragsmöglichkeiten aus. Allerdings ist anzunehmen, daß eine Ausweitung der Flächen in Regenwaldgebiete keine stärkeren Wachsturnspotentiale mit sich bringt. Die Nutzung der Ressource Wald als Areal für den Ausbau landwirtschaftlicher Flächen stellt indes eine Möglichkeit zur Abrnilderung sozialer Konflikte dar, die ansonsten nur durch weitreichende politische Reformen bewältigt werden könnten.

II. Internationale Kooperationserfordernisse: mögliche Anknüpfungspunkte An der Erhaltung der Regenwälder läßt sich unter verschiedenen Aspekten ein Interesse aller Staaten oder bestimmter Staatengruppen begründen. Dieses kann nur befriedigt werden, wenn Tropenwaldstaaten ihre nationalen Eigenbelange zurückstellen und sich einer internationalen Zusammenarbeit öffnen.

1. Die Bedeutung des Ökosystems Regenwald in ökologischer Hinsicht Hervorzuheben ist zunächst die ökologische Bedeutung der Regenwälder für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen auf globaler und regionaler Ebene.

a) Vitaler Umweltschutz: Erhaltung der Artenvielfalt Der Bewahrung des Lebensraums Regenwald kommt unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der globalen Artenvielfalt, also des vitalen Umweltschutzes94, eine erhebliche Bedeutung zu. 94 Nach Breuer, Der Staat 20 ( 1989), S. 399, versteht man unter vitalem Umweltschutz Bemühungen zur Erhaltung der Tier- und Pflanzenarten.

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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Trotz zahlreicherUntersuchungenkonnte bisher nicht geklärt werden, wieviel verschiedene Arten weltweit existieren95 • Schätzungen der Naturwissenschaftler schwanken zwischen 5 bis 50 Millionen Spezies96, von denen bis heute nur etwa 400.000 Pflanzen- und 1,2 Mio. Tierarten97 bekannt und wissenschaftlicherfaßt worden sind. Zwischen 50 und 90% aller weltweit existierenden Arten sollen in den Gebieten tropischer Feucht- bzw. Regenwälder beheimatet sein98 • Das Nebeneinander dieser Vielzahl von verschiedenen Spezies ist durch ein ausgeprägtes Nahrungsspezialistentum, eine extreme Anpassung an Sonderlebensräume sowie einen hohen Anteil an Symbiosen möglich99• Mit dem Artenreichtum der Regenwälder geht eine vergleichsweise niedrige Individuenzahl der einzelnen Spezies einher 100• Viele Arten lassen sich allein in bestimmten, örtlich begrenzten Gebieten finden 101 • Die Anzahl dieser sogenannten endemischen Spezies ist im Vergleich zu anderen Ökosystemen der Erde in tropischen Regenwäldern am höchsten 102 • Menschliche Eingriffe in das Ökosystem können vor diesem Hintergrund besonders schwerwiegende Folgen haben. So besteht Einigkeit, daß die Tier- und Pflanzenarten der tropischen Regenwälder wesentlich schneller ausgerottet werden können als Arten in nichttropischen Gebieten 103• Schätzungen, die vom Aussterben von 50 bis 200 Spezies täglich sprechen, sind insbesondere auf den Artenverlust durch die Zerstörung der Regenwälder zurückzuführen 104•

s Wilson, S. 197. May, Science 241 (1989), S. 1441. Hawksworth, S. 111, hält eine Zahl von 13,6 Mio. Arten weltweit für realistisch; ähnlich Terbourgh, S. 12. 97 Wehner/Gehring, S. 550 f. 98 WCMC-Report, S. 256; Obemdörfer, S. 4; Wilson, S. 137 (50%); Stowe, NRJ 27 (1987), S. 57 f. (40 %). Vgl. auch die Ausführungender Enquete-Kommission, BT-Drucks. 11/7220, S. 95. Bei den verschiedenen Studien wird nicht immer deutlich, ob sie sich auf tropische Regenwälder im Sinne der FAOIUNEP-Definition beziehen oder unter dem Begriff Regenwald sämtliche Feuchtwälder erfassen wollen. Es ist wohl von letzterem auszugehen. 99 Statt aller: Reichholf, Die Bedrohung tropischer Wälder, S. 5. 100 Ders., S. ll f. 101 Cook/Jenetos/Hinds, Environmental Conservation 17 (1990), S. 206. 102 Reichholf, Die Bedrohung tropischer Wälder, S. 14. 103 Ders., S. 12. 104 Schücking, S. 14 f. 9

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

b) Die Bedeutung der Regenwälder für die verschiedenen Umweltmedien Der Stellenwert des Ökosystems Regenwald wird darüber hinaus in bezug auf die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden 105 diskutiert. Dabei ist weitgehend umstritten, welche Folgen mit der Zerstörung der Waldgebiete auf globaler und regionaler Ebene verbunden sind.

aa) Globale Auswirkungen der Regenwaldzerstörung

( 1) Treibhauseffekt Besondere Beachtung hat die Frage gefunden, wie sich die Vernichtung des Ökosystems Regenwald auf das Weltklima auswirkt. Den Kern der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bildet dabei der sogenannte Treibhauseffekt, eine Erwärmung der Erdatmosphäre durch anthropogene Gasetrlli. Bislang konnte nicht eindeutig geklärt werden, inwieweit globale Temperaturänderungen auf menschliche Verhaltensweisen zurückzuführen sind 107 . Nach Ansicht des Intergovernmental Panel on Climate Change, einem Gremium aus weltweit kooperierenden Experten im Bereich der Klimaforschung 108 , sollen die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse jedenfalls einen "erkennbaren menschlichen Einfluß auf das globale Klima" nahelegen 109• Mit einer weltweiten Erhöhung der Temperatur werden zahlreiche Szenarien verbunden: So ist von einem Anstieg des Meeresspiegels, der Ausbreitung von Wüsten, einer steigenden Häufigkeit von Stürmen, veränderten globalen Wasserkreisläufen sowie vom Rückgang der biologischen Vielfalt die Redeito. 105 Nach Breuer, Der Staat 20 ( 1989), S. 395, sind Bemühungen um die Reinhaltung von Luft, Boden und Wasser als medialer Umweltschutz anzusehen. 106 Zum Treibhauseffekt näher: Loske, S. 35 ff. m. w. N. 107 Eine Zusammenfassung der verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen findet sich bei Loske, S. 35 ff. , 47 ff. 108 Das IPPC wurde 1988 von der World Meteorological Organisation und dem UNEP gemäß Ziffer 5 der Res. Protection of the Global Climate for Present and Future Generations of Mankind, GV -Res. 43/53 vom 6. Dezember 1988 (abgedruckt bei Rüster/Simma, Bd. 4, unter VI/C/06-12-88) eingerichtet. Es hat es die Aufgabe, verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse iur Klimaveränderung zu beurteilen, die möglichen Auswirkungen des Klimawandels abzuschätzen und Handlungsstrategien zu entwickeln. 109 IPCC Summary for Policy Makers, ohne Ortsangabe, November 1995; zit. nach Loske, S. 48, ohne Seitenzahlangabe. 110 Loske, S. 54; Obemdörfer, S. 6; Kloss, S. 16.

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Nach heutigem Erkenntnisstand läßt sich der Treibhauseffekt zum größten Teil auf den Ausstoß von Kohlendioxid (C02) zurückführen 111 • Etwa ein Viertel dieser Ernissionen soll auf die Zerstörung tropischer Wälder, insbesondere durch Brandrodung und anschließende Landnutzungspraktiken, zurückgehen 112 • Der weit überwiegende Teil stammt aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Es wäre daher verfehlt, die Zerstörung tropischer Wälder als Hauptursache für die globale Erderwärmung anzusehen. Während über die C02-Quellen relativ gesicherte Angaben gernacht werden können, ist bisher nur sehr wenig über den konkreten Verbleib der freigesetzten Gase bekannt. Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge gelangen lediglich 45 % des emittierten Kohlendioxids dauerhaft in die Atmosphäre 113 . Der überwiegende Teil wird hingegen durch sogenannte C0 2-Senken gebunden. Fest steht dabei, daß auch die tropischen (Regen-)Wälder, die das in der Atmosphäre vorhandene Kohlendioxid durch pflanzliche Photosynthese binden, als C02-Senke dienen. Nicht eindeutig geklärt werden konnte bislang allerdings, welche Bedeutung den Wäldern oder anderen Senken konkret zukommt 114• Vor dem Hintergrund bisheriger Erkenntnisse läßt sich jedenfalls feststellen, daß Maßnahmen zum Schutz der Regenwälder in zweifacher Hinsicht zur Stabilisierung des Weltklimas beitragen können 115 • Sie verhindern nicht allein die weitere Freisetzung von Kohlendioxid, die typischerweise mit der Waldzerstörung einhergeht. Walderhaltungsbestrebungen sind gleichzeitig geeignet, die Funktion der Wälder als C02-Senke aufrechtzuerhalten.

111 Loske, S. 41 f., spricht unter Verweis auf Erkenntnisse des IPCC (The IPCC Scientific Assessment, Cambridge 1990) von einem Verursachungsbeitrag von 55 %. Ähnlich Whitmore, S. 180 f. ; Mather, S. 202; Cook/Jenetos/Hinds, Environmental Conservation 17 (1990), S. 204, sprechen von 50 %. 112 Mather, S. 203; Guppe, Foreign Affairs 62 (1984), S. 931. Nach Erkenntnissen des IPCC (IPCC, The 1994 Report of the Scientific Assessment Working Group of IPCC, ohne Ortsangabe, 1994; zit. nach Loske, S. 43) wurden in den 80er Jahrenjährlich 5,5 +1- 0,5 Gt Kohlenstoff durch Verbrennung fossiler Brennstoffe und 1.6 +1- 1,0 Gt aufgrund der Veränderung tropischer Landnutzung in Form von C02 emittiert. 113 Detwiler/Hall, Science 239 (1988), S. 42; Norby, Nature 388 (1997), S. 523, jeweils m. w. N. 114 Der IPCC geht davon aus, daß etwa 28 % des Kohlenstoffs von den Ozeanen der Welt und etwa 7 % von den Wäldern der Nordhemisphäre aufgenommen werden. Welche Senken das verbleibende Viertel an emittierten Kohlenstoff speichern, sei bisher unbekannt (zit. nach Loske, S. 43). 115 Mather, S. 204; Goreau/de Mello, Ambio 17 (1988), S. 275.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

(2) Weitere Folgenfür das Weltklima Ob die Regenwaldzerstörung weitere Auswirkungen auf das Weltklima hat, ist weitgehend ungeklärt. Bisherige Untersuchungen konzentrierten sich auf die Frage, ob die mit der Waldzerstörung einhergehende Veränderung der Oberflächenstruktur das globale Klima beeinträchtigen könnte 116. Wälder absorbieren im Vergleich zu anderen Vegetationstypen einen höheren Anteil an Sonneneinstrahlung117 und setzen die aufgenommene Energie unter anderem durch Verdunstung von Wasser frei. Ersetzt man Waldgebiete durch Weide- oder Ackerland, wird mehr Sonnenstrahlung von der Erde reflektiert118 . Damit steht weniger Energie zur Umwandlung von Wasser in Wasserdampf zur Verfügung. Bei gleichzeitiger Verringerung der Oberflächenvegetation und damit auch der Wasserspeicherkapazität des Bodens können nur noch geringere Mengen Feuchtigkeit im Gesamtsystem gehalten und durch Verdunstung freigesetzt werden. Es wird insofern nicht ausgeschlossen, daß die Veränderung der Oberflächenstruktur durch die Entwaldung über Beeinträchtigungen des Strahlungshaushaltes zu globalen Temperaturveränderungen und Störungen des Wasserhaushaltes führt. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sollen diese Folgewirkungen jedoch kein erhebliches Ausmaß erreichen 119 .

bb) Regionale Auswirkungen Bedeutender erscheinen insoweit die Folgen der Regenwaldvernichtung auf regionaler Ebene.

(1) Folgen für das Klima

Nach bisherigen Erkenntnissen soll die Veränderung der Vegetationsform und Oberflächenstruktur in den Gebieten der Tropen die Klimastabilität im regionalen Raum erheblich beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere für den dortigen Wasser116 Shukla/Mintz, Science 215 (1982), S. 1498 ff.; Potter/Ellsaesser/MacCracken/Ellis, Nature 291 (1981 ), S. 47 ff.; Cook/Jenetos/Hinds, Environmental Conservation 17 (1990), s. 206. 117 Whitmore, S. 179; Henderson-Sellers/Gomitz, Climatic Change 6 (1984), S. 232. 118 Ebenda. 119 Henderson-Sellers/Gomitz, Climatic Change 6 ( 1984), S. 231, 241 , 254 f.; Whitmore, S. 179; vgl. auch den Bericht der Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 261 ff.

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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haushalt. So wird davon ausgegangen, daß sich die Niederschlagsmenge in Gebieten mit einer hohen Waldzerstörungsrate verringert 120• Da Weide- und Ackerland im Gegensatz zu Wäldern über eine geringere Wasseraufnahmekapazität verfüge, fließe ein größerer Teil des Niederschlages oberirdisch ab 121 • Damit stehe eine geringere Wassermenge zur Verdunstung und Wolkenbildung zur Verfügung. Diese Beeinträchtigung der Wasserkreisläufe kann nach bisherigen Erkenntnissen sowohl eine Regeneration beschädigter Waldflächen erschweren als auch zu Schädigungen noch intakter Waldgebiete der betreffenden Region führen 122 • Da Wälder über eine hohe Wasserspeicherkapazität verfügen, sollen sie nach Ansicht verschiedener Wissenschaftler zur Stabilität des regionalen Klimas beitragen, indem sie Überflutungen und Trockenzeiten abmildem 123 • Schließlich wird angenommen, daß die Temperatur in Bodennähe mit der Zerstörung der Wälder ansteigt124• Dies kann unter anderem negative Auswirkungen auf die Ertragsfähigkeit der regionalen Landwirtschaft haben. Modellberechnungen und Beobachtungen in entwaldeten Gebieten sprechen für die Richtigkeit der dargestellten Erkenntnisse. Es ist bis heute jedoch noch nicht gelungen, die konkreten Ursachenzusammenhänge zwischen der Regenwaldzerstörung und Veränderungen der Wasserkreisläufe sowie der Temperatur wissenschaftlich eindeutig nachzuweisen 125 •

(2) Bodenerosion

Mit der Zerstörung der Waldvegetation nimmt die Bodenerosion zu 126• Während Naturwald jährlich lediglich 0,2-10 tlha Boden verliert, wurden beim Brand120 Shukla/Nobre/Sellers, Nature 247 (1990), S. 1325; WCMC-Report, S. 256; Myers, Environmental Conservation 15 (1988), S. 294 f.; Whitmore, S. 180. 121 Cook/Jenetos/Hinds, Environmental Conservation 17 (1990), S. 205 f. 122 Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 282. 123 V gl. zu den verschiedenen Ansätzen näher: Mather, S. 251; kritisch: Grainger, s. 161 f. 124 Shukla/Nobre/Sellers, Nature 247 ( 1990), S. 1324. Die durch Sonneneinstrahlung gelieferte Energie wird nicht mehr zur Umwandlung von Wasser in Wasserdampf gebunden, sondern trägt zur Erwärmung bodennaher Luftschichten bei. 125 Mather, S. 251 ; Henderson-Sellers/Gomitz, Climatic Change 6 (1984), S. 294 f. Vgl. ferner die verschiedenen Modellberechnungen im Bericht der Enquete-Kommission, BTDrucks. 11/7220, S. 280 f. 126 Cook/Jenetos/Hinds, Environmental Conservation 17 (1990), S. 206; Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, S. 294 f.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

rodungsfeldbau Verluste von 600-1.200 tlha Land pro Jahr gemessen 127 • Dies wirkt sich in Regenwaldgebieten besonders schwerwiegend auf die landwirtschaftliche Produktion aus. Der Großteil der Nährstoffe des Systems Regenwald ist in der Biomasse, nicht aber im Erdreich gespeichert 128 . Zwar bleiben diese Mineralien nach einer Brandrodung zunächst in der Asche erhalten, sind aber nach wenigen Jahren aufgezehrt, so daß die Ertragsfähigkeit des Landes schnell absinkt129. Bodenerosion, vielfach verstärkt durch unsachgemäßen Ackerbau, beschleunigt diesen Vorgang. Die Folge liegt in einer ökologisch irreversiblen Savannisierung weiter Gebiete, die sich ökonomisch kaum noch nutzen lassen 130•

c) Zusammenfassung

Regenwälder üben verschiedene ökologische Funktionen aus, die für die Sicherung der natürlichen Lebensumstände auf globaler und regionaler Ebene bedeutend sind und als solche ein staatlich übergeordnetes Interesse an der Erhaltung der Wälder legitimieren können. Auf globaler Ebene gilt dies in erster Linie für die Sicherung der Artenvielfalt und die Stabilisierung des Weltklimas. Während hier hinreichend sichere Erkenntnisse über Wirkungszusarnrnenhänge bestehen, ist die Möglichkeit weiterer weltweiter Folgewirkungen der Waldzerstörung überwiegend ungeklärt. Sie wird jedoch für gering gehalten. Im regionalen Raum kann die Entwaldung zu Temperaturveränderungen und Beeinträchtigungen der Wasserkreisläufe führen. Allerdings fehlt es bis heute auch insoweit an eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen über Kausalzusammenhänge. Lediglich die Funktion der Wälder für die Sicherung der Bodenqualität ist unstreitig.

2. Die Bedeutung des Ökosystems Regenwald für die Sicherung internationaler Menschen- und Minderheitenrechte Das Problem der Zerstörung tropischer Regenwälder läßt sich über ökologische Aspekte hinaus in einen sozialen Kontext stellen. Soziale Belange sind bereits heute über Menschen- und Minderheitenrechte als Rechtswerte der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Soweit hier eine Verknüpfung mit dem Bestand des Klötzli, S. 336. Henderson-Sellers/Gomitz, Climatic Change 6 (1984), S. 233m. w. N. 129 Ebenda. 130 Stowe, NRJ 27 (1987), S. 58 f. 127

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Ökosystems Regenwald gegeben ist, kann ein Interesse der Staatengemeinschaft an der Erhaltung der Wälder begründet werden.

a) Menschen- und Minderheitenrechte als Gewährleistungen für einen verbesserten Waldschutz

aa) Einbeziehung von Umweltstandards in herkönunliche Menschenrechte Prinzip 1 der Stockholmer Erklärung von 1972 formulierte: "Man has the fundamental right to freedom, equality and adequate conditions of life, in an environment of a quality that permits a life of dignity and well-being ... " 131 • Dieser Verbindung von Menschenrechten und Umweltschutz liegt der Gedanke zugrunde, daß ökologische Schäden die Ausübung bestirnrnter Rechte beeinträchtigen können 132• Ein effektiver Menschenrechtsschutz kann daher nur gewährleistet werden, wenn man bestirnrnte ökologische Standards in den Schutzbereich menschenrechtlicher Garantien einbezieht 133 • In Betracht kornrnen hierbei insbesondere 134 das Recht auf Leben 135 , Gesundheit 136 oder einen angemessenen Lebensstandard 137 • Sofern Umweltschutzbelange in den Schutzbereich entsprechender internationaler Menschenrechte integriert sind, werden Umweltzerstörungen im Territorium eines Staates, die zunächst eine rein innerstaatliche Angelegenheit darstellen, einer internationalen Kontrolle und Beeinflussung zugänglich 138 • Dies gilt insbesondere dann, wenn die Möglichkeit

131 Die Declaration on Human Environment vom 16. Juni 1972 findet sich abgedruckt in ILM 11 (1972), S. 1416 ff. 132 Hinds, S. 385. 133 Birnie/Boyle, S. 192; Hinds, S. 384 ff.; Hohe, ZUR 1994, S. 15 ff.; Shelton, YIEL 3 (1992), S. 90; zurückhaltender: Odendahl, Umwe1tpflichtigkeit, S. 335. 134 In der Diskussion werden ferner das Recht auf Privatsphäre (Churchill, Environmental Rights, S. 91; Hinds, S. 388), Eigentum (Churchill, Environmental Rights, S. 91; Hinds, S. 387; Shelton, YIEL 3 (1992), S. 90) oder auch auf ein faires Verfahren (Churchill, Environmental Rights, S. 95) angeführt. 135 Odendahl, Umwe1tpflichtigkeit, S. 335; Hinds, S. 385; Churchill, Environmental Rights, S. 90; Birnie/Boyle, S. 192; Weber, HRU 1991 , S. 181 ; Thonne, DJILP 19 (1991), S. 319, allerdings mit anderem Grundansatz. 136 Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 335; Hinds, S. 385; Bimie/Boyle, S. 192; Thonne, DJILP 19 (1991), S. 321. 137 Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 335; Thonne, DJILP 19 (1991 ), S. 319. 138 Bimie/Boyle, S. 189.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

besteht, die Verletzung entsprechender Rechte vor internationalen Gremien zu rügen 139 • Die Zerstörung der tropischen Regenwälder wird nur selten in menschenrechtlich geschützte Rechtspositionen eingreifen. Die wirksame Ausübung von Menschenrechten setzt nämlich nicht die Existenz des Ökosystems Wald voraus. Eine Ausnahme mag für Situationen gelten, wie sie infolge der Waldvernichtung in den Staaten Südostasiens im Jahr 1997 gegeben waren. Auf den indonesischen Inseln Sumatra, Kalimantan und Irian Java gerieten Feuer, die zur Rodung tropischer Regenwälder gelegt worden waren, aufgrund der durch das Klimaphänomen EI Nifio hervorgerufenen Trockenheit außer Kontrolle. Sie führten zu Luftverschmutzungen von bisher nicht dagewesenemAusmaß. Noch im benachbarten Malaysia wurden Verschmutzungsindizes festgestellt, die als "sehr ungesund" oder "lebensgefährlich" einzustufen waren 140• Der Grad der Verunreinigungen ging dabei zum Teil über Obergrenzen bestehender Skalen hinaus und erreichte den höchsten weltweit je gemessenen Wert 141 • Obwohl die Gefahr erheblicher Waldbrände vorhersehbar war 142, hatte lndonesien keine hinreichen139 Von den aufgeführten Rechtspositionen gilt dies auf globaler Ebene lediglich für das Recht auf Leben nach Art. 6 Abs. I des IPbpR. Seine Verletzung kann durch eine Staatenbeschwerde (Art. 41 IPbpR) und bei Ratifizierung des ersten Zusatzprotokolls auch mittels Individualbeschwerde (Art. 1 des ZP) geltend gemacht werden. Nach Auffassung des wohl überwiegenden Teils der Literatur (Dinstein, S. 115; Hinds, S. 386; Desch, ÖzöRV 36 (1985), S. 101; a. A. Ramcharan, NILR 1983, S. 7) soll das Recht aufLeben eng auszulegen sein und lediglich ein Recht auf Überleben sichern. Es kann dann nur vor extremen Umweltverschmutzungen schützen (so Hinds, S. 386; Weber, HRU 1991, S. 181; ähnlich Bimie/Boyle, S. 192 f.). Damit wird die Möglichkeit einer internationalen Kontrolle umweltschädigender Verhaltensweisen stark begrenzt. Das Recht auf Gesundheit und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard sind demgegenüber im IPwskR gewährleistet (Art. 12 Abs 1 sowie Art. 11 Abs. 1 und 2). Artikel 2 Abs. 1 des Vertrages verlangt von den Vertragsparteien lediglich, unter Ausschöpfungall ihrer Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach die volle Verwirklichung der im Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. Die im IPwskR aufgeführten Rechtspositionen haben somit einen stark programmatischen Charakter und sind nicht beschwerdefähig ausgestaltet. 140 Swinbanks, Nature 389 (1997), S. 321. Danach wurde in Kuching (Malaysia) ein Index von 658 Einheiten gemessen. Bereits ein Wert von 400 Einheiten kann bei kranken, älteren oder empfindlichen Personen eine lebensgefährdende Lage hervorrufen. Nach einem Bericht im Spiegel, Heft 40 aus 1997, S. 190, stieg der Wert später auf 839 Einheiten an. 141 So bereits Swinbanks, Nature 389 (1997), S. 321. Ebenso der Spiegelbericht, S. 190, für den höheren Index. 142 So war es bereits 1994 in Indonesien zu erheblichen Waldbränden gekommen, die sich nicht unter Kontrolle bringen ließen. Überdies war die Wahrscheinlichkeit größerer Brände wegen der Trockenheit, verursacht durch das Klimaphänomen EI Niiio, besonders groß; vgl. Tan, ICLQ 48 (1999), S. 841.

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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den Maßnahmen durchgeführt, um die Brandgefahr zu minimieren 143 . Wie dieses Beispiel zeigt, kann die Zerstörung der Wälder zur Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit führen und damit menschenrechtlich relevant werden144. Es verdeutlicht allerdings auch, daß nicht die Zerstörung der Flächen selbst den Anknüpfungspunkt für eine Prüfung der Verletzung von Menschenrechten bildet, sondern lediglich die Art und Weise der W aldvernichtung. Bei einer Abholzung der entsprechenden Gebiete wäre eine Beeinträchtigung von menschenrechtliehen Rechtspositionen kaum begründbar gewesen. Anders stellt sich die Lage dar, wenn die Verwirklichung von Menschenrechten so stark vom Fortbestand eines Ökosystems abhängt, daß dessen Schädigung zwangsläufig zum Eingriff in geschützte Rechte führt. Wie der Abschlußbericht der UN-Sonderberichterstatterin Ksentini über Menschenrechte und Umweltschutz betont, gilt dies insbesondere für indigene Völker in Regenwaldgebieten 145. Die Ausübung der traditionellen Lebensweise der Stammesvölker sei derart eng mit der Existenz des Waldes verbunden, daß seine Zerstörung zwangsläufig zum Wegfall der Lebensgrundlage der indigenen Gemeinschaften führe. In Übereinstimmung mit dieser Aussage hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission im Fall der Yanornami-Indianer gegen Brasilien eine Verletzung der Menschen-

143 Tan, ICLQ 48 (1999), S. 840 ff. Dies wurde auch vonseitendes indonesischen Umweltministers Sarwono Kusumaatmadja bestätigt; vgl. die Berichterstattung in: Der Spiegel, Heft 40 aus 1997, S. 191. 144 Im konkreten Fall wäre eine Verletzung von Menschenrechten allerdings nur mit einem erheblichen Begründungsaufwand nachzuweisen. So ist Indonesien weder Mitglied im IPbpR, noch existieren regionale Menschenrechts übereinkommen. Zwar ließe sich mit Gormley, IJIL 1988, S. 22, eine gewohnheitsrechtliche Geltung des Rechts auf Leben annehmen, die auch lndonesien bindet. Problematisch erscheint dennoch, daß der Ausbruch der Waldbrände nicht unmittelbar auf staatliches Verhalten zurückzuführen war. Bei Menschenrechtsverletzungen von seiten Privater läßt sich zwar eine Schutzpflicht des Staates begründen. Sie wird jedoch nur dann als verletzt angesehen, wenn die staatlichen Maßnahmen zum Schutz der betreffenden Personen offensichtlich unzureichend sind (Nowak, Einf. 14; Art. 2, Rn. 20; Art. 6, Rn. I 0; Hohe, ZUR 1994, S. 15 f.). Die Tatsache, daß keine Kontrolle der Vorschriften zur Verhinderung von Brandrodungen erfolgte, legt die Verletzung der staatlichen Schutzpflicht nahe. 145 Review of Further Developments in Fields with which the Sub-Commission has been concerned, Final Report prepared by Mrs. Fatma Zohra Ksentini, UN-Doc. E!CN.4/Sub.2/ 1994/9 vom 6 . Juli 1994, insbesondere Ziffer 77 ff. (im folgenden: Ksentini-Report). Laut Thorme, DJILP 19 (1991), S. 306, ist die Beschäftigung der UN-Unterkommission zur Verhinderung von Diskriminierungen und für den Schutz von Minderheiten, für die dieser Bericht erstellt wurde, unter anderem auf die Menschenrechtssituation von indigenen Völkern in Waldgebieten zurückzuführen.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

rechte der Stammesmitglieder durch Brasilien festgestelle 46 • Infolge der Konstruktion einer Straße durch Indianerland im amazonischen Regenwald erfolgte ein Zustrom von Siedlern und Schürfern in das Areal. Diese schleppten Krankheiten in die Indianergemeinschaften ein und zwangen die Yanomami zur Aufgabe ihrer Dörfer in Straßennähe 147 • Nach Ansicht der Kommission hatte Brasilien es rechtswidrig unterlassen, rechtzeitige und effektive Maßnahmen zum Schutz der Indianer durchzuführen und damit ihre Rechte auf Leben, Freiheit, persönliche Sicherheit, Wohnsitz, Freizügigkeit sowie auf Gesundheit und Wohlbefinden verletzt148 • Das Gremium empfahl unter anderem weiterführende Schritte zur Einrichtung von Indianerschutzgebieten 149, um den Zugriff von seiten Dritter auf das angestammte Territorium der Yanomami und eine Nutzung der Gebiete ohne oder gegen ihren Willen zu verhindern. Auch in anderen Verfahren vor der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte wurde eine Beeinträchtigung der Rechtspositionen von Stammesvölkern durch die wirtschaftliche Erschließung von (Regen-)Waldgebieten gerügt150•

bb) Das Recht auf eine gesunde Umwelt als eigenständige Rechtsposition Zusätzlich zur Einbeziehung von Umweltschutzbelangen in herkömmliche Menschenrechte wird in der Völkerrechtswissenschaft diskutiert, ob ein eigenständiges Recht auf eine gesunde Umwelt existiert 151 . Die Anerkennung einer 146 IACHR, Res. 12/85, Case 7615 (Brasil), Entschließung, Ziffer l (abgedruckt bei Buergenthai/Shelton, S. 360 ff.). Nach Art. 44 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention vom 22. November 1969 (im folgenden: AMRK; abgedruckt bei Euergenthall Shelton, S. 617 ff.) ist die Möglichkeit einer Individualbeschwerde vor der Menschenrechtskommission eröffnet, die ihrerseits gemäß Art. 51 Abs. l AMRK zur Klage vor dem Interamerikanischen Gerichtshof befugt ist. 147 IACHR, Res. 12/85, Case 7615 (Brasil), Entscheidungsgründe, Ziffer 10. 148 IACHR, Res. 21/85, Case 7615 (Brasil), Entscheidungsgründe, Ziffer II. 149 IACHR, Res. 21/85, Case 7615 (Brasil), Entschließung, Ziffer 3 b). 150 Eine der Kommission vorgelegte Petition betraf die Verletzung von Landrechten der Huaorani in Ecuador. Insoweit wurde geltend gemacht, daß die derzeitige und zukünftige Förderung von Erdöl unter anderem das Recht der Huaorani auf Leben, Sicherheit und Gesundheit verletze. Die Kommission besuchte im November 1994 Ecuador, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Dabei verabschiedete sie ein Kommunique, mit dem sie zum Ausdruck brachte, daß eine weitere Untätigkeit des Staates im Hinblick auf den Schutz der Landrechte der indianischen Bevölkerung als Verletzung des Rechts auf Leben angesehen werden könne. Dazu näher: Fabra, S. 260 f. 151 Näher zum Recht auf Umwelt: Birnie/Boyle, S. 191 ff.; Hinds, S. 361 ff.; Boyle, International Human Rights Law, S. 43 ff.; Thorme, DJILP 19 (1991), S. 301 ff.; Gormley,

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derartigen Rechtsposition hätte zur Folge, daß ein allgemeines rechtlich geschütztes Interesse an der Erhaltung von Umweltgütern begründet wird. Ein Nachweis der Bedeutung eines Naturguts für die Verwirklichung der herkömmlich anerkannten individuellen Rechtsgüter wäre dann unnötig. Im Grundsatz könnte jeder Bürger geltend machen, die Zerstörung der Wälder verletze ihn in seinen rechtlich geschützten Belangen. Über ein Recht auf Umwelt ließe sich letztlich ein Allgemeininteresse an der Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen "subjektivieren". Auf völkerrechtlicher Ebene würde die Ausgestaltung eines derartigen umweltbezogenen Menschenrechts die staatliche Ressourcenpolitik in erheblichem Umfang für eine internationale Kontrolle und Beeinflussung öffnen 152 • Nach ganz überwiegender Ansicht des Schrifttums stellt das Recht auf Umwelt derzeit noch keinen allgemeinen Bestandteil der Völkerrechtsordnung darm. Für diese Bewertung spricht, daß es als solches bisher nur in einer sehr geringen Zahl völkerrechtlicher Dokumente Erwähnung gefunden hat154• Überdies sind Versuche im Rahmen verschiedener Vertragswerke und internationaler Organisationen, ein derartiges Recht umfassend zu kodifizieren, in den letzten Jahren nicht weiterverfolgt worden 155 • Die Bemühungen um eine internationale Verfestigung des IJIL 1988, S. I ff.; Hobe, ZUR 1994, S. 15 ff.; Rauschning, FS für Weber, S. 719 ff.; Barthel, S. 94 ff. 152 Hand/, YIEL I (1990), S. 25; Boyle, International Human Rights Law, S. 56; Rinds, S. 377; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 338 f. 153 Bimie/Boyle, S. 192; Hinds, S. 382; Hobe, ZUR 1994, S. 17; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 337; Rauschning, FS für Weber, S. 724; Ranzelhofer, Jura 1992, S. 2. Für eine derzeitige rechtliche Geltungswirkung: Tomasevski, S. 259 f., und Heep, GYIL 37 (1994), S. 427, allerdings ohne nähere Begründung. 154 Art. 24 der Afrikanischen Charta der Rechte der Menschen und Völker vom 27. Juni 1981 (sog. Banjul-Charter; abgedruckt in ILM 21 (1982), S. 99 ff.): "All peoples shall have the right to a general satisfactory environment favourable to their development." Art. 11 Abs. I des Zusatzprotokolls zur AMRK vom 17. November 1988 (sog. Protocol of San Salvador, abgedruckt bei Buergenthai/Shelton, S. 631 ff.): "Everyone has the right to live in a healthy environment and to have access to basis public services." Ebenso wie Prinzip 1 der Stockholm-Deklaration stellt auch Prinzip 1 der Rio-Deklaration (ILM 31 (1992), S. 876 ff.) eine Verbindung zwischen Menschenrechten und Umweltschutz her. Es fehlt jedoch ein ausdrückliches Bekenntnis zu einem eigenständigen Recht auf Umwelt. 155 Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 336, und Hinds, S. 363, weisen daraufhin, daß Versuche einer Erweiterung der EMRK oder der Europäischen Sozialcharta zurückgestellt worden sind. Auch den Draft Principles on Human Rights and the Environment der UN-Sonderberichterstatterin Ksentini, UN-Doc. E/CN.4/Sub.211994/9 vom 6. Juli 1994, Annex I, sind bis dato noch keine weiteren Bemühungen um eine normative Verfestigung gefolgt.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

Rechts auf Umwelt nehmen verschiedene Autoren allerdings zum Anlaß, es als eine im Entstehen befindliche Rechtsposition anzusehen156 • Auch wenn sich ein ausdrücklicher Verweis auf ein Recht auf eine angemessene Umwelt nur in einer geringen Zahl internationaler Dokumente findet, beinhaltet ein Großteil der nationalen Verfassungen Aussagen zu den von seiten der Staaten sicherzustellenden ökologischen LebensbedingungenlS7. Dem Recht auf Umwelt könnte daher als ein von den Kulturvölkern anerkannter allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinne des Art. 38 I lit. c) IGH-Statut völkerrechtliche Bedeutung zukommen. Nach überwiegender Auffassung ist insoweit vorauszusetzen, daß die entsprechende Konzeption umfassende Anerkennung in den nationalen Rechtsordnungen erfahren hae 58• Verschiedene Stimmen in der Literatur lehnen dies bereits unter Hinweis auf die Tatsache ab, daß die einschlägigen Verfassungsnormen lediglich als objektive Staatszielbestimmungen, nichtjedoch als subjektive Rechte formuliert sind 159 • Es fehle daher schon an einer weitgehenden Anerkennung dieses Rechts in den innerstaatlichen Rechtsordnungen. Dennoch erscheint beachtenswert, daß im Rahmen einer nicht unbedeutenden Zahl von Verfassungsänderungen im zeitlichen Zusammenhang mit oder nach der Rio-Konferenz ein Recht auf Umwelt als subjektives Recht formuliert wurde 160• Zwar vollzogen sich diese Änderungen noch nicht in Staaten, die als repräsentativ für die verschiedenen Rechtskreise der Welt anzusehen sind. Die bisherige Entwicklung könnte jedoch den Ansatz für eine stärkere Verfestigung des Rechts auf angemessene Umwelt bilden. Überdies ist aus der Rechtsprechung verschiedener nationaler Verfas-

156 Brunnie, ZaöRV 49 (1989), S. 799; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 61; Thorme, DJILP 19 (1991), S. 308, 319; Kiss/Shelton, S. 30. 157 Eine Auflistung der verschiedenen Verfassungsbestimmungen aus 61 Ländern findet sich im Ksentini-Report, UN-Doc. EICN.4/Sub. 2/1994/9, Annex III A. 158 lpsen/Heintschel v. Heinegg, S. 198 f., § 17, Rn. 3; Bleckmann, S. 135 ff.; Verdross/ Simma, § 602; Österreichisches Handbuch des Völkerrechts/Rotter, S. 89 f., Rn. 460, 466; Fastenrath, EJIL 4 (1993), S. 320; Chamey, AJIL 87 (1993), S. 535. 159 Rinds, S . 379 ff.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 337 f.; Hohe, ZUR 1994, S. 16. 160 So z. B.: Art. 41 Abs. 1 der Verfassung von Argentinien vom 22. August 1994; Art. 24 Abs. 1 der Verfassung von Angola vom 25. August 1992; Art. 46 der Verfassung von Belarus vom 1. März 1994; Art. 55 der Verfassung von Bulgarien vom 12. Juli 1991; Chapter I, Section 1 (f) der Verfassung von Hawaii vom 16. Januar 1995; Art. 7 Abs. 1 der Verfassung von Paraguay vom 20. Juni 1992; Section 20 Abs. 1 der Verfassung von Finnland vom I . Januar 2000. Die Verfassungsbestimmungen sind zugänglich über das Internet: http://www.uni-wuerzburg.de/law/home.html.

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sungsgerichte die Tendenz ableitbar, dem Recht auf Umwelt ein stärkeres bzw. eigenständiges Gewicht zuzuweisen 161 • Eine für den Schutz der tropischen Regenwälder bedeutende Entscheidung stellt insoweit das Urteil des philippinischen Supreme Court im Fall Minors Oposa versus Secretary of the Department of Environment and Natural Resources aus dem Jahre 1993 dar162 • Den Gegenstand des Rechtsstreits bildete die Vergabe von Holzeinschlagskonzessionen für die Regenwaldgebiete des Landes durch die philippinische Umweltschutzbehörde. Die Kläger beantragten die Aufhebung der bestehenden Konzessionen sowie die Einstellung der weiteren Vergabepraxis mit dem Argument, daß die Erteilung der Erlaubnisse ermessensfehlerhaft sei. Siebegünstige die weitere Entwaldung und schließe sowohl die Kläger als auch zukünftige Generationen vom Genuß der materiellen und ideellen Werte des Ökosystems Regenwald aus. Die Kläger sahen darin eine Verletzung ihres verfassungsmäßig garantierten Rechts auf eine gesunde Umwelt. Das unterinstanzliehe Gericht hatte die Klage unter anderem mit dem Argument abgewiesen, daß die Kläger die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte nicht hinreichend dargelegt hätten. Die philippinische Verfassung enthält zwar Aussagen zum Recht auf Umwelt, versteht dieses jedoch nur als staatlichen Gestaltungsauftrag 163 • Das "Recht" findet sich nicht im Grundrechtskatalog der Verfassung, sondern im Abschnitt über Staatszielbestimmungen. Auf Antrag der Kläger wurde das unterinstanzliehe Urteil vom obersten Gerichtshof aufgehoben. Dabei begründete das Gericht unter Verweis auf die Staatszielbestimmungen und ungeschriebenes Verfassungsreche 64 ein konstitutionelles 161 Dies gilt insbesondere im mittel- und südamerikanischen Raum. Zur Spruchpraxis der Gerichte vgl. die Ausführungen bei Fabra Aguilar, RECIEL 3 (1994), S. 216 ff. 162 Die Entscheidung ist abgedruckt in ILM 33 (1994) S. 173 ff. Eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung findet sich bei La Viiia, RECIEL 3 (1994), S. 246 ff. 163 Abschnitt 15 Art. II; Abschnitt 16 Art. II der philippinischen Verfassung. 164 "While the right to a balanced and healthful ecology is tobe found under the Declaration ofPrinciples and States Policies and not unter the Bill ofRights, it does not follow that it is less important than any of the civil and political rights enumerated in the lauer. Such a right belongs to a different category ofrights ... As a matter offact, these basic rights need not even be written in the Constitutionfor they are assumed to existfrom the inception of mankind. If they are now explicitly mentioned in the fundamental charter it is because of the well-founded fear of its framers that unless the rights to a balanced and healthful ecology and to health are mandated as state policies by the Constitution itself, thereby highlighting their continuing importance and imposing upon the state a solernn obligation to preserve the first and protect and advance the second, the day would not be too far when all eise would be lost not only for the present generation, but also for those to come .. . " (Hervorhebungen v. d. Verf.); Supreme Court, Entscheidungsgründe, abgedruckt in ILM 33

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Menschenrecht auf eine intakte und gesunde Umwelt. Den Beschwerdeführern wurde überdies unter Berufung auf den Gedanken der intergenerativen Gerechtigkeit ein "ius standi" auch für zukünftige Generationen zugesprochen. Jede Generation sei nicht nur Träger eines Rechts auf eine ausgewogene und gesunde Umwelt, sondern gleichzeitig auch zugunsten ihrer Nachkommen verpflichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Die Anerkennung eines Rechts auf Umwelt im Fall Minors Oposa hat bisher nicht zu einer Verbesserung der Umweltsituation geführt. Das Gericht verlangte nämlich die Einbeziehung aller von der Entscheidung möglicherweise betroffenen Holzkonzessionäre in das weitere Verfahren und damit auch eine Beweisführung gegen sie. Aufgrund des Kosten- und Zeitaufwandes ist die gerichtliche Geltendmachung des Rechts auf Umwelt zum verstärkten Schutz der Regenwälder erheblich eingeschränke 65 • Auch wenn ein subjektives Recht auf Umwelt als allgemeiner Rechtsgrundsatz nach Art. 38 Abs. 1 lit c) IGH-Statut völkerrechtliche Bedeutung erlange 66 , erscheint vor dem Hintergrund dieser Entscheidung fraglich, inwieweit es tatsächlich zu einem verbesserten Schutz von Umweltgütern beitragen kann. Gegen die Wirksamkeit eines derartigen Rechts wendet das Schrifttum vielfach ein, es sei zu unbestimmt, um spezifische Ansprüche bzw. staatliche Handlungspflichten begründen zu können 167 • Nicht zuletzt wegen der verschiedenen ökologi(1994), S. 187 f. Vgl. allerdings auch das Sondervotum des Richters Feliciano (abgedruckt in ILM 33 (1994), S. 200 ff.), der anzweifelt, ob aus den aufgeführten Verfassungsvorgaben ein subjektives Recht abgeleitet werden kann (S. 202 f.). Seiner Ansicht nach seien die Beschwerdeführer im weiteren Verfahren vor dem unterinstanzliehen Gericht gehalten, die Verletzung eines spezifischen Rechts nachzuweisen. 165 La Vina, RECIEL 3 (1994), S. 253. 166 Vorauszusetzen wäre allerdings, daß man ein bestimmtes Menschenrecht unter den Begriff des allgemeinen Rechtsgrundsatzes subsumieren kann. Die ganz überwiegende Ansicht im Schrifttum hält allgemeine Rechtsgrundsätze lediglich für abstrakte Rechtsprinzipien, die sich aus den nationalen Rechtsordnungen ableiten lassen. Konkrete Normen des innerstaatlichen Rechts seien von ihnen hingegen nicht urnfaßt. So beispielsweise: Dahm/ Delbrück/Wolfrum, S. 64 f., 111 2 a); lpsen/Heintschel v. Heinegg, S. 199. § 17. Rn. 3; Verdross/Simma, § 606; Fastenrath, EJIL 4 (1993), S. 320. Ein Recht auf Umwelt könnte demnach keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz darstellen. Anderer Ansicht scheint hingegen der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu sein. der auch Grundrechte unter den Begriff der allgemeinen Rechtsgrundsätze subsumiert (EuGH. Rs. 29/69 (Stauder). Slg. 1969, s. 419 (425)). 167 Hinds, S. 377; Hand/, YIEL I (1990). S. 9; Rauschning, FS für Weber. S. 728; Crawford, S. 66; Hohe, ZUR 1994, S. 18. Auf das Problem der Bestimmbarkeil verweisen ferner Birnie/Boy/e, S. 193; Barthel, S. !II ; Ouguergauz. S. 223 f., letzterer unter Bezug auf Art. 24 der Banjul-Charter. Neben der Frage nach dem Umfang der Gewährleistungen müß-

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sehen Gegebenheiten in den Staaten sei es auf internationaler Ebene nur als Garantie eines ökologischen Mindeststandards formulierbar 168 . Dieser Standard werde jedoch bereits über bestehende Menschenrechte geschützt 169• Ein höheres Umweltniveau sei von der Anerkennung eines Recht auf Umwelt auch deswegen nicht zu erwarten, weil die Staaten eine stärkere Internationalisierung ihrer Umweltpolitik verhindern wollten170• Dennoch kann ein Recht auf Umwelt ökologischen Belangen in Abwägungsprozessen ein stärkeres Gewicht verleihen 171 • Eine hinreichende Bestimmbarkeit des Rechts ist jedenfalls dann gegeben, wenn man es nicht lediglich als Garantie schwer faß- und abgrenzbarer materieller Standards auffaßt, sondern auch als Gewährleistung konkreter verfahrensmäßiger Rechte verstehe 72 • Zu denken ist hier an die Einräumung von Rechten auf Mitwirkung an umweltrelevanten Entscheidungen, auf Zugang zu einschlägigen Informationen oder auf Einlegung besonderer Rechtsmittel bei Umweltbeeinträchtigungen. Mit derartigen prozeduralen Rechten könnte man Defiziten bei der Umsetzung umweltrechtlicher Normen entgegenwirken173. Auch wenn internationale Dokumente bisher kaum einen ausdrücklichen Verweis auf ein Recht auf angemessene Umwelt enthalten, kommen verfahrensrechtliche Positionen in einer anwachsenden Zahl von Erklärungen zum Ausdruck 174 • Dies spricht dafür, daß zumindest der formelle Aspekt des Rechts auf Umwelt eine zunehmende internationale Anerkennung erfährt. te ferner geklärt werden, wem ein Recht auf Umwelt zustehen soll. Denkbar wäre hier eine Ausgestaltung als Individualrecht (so Art. 11 Abs. 1 des ZP zur AMRK) oder als Gruppenrecht (so Art. 24 der Banjul-Charter). Zur Frage der Rechtsträgerschaft näher: Hinds, S. 366 f.; Tomiisevski, S. 258; Birnie/Boyle, S. 194; Thorme, DJILP 19 (1990), S. 317. 1 ~8 Cameron, S. 39. 1 ~Y Boyle, International Human Rights Law, S. 56; Shelton, YIEL 3 (1992), S. 93. 170 Boyle, International Human Rights Law, S. 63; Hand[, YIEL 1 (1990), S. 5; Hinds, s. 383. 171 Shelton, YIEL 3 (1992), S. 92. 172 So Boyle, International Human Rights Law, S. 60; Kiss/Shelton, S. 25 . Die verfahrensrechtliche Komponente wird ferner betont von Birnie/Boyle, S. 194; Barthel, S. 114; Cameron, S. 39; Tomiisevski, S. 258, 261. Auch der Ksentini-Bericht spricht von einer verfahrensmäßigen Komponente des Rechts, UN-Doc. EICN.4/Sub.2/1994/9, Ziffer 253 ff. 173 Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 338. 174 So beispielsweise Prinzip 10 der Rio-Deklaration: "Environmental issues are best handled with the participation of all concerned citizens, at the relevant Ievel. At the national Ievel, each individual shall have appropriate access to information concerning the environment .. . and the opportunity to participate in decision-making . .. Effective access to judical and administrative proceedings, including redress and remedy, shall be provided." Umfangreiche Verweise auf Dokumente mit Aussagen zu Informations- und Partizipationsrechten finden sich im Ksentini-Report, UN-Doc EICN.4/Sub.2/1994/9, Ziffer 203 ff.

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cc) Waldschutz über die Sonderrechte indigener Völker Wie hervorgehoben, ist die traditionelle Lebensweise bestinunter indigener Gemeinschaften vom Fortbestand des Ökosystems Regenwald abhängig. Über allgemeine Menschenrechte hinaus kann ein Schutz der Wälder mittelbar auch über spezifische minderheitenrechtliche Garantien für die Mitglieder indigener Gemeinschaften eingefordert werden. Zu erwähnen ist hier insbesondere Art. 27 IPbpR, die Zentralnorm des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes, deren Anwendung auf Angehörige indigener Völker allgemein anerkannt ist 175 • In der Spruchpraxis des für Beschwerden zuständigen Menschenrechtsausschusses finden sich zwar keine Entscheidungen, die sich speziell mit den Rechten autochthoner Gesellschaften in (Regen-)Waldgebieten beschäftigen. Im Fall Lubicon Lake Band versus Canada kam der Ausschuß allerdings zu dem Ergebnis, daß die Nutzung natürlicher Ressourcen im angestanunten Territorium von Naturvölkern ohne oder gegen ihren Willen eine Verletzung des Art. 27 IPbpRdarstellt 176 . Dieser Ansatz läßt sich auch auf Regenwaldvölker übertragen. Da derzeit etwa 2.000 Gruppen mit ca. 200 Millionen Menschen in den Waldgebieten der Erde leben 177, könnte über die Geltendmachung von Minderheitenrechten ein nicht unerheblicher Beitrag zur Erhaltung der Waldgebiete als Lebensraum dieser Gemeinschaften geleistet werden. Ein freies Entscheidungsrecht indigener Völker über die Nutzung ihres angestammten Territoriurns 178 und eine Pflicht der Staaten, Maßnahmen zum Schutz dieser Rechtsposition durchzuführen 179, wurden auch in der ILO-Konvention 175 Tomuschat, FS für Mosler, S. 962 ff.; Nowak, Art. 27, Rn. 27 ff.; offen: Ermacora, RdC 182 ( 1983 IV), S. 279 f., der zwischen Minderheiten und Naturvölkern differenzieren will. Der Menschenrechtsausschuß hat Art. 27 IPbpR in seiner Spruchpraxis auf Angehörige indigener Völker bezogen; so in den Fällen Lovelace versus Kanada (abgedruckt in HRLJ 2 (1981), S. 158 ff.), Lubicon Lake Band versus Canada (HRLJ 11 (1990), S. 305 ff.) und Kitok versus Schweden (HRLJ 11 (1990), S. 148). Zur Auseinandersetzung mit den Entscheidungen vgl. Riede/, Gruppenrechte, S. 66 ff. 176 Zur Fundstelle vgl. die vorherige Fn. Trotz der individualbezogenen Formulierung des Art. 27 IPbpR sprach der Menschenrechtsausschuß der Gruppe einen Entschädigungsund Landerstattungsanspruch zu. 111 Stiles, Arnbio 23 (1994), S. 106; Obemdörfer, S. 7, Fn. 19, spricht von Schätzungen zwischen 2 bis 240 Mio. Menschen je nach Definition des Regenwaldgebietes. Zurückhaltender Bryant/Nielsen/Tangley, S. 6, die von 50 Mio. Menschen ausgehen. 178 Art. 7 Abs. 1 der ILO-Konvention vorn 27. Juni 1989. Die Konvention findet sich abgedruckt in ILM 23 (1989), S. 1382 ff. 179 Art. 15 ILO-Konvention. Vorgaben zur Sicherung der Landrechte finden sich in Art. 13-19. Artikel 4 Abs. 1 verpflichtet die Staaten zu besonderen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt indigener Völker.

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No. 169 festgeschrieben. Einschlägige Beschwerdeverfahren nach Art. 24 oder 26 des ILO-Statuts, mit deren Hilfe eine Verletzung derartiger Rechte geltend gemacht werden kann, sind bisher, soweit ersichtlich, nicht eingeleitet worden. dd) Zusammenfassung Mit der Zerstörung tropischer Regenwälder kann eine Verletzung international anerkannter Menschen- und Minderheitenrechte einhergehen. Dies gilt insbesondere, wenn Angehörige indigener Gemeinschaften betroffen sind. Ihre traditionelle Lebensweise ist vom Bestand der Waldökosysteme abhängig. Eine stärkere Internationalisierung umweltrelevanter staatlicher Entscheidungen wäre bei der Anerkennung eines Rechts auf gesunde Umwelt denkbar. Ein solches Recht kann derzeit noch nicht aus dem Normenbestand der Völkerrechtsordnung abgeleitet werden. Allerdings gewinnt seine prozedurale Komponente zunehmend an Bedeutung. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß Menschenrechte zwar einen Ansatz bilden, um staatliche Waldschutzpolitiken einer stärkeren internationalen Beeinflussung zugänglich zu machen. Aufgrund des anthropozentrischen Ansatzes der Menschenrechte lassen sich Umweltschutzziele über sie jedoch nur soweit einfordern, wie die Inhaber der rechtlich geschützten Positionen am Schutz und an der Durchsetzung dieser Rechte interessiert sind.

b) Menschenrechte als Rechtfertigungsgründe für die Nutzung der Ressource Regenwald: die Bedeutung des Rechts auf Entwicklung Menschenrechte lassen sich nicht nur für einen verstärkten Schutz von Umweltgütern wie der tropischen Regenwälder anführen, sondern auch für ihre gesteigerte Nutzung. Neben Rechtspositionen wie dem Recht auf Eigentum180 oder einen angemessenen Lebensstandard 181 gilt dies insbesondere für das sogenannte Recht auf Entwicklung 182 • Letztes erscheint für die Frage der Ausbeutung der Res180 Art. 21 der AMRK, Art. 14 der Banjul-Charter. Das Recht aufEigenturn findet sich zwar in Art. 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 (abgedruckt in GAOR, 3rd Session, Part I, 1948, S. 71 ff.). In den globalen Menschenrechtspakten des IPbpR und IPwskR ist es aber nicht garantiert. 181 Art. 11 Abs. 1 IPwskR. 182 Näher zum Recht auf Entwicklung: Odendahl, Das Recht auf Entwicklung- the right to development; Scharpenack, Das "Recht auf Entwicklung"; Riede/, Right to Development, S. I 103 ff.

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source Wald deswegen von gesteigerter Bedeutung, weil Tropenwaldstaaten die Nutzung ihrer Regenwälder in erster Linie unter entwicklungspolitischen Aspekten betrachten 183 . Fraglich ist daher, welcher konkrete Inhalt und welche normative Stellung dem sogenannten "Recht" zukommt. Die ON-Deklaration zum Recht auf Entwicklung, die dieses Recht erstmals auf internationaler Ebene formulierte und auf die eine Vielzahl von Dokumenten verweist18\ enthält nähere Anhaltspunkte für seine Auslegung. Die Erklärung geht von einemEntwicklungsbegriff im Sinne eines umfassenden ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Prozesses aus, der auf die gleichberechtigte und ganzheitliche Befriedigung der Bedürfnisse des Menschen gerichtet ist 185 • Das Recht auf Entwicklung soll diesen Prozeß durch individuelle und kollektive Gewährleistungen absichern 186 . Sein individueller Ansatz wird dabei als eine Kombination bereits bestehender Menschenrechte, verbunden mit dem Gedanken der Teilhabe arn Entwicklungsprozeß und dem daraus entstehenden Nutzen, verstan183 Eshbach, R., A Global Approach to the Protection of the Environment: Balancing State Sovereignty and Global Interests, Temple Internationaland Comparative Law Journal 4 (1990), S. 271; zit. nach Mickelson, S. 239, Fn. 2: " ... countries containing biologically rich tropical forests within their borders ... have Jooked upon these resources as merely rneans to solve economic and social problems." Vgl. auch die Manaus Deklaration der Präsidenten der Amazonas-Staaten (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. I, unter 11-0292/1, S. 4), unter III Ziffer 3 S. 3: "Forest policies constitute an important development strategy in our countries."; ferner Buchstabe (a) der Präambel der Waldgrundsatzerklärung: "The subject of forests is related to the entire range of environmental and developmental issues. including the right to development on a sustainable basis." 184 Declaration on the Right to Development, GY-Res. 41/128 vom 4. Dezember 1986 (abgedruckt im UN Yearbook 1986, S. 717 ff.). Auf diese Deklaration wird unter anderem verwiesen in der Resolutionon the Right to Development, GY-Res. 46/123 vom 17. Dezember 1991 (abgedruckt im UN Yearbook 1991, S. 569 f.), unter Ziffer 4; der Resolution on the Right to Development, GV -Res. 48/130 vom 20. Dezember 1993 (abgedruckt im UN Yearbook 1993, S. 892 f.), unter Ziffer 3; in der Wiener Erklärung der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über Menschenrechte vom 25. Juni 1993 in Wien (abgedruckt in der EuGRZ 1993, S. 520 ff.), Ziffer I 0 Abs. I . Auch das Aktionsprogramm der Konferenz der Vereinten Nationen zu Bevölkerungsfragen und Entwicklung vom 15. September 1994 in Kairo (UN-Doc. A/Conf.l71113, Annex) beinhaltet in Kapitel II, Ziffer 3 eine Begriffsbestimmung des Entwicklungsrechts, die weitgehend derjenigen der UN-Deklaration 41/128 entspricht. 185 Declaration on the Right to Development, GA Res. 41/128 vom 6. Dezember 1986, 2. Abschnitt der Präambel. Auf diese Definition verweisen Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 251, 253; Scharpenack, S. 94; Riede!, Right to Development, S. 1105, Rn. 10; Barthel, S. 21 . 186 Art. I Abs. I und 2. Art. 2 Abs. 3 und Art. 3 Abs. I der Declaration on the Right to Development.

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den 187 • Der kollektive Aspekt soll das Recht der Völker und Staaten auf selbstbestinunte Entscheidungen über den eigenen Entwicklungsweg garantieren 188 • Diese Mehrdimensionalität des Entwicklungsrechts wird auch vom überwiegenden völkerrechtlichen Schrifttum getragen 189 • Für die Frage der Nutzung des Ökosystems Regenwald als Ressource ist in erster Linie der kollektive Aspekt des Rechts von Bedeutung. Als Garant staatlicher Selbstbestimmung läßt er sich als Abwehrrecht gegenüber einer Einmischung in die freie Wahl des Entwicklungsweges und den eigenständigen Entschluß über das Ob und Wie der Nutzung von Naturreichtümern verstehen 190• Mit dieser Inhaltsbestinunung könnte das Recht auf Entwicklung eine zusätzliche, menschenrechtlich eingekleidete Legitimation für die Ausweitung der Waldnutzung aus Gründen des ökonomischen Wachsturns liefern. Aus völkerrechtlicher Sicht wäre diese Legitimation jedoch nur zu begründen, wenn das Recht auf Entwicklung als Bestandteil der Völkerrechtsordnung anzusehen ist. In der rechtswissenschaftliehen Diskussion wird diese Frage nicht einheitlich beantwortet. Den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung bildet die Ausgestaltung des kollektiven Aspekts des Entwicklungsrechts. Dieser Teilbereich soll nämlich auch ein positives Leistungsrecht in Form eines Anspruchs der Drittweltstaaten auf eine solidarische Unterstützung von seiten der Staatengemeinschaft beinhalten 191 • Mit dem Ziel der Sicherstellung staatlicher Autonomie einerseits und demAufbau einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung andererseits stellt das Entwicklungsrecht eine menschenrechtliche Einkleidung derjenigen Forderun187 Art. 1 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 der Deklaration. Scharpenack, S. 96 f., 101 ; ähnlich, allerdings ohne ausdrücklichen Bezug auf die Gesamtheit der bestehenden Menschenrechte, diese jedoch zugrundelegend, Riede/, Right to Development, S. 1105, Rn. 9; Benningsen, S. 74. 188 Art. 1 Abs. I und 2 (Völker); Art. 2 Abs. 3 und Art. 3 Abs. I (Staaten) der Deklaration. Der kollektive Ansatz des Rechts wird darüber hinaus in Art. 22 Abs. I der BanjuiCharter (Recht der Völker), Art. 16 der OAS-Charter (Recht der Staaten; abgedruckt in Buergenthai/Shelton, S. 599 ff.) betont. Scharpenack, S. 97 ff.; Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 219; ähnlich auch Riede[, Right to Development, S. 1105. 189 Scharpenack, S. 95; Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 217; Benningsen, S. 69; Mickelson, S. 251; Riede/, Right to Development, S. 1105; Riede/, Menschenrechtsstandard, S. 225, spricht von einem Grundkonsens über die individuelle und kollektive Komponente des Rechts. Ablehnend gegenüber dem Individualaspekt allerdings: Tomuschat, GYIL 25 (1982), S. 102 ff.; kritisch gegenüber dem kollektiven Ansatz: Oppermann, FS für Carstens, S. 461. 190 Scharpenack, S. 97, 102. 19 1 Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 S. 2 der Declaration on the Right to Development. Ebenso: Riede[, Right to Development, S. I 105; Scharpenack, S. 140.

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gen dar, die bereits im Zusammenhang mit der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen erhoben worden sind 192 . Das Entwicklungsrecht geht mit dieser Ausgestaltung über die herkömmlichen menschenrechtliehen Garantien hinaus193. Es begründet für den Staat nicht nur Pflichten gegenüber seinen Bürgern, sondern im Fall der Entwicklungsländer auch ein Recht gegenüber der internationalen Gemeinschaft194 . In Anknüpfung an das herkömmliche Grundrechtsverständnis weisen Kritiker darauf hin, daß ein Staat nicht gleichzeitig Verpflichteter und Berechtigter einer menschenrechtliehen Position sein könne 195. Die Forderung nach stärkerer Solidarität auf internationaler Ebene sei allenfalls politischer Natur. Sie könne nicht über einen menschenrechtliehen Bezug eine Verrechtlichung erfahren, ohne die Konzeption der Menschenrechte überzustrapazieren 196. Eine derartige Bewertung übersieht, daß eine zunehmende Zahl von Dokumenten auf internationaler Ebene ausdrücklich von einem "Menschenrecht" 197 oder zumindest "Recht" 198 spricht. Der Wortlaut der verschiedenen Erklärungen stützt Bewertungen, die das Recht auf Entwicklung bereits als Bestandteil der Völkerrechts192 Ähnlich auch Riede/, Right to Development, S. II 04, Rn. 4 f., S. II 06, Rn. 13; ders., EuGRZ 1989, S. 14, spricht davon, daß der Menschenrechtsansatz dazu eingesetzt wurde, um das Ziel einer auf Solidarität gegründeten Weltwirtschaftsordnung rechtlich zu verfestigen und die Legitimität einer derartigen Forderung zu erhöhen. 193 Nach Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 198, und Vasak, RdC 140 (1974 IV), S. 335, stellen Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat die Menschenrechte der ersten Generation dar, Leistungsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat die der zweiten. 194 Es wird daher vielfach als soganntes Menschenrecht der dritten Generation angesehen, das inhaltlich über die Menschenrechte der ersten und zweiten Generation hinausgeht. So Riede/, EuGRZ 1989, S. 13 f.; Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 198, 202; Vasak, RdC 140 (1974 IV), S. 335. 19 ~ Partsch, S. 605, Rn. 11. 196 Ebenda. 197 Art. 1 Abs. I und 2 der Declaration on the Right to Development. Ziffer I 0 Abs. I der Wiener Erklärung der Weltkonferenz der Vereinten Nationen über Menschenrechte nimmt zwar keine nähere Inhaltsbestimmung vor, verweist aber auf das Recht auf Entwickung im Sinne seiner Ausprägung durch die ON-Deklaration. Ebenso das Aktionsprogramm der Vereinten Nationen zu Bevölkerung und Entwicklung in Kap. II, Ziffer 3. Zu den Fundstellen vgl. oben Fn. 184. 198 Art. 22 Abs. 1 der Banjul-Charter; Art. 16 der OAS-Charter; Prinzip 3 der Rio-Deklaration; Buchstabe (a) der Präambel der Waldgrundsatzerklärung; ebenso Ziffer I der Resolutionon the Right to Development, GV-Res. 46/123 vom 17. Dezember 1991 ; Ziffer I der Resolutionon the Right to Development, GV-Res. 47/123 vom 18. Dezember 1992 (abgedruckt im UN Yearbook 1992, S. 753 f.); Ziffer I der Resolutionon the Right to Development, GV-Res. 481130 vom 20. Dezember 1993.

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ordnung ansehen 199 oder es zumindest als "Rechtsnorm im Werden" bezeichnen200. Auch wenn das Recht auf Entwicklung der Völkerrechtsordnung zuzuordnen sein sollte und damit prinzipiell zur Legitimation der Ausbeutung der Regenwälder herangezogen werden kann, wird es zunehmend nicht mehr schrankenlos anerkannt. Nach Prinzip 3 der Rio-Deklaration muß es so ausgefüllt werden, daß den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird201 . Die Rio-Erklärung verknüpft das Recht auf Entwicklung mit dem Konzept der Gerechtigkeit zwischen den Generationen202. Diese intergenerative Gerechtigkeit bildet auch die Kerngedanken der sogenannten nachhaltigen Entwicklung203 . Verschiedene Stimmen in der Literatur wollen daher aus Prinzip 3 eine Beschränkung des Rechts auf Entwicklung ableiten und es nur noch als Recht auf nachhaltige Entwicklung verstehen204 • Eine unbegrenzte Freiheit der Tropenwaldstaaten im Umgang mit der Ressource Wald ließe sich demzufolge nicht annehmen. Welche konkreten Rechtsfolgen aus der Begrenzung zu folgern sind, ist derzeit allerdings noch weitgehend offen. Die inhaltliche Bestimmung des Begriffs der nachhaltigen Entwicklung ist von einer umfassenden Klärung weit ent199 Von einer rechtlichen Verbindlichkeit sprechende Waart, S. 372; Bulaji'c, S. 367; Singh, Sustainable Development, S. 2; Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 192; Tarlock, TIU 32 (1997), S. 43 f.; Hohmann, NVwZ 1994, S. 314; Gros Espiell, TIU 16 (1981), S. 203. Riede/, Menschenrechtsstandard, S. 258, und Scharpenack, S. 268 f., 271, sehen das Recht als Konglomerat zwischen rechtlich verbindlichen und unverbindlichen Elementen an. 200 Benningsen, S. 62; Mbaya, Internationales Afrikaforum 30 (1994), S. 82; wohl auch Mickelson, S. 253. 201 Entsprechende Formulierungen finden sich in Ziffer 11 des Schlußdokuments der Weltkonferenz über Menschenrechte und in Abs. I der Präambel des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April1994 (abgedruckt im BGBI. 1994 II, s. 1625 ff.). 202 Hohe, JA 1997, S. 162; Malanczuk, Sustainable Development, S. 30; Frenz/Unnerstall, S. 120. 203 WCED-Bericht, S. 43; Boyle, Sustainable Development, S. 13; Hand/, YIEL 1 (1990), S. 27; Frenz/Unnerstall, S. 120; Epiney/Scheyli, S. 46. 204 Odendahl, Recht auf Entwicklung, S. 266; Mickelson, S. 253; Hunter/Sommer/ Vaugham, S. 12; Schröder, AVR 34 (1996), S. 256. Zurückhaltender Scharpenack, S. 87, der davon spricht, daß die nachhaltige Entwicklung Bedeutung für die Inhaltsbestimmung und rechtliche Qualifizierung des Rechts auf Entwicklung hat. Ähnlich Singh, Sustainable Development, S. 4: "Sustainable development is vital to the right of development." Anders Bartolomäi, S. 316, Ginther, S. 10, die das Entwicklungsrecht als Teilaspekt oder Rechtsgrundlage der nachhaltigen Entwicklung ansehen wollen.

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1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

ferne05 . Zwar wird im wesentlichen übereinstimmend angenommen, daß er vier Einzelaspekte enthalten soll: den Gedanken der intergenerativen Gerechtigkeie06 , der intragenerativen Gerechtigkeit (Gerechtigkeit innerhalb einer Generation)207 , der Abstimmung von Umwelt- und Entwicklungsbelangen208 sowie der nachhaltigen Nutzung von Umweltressourcen nicht über ihre Regenerationsfähigkeit hinaus 209 • Aus der Rio-Erklärung sind diese Aspekte jedoch nur teilweise abzuleiten. Eine Erfüllung des Rechts auf Entwicklung "in einer Weise, die den Entwicklung- und Umweltbedürfnissen heutiger und gegenwärtiger Generationen in gerechter Weise entspricht" läßt auf eine allgemeine Akzeptanz des Prinzips der intergenerativen Gerechtigkeit sowie der Abstimmung von Umwelt- und Entwicklungsbelangen schließen210 • Eine ausdrückliche Anerkennung der intragenerativen Gerechtigkeit und des Prinzips der nachhaltigen Nutzung sind aus dem Wortlaut der Deklaration indes nicht herzuleiten. Zwar könnte man vertreten, daß sich eine Umweltbewahrung zugunsten zukünftiger Generationen nur erreichen läßt, wenn man bereits heute Ressourcen solidarisch verteilt211 . Ein solcher Ansatz stünde auch mit der kollektiven Komponente des Entwicklungsrechts im Einklang, die einen Anspruch der Entwicklungsländer auf solidarische Unterstützung zu begründen sucht. Gegen eine solche Interpretation spricht jedoch, daß ein ausdrückliches 205 Ginther, S. 10; Batholomäi, S. 320; Malanczuk, Sustainable Development, S. 25 ; Rest, AVR 34 (1996), S. 148. Schröder, AVR 34 (1996), S. 257, und Handl, Sustainable Development, S. 37 f., sprechen davon, daß derzeit kaum Einigkeit über die Bestimmung des Begriffs der nachhaltigen Entwicklung besteht. Ähnlich Beyerlin, Concept of Sustainable Development, S. 103, 120 f. 206 Boer, S. 115; Handl, YIEL 1 (1990), S. 27; Bartholomäi, S. 320; Singh, Sustainable Development, S. 5; Beyerlin, Concept of Sustainable Development, S. 101; Schröder, A VR 34 (1996), S. 257; Sands, Ernerging Legal Principles, S. 57 f.; Lowe, S. 26; Boyle, Sustainable Development, S. 12. 207 Boer, S. 115; Hand[, YIEL 1 ( 1990), S. 27; Bartholomäi, S. 322; Lowe, S. 26; Sands, Emerginig Legal Principles, S. 60 f.; zurückhaltender hingegen Boyle, Sustainable Development, S. 15. 208 Bartholomäi, S. 63, 321; Beyerlin, Concept of Sustainable Development, S. 101 f.; Rehbinder, FS für Burhenne, S. 96 f.; Schröder, AVR 34 (1996), S. 257 f. ; Sands, Ernerging Legal Principles, S. 61; Boyle, Sustainable Development, S. I 0; Tarlock, TJIL 1997, s. 53. 209 Bartholomäi, S. 312 f.; Schröder, AVR 34 (1996), S. 253 ; Rehbinder, FS für Burhenne, S. 96 f.; Sands, Ernerging Legal Principles, S. 59 f.; Boyle, Sustainable Development, S. 9; ähnlich Singh, Sustainable Development, S. 6. 210 Hervorhebungen von der Verfasserin. Schröder, AVR 34 (1996), S. 257 ff., und Beyerlin, Concept of Sustainable Development, S. I 04, sprechen davon, daß aus der Erklärung keine eindeutigen Aussagen zur Gewichtung der Belange Umweltschutz und Entwicklung abzuleiten sind. 211 Bartholomäi, S. 322; Brown Weiss, AJIL 84 (1990), S. 201.

C. Nationale Eigeninteressen und internationale Umweltschutzkooperation

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Bekenntnis zum Aspekt der intragenerativen Gerechtigkeit212 im Rio-Prozeß auf Widerspruch bei den Staaten stieß und seine explizite Aufnahme in den Text der Deklaration abgelehnt wurde213 . Darüber hinaus ist anzumerken, daß die Rio-Erklärung sowohl systematisch als auch wertungsmäßig zwischen dem Entwicklungsrecht und dem Aspekt der nachhaltigen Entwicklung unterscheidet. Im Vergleich zum "Recht" auf Entwicklung wird die nachhaltige Entwicklungsweise in Prinzip 4 lediglich als "Leitvorgabe" zukünftigen Handeins beschrieben. Diese Differenzierung spricht dafür, daß man den Gedanken der nachhaltigen Entwicklung im Vergleich zum Prinzip 3 abmildern und verhindern wollte, daß er als Schranke für die Ausübung des Entwicklungsrechts begriffen wird214 • Insgesamt läßt aus der Rio-Erklärung zwar eine Beschränkung des Rechts auf Entwicklung ableiten. Diese könnte es Tropenwaldländern versagen, jedwede Nutzung der Wälder mit Entwicklungsbelangen zu legitimieren. Welche Art und Weise der Ressourcenausbeutung vom Recht auf Entwicklung urnfaßt ist, kann aus der Deklaration hingegen nicht erschlossen werden. Die Literatur spricht daher übereinstimmend davon, daß es bisher nicht in hinreichendem Maße gelungen sei, das Postulat einer ausgewogenen Gewichtung von Entwicklungs- und Umweltschutzbelangen in nähere Verhaltensvorgaben umzusetzen215 • 212 Eine insoweit ausdrückliche Einschränkung des Entwicklungsrechts wurde im Rahmen verschiedener DeklarationsemWÜrfe eingefordert. So insbesondere Prinzip 3 der Draft Decision "Rio de Janeiro Charter/Declaration on Environment and Development" (NCONF.l51/PC/WG.IIIIL.20/Rev.l, abgedruckt im Report ofthe Preparatory Committee for UNCED on the Work of Its 4th Session, NCONF.l51/PC/l28, S. 86 ff.): "Theinalienable right of States and peoples to development must be fulfilled in order to meet the environmental needs of present and future generations. Equity within the present generation shall take into account environmental darnage caused in the past ... ". 213 Vgl. allerdings Prinzip 7 Satz 3 der Rio-Deklaration, der von einer Verantwortung der Industrieländer für die Bewältigung von Umweltproblemen unter anderem in Anbetracht ihrer finanziellen und technologischen Ressourcen spricht. 214 Parras, S . 25; Boyle, Sustainable Development, S. 12. 2 15 Beyerlin, Concept of Sustainable Development, S. 121 ; Malanczuk, FS für Bernhardt, S. 986. Nach Schröder, AVR 34 (1996), S. 258,261, und wohl auch Beyerlin, Concept of Sustainable Development, S. 104 ff., soll die Gewichtung von den sozio-ökonomischen Umständen im Land abhängen. Letztlich wird die Frage des Ausgleichs beider Belange wesentlich davon bestimmt, ob man - ausgehend von den Erfahrungen in Industrieländern - wirtschaftliches Wachstum als Ursache für Umweltzerstörungen betrachtet oder - ausgehend von den Erfahrungen in Entwicklungsländern - Unterentwicklung als Grund für die Umweltzerstörung ansieht. Nur der erstgenannte Ansatz geht von einem prinzipiellen Interessenwiderstreit aus. Zu den verschiedenen Sichtweisen zum Verhältnis zwischen Umweltschutz und Entwicklung vgl. Peters, S. 378.

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l. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

3. Die Bedeutung der Zerstörung tropischer Regenwälder aus sicherheitspolitischer Perspektive Die Zerstörung von Umweltgütern wie der tropischen Regenwälder läßt sich schließlich auch unter sicherheitspolitischen Aspekten diskutieren216• Grundsätzlich können sowohl Streitigkeiten über die Nutzung noch vorhandener Ressourcen als auch vom Menschen verursachte Umweltkatastrophen die Stabilität einer ganzen Region gefährden217 • Prinzip 25 der Rio-Deklaration spricht dementsprechend davon, daß Frieden, Entwicklung und Umweltschutz voneinander abhängig und untrennbar sind. Die Sicherheit des internationalen Friedens stellt eine Aufgabe der Staatengemeinschaft dar. Zur Friedenserhaltung ist in erster Linie der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kap. VII der UN-Charta berufen. Er kann bei einer Friedensbedrohung oder einem Bruch des Friedens Zwangsmaßnahmen nach Art. 39 ff. UN-Charta ergreifen. Die Zerstörung von natürlichen Lebensgrundlagen könnte eine weitreichende Berücksichtigung finden, wenn man den Friedensbegriff nicht mehr lediglich negativ im Sinne einer Abwesenheit von Krieg218 , 216 Zur Frage der sicherheitspolitischen Bedeutung von Umweltzerstörungen: Mathews, Foreign Affairs 68 (1989), S. 168; Nettesheim, A VR 34 (I 996), S. 170 ff.; Müller, EA 1993, S. 471 ff.; Winkler, NuR 1995, S. 57 ff. 217 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Umweltflüchtlinge. Vgl. dazu näher: ElHinnawi, passim; Ksentini-Bericht, UN-Doc. FJCN.4/Sub.2/1994/9, Ziffer 154 ff. Ein Beispiel, das die möglichen Auswirkungen der Entwaldung verdeutlicht, beschreibt Mathews, Foreign Affairs 68 (1989), S. 168. Die Autorin weist darauf hin, daß die Flüchtlingsströme vieler Haitianer in die USA und die dadurch hervorgerufenen Konflikte wesentlich auf die Waldzerstörung in Haiti zurückzuführen sind. Die mit der Entwaldung verbundene Bodenerosion habe dem Großteil der ländlichen Bevölkerung die Lebensgrundlage entzogen und die Bereitschaft, das eigene Land zu verlassen, erheblich verstärkt. Haiti, ursprünglich zu 63 % bewaldet, weist heute noch ein Waldareal von 7 % seines Staatsgebiets auf. 218 Mathews, Foreign Affairs 68 (1989), S. 162 f.; Timoshenko, S. 56 f. Ansätze für eine solche Auslegung des Friedensbegriffs finden sich auch in Resolutionen der UN-Organe. So betonte der Sicherheitsrat in einer Erklärung vom 31 . Januar 1992, UN-Doc. S/23500, 2, im 10. Absatz: " .. . non-military sources ofinstability in the economic, social, humanitarian and ecological fields have become threats to peace and security" (abgedruckt im UNYearbook 1992, S. 33 f.). Ähnlich die Präambel, 3. Absatz, der Resolution Review of the Implementation ofthe Declaration on the Strengthening oflnternational Security, GV -Res. 48/83 vom 16. Dezember 1993 (abgedruckt im UN Yearbook 1993, S. 83 f.): " .. . as weil as the need for preservation ofthe environment are closely related and provide the basis for an enduring and stable universal peace and security"; Präambel, Abs. 8 der Resolution Maintenance of International Security, GA-Res. 48/84 A vom 16. Dezember 1993 (abgedruckt im UN Yearbook 1993, S. 82): "Emphasising that international peace and security must be seen in an integrated manner and that the efforts of the international community to

D. Zusammenfassung

73

sondern auch positiv als Zustand einer gerechteren Weltordnung versteht, die den Umweltschutz mit einschließt219 • Der Sicherheitsrat hat seinen Beurteilungsspielraum bei der Feststellung des Bruchs bzw. der Gefährdung des Friedens220 in der bisherigen Praxis ansatzweise im Sinne des positiven Friedensbegriffs genutze21 • Dabei sind auch ökologische Belange eingeflossen222 • Derzeit sind sie jedoch noch von sehr untergeordneter Bedeutung. U nahhängig von der Frage, ob man den Einsatz von Zwangsmitteln zur Sicherung ökologisch bedeutender Güter nach Kapitel VII der UN-Charta für politisch wünschenswert erachtet223 , wird er in absehbarer Zeit keinen größeren Stellenwert erlangen.

D. Zusammenfassung: Probleme bei der Ausgestaltung völkerrechtlicher Vorgaben zur Erhaltung der Regenwälder Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen die Schwierigkeiten, die mit der Ausgestaltung internationaler Regelungen zur Erhaltung tropischer Regenwälder verbunden sind. Die zunehmende, weitgehend irreversible Zerstörung des Ökosystems Regenwald verlangt zwar nach unverzüglichen Maßnahmen. Aufgrund der erheblichen wissenschaftlichenUnsicherheitenüber den Umfang und die Folgen der Waldzerstörung, über die konkrete ökonomische Relevanz der Wälder und Möglichkeiten ihrer ökologischen Nutzung steht die Ausregulierung von Verhaltensvorgaben jedoch vor erheblichen Problemen. Hinzu kommt, daß die Zerstörung der Regenwälder mit einer Vielzahl von Anknüpfungspunkten ein sektorenübergreifendes Umweltproblem darstellt, das Maßnahmen in unterschiedlichen Politikbereichen und auf verschiedenen staatlichen Ebenen verlangt. Die Ursachen der Waldzerstörung sind ferner sehr stark mit den inneren Strukturen des Landes verbunden (Landverteilung, Bevölkerungspolitik). Diese Problembereiche werden sich vor dem Hinbuild peace must encompass not only military matters, but also relevant ... environmental aspects". 219 Zu den beiden Friedensbegriffen: Simma/Wolfrum, Art. 1 Rn. 4; Ranzelhofer, Purposes and Principles ofthe United Nations, S. 997, Rn. 12. 220 Vitzthum!Bothe, S. 624, Rn. 39; Delbrück, VRÜ 1993, S. 20. 221 Näher: Simma/Frowein, Art. 39, Rn. 21. 222 So die Erklärung des Sicherheitsrates, UN-Doc. S/23500, 2 (abgedruckt in Fn. 218). 223 Zur Frage der ökologischen Intervention: Nettesheim, AVR 34 (1996), S. 170 ff.; Wink/er, NuR 1994, S. 170 ff.; Mathews, Foreign Affairs 68 (1989), S. 162 f.

1. Teil: Das Ökosystem tropischer Regenwald

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tergrund der starken Souveränitätsbetonung nur sehr eingeschränkt für eine internationale Einflußnahme öffnen lassen. Die erheblichen Unterschiede zwischen den Staaten erschweren die Festlegung allgemeingültiger Regelungen zusätzlich. Neben diesen tatsächlichen Hindernissen stellt sich ein weiteres Problem, das in der Struktur des Völkerrechts begründet liegt. Das internationale Recht mit seinem verhältnismäßig schwerfälligen Normerzeugungsprozeß ist nur beschränkt geeignet, auf aktuelle Probleme angemessen zu reagieren 224• So setzt die Ausgestaltung internationaler Rechtsbeziehungen durch Verträge vielfach langwierige Verhandlungen voraus und nimmt zumindest im Rahmen des zusammengesetzten Vertragsabschlußverfahrens nach Art. 9 ff. der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) erhebliche Zeit in Anspruch. Auch das Völkergewohnheitsrecht, das nach ganz überwiegender Meinung erst durch eine allgemeine Staatenpraxis von gewisser Dauer, getragen von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung, zustande kommt225 , kann zur Bewältigung aktueller Konfliktlagen kaum beitragen. Die völkerrechtlichen Regelungsinstrumente erscheinen demnach nur beschränkt geeignet, um einem derart dringenden Problem wie der Regenwaldzerstörung angemessen begegnen zu können.

Sand, Lessons Learned, S. 5, 15. m Statt aller: Dahm/Delbrück!Wolfrum, S. 56 ff., II 2; Österreichisches Handbuch des Völkerrechts/Simma, S. 43, Rn. 210; lpsen/Heintschel v. Heinegg, S. 183, § 16, Rn. 2 ff.; Beyerlin/Marauhn, S. 6. Ebenso die Spruchpraxis des IGH, beispielsweise im North Sea Continental She1f Case, ICJ Rep. 1969, S. 3 (44, para. 77) und im Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (87 f., para. 183 ff.). 224

Zweiter Teil

Der Stand der internationalen Bemühungen um die Erhaltung der Regenwälder Im folgenden ist zu untersuchen, inwieweit die derzeit auf internationaler Ebene existierenden Vorgaben zur Erhaltung der Regenwälder beitragen können und welche Defizite sie aufweisen. Die Analyse unterteilt sich dabei in drei Kapitel. Die ersten beiden widmen sich der Beurteilung völkerrechtlich verbindlicher Regelungen in Form des Vertrags- und Gewohnheitsrechts. Im dritten Kapitel soll die Arbeitsweise und Wirksamkeit von internationalen Programmen und Projekten im Waldbereich bewertet werden, die keine verbindlichen Verhaltenspflichten für Staaten begründen.

Erstes Kapitel

Regenwaldschutz im Rahmen bestehender völkerrechtlicher Verträge Völkerrechtliche Verträge stellen das am häufigsten genutzte Instrument zur Gestaltung internationaler Umweltbeziehungen dar1• Im Vergleich zu den vielfach lediglich abstrakt gehaltenen gewohnheitsrechtliehen Regelungen erlauben sie eine Festlegung von konkreten Rechten und Pflichten2 und können die institutionelle Grundlage für die zukünftige zwischenstaatliche Zusammenarbeit bilden3 • Sie stehen daher am Anfang der folgenden Untersuchung.

S. 4 f. Dies., S. 5, 21. 3 Zur Bedeutung und zu den Funktionen institutioneller Strukturen für die Bewältigung von Umweltproblemen näher: Lang, ZaöRV 56 (1996), S. 685 ff. 1 Beyerlin!Marauhn,

2

76

2. Teil, I . Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

A. Maßstäbe zur Beurteilung der Wirksamkeit umweltvölkerrechtlicher Verträge für die Erhaltung tropischer Regenwälder Will man den Beitrag der derzeit existierenden umweltvölkerrechtlichen Vereinbarungen für die Erhaltung der Regenwälder bewerten, stellt sich zunächst die Frage, anband welcher Kriterien eine solche Beurteilung vorgenommen werden kann. Aus den anzulegenden Maßstäben müssen sich Aussagen über die Wirksamkeit des Vertragswerkes im Hinblick auf das zu lösende Umweltproblem ableiten lassen.

I. Beurteilungsmaßstäbe für die Wirksamkeit völkerrechtlicher Vereinbarungen: "effectiveness" und "compliance" Bereits der Begriff der Wirksamkeit läßt sich jedoch unterschiedlich definieren.

1. "Effectiveness" Da Recht bei soziologischer Betrachtung der Bewältigung oder Vermeidung von Konflikten dient\ erscheint es auf den ersten Blick angemessen, die Wirksamkeit einer umweltvölkerrechtlichen Regelung nach ihrem Erfolg bei der Bewältigung eines Umweltproblems zu bestimmen5 • Die Beurteilung, inwieweit völkerrechtliche Normen zur Verbesserung der ökologischen Situation beitragen bzw. beigetragen haben, wird in der völkerrechtlichen und politikwissenschaftlichen Diskussion als Bewertung ihrer Wirkungseffektivität ("Effectiveness") bezeichnet6. Will man eine derartige Analyse durchführen, bedarf es ausreichenden Datenmaterials, aus dem der ursprüngliche Umweltstandard und seine Entwicklung während der Vertragsumsetzung ableitbar sind. Ob eine Verbesserung des ökologischen Standards auf der Durchführung rechtlicher Vorgaben beruht, ist Rehbinder, Rechtssoziologie, S. 119 ff., Rn. 97 ff.; S. 123 ff., Rn. 100 ff. z. B. Wettestad/Andresen, S. 2 ff., die eine Beurteilung der tatsächlichen Effektivität anhand dreier Kriterien vornehmen wollen: I. nach dem Umfang der Realisierung des Vertragsziels durch die Vertragsparteien; 2. nach der Berücksichtigung von Expertenwissen im Rahmen der Entscheidungsfindung; 3. durch einen Vergleich mit der hypothetischen Umweltsituation, wie sie ohne den Vertrag bestehen würde. 6 Mason, S. 6; Bothe, Evaluation, S. 15; unter Hervorhebung institutioneller Aspekte Keohane/Haas/Levy, S. 6 ff. 4

5 So

A. Bewertungskriterien

77

darüber hinaus nur feststellbar, wenn hinreichende Erkenntnisse über Kausalzusarnrnenhänge zwischen staatlichen Maßnahmen und Umweltveränderungen vorliegen. Heutige Umweltprobleme weisenjedoch vielfach eine derartige Komplexität auf, daß es an den aufgeführten Beurteilungsvoraussetzungen fehlf. Für aktuelle ökologische Problematiken wird daher bezweifelt, ob eine Bewertung der Erfüllungseffektivität der sie betreffenden Verträge praktisch überhaupt durchführbar ist8• Fehlende Daten und begrenzte wissenschaftliche Erkenntnisse werden die Aussagekraft entsprechender Analysen jedenfalls nicht unbedeutend einschränken. Diese Vorbehalte gelten auch für die Problematik der Zerstörung tropischer Regenwälder. Die vorliegende Untersuchung kann nicht zuletzt aufgrundihres primär rechtlichen Ansatzes bei der Bewertung der Erfüllungseffektivität einschlägiger Regelungen nur eine grobe Annäherung leisten. So läßt sich zumindest überprüfen, inwieweit der räumliche und sachliche Geltungsbereich einer umweltvölkerrechtlichen Vereinbarung das Problem der Regenwaldzerstörung umfaßt, an welche Ursachen der Entwaldung sie anknüpft, welche Maßnahmen von den Vertragsparteien zur Erhaltung der Wälder verlangt werden und ob bzw. wie ihre Wirksamkeit von den Parteien selbst beurteilt wird. Im Hinblick auf die weitgehenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Waldvernichtung erscheint ferner bedeutend, in welchem Umfang Umweltschutzmaßnahmen auch ohne nähere Kenntnisse über konkrete Kausalzusammenhänge eingefordert werden. Die Untersuchung dieser Kriterien erlaubt zwar keine umfassenden Aussagen über den Grad der Wirkungseffektivität, kann jedoch gewisse Anhaltspunkte für die tatsächliche Einflußnahme der Vorgaben auf die Umweltsituation bieten.

2. "Compliance" Die Wirksamkeit einer vertraglichen Regelung läßt sich auch unter dem Blickwinkel bestimmen, inwieweit Normvorgaben tatsächlich eingehalten werden9 • Im Gegensatz zur Erfolgseffektivität steht dabei nicht die Frage der Veränderung der Umweltsituation, sondern das Verhalten der Vertragspartner im Vordergrund. Der Umfang, in dem die betroffenen Akteure normkonform handeln, wird dabei so7 So ausdrücklich Mitchell, S. 25, der zusätzlich darauf hinweist, daß sachliche Überschneidungen eine Zuordnung konkreter Erfolge zu bestimmten Vertragswerken bzw. Normen kaum zulassen; Kay/Jacobsen, S. 89; ansatzweise auch Keohane/Haas/Levy, S. 7. 8 Mitchell, S. 25; Kay/Jacobsen, S. 89; im Grundsatz ebenso Keohane/Haas/Levy, S. 7. 9 Mitchell, S. 25; Stoll, Die Friedenswarte 74 (1999), S. 187 f., 193.

78

2. Teil, l. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

wohl im völkerrechtlichen als auch politologischen Schrifttum als Grad der Erfüllungseffektivität oder als "compliance" 10 einer Norm bezeichnet. Das Problem der Gewährleistung eines hinreichenden Grades der Erfüllungseffektivität von Regelungen ist gerade für das internationale Umweltrecht von Bedeutung. Aufgrund der Besonderheiten der Völkerrechtsordnung als solche sowie den spezifischen Eigenarten umweltvölkerrechtlicher Vorgaben ist hier die Gefahr von Vollzugsdefiziten besonders hoch 11 • Im internationalen System, in dem es weitgehend an einer zentralen Gewalt zur Durchsetzung bestehender Normen fehlt, sind die Staaten fast ausschließlich darauf angewiesen, das gesetzte Recht selbst durchzusetzen. Die Funktionsfähigkeit einer solchen Rechtsordnung erscheint solange hinreichend gesichert, wie rechtliche Vorgaben primär auf die Verwirklichung individueller Staateninteressen ausgerichtet sind und auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit im Sinne eines "do ut des" autbauen 12 • Um in den Genuß der vereinbarten Gegenleistung zu kommen, wird jeder Staat bemüht sein, sich vertragskonform zu verhalten. Im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Erfüllung von Vertragspflichten kann der Vertragspartner durch sein Leistungsverweigerungsrecht (Art. 60 WVK) einen gewissen Zwang ausüben und auf diese Weise auf die Umsetzung der Vorgaben hinwirken. Anders stellt sich die Situation hingegen dar, wenn vertragliche Regelungenwie zunehmend im Umweltvölkerrecht-derVerwirklichung von Staatengemeinschaftsinteressen dienen. Mit den Pflichten der Staaten korrespondieren hier keine Rechte, aus denen sich unmittelbare Vorteile ableiten lassen und um deren Willen die Vertragspartner bemüht sein werden, ein Abkommen zu erfüllen 13• Der Grundsatz der Reziprozität von vertraglichen Ansprüchen und Verpflichtungen als Instrument zur Sicherung einer wirksamen Vertragserfüllung kommt nicht zum Zuge. Die Gefahr von Vollzugsdefiziten wird im Umweltrecht zusätzlich durch die Tatsache verstärkt, daß Umweltschutzmaßnahmen vielfach sehr kostenintensiv sind und kurzfristig realisierbare ökonomische Vorteile einschränken. Bemühungen um die Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen machen sich häufig erst mittel- oder langfristig bezahlt, wobei meistens keine hinreichend sicheren Aussagen über ihren zukünftigen Nutzen möglich sind. Der unmittelbare finanzielle 10 Mitchel/, S. 5; Stall, Die Friedenswarte 74 (1999), S. 187 f., 193; Chayes/Chayes, S. I ff.; Sands, Compliance, S. 49 ff.; Fisher, S. 20 ff.; Brawn Weiss, EPL 27 ( 1997), S. 297 ff.; Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 696 ff.; Bathe, Evaluation, S. 13 ff. 11 Beyerlin/Marauhn, S. 74; Stall, Die Friedenswarte 74 (1999), S. 187. 12 Beyerlin/Marauhn, S. 74. 13 Walfrum, GYIL 33 (1990), S. 327.

A. Bewertungskriterien

79

Nachteil einer Umweltschutzmaßnahme wird somit nicht durch berechenbare materielle Vorteile aufgewogen. Schließlich erfordern Umweltschutzmaßnahmen meistens nicht nur die Veränderung des Verhaltens der staatlichen Organe, sondern auch eine Beeinflussung der Tätigkeit Privater. Sie werfen damit die Frage nach hinreichenden Steuerungsmöglichkeiten des Handeins nichtstaatlicher Ak~ teure auf. In Anbetracht dieser Problemlage wird im völkerrechtlichen und politologischen Schrifttum zunehmend erörtert, mit Hilfe welcher Regelungstechniken ein angemessener Grad der Erfüllungseffektivität von Vorgaben gewährleistet werden kann. Solange diese Effektivität nicht in hinreichendem Maße gegeben ist, können völkerrechtliche Vorgaben kaum zur Problemlösung beitragen. Die Existenz von Techniken zur Sicherung der Normerfüllung wird daher auch als Prüfungsmaßstab für die Wirksamkeit eines Vertragswerkes angesehen. Aus dem bisherigen Diskussionsstand läßt sich ein Konsens über bestimmte Kriterien ableiten, deren Berücksichtigung zu einer höheren Erfüllungswirksamkeit beitragen kann. Sie sollen im folgenden dargestellt und der hier vorzunehmenden Untersuchung zugrunde gelegt werden.

a) Kriterienfür die Beurteilung der Erfüllungseffektivität aa) Materiell-rechtlicher Inhalt der Vertragsverpflichtungen Zunächst besteht weitgehende Einigkeit, daß die wirksame Erfüllung rechtlicher Vorgaben wesentlich von der Art der inhaltlichen Ausgestaltung der Verpflichtungen abhängt.

( 1) Interessengerechte Ausgestaltung der Vertragspflichten Bedeutend erscheint dabei, daß die festgelegten Vertragsvorgaben die verschiedenen Interessen der beteiligten Staaten hinreichend widerspiegeln 14• Ist mit der Durchführung vertraglicher Vereinbarungen kein ausreichender Kooperationsgewinn verbunden, besteht die Gefahr, daß es nicht zu ernsthaften Bestrebungen um eine wirksame Vertragsumsetzung kommt.

14 Koskenniemi, S. 93 ; Mitchell, S. 7; kritisch dazu Chayes/Chayes, International Organization 47 (1993), S. 179.

80

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Dieser Ansatz geht von dem Gedanken aus, daß internationale Beziehungen zumindest auch auf dem Grundsatz der nationalen Nutzenmaximierung aufbauen und damit durch eine Kosten-Nutzen-Analyse von seiten der Staaten beeinflußt werden 15 • Jedes Land wird um so mehr an der Umsetzung von Normen interessiert sein, je stärker diese der Verwirklichung seiner eigenen Belange dienen 16 • Umweltvölkerrechtliche Vereinbarungen führen vielfach zu kurzfristigen Einbußen, ohne einen unmittelbaren Nutzen zu begründen. Insbesondere Länder, deren sozio-ökonomische Lage ein kurzfristig realisierbares wirtschaftliches Wachstum zur Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung notwendig erscheinen läßt, werden kaum zu Einschränkungen ihrer ökonomischen Handlungsfreiheit aus Gründen des Umweltschutzes bereit sein 17 • Anreize zu vertragswidrigem Verhalten sind aufgrundder entgegenstehenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hier möglicherweise besonders groß. Im Schrifttum besteht Einigkeit, daß sich die Erfüllungseffektivität umweltvölkerrechtlicher Vereinbarungen erhöhen läßt, wenn man die Nachteile, die eine Umsetzung derartiger Vorgaben mit sich bringt, durch unmittelbare positive Anreize auszugleichen versuche 8 • Hierbei ist an Maßnahmen zu denken, mit deren Hilfe entweder die Umsetzungskosten bzw. ökonomischen Einbußen abgesenkt oder der Nutzen von Umweltschutzbestrebungen erhöht werden kann. Einige Stimmen in der Literatur nehmen an, daß bereits die Vertragsverhandlungen eine hinreichende Garantie für die Realisierung derartiger Kooperations15 Zu den Beweggründen der internationalen Kooperation aus politologischer Sicht: Meyers, Handwörterbuch Internationale Politik, S. 419. Zu dem im Text hervorgehobenen sogenannten ökonomischen Ansatz vgl. ferner Heister/Mohr/Stähler/Stoll/Wolfrum, IEA 9 (1997), s. 23. 16 Chayes/Chayes, International Organization 47 (1993), S. 179; Koskenniemi, S. 93. 17 Boyle, Comment, S. 138. So auch die Einschätzung der Deutschen Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Abgeordneten Eig, Köster-Loßack, Schmitt und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucksache 13/3338, S. 4: "Der Bundesregierung sind keine Tropenwaldländer bekannt, die grundsätzlich auf jegliche Entwicklungsprojekte mit möglicher Schädigung von Waldflächen verzichten". Ferner Soares, S. 217, im Hinblick auf den Schutz der Amazonasregion: "lfthe industrialized states want to have a clean place there or a natural place they have to provide the countries concerned with some funds because we are not going to be a very beautiful zoo or a beautiful botanical garden for the world without the possibility of economic development". 18 Hand/, YIEL 1 (1990), S. 9; Mitchell, S. 11; Sand, Lessons Learned, S. 6 f.; Sands, Compliance, S. 342; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 301 ff.; Beyerlin/Marauhn, S. 41; Boyle, Comment, S. 139, spricht abstrakt von einer größeren Erfolgswahrscheinlichkeit eines Vertragsregimes bei Verknüpfung von Vor- und Nachteilen; ähnlich: Ricker, S. 20; Stall, S. 74 ff.

A. Bewertungskriterien

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gewinne bieten 19• Aufgrund der Abschlußfreiheit im völkerrechtlichen Vertragsrecht werde sich kein Land an eine Vereinbarung binden, die seine eigenen Belange nicht in hinreichendem Maße widerspiegele20• Kommt eine wirksame Einigung zustande, spreche eine Vermutung dafür, daß von der Vereinbarung für alle Staaten angemessene positive Anreize zum Normenvollzug ausgehen21 • Diese Aussage erfährt eine Relativierung, wenn man bedenkt, daß zwischen den Vertragspartnern vielfach kein politisches Machtgleichgewicht herrscht, das den gerechten Ausgleich der Staatenbelange gewährleisten kann22 • Darüber hinaus ermöglichen die Mittel moderner Verhandlungstechnik die Annahme eines Vertragsentwurfs durch Mehrheitsbeschluß oder mit Hilfe des sogenannten "Consensus"-Verfahrens, bei dem es nicht zu einer förmliche Abstimmung über den Entwurf kommt. Diese Art der Vertragsverhandlung erscheint zwar aus Gründen stärkerer Flexibilität unumgänglich, sie kann eine Einbeziehung der verschiedenen Interessen jedoch nur begrenzt sicherstellen. Es besteht die Gefahr, daß überstimmte Staaten oder Länder, die der im "Consensus"-Verfahren gefundenen Lösung nicht offen widersprochen haben, tatsächlich nicht an einer wirksamen Umsetzung der Regelungen interessiert sind23 • Der gerade im Bereich des Umweltschutzes teilweise sehr starke internationale Druck kann sie dennoch dazu gezwungen haben, den Vertrag entgegen ihren tatsächlichen Absichten zu ratifizieren24. Vereinbarungen, die besondere positive Anreize zur Erfüllung der Umweltschutzverpflichtungen beinhalten, können zwar ein späteres vertragskonformes Verhalten derartiger Akteure nicht sicherstellen. Im Vergleich zu Vertragswerken, die keine Anreizmechanismen enthalten, dürften sie aber eher geeignet sein, die betreffenden Staaten zu einer aktiveren Rolle bei der Vertragsumsetzung zu veranlassen.

(2) Art und Weise der Formulierung Neben der inhaltlichen Ausgestaltung der Vertragsvorgaben hat die Art und Weise ihrer Formulierung nach vorliegenden Erkenntnissen erheblichen Einfluß Chayes!Chayes, S. 4 ff.; Laugen, S. 5. Bothe, Evaluation, S. 17. 21 Chayes/Chayes, S. 4. 22 Darauf verweisen auch Chayes/Chayes, S. 6, die allerdings die Bildung von Koalitionen als Mittel zur Schaffung eines Verhandlungsgleichgewichts ansehen. 23 Beyerlin!Marauhn, S. 40. 24 Mitchell, S. 11 f.; Beyerlin!Marauhn, S. 85; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 297. 19

20

6 Krohn

82

2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

auf die Erfüllungseffektivität25 . Je präziser eine Regelung abgefaßt ist, um so leichter können die mit ihrer Umsetzung betrauten Organe erkennen, welches Verhalten von ihnen verlangt wird. Dies verhindert Auslegungsprobleme26 • Eine konkrete Vertragsformulierung kann darüber hinaus vermeiden, daß sich die Vertragsparteienauf die Unbestimmtheit einer Regelung und eine für sie günstigere Interpretation zur Rechtfertigung eigener Verhaltensweisen berufen 27 • Eine präzisere Ausgestaltung der Vertragsvorgaben erlaubt schließlich auch eine verbesserte Kontrolle ihrer Umsetzung28 . Die mögliche Bestimmtheit umweltvölkerrechtlicher Regelungen hängt neben der Frage ihrer politischen Realisierbarkeil wesentlich von der Komplexität des jeweiligen Umweltproblems und der Vergleichbarkeit der Situation in den Vertragsstaaten ab. Je größere Unterschiede dort vorhanden sind, desto abstrakter müssen Vertragsvorgaben formuliert sein, um die verschiedenen Gegebenheiten umfassen zu können. Vorgaben, die lediglich eine Verbesserung oder ein Bemühen verlangen oder durch "escape-clauses" abgemildert sind, können den beteiligten Staaten Beurteilungsspielräume eröffnen und auf diese Weise die Gefahr einer mangelhaften Normenumsetzung vergrößern. Eine nennenswerte Verbesserung von Umweltstandards muß mit derartigen "Bemühensregelungen" nicht einhergehen, da es zur Vertragserfüllung ausreicht, überhaupt Maßnahmen zum Schutz der Umwelt einzuleiten29 • Dieneuere Vertragsgestaltung des internationalen Umweltrechts bedient sich zunehmend des Mittels der Rahmenkonvention, in der kaum konkrete materiellrechtliche Vertragsverpflichtungen festgelegt werden 30• Eine nähere Ausfüllung der Normen erfolgt erst durch rechtlich verbindliche Sekundärakte, wie Protokolle oder Annexe. Dieses Verfahren kann sowohl die Vorteile allgemeingehaltener als auch konkreter Normen miteinander verbinden. So erlaubt die Festlegung abstrakter Regelungen die Einbeziehung von Staaten, die bei der Abstimmung über den

2s Chayes/Chayes, S. 10 ff.; Mitche/1, S. 7, 19; Szell, S. 107; Koskenniemi, S. 95; Bothe, Evaluation, S. 16; Boyle, Comment. S. 139 f.; Sand, ZaöRV 56 ( 1996), S. 778, 792; Lang, FS für Schambeck, S. 821 ; ähnlich Bilder, S. 38 f. 26 Mitchell, S. 19; Sand, ZaöRV 56 (1996), S. 778. 27 Mitchell, S. 19. 28 Beyerlin/Marauhn, S. 107; Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 703; Bothe, Evaluation, S. 16; Sachariew, YtEL 3 (1992), S. 36 f. mit speziellem Bezug zum "Monitoring"-Verfahren. 29 Mitchell. S. 7; Bothe, Evaluation, S. 15; Sand, ZaöRV 56 (1996), S. 726; Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 703. 30 Beyerlin/Marauhn, S. 42.

A. Bewertungskriterien

83

Vertragstext noch nicht zur Bindung an konkrete Verpflichtungen bereit sind31 . Für sie können die zunächst unbestimmt gehaltenen Vorgaben zumindest allgemeine Leitlinien der Umweltpolitik bilden. Dennoch wird die Möglichkeit einer konkreteren Ausgestaltung und dynamischen Fortentwicklung des Vertragswerkes durch Sekundärakte eröffnet. Ein solches Verfahren führt allerdings nur dann zu einer Steigerung des Umweltniveaus, wenn eine hinreichende Anzahl der Vertragspartnerzur Spezifizierung der Vertragsverpflichtungen bereit ist. Die ständige Zusammenarbeit innerhalb des Vertragswerkes begünstigt zwar die Annäherung unterschiedlicher Positionen. Sie kann jedoch nicht ausschließen, daß Konflikte über den Inhalt völkerrechtlicher Vorgaben auf die Sekundärebene verlagert werden und die weitere Staatenkooperation belasten32 .

bb) Verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Vertragsdurchführung Neben der inhaltlichen Ausgestaltung wird der Grad der Erfüllungseffektivität völkerrechtlicher Vereinbarungen bisherigen Erkenntnissen zufolge wesentlich von den verfahrensmäßigen und institutionellen Regelungen bestimmt, die eine Kontrolle und Beeinflussung staatlichen Verhaltens sicherstellen sollen33 . Welche konkrete rechtliche Ausgestaltung hierbei vorzugswürdig erscheint, ist kaum geklärt34. Dies wird wohl wesentlich vom konkreten Sachproblem abhängig sein. Die Literatur bezeichnet verfahrensmäßige Vorgaben zur Überprüfung der Vertragstreue und zur Reaktion auf Pflichtverletzungen häufig als das "compliance system" einer Vereinbarung35 . Dabei wird zwischen zwei Verfahrensabschnitten unterschieden: dem "compliance information system" sowie dem "non compliance response system"36 . Während der erstgenannte Teil Aufschluß über die Vertragstreue der Mitgliedsstaaten geben soll, ist der zweite darauf gerichtet, den betroffenen Staat im Fall einer festgestellten Vertragsverletzung zu einem normkonformen Verhalten zu veranlassen.

Ebenda; Susskind/Ozawa, S. 146. Koskenniemi, S. 95. 33 Lukashuk, S. 5 ff.; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 302; Timoshenko, S. 53; Lang, ZaöRV 56 (1996), S. 685 ff.; ders., FS für Schambeck, S. 817 ff.; Khlestov, S. 26 ff. 34 Butler, S. I. 35 Mitchell, S. 17; Sands, Compliance, S. 54. 36 Mitchell, S. 20; Sands, Compliance, S. 54 f.; ähnlich Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 698, der von "implementation review" und "non-compliance procedure" spricht. Szell, S. 107: "enforcement system". 31

32

84

2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

( 1) Veifahrensvorgaben zur Überwachung der Vertrag streue: "compliance information system" Das "compliance infonnation system" zur Aufdeckung von Vertragsverstößen bildet nicht nur den ersten Schritt für Maßnahmen gegen den rechtswidrig handelnden Staat, sondern erfüllt im Hinblick auf die Erfüllungseffektivität auch eine eigenständige Funktion. Staaten werden um so eher von einem bewußten Normverstoß absehen, je größer die Gefahr einer Entdeckung ise7 • Unabhängig von möglichen späteren Reaktionen im Rahmen des "compliance response system" kann bereits die Feststellung einer Vertragsverletzung zu einem Vertrauensverlust führen, der für das betroffene Land Nachteile mit sich bringt. Jeder Staat wird bemüht sein, nicht als Verletzer völkerrechtlicher Normen dazustehen38 . Eine Kontrolle der Vertragserfüllung, die eine Transparenz der Vertragsumsetzungsmaßnahmen bewirkt39, stellt nach Ansicht der Literatur daher bereits einen Anlaß für Bemühungen um einen verbesserten Nonnenvollzug dar40 • Um nähere Rückschlüsse auf die Vertragstreue zuzulassen, ist eine hinreichend präzise Festlegung des Prüfungsgegenstandes, also eine konkrete Formulierung der Vertragsvorgaben41 , sowie eine ausreichende Kontrolldichte erforderlich42 • Letztere wird sich um so schwerer erreichen lassen, je umfangreicher und komplexer die betreffende Sachmaterie ist43 . Als Mittel der Tatsachenfeststellung und Überprüfung der Vertragstreue sehen völkerrechtliche Vereinbarungen vor allem "Monitoring"- oder "Reporting"-Verfahren vor. Während das "Reporting" vorwiegend der Information über Maßnahmen zur Umsetzung der Vertragsvorgaben dient, sollen mit Hilfe des "Monitoring" Daten über den Umweltzustand und seine Veränderung bereitgestellt Young, S. 19; Fisher, Compliance, S. 168. Bothe, Evaluation, S. 19; Beyerlin/Marauhn, S. 88; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 237, Rn. 472. 39 Beyerlin/Marauhn, S. 95; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 237, Rn. 472. 40 Marauhn, ZaöRV 56 ( 1996), S. 696; Bothe, Evaluation, S. 19; Mitehe II. S. 19; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 299 f.; Bilder, S. 117, für völkerrechtliche Verträge insgesamt. 41 Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 703; im Ansatz auch Sachariew, YIEL 3 (1992), s. 37. 42 Lazarev, S. 17: 43 Mitchell, S. 19, spricht in diesem Zusammenhang vom Problem der Kontrollierbarkeit staatlichen Verhaltens; ähnlich auch Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 45. Beyerlin/Marauhn, S. 98 f. , und Timoshenko, S. 54, weisen zusätzlich auf das Problem der Realisierbarkeit von Kontrollmechanismen aus Kostengründen hin. 37

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A. Bewertungskriterien

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werden44 • Die Kenntnis derartiger Fakten läßt zusätzliche Rückschlüsse auf den Umfang der Vertragserfüllung zu45 . Sie stellt ferner die Grundlage für sachgerechte Entscheidungen über konkret durchzuführende Maßnahrnen46 oder die generelle Weiterentwicklung des Vertragsregimes47 dar. Sowohl "Monitoring"- als auch "Reporting"-Mechanismen sind primär auf Staatenberichte aufgebaut, was aufgrundder damit verbundenen Selbsteinschätzung die Gefahr mangelnder Objektivität begründet48 • Die Wirksamkeit derartiger Kontrollinstrumente wird in der Praxis zusätzlich durch die Tatsache verringert, daß die Staaten ihren Berichts- und Mitteilungspflichten häufig nur unzureichend oder gar nicht nachkommen49 • Es fehlt dann nicht nur an Informationen, die für eine Beurteilung der Vertragsumsetzung erforderlich sind. Der Mangel an Daten erschwert es überdies, die Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen zu überprüfen und gegebenenfalls eine Anpassung oder Weiterentwicklung der Normen in die Wege zu leiten50. Derartige Mängel lassen sich nur begrenzen, wenn Informationsquellen einbezogen werden, die vom Staat unabhängig sind. Mit ihrer Hilfe kann eine Gegenkontrolle der staatlichen Informationen erfolgen oder ein Mangel an Daten ausgeglichen werden. Zu denken ist hier zunächst an eigene Datenerhebungsrechte eines Vertragsorgans, wie zum Beispiel Vor-Ort-Untersuchungen51 , zusätzliche Informationsrechte gegenüber den Staaten52 und die Befugnis zur inhaltlichen Bewertung staatlicher Berichte durch ein unabhängiges Expertengrernium53• Weiterhin kommt die Einbeziehung von Daten in Betracht, die von seiten Dritter, also von anderen Vertragsparteien, nichtstaatlichen Akteuren wie Nichtregierungs-

44 Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 34, 41, mit einer umfassenden Analyse beider Verfahrensarten. 45 Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 36; Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 703; Bothe, Evaluation, S. 16; ähnlich Lang, ZaöRV 56 (1996), S. 687 f.

Timoshenko, S. 151; Sachariew, YIEL3 (1992), S. 32 f., 35. Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 695. 48 Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 707; vgl. auch Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 41. 49 Sands, Compliance, S. 55; Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 42. 50 Stoll, S. 72; Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 32. 51 Zu dieser Möglichkeit: Beyerlin/Marauhn, S. 99 ff.; Marauhn, ZaöRV 56 (1996), S. 711; Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 45 ff.; Lang, FS für Schambeck, S. 820. 52 Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 47; Beyerlin/Marauhn, S. 103. 53 Lang, ZaöRV 56 (1996), S. 694; Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 45 f., im Hinblick auf das "Reporting"-Verfahren. 46 47

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2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Organisationen (NGOs) oder spezifischen wissenschaftlichen Gremien 54 zur Verfügung gestellt werden. Die Ausgestaltung von wirksamen Kontrollmechanismen ist allerdings nur bei einer Bereitschaft der Staaten möglich, zusätzliche Souveränitätseinbußen hinzunehmen55.

(2) Reaktionen auf Vertragsbrüche: Vorgaben des "non compliance response system" Die Erfüllungswirksamkeit eines umweltvölkerrechtlichen Vertrages ist nur dann sichergestellt, wenn auf Vertragsverstöße mit angemessenen Mitteln reagiert werden kann. Die Entscheidung über geeignete Maßnahmen zur erfolgreichen Beeinflussung eines rechtsbrüchigen Staates im Rahmen des "compliance response system" muß auf den Ursachen der Vertragsverletzung aufbauen56 . Unterschieden werden kann zwischen der fehlenden Bereitschaft eines Akteurs zu einem normkonformen Handeln und seiner fehlenden Fähigkeit zur Vertragsurnsetzung, die sich aus mangelnden administrativen, technischen oder wirtschaftlichen Möglichkeiten ergeben kann57 • Die letztgenannten Defizite können im Umweltschutzrecht erhebliche Folgen haben, da einschlägige Normen von den Staaten vielfach eine Einflußnahme auf das Verhalten ihrer Bevölkerung verlangen58• Eine solche Beeinflussung läßt sich nur bei einer hinreichenden institutionellen Ausstattung des Staatsapparates gewährleisten59. Die traditionellen Instrumente des Völkerrechts zur Sicherung der Vertragstreue, wie vor allem Streitbeilegungsmechanismen oder Sanktionen, gehen von einem mangelnden Willen zum Normvollzug aus60• Sie müssen weitgehend versa54 Zur Einbeziehung von NGOs: Bothe, Evaluation, S. 18; Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 34; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 301. Zur Bedeutung der Wissenschaft: Young, s. 17. 55 Lukastruk, S. 11. 56 Lazarev, S. 17, weist daher auf die Bedeutung der Offenlegung von Ursachen für die Vertragsverletzung im Rahmen der Umsetzungskontrolle hin. 57 Beyerlin/Marauhn, S. 85; Putnam, International Organization 42 (1988), S. 88; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 298; Mitchell, S. 11 ff.; im Ansatz auch Levy/Keohane/ Haas, S. 404. Ähnlich Bothe, Evaluation, S. 17, der zwischen fehlendem Willen, mangelnder Sorgfalt und fehlenden Ressourcen differenziert. 58 Beyerlin/Marauhn, S. 86; Lang, FS für Schambeck, S. 833. 59 Laugen, S. 2, 6; Lang, FS für Schambeck, S. 832. 60 Näher zu den traditionellen Mitteln der Rechtsdurchsetzung: Beyerlin/Marauhn, S. 76 ff.; Bothe, Evaluation, S. 19 f.

A. Bewertungskriterien

87

gen, wenn die erforderlichen Ressourcen zur Umsetzung vertraglicher Pflichten nicht vorhanden sind und das Land dem Normbefehl aufgrund fehlender Mittel nicht nachkommen kann. Eine verbesserte Vertragsumsetzung läßt sich unter diesen Umständen nur sicherstellen, wenn Mittel der Erfüllungshilfe bereitgestellt werden61 . Im Vergleich zu traditionellen Zwangsmaßnahmen handelt es sich dabei um kooperative Rechtsdurchsetzungsmechanismen62 , mit deren Hilfe beispielsweise personelle Kapazitäten vergrößert (Aus- u. Fortbildungsprogramme, Unterstützung von Experten), sachliche und finanzielle Mittel bereitgestellt (technisches Know-how, Zuschüsse) oder andere Umsetzungserleichterungen (z. B. Vorzugsbedingungen, Handelsvorteile etc.) geschaffen werden können. Die Einrichtung derartiger Mechanismen setzt allerdings voraus, daß finanzkräftigere Akteure bereit sind, die anfallenden Kosten zumindest teilweise zu tragen63 . Im Schrifttum wird die Bedeutung kooperativer Rechtsdurchsetzungsmechanismen für die Erfüllungseffektivität teilweise mit dem Argument hervorgehoben, daß ein Mangel an Ressourcen den entscheidenden Grund für die unzureichende Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen darstelle64 • Eine willentliche Vertragsverletzungsei hingegen als Ausnahmefall anzusehen65 • Staaten, die vertragliche Pflichten übernehmen, hätten in der Regel die Absicht, diese auch zu erfüllen66. Diese Einschätzung lasse sich auf das Prinzip "pacta sunt servanda" zurückführen, das dem Vertragsrecht zugrunde liege und ohne dessen Beachtung die Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit im internationalen System nicht gewährleistet sei67 • Jeder Vertragspartner habe darüber hinaus ein hinreichendes Interesse an der Erfüllung der Normen, weil seine Belange über die Vertragsverhandlungen angemessen in die Ausgestaltung der Vorgaben eingeflossen seien68. Schließlich erweise sich die Befolgung rechtlicher Vorgaben auch aus verwaltungstechnischen Gründen als vorteilhafter69. Entscheidungen über die Abweichung von der 61 Bothe, Evaluation, S. 17 f., 20; MiteheII, S. 14, 20; Stoll, S. 73 ff.; Ricker, S. 21; Bilder, S. 112 ff.; Boyle, Comment, S. 137; Lang, FS für Schambeck, S. 823; Mathews, S. 242; Sands, Compliance, S. 56 ff. 62 Näher zum Einsatz partnerschaftlicher Mittel als Reaktion auf Erfüllungsdefizite: Beyerlin/Marauhn, S. 85 ff., 122 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 258 ff. , Rn. 509 ff. 63 MiteheII, S. 14, weist auf die eingeschränkte Bereitschaft der Staaten zur Übernahme der Umsetzungskosten anderer Länder hin. 64 Chayes/Chayes, S. 10, 13 ff. 63 Dies., S. 3 ff.; Bothe, Evaluation, S. 17. 66 Bothe, Evaluation, S. 14; Bilder, S. 7 ff. 67 Chayes/Chayes, S. 8; im Ansatz auch Bilder, S. 7. 68 V gl. oben, 2. a) aa) (I). 69 Chayes/Chayes, S. 4; Mitchell, S. 8.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

bisherigen Umsetzungspraxis würden nämlich zu einem zusätzlichen Kosten- und Zeitaufwand führen. Für den Staat, dessen Verhalten im Einklang mit vertraglichen Verpflichtungen steht, sei es daher günstiger, bereits bestehende Handlungskonzepte aufrechtzuerhalten. Ob ein derartiges Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Vertragsverletzungen aufgrund unzureichender Mittel und Normverstößen wegen fehlenden Willens angenommen werden kann, erscheint zweifelhaft. So ließe sich ebenfalls unter Hinweis auf den Grundsatz "pacta sunt servanda" argumentieren, daß Staaten nicht bereit sein werden, Vertragspflichten zu akzeptieren, die sie nicht erfüllen können70 • Wenn sie dennoch derartige Pflichten übernehmen, verfügen sie zumindest ihrer Meinung nach in absehbarer Zeit über die notwendigen Ressourcen zur Vertragsumsetzung71 • Die dauerhafte Befolgung rechtlicher Vorgaben mag sich zwar aus bürokratischen Gründen als vorteilhaft erweisen. Dabei wird allerdings vorausgesetzt, daß das staatliche Handeln bereits im Einklang mit rechtlichen Vorgaben steht. Umweltvölkerrechtliche Verträge fordernjedoch vielfach eine Änderung von Verhaltensweisen. Diese läßt sich wesentlich schwerer realisieren als die bloße Beibehaltung der vorhandenen Verwaltungspraxis. Generelle Aussagen zum Verhältnis zwischen einem Mangel an Erfüllungsbereitschaft und Vollzugsdefiziten aufgrund fehlender Ressourcen werden sich daher wohl kaum treffen lassen. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Gründe für einen Vertragsverstoß vomjeweiligen Einzelfall abhängen. Hierbei wird auch von Bedeutung sein, inwieweit mit einer Entdeckung der Vertragsverletzung und ihrer Tolerierung zu rechnen ist. Dennoch läßt sich feststellen, daß Zwangsmittel nach den bisherigen Erfahrungen im internationalen Recht kaum eine wirksame Rechtsdurchsetzung gewährleisten können72• Insbesondere Sanktionen sind in der umweltvölkerrechtlichen Praxis bis dato kaum zur Geltung gekommen73 • Abgesehen von politischen Erwägungen mag dies auch darauf zurückzuführen sein, daß die Durchführung von Zwangsmaßnahmen häufig erhebliche Kosten beim rechtsdurchsetzenden Staat Mitchell, S. 14. Kritisch zur Annahme eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses auch Brown Weiss, EPL 27 (1997), s. 297 f. 72 Für das Völkerrecht insgesamt: Chayes/Chayes, S. 2 f., 29 ff.; fürdas Umweltvölkerrecht im besonderen: Bothe, Evaluation, S. 27 ff.; Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 234, Rn. 466; Sand, ZaöRV 56 (1996), S. 778, unter Bezugnahme auf Sanktionen; Rest, S. 111 ff., unter Bezugnahme aufhaftungsrechtliche Ansprüche; Szell, S. 107, unter Bezugnahme auf Streitbeilegungsmechanismen. 73 Sand, ZaöRV 56 (1996), S. 778; Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 298 f.; im Ansatz auch Beyerlin/Marauhn, S. 79. 70

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A. Bewertungskriterien

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verursachf4 . Eine gewisse Erfolgsgarantie ist darüber hinaus nur bei einheitlicher und unter Umständen längerfristiger Anwendung von Sanktionen gegeben75 . Der dazu notwendige Konsens wird sich innerhalb der Staatengemeinschaft jedoch nur selten finden lassen. Bei soziologischer Betrachtung sind Zwangsmaßnahmen allein ohnehin nicht geeignet, langfristig ein Rechtssystem aufrechtzuerhalten76 • Partnerschaftliehe Rechtsdurchsetzungsmechanismen, die anstelle einer Konfrontation mit dem rechtsbrüchigen Staat auf einen kooperativen Dialog setzen und Hilfestellungen zum Abbau der Vollzugsdefizite geben, können vor diesem Hintergrund die Perspektiven für eine gesteigerte Vertragsumsetzung verbessem77 • Einen vollständigen Ersatz für repressive Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen bieten sie hingegen nichf8.

cc) Verfahrensmäßige Vorgaben zur Weiterentwicklung des Vertragsregimes: "readjustment mechanisms" Eine langfristig wirkungsvolle Vertragsumsetzung setzt schließlich eine hinreichende Flexibilität des vertraglichen Normensystems voraus79 • Ein Vertragswerk, das sich als zu starr erweist, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder veränderte Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, verliert an Legitimität80. Artikel 62 der WVK sieht für den Fall der grundlegenden Änderung zwar die Möglichkeit der Beendigung oder des Rücktritts vom Vertrag vor. Diese Regelung entspricht jedoch nicht dem Gedanken einer andauernden Kooperation zur Erhaltung der Umweltgüter. Notwendig erscheint hier vielmehr, vertragsimmanente Mechanismen zu schaffen, die eine Beachtung veränderter Umstände ermöglichen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse81. Komplexe Umweltprobleme sind vielfach noch nicht eindeutig erforscht, verlangen aufgrundihrer Dringlichkeitjedoch unverzügliche Strategien selbst auf Chayes/Chayes/Mitchell, S. 77; Mitchell, S.21. Chayes/Chayes/Mitchell, S. 77. 76 Young, S. 18. 77 Lazarev, S. 18 ff.; Lang, FS für Schambeck, S. 823; ähnlich auch Beyerlin/Marauhn, S. 86, 91 f., die ein Nebeneinander von partnerschaftliehen und repressiven Rechtsdurchsetzungsmitte1n für notwendig halten. 78 So auch Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 238 f., Rn. 475 f. 79 Chayes/Chayes, S. 225; dies., Adjustment, S. 281; Sand, ZaöRV 56 (1996), S. 786; ähnlich Fisher, S. 112 ff., 124 f. 80 Bilder, S. 14 f., 78. 81 Young, S. 19. 74

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2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

unsicherer Erkenntnisgrundlage. Die erarbeiteten Handlungsvorgaben müssen daher an neue Kenntnisse angepaßt werden können. Die Bewältigung ökologischer Problematiken durch völkerrechtliche Vereinbarungen stellt sich demnach als dauerhaft angelegter, dynamischer Prozeß zur Verbesserung der Umweltsituation dar82 . Mechanismen zur Anpassung der Vertragsvorgaben werden darüber hinaus als erforderlich angesehen, um sozio-ökonomische Veränderungen83 und in der Praxis aufgetretene Rechtsdurchsetzungsdefizite84 hinreichend berücksichtigen zu können. In verfahrensmäßiger Hinsicht läßt sich eine Weiterentwicklung eines Vertrages neben einer kontinuierlichen Zusammenarbeit durch eine Kopplung der Rechtsetzung an einen gegebenenfalls auch institutionalisierten technisch-wissenschaftlichen Sachverstand gewährleisten85 • Eine Weiterentwicklung der Regelungen ist dabei insbesondere durch die Möglichkeit der Annahme von Protokollen oder Annexen86 denkbar. Sinnvoll ist auch ein Verweis auf technische bzw. wissenschaftliche Standards87, die einer dynamischen oder authentischen Interpretation nach Art. 31 Abs. 3 a oder b WVK zugänglich sind. Eine vertragsimmanente Fortentwicklung kann allerdings immer nur soweit gehen, wie der Vertragsrahmen nicht überschritten wird. Ansonsten bedarf es einer Vertragsergänzung, die nach Art. 39 WVK grundsätzlich im gleichen Verfahrensablauf wie der Vertragsabschluß selbst durchzuführen ist. Dies kann einen erheblichen Zeitverlust verursachen88, der sich durch Vorgaben zur Flexibilisierung des Änderungsverfahrens eingrenzen läßt.

Gehring!Oberthür, S. 15. So auch im Ansatz Sand, ZaöRV (1996), S. 786. Mitchell, S. 8. Auch Heister/Mohr/Stähler/Stoll!Wolfrum, IEA 9 (1997), S. 24, sehen die Änderung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses als wesentlichen Grund für eine mangelnde Vertragserfüllung an. 84 Beyerlin/Marauhn, S. 92. Im Ansatz auch Brown Weiss, EPL 27 (1997), S. 297 f.; Heister/Mohr/Stähler/Stoll/Wolfrum, IEA 9 (1997), S. 24. 85 Stoll, Die Friedenswarte 74 (1999), S. 193. 86 Dazu näher: Beyerlin/Marauhn, S. 44 ff. 87 Sand, Lessons Leamed, S. 17. 88 Sand, Lessons Leamed, S. 15, weist in diesem Zusammenhang auf eine Studie des United Nations Institute for Training and Research hin, die zu dem Ergebnis kam, daß zwischen der Vereinbarung eines Vertrages und dem tatsächlichen Wirksamwerden des Abkommens durchschnittlich fünf Jahre liegen. 82

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A. Bewertungskriterien

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b) Zusammenfassung Nach bisherigen Erkenntnissen hängtder Grad der Erfüllungswirksamkeit (Umwelt-)völkerrechtlicher Regelungen sowohl von der Ausgestaltung der materiellrechtlichen Vertragsverpflichtungen als auch von den verfahrensrechtlichen Vorgaben ab. Für die Formulierung der umweltschutzbezogenen Pflichten ist neben der Festlegung spezifischer Handlungsvorgaben eine umfassende Einbeziehung der verschiedenen Interessen der Vertragspartner notwendig. Nach Möglichkeit müssen dabei die Nachteile, die eine Erfüllung des Vertrags mit sich bringt, durch unmittelbare Vorteile, insbesondere Anreize, kompensiert werden. Längerfristig läßt sich die Vertragserfüllung nur gewährleisten, wenn das Übereinkommen Möglichkeiten zur Berücksichtigung veränderter ökologischer, ökonomischer und sozialer Gegebenheiten vorsieht ("readjustment mechanism"). Die Erfüllungswirksamkeit wird schließlich wesentlich durch die Ausgestaltung von Regelungen bestimmt, die Umsetzungsdefizite transparent machen ("compliance control system") und Mittel zur Beseitigung der Mängel bereitstellen ("compliance response system"). U nahhängig von der Frage, ob Vertragsverstöße grundsätzlich auf fehlende Ressourcen und nicht etwa auf einen mangelnden Rechtsumsetzungswillen zurückgehen, bleibt festzustellen, daß repressive Rechtsdurchsetzungsmittel bisher kaum Bedeutung erlangt haben. Zwangsmittel bedürfen daher einer Ergänzung durch kooperative Rechtsdurchsetzungsmechanismen, die auf einem Dialog mit dem Verletzerstaat aufbauen und einen eventuell vorhandenen Mangel an Ressourcen ausgleichen können.

11. Anzulegende Prüfungsmaßstäbe Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen soll die Frage, inwieweit ein Schutz tropischer Regenwälder durch bestehende Verträge gewährleistet ist, anhand folgender Beurteilungsmaßstäbe untersucht werden: 1. In inhaltlicher Hinsicht: -Inwieweit enthält der Vertrag Vorgaben, die auf das Problem der Entwaldung bzw. seiner Ursachen Bezug nehmen? - Welche Maßnahmen werden von den Vertragsparteien verlangt und wie sind die betreffenden Regelungen formuliert? Haben sie sich nach Meinung der Parteien als wirksam erwiesen? -Wie wird auf bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten reagiert? -Werden Anreize für die Erhaltung der Wälder geboten?

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2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

-Erlaubt das Vertragswerk eine Weiterentwicklungaufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie veränderter ökologischer, ökonomischer oder sozialer Gegebenheiten? 2. Im Hinblick auf die Rechtsdurchsetzung: -Welche Mechanismen sind zur Kontrolle der Vertragserfüllung vorgesehen? Welche Organe sind damit betraut? - Enthält das Vertragswerk Vorgaben zur Institutionalisierung der klassischen Mittel der Rechtsdurchsetzung, insbesondere Zwangsmaßnahmen? - Kann mit Maßnahmen der Erfüllungshilfe auf Defizite in der Vertragsumsetzung reagiert werden?

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke I. Verträge auf globaler Ebene 1. International Tropical Timher Agreement a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich

Das International Tropical Timher Agreement89 (ITIA) stellt die einzige Vereinbarung auf globaler Ebene mit einem speziellen Bezug zur Entwaldung tropischer Wälder dar90 • Mit 55 Vertragspartnern91 umfaßt ihr sachlicher Geltungsbereich mehr als 75 %aller Regenwaldbestände und 90% des weltweiten Handels mit tropischen Hölzern92• Das Abkommen wurde im Jahre 1983 unter der Ägide der UN Conference on Trade and Development verhandelt93 , trat 1985 in Kraft und wurde 1994 reformiert. Das ITIA strebt sowohl nach dem ursprünglichen 89 Der Text des Abkommens vom 18. November 1983 findet sich bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter Nr. 64 a. Das Vertragswerk vom 29. Januar 1994 ist abgedruckt in ILM 33 (1994), S. 1016 ff. 90 VanderZwaag/MacKinlay, S. 11. 91 Stand: September 2000. 92 Vgl. Intergovemmental Forum on Forests, Information on Forest-Related Work under Existing Instruments, 30 July 1998/Working Draft/BD.5, Ziffer 9, für das neuverhandelte ITTA von 1994. Das ITTA von 1983 soll nach Macher, S. 264, Wassermann, JWTL 18 (1984), S. 89, 90% aller Regenwaldbestände und 95 % des weltweiten Handels mit Tropenhölzern umfaßt haben. 93 König, S. 351; Hönerbach, S. 12; Hpay, S. I.

B. Beurteilung der einschlägigen V ertragswerke

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Vertragstext als auch nach der Neufassung eine Ausweitung und Diversifizierung des internationalen Tropenholzhandels an94• Es zielt damit auf eine stärkere ökonomische Nutzung tropischer Waldressourcen95 • Obwohl das ITTA als Rohstoffabkommen anzusehen ist96 , will es zur Berücksichtigung von Umweltschutzbelangen im Rahmen der Forstwirtschaft beitragen97 •

b) Waldrelevante Verhaltensvorgaben und ihre Formulierung

Bereits Art. 1 (h) des Vertrages von 1983 sah vor, holzproduzierende Tropenwaldländer zur Entwicklung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden, zum Schutz tropischer Wälder und deren genetischer Ressourcen sowie zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts innerhalb der Einschlagsgebiete zu ermutigen. Vergleicht man die Vertragsziele des alten Abkommens mit denen des neuverhandelten Vertragswerks, scheint die Bedeutung der Walderhaltung für die Vertragsabwicklung zugenommen zu haben98 • Sieben der 14 Vertragsziele weisen ausdrücklich auf das Erfordernis einer nachhaltigen Entwicklung bzw. Bewirtschaftung von Waldgebieten hin oder gehen von der Notwendigkeit eines verbesserten Waldschutzes aus 99 • Dennoch enthält auch der revidierte Vertragstext keine näheren Verpflichtungen zum umweltgerechten Umgang mit Art. I (d) der Vertragstexte. Die Neuregelung ist am I. Januar 1997 in Kraft getreten. VanderZwaag!MacKinlay, S. 12. 96 Enquete-Konunission, BT-Drucks. 11/7220, S. 347; König, S. 351; Hönerbach, S. 12. 97 Wassermann, JWTL 18 (1984), S. 89, wies bereits im Zusammenhang mit demersten ITTA-Abkommen auf die Einmaligkeit der Berücksichtigung von Umweltschutzbelangen in einem Rohstoffübereinkommen hin. Ebenso der 3. Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über ihre laufenden Aktionen zur Tropenwalderhaltung und zum Stand der Umsetzung der genannten Schutzmaßnahmen auf internationaler, EG-weiter und nationaler Ebene (im folgenden: 3. Tropenwaldbericht der Bundesregierung), BT-Drucks. 12/5403, s. 44. 98 König, S. 354. 99 Art. 1 (c): Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung; Art. 1 (d): Förderung der Umstellung der Exporte auf Hölzer aus nachhaltig bewirtschafteten Quellen bis zum Jahr 2000; Art. I (e): allgemeine Förderung des Ausbaus des Tropenholzhandels mit Hölzern aus nachhaltiger Bewirtschaftung; Art. I (t): Verbesserung der Forstbewirtschaftungsmethoden und Förderung der Erhaltung der Waldareale sowie der Berücksichtigung anderer Güter, die Wälder bereitstellen; Art. I (i): Vergrößerung der Verarbeitungsquote von Hölzern aus nachhaltiger Bewirtschaftung; Art. I (k): Verbesserung des Vertriebs und der Verbreitung von Holz aus nachhaltigen Quellen; Art. I (1): Ermutigung der Tropenwaldländer zum Ausbau von Politiken zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung, zum Schutz holzproduzierender Wälder sowie zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts. 94 95

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Wäldern 100• Nach Art. 32 Abs. 1 haben die Mitglieder lediglich die "größten Anstrengungen" zu unternehmen, um die Ziele des Vertrages zu verwirklichen. Eine Festlegung konkreter umweltschutzbezogener Pflichten wäre zwar mit Hilfe bindender Beschlüsse des International Tropical Timher Councils (ITTC) als Vertragsstaatenkonferenz und höchster Autorität der International Tropical Timher Organisation (ITT0) 101 möglich 102 . Die Stimmenverteilung im Rat läßt die Weiterentwicklung von Waldschutzvorgaben jedoch als unwahrscheinlich erscheinen. Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 ITTA hat die Vertragsstaatenkonferenz grundsätzlich im Konsens zu entscheiden. Regelungen für den Ausbau einer umweltgerechteren Forstwirtschaft können damit nur auf einem Niveau zustande kommen, das alle Vertragsstaaten für akzeptabel erachten. Selbst dann, wenn keine Einstimmigkeit zu erzielen ist und eine Mehrheitsentscheidung ausreicht103, spricht die Stimmenverteilung im Council gegen die Annahme entsprechender Anträge. Artikel 10 Abs. 2 sieht eine Stimmengewichtung vor, wobei die Stimmenzahl der Tropenwaldländer von ihrem Waldvorkommen und von ihrer Holzexportquote abhängt. Einfuhrländer erhalten neben einem Grundanteil von zehn Stimmen weitere Anteile in Abhängigkeit von ihrer Importquote. Dieses System begünstigt diejenigen Mitglieder, die auf Produzentenseite an einem starken Tropenholzhandel und auf Konsumentenseite an günstigen Holzpreisen interessiert sind 104• Unter diesen Voraussetzungen wird sich eine erforderliche Mehrheit für die Festlegung von Umweltschutzvorgaben, deren Umsetzung teilweise erhebliche Kosten verursacht, nur schwerlich finden lassen.

100 Die Festlegung bestimmter Walderhaltungsverpflichtungen scheiterte im Rahmen der Neuverhandlungen unter anderem an Meinungsverschiedenheiten zwischen Produzentenund Konsumentenstaaten über den zukünftigen räumlichen Geltungsbereich des Abkommens. Die Tropenwaldländer verlangten, die Vereinbarung auf Wälder der temperierten und borealen Zone auszudehnen, was von seiteneiniger Abnehmerstaaten abgelehnt wurde. Zu konkreten ökologischen Zugeständnissen waren die Länder des Südens jedenfalls solange nicht bereit, wie sich die entwickelten Staaten selbst nicht zu verstärkten Walderhaltungsbestrebungen verpflichteten. Erreicht werden konnte lediglich, daß die Industrieländer -ebenfalls rechtlich unverbindlich- zusicherten, ihre Exporte auf Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Quellen umzustellen (vgl. das Dokument ITTA, TDffimber.2/16 aufS. 10). Auf diese Erklärung wird in Absatz 8 der Präambel des ITTA von 1994 Bezug genommen. Zu den Verhandlungen näher: Hönerbach, S. 17. 101 Art. 7 Abs. I und Art. 6 Abs. I. 102 Art. 32 Abs. 2 sieht eine rechtliche Bindungswirkung der ITTC-Beschlüsse für die Vertragsstaaten vor. 103 Art. 12 Abs. I S. 2. 104 König, S. 352.

B. Beurteilung der einschlägigen V ertragswerke

95

Bis dato hat der Council lediglich rechtlich unverbindliche Vorgaben und Handlungsanweisungen zugunsten einer umweltgerechteren (Regen-)Waldbewirtschaftung beschlossen. Hervorzuheben ist dabei die Formulierung des sogenannten Target 2000 105 • Dieses stellte eine politische Selbstverpflichtung der Erzeugerländer dar, bis zum Jahr 2000 nur noch Hölzer aus nachhaltiger Forstwirtschaft zu exportieren. Bedenkt man, daß noch 1989laut einer von der ITTO in Auftrag gegebenen Studie weniger als 1 % tropischer Forstwirtschaft den Ansatz einer "gewissen" Nachhaltigkeil erfüllte 106, erschien das Target 2000 kaum als realisierbare Zielvorgabe 107 • Auch der Council hat dies auf seiner Sitzung im Oktober/November 2000 anerkannt und verlangt nunmehr nur noch, den Export "so schnell wie möglich" auf Hölzer aus nachhaltig bewirtschafteten Quellen umzustellen 108 • Um die Tropenwaldstaaten bei der Erreichung dieses Ziels zu unterstützen, wurden verschiedene Richtlinien erarbeitet, die Leitsätze für nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken beinhalten 109 • Von wesentlicher Bedeutung ist die Richtlinie für eine nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher tropischer Wälder. Sie geht von einem sektorenübergreifenden Ansatz aus 110 und empfiehlt Maßnahmen in unterschiedlichen Sachbereichen sowie auf verschiedenen Handlungsebenen: 105 Draft Report of the International Tropical Timber Council at lts 8th Session (Denpasar, Bali, Indonesia, 16-23 May 1990), ITTC (VIII)/0.1, S. 26. Auf diesen Beschluß weisen auch Art. I (d) des ITTA von 1994 und Ziffer 7 der Präambel dieses Vertragswerkes hin. 106 Poore, S. 21. 107 Nach einem Hintergrunddokument des Intergovernmental Forum on Forests, Information on Forest-Related Work under Existing Instruments, 30 July 1998/Working Draft/ DB. 5, Ziffer 9, ist der Prozentsatz der Wälder, die nachhaltig bewirtschaftet werden, bis 1994 lediglich um 0,5 % auf 1,5 % der Gesamtwaldfläche angestiegen. 108 International Tropical Timher Council at Its 29th Session, 30 October-4 November 2000, Yokohama/Japan, Dec. 2 (XXIX), Ziffer I; zu erhalten über das Internet: http:// www.itto.or.jp.documents. IO'J ITTO Guidelines for the Sustainable Management of Natural Tropical Forests (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. I, unter 0 1-12-1990); ITTO Guidelines on the Conservation of Biological Diversity in Tropical Production Forests (der Entwurf dieser Richtlinie findet sich in der BT-Drucks. 12/5403, S. 94 ff. Er wurde mit Dec. 4 (XIII) auf der 13. Sitzung des Councils angenommen und versteht sich als Zusatz zur erstgenannten Richtlinie); Guidelines for the Establishment and Sustainable Management of Planted Tropical Forests (ITTO Policy and Development Series No. 4, Yokohama/Japan 1993). Ferner: Criteria and lndicators for Sustainable Management ofTropical Forests (ITTO Policy Development Series No. 7, Yokohama/Japan 1998). 110 Prinzip 2.

96

2. Teil, l. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

allgemeine Politik und Gesetzgebung (Prinzip 1-10)111 ; konkrete Waldbewirtschaftung (Prinzip 11-33) 112 ; Berücksichtigung sozio-ökonornischer (Prinzip 34-35) und finanzieller Aspekte (Prinzip 36-37) einer nachhaltigen Forstbewirtschaftung113 . Diese Richtlinie ist in der umweltpolitischen Diskussion sowohl wegen ihrer detaillierten Vorgaben gewürdigt114 als auch wegen zu allgemeingehaltener, nicht anwendungsfähiger Leitsätze kritisiert worden 115 • Beanstandet wurde ferner, daß sie ökologische und soziale Gesichtspunkte der Forstwirtschaft nicht hinreichend berücksichtige 116 • Die ITIO hat auf diese Kritikpunkte teilweise reagiert. Zusätzlich zu den ursprünglichen Vorschlägen zur Konkretisierung der Richtlinie 117 hat die Organisation Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Waldwirtschaft entwickelt. Diese beinhalten zwar keine Handlungsvorgaben, sondern verstehen sich lediglich als Überprüfungsmaßstäbe für den Grad der nachhaltigen W aldbewirtschaftung118. Aus ihnen lassen sichjedoch Rückschlüsse auf bestehende Defizite im Forstsektor ableiten. Die zwischenzeitlich verabschiedete Guideline on the 111 Anerkennung der nachhaltigen Forstwirtschaft als wesentlicher Politikbereich (Prinzip I), sektorenübergreifende Vorgehensweise (Prinzip 2); Durchführung von Waldbestandserhebungen (Prinzipien 4 und 5); Erhaltung einer dauerhaften Walddecke (Prinzipien 6 und 7); Einrichtung einer nationalen Forstbehörde (Prinzip 10). 112 Aufstellung von Waldbewirtschaftungsplänen mit Einschlagsquoten und Fällungszirkeln (Prinzipien ll-20); Verhinderung von Schäden durch unsachgemäßen Holzeinschlag (Prinzipien 21-25); Schutz des Waldes vor dem Eindringen von Brandrodungsfeldbauern und Schäden durch Feuer (Prinzipien 26 und 27); Anreize für Private zur Einführung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden und Unterstützung ihrer Bestrebungen (Prinzipien 29-31 ); "Monitoring" und Forschung (Prinzip 33). 113 Berücksichtigung der Rechte der Ureinwohner, Beteiligung örtlicher Gemeinschaften (Prinzipien 35 und 36); angemessene Preisbildung, Gebühren- und Steuerfestsetzung in einer Weise, die Anreize für nachhaltige Waldbewirtschaftung geben, Einbeziehung der Bewirtschaftungskosten in die Preisbildung, Einrichtung eines Walderhaltungsfonds aus einem Teil der erzielten Profite (Prinzipien 37-41). 114 Tarasofsky, ZaöRV 56 (1996), S. 672, Fn. 9. 115 Vgl. Hönerbach, S. 16. 116 Evans, http://www.forestry.ubc.ca/concert/evans.html#TP, im Abschnitt ITTO. 117 Diese waren von seilen des Arbeitskreises vorgeschlagen worden, der die Richtlinien entwickelt hatte. Besagte Vorschlage finden sich abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 1, unterOI-ll-1990. 118 Criteria and Indicators for the Sustainable Management of Tropical Forests (ITTO Policy and Development Series No. 7, Yokohama, Japan 1998). Unter dem Begriff des Kriteriums wird dabei ein Prüfungspunkt verstanden, der Rückschlüsse auf das Ausmaß der nachhaltigen Forstwirtschaft zuläßt. Indikatoren stellen demgegenüber Einzelmerkmale dar, deren ständige Beobachtung Rückschlüsse auf eingetretene Veränderungen zulassen.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

97

Conservation on Biological Diversity in Tropical Production Forests soll ferner eine angemessene Berücksichtigung von Artenschutzaspekten im Rahmen der Forstwirtschaft gewährleisten 119 . Keine der aufgeführten Richtlinien äußert sich indes zum Problem der wissenschaftlichen Unsicherheiten über die Auswirkungen des Holzeinschlages in Tropenwäldern.

c) Kontrollmechanismen und ihre mögliche Weiterentwicklung Die ITTO-Guidelines verstehen sich als Rahmenvorgaben, die durch nationale Prinzipien zu konkretisieren sind 120• Dies eröffnet zwar die Möglichkeit ihrer Anpassung an die Situation in den Vertragsstaaten. Mit dieser Gestaltungsfreiheit geht jedoch auch eine gesteigerte Gefahr von Vollzugsdefiziten einher. Mechanismen, die eine Kontrolle der Erstellung nationaler Vorgaben und ihrer Umsetzung ermöglichen, enthält das ITTA nicht 121 • Weder ist nach dem Vertragstext ein "Reporting"-Verfahren über durchgeführte Maßnahmen zur Verbesserung nachhaltiger Forstwirtschaft vorgesehen, noch existieren vertragliche Vorgaben für den Aufbau eines "Monitoring"-Mechanismus. Mit Einführung des Target 2000 hat der Council die Staaten "eingeladen", dem Gremium über Fortschritte bei der Einführung nachhaltiger Waldbewirtschaftungspraktiken zu berichten 122 • Trotz wiederholter Aufforderung sind die Tropenwaldländer diesem Aufruf bisher nur in äußerst geringem Maße gefolgt 123•

119 Diese Richtlinie versteht sich als Ergänzung zu den Leitvorgaben für eine nachhaltige Waldwirtschaft. Sie enthält unter anderem folgende Prinzipien: Anerkennung der Erhaltung der biologischen Vielfalt als einen wesentlichen Politikbereich (Prinzip 1); Anerkennung aller Werte des Ökosystems Wald (Prinzip 2); Durchführung einer Bestandsaufnahme über die Biodiversität (Prinzip 3); Erhaltung einer dauerhaften Walddecke (Prinzip 5); Einrichtung von Verbindungskorridoren zwischen ungenutzten Wäldern bzw. Primärwaldbereichen in Einschlagsgebieten (Prinzipien 6, 9 und 10); besondere Schutzmaßnahmen in Gebieten mit hoher Artenvielfalt (Prinzipien 7 und ll ); langfristige Fällungszyklen und besondere Vorsichtsmaßnahmen beim Holzeinschlag (Prinzipien 8 und 12). 120 Vgl. die Einleitung zu den Guidelines (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 1, unter 0 l-ll-1990); ferner Evans, http://www.forestry.ubc.ca/concert/evans.html#TP, im Abschnitt IITO; Colchester/Lohmann, S. 16. 121 König, S. 354. 122 Draft Report of the International Tropical Timber Council at Its lOth Session (29 May-6 June 1991, Quito/Ecuador), Dec. 20 (X), S. 68 f. 123 VanderZwaag/MacKinlay, S. 13. Das Ersuchen um die Berichte wurde mit der Decision 5 (XIII) der 13. Vertragsstaatenkonferenz vom 16.-21. November 1992 in Yokohama/ Japan, bekräftigt.

7 Krohn

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Einmalig ist auch eine Kontrolle forstwirtschaftlicher Praktiken durch eine Aufklärungsmission vonseitender ITIO geblieben, die zur Untersuchung des angeblich unkontrollierten Holzeinschlages in Sarawak/Malaysia durchgeführt wurde. Brasilien hat die Mission als .,Sui-generis"-Initiative außerhalb der Kompetenzen der ITIO bewertet 124• Auch wenn im Vertragstext keine Informations- oder Kontrollmechanismen vorgesehen sind, ließe sich erwägen, ob sie nicht mit Hilfe der sogenannten .,Implied-powers"-Lehre begründet werden könnten. Nach der Spruchpraxis des IGH lassen sich mit ihr diejenigen ungeschriebenen Kompetenzen einer internationalen Organisation rechtfertigen, die zwar nicht explizit im Statut der Organisation geregelt sind, aber zur Erreichung ihres Mandats notwendig erscheinen 125 • Der ITIO kommt nach Art. 3 Abs. I des ITIA die Aufgabe zu, auf eine wirksame Vertragsabwicklung hinzuwirken. Der Vertrag zielt unter anderem auf den Ausbau der nachhaltigen Forstwirtschaft und die Erhaltung der Wälder ab. Es ließe sich daher argumentieren, daß die Verwirklichung dieser Zielvorgaben von der ITIO nur gefördert werden kann, wenn die Organisation über hinreichende Informationen über den Stand der Entwicklung nachhaltiger Bewirtschaftungspraktiken verfügt. Da auf freiwilliger Basis keine ausreichenden Daten übermittelt wurden, erscheint die Einführung verbindlicher Überwachungsmechanismen notwendig. Dies würde allerdings einen entsprechenden Beschluß des Councils als höchste Autorität der Organisation voraussetzen. Bedenkt man die Stimmenverteilung in diesem Gremium, erscheint die Ausweitung von Kontrollkompetenzen zugunsten der Organisation unwahrscheinlich. Auch Einflüsse von außen, die den politischem Druck auf die Organisation bzw. die Staaten zugunsten einer besseren Kontrolle oder auch Weiterentwicklung von Umweltstandards verstärken könnten, sind nur eingeschränkt vorhanden 126 • Zwar sieht der Vertragstext vor, daß der Council einen jährlichen Bericht über seine Tätigkeit zu veröffentlichen hat. Dieser soll unter anderem Auskunft über den Ausbau nachhaltiger Nutzungsmethoden geben 127 • Solange die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet sind, entsprechende Informationen vorzulegen, läßt sich die 124 Draft Report of the International Tropical Timber Council at lts Eleventh Session (28 November-4 December 1991 , Yokohama/Japan), Dec. 25 (XI), S. 16 ff. 125 IGH. Reparation for lnjuries Suffered in the Service ofthe United Nations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1949, S. 174 (182); IGH, Effect of Awards ofCompensation Made by the United Nations· Administrative Tribunal, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1954, S. 47 (56 ff.). 126 Nach Art. 15 des ITTA kann NGOs ein Beobachterstatus im Council eingeräumt werden. 127 Art. 30 Abs. 3 (c ).

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

99

Erfüllung dieser Berichtspflicht jedoch kaum gewährleisten. Berichte der letzten Jahre erhalten dementsprechend kaum nähere Aussagen zu den Fortschritten beim Ausbau einer nachhaltigen Forstwirtschaft.

d) Anreizmechanismus

Einen Anreiz für den Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden kann die Finanzierung entsprechender Projekte durch den sogenannten Bali Partnership Fund der ITIO bilden 128• Da sich die Festlegung konkreter Zahlungspflichten von seitender Konsumentenstaaten nicht als konsensfähig erwies 129, hängt sein Finanzvolurnen in erster Linie von freiwilligen Beiträgen der Mitgliedsstaaten ab 130• Bis zum Jahr 1999 wurden etwa 12 Mio. US-Dollar in den Fonds eingezahlt, wovon allein Japan 11,5 Mio. zur Verfügung gestellt hat 131 • Der Bali Partnership Fund hat damit noch keine weitgehende Akzeptanz unter den Mitgliedsstaaten gefunden. Problematisch ist insbesondere die Gewährleistung einer angemessenen Verteilung der FondsmitteL Nach dem ITIA sollen bei der Ressourcenverteilung die besonderen Bedürfnisse derjenigen Vertragsstaaten berücksichtigt werden, deren Wirtschaft durch eine Umstellung auf nachhaltige Nutzungsmethoden negativ beeinträchtigt wird 132 • Gleiches gilt für Mitgliedsstaaten mit bedeutenden Waldressourcen, die besondere Schutzprogramme durchführen 133 • Der Kreis der vorrangig förderungswürdigen Staaten (Länder mit hohem Anteil an Forstwirtschaft und großen Waldressourcen) entspricht demjenigen, der auf Produzentenseite über einen hohen politischen Einfluß im Council verfügt. Gerade dieses Gremium entscheidet jedoch über die Vergabe der Projektrnittel 134• Vorteilhaft erscheint, daß im Zusammenhang mit der Projektförderung ausdrücklich Kontroll- und Bewertungsverfahren vorgesehen sind 135 • Soweit ersichtlich, beschränkt sich die Projektkontrolle in der Praxis bis dato allerdings weit128 Art. 21 Abs. I und 4. Der Fonds stellt eine Ausgestaltung des Art. I (g) dar, wonach neue und zusätzliche Finanzressourcen zur verbesserten Unterstützung der Zielvorgaben bereitgestellt werden sollen. 129 Schally, YIEL 4 (1993), S. 49. 130 Nach Art. 21 Abs. 2 sollen ferner 50% des erwirtschafteten Einkommens aus den Sonderhaushalten der ITIO in den Fonds einfließen. 131 FAO, The State ofthe World's Forests 1999, S. 86. 132 Art. 21 Abs. 4 (a). 133 Art. 21 Abs. 4 (b). 134 Art. 21 Abs. 3 i. V. m. Art. 25. 135 Art. 21 Abs. 3 i. V. m. Art. 25 Abs. 3 S. I.

7•

100

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

gehend auf einen Bericht des ITIO-Sekretariats an den Council, der anhand von Auskünften der betreffenden Staatsregierung erstellt wird 136• Eigenständige Informationsrechte gegenüber den Staaten besitzt das Sekretariat137 nicht. Die ITIO soll nunmehr auch verstärkte technische Hilfe für den Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungspraktiken bereitstellen. So hat der Council auf seiner Sitzung im Oktober/November 2000 beschlossen, daß auf Ersuchen eines Staates ein Expertengremium Vorschläge für eine Verbesserung nationaler Walderhaltungspolitiken erarbeiten soll 138 . Ob ein Land diese Hilfe in Anspruch nimmt und abgegebene Empfehlungen berücksichtigt, bleibt ihm überlassen. e) Zusammenfassung

Insgesamt läßt sich festhalten, daß die inhaltlichen Vorgaben des m A und seine institutionellen Regelungen Bemühungen um den Ausbau einer umweltgerechteren Bewirtschaftung von tropischen (Regen-)Wäldern und eine Kontrolle staatlicher Maßnahmen nur sehr begrenzt sicherstellen können. Eine Änderung der Schwerpunkte des mA wäre zwar als Folge der Überprüfung der Wirksamkeit des Vertrages denkbar, die vier Jahre nach dem lokrafttreten des Abkommens erfolgen soll 139• Entsprechende Bestrebungen sind bislang indes nicht erkennbar. 2. Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich

Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen 140 wird weitgehend als ein vergleichsweise erfolgreiches internationales Naturschutzabkommen angesehen 141 • Friends of the Earth/World Rainforest Movement, S. 19. Art. 16. Das Sekretariat verfügt mit einem Verwaltungsdirektor und 30 Mitarbeitern nur über eine geringe personelle Ausstattung (Information entnommen dem Internet: http:// www.itto.or.jp). 138 International Tropical Timber Council at lts 29th Session, 30 October-4 November 2000, Yokohama/Japan, Dec. 2 (XXIX), Ziffer 5 und 6 sowie der Annex der Entscheidung. Mit Dec. 12 (XXIX) wurde Indonesien eine derartige Unterstützung zugesagt. 139 Art. 35. 140 Der Text des Abkommens vom 3. März 1973 findet sich in ILM 12 (1973), S. 1085 ff. Eine detaillierte Analyse des Vertragswerkes wird von Bendomir-Kahlo, CITES - Washingtoner Artenschutzübereinkommen, und Lyster, International Wildlife Law, S. 240 ff., vorgenommen. 141 Lyster, S. 240; Sand, CITES, S. 179; v. Hoogstraten, S. 167; kritischer Bimie, S. 264. 136 137

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

101

Der Vertrag weist eine hohe Anzahl von Mitgliedsstaaten auf142, darunter auch die ganz überwiegende Zahl der Regenwaldländer143 • Zielvorgabe des CITES ist es, eine übermäßige Ausbeutung von Tier- und Pflanzenarten durch den internationalen Handel zu verhindern 144 • Auf andere als handelsspezifische Gefährdungen wie insbesondere die bedeutendste Ursache des weltweiten Artenverlusts, die Zerstörung natürlicher Lebensräume 145, nimmt das Artenschutzabkommen keinen Bezug 146 • Zu einem verbesserten Regenwaldschutz kann CITES daher nur dort beitragen, wo die Zerstörung von Waldflächen wesentlich auf die Entnahme gefährdeter Tier- oder Pflanzenarten zum Zwecke des internationalen Handels zurückgeht. Da viele Regenwaldarten in ihrer Populationsgröße und ihrem geographischen Verbreitungsgebiet begrenzt sind und sich daher weniger zum Handel eignen, geht vom Vertrag nur eingeschränkt eine unmittelbare Schutzwirkung für die Wälder aus. Etwas anderes gilt allerdings, soweit ein Einschlag tropischer Hölzer aus Gründen des internationalen Handels erfolgt.

b) Waldrelevante Vorgaben und ihre Formulierung CITES verlangt von den Vertragsstaaten, den Handel mit den in den Annexen des Abkommens geHsteten Spezies in Übereinstimmung mit den Genehmigungsvoraussetzungen des Vertrages abzuwickeln 1 ~7 • Die Genehmigungserfordernisse 154 Vertragsstaaten im Juni 200 I. Mit Ausnahme von Bhutan, der Demokratischen Republik Kongo, Laos, Guadeloupe, Martinique sowie Puerto Rico sind alle Staaten, die nach dem Forest Resources Assessment der FAO und des UNEP über Regenwaldgebiete verfügen, Vertragspartner. 144 Der Vertrag geht damit von dem Grundgedanken aus, daß die wirtschaftliche Nutzung der Arten durch einen Handel mit ihren Exemplaren negative Folgen für die Erhaltung der Spezies hat und daher Einschränkungen unterliegen muß. Eine solche Annahme wird in dieser Allgemeingültigkeit zum Teil abgelehnt. So wird vorgebracht, daß mit dem Handel einer Spezies eine lnwertsetzung der Art verbunden sei, die einen Anreiz für stärkere Schutzmaßnahmen liefern könne. Dies gelte auch für gefahrdete Arten. Ihre Seltenheit könne Ausdruck in einem hohen Marktwert finden. Durch einen begrenzten Handel mit derartigen Spezies könnten Einnahmequellen für die Erhaltung ihrer Habitate geschaffen werden. Dieser Standpunkt wird unter Verweis auf das Recht auf nachhaltige Entwicklung insbesondere von den Drittweltstaaten vertreten. Vgl. zu dieser Diskussion näher Bimie, S. 241 f.; Sas-Rolfes, S. 10. 145 Sas-Rolfes, S. 1; Bendomir-Kahlo, S. 12; Favre, S. 30. 146 Favre, S. 20, hebt hervor, daß die Listung mittelbar Einfluß auf die innerstaatliche Umweltschutzpolitik haben könne. Möglicherweise ziehe sie eine verstärkte Diskussion um die Schutzbedürftigkeit einer Art und weitere Erhaltungsbemühungen nach sich. 147 Art. VIII. 142 143

102

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

der Vereinbarung bestimmen sich wesentlich nach dem Ausmaß der Bedrohung der betreffenden Art und dem Umfang ihres Handelsvolumens. In Annex I sind diejenigen Spezies aufgelistet, die vom Aussterben bedroht sind und in ihrem Bestand durch den internationalen Handel beeinträchtigt werden oder werden können148. Handel mit ihnen ist nach Art. II Abs. 3 nur gestattet, wenn bestimmte Aus- und Einfuhrgenehmigungen vorliegen 149 . Da deren Erteilung an sehr hohe Voraussetzungen anknüpft, führt die Listung einer Art auf Annex I de facto zu einem Handelsverbot 150. Spezies in Anhang II bleiben demgegenüber grundsätzlich handelbar. Sie können zukünftig vom Aussterben bedroht sein, wenn ihr Handel keinen strengeren Regelungen unterworfen wird151 • Hier bedarf es lediglich einer Ausfuhrerlaubnis 152 , deren Erteilung an weniger hohe Anforderungen geknüpft ist als bei einem Export von Arten auf Annex I 153 • Insgesamt sind die Vertragsverpflichtungen des CITES mit diesen Regelungen verhältnismäßig konkret ausgestaltet. Derzeit befinden sich verschiedene tropische Baumarten auf den Annexen des Vertrages 154 . Versuche zur stärkeren Anwendung des Artenschutzabkommens auf 148

Art. II Abs.l.

Nach Art. IIII darf eine Ausfuhrgenehmigung nur erteilt werden, wenn eine wissenschaftliche Behörde des Ausfuhrstaates bescheinigt hat, daß der Export des Exemplars dem Überleben der Art nicht abträglich ist. Darüber hinaus muß eine Vollzugsbehörde die legale Beschaffung des Exemplars sowie seinen weitestgehend artgerechten Transport bescheinigen. Die Erteilung einer Einfuhrgenehmigung setzt erster Linie voraus, daß der Import nicht überwiegend kommerziellen Zwecken dient. Er darf den Bestand des Spezies nicht gefährden und ist vom Nachweis einer artgerechten Haltung des Exemplars im Einfuhrstaat abhängig. 150 Bimie, S. 235; König, S. 346; Tarasofsky, ZaöRV 56 (1996), S. 677; Matthews, ICLQ 45 (1996), S. 421. 151 Art. II Abs. 2. 152 Art. IV Abs. 2. 149

153 Zwar spricht der Vertragstext insoweit von den gleichen Genehmigungserfordernissen, wie sie bei einer Exporterlaubnis von Arten auf Annex I gelten. Die geringere Schutzbedürftigkeit der Spezies auf Annex II rechtfertigtjedoch eine unterschiedliche Auslegung der Vertragsbestimmungen; vgl. Bendomir-Kahlo, S. 41. Ein dem Anhang II entsprechender Schutzstandard läßt sich über eine Listung von Arten auf Annex 111 erreichen. Dort aufgeführte Spezies sind bereits innerstaatlich geschützt. Nationale Erhaltungsbestrebungen sollen aber flankierend durch internationale Handelsbeschränkungen unterstützt werden (Art. II Abs. 3). Dazu näher: Bendomir-Kahlo, S. 34.

So z. B. brasilianisches Rosenholz (Annex I); afrikanisches Mahagoni, afrikanisches Teak, Pockholz (alle im Annex II aufgeführt). Insgesamt sind in den Anhängen über 3.000 Tier- und etwa 40.000 Pflanzenarten gelistet, wobei es sich größtenteils um Spezies handelt, die in den Ländern der dritten Welt beheimatet sind. Gerade dort stellt der internationale Handel mit Tier- und Pflanzenarten einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar und 154

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

103

gehandelte und gefährdete Regenwaldspezies sind in der bisherigen Vertragsumsetzungspraxis auf rechtliche und tatsächliche Vorbehalte gestoßen. So wurde auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz in Fort Lauderdale im Jahre 1994 von Malaysia, Brasilien, Kamerun und Kongo, Staaten mit einer hohen Handelsquote für tropische Hölzer, geltend gemacht, CITES sei auf Tropenholzarten nicht anwendbar155 • Diese unterlägen allein dem ITTA als einem spezielleren internationalen Nutzungsregime. Nach näherer Untersuchung des Verhältnisses zwischen CITES und ITTA wurde auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz in Harare im Jahre 1997 eine Empfehlung angenommen, die von der Parallelität beider Vertragsregime ausgeht156. Die Vertragsstaatenkonferenz forderte die Mitgliedsstaaten auf, sowohl dem biologischen Zustand als auch der forstwirtschaftliehen Bedeutung international gehandelter Hölzer eine besondere Beachtung beizumessen 157 • Sollte ein Vertragsstaat einen Antrag auf Aufnahme einer Tropenholzart in einen der Annexe des Abkommens für erforderlich halten, wird ihm empfohlen, vorher mindestens vier der aufgeführten Organisationen zu konsultieren 158 • Diese Konsultationen sollen dem Erhalt oder der Überprüfung ökologischer und handelsbezogener Daten dienen. Alle entscheidungserheblichen Informationen sind dem Sekretariat des CITES mitzuteilen und von diesem an die Vertragspartner weiterzuleiten. Das Sekretariat selbst wird aufgefordert, hinsichtlich der beantragten Annexänderungen ITTO, FAO und die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) als internationale Nichtregierungsorganisation zu konsultieren. In den Entscheidungsprozeß über die Listung einer Art fließen auf diese Weise Beurteilungen von seiten verschiedener nichtstaatlicher Akteure ein. Damit geht zwar ein erhöhter Sach- und Zeitaufwand einher. Eine Einbeziehung der unterschiedlichen Akteure kannjedoch zu einer höheren Legitimität eines Listungsvorschlags beitrawird als einträgliche Devisenquelle genutzt. Hauptabnehmer der Exemplare sind die Staaten des reichen Nordens. So Bendomir-Kahlo, S. 7, 14; Sand, CITES, S. 165. Iss Sand, CITES, S. 171. 1s6 Rec. 10.13, 10th Meeting of the Conference of Parties, 9-20 June 1997, Harare/ Zimbabwe (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 09-06-97/1). Empfehlungen der Vertragsstaatenkonferenz haben keinen bindenden Gehalt. Lyster, S. 11, und BendomirKahlo, S. 146 f., weisen allerdings darauf hin, daß den Empfehlungen aufgrundder Autorität der Vertragsstaatenkonferenz eine hohe praktische Bedeutung zukommt. 157 Rec. 10.13, Buchstabe (j). 158 Aufgeführt sind: African Timher Organisation, Asian-Pacific Timher Organisation, Center for International Forestry Research, FAO, International Boreal Research Association, International Wood Products Association, ITTO, International Union for Forestry Research Organisation, International Union for the Conservation of Nature, Pro-Tempore Sekretariat des Amazonasvertrages, Trade Records Analysis of Flora and Fauna in Commerce, Union pour Je Commerce des Bois Dursdans l'UE, WCMC, WWF.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

gen. Eine solche erschien erforderlich, da es auf den bisherigen Vertragsstaatenkonferenzen teilweise zu erheblichen Auseinandersetzungen um die Listung stark gehandelter Tropenholzarten gekommen war 159• Der 3. Tropenwaldbericht der Bundesregierung hob in diesem Zusammenhang hervor, daß einseitige Anträge eines Staates bzw. einer Staatengruppe zur Listung einer Regenwaldart nach den bisherigen Erfahrungen von den Tropenwaldländern unter Betonung ihrer Souveränität über natürliche Ressourcen abgelehnt werden und ohne vorherige Kooperation kaum konsensfähig sind 160• Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil CITES keine Anreize für die Listung bestimmter Arten bereithält. Die Einbeziehung verschiedener Akteure, die unter anderem auch die Interessen der Regenwaldstaaten wahren (ITTO, FAO), kann zu einer stärkeren Akzeptanz der Anträge beitragen. Neben der Frage der politischen Durchsetzbarkeit ist eine Aufnahme von Regenwaldspezies in die Annexe des CITES mit nicht unerheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden. Voraussetzung für eine Listung ist der Nachweis, daß eine Art gegenwärtig oder auch zukünftig vom Aussterben bedroht ist und ihr Bestand durch den internationalen Handel beeinträchtigt wird. Während sich über das Exportvolumen tropischer Spezies hinreichend sichere Angaben machen lassen, ist eine Beurteilung ihrer Populationsgrößen aufgrundder Unsicherheiten über die artenmäßige Zusammensetzung der Regenwälder nur eingeschränkt möglich. Allerdings wurde 1994 ein neues Klassifizierungssystem für die Listung von Spezies beschlossen 161 • Dieses beruht auf dem Vorsorgeprinzip 162 und sieht dementsprechend vor, daß wissenschaftliche Unsicherheiten über den ökologischen Status einer Art nicht mehr zulasten ihrer Listung gehen sollen 163 • Dieses 159 Die Anträge betrafen unter anderem die tropischen Hölzer Ramin, Merbau und afrikanisches Mahagoni. Zu den dabei aufgetretenen Konflikten vgl. König, S. 346. 160 3. Tropenwaldbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/5403, S. 25. 161 Rec. 9.24, 9th Meeting of the Conference of Parties, 7-18 November 1994, Fort Lauderdale/USA (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 1, unter 18-11-9411). Bis dahin galten die sogenannten Berner Kriterien, die durch Beschluß 1.1. der ersten Vertragsstaatenkonferenz in Bern zwischen dem 2.-6. November 1974 festgelegt wurden. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt findet sich bei Favre, S. 34 ff. Laut BendomirKahlo, S. 55, haben diese Kriterien in der Praxis dazu geführt, daß Artentrotz ihres wahrscheinlich wesentlichen höheren Schutzbedürfnisses nur auf Annex II gelistet werden konnten. Für eine Aufnahme in Annex I fehlte es an den erforderlichen Nachweisen. 162 Zum Vorsorgeprinzip näher vgl. 2. Kapitel, A. II. 1. 163 Rec. 9.24, Annex A: .,When considering Proposals to amend the appendices, the Parties shall, in the case of uncertainty, either as regards the status of species, or as regards the impact on trade on the conservation of a species, act in the best interests of the conservation of species".

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

105

neue System kann die Schwierigkeiten bei der Beweisführung im Zusammenhang mit einer Aufnahme von Regenwaldarten in die Annexe erheblich verringern.

c) Kontrollmechanismen und Vorgaben zur Reaktion auf Umsetzungsdefizite Zur Kontrolle der Vertragserfüllung sieht CITES ein "Monitoring"- und "Reporting"-Verfahren vor164• Die Staaten sind verpflichtet, sowohl Mitteilungen über den Handel mit geschützten Arten als auch über die durchgeführten Maßnahmen zur Umsetzung des Abkommens beim Sekretariat einzureichen 165 • Dieses hat die Berichte zu prüfen166 und das Ergebnis der Vertragsstaatenkonferenz zuzuleiten167 • Die Konferenz kann gegebenenfalls Empfehlungen für eine Erhöhung der Wirksamkeit des Übereinkommens aussprechen 168• Darüber hinaus räumt der Vertrag dem Sekretariat innerhalb und außerhalb des Berichtsverfahrens bestimmte Rückund Nachfragerechte gegenüber den Vertragsstaaten ein 169• Mit Einverständnis des betroffenen Staates sind sogar Untersuchungen im Land denkbar 170• Die Pflicht zur Veröffentlichung der Berichte 171 und die Einräumung eines Beobachterstatus für NGOs während der Sitzungen der Vertragsstaatenkonferenz 172 steigert überdies die Kontrolle der Vertragsumsetzung durch externe Akteure. Das Kontrollverfahren des CITES wird dadurch beeinträchtigt, daß nur etwa 24 % der Staaten der Berichtspflicht nachkommen 173 • Da dem Sekretariat nach Art. XII Abs. 1 S. 2 die Befugnis zur Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren zusteht, läßt sich dieses Informationsdefizit in der Praxis durch Kooperation 164 Eine weitere Kontrolle wird dadurch erreicht, daß für den internationalen Handel mit Arten auf Annex I sowohl eine Aus- als auch Einfuhrgenehmigung verlangt wird. Auch wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der beiden Erlaubnisse nicht identisch sind, wird das Genehmigungsverfahren dennoch auf zwei Staaten verteilt. Zumindest ein offenkundig vertragswidriges Verhalten einer Partei dürfte daher entdeckt werden. Bei Einfuhr einer Art, die in Annex II gelistet ist, muß die sie betreffende Exportgenehmigung vorgelegt werden. Nach Bendomir-Kahlo, S. 89, erfolgt damit zumindest eine "formelle Gegenkontrolle". 165 Art. VIII Abs. 7. 166 Art. XII Abs. 2 (d). 167 Art. XI Abs. 3 (d). 168 Art. XI Abs. 3 (e). 169 Art. XXI Abs. 2 (d) und Art. XI. 170 Art. XIII Abs. 2 S. 2. 171 Art. VIII Abs. 7. 172 Art. XI Abs. 6 und 7. 173 Sabak, IEA 9 (1997), S. !54.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

mit NGOs begrenzen. Diese versorgen das Organ mit Daten über den Handel mit geschützten Arten 174. Sehr weit geht eine Zusanunenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren im Zusanunenhang mit Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Elfenbeinhandels. Dabei wurde ein von NGO-Seite entwickeltes Informationssystem quasi in die Kontrollmechanismen des Vertrages einbezogen. Es dient dem Zweck, Daten über den Umfang von Beschlagnahmen illegal gehandelten Elfenbeins zu sanuneln 175 • Die Mitgliedsstaaten des CITES wurden aufgefordert, der NGO, das dieses System verwaltet, einschlägige Informationen zukonunen zu lassen 176• Von der NGO selbst wird die Erstellung eines jährlichen Berichts aufgrundeiner Datenanalyse erwartee 77 . Da sich der Gegenstand der Informationssammlung auf staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung des rechtswidrigen Handels mit Elfenbein bezieht, werden nichtstaatliche Akteure auf diesem Wege in das "Reporting"-Verfahren des CITES eingebunden. Abgesehen von der Möglichkeit zur Abgabe von Empfehlungen durch das Sekretariat und die Vertragsstaatenkonferenz hält das Washingtoner Artenschutzabkorrunen keine weiteren Mittel zur Bekämpfung bekannt gewordener Vertragsverletzungen bereit. Obwohl Defizite in der Vertragsumsetzung nach bisherigen Erkenntnissen zu einem großen Teil auf fehlende Ressourcen zurückzuführen sind 178 , enthält CITES kein institutionalisiertes Erfüllungshilfeverfahren 179• Eine Unterstützung zur Vertragserfüllung wird lediglich von außen bereitgestellt. Neben Entwicklungshilfegeldern 180 ist dabei insbesondere der CITES Fund des 174 Bimie, S. 239; Sachariew, YIEL 3 (1992), S. 39. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Wildlife Trade Monitoring Group, ein Gremium der IUCN, das in Zusammenarbeit mit dem WWF nationale Büros in den verschiedenen Staaten unterhält. 175 Rec. 10.10, Annex I, Ziffer 1, 10th Meeting ofthe Conference ofParties, 9-20 June 1997, Harare/Zimbabwe, zur Einrichtung des Elefant Trade Information System (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 09-06-97/1). Gestützt wird dieses auf das Datensystem der NGO TRAFFIC. 176 Annex I, Ziffer 4. 177 Annex I, Ziffer 6. Die Datenanalyse soll nach Annex I, Ziffer 5, allerdings in Kooperation mit dem Sekretariat erfolgen. 178 Eine Studie der IUCN aus dem Jahre 1993 kam zu dem Ergebnis, daß von 81 untersuchten Staaten lediglich 12 über die gesetzlichen Vorgaben und verwaltungstechnischen Mittel verfügen, um den Verpflichtungen des Vertrages nachkommen zu können; vgl. Sand, CITES, S. 175. 179 Ansätze finden sich insoweit in der Res. 8.4, 8th Meeting of the Conference of Parties, 2-13 March 1992, Kyoto/Japan (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. I, unter 13-03-92/1 ). Danach soll das Sekretariat für technische Hilfe zur verbesserten Umsetzung des Abkommens Finanzierungsquellen erschließen. 180 Lyster, S . 12.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

107

UNEP 181 , aber auch die Hilfestellung von seiten internationaler NGOs 182 zu nennen. Für den Fall, daß es am Willen zur wirksamen Vertragsumsetzung fehlt, sind im Artenschutzabkommen keine Reaktionsmechanismen vorgesehen 183• Die Vertragsstaatenkonferenz hat allerdings für sich das Recht in Anspruch genommen, den Mitgliedsstaaten bei Vertragsverstößen zu empfehlen, zeitweise von ihren Befugnissen nach Art. XIV Abs. 1 a) Gebrauch zu machen 184• Danach kann der Handel mit geschützten Arten durch innerstaatliche Maßnahmen ganz verboten werden. De facto führt dies zu einer wirtschaftlichen Sanktion gegen den rechtsbrüchigen Staat. Ob sich ein Staat an ihr beteiligt, bleibt ihm überlassen. Insgesamt enthält CITES somit kein institutionalisiertes "compliance response system".

d) Möglichkeit der Weiterentwicklung des Vertragswerks

Die Regelungstechnik des Abkommens, allgemeine Vorgaben im Vertragswerk selbst festzulegen und durch Annexe auf bestimmte Arten zu konkretisieren, ermöglicht eine relativ flexible Anpassung des Vertragsregimes an neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder ökologische Veränderungen. Solange ein Staat zur Annexänderung keinen Vorbehalt erklärt, tritt diese 90 Tage nach Ende der Vertragsstaatenkonferenz, die über eine Aufnahme der Spezies in einen Anhang mit 2/3-Mehrheit entschieden hat 185, für ihn in Krafe 86. Da die Vertragsstaatenkonferenz mindestens alle zwei Jahre zusammentritt187 und CITES über ein ständiges Sekretariat verfügt 188, enthält der Vertrag auch die Sand, CITES, S. 170. Lyster, S. 272. 183 Bendomir-Kahlo, S. 133. Vgl. auch Favre, S. 297: "A more toothless provision would be hard to imagine." 184 So die Rec. 5.2, 5th Meeting of the Conference of Parties, 3 May 1985, Buenos Aires/Argentinia und Rec. 6.4, 6th Meeting of the Conference of Parties, 24 July 1987, Ottawa/Canada (zit. nach Bendomir-Kahlo, S. 134). Beide Empfehlungen richteten sich inhaltlich gegen Bolivien. 185 Art. XI Abs. 3 i. V. m. Art. XV Abs.l. Gemäß Art. XV Abs. 2 ist eine Annexänderung auch zwischen den Vertragsstaatenkonferenzen möglich. Matthews, ICLQ 45 (1996), S. 423, weist allerdings darauf hin, daß zwischen einem Antrag auf Änderung eines Anhangs und der Wirksamkeit der entsprechenden Entscheidung ein nicht unerheblicher Zeitraum vergehen kann ( vgl. die Fristangaben in Art. XV Abs.1 und 2). Gerade dann würden zukünftig geschützte Arten in besonders starkem Umfang gehandelt. 186 Vgl. Art. XV Abs. I b) und c). 187 Art. XI Abs. 2. 188 Art. XII. 181

182

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2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

notwendigen institutionellen Vorgaben, um eine Weiterentwicklung des Abkommens zu ermöglichen.

3. Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich Die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt 189 weist einen äußerst weitreichenden räumlichen 190 und sachlichen 191 Geltungsbereich auf. Gemäß ihres Art. 1 ist die Vereinbarung auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt, eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Bestandteile sowie auf die gerechte Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergeben, gerichtet. Der Begriff der biologischen Vielfalt wird dabei weit verstanden. Er umfaßt neben den verschiedenen Ökosystemen und Arten auch die Vielfalt innerhalb einer Spezies192. Aufgrund dieser Zielvorgabe könnte das Abkommen die Grundlage für umfassende Bestrebungen zur Erhaltung der artenreichen Regenwälder bilden.

b) Waldrelevante Vorgaben und ihre Formulierung Eine Ausrichtung auf bestimmte Lebensräume oder Tier- und Pflanzenarten, die Erhaltungsbemühungen auf konkrete, besonders bedeutende und gefährdete Habitate wie tropische Regenwälder konzentrieren könnten, ist aus dem Abkommen nicht abzuleiten. Vorschläge im Rahmen der Vertragsverhandlungen, eine Liste mit besonders schutzbedürftigen Lebensräumen undArten zur Schwerpunktsetzung zu erarbeiten193, 189 Die Konvention wurde am 5. Juni 1992 im Rahmen von UNCED zur Unterzeichnung ausgelegt und ist am 29. Dezember 1993 90 Tage nach der Hinterlegung der 30. Ratifikationsurkunde (Art. 36 Abs.1) in Kraft getreten. Der Vertragstext findet sich abgedruckt in ILM 31 (1992), S. 822 ff. 190 180 Mitgliedsstaaten im Juni 2001, darunter so gut wie alle Länder, deren Regenwaldressourcen in das Forest Resources Assessment von FAO und UNEPeinbezogen wurden. 191 Ein Überblick über den Vertragsinhalt findet sich bei Auer, VN 1994, S. 168 ff. 192 Art. 2 Abs. 2. 193 Nach Art. 15 des Vorentwurfs des Intergovemmental Negotiating Committee Fora Convention on Biological Diversity, Fifth Revised Draft Convention on Biodiversity, 20 February 1992, Nairobi/Kenia, UNEP/Bio.Div/N7-ING.5/2, sollte eine Listung geschützter Gebiete und Spezies auf Grundlage der Entscheidung der Vertragsstaatenkonferenz erfolgen.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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scheiterten vor allem am Widerstand der Entwicklungsländer194• Als Staaten mit dem größten Anteil der weltweit noch vorhandenen Biodiversität befürchteten sie, daß eine derartige Liste ihre Entscheidungsfreiheit bezüglich der Nutzung natürlicher Ressourcen zu stark begrenzen würde. Sie wiesen den Vorschlag daher unter Hinweis auf ihre Souveränität zurück 195 • Die Vorgaben des ausgehandelten Vertragswerks sind demgemäß so allgemein gehalten, daß sie den Staaten die eigenverantwortliche Prioritätensetzung bei Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt belassen 196• Die Konvention bestätigt ferner ausdrücklich das souveräne Recht auf Nutzung der Naturreichtümer 197• Eine stärkere Ausrichtung der Konvention auf bestimmte Umweltproblernatiken wie die Entwaldung kann über die Erarbeitung sekundärer Rechtsakte, insbesondere Protokolle, erreicht werden198• Mit dieser Regelungstechnik erweist sich die Biodiversitätskonvention als ausfüllungsfähiger und -bedürftiger Rahmenvertrag ("umbrella treaty") 199 • Solange eine Konkretisierung der Vertragspflichten nicht erfolgf00, können die allgemeinen Regelungen des Abkommens zumindest Leitvorgaben für die staatliche Umweltschutzpolitik bilden. Für die Erhaltung tropischer Regenwälder sind dabei insbesondere folgende Normen von Bedeutung: - Pflicht zur "In-situ"-Erhaltung201 der biologischen Vielfalt202 , insbesondere durch Ausweisung von Schutzgebieten und regulative Maßnahmen zur Erhaltung von Ökosystemen und Artenpopulationen203 ; Suplie, S. 58; Henne, S. 188, 191 ; Mercure, CYIL 33 (1995), S. 281, 283 f. Suplie, S. 58; Henne, S. 188, 191. 19 ~ Burhenne-Guilmin/Casey-Lejkowitz, YIEL 3 (1992), S. 52. 197 Art. 3.

194 195

Vgl. Art. 28 und 30. Kimball, VYTL 28 (1995), S. 765; Marzik, VRÜ 30 (1997), S. 562. Beyerlinl Marauhn, S. 33, sehen den Vertrag als ein pactum de negotiando für substantiellere Vertragsverpflichtungen an. 200 Auf der ersten Vertragsstaatenkonferenz vom 28. November bis 9. Dezember 1994 in Nassau/Bahamas wurde über die Möglichkeit der Erarbeitung eines Waldschutzprotokolls beraten. Da ein derartiges Ansinnen insbesondere bei den waldreichen Staaten aufWiderstand stieß, verschob man die weitere Diskussion auf unbestimmte Zeit; vgl. dazu Suplie, S. 73. 201 Gemäß Art. 2 Abschnitt 13 bedeutet "In-situ"-Erhaltung die Erhaltung von Ökosystemen und natürlichen Lebensräumen sowie die Bewahrung und Wiederherstellung lebensfähiger Populationen von Arten in ihrer natürlichen Umgebung. Sie stellt den Gegensatz zur "Ex-situ"-Erhaltung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt außerhalb ihrer natürlichen Lebensräume wie insbesondere in Genbanken dar (vgl. Art. 2 Abschnitt 8). Die "Exsitu"-Erhaltung soll nach Art. 9 lediglich ergänzende Funktion haben. 202 Art. 8. 198 199

203

Art. 8 (a), (b) und (d).

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

- Pflicht zur nachhaltigen Nutzung204 der Bestandteile der biologischen Vielfalt205 unter anderem durch Abstimmung von Umweltschutz- und Umweltnutzungsbelangen sowie mittels Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen menschlichen Handeins auf die biologische Vielfalt206; - Verpflichtung, traditionelles Wissen der indigenen und örtlich ansässigen Bevölkerung zu achten und zu erhalten, die breitere Anwendung dieser Kenntnisse im Interesse einer umweltgerechten Ressourcennutzung und eines Ressourcenschutzes zu begünstigen sowie eine gerechte Beteiligung der Gemeinschaften an den Vorteilen aus der Nutzung ihres Wissens zu fördern 207; - Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für Vorhaben mit wahrscheinlich erheblich nachteiligen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und gebührende Berücksichtigung der Ergebnisse im Entscheidungsprozeß208. Aufgrund ihres hohen Abstraktheitsgrades ist der materiell-rechtliche Gehalt der aufgeführten Regelungen sehr gering. Er wird durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe weiter begrenzt209 . So sind Umweltverträglichkeitsprüfungen beispielsweise bei "wahrscheinlich erheblichen" Auswirkungen menschlichen Handeins vorgeschrieben; ihre Ergebnisse sollen "gebührende" Berücksichtigung finden. In inhaltlicher Hinsicht ist zu kritisieren, daß die Vertragsvorgaben keine Regelungen für den Fall wissenschaftlicher Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Nutzung der biologischen Vielfalt enthalten. Lediglich die Präambel spricht davon, daß ein Mangel an eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen bei der Gefahr einer bedeutenden Verringerung oder dem Verlust biologischer Vielfalt keinen Rechtfertigungsgrund für den Verzicht auf Umweltschutzmaßnahmen darstellen soll 210. Diese Regelung im Präambeltext kann zwar gemäß Art. 31 Abs. 2 der WVK zur Auslegung der Konventionsvorgaben herangezogen werden. 204 Nach der Legaldefinition in Art. 2 Abschnitt 16 ist nachhaltige Nutzung als eine Bewirtschaftung aufzufassen, die keine langfristige Verringerung der biologischen Vielfalt herbeiführt, also die Bedürfnisse derzeitiger und zukünftiger Generationen erfüllt. 205 Art. 8 (i), Art. I 0. 206 Art. I 0 (a), (b ). 207 Art. 8 (j), Art. 10 (c); im Ansatz auch Art. 10 (d), Art. 17 Abs. I. Art. 18 Abs. 4. 208 Art. 14. 209 Nach Boyle, Convention on Biological Diversity, S . 38, 49, Johnston, Financial Aid. S. 54, und Hermite, AFDI 1992, S. 844, sollen die Vorgaben des Abkommens selbst für eine Rahmenkonvention zu unbestimmt sein, um als Leitlinen dienen zu können. 210 Abs. 9 der Präambel.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

lll

Ihre Aufnahme in den rechtlich unverbindlichen Teil des Vertragsdokuments mindert ihre Bedeutung als Leitvorgabe für staatliche Umweltpolitikenjedoch erheblich ab. Alle wesentlichen Vertragsverpflichtungen der Konvention stehen unter dem Vorbehalt des "Möglichen und Angemessenen"211 • Diese Qualifikation geht auf das Konzept der gemeinsamen, aber unterschiedlich hohen Verantwortlichkeilen der Staaten für die Erhaltung der Biodiversität zurück, das der Konvention zugrunde liegt212 • Danach wird das Pflichtenniveau innerhalb der Gruppe der Vertragsstaaten differenziert. Von jedem Land wird nur das Maß an Umweltschutzmaßnahmen verlangt, das seiner Leistungsfähigkeit entspricht und für den Staat zurnutbar erscheine 13 • Bezüglich der Drittweltländer erkennen Abschnitt 19 der Präambel und Art. 20 Abs. IV a. E. an, daß die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie die Armutsbeseitigung das erste und vordringlichste Anliegen dieser Staaten darstellen. Die Konvention verlangt von Entwicklungsländern somit keine einschneidenden Maßnahmen zum Schutz ihrer biologischen Vielfalt wie unter anderem der tropischen Regenwälder.

c) Anreizmechanismen aa) Inwertsetzung genetischer Ressourcen Um trotz dieser Gewichtung Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität in Entwicklungsländern voranzutreiben, ist das Abkommen bemüht, ökonomische Vorteile mit Umweltschutzbestrebungen zu verknüpfen. Ausgehend vom Grundgedanken, daß Drittweltstaaten eher zur Erhaltung ihrer Naturreichtümer bereit sein werden, wenn sie wirtschaftlich von derartigen Maßnahmen profitieren214, begründet die Konvention ein Anreizsystem Sein wesentlicher Kern liegt im Aufbau einer Nutzungs- und Teilhabeordnung für den Umgang mit genetischen Ressourcen. Artikel 15 Abs. I erkennt ausdrücklich die Befugnis der Staaten an, die Zugriffsmöglichkeiten auf genetische Ressourcen in ihrem Territorium zu regulie-

211 So Art. 5, Art. 7-11 , Art. 14, Art. 16 Abs. 3 und 4, Art. 19. Ähnlich Art. 6: "in accordance with their particular conditions and capabilities" sowie Art. 20: "in accordance with their capabilities". 212 Boyle, Convention on Biological Diversity, S. 44. 213 Ebenda. Ähnlich Marzik, VRÜ 30 (1997), S. 557. 214 Caughlin, CJTL 31 (1993), S. 343; Bodansky, VJTL 28 (1995), S. 63; ähnlich Wolfrum, Convention on Biological Diversity, S. 392.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

ren215 • Jeder Staat ist dabei gehalten, erleichterte Bedingungen für einen umweltgerechten Zugang zu diesen Ressourcen zu schaffen216 • Der Zugriff auf Teile der genetischen Vielfalt soll von der vorherigen Zustimmung des Belegenheitsstaates abhängig sein und unter einvernehmlich festzulegenden Bedingungen erfolgen217 • Diese Vorgaben geben dem Heimatstaat die Möglichkeit, eine finanzielle Gegenleistung für die Einwilligung zur Nutzung des genetischen Materials zu verlangen218. Teile der biologischen Vielfalt werden damit zum handelbaren Gut219 • Dies kann im Hinblick auf die Bedeutung genetischer Ressourcen als Ausgangsstoff für die biotechnologische Entwicklung220 einen ökonomischen Anreiz für die Erhaltung der Biodiversität bilden. Über eine finanzielle Kompensation hinaus sieht die Konvention eine Beteiligung des Herkunftslandes der genetischen Ressource am betreffenden Forschungsvorhaben und nach Möglichkeit eine Verlagerung der Forschung in diesen Staat vor221 • Die Umsetzung dieser Vorgaben kann zur Qualifikation des wissenschaftlichen Personals und zum Aufbau eigener Institutionen im Herkunftsland beitragen. Die Regelungen dienen damit zur Kapazitätenbildung222 • Das Übereinkommen enthält neben diesen primär forschungsbezogenen Aspekten auch erfolgsbezogene Bestandteile einer Teilhabeordnung. So will es sicherstellen, daß die Herkunftsländer an den Ergebnissen der Forschung und an den 215 Wolfrum, Convention on Biological Diversity, S. 383, weist daraufhin, daß sich diese Berechtigung bereits aus der staatlichen Souveränität ableiten lasse, in der Biodiversitätskonvention jedoch zum ersten Mal ausdrücklich hervorgehoben wurde. 216 Art. 15 Abs. 2. 217 Art. 15 Abs. 5 (Zustimmungserfordemis), Art. 15 Abs. 4 (Notwendigkeit einvernehmlich festzulegender Bedingungen). 218 Wolfrum, Convention on Biological Diversity, S. 384. 219 Henne, S. 189. 220 Gemäß Art. 2 Abs. 3 der Biodiversitätskonvention ist unter Biotechnologie die Nutzung biologischer Systeme, Organismen oder ihrer Deriverate zur Erzielung oder Veränderung von Produkten oder Verfahrensweisen zu verstehen. Zur derzeitigen und zukünftigen Bedeutung der Biotechnologie im allgemeinen vgl. Asebey/Kompanaai, VJTL 28 (1995), S. 733 f. ; Henne, S. 67 ff. 221 Art. 15 Abs. 6. Art. 19 Abs. I hebt dies für die biotechnologische Forschung besonders hervor. Im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 6, der die Staaten nur verpflichtet, eine Forschungsbeteiligung und -verlagerung zu fördern, sollen die Staaten in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergreifen, die eine effektive Beteiligung der Anbieterstaalen ennöglichen (Hervorhebungen von der Verfasserin). 222 Nach Art. 16 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 soll Staaten, die den Zugang zu genetischen Ressourcen eröffnen, ferner ein Zugriff aufumweltschonende Technologienunter einvernehmlich festzulegenden Bedingungen eröffnet werden.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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Vorteilen beteiligt werden, die aus der kommerziellen und sonstigen Nutzung genetischer Ressourcen entstehen 223 • Dies soll auch gelten, soweit es um Biotechnologien gehe24. Wie die Beteiligung an den Vorteilen konkret zu erfolgen hat, ist aus dem Übereinkommen unterdessen nicht abzuleiten. Es gibt lediglich vor, daß die Aufteilung "ausgewogen und gerecht"225 vorzunehmen ist. Die Festlegung der konkreten Bedingungen bleibt denjeweiligen Vertragsparteien überlassen226. Die Vorgaben der Konvention könnten für die Erhaltung der tropischen Regenund Feuchtwälder mit 50 bis 90% der biologischen Vielfalt der Erde einen bedeutenden Anreiz bieten227 • Dieser läßt sich allerdings nur insoweit schaffen, wie es mit Hilfe der Konventionsregelungen gelingt, ökonomische Alternativen zu waldzerstörenden Bewirtschaftungsformen bereitzustellen. Bei näherer Betrachtung erschließen sich verschiedene Faktoren, die das ökonomische Potential der Nutzens- und Teilhabeordnung begrenzen. Bei Verhandlungen über den Zugang zu Bestandteilen der Biodiversität gegen finanzielle Kompensation, Vorteilsbeteiligung und Technologietransfer werden den Tropenwaldländern typischerweise nichtstaatliche Unternehmen gegenüberstehen228. Diese sind in erster Linie an der Realisierung eigener Gewinne interesArt. 15 Abs. 7. Art. 19 Abs. 2. Im Vergleich zu Art. 15 Abs. 7 ist diese Vorgabe aber zurückhaltender formuliert. 225 Art. 15 Abs. 7, Art. 19 Abs. 2 S. 1. 226 Art. 15 Abs. 7 S. 2, Art. 19 Abs. 2 S. 2. 227 Die potentielle Bedeutung der Biodiversitätskonvention für die Erhaltung tropischer Wälder ist bereits in den Verhandlungen zum Übereinkommen angeklungen und wurde auch im Bericht der Bundesregierung über die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn 1993, S. 13, hervorgehoben. 228 In der Vergangenheit ist teilweise bezweifelt worden, ob der Geltungsbereich der Konvention auch die Nutzung genetischer Ressourcen durch privatwirtschaftliche Akteure umfaßt. Lediglich Art. 16 Abs. 4 der Konvention bezieht sich ausdrücklich auf das Handeln Privater. Hendricks/Koester/Prip, S. 149, wollen mit einem argurnenturne contrariodaraus schließen, daß sich die Konvention ansonsten nicht auf Nutzungsabreden zwischen Staaten und privatwirtschaftliehen Akteuren bezieht. Überdies seien nach Art. 15 Abs. 2 die Staaten lediglich verpflichtet, Zugangsbedingungen für die Nutzung der biologischen Vielfalt durch andere Vertragsparteien zu schaffen. Unter dem Begriff der anderen Vertragsparteien WÜrden nach Art. 34 Abs. 1 aber allein Staaten oder regionale Wirtschaftsorganisationen, nicht aber privatwirtschaftliche Akteure, fallen. Gegen eine derartige Auslegung spricht ein teleologisches Argument. Der ganz überwiegende Teil der biotechnologischen Forschung liegt in den Händen Privater. Läßt man ihre Tätigkeit nicht in den Geltungsbereich der Konvention fallen, WÜrde das Abkommen weitgehend leerlaufen; so auch Henne, S. 147. 223

224

8 Krohn

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

siert. Es ist daher nicht auszuschließen, daß sie Verhandlungsvorteile, die sich aus den sozialen und wirtschaftlichen Zwängen der Entwicklungsländer ergeben, zugunsten einer für sie einträglichen Vertragsgestaltung ausnutzen229 • Die Biodiversitätskonvention legt mit dem Erfordernis einer ausgewogenen und gerechten Nutzensverteilung nur den Rahmen für die einzelvertragliche Ausgestaltung fest. Eine weitere Konkretisierung dieser stark wertungsabhängigen Vorgaben230 obliegt den Verhandlungspartnern. Ein Staat kann zwar im Rahmen seiner nationalen Gesetzgebung nähere Maßstäbe festlegen, um auf eine für ihn günstige Vertragsgestaltung hinzuwirken. Wird ihm aber keine angemessene Gegenleistung angeboten, verbleibt dem Land nur die Möglichkeit, den Zugriff auf die Ressource gänzlich zu verweigern oder sich mit einem geringeren Entgelt zufrieden zu geben231 . Soweit Absprachen zwischen Unternehmen und den Herkunftsstaaten genetischer Ressourcen bekannt geworden sind, haben letztere vielfach nur eine sehr geringe Gegenleistung für den Zugang zu genetischen Ressourcen erhalten232 . Ohne weitere Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausgewogenen und gerechten Vorteilsbeteiligung besteht demnach die Gefahr, daß die tatsächlichen Anreize für eine Erhaltung der genetischen Vielfalt zu gering sind233 und es nicht zu einer Korrektur umweltschädigender Bewirtschaftungspraktiken kommt. Bemühungen zur Stärkung der Verhandlungsposition der Entwicklungsländer finden sich bis dato nur in Ansätzen. Neben dem Einsatz marktpolitischer Instrumente234 wäre insbesondere die Ausarbeitung von Leitlinien für die nähere Präzisierung des Begriffs der ausgewogenen und gerechten Vorteilsbeteiligung denkbar. Die Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention hat zwar ein ExZur Einbindung privater Akteure bedarf es nach dem Wortlaut der Art. 15 Abs. 2, 6 und 7, Art. 19 Abs. 1 und 2 sowie Art. 16 Abs. 3 allerdings innerstaatlicher Umsetzungsregelungen. Die Konventionsvorgaben sind damit nicht self-e.xecuting. Solange keine nationalen Vorgaben geschaffen werden, bleibt ein Zugriff Privater auf genetische Ressourcen auch ohne eine Gegenleistung möglich. 229 Asebey/Kompanaai, VJTL 28 (1995). S. 736. 230 Dies., S. 717. 231 Da die Staaten gegenseitig in Wettbewerb treten, besteht überdies die Gefahr, daß sie sich zulasten eines wirksamen Biodiversitätsschutzes und im Interesse kurzfristig realisierbarer Gewinne gegenseitig auszuschalten versuchen. So auch: Henne, S. 80, 270. 232 Eine Analyse der bekanntgewordenen Verträge findet sich bei Asebey/Kompanaai, VJIL 28 (1995),726 ff. 233 Dies., S. 748. 234 Denkbar wäre hier die Verringerung des Angebots durch Bildung von Kartellen oder Preisabsprachen zwischen den Herkunftsländem. Dazu näher: Asebey/Kompanaai, VJIL 28 (1995), S. 737 ff.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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pertengremium eingesetzt, das die Möglichkeiten zur Sicherstellung einer gerechten Nutzensbeteiligung untersuchen und gegebenenfalls einschlägige Prinzipien oder Richtlinien entwickeln soll235 • Die Frage, wie die Einhaltung von Kriterien zur ausgewogenen und gerechten Vorteilsbeteiligung überprüft werden könnte, stand bislangjedoch nicht zur näheren Debatte. Da die Vereinbarungen zwischen Staaten und Unternehmen der Vertraulichkeit unterliegen236 , sind sie nur eingeschränkt einer Kontrolle zugänglich. Möglich wäre dennoch die Einrichtung einer nichtöffentlich tagenden Stelle, die gegebenenfalls auf internationaler Ebene eine Billigkeitskontrolle durchführt. Sie könnte im Fall von Streitigkeiten über die Vertragsabwick.lung auch als neutrales Schiedsorgan dienen. Eine weitere, faktische Grenze wird dem Anreizregime der Konvention durch die Tatsache gesetzt, daß die erfolgreiche Entwicklung von Produkten aus genetischem Material durchschnittlich einen Zeitraum von etwa zehn Jahren einnimrnt237. Auch sind die Erfolge entsprechender Forschungsvorhaben generell sehr unsicher238 • Für die Tropenwaldländer, die zur Bekämpfung ihrer sozio-ökonomischen Probleme auf kurzfristige Einnahmen angewiesen sind, kann von der Nutzens- und Teilhabeordnung der Konvention somit nur ein begrenzter Impuls für verstärkte Walderhaltungsmaßnahmen ausgehen239• Ein Beispiel für eine Kooperation zwischen Tropenwaldstaaten und privatwirtschaftliehen Unternehmen stellt die seit 1991 bestehende Zusammenarbeit zwischen der Tochter des internationalen Pharmakonzeros Merck und Costa Rica dar. Auf Grundlage eines Vertrages zwischen Merck & Co. Inc. und dem Institut Nacional de Biodiversidad (INBio) in Costa Rica240 wurden von INBio ca. 10.000 Pflanzen- und Insektenproben aus den Naturschutzgebieten Costa Ricas zur Forschung geliefert. Dem Pharmaunternehmen wurde das Recht eingeräumt, aus dem Material entwickelte Produkte patentieren zu lassen. Als Gegenleistung erhielt INBio etwa 1 Mio. US-Dollar für Nationalparkprogramrne, 135.000 US-Dollar 233 Decision IV/8, Ziffer 3, 4th Meeting of the Conference of Parties, 4-18 May 1998, Bratislava/Siovakia (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 15-05-98/1 ); Decision V/26, Ziffer 10, 5th Meeting ofthe Conference of Parties, 15-26 May 2000, Nairobi/ Kenia. 236 Vgl. Asebey/Kompanaai, VJTL 28 (1995), S. 725, 731. 237 Uner, Michael: Firrns Say Rio Treaty Strikes at Heart of Biotech Industry, Newsday, 14 June 1992, S. 73; zit. nach Coughlin, CJTI.. 31 (1993), S. 357. 238 Coughlin, CJTL 31 (1993), S. 356. 239 Ebenso Coughlin, CJTI.. 31 ( 1993), S. 369, für den Biodiversitätsschutz insgesamt. 240 Bei INBio handelt es sich um ein privates, dem Gemeinwohl verpflichtetes und durch Präsidentendekret eingerichtetes Institut, das die Aufgabe hat, die Schutzgebiete Costa Ricas durch ökonomische lnwertsetzung zu erhalten; vgl. Henne, S. 249.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

für eine Laboratoriumsausrüstung sowie Ausbildungsmöglichkeiten für vier Wissenschaftler in den Laboren von Merck & Co. Ferner wurde eine Nutzensbeteiligung in Höhe von 2-6 % des Nettoverkaufserlöses aus denjenigen Produkten vereinbart, die auf dem gelieferten genetischen Material aufbauen 241• Der Vertrag zwischen den Partnern wurde inzwischen dreimal verlängert, ohne daß nähere Informationen über die weiteren Vertragsinhalte bekannt geworden wären. Zur Patentierung eines Produkts kam es bisher nicht. Anband dieses Beispiels läßt sich schließlich verdeutlichen, daß die Nutzung genetischer Ressourcen und der damit verbundene Anreiz für die Erhaltung der Biodiversität wesentlich von den Rahmenbedingungen im betreffenden Entwicklungsland abhängt. Costa Rica ist als demokratischer Staat mit politisch stabilen Verhältnissen, dem höchsten Anteil an der weltweit noch existierenden Biodiversität und einer guten institutionellen Ausstattung für eine Kooperation mit Unternehmen besonders geeignee42 • Vergleichbar günstige Umstände sind nicht in jedem Entwicklungsland gegeben. Die potentielle Nachfrage nach einem Zugriff auf genetische Ressourcen und damit auch die Anreizwirkung für Erhaltungsmaßnahmen dürften in anderen Staaten wesentlich geringer einzuschätzen sein. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die Anreize, die von einer Inwertsetzung der genetischen Ressourcen für den Erhalt der Regenwälder ausgehen können, von einer Vielzahl tatsächlicher Faktoren abhängen (Nachfrage der Unternehmen, Dauer der Entwicklung von Produkten, mögliche Ersetzbarkeit der genetischen Ressourcen durch synthetische Stoffe, Rahmenbedingungen im Herkunftsland). Auf diese Umstände können die Vorgaben der Biodiversitätskonvention kaum Einfluß nehmen. Allerdings wäre es möglich, die Verhandlungsposition der Drittweltstaaten generell durch die Ausarbeitung von Kriterien zur inhaltlichen Gestaltung der Zugangsvereinbarungen und durch Schaffung von Kontrollinstanzen zu verbessern. Entsprechende Bemühungen finden sich im Rahmen des Vertragsregimes bisher nur in Ansätzen.

241 Eine Beschreibung des veröffentlichten Vertragsinhalts findet sich bei Suplie, S. 22 f. ; Asebey/Kompanaai, VJTL 28 (1995), S. 725 ff. ; Henne, 249 ff. Mit 2-6% Nutzensbeteiligung wurde die Vereinbarung für Costa Rica vergleichsweise günstig ausgestaltet. Asebey/Kompanaai, VJTL 28 (1995), S. 728, führen dies auf den Öffentlichkeitswert des Vertrages für Merck & Co. Inc. zurück. Trotz der vorteilhaften Vertragsgestaltung wurde die Vereinbarung von Teilen der Bevölkerung Costa Ricas als Ausverkauf der genetischen Ressourcen des Landes unter Wert angesehen. Vgl. dazu näher Henne, S. 252 f. 242 Suplie, S. 22 f.; Asebey/Kompanaai, VJTL 28 (1995), S. 728.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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bb) Finanzielle Unterstützung und Erleichterung des Technologietransfers Zusätzlich zu den Vorgaben für eine lnwertsetzung der genetischen Ressourcen enthält die Biodiversitätskonvention Regelungen zur finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Vertragsverpflichtungen243. Dabei ist die Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens befugt, Programmprioritäten für die Verwendung der Finanzmittel festzulegen 244. Diese Schwerpunktbildung ennöglicht eine indirekte Steuerung staatlicher Urnweltpolitiken, da sie Investitionen in bestimmte Sachbereiche begünstigt245 . Seit 1998 bildet auch die Förderung von Maßnahmen zur Walderhaltung einen derartigen Finanzierungsschwerpunkt246. Die Anreizwirkung, die von der Übernahme der Umweltschutzkosten ausgehen kann, hängt von dem konkreten Förderungsgegenstand, dem U rnfang der generell bereitgestellten Mittel sowie der Höhe der projektbezogenen Förderung ab. Der Bezugspunkt der finanziellen Unterstützung ist im Rahmen der Biodiversitätskonvention vergleichsweise umfassend ausgestaltet247 • Hinsichtlich der Aufbringung und Verteilung der Mittel finden sich im Abkommen allerdings verschiedene Fonnelkornpromisse, die Umsetzungsproblerne hervorrufen können. Das Übereinkommen geht davon aus, daß Industrieländer "neue und zusätzliche Mittel" bereitstellen sollen, um Drittweltstaaten in die Lage einer wirksamen Vertragserfüllung zu versetzen248 . Nähere Aussagen zur Lastenverteilung finden sich hingegen nicht. Der Konventionstext spricht der Vertragsstaatenkonferenz die Entscheidungskompetenz über die Höhe der benötigten Finanzmittel zu249. Einer möglichen Auslegung dieser Nonn in dem Sinne, daß die Konferenz auch über die Aufteilung Art. 20 und 21. Art. 21 Abs. I S. 4, Art. 20 Abs. 2 S. I a. E. 245 Wolfrum, Convention on Biological Diversity, S. 391, spricht davon, daß der Staat mit Inanspruchnahme einer derartigen Förderung zum Ausführungsorgan einer international formulierten Ressourcennutzungspolitik werde. 246 Decision IV/13, 4th Meeting ofthe Conference ofParties, 4-15 May 1998, Bratislava/Slovakia (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 15-05-98/l). 247 Nach Art. 20 Abs. I können alle Maßnahmen gefördert werden, die der Verwirklichung der Konventionsziele dienen. Ausdrücklich genannt werden im Rahmen des Vertragstextes: reine Schutzmaßnahmen (Art. 8 (m)), finanzielle Zuwendungen für den Zugang zu umweltschutzbezogenen Technologien (Art. 16 Abs. 2 und 3), Maßnahmen zum Aufbau der Zugangs- und Teilhabeordnung für genetische Ressourcen (Art. 15 Abs. 7). 248 Art. 20 Abs. 2. Mit der Qualifikation in Form der .,neuen und zusätzlichen" Mittel sollte vermieden werden, daß bereits existierende Finanzzuwendungen auf die Erfüllung der Verpflichtung angerechnet werden. 249 Art. 21 Abs. I S. 5. 243

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

der Finanzlasten unter den Staaten entscheiden kann, wurde jedoch von allen wesentlichen Industrieländern durch interpretative Erklärungen entgegengewirkt250 • Der Umfang der finanziellen Unterstützung von Umweltschutzmaßnahmen in Drittweltstaaten und die Anreizwirkung der Konventionsvorgaben sind damit letztlich zur Disposition der Geberländer gestellt. Die Finanzierung konkreter (Walderhaltungs-)Projekte wird weiterhin durch Unsicherheiten belastet, die aufgrund der unklaren Formulierung des Förderungsumfangs entstanden sind. So sind nach dem Konventionstext lediglich die "vollen vereinbarten Mehrkosten", die bei der Durchführung von Biodiversitätsschutzmaßnahrnen entstehen, zu übemehmen251 • Der Begriff der Mehrkosten versteht sich dabei als Summe der zusätzlichen Aufwendungen, die sich daraus ergeben, daß einem Projekt entgegen seiner ursprünglichen Planung der globale Umweltschutz als Ziel gesetzt wird252 • Ob dabei im Interesse der Entwicklungsländer die Zusatzkosten voll zu übernehmen sind ("volle" vereinbarte Mehrkosten; sogenannter Bruttoansatz) oder der innerstaatlich wirkende Nutzen des Projekts anteilsmäßig von den Zusatzkosten abzuziehen ist (die Übernahme der vollen "vereinbarten" Mehrkosten ließe diesen sogenannten Nettoansatz zu)253 , läßt sich aus dem Wortlaut der Konvention nicht ableiten. Bis dato erscheint noch nicht hinreichend geklärt, wie dieser sehr abstrakte Kostenansatz in arbeitsfähige Kriterien umgewandelt werden kann. Eine von der Vertragsstaatenkonferenz zu erstellende Liste mit Prüfungspunkten für die Bestimmung der Mehrkosten254 wurde bis jetzt nicht entwickelt. Die Global Environmental Facility (GEF), ein 1991 gegründeter Umweltfonds 255 , der derzeit noch 250 Die insgesamt 19 Erklärungen hoben hervor, daß der Vertragsstaatenkonferenz keine Kampentenzen zur Festlegung konkreter Beitragspflichten zustehen sollen (zu den Erklärungen vgl. Johnston, Financial Aid, S. 47). Mit Hilfe interpretativer Erklärungen verfolgen Staaten das Ziel, von mehreren zulässigen Interpretationen eine als für sie bindend festzulegen (Österreichisches Handbuch des Völkerrechts/Zemanek, S. 65, Rn. 323). Da die Erklärungen im konkreten Fall keinen Widerspruch hervorriefen, sind sie gemäß Art. 31 Abs. 2 b) WVK bei der Auslegung des Vertragstextes mit heranzuziehen. 251 Art. 20 Abs. 2. 252 Ehrmann, ZaöRV 57 (1997), S. 597. Insoweit kann auf die Definition der GlobalEnvironmental Facility, einem globalen Finanzierungsfonds, zu den Mehrkosten verwiesen werden (abgedruckt in The Pilot Phase and Beyond, GEF Working Paper Series No. 1, Washington 1992, S. 2). Danach sind Mehrkosten "extra costs incurred in the process of redesigning an activity vis-a-vis a baseline plan-which is focused on achieving anational benefit - in order to address global environmental concems". Zur Arbeit der GEF im Waldbereich vgl. unten, 2. Kapitel,§ 2. 253 Jordan/Werksman, S. 253; Ehrmann, ZaöRV 57 (1997), S. 598 f. 254 Art. 20 Abs. 2 S. I 2. Hs. 255 Der Fonds wurde als Pilotprojekt unter Zusammenarbeit von Weltbank, UNDP und UNEP zunächst für die Zeit von vier Jahren ins Leben gerufen. Nach seiner Restrukturie-

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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"provisorisch" mit der Finanzabwicklung betraut ist256, geht im Rahmen seiner eigenen Finanzierungskompetenzen vom Nettoansatz aus257 • U nahhängig vom Problem der konkreten Bestimmung des Förderungsumfangs bleibt festzuhalten, daß mit dem Mehrkosten-Ansatz der Biodiversitätskonvention grundsätzlich nur ein bestimmter Teil der Projektkosten übernommen werden kann. Die Anreizwirkung für die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen wird damit erheblich beschränkt. Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung der Drittweltstaaten verlangt das Übereinkommen die Ausgestaltung von günstigen Zugangsbedingungen für umweltschonende Technologien258 .

d) Kontrollmechanismus Nähere Vorgaben zum "compliance control system" der Konvention wurden bisher noch nicht festgelegt. Das Übereinkommen sieht ein "Reporting"-Verfahren vor259 • Es fehlt allerdings noch an allgemeingültigen Entscheidungen über den rung im Jahre 1994 dient er der finanziellen Unterstützung von Projekten aus folgenden Bereichen: Artenvielfalt, Klimaschutz, Schutz internationaler Gewässer, Schutz der Ozonschicht, begrenzt der Walderhaltung sowie der Bekämpfung der Wüstenbildung. So Teil I, Abs. 2 und 3 des GEF-Instruments (abgedruckt in ILM 33 (1994), S. 1278 ff). Zur Entwicklung der GEF: Ehrmann, ZaöRV 57 (1997), 564 ff. 256 Nach Art. 21 der Konvention soll ein eigenständiges Finanzierungsinstrument eingerichtet werden. Artikel 39 sieht vor, daß die GEF die Aufgabe der Finanzabwicklung lediglich vorläufig übernehmen soll. Bis heute wurde jedoch kein Entschluß über einen eigenständigen Finanzierungsmechanismus gefaßt. Mit Ziffer 2 der Decision 1/2, 1st Meeting of the Conference ofParties, 28 November-9 December 1994, Nassau/Bahamas (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 2, unter 09-12-94/4) und Ziffer 1 der Decision 11/6, 2nd Meeting ofthe Conference ofParties, 6-17 November 1995, Jakarta/lndonesia (abgedruckt im Report of the Second Meeting of the Conference of Parties to the Convention on Biological Diversity, 30 November 1995, UNEP/CBD/COP/2/19, Annex li) wurde der vorläufige Charakter der Finanzierung über die GEF erneut hervorgehoben. Die Frage nach der Einrichtung eines eigenständigen Mechanismus i. S. d. Art. 21 blieb seitdemjedoch unbeantwortet. Da zwischenzeitlich eine stärkere Einbindung des GEF-Instruments in die Vertragsabwicklungerfolgt ist (so z. B. durch die Aufstellung von Beurteilungsrichtlinien für die Wirksamkeit der Tätigkeit der GEF durch Decision Ill/7, 3rd Meeting of the Conference ofParties, 4-15 November 1996, Buenos Aires/Argentinia (abgedruckt bei Burhennel Robinson, Bd. 3, unter 15-11-96/1 )), erscheint eine Beibehaltung der Abwicklung über die GEF wahrscheinlich. 257 Jordan/Werksman, S. 252 f. 258 Art. 16. 259 Art. 26.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

genauen Inhalt und die Zeitabstände der Berichte260. Die näheren Regelungen zur Ausgestaltung des Berichtsverfahrens sind von der Vertragsstaatenkonferenz festzulegen261. Bislang hat lediglich das Nebenorgan für wissenschaftliche, technische und technologische Beratung (SBTTA)262 auf Grundlage der ersten Berichte Vorschläge für die nähere Ausgestaltung des Berichtsverfahrens unterbreitet. Danach sollen Mitteilungen über die Vertragsumsetzung alle vier Jahre ergehen263 . Die Ausarbeitung von Vorgaben zur Konkretisierung der Berichtspflicht steht insbesondere vor dem Problern des äußerst weitreichenden Geltungsbereichs der Konvention. Dieser läßt eine umfassende und dennoch tiefgehende Überprüfung staatlicher Umsetzungsbestrebungen kaum zu. Solange die Vertragsparteien keine konkreten Verpflichtungen oder Handlungsprioritäten festlegen, wird eine Kontrolle der Vertragsdurchführung nur partiell 264 oder auf einem sehr oberflächlichen Niveau möglich sein. Beachtenswürdig erscheint allerdings, daß die Vertragsstaatenkonferenz den Nationalstaaten empfohlen hat, bei der Erstellung der Berichte mit allen relevanten Interessengruppen zusammenzuarbeiten265. Die Konvention setzt damit bereits auf eine gewisse innerstaatliche Gegenkontrolle 260 Bisher hat die Vertragsstaatenkonferenz durch einzelne Beschlüsse den inhaltlichen Schwerpunkt der Berichte und die Fristen für ihre Abgabe bestimmt, so z. B. mit Decision IIJ17, Ziffern 3 und 4, 2nd Meeting of the Conference of Parties, 6-17 November 1995, Jakarta/Indonesia (abgedruckt im Annex II des Report of the Second Meeting of the Conference of Parties to the Convention on Biological Diversity, 30 November 1995, UNEP/ CBD/COP/2119); Decision 111/9, Ziffer 3, 3rd Meeting of the Conference of Parties, 4-15 November 1996, Buenos Aires/Argentinia (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 3, unter 15-11-96/1 ), Decision IV/14, Ziffer I, 4th Meeting of the Conference of Parties, 4-18 May 1998, Bratislava/S!ovakia, (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 15-059811), Decision V/19, Ziffer 5, 5th Meeting ofthe Conference ofParties, 15-26 May 2000, Nairobi/Kenia (abgedruckt im Report of the Fifth Meeting of the Conference of Parties to the Convention on Biological Diversity, 22 June 2000, UNEP/CBD/COP/5/23, Annex III). 261 Art. 23 Abs. 4 (a). 262 Vgl. Art. 25. Nach Art. 26 Abs. I S. !liegt die Hauptaufgabe dieses Unterorgans in der Erarbeitung von Empfehlungen für die Vertragsumsetzung. 263 Rec. V/13, Annex I, Ziffer 2 (c) i); abgedruckt im Report of the Fifth Meeting of the SBTTA, 25 February 2000, UNEP/CBD/COP/5/3. 264 Mit Decision 11/17, 2nd Meeting ofthe Conference ofParties, 6-17 November 1995, Jakarta/Indonesia (abgedruckt im Annex II des Report of the Second Meeting of the Conference of Parties to the Convention on Biological Diversity, 30 November 1995, UNEP/ CBD/COP/2/19) hat die Vertragsstaatenkonferenz beschlossen, daß sich die ersten Berichte insbesondere auf die Umsetzungsmaßnahmen nach Art. 6 (ln-situ-Erhaltung) beziehen sollen. 265 Decision V/19, Ziffer 6, 5th Meeting ofthe Conference ofParties, 15-26 May 2000, Nairobi/Kenia (abgedruckt im Report of the Fifth Meeting of the Conference of Parties to the Convention on Biological Diversity, 22 June 2000, UNEP/CBD/COP/5/23).

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des Berichtsinhalts und bezieht auf diese Weise nichtstaatliche Akteure in das "Reporting"-Verfahren mit ein. Nach dem Konventionstext steht die Überprüfung der Berichte der Vertragsstaatenkonferenz zu 266. Als politisches Plenarorgan kann sie eine inhaltliche Verifikation der Staatenberichte jedoch nur eingeschränkt leisten267 . Ein "compliance response system" mit Vorgaben zur Erfüllungshilfe oder Sanktion für den Fall einer festgestellten Vertragsverletzung enthält die Konvention abgesehen von einem Streitbeilegungsmechanismus nicht268 .

e) Institutionelle Vorgaben zur Weiterentwicklung des Vertrages und ihre bisherige Anwendung auf den Waldbereich Die Biodiversitätskonvention verfügt sowohl über die institutionelle Ausstattung269 als auch die erforderlichen regulativen Mechanismen für eine Ausrichtung des Vertragswerkes aufbestimmte Sachbereiche270• Walderhaltungsaspekte haben im Rahmen der Vertragsumsetzung bis heute allerdings nur ansatzweise Beachtung erfahren. So wurde auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz im Jahre 1996 erstrnals betont, daß "einigen" Wäldern der Erde für die Erhaltung der biologischen Vielfalt eine entscheidende Bedeutung zukommt271 . Nähere Konsequenzen wurden aus dieser Erkenntnis jedoch zunächst nicht gezogen. Erst 1998 hat die Vertragsstaatenkonferenz ein Work Programme for Forest Biological Diversity under the Convention on Biological Diversity verabschiedet272 . Es enthält Vorgaben für Art. 23 Abs. 4 (a). Immerhin können die nach Art. 23 Abs. 5 zugelassenen Beobachter, insbesondere die NGOs, einen Beitrag zur gesteigerten Kontrolle der Berichte leisten. 268 Art. 27; Annex II des Abkommens. 269 Die Vertragsstaatenkonferenz (Art. 23) tagt nach ihren Verfahrensregelungen, die mit Decision V/20, 5th Meeting of the Conference of Parties, 15-26 May 2000, Nairobi/Kenia, geändert wurden, nunmehr alle zwei Jahre; vgl. Ziffer 1 der Entscheidung. Über das Nebenorgan für wissenschaftliche, technische und technologische Beratung können neue wissenschaftliche Erkenntnisse in den Entscheidungsprozeß einfließen (Art. 26 Abs. I S. 1-3). 270 Eine Möglichkeit zur Annahme von Protokollen und anderen Zusätzen besteht nach Art. 23 Abs. 4 (c) bis (f). 266 267

271 Decision 111112, 3rd Meeting of the Conference of Parties, 4-15 November 1996, Buenos Aires/Argentinia (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 3, unter 15-11-96/1), 1. Abschnitt der Präambel. 272 Das Programm findet sich im Annex der Decision IV/7, 4th Meeting ofthe Conference of Parties, 4-18 May 1998, Bratis1ava/Slovakia (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 15-05-98/l , S. 36-46).

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

einen dreijährigen Planungszeitraum273 , geht aber von einer späteren Weiterführung aus. Inhaltlich ist eine Beschäftigung mit vier verschiedenen Sachkomplexen vorgesehen: die Berücksichtigung der verschiedenen Waldfunktionen im Rahmen des Ökosystemschutzes274 ; die Analyse und Verringerung der Auswirkung menschlicher Einflüsse aufWaldökosysteme275 ; die Entwicklung und Umsetzung von Kriterien und Indikatoren für den Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt276 sowie die Durchführung von Studien über mittelbare Ursachen der Entwaldung und ökologisch verträgliche Landschaftsplanung277 • Zur Umsetzung des Programms sind Arbeits treffen, Pilotprojekte und Fallstudien vorgesehen278. Diese sollen in erster Linie auf den verschiedenen nationalen Ebenen durchgeführt werden279 • Die Entschließung fordert eine Beteiligung aller relevanten Interessengruppen am Arbeitsprogramm280. In welchem Umfang und auf welche Art und Weise das Programm von den Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, bleibt ihnen selbst überlassen. Die Vertragsstaatenkonferenz will die Nationalstaaten lediglich zu verstärkten Waldschutzmaßnahmen "ermuntern" und sie bei der Durchführung entsprechender Bestrebungen unterstützen281 • Im Rahmen der 5. Vertragsstaatenkonferenz im Jahre 2000 wurde beschlossen, das Programm zukünftig stärker auf die aktive Umsetzung von Walderhaltungsbestrebungen auszurichten 282 . Die Staaten wurden erneut "ermuntert", ihre Walderhaltungsbemühungen zu verstärken und eine Partizipation relevanter Interessengruppen zu ermöglichen 283 • Die Konferenz lud Staaten, internationale Organisationen, indigene bzw.lokale Gruppen sowie NGOs ein, Informationen über die Umsetzung des Arbeitsprogramms bereitzustellen284 . Auch in diesem

Buchstabe B des Programms. Ziffer 11-28. 275 Ziffer 29-39. 276 Ziffer 40-48. 277 Ziffer 49-56. 278 Ziffer 7. 279 Ziffer 8. 280 Ebenda. 281 BuchstabeAdes Programms, Ziffer 3. 282 Decision V/4, Ziffer 2, 5th Meeting of the Conference of Parties, 15-26 May 2000, N airobi/Kenia. 283 Decision V/4, Ziffern 8 und 9. 284 Decision V/4, Ziffer 7. Auf welchem Wege diese Informationen Berücksichtigung finden sollen, wurde hingegen nicht eindeutig festgelegt. 273

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B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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Zusammenhang finden sich somit Ansätze für die Einbeziehung nichtstaatlicher Gruppen in gewisse "Monitoring"- und "Reporting"-Aufgaben. Gleichzeitig wurde auf der 5. Vertragsstaatenkonferenz die Einrichtung eines "Ad-hoc"-Expertengremiurns zur forstlichen Biodiversität beschlossen285 • Dieses soll das SBITA bei der Initiierung und Durchführung wissenschaftlicher Untersuchungen beraten und Vorschläge für die Durchführung konkreter W alderhaltungsmaßnahmen abgeben286.

4. Klimarahmenkonvention a) Allgemeiner räumlicher und sachlicher Geltungsbereich Das Ziel der universell geltenden Klimarahmenkonvention287 liegt nach ihrem Art. 2 in der Stabilisierung der atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasysterns288 vermeidet. Da eine Vielzahl menschlicher Verhaltensweisen zur Freisetzung von Treibhausgasen führen kann, umfaßt das Abkommen einen äußerst weitgehenden sachlichen Regelungsbereich289 . Trotz dieses Umstandes und eingedenk der Bedeutung von Waldökosystemen für die Stabilisierung des Klimas spielen Waldschutzerwägungen im Rahmen des Vertragstextes lediglich eine sehr untergeordnete Rolle. Die stärkere Einbeziehung von W alderhaltungsaspekten war zwar vor den und während der Konventionsverhandlungen angedacht worden290, stieß jedoch auf Widerstand bei den waldreichen Staaten291 . Decision V/4, Ziffer 4. Vgl. den Annex I der Decision V/4. 287 Die Konvention vom 9. Mai 1992 findet sich abgedruckt in ILM 31 (1992), S. 849 ff. Im Oktober 1999 wies sie 195 Vertragspartner auf. Eine Zusammenfassung des Vertragsinhalts findet sich bei Sands, RECIEL I (1992), S. 270 ff. ; Spitz, Die Friedenswarte 1998, S. 25 ff. 288 Gemäß Art. 1 Ziffer 3 verbirgt sich unter dem Begriff des Klimasystems die Gesamtheit der Atmosphäre, Hydrosphäre, Biosphäre und Geosphäre sowie ihrer Wechselwirkungen. 289 Biermann, S. 48; ähnlich Sands, RECIEL (1) 1992, S. 271: " .. . it is difficult to identify any type of human activity which falls beyond its scope." 290 Im Vorfeld der Verhandlungen der Klimarahmenkonvention hatten verschiedene Staaten und Institutionen eine Einbeziehung von Waldschutzvorgaben in das Abkommen gefordert: so z. B. der IPCC im Jahre 1990 (Abschluß eines Waldprotokolls im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Klimakonvention: IPCC Working Group III, Subgroup on Agriculture, Forestry and other Acti vities, First Assessment Report, Summary, o. 0 . 1990, passim); der Europäische Rat in seiner Schlußerklärung von Dublin im Juni 1990 (Ab285

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Entwicklungsländer mit großen W aldvorkornrnen betonten, daß das Hauptgewicht der Konvention auf einer Einschränkung der Ernissionen von seiten der Industriestaaten und nicht auf dem Schutz der Wälder in Drittweltländern liegen müsse292 •

b) Waldrelevante Regelungen und ihre Formulierung Die einzige ausdrücklich waldrelevante Verpflichtung der Konvention findet sich in Art. 4 Abs. 1 (d). Danach sollen die Vertragsstaaten eine nachhaltige Bewirtschaftung der Treibhausgassenken und -speicher, wie u. a. der Wälder, fördern und zu diesem Zweck zusammenarbeiten. Als handlungsbezogene Vorgabe weist diese Norm nur einen geringen Verpflichtungsgehalt auf. Sie definiert überdies nicht, was unter dem Begriff der nachhaltigen Bewirtschaftung zu verstehen ist. Forderungen zur Erhaltung der Regenwälder könnten sich zusätzlich auf Art. 4 Abs. 2 (a) der Konvention stützen lassen. Diese Norm verpflichtet ganz allgemein zum Schutz und zum Ausbau von Treibhausgassenken aus Gründen des Klimaschutzes. Allerdings ist sie nur auf sogenannte Annex-1-Vertragsparteien anwendbar, worunter vornehmlich die Industrieländer fallen. Diese Differenzierung in den Vertragspflichten läßt das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlich hohen Verantwortlichkeiten erkennen, das der Konvention zugrunde liegt293 • Inhalt und Umfang der Vertragsverpflichtungen werden durch die sozio-ökonornische Lage der Vertragsstaaten und ihren bisherigen Beitrag zur Klimaveränderung bestimmt294 • Die Hauptverantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels schluß eines entsprechenden Tropenwaldprotokolls: Gipfelerklärung des Europäischen Rates in Dublin, Anlage II: Notwendigkeit des Schutzes der Umwelt, EG-Nachrichten, Dok. Nr. 7 vom 29. Juni 1990). Eine derartige Möglichkeit wurde auch von den G7-Staaten in ihrer Deklaration zum Weltwirtschaftsgipfel im Juli 1990 in Betracht gezogen (Houston Economic Declaration vom 11. Juli 1990, Ziffer 67; das Dokument ist zu erhalten über das Internet: http://www.library.utoronto.ca/g7/summit). Im Rahmen der Vertragsverhandlungen sah lediglich ein niederländischer Entwurf eine stärkere Berücksichtigung von Waldschutzaspekten vor (Set of Informal Papers provided by Delegates, inclusive "Non-Papers", Related to the Preparation of a Framework Convention on Climate Change, 20 March 1991, UN-Dok. AJAC. 237/Misc.l/Add.1, S. 3). 291 Bodansky, YJIL 18 (1993), S. 509. 292 Sands, RECIEL 1 (1992), S. 271. 293 Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 der Präambel. 294 Art. 4 der Konvention. Vgl. dazu näher Biermann, S. 48 ff. ; Sands, RECIEL l (1992). s. 273 ff.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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kommt dementsprechend den Industrieländern zu 295 . Diese Wertung der Konvention ist bei der Auslegung ihrer Vertragsbestimmungen zu berücksichtigen. Sie führt dazu, daß auch über den bereits erwähnten Art. 4 Abs. 1 (d) von Entwicklungsländern nur eingeschränkt Bemühungen zur umweltgerechten Nutzung ihrer Regenwälder verlangt werden können296 • Mittelbar könnten auch Verpflichtungen zur Reduktion von C02-Emissionen der Erhaltung tropischer Wälder dienen. Die Freisetzung von Treibhausgasen geht nämlich gerade in Drittweltstaaten zu einem bedeutenden Teil auf die Brandrodung von Waldarealen zurück297 • Aufgrund ihrer Verantwortungsverteilung enthält die Klimarahmenkonvention jedoch keine Vorgaben, die von Entwicklungsländern konkrete Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen verlangen. Drittweltstaaten sind nur ganz allgernein und losgelöst von spezifischen Sachbereichen zur Entwicklung und Umsetzung von Programmen verpflichtet, die auf eine Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen zielen298 • Eine näher beschriebene Reduktionsvorgabe wurde lediglich für entwickelte (Annex-1-)Staaten festgelegt299• An dieser Verantwortungsverteilung wird sich jedenfalls bis 2008 nichts ändern. Das Kyoto-Protokoll300 als Zusatzvereinbarung zur Rahmenkonvention, das konkrete Reduktionsverpflichtungen für Treibhausgase bis zum Zeitraum 2008-2012 enthält301 , hat keine weitergehenden Verpflichtungen für EntwickArt. 3 Nr. 1, Art. 4 Abs. 2. Ähnlich auch Biermann, S. 48. 297 Goldemberg/Durham, IEA 2 (1990), S. 26, sprechen davon, daß allein die Waldzerstörung im Amazonasbecken 4,5 %der globalen C02-Freisetzung ausmacht. 298 Art. 4 Abs. 1 (b) der Klimarahmenkonvention. Zur Kontrolle der Maßnahmen sieht Art. 12 ein Berichtsverfahren vor, das auch für Nicht-Annex-I-Staaten gilt (Abs. 3). Sie haben ihre Berichte aber grundsätzlich erst drei Jahre, nachdem der Vertrag für sie in Kraft getreten ist, vorzulegen (Abs. 5). 299 Nach Art. 4 Abs. 2 (a) und (b) sollte bis zum Jahr 2000 eine Absenkung des Emissionsniveaus auf den Stand von 1990 erreicht werden. Die Formulierung der Vertragsvorgaben ließ aber offen, ob es sich um die Festlegung einer bindenden Reduktionsverpflichtung handeln sollte oder lediglich um eine unverbindliche Zielvorgabe. Näher zur Auslegung: Bodansky, YJIL 18 (1993), S. 451 ff. 300 Das Protokoll vom 10. Dezember 1997 findet sich abgedruckt in ILM 37 (1998), S. 32 ff. Es ist bisher noch nicht in Kraft getreten. Dies geschieht nach Art. 24 Abs. 1, wenn 55 Staaten, die 1990 zusammen zumindest 55 %des C02-Ausstoßes verursacht haben, das Protokoll ratifizieren. Im Juli 200 I betrug die Zahl der Ratifikationen 37. Eine zusammenfassende Beschreibung des Protokollinhalts findet sich bei McGivem, ILM 37 (1998), S. 22 ff. 301 Gemäß Art. 3 Abs. 1 des Protokolls ist die Gruppe der Annex-I-Staaten (überwiegend die entwickelten Staaten) als Ganzes verpflichtet, ihre Treibhausgasemmissionen auf ein 295

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

lungsländer begründet302 • Es hebt nur hervor, daß Programme zur Abschwächung der Klimaänderung auch im Bereich der Forstwirtschaft durchgeführt werden können303 • Die Entscheidung über die inhaltliche Ausgestaltung nationaler Klimaschutzpolitiken bleibt jedoch den Nationalstaaten überlassen. c) Anreizmechanismus und institutionelle Ausgestaltung In Weiterentwicklung der bisherigen Vertragsumsetzungspraxis eröffnet das Kyoto-Protokoll die Möglichkeit, Bemühungen um die Erhaltung der Regenwälder über Anreize eine stärkere Bedeutung zu verschaffen. So haben die Vertragsparteien in Vorbereitung auf ihre erste Sitzung als Vertragsstaaten unter dem Kyoto-Protokoll auf der Klimakonferenz in Bonn vom 16.-27. Juli 2001 beschlossen, einen "special climate change fund" einzurichten304 . Er soll auch eine Finanzierung von Waldbewirtschaftungsmaßnahmen ermöglichen305 • Verpflichtungen zur Beitragszahlung in den Fonds wurden indes nicht festgelegt. Nach dem Willen der Parteien soll er nur aus freiwilligen Zuwendungen gespeist werden306• Dem Fonds kommt überdies nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Der Hauptfinanzierungsmechanismus des Klimaregimes, die GEF, erlaubt keine Förderung von Walderhaltungsprojekten aus ihren Mitteln307 • Niveau zurückzufahren, das mindestens 5 %unter dem von 1990 liegt. Das Protokolllegt für die einzelnen Industrieländer unterschiedlich hohe Reduktionsverpflichtungen fest (Annex B des Protokolls). Mit Decision 5/CP.6, VIII, Conference ofParties, 6th Session, Part 2, Bonn, 16-27 July 2001 (UN-Doc. FCCC/CP/2001/L.7) wurde ein "compliance response system" beschlossen, über das bei einer Verletzung dieser Reduktionsverpflichtungen in kooperativer Weise auf eine Erfüllung der Vorgaben hingewirkt werden soll. 302 Art. 10 des Protokolls betont: " ... without introducing any new commitments for parlies not included in Annex I". 303 Art. 10 (b) (ii) des Protokolls. 304 Decision 5/CP.6, Annex, I, 3 (c) (ii) sowie die Ausführungen unter der Überschrift "special climate change fund", Conference ofthe Parties, 6th Session, Part 2, Bonn, 16-27 July 2001 (UN-Doc. FCCC/CP/2001/L.?, 24 July 2001). 305 Decision 5/CP.6, Annex, I, Unterüberschrift "special climate change fund", I (c). 306 I, Unterüberschrift "special climate change fund", 2. 307 Art. 4 Abs. 3 und Art. 11 des Klimarahmenübereinkommens sieht den Aufbau eines Finanzierungsmechanismus zur Übernahme der vereinbarten vollen Kosten für Klimaschutzprojekte vor. Unter den Begriff der Klimaschutzprojekte lassen sich dabei im Grundsatz auch Walderhaltungsbestrebungen fassen. Die GEF, die auf Grundlage des Art. II Abs. 3 mit der Finanzabwicklung betraut ist, hat eine Finanzierung von Bestrebungen zur Bewahrung der Wälder aus dem Budget der Klimarahmenkonvention indes abgelehnt. Dies geschah, um mögliche Überschneidungen mit dem Förderetat des Biodiversitätsabkornrnens zu vermeiden; vgl. Tarasofsky, ZaöRV 56 (1996), S. 678. Das Kyoto-Protokoll enthält keine Vorgaben zur Änderung dieser Praxis.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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Gewisse Unterstützungsmöglichkeiten für Drittweltstaaten bei der Durchführung von waldrelevanten Klimaschutzmaßnahmen eröffnet auch ein Verfahren, das unter der Bezeichnung des "joint implementation" bekannt geworden istl08 • Unter diesem Begriff wird eine primär bilaterale Klimaschutzkooperation verstanden, bei der ein Staat in Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen in einem anderen Land investiert und sich die erzielten C0 2-Einsparungen auf seine eigene Reduktionsverpflichtung anrechnen läße09 • Eine derartige Zusammenarbeit beruht auf zwei Grundgedanken: Zum einen erweist es sich wegen der globalen Wirkung von Treibhausgasen als unerheblich, wo Maßnahmen zur Verringerung der Ernissionen vorgenommen werden 310• Zum anderen ist aufgrund der unterschiedlichen technischen und ökonomischen Entwicklung der Staaten eine bestimmte Emissionseinsparung an anderen Standorten kostengünstiger und flexibler zu erreichen311 • Dies gilt insbesondere für Drittweltländer, in denen Energieträger vergleichsweise ineffizient genutzt werden. "Joint implementation" bringt für beide Seiten Kooperationsgewinne mit sich. Während Entwicklungsländer auf diese Weise in den Genuß zusätzlicher Finanzmittel und Technologien

308 Vgl. näher zu diesem Verfahren: Gupta, S. 116 ff. ; Banholzer, S. 87 ff.; Yamin, S. 229 ff. 309 Diese Form der Zusammenarbeit basiert auf Art. 4 Abs. 2 (a) S. 3 und Art. 3 Ziffer 3 S. 4 der Klimarahmenkonvention. Da sich aus den Regelungen keine eindeutigen Aussagen über den Teilnehmerkreis der gemeinschaftlichen Klimakooperation ableiten lassen, war die Frage der Beteiligung von Drittweltstaaten am ,joint implementation" zunächst umstritten. Gegen eine Einbeziehung von Projekten in Entwicklungsländern wurde von seiten verschiedener Industriestaaten vorgebracht, daß sich über derartige Projekte keine Verbesserung des ökologischen Standards sicherstellen ließe. Da Drittweltstaaten nicht zur Umsetzung konkreter Klimaschutzvorgaben verpflichtet seien, könne eine nachträgliche Entwertung der Projekte nicht ausgeschlossen werden. Einige Entwicklungsländer kritisierten, die entwickelten Staaten würden sich über ein ,joint implementation" von ihren Klimaschutzverpflichtungen freikaufen. Vgl. näher zu den vorgebrachten Argumenten: Yamin, S. 238 ff.; Banholzer, S. 96 ff. Die Entscheidungen der Vertragsstaatenkonferenz zur Durchführung eines ,,Joint-implementation"-Pilotprojekts (Decision 5/CP.I, Ziffer I (a), Ist Meeting of the Conference of Parties, 28 March-7 April 1995, Bonn/Germany, abgedruckt im Report of the Conference ofParties on lts First Session, 28 March-7 April 1995, Berlin/Germany, Doc. FCCC/CP/199517/Add.l , Annex I) und über seine Weiterführung (Decision I O/CP.3, 3rd Meeting ofthe Conference ofParties, 1-10 December 1997, Kyoto/ Japan, abgedruckt im Report of the Conference of Parties on Its Third Session, 1-10 December 1997, Kyoto/Japan, Doc. FCCC/CP/1997/7/Add.l, S. 41) haben den NichtAnnex-I-Staaten die Mitarbeit an entsprechenden Projekten freigestelt. 310 Banholzer. S. 87. 311 Ders., S. 87 f.; Yamin, S. 231 ; Davies, ICLQ 47 (1998), S. 459. Dies entspricht dem Grundprinzip des Art. 3 Ziff. 3 S. 2 der Klimarahmenkonvention, wonach Klimaschutzmaßnahmen möglichst kostengünstig durchgeführt werden sollen.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

kommen312, läßt sich für das Investorland mit Hilfe des Verfahrens eine kostengünstigere Erfüllung von Reduktionsverpflichtungen erreichen. Aufbauend auf dem bisherigen Pilotprogramm zum "joint implementation"313 unter der Klimarahmenkonvention enthält das Kyoto-Protokoll nähere Vorgaben zum Ausbau dieser Zusammenarbeit. Die Kooperation zwischen Annex-I- und Nicht-Annex-I-Staaten soll dabei den sogenannten "clean development mechanism" bilden 314• Bereits im Rahmen der "Joint-implementation"-Pilotphase sind verschiedene Projekte zum Schutz der tropischen Wälder durchgeführt worden315 • Die Anreizwirkung für die Durchführung derartiger Projekte war allerdings begrenzt, da noch keine Möglichkeit zur Anrechnung der erzielten Reduktionen auf die Erfüllung eigener Verpflichtungen bestand316 • Mit der Formulierung des Kyoto-Protokolls wurde die Hoffnung begründet, über den zukünftigen "Clean-development"-Mechanismus auch stärkere Anreize für die Erhaltung tropischer Regenwälder zu schaffen. Das Protokoll selbst hatte offen gelassen, inwieweit der Mechanismus für die Förderung von Projekten zur Bewahrung dieser Wälder genutzt werden könnte. Da der "Clean-development"Mechanismus für Annex-I-Staaten eine flexiblere und kostengünstigere Handhabe zum Vollzug ihrer Vertragsverpflichtung bereitstellen soll317 , dürfte eine Anrechnung erzielter Emissionsreduzierungen im Grunde nur soweit gehen, wie sie bei der Durchführung vergleichbarer Projekte im eigenen Territorium möglich wäre. Das Kyoto-Protokolllegt fest, daß bei der Berechnung der Reduktionsverpflichtungen der Annex-I-Staaten zunächst nur die Waldvernichtung sowie der Grad der Aufforstung oder Wiederaufforstung berücksichtigt werden soll 318 • Ob Bemühungen zur Unterschutzstellung von Wäldern und zum Ausbau umweltgerechter Waldbewirtschaftung ebenfalls einbezogen werden können, wurde vom Protokoll

312 Loske/Oberthür, IEA 6 (1994), S. 47; Loske, S. 252; Boissonde Chazournes, S. 299; Yamin, S. 231. 313 Die Entscheidungen zur Durchführung und Fortsetzung des Programms sind in Fn. 309 aufgeführt. 314 Art. 12. Unter ,joint implementation" wird nach dem Protokoll nur noch die Zusammenarbeit zwischen Annex-I-Staaten verstanden (Art. 6). 315 Vgl. den Bericht Review of the lmplementation of Commitments and of other Provisions ofthe Convention: Activities lmplemented Jointly: Review ofthe Pilot Phase, Second Synthesis Report on Activities Implemented Jointly, Note by the Secretariat, 2 October 1998, UN-Doc. FCCC/CP/1998/2, S. 11, 20. Ferner Hönerbach, S. 92, Fn. 256. 316 Davis, ICLQ 47 (1998), S. 458. 317 Art. 12 Abs. I, Art. 3 Abs. 12 des Kyoto-Protokolls. 318 Art. 3 Abs. 3. Näher zu diesem Ansatz: Spitz, Die Friedenswarte 1998, S. 34.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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selbst nicht verbindlich bestirnrnt319 • Diese Entscheidung sollte durch die Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls getroffen werden320• Der 6. Vertragsstaatenkonferenz vom 13.-24. November 2000 in Den Haag gelang es nicht, in Vorbereitung auf das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls diesbezüglich eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die Konferenz wurde daraufhin unterbrochen. Im Rahmen eines zweiten Treffens vom 16.-27. Juli 2001 in Bonn einigte man sich darauf, bis 2008-2012 dem "clean development mechanism" nur Projekte zur Aufforstung und Wiederaufforstung zu unterstellen321 • Eine Unterstützung von Bestrebungen zur Erhaltung der noch existierenden Regenwaldgebiete oder zur Verbesserung von Waldbewirtschaftungsmethoden ist demgegenüber versagt. Diese Entscheidung läßt sich unter anderem auf den wissenschaftlichen Streit um die C02-Speicherkapazität der Wälder zurückführen. Im Rahmen des "Cleandevelopment"-Instruments sollen nur die realen, meßbaren und langfristigen Vorteile für die Stabilisierung des Klimasystems Beachtung finden 322• Der langfristige Beitrag, den ein Schutz von Waldökosystemen zur Klimastabilität leisten kann, ist wissenschaftlich umstritten. Zwar besteht Übereinstimmung, daß Wälder Treibhausgase binden323 • Nicht geklärt ist hingegen, ob die Speicherkapazität der Wälder mit zunehmendem Alter der Bäume abnirnrnt324• Die Anlegung neuer Waldplantagen mit schnellwachsenden Arten könnte sich aus Klimaschutzgründen daher als vorteilhafter erweisen als ein Schutz der noch existierenden Primärwälder325. Ein langfristiger Nutzen aus Schutzmaßnahmen wäre ferner nur sicherzustellen, wenn eine Erhaltung der Waldgebiete auch nach der Durchführung des "Clean-development"-Projekts gewährleistet wäre326• Dann müßte sich das betreffende Land aber auch zum dauerhaften Schutz des Waldareals in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verpflichten. Da über den "Clean-development"-Mechanismus überdies nur diejenigen Emissionsreduktionen angerechnet werden sollen, Art. 3 Abs. 4 S. 2. Ebenda. 321 Decision 5/CP.6, Annex, VI, 3. 8, VII, 7, Conference ofParties, 6th Session, Part 2, Bonn, 16-27 July 2001 (UN-Doc. FCCC/CP/2001/L.7, 24 July 2001). 322 Art. 12 Abs. 5 (b). 323 Vgl. den l. Teil, C. II. l. aa) (I). 324 Breidenich/Magraw/Rowley/Rubin, AJIL 92 (1998), S. 322. Nach den Ergebnissen einerneueren Studie (Schulze/Wirth/Heiman, Science 289 (2000), S. 2056 f.) soll hingegen von einer weitgehend konstanten Speicherkapazität älterer Baumbestände auszugehen sein. 325 Hönerbach, S. 92. 326 Vgl. Loske/Oberthür, IEA 6 (1994), S. 50 f. 319

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

die ohne die Durchführung des Projekts nicht entstanden wären327, wäre die Finanzierung von Maßnahmen zur Erhaltung der Wälder an sich auch nur auf aktuell gefährdete Waldgebiete beschränkt. Dies könnte Anreize für einen weniger verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wald schaffen. Die Ausklammerung von Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern erscheint aufgrund der wissenschaftlichen und politischen Divergenzen nachvollziehbar, die Erhaltung der Wälder wird durch sie aber nicht gefördert. Maßnahmen zur Aufforstung oder Wiederaufforstung verringern langfristig den Nutzungsdruck auf Naturwälder, aktuelle Erhaltungsbestrebungen lassen sich mit ihrer Hilfe jedoch nicht ausbauen. Aufgrund der jetzt getroffenen Vereinbarung ist vielmehr zu befürchten, daß in Entwicklungsländern ein weiterer Anreiz für die Vernichtung noch intakter Wälder geschaffen wird328 • Es ist nicht auszuschließen, daß die Drittweltstaaten natürliche Waldareale zugunsten kurzfristiger ökonomischer Gewinne zerstören und sich die Anlegung künstlicherWaldflächen anschließend über den Mechanismus finanzieren lassen 329• Die derzeit bestehenden Vorgaben der Klimarahmenkonvention können einem derartigen Vorgehen kaum hinreichende Grenzen setzen, da Entwicklungsländer keiner spezifischen Verpflichtung zur Erhaltung ihrer Senken oder zur Reduktion ihrer Treibhausgase unterliegen 330• Auch die Verpflichtung zur Aufstellung von Berichten über die Freisetzung und Bindung von Treibhausgasemissionen läßt keine tiefere Einsicht in das Verhalten der Entwicklungsländer zu. Die Mitteilungen müssen nämlich keine näheren Aussagen über die Entwicklung der Treibhausgassenken beinhalten331 • Die einzige Möglichkeit, Anreizen zur Zerstörung der noch bestehenden Waldareale entgegenzuwirken, liegt in der Formulierung strenger Kriterien für die Förderungswürdigkeit der in Betracht kommenden Projekte. Nach der Entschließung der Vertragsstaaten sollen Förderungsvorgaben entwickelt werden, die unter anderem gewährleisten, daß mit Hilfe der .,Clean-development"-Projekte zusätzliche, dauerhafte Waldgebiete geschaffen werden 332 •

Art. 12 Abs. 5 (c). Vgl. Pontecorvo, ZaöRV 59 (1999), S. 729. 329 Ebenda. 330 Ebenda. 331 Art. 10 (b) (ii) 2. Hs. verlangt von Nicht-Annex-I-Staaten, soweit angemessen, Möglichkeiten zur Einbeziehung von Aussagen über die Entwicklung der Senken in die nationalen Berichte zu suchen. 332 Decision 5/CP.6, Annex I. VI, 3.8, Conference of the Parties, 6th Session, Part 2, Bonn, 16-27 July 2001 (UN-Doc. FCCC/CP/2001/L.? , 24 July 2001). 327 328

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

131

Die dargestellten Probleme beruhen im wesentlichen darauf, daß sich über das Klimaregime keine umfassende Berücksichtigung von Walderhaltungsaspekten sicherstellen läßt. Zwar könnte man unter dem Dach der Klimarahmenkonvention ein Protokoll zur Festlegung konkreter Vorgaben für die Erhaltung der (Regen-) Wälder erarbeiten333 • Das Hauptziel des Übereinkommens liegt aber in der Erhaltung der Klimastabilität Für die Erfüllung dieser Zielvorgabe spielen andere Waldfunktionen als der Beitrag der Wälder zur Erhaltung eines stabilen Klimasystems keine größere Rolle334. Innerhalb des Klimarahmenübereinkommens ließe sich eine Berücksichtigung von Walderhaltungsstrategien nur gewährleisten, wenn eine Vertragsabwicklung in Übereinstimmung mit Regelungen erfolgt, die sich aus anderen Umweltschutzverträgen ergeben und einen weitreichenderen Schutz verfolgen335 . Auf Grundlage der bisherigen Ausführungen ist hier insbesondere an die Regelungen der Biodiversitätskonvention zu denken. Die Vertragsstaatenkonferenz des Abkommens zum Schutz der biologischen Vielfalt hat zwischenzeitlich die Organe der Klimarahmenkonvention aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, daß deren Entscheidungen im Einklang mit Regelungen zur Erhaltung der Biodiversität stehen336 • Darüber hinaus wurde eine stärkere Vemetzung beider Vertragsregime eingefordert337 . Die Klimarahmenkonvention mit einer zweijährlich tagenden Vertragsstaatenkonferenz338 und je einem Nebenorgan für die wissenschaftliche und technologische Beratunt39 sowie für die Durchführung des Übereinkommens340 verfügt über einen angemessenen institutionellen Rahmen, um eine entsprechende Zusammenarbeit Art. 17. Brunnee/Nollkaemper, Natural Conservation 23 (1996), S. 311. 335 Ähnlich auch Pontecorvo, ZaöRV 59 (1999), S. 737 ff. 336 Decision V /4, Ziffer 16, 5th Meeting of the Conference of Parties, 15-26 May 2000, Nairobi/Kenia (abgedruckt im Report ofthe Fifth Meeting ofthe Conference ofParties to the Convention on Biological Diversity, 22 June 2000, UNEP/CBD/COP/5/23). 337 Decision V /4, Ziffer 17, 18 und 20, 5th Meeting of the Conference of Parties, 15-26 May 2000, Nairobi/Kenia. 338 Art. 7. 339 Art. 9. 333

334

340 Art. I 0. Dieses Gremium soll die Vertragsstaatenkonferenz bei der Überprüfung und Beurteilung der Erfüllungs- und Wirkungseffektivität des Übereinkommens unterstützen (Art. 10 Abs. 1). Gemäß Art. 10 Abs. 2 (a) und (b) hat es sowohl die von den Parteien bereitzustellenden Informationen über die nationalen Treibhausgasemissionen als auch die von ihnen durchgeführten Maßnahmen zu beurteilen. Das Gremium ist nicht mit unabhängigen Wissenschaftlern, sondern sachkompetenten Regierungsvertretern besetzt. Es bestehen also Einflußnahmemöglichkeiten der Nationalstaaten auf die Entscheidungstindung im Nebenorgan.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

gewährleisten zu können. Die bisherigen Entscheidungen der Vertragsstaatenkonferenz setzen einer solchen Kooperation jedoch einen eng begrenzten Rahmen.

5. Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt a) Geltungsbereich und waldrelevante Vorgaben Ziel der UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt341 ist es, Kulturgüter und Naturgebiete von außergewöhnlichem universellen Wert342 im Interesse der gesamten Menschheit zu erhalten343 • Das Übereinkommen verpflichtet jeden Vertragsstaat, Naturerbegebiete auszuweisen344 und die Erhaltung der Areale in Bestand und Wertigkeit sicherzustellen345 • Dazu sind neben einer allgemeinen Förderungspolitik administrativ-technische und wissenschaftliche Maßnahmen durchzuführen346• Stärker konkretisierte Schutzpflichten enthält die Konvention nicht. Ihre allgemeingehaltenen Vorgaben werden durch zusätzliche "escape-clauses" abgemildert347 • Mit der Begrenzung des Regelungsbereichs auf bestimmte Gebiete mit außergewöhnlichem weltweiten Wert läßt sich ein weiträumiger Schutz von tropischen Waldökosystemen über das Übereinkommen nicht erreichen. Da die Zahl möglicher Weltnaturerbeareale nach oben hin nicht begrenzt ist und gerade Regenwälder wegen ihrer ökologischen Eigenschaften als besonders erhaltungswürdig 341 Die deutsche Übersetzung des Vertragstextes vom 23. November 1972 findet sich abgedruckt im BGBI. 1977 II, S. 215 ff. Im Mai 200 I wies die Konvention 164 Vertragspartner auf. Darunter befindet sich der Großteil der Regenwaldstaaten mit Ausnahme von Liberia, Sierra Leone, Äquatorial-Guinea, Bhutan, Brunei, Singapur, Guadeloupe, Saint Vincent, Trindad und Tobago. 342 Art. I und 2 der UNESCO-Konvention. 343 Lyster, S. 208; v. Schorlemer, S. 561, unter Betonung des Kulturgüterschutzes. V gl. auch die Aussagen in der Präambel, Abs. 3 (..In der Erwägung, daß der Verfall oder Untergang jedes einzelnen Kultur- oder Naturerbes eine beklagenswerte Schmälerung des Erbes aller Völker der Welt darstellt"), Abs. 6 (.,In der Erwägung .. . , welche Bedeutung der Sicherung dieses einzigartigen und unersetzlichen Gutes, gleichviel welchem Volk es gehört, für alle Völker der Welt zukommt") und Abs. 7 (.... . als Bestandteil des Welterbes der gesamten Menschheit erhalten werden müssen").

Art. 3. Art. 4. 346 Art. 5 (a)-(e). 344

345

347 So spricht Art. 4 S. 2 davon, daß jeder Staat .,alles in seinen Kräften Stehende" zum Schutz der Erbes tun soll. Art. 5 verlangt Bemühungen .,nach Möglichkeit und im Rahmen der Gegebenheiten des Landes".

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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anzusehen sind, könnte die Konvention dennoch die Grundlage für stärkere Walderhaltungsbestrebungen bilden. Ob und inwieweit es zur Einrichtung von Weltnaturerbegebieten in bestimmten Ökosystemen kommt, bleibt nach dem Übereinkommen allerdings der Entscheidung der jeweiligen Vertragspartei überlassen. Allein sie hat über die Ausweisung eines Gebietes innerhalb ihres Territoriums zu befinden348 . Soweit ersichtlich, wurden bislang lediglich 32 Waldareale der Erde zum Weitnaturerbe erklärt349 . Etwa ein Drittel davon befindet sich in tropischen Regenwaldgebieten350. Die bisherige Vertragspraxis läßt damit keine Schwerpunktlegung auf die Bewahrung (tropischer) Waldökosysteme erkennen.

b) Anreizsystem Die Anreize der Konvention für eine Ausweisung von Weltnaturerbegebieten sind begrenzt. Sie knüpfen an die Aufnahme des Areals in die Liste des Erbes der Welt an. Über einen nationalen Schutz hinaus 351 verpflichtet die Konventionjedes Mitglied, Naturerbegebiete, die für eine Aufnahme in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt in Betracht kommen352, dem Komitee für das Erbe der Welt353 Fitschen, Internationaler Kulturgüterschutz, S. 193. Intergovernmental Forum on Forests, Information on Forest-Related Work under Existing Instruments, Background Document 5, 30 July 1998/Working Draft /BD.5, Abschnitt III, Ziffer 2. 350 Vgl. dazu die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt mit einer Beschreibung des jeweiligen Objekts im Internet unter http://www.unesco.org/whc.heritage.htm. 351 Nach Lyster, S. 226, gelten die Verpflichtungen der Art. 3 bis 5 unabhängig davon, ob ein Gebiet tatsächlich auf die sogenannte Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt gesetzt wird. 352 Der Begriff des Naturerbes mit außergewöhnlichem universellen Wert hat durch die Richtlinie Operational Guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention, March 1999, UNESCO-Dok. WHC-99/2 des zwischenstaatlichen Komitees der Konvention (Art. 8 Abs. 1) eine Konkretisierung erfahren. Danach sind Gebiete von außergewöhnlichem Wert, wenn sie folgende Merkmale aufweisen: " l. [ are] outstanding examples representing major stages of the Earth' s history, 2. [are] outstanding examples representing significant on-going ecological and biological processes in the evolution of ecosystems and communities of plants and animals, 3. contain superlativenatural phenomena or areas of exceptional beauty and aesthetic importance, or 4. contain the most important and significant habitats for in-situ-conservation ofbiological diversity." Erforderlich ist ferner, daß das betreffende Gebiet einem Management-Plan unterliegt und über einen angemessenen langfristigen gesetzlichen oder institutionellen Schutz verfügt. 348 349

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

zu melden. Dieses zwischenstaatliche Gremium entscheidet über eine Anerkennung der Areale als Weltnaturerbe354. Bei positiver Entscheidung kann ein Staat zur Erhaltung des Naturerbegutes eine internationale Unterstützung beantragen, die aus dem Fonds für das Erbe der Welt finanziert wird355 • Die Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten zur Leistung von Zuwendungen an den Fonds, wobei die Pflichtbeiträge auf maximal 1% der Beiträge des jeweiligen Mitgliedsstaates zur UNESCO begrenzt sind356 . Mit einem Umfang von Förderungsmitteln in Höhe von 2-3 Mio. US-Dollar jährlich357 ist das Finanzierungspotential des Fonds vergleichsweise gering358 . Es nimmt mit einer Zunahme der Zahl von Welterbeobjekten immer weiter ab 359. In der Praxis wird die Durchführung von Unterstützungsprojekten vielfach erst unter Zuhilfenahme weiterer Finanzquellen möglich 360. Eine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur zusätzlichen Hilfeleistung besteht dabei nicht. Zwar spricht Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens davon, daß jeder Vertragsstaat gehalten ist, auf Ersuchen des Heimatstaates bei Erfassung, Schutz und Erhaltung des Weltnaturerbes zu helfen. Diese Regelung wird jedoch nicht als Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Leistung einer weiteren Unterstützung außerhalb des institutionellen Rahmens des Vertragswerkes verstanden361. Sie solllediglich auf die Beitragsverpflichtung gegenüber dem Fonds hinweisen. Abgesehen vom geringen Finanzierungspotential wird der Anreiz zur Ausweisung von Regenwaldgebieten zusätzlich durch die starke Orientierung der Ein gesteigerter Schutz von Regenwaldgebieten wäre insbesondere auf Grundlage der Punkte 3 und 4 möglich. 353 Gemäß Art. 8 Abs. I S. 3 besteht das Komitee aus 21 Staatenvertretern. 354 Art. II Abs. 2. Solange kein Antrag eines Staates auf Listung vorliegt, ist die Ausweisung eines Gebietes auch dann nicht möglich, wenn an seinem außergewöhnlichen universellen Wert keine Zweifel bestehen; vgl. Art. II Abs. 3. 355 Art. 15, Art. 19-22. 356 Art. 15 Abs. 3 (a) i. V. m. Art. 16 Abs. I S. 3. Nach Swanson, S. 88, bestimmen sich die UNESCO-Beiträge nach dem UN-Verteilungsschlüssel, der auf die finanzielle Leistungsfahigkeit des jeweiligen Mitgliedstaates abstellt. 357 Angaben des Komitees zur Finanzlage; abgedruckt bei Swanson, S. 89. 358 Ebenda. 359 Im Dezember 2000 waren 138 Weltnaturerbegebiete gelistet. 360 v. Droste zu Hülshoff/Mayerhofer, Spektrum der Wissenschaft, November 1995, S. 40. In derartigen Fällen kann die Einbeziehung des Fonds dazu beitragen, dem Förderungsbegehren eine stärkere Legitimität zu verleihen. 361 Genius-Devime, S. 292; Meyer, EU 2 (1976), S. 52; wohl auch Fitschen, Internationaler Schutz des Kulturerbes, S. 195 f., der von einer verfahrensmäßigen Ausgestaltung der Unterstützungsmaßnahmen durch das Übereinkommen spricht.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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Konvention auf den Ausbau von Schutzgebieten beschränke62 . Sicherlich stellt ein solcher Ansatz bei abstrakter Betrachtung das wirksamste Mittel zur Erhaltung des betreffenden Umweltgutes dar. Mit einem reinen Schutzansatz geht jedoch eine weitgehende Begrenzung von Umweltnutzungsmöglichkeiten einher363. Die Ausweitung von Weltnaturerbegebieten in einem bestimmten Ökosystem erscheint daher wenig realistisch, wenn der betreffende Staat dieses als bedeutende Wirtschaftsressource ansieht. Der immaterielle Bedeutungszuwachs, der mit einer Anerkennung als Weltnaturerbe verbunden ist, läßt sich zwar über den Aufbau von Tourismusprogrammen in einen ökonomischen Wert umwandeln.\6.1. Derartige Konzepte sind ihrer Natur nach jedoch immer nur begrenzt anwendungsfähig.

c) Institutionelle Vorgaben zur Umsetzungskontrolle und Weiterentwicklung In institutioneller Hinsicht erfolgt eine Koordinierung der Umsetzung des Abkommens durch das Komitee für das Erbe der Welt. Dieses ist allerdings nicht befugt, verbindliche Entscheidungen über den Umgang mit Weltnaturerbearealen gegen den Willen eines Mitgliedstaates zu treffen. Es kann lediglich Empfehlungen abgeben365 oder Maßnahmen im Einvernehmen mit den betroffenen Ländern einleiten366 . Die UNESCO-Konvention erweist sich damit als Kooperationsabkommen367, das die souveränen Rechte der Staaten in besonderem Maße berücksichtigt. Instrumente zur Kontrolle der Staaten wurden lange Zeit nicht in die Praxis umgesetzt. Nach Art. 29 sollen die Staaten nach näher festzulegenden Bedingungen der Generalkonferenz der UNESCO über die durchgeführten Schutzmaßnahmen berichten. Dieser Mechanismus wurde jedoch erst 1997, mehr als 20 Jahre nach dem Wirksamwerden der Konvention, von der Generalkonferenz in Kraft gesetzt368 . Nunmehr sollen die Staaten alle sechs Jahre über die Umsetzung 362 Train, Nature & Resources 9 (1973), S. 2. 363 Tarasofsky, ZaöRV 56 (1996), S. 677. 364 Laut Forster/Osterwaldt, S. 76, gehören Welterbeareale zu den touristisch am meisten genutzten Naturschutzgebieten. 365 Laut Roucounas, RDHI 31 (1978), S. 57, hat das Komitee seine Kompetenzen in der Praxis über den vertraglich vorgesehenen Zuständigkeitsbereich hinaus ausgeweitet und Empfehlungen abgegeben, ohne das Einverständnis des betroffenen Staates abzuwarten. 366 Art. II Abs. 7. 367 Fitschen, Internationaler Schutz des Kulturerbes, S. 196. 368 Die Entscheidung des Generalkonferenz findet sich abgedruckt im Report of the 22nd Session ofthe World Heritage Committee, 30 November-5 December 1998, Kyoto/Japan, WHC-98/Con.203/18.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

des Abkommens berichten369 . Bis dato wurde die Beratungsgrundlage des Komitees vornehmlich durch Mitteilungen geschaffen, die seinem Sekretariat von der IUCN zugeleitet wurden370• Das Komitee für das Erbe der Welt fordert von den Staaten jetzt auch die Durchführung von "Monitoring"-Verfahren 371 • Das "compliance control system" der Konvention wurde somit erst vergleichsweise spät in die Praxis umgesetzt.

6. Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung Die Ramsar-Konvention über Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung kann nur einen äußerst geringen Beitrag zum Schutz der Regenwälder leisten372 • Mit ihrer Ausrichtung auf Feuchtgebiete373 erlaubt sie lediglich eine Einbeziehung der Mangrovenwälder als besonderen Regenwaldtypus 374 • In der bisherigen Praxis haben Maßnahmen zum Schutz gerade dieser Lebensräume allerdings noch keine Priorität erlangt. Artikel 2 Abs. 1 der Konvention verpflichtet Vertragsstaaten allgemein, Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung zu bestimmen. Diese werden vom Bureau der Konvention in eine Liste aufgenommen. Jeder Staat hat mindestens ein Gebiet auszuweisen375 • Die Konkretisierung des Begriffs des Gebietes von internationaler Bedeutung bleibt zu einem bedeutenden Teil der Disposition der Vertragsparteien überlassen 376• Nach der Konvention soll der Schutz der gelisteAbschnitt Vl.7 des Report. Vgl. Art. 14 Abs. 2. 371 Operational Guidelines, WHC-99/2, unter II, Ziffer 68 ff. 372 Die Konvention wurde am 2. Februar 1971 vereinbart. Sie verfügte im Juli 2001 über 124 Vertragspartner. Ihr Text findet sich abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter Nr. 62. 373 Vgl. die Legaldefinition in Art. 1 Abs. I des Abkommens: "Wetlands are areas of marsh, fen, peatland and water, whether natural or artificia1, permanent or temporary, with water that is static or flowing, fresh, brakish or salt, including areas of marine water in depth of which at low tide does not exceed six meters". 374 Zur Bedrohung dieser Wälder: Mohammed, Ocean Yearbook 12 (1996), S. 247 ff. 375 Art. 2 Abs. 4. Im Juli 2001 waren 1.073 Gebiete gelistet. 376 Gewisse Anhaltspunkte lassen sich aus der Konvention ableiten. So spricht Art. 2 Abs. 2 davon, daß die internationale Bedeutung des Feuchtgebietes an ökologischen, botanischen, zoologischen, limnologischen oder hydrologischen Faktoren zu messen ist. Zur weiteren Konkretisierung wurden von der Vertragsstaatenkonferenz Richtlinien verabschiedet (Rec. 1.4, 1st Meeting of the Conference of Parties, 24-29 November 1980, Cagliari/ 369

370

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

137

ten Areale lediglich "verstärkt" werden; darüber hinaus ist die Erhaltung von Feuchtgebieten ganz allgemein durch den Ausbau von Schutzarealen zu "fördern"377 und deren überlegte Nutzung "soweit wie möglich zu verbessern" 378 • Mit diesen lediglich verhaltensbezogenen Vorgaben unter zusätzlicher Verwendung von "escape-clauses" ist der Verpflichtungsgehalt der Konventionsvorgaben als relativ gering anzusehen379 • Der Mangel an Anreizmechanismen380 und Kontrollinstrumenten hat die Erfüllungseffektivität des Abkonunens bis dato beeinträchtigt. Artikel 3 Abs. 2 verpflichtet die Staaten zwar, Änderungen des ökologischen Charakters eines Feuchtgebietes durch bevorstehende oder gegenwärtige menschliche Einwirkungen so schnell wie möglich dem Bureau zu melden. Dieses hat die Mitteilungen der Vertragsstaatenkonferenz zuzuleiten381 , die nach einer Beratung unverbindliche Empfehlungen zur Erhaltung des Naturguts abgeben kann382 • Da die Vertragsstaatenkonferenz aber nur alle drei Jahre zusarnrnentritt383, erschien eine zeitlich angemessene Reaktion auf Beeinträchtigungen in Feuchtgebieten kaum möglich. Im Rahmen der Vertragspraxis der letzten Jahre wurde versucht, auf diese Defizite zu reagieren. So wurde ein Standing Committee eingerichtet, das zwischen den Vertragsstaatenkonferenzen Empfehlungen für Schutzmaßnahmen abgeben Italy; Res. V/9, 5th Meeting ofthe Conference ofParties, 9-16 June 1993, Kushiro/Japan; Res. Vl/2 und Vl/3, 6th Meeting of the Conference of Parties, 19-27 March 1996, Brisbane/Australia. (Die Entscheidungen sind aufgeführt im Internet: http://www.ramsar.org.) Da eine Aufnahme in die Liste der Feuchtgebiete ohne Gegenprüfung und nur aufgrund einer vorherigen Entscheidung des betroffenden Staates erfolgt, bleibt die Auslegung der Kriterien zum großen Teil ihm selbst überlassen. 377 Art. 4 Abs. 1. 378 Art. 3 Abs. I. Eine nähere Konkretisierung des Begriffs erfolgte durch: Rec. 3.1 und 3.3, 3rd Meeting of the Conference of Parties, 27 May-5 June 1987, Regina/Canada; Rec. 4.10, 4th Meeting of the Conference of Parties, 27 June-4 July 1990, Montreux!Switzerland; Res. V/6, 5th Meeting of the Conference of Parties, 9-16 June 1993, Kushiro/Japan. 379 So auch Lyster, S. 206. 380 Swanson, S. 84 f., 125, geht davon aus, daß mit der Listung ideelle Vorteile einhergehen. Diese dürften allerdings vergleichsweise gering sein. Die Listungsvorschläge unterliegen keiner näheren Überprüfung. Eine Listung hat damit wesentlich weniger Gewicht als in einem Fall, in dem eine internationale Autorität über sie entscheidet. Die Tatsache, daß ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung keinem hohen Schutzstandard unterliegen muß, mindert die Bedeutung einer derartigen Ausweisung zusätzlich. 381 Art. 8 Abs. 2 (d). 382 Art. 6 Abs. 2 (c). 383 Art. 6 Abs. I i. V. m. Res. 1111, 2nd Meeting ofthe Conference ofParties, 7-12 May 1984, Groningen/Netherlands.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

kann und dadurch eine kontinuierliche Zusammenarbeit ermöglicht384 . Das Komitee entscheidet ferner über die Vergabe von Mitteln aus dem 1990 eingerichteten Ramsar Srnall Grants Fund385 . Sein Budget hängt völlig von freiwilligen Beiträgen der Vertragsstaaten oder Dritter ab. In der Praxis kommt ihm nur eine begrenzte Wirkung zu 386 . Neben finanzieller Unterstützung wird auch institutionelle Hilfe angeboten. Feuchtgebiete, die in ihrem Bestand oder ihrer ökologischen Wertigkeit gefährdet sind, können auf Antrag des betroffenen Staates in ein Register aufgenommen werden und einen Aktionsschwerpunkt der internationalen Kooperation bilden387 • Zur stärkeren Einbeziehung des wissenschaftlichen und technischen Sachverstandes wurde schließlich ein Scientific and Technical Panel aus Experten eingerichtet388 • Neben einem Ausbau vertragsinterner Strukturen ist die Vertragsstaatenkonferenz bemüht, externe Akteure zur Verbesserung der Vertragsumsetzung einzubeziehen. So werden auch NGOs als Kooperationspartner angesehen389 . Von ihnen wird "erwartet", zur Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Erhaltung der Feuchtgebiete beizutragen390. Von der Möglichkeit einer Weiterentwicklung

384 Res. III/3, 3rd Meeting of the Conference of Parties, 27 May-5 June 1987, Reginal Canada. Zur Besetzung: Res. VIV!, 7th Meeting ofthe Conference ofParties, 10-18 May 1999, San Jose/Costa Rica. 385 Res. IV/3, 4th Meeting ofthe Conference ofParties, 27 June-4 July 1990, Montreux/ Switzerland (Einrichtung des "Ramsar Conservation Wetland Fund"); Res. V/8, 5th Meeting ofthe Conference of Parties, 9-16 June 1993, Kushiro/Japan; Res. Vl/6, 6th Meeting of the Conference of Parties, 19-27 March 1996, Brisbane/Australia (Umbenennung des Funds in den Small Grants Fund for Wetland Conservation and Wise Use). 386 Als Zielvorgabe soll der Fonds über 1 Mio. Dollar jährlich verfügen, wobei die Projektförderung im Einzelfall auf 40.000 Schweizer Franken begrenzt sein soll; vgl. die Information der IUCN zur Konvention http://www.2.iucn/themes/ramsar. 387 Hierbei handelt es sich um das sogenannte Montreaux Record, eingeführt durch Rec. 4.8, 4th Meeting of the Conference of Parties, 27 June-4 July 1990, Montreux/Switzerland, und Res. V/4, 5th Meeting of the Conference of Parties, 9-16 June 1993, Kushiro/Japan. Eine Form der Unterstützung bildet dabei das "Management-Guidance"-Verfahren, eingeführt durch Rec. 4.3. Dies sieht eine Vor-Ort-Untersuchung durch ein Expertengremium vor, das aufgrundseiner Feststellungen Empfehlungen für Umweltschutzmaßnahmen erarbeiten soll. Ob die staatlichen Stellen diese Vorschläge umsetzen, bleibt ihnen überlassen. 388 Res. V/5, 5th Meeting of the Conference of Parties, 9-16 Juni 1993, Kushiro/Japan. Zur Besetzung vgl. Res. VII/2, 7th Meeting ofthe Conference ofParties, 10-18 May 1999, San Jose/Costa Rica. 389 Res. VII.3, 7th Meeting of the Conference of Parties, 10-18 May 1999, San Jose/ Costa Rica. 390 Res. VII.3, Annex, Ziffer 1.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

139

des Vertragswerkes durch Protokolle391 wurde bisher noch kein Gebrauch gemacht.

7. Waldrelevante Regelungen der Lome-Abkommen Die Vereinbarungen von Lome392 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) stellen zeitlich aufeinanderfolgende Assoziierungabkommen d~93 , mit deren Hilfe die Entwicklung der AKPStaaten unterstützt werden soll 394 . Im Rahmen der Lome-Verträge ist der Bereich des Umweltschutzes zunehmend zum Gegenstand der internationalen Zusammenarbeit erklärt worden395 • ImLome-IV-Abkommen, das Ende Februar 2000 ausgelaufen ist, wurde die Bekämpfung der weiteren Waldzerstörung erstmals als ein grundlegendes Ziel der Kooperation in Umweltfragen anerkannt396 . Der Waldvernichtung sollte mittels präventiver, systematischer und sektorenübergreifender Politikansätze entgegengewirkt werden397 • Nähere Vorgaben über die zu ergreifenden Maßnahmen fanden sich im Vertragstext nichtl98 • Versuche zur näheren Konkretisierung der Zielvorgabe mußten berücksichtigen, daß den Lome-Verein-

391 Die Möglichkeit der Ergänzung der Konvention durch Protokolle wurde durch ein Zusatzprotokoll eingeführt. Es findet sich abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter Nr. 62 a. 392 Insgesamt wurden bisher fünf aufeinanderfolgende Abkommen abgeschlossen: Lome I vom 28. Februar 1975 (abgedruckt im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1976, L 25, S. 1 ff.), Lome II vom 30. Oktober 1979 (abgedruckt im Amtsblatt der EG 1980, L 347, S. 1 ff.), Lome III vom 8. Dezember 1984 (abgedruckt im Amtsblatt der EG 1986, L 86, S. l. ff.), Lome IV vom 15. Februar 1989 (abgedruckt im Amtsblatt der EG 1991, L 229, S. 3 ff.). Das Nachfolgeabkommen, die Vereinbarung von Cotonou, wurde am 23. Juni 2000 von den Vertragsstaaten unterzeichnet. Der Vertragstext findet sich im Internet unter http://europa.eu.int/cornrnldevelopment/cotonoulagreement_en.htm 393 Die derzeitige Rechtsgrundlage für derartige Übereinkommen bildet Art. 310 EGV. 394 Bleckmann, Rn. 1370. 395 Dazu näher: Vomessen, S. 102 ff. 396 Art. 33 Abs. 1. 397 Art. 33 Abs. 2. 398 Mit Art. 55 des Lome IV erkannten die AKP-Staaten die Notwendigkeit einer nachhaltigen Agrar- und Forstwirtschaft und einer Durchführung von Aufforstungsmaßnahmen an. Diese Vorgaben fanden sich allerdings im systematischen Zusammenhang mit Regelungen zur Bekämpfung der Wüstenbildung. Es blieb daher zweifelhaft, ob sie auch auf Feuchtwälder bezogen werden sollten. Artikel41 sah vor, die Konsultationsmechanismen des Vertragswerkes auch für einen Gedankenaustausch zu Fragen bedeutender ökologischer Probleme zu nutzen. Dabei wurde auch die Entwaldung tropischer Wälder aufgeführt.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

barungen das Prinzip der politischen Nichteinmischung zugrunde liegt399 . Waldschutzaspekte konnten und können damit nur insoweit zum Gegenstand der näheren Kooperation erklärt werden, wie es den Interessen und den Prioritäten der Vertragsparteien entspricht400 • 1995 einigten sich die Vertragsstaaten auf das Protokoll Nr. 10 über die nachhaltige Bewirtschaftung der Forstressourcen401 . In seinem Art. 1 wurde die Notwendigkeit der sachgerechten Bewirtschaftung der Wälder in den AKP-Staaten anerkannt. Dazu sollte "langfristig" eine nachhaltige Forstwirtschaft eingeführt werden. Artikel 2 konkretisierte verschiedene Bereiche, auf die sich die Bemühungen der Vertragspartner konzentrieren sollten: Erhaltung gefährdeter Tropenwälder, ihrer Biodiversität sowie Wiederherstellung der Funktionen geschädigter Waldareale402 , nachhaltige Bewirtschaftung holzerzeugender Wälder in Übereinstimmung mit dem Target 2000403 , Unterstützung von Waldbewirtschaftungsmaßnahmen, die an die lokalen Verhältnissen angepaßt sind404 sowie den Ausbau von Kapazitäten405 • Auffällig ist dabei, daß die Respektierung der Interessen der örtlichen Gemeinschaften besondere Hervorhebung fand406 • Den Handlungsrahmen für Walderhaltungsmaßnahmen sollten nationale Aktionspläne mit einem sektorenübergreifenden Ansatz bilden407 • Ferner sollten Bemühungen um eine umweltgerechte Ausgestaltung der internationalen Handelsbeziehungen, insbesondere durch Verbesserung der Handelsbedingungen für Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft408, erfolgen409 • Eine Unterstützung für Walderhaltungsprojekte wurde zwar zugesagt; die Festlegung eines konkreten Finanzierungsrahmens blieb jedoch der Entscheidung der zuständigen Haushaltsbehörden der Gemeinschaft vorbe-

Kuschet, EA 1990, S. 334. Vgl. Vomessen, S. 163 f. 401 Amtsblatt der EG 1998, L 156, S. 38 f. 402 Abs. 3 (a). 403 Abs. 3 (c). 404 Abs. 3 (d). 40 s Abs. 3 (e) für den Aufbau von Einrichtungen und Buchstabe (g) für Forschungsprojekte. 406 Abs. 3 (a), (c), (e), (f). 407 Buchstabe (f). 408 Abs. 3 (a), (c), (e). 409 Als weitere Kooperationsschwerpunkte wurden festgelegt: Förderung einer Preisbildung, die Kosten für umweltgerechte Bewirtschaftungsmethoden abdecken kann (Art. 4 (d)); Unterstützung von Zertifizierungssystemen für Holz (Art. 4 (b)); Förderung des Technologietransfers und sonstiger technischer Kooperation (Art. 4 (f)). 399

400

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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halten410 • Spezielle Kontrollmechanismen für die Umsetzung der Vorgaben statuierte das Protokoll nicht411 . Das 10. Zusatzprotokoll ist nicht in Kraft getreten. Auch hat das Abkommen von Cotonou als Nachfolgevertrag von Lome IV nicht auf den Verhaltensvorgaben des Protokolls aufgebaut. Das Cotonou-Übereinkommen erkennt in Art. 32 lediglich ganz allgemein die Erhaltung tropischer Wälder und die Bekämpfung der Entwaldung als Kooperationsbereich der EU-AKP-Zusammenarbeit an412 • Eine Verfestigung und ein Ausbau des Konsenses in Waldfragen ist damit nicht gelungen.

II. Regionale Vereinbarungen 1. Afrika: Afrikanische Konvention zum Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen

Regionale umweltvölkerrechtliche Vorgaben für den afrikanischen Kontinent finden sich in der Afrikanischen Konvention zum Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen von Algier aus dem Jahre 1968413 • Waldspezifische Regelungen sind in Art. VI des Übereinkommens enthalten. Danach sollen die Vertragsstaaten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierende Schutz-, Nutzungs- und Bewirtschaftungspläne für ihre Wälder entwickeln414 • Diese haben die ökonomische, soziale und ökologische Bedeutung der Waldökosysteme zu berücksichtigen. Dieser Dreiklang konkretisiert das Grundprinzip der Konvention, das in einem sachgerechten Ausgleich von Entwicklungsinteressen, Umweltschutz und Zum Haushaltsverfahren vgl. die Art. 268 ff. EGV, insbesondere Art. 272. Die Art. 320-323 des Lome IV sahen zwar Evaluierungsmechanismen vor. Diese bezogen sich aber lediglich auf die Wirksamkeit des Abkommen als solches. 412 Art. 32 Abs. I, Unterabs. 3, Ziffer I und 5. 413 DerText der Konvention vom 15. September 1968 findet sich abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter Nr. 69. Bereits während der Kolonialzeit hatte es Bestrebungen zum Schutz der Naturgüter in Afrika gegeben (Konvention zur Sicherung der Erhaltung verschiedenen Wildtierarten, die für den Menschen nützlich oder bedeutend sind aus dem Jahre 1900 (abgedruckt in Consolidated Treaty Series, Vol. 188, S. 418 ff.) sowie die Londoner Konvention bezüglich des Schutzes von Flora und Fauna in ihrem natürlichen Zustand von 1933 (RdT, Vol. 172, S. 241 ff.)). Die Vorgaben sindjedoch nicht in Kraft getreten. Vgl. zur Entstehungsgeschichte der Algier-Konvention Chedal, VRÜ 6 (1973), s. 157 f. 414 Art. VI Abs. I S. 2 (a). 410

411

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

sozialen Belangen liegt415 . Nach heutigem Verständnis wäre insoweit von nachhaltiger Entwicklung zu sprechen416 . Die Forstbewirtschaftungs- und Schutzpläne sollen nach den Konventionsvorgaben ein besonderes Augenmerk auf Maßnahmen zur Kontrolle von Bränden, zur wirtschaftlichen Nutzung der Wälder sowie zur Räumung von Naturflächen für die Landwirtschaft richten417 . Überdies ist die Ausweisung von W aldreservaten und, wo nötig, die Durchführung von Aufforstungsprogrammen vorgesehen418 • Bei der Konkretisierung und Umsetzung dieser Vorgaben verbleiben den Staaten zwar Interpretationsspielräume419 . Im Vergleich zum Inhalt der existierenden globalen Regelungen sind die Konventionsvorgaben aber relativ spezifisch gefaßt. Da die Normen auch an den Ursachen der Entwaldung ansetzen, ließe sich über ihre Umsetzung ein wesentlicher Beitrag zur Bekämpfung der Regenwaldzerstörung leisten. Problematisch erscheint insoweit lediglich, daß das Abkommen keine näheren Vorgaben zum Umgang mit wissenschaftlichen Unsicherheiten enthält. Abgesehen von den spezifischen waldrelevanten Vorgaben lassen sich Maßnahmen zur Erhaltung der Regenwälder auch auf die allgemeingehaltenen Verpflichtungen des Abkommens stützen. Sie verlangen den Ausbau von Schutzgebieten420 sowie Maßnahmen zur Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Arten und ihrer Lebensräume421 . In diesem Zusammenhang wird auch eine gesteigerte Verpflichtung zur Bewahrung endemischer Spezies anerkannt. Da die Zahl endemischer Arten gerade in Regenwaldarealen besonders hoch ist, kann dieser Verpflichtung für die Erhaltung der Regenwälder eine besondere Bedeutung zukommen422.

415

Art. II.

Ähnlich auch Lyster, S. 70. Art. XIV der Konvention sieht allgemein vor, daß Umweltschutzaspekte in nationale Entwicklungspläne integriert werden sollen (Abs. I). Bei Aufstellung der Pläne sollen ökologische, ökonomische und soziale Aspekte umfassend Berücksichtigung finden. 417 Art. IV Abs. I S. 2 (b). 418 Art. VI Abs. 1 S. 2 (c). 419 Dazu kritisch Chedal, VRÜ 6 (1973), S. 164. 420 Art. VI Abs. 2, Art. X. 421 Art. VIII Abs. 1 S. I und 2. 422 Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß Waldschutzerwägungen auch im Rahmen der Regelungen zur Erhaltung des Bodens (Art. IV) und der Wasserkreisläufe (Art. V) eine Rolle spielen können. 416

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

143

Die Erfüllungseffektivität der Algier-Konvention wird durch fehlende Anreize zur stärkeren Umsetzung von Umweltschutzbemühungen begrenzt423 • Darüber hinaus finden sich nur eingeschränkt Mechanismen zur Überprüfung der Vertragserfüllung sowie zur Weiterentwicklung des Vertragswerkes. Das Übereinkommen verlangt vonjedem Vertragspartner zwar, der Organisation of African Unity (OAU) Berichte über Vollzugsmaßnahmen und die Resultate der bisherigen Umweltschutzbestrebungen zu übermitteln424 • Die OAU verfügt bezüglich dieser Mitteilungen jedoch nicht über Überprüfungs- oder Bewertungskompetenzen425. Ein "compliance control system" besteht somit im eigentlichen Sinne nicht. Ferner fehlt es an Vorgaben zur Reaktion auf bekannt gewordene Urnsetzungsdefizite. Eine Konkretisierung der aufgeführten Umweltvorgaben wäre zwar durch Beschlüsse der Vertragsstaatenkonferenz möglich, die nach Art. XVI Abs. 3 von der OAU einzuberufen ist. Das Abkommen enthältjedoch keine Aussagen darüber, ob in diesem Gremium bindende Mehrheitsentscheidungen auch gegen den Willen bestimmter Staaten getroffen werden können. Darüber hinaus ist kein kontinuierlicher Tagungsrythmus vorgesehen426 . Das letzte Vertragsstaatentreffen fand im Jahr 1985 statt427 • Versuche, ein ständiges Sekretariat zur kontinuierlichen Umweltschutzkooperation einzurichten, sind in der Vergangenheit an fehlenden Mitteln gescheitert428 • Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Algier-Konvention die regulative Grundlage für Maßnahmen zur verstärkten Regenwalderhaltung enthält. Die vertragsimmanente Kooperation der Staaten und die Weiterentwicklung der Vertragsvorgaben sind aufgrund fehlender institutioneller Strukturen jedoch kaum möglich. Das Übereinkommen wird in der Literatur daher als "sleeping treaty" angesehen, von dem keine Wirkungen ausgehen429 •

423 424

Lyster, S. I I 5.

Art. XVI Abs. 2. Die Berichte sind in der Vergangenheit kaum eingegangen; vgl.

Forster/Osterwaldt, S. 70. 425 Lyster, S. 115; Forster/Osterwaldt, S. 71, 74.

426 Nach Art. XVI Abs. 3 ist auf Anfrage von mindestens 3 Staaten und mit 2/3 Mehrheit der teilnahmeberechtigten Parteien eine Konferenz durch die OAU einzuberufen. 427 Forster/Osterwaldt, S. 74. 428 Lyster, S. 128. 429 Lyster, S. 124. Auch Forster/Osterwaldt, S. 74, sprechen davon, daß die Konvention nur in sehr geringem Maße umgesetzt worden ist und wird.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

2. Asien: ASEAN-Übereinkommen über den Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen Wie die Konvention von Algier versteht sich auch das ASEAN-Übereinkommen über den Schutz der Natur und der natürlichen Ressourcen von 1985430 als umfassendes Umweltschutzabkommen. Spezifische Walderhaltungsregelungen sind in Art. 6 enthalten. Abs. 1 verpflichtet die Vertragsstaaten zunächst allgemein, alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Waldvegetation zu treffen. Abs. 2 enthält einen Katalog von Einzelmaßnahmen, der teilweise mit den Vorgaben der Konvention von Algier übereinstimmt431 , insgesamt aber über diese hinausgeht. So ist zusätzlich vorgesehen, die Zerstörung von Wäldern beim Abbau von Bodenschätzen möglichst gering zu halten und besondere Gebiete auszuweisen, die der Stabilisierung der Boden- und Wasserqualität dienen432 • Artikel6 Abs. 2 Buchst. (f) verlangt ferner, den Schutz der Wälder so weit wie möglich sicherzustellen, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Die Konvention zielt damit auf einen umfassenden Schutz der Biodiversität und nicht nur auf eine Erhaltung besonders gefährdeter Arten ab433 . Dies erscheint gerade für Maßnahmen zur Bewahrung tropischer Regenwaldgebiete von Bedeutung, da die konkrete Artenzusammensetzung dieser Wälder größtenteils nicht bekannt ist. Der Verpflichtungsgehalt der Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 wird allerdings dadurch abgemildert, daß von den Staaten lediglich Bemühungen zur Berücksichtigung der genannten Einzelaspekte verlangt werden. Ohne spezifisch auf den Waldbereich ausgerichtet zu sein, sind ferner folgende Vorgaben für die Erhaltung der Regenwälder erheblich:

430 Die ASEAN stellt die Association of South East Asean Nations zwischen den Staaten Brunei, Indonesien, Malaysia, Philipinen, Singapore und Thailand dar. Der Text des Abkommens vom 9. Juli 1985 findet sich bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 2, unter Nr. 70. 431 Abs. 2 (a) Kontrolle der Entwaldung, Schutz vor Waldbränden, Schutz vor Überweidung; (c) Ausweisung von Waldreservaten; (g) Entwicklung von Waldbewirtschaftungsplänen auf nachhaltiger Basis. 432 Art. 6 Abs. 2 (b) und (e). Buchstabe (d) sieht ferner vor, daß bei Aufforstungen und Wiederaufforstungen Monokulturen vermieden werden sollen. 433 Forster/Osterwaldt, S. 113, sehen den umfassenden Biodiversitätsschutz als Grundgedanken der Konvention an.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

145

- Verpflichtung zum Schutz endemischer Arten auf dem höchstmöglichen Niveau434 sowie Maßnahmen zur Erhaltung ihrer Habitate435 ; - Pflicht zur nachhaltigen Bewirtschaftung der verschiedenen Spezies436 , wobei irreversible Veränderungen der Ökosysteme verhindert oder ein entsprechendes Risiko minimiert werden soll437 • Von den Staaten wird gefordert, bei wissenschaftlichen Unsicherheiten über die Auswirkungen menschlicher Eingriffe Maßnahmen zu treffen, mit deren Hilfe sich die Gefahr für den Bestand und die Qualität der Umweltgüter begrenzen läßt. Im Kontext der Regenwaldnutzung, insbesondere der Forstwirtschaft, könnte eine Umsetzung dieser Regelung zu erhebliche Nutzungseinschränkungen führen. - Verpflichtung zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Aktivitäten, die wesentliche Umweltschäden auslösen können438 ; - Verpflichtung zur Entwicklung einer ökologisch verträglichen Landwirtschaftspraxis unter besonderer Berücksichtigung "kritischer" Lebensräume439 • Schließlich sieht das ASEAN Agreement vor, die potentiellen Verursacher einer Umweltbeeinträchtigung zur Verhinderung, Verringerung oder Wiedergutmachung von Umweltschädigungen heranzuziehen440• Diese Regelung könnte neben der forstwirtschaftliehen Praxis insbesondere für industrielle Großprojekte in den Wäldern von Bedeutung sein441 . Insgesamt enthält das ASEAN-Abkommen Vorgaben, über die Bestrebungen zur Erhaltung der Regenwälder vorangetrieben werden könnten. Die Regelungstiefe der Normen wird allerdings durch die Ausgestaltung der Vorgaben als "Bemühensregelungen"442 oder durch die Verwendung von "escape-clauses"443 abgeschwächt.

Art. 5 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 2 (d). Art. 13 Abs. 1 S. 1 5. Spiegelstrich und S. 2. 436 Art. 4. 434 435

437 438 439 440

Art. 4 Abs. 1 (d). Art. 14.

Art. 10 (a). Art. lO (d).

441 Für die Regenwalderhaltung können schließlich die Vorgaben zur Sicherung der Bodenqualität (Art. 7) und der Wasserkreisläufe (Art. 8) von Bedeutung sein. 442 Art. 3, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 10. Dies trifft insbesondere auf die für die Walderhaltung erheblichen Vorschriften zu. 443 "Wherever/as far as possible": Art. 3 Abs. I, Art. 5 Abs. 3, Art. 7, Art. 10, Art. 14. "Appropriate rneasures": Art. 8 und Art. 13.

10 Krohn

146

2. Teil, l. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Anreize für stärkere Umweltschutz- und Walderhaltungsbestrebungen von seiten der Mitgliedsstaaten enthält der Vertrag nicht444 • Das ASEAN-Übereinkommen verfügt über eine vergleichsweise starke Institutionalisierung. Zur Kontrolle der Vertragsumsetzung ist ein von der Vertragsstaatenkonferenz445 näher auszugestaltendes "Reporting"-Verfahren vorgesehen446 • In seinem Rahmen haben die Staaten dem Sekretariat Informationen über die Schritte zur Durchführung der Vereinbarung mitzuteilen447 . Dem Vertragsorgan steht das Recht zu, die Berichte zu begutachten und sich mit den Staaten über Fragen der Vertragsumsetzung zu beraten448. Das Sekretariat verfügt somit über eine eigenständige Kontroll- und Unterstützungsfunktion. Neben dem "Reporting" wird von den Mitgliedsstaaten eine Kooperation bei "Monitoring"-Aktivitäten verlangt449 . Entsprechende Beiträge sind ebenfalls dem Sekretariat mitzuteilen450 . Eine Bewertung der Staatenberichte soll durch die Vertragsstaatenkonferenz erfolgen451 . Das ASEAN-Abkommen enthält allerdings keine Regelungen, wie auf festgestellte Normverstöße zu reagieren ist. Vorgaben zur Erfüllungshilfe oder Sanktionsmöglichkeiten finden sich ebensowenig wie allgemeine Aussagen zur verbindlichen Entscheidungsfindung gegenüber den Mitgliedsstaaten. Die Möglichkeit einer Weiterentwicklung/Konkretisierung der inhaltlichen Vorgaben des Vertrages in bezug auf Walderhaltungsaspekte ist institutionell durch kontinuierliche Treffen der Mitgliedsstaaten 452 und inhaltlich durch die Möglichkeit der Erarbeitung von Protokollen, Zusätzen oder Anhängen abgesichert453. Letzteres setzt allerdings eine Einstimmigkeit unter den Vertragspartnern voraus. Solange ein Staat nicht willens ist, sich stärkeren Verpflichtungen zu unterwerfen, kann er damit nicht allein verhindern, daß die Regelungen für ihn in 444 Nach Art. 21 Abs. 2 (f) ist die Vertragsstaatenkonferenz befugt, diejenigen finanziellen Vorgaben zu beschließen, die zur Erreichung der Vertragsziele notwendig sind. Damit wäre auch die Einrichtung eines Umweltfonds denkbar. Das ASEAN-Übereinkommen sieht die Staaten indes nicht als Berechtigte, sondern als Verpflichtete eines Anreizsystems an. Sie selbst sollen im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen nach Art. 10 (c) insbesondere Anreize zum Ausbau einer umweltgerechten Landwirtschaft schaffen. 44s V gl. Art. 21. 446 Art. 28. 447 Art. 18 Abs. 3 (b) l. Spiegelstrich. 448 Art. 22 (d). 449 Art. 18 Abs. 1. 2 (a). 4 so Art. 18 Abs. 3 (a). 4s 1 Art. 21 Abs. 2 (a). 4 s2 Art. 21 Abs. l. mindestens alle 3 Jahre. 4S3 Art. 24-27.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

147

Kraft treten. Er kann auch die Weiterentwicklung des Vertragsregimes insgesamt blockieren. Das Einstimmigkeitserfordernis gilt nicht nur für die Dynarnisierung des Vertragsregimes. Gemäß Art. 33 Abs. 1 wird das Abkommen erst nach seiner Ratifikation durch alle sechs ASEAN-Staaten wirksam. Die weitreichenden inhaltlichen und institutionellen Vertragsvorgaben, von denen auch Impulse für einen verbesserten Schutz der Regenwälder ausgehen können, mögen das Inkrafttreten des Abkommens bis dato verhindert haben. Ob es in Zukunft noch wirksam wird, ist zu bezweifeln.

3. Mittel- und Südamerika a) Konvention zum Schutz der Natur und zur Erhaltung wildlebender Arten in der Westlichen Hemisphäre Die Convention on Nature Protection and Wild Life Preservation in the Western Hemisphere454 aus dem Jahre 1942 hat den Großteil der mittel- und südamerikanischen Staaten mit Regenwaldgebieten zum Vertragspartner455 • Ihr räumlicher Geltungsbereich urnfaßt damit die weltweit größten, noch intakten tropischen Wälder der Erde456 • Das Abkommen legt keinen Schwerpunkt auf Walderhaltungsaspekte. Es verlangt von den Mitgliedsländern lediglich allgemein den Ausbau eines Systems von geschützten Gebieten457 sowie rechtliche Vorgaben zum Schutz der einheimischen Flora und Fauna458 • Sofortige Maßnahmen zur Umsetzung dieser Regelungen sind nach dem Vertragstext nicht zwingend erforderlich. So sieht der Vertrag vor, daß eine Ausweisung von Schutzgebieten erst dann erfolgen muß, wenn sie als "durchführbar" angesehen wird459 • Auch reicht es zur Erfüllung der Verpflichtung zur Schaffung von Schutzvorgaben für Flora und Fauna aus, wenn entsprechende Regelungen den Legislativorganen des Mitgliedsstaates zur Entscheidung "vorgelegt" werden460 . 454 Der Text des Vertrages vom 12. Oktober 1940 findet sich abgedruckt bei Rüster/Simma, Bd. IV, unter Nr. 485. m Brasilien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, EI Salvador, Guatemala, Haiti, Mexico, Nicaragua, Panama, Peru, Surinam, Trinidad und Tobago, Venezuela. 456 Forster/Osterwaldt, S. 60. 457 Art. II-IV. 458 Art. V. 459

460

to•

Art. II Abs. I S. 2 i. V. m. Abs. 2. Art. V Abs. I u. 2.

148

2. Teil, I. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Anreize zur verbesserten Normumsetzung enthält die Konvention nicht. Im Hinblick auf den Ausbau der Schutzgebiete wiegt dieses Defizit besonders schwer, weil die Konvention mit der Einrichtung von Reservaten teilweise einen umfassenden Nutzungsausschluß verbindet461 . Ein solcher Ansatz wird sich nur eingeschränkt umsetzen lassen, wenn die betreffenden Umweltgüter über einen bedeutenden wirtschaftlichen Wert verfügen. Vorgaben zum Ausbau einer Administrativstruktur zur Umsetzungskontrolle oder Weiterentwicklung des Vertragsregimes finden sich im Vertrag nicht. Er sieht lediglich eine nicht institutionalisierte Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten vor462 • Die ausgewiesenen Schutzgebiete sind zwar der Panamerikanischen Union zu melden463 • Sie verfügtjedoch über keinerlei Prüfungskompetenzen. Wegen des geringen Verpflichtungsgehaltes der Vertrags vorgaben, mangelnder Administrativstrukturen und fehlender Anreize gehen verschiedene Stimmen in der Literatur davon aus, daß die Konvention nicht mehr umgesetzt wird. Sie wird als "sleeping treaty" angesehen464 • Impulse für verstärkte Bemühungen um eine Walderhaltung können von ihr somit nicht ausgehen.

b) Amazonasvertrag

Vorgaben für die regionale Kooperation im südamerikanischen Raum enthält der Arnazonasvertrag aus dem Jahre 1978465 . Sein Regelungsbereich bezieht sich auf Gebiete innerhalb des Amazonasbeckens sowie angrenzende Territorien mit vergleichbaren ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen466 . Er umfaßt damit das größte noch vorhandene Regenwaldareal der Erde. 46 1 Art. III verbietet die kommerzielle Nutzung natürlicher Ressourcen innerhalb der Nationalparks, läßt allerdings Tourismuskonzepte zu. In sogenannten strikten Wildnisreservaten sind nach Art. IV i. V. m. Art. I Abs. 4 alle Formen wirtschaftlicher Betätigung verboten. 462 Art. VI. 463 Art. II Abs. 3. Die Panamerikanische Union heißt mittlerweile Organisation of American States (OAS). 464 Rogers/Moore, HIU 36 (1995), S. 466 f.; Churchill, Existing Agreements, S. 74; Gebe[, S. 44. Laut Forster/Osterwaldt, S. 60, kam bereits eine 1976 von der Generalversammlung der OAS in Auftrag gegebene Studie zum Ergebnis, daß die Wirksamkeit des Vertragesaufgrund fehlender Administrativstrukturen äußerst begrenzt sei. 465 Abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter Nr. 71 . Der Vertrag wurde am 3. Juli 1978 vereinbart. Vertragspartner: Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Guyana, Peru, Surinam, Venezuela. 466 Art. II.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

149

Der Amazonasvertrag stellt kein Umweltschutzabkommen im eigentlichen Sinne dar; sein Hauptzielliegt in einer koordinierten Entwicklung der Amazonasregion im Rahmen der nationalen Wirtschaftssysteme, wobei ökologische Belange Berücksichtigung finden sollen467 • Auf Umweltschutzaspekte wird nur an zwei Stellen des Vertragswerkes ausdrücklich Bezug genommen. So spricht Art. I davon, daß gemeinschaftliche Aktionen zur harmonischen Entwicklung auch dem Schutz der Umwelt und der Erhaltung der Naturgüter dienen sollen. Artikel VII verpflichtet die Vertragsparteien zur Förderung einschlägiger wissenschaftlicher Forschungen, zur gegenseitigen Unterstützung beim Kapazitätenaufbau sowie zum Aufbau eines Umweltinformationssystems. Mit derartigen allgemeinen Regelungen entspricht der Amazonasvertrag seiner Gesamtkonzeption nach einem Rahmenübereinkommen468 , dessen Inhalt durch konkrete Projekte der Vertragsparteien auszufüllen ist469 • Nähere Prinzipien oder Richtlinien für eine Zusammenarbeit sind dem Vertrag nicht zu entnehmen470• Bezüglich des Umgangs mit Naturgütern hebt er vielmehr die nationale Entscheidungsfreiheit in Form des souveränen Rechts auf Nutzung der natürlichen Ressourcen hervor471 • Die Bestimmung des Umfangs und des konkreten Bezugspunkts der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bleibt somit den Vertragsstaaten überlassen. Die Vereinbarung des Arnazonasvertrages mit widerstreitenden Normen zur zwischenstaatlichen Kooperation und zur Erhaltung nationaler Alleinentscheidungsbefugnisse ist als Reaktion auf Versuche zur Internationalisierung des Arnazonasraumes auch aus ökologischen Gründen zu verstehen472 • Der Amazonasver467 Art. I des Vertrages. Vgl. zu den Zielvorgaben des Vertrages näher: Landau, GJICL 1980, S. 470 ff.; Ware, TIU 15 (1980), S. 117. 468 Landau, GJICL 1980, S. 473, 479; Ware, TJIL 15 (1980), S. 118. 469 Der Vertrag will die Grundlage für eine Kooperation in den Bereichen Wassernutzung (Art. V), Gesundheitsvorsorge (Art. VIII), wissenschaftliche Forschung und technische Entwicklung (Art. IX), Ausbau von Wasserstraßen und Verkehrswesen (Art. VI, X), Handel (Art. XII), Tourismus (Art. XIII) sowie allgemeine Entwicklung (Art. XI, XVII) schaffen. 470 Scherfenberg, S. 20 f.; ähnlich Ware, TJIL 15 (1980), S. 119: "vague and noncommittal". 471 Art. IV.

472 Bereits 1948 war unter Federführung der UNESCO eine Vereinbarung zur Einrichtung eines Internationalen Instituts zur Erforschung des Amazonasregenwaldes getroffen worden (UNESCO-Doc. IIHA/l.Nat.Sci.42 vom 3. Februar 1948, S. 1. Das Statut des Internationalen Instituts wurde auf der Konferenz von lquitos, Peru, im April/Mai 1948 ausgehandelt und findet sich in Annex 1, UNESCO-Doc. 11/HA/10 vom 14. Juni 1948). Der Vertrag trat jedoch nicht in Kraft. Insbesondere Brasilien verweigerte seine Ratifizie-

150

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

trag als Integrationsvertrag sollte diesen Bestrebungen durch stärkere regionale Zusammenarbeit entgegenwirken und das Amazonasbecken nach außen abschirmen, vorhandene Machtstrukturen in der Region selbst aber unberührt lassen473 • Der zunehmende internationale Druck hat allerdings zu einer stärkeren Beachtung von Walderhaltungsaspekten im Rahmen der Vertragsabwicklung beigetragen. So wurde mit der Quito-Deklaration der Außenminister474 und der Amazonien-Erklärung der Staatspräsidenten der Arnazonasvertragsstaaten475 aus dem Jahre 1989 sowohl die Verantwortung als auch die politische Bereitschaft zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Wälder hervorgehoben476 • Gleichzeitig brachte man die Bereitwilligkeit zum Ausdruck, in diesem Bereich mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen zu kooperieren477 • Eine Einmischung in nationalstaatliche Entscheidungsbefugnisse wurde hingegen zurückgewiesen478 . Auf Grundlage der Quito-Deklaration wurden die institutionellen Strukturen des Amazonasvertrages verstärkt. So richtete man eine Spezialkonunission für Umweltfragen ein, die unter anderem Programme zur Bekämpfung der Waldvernichtung entwickeln soll479 . Darüber hinaus wurden Bestrebungen zur Schaffung eines ständigen Sekretariats sowie eines Finanzierungsmechanismus in Gang gesetzt480. Der Arnazonasvertrag selbst verpflichtet weder zur Einrichtung eines Finanzierungsfonds481 noch zum Aufbau eines ständigen Sekretariats mit einer rung unter Hinweis auf eine zu starke Einschränkung souveräner Rechte und angebliche Versuche einer Internationalisierung des Amazonasraums. Vgl. dazu Caubert, ADFI 1984, S. 808; Landau, GJICL 1980, S. 468. Lediglich Frankreich und Ecuador haben die Vereinbarung ratifiziert (Das französische Gesetz zur Einrichtung des Tropenwaldinstituts vom 13. Mai 1949 ist abgedruckt in Lois et Decrets, Mai 1949, S. 4739 f.). Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung und der zunehmenden weltweiten Sorge um die Zerstörung der Amazonaswälder befürchtete man erneut Bestrebungen externer Akteure zur Einschränkung wirtschaftlich bedeutender Nutzungsrechte in Amazonien. Vgl. dazu näher Landau, GJICL 1984, S. 466, 481; Mendez, S. 200. 473 Caubert, AFDI 1984, S. 804; Landau, GJILC 1980, S. 481 (,.Amazonia for the Amazonians"). 474 Die Deklaration vom 7. März 1989 findet sich abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 2, unter Nr. 71 a). 475 Deklaration vom 6. Mai 1989 (abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 2, unter Nr. 71 b)). 476 Quito-Deklaration, Ziffer li Abs. 1, 2 und 5; Amazonien-Erklärung, Ziffer 2 und 4. 477 Quito-Deklaration, Ziffer X Abs. 3; Amazonien-Erklärung, Ziffer 4. 478 Quito-Deklaration, Ziffer II Abs. 3; Amazonien-Erklärung, Ziffer 4. 479 Quito-Deklaration, Ziffer li Abs. 8. 480 Ziffer I Abs. 2 Nr. 4. 481 In der Vergangenheit sind (Umweltschutz-)Projekte im Rahmen des Amazonasvertrags vielfach mit externer Hilfe durchgeführt worden. Vgl. dazu Ziffer 3.3. des Arbeits-

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

!51

gegenüber den Vertragspartnern unabhängigen organisatorischen Stellung. Der Text der Vereinbarung spricht lediglich von einem "Pro-tempore"-Sekretariat, dessen Sitz zwischen den Vertragsstaaten rotieren soll482 • Seine finanzielle, sachliche und personelle Ausstattung ist jeweils von dem Staat aufzubringen, der mit der Durchführung der Sekretariatsaufgaben betraut ist483 . Diese Verknüpfung mit den Vertragsstaaten beschränkt die Möglichkeit des Sekretariats, ein Gegengewicht zu nationalstaatliehen Interessen zu bilden. In der Praxis hat es seine Kompetenzen dennoch über die W ahrnehrnung rein organisatorischer Aufgaben hinaus auf die Entwicklung von Projekten und die Unterstützung der Mitgliedsstaaten bei der Vertragsumsetzung ausgeweitet484. 1995 wurde die Einrichtung eines ständigen Sekretariats sowie eines Amazonien-Fonds verbindlich beschlossen485 • Bis heute fehlt es jedoch an einer Umsetzung dieser Entschließungen. Der ebenfalls 1995 eingeleitete Tarapoto-Prozeß stellt den bisherigen Höhepunkt der vertraglichen Zusarnrnenarbeit im Bereich der Walderhaltung dar. In seinem Rahmen wurden Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung erarbeitet486 • Eine rechtliche Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Anwendung dieser Leitvorgaben besteht allerdings nicht. Eine stärkere Ausrichtung der Vertragsumsetzungspraxis auf Maßnahmen zur Erhaltung der Regenwälder kommt nur auf einem Niveau in Betracht, das für alle Vertragsparteien akzeptabel erscheint. So hat die Außenministerkonferenz, die Leitlinien für die gemeinschaftliche Politik festlegt487, einstimmig zu entscheiden. Gleiches gilt für die Spezialkommission für Umweltfragen488 und den Amazonian Cooperation Council, der sich aus den höchsten diplomatischen Vertretern der Mitgliedsstaaten zusarnrnensetzt489 • Er hat die allgemeine Entwicklung der Zusarnrnenarbeit zu beurteilen und dafür Sorge zu tragen, daß die Ziele und Vorgaplans des "Pro-tempore"-Sekretariats in Caracas, Plan de Trajabo de Ia Secretaria Pro Tempore, Majo 1997 (zugänglich über das Internet: http://www.spt-cta.org/TCNPLAN. HTM#ll). 482 Art. XXII. 483 Ziffer 3.3. - Financiarniento- des Arbeitsplans. 484 Dies zeigt auch Ziffer 3.3.1. des Arbeitsplans. 485 Vgl. Ziffer 3.3. des Arbeitsplans. 486 WorkshoptoDefine Criteria and Indicators of Sustainability for the Amazon Forests, Pro Tempore Secretariat Lima, Information Bulletin No. 3, April1995. Die Kriterien und Indikatoren sollen auf Grundlage nationaler und regionaler praxisbezogener Erkenntnisse überprüft und weiterentwickelt werden. 487 Art. XXV. 488 Art. XXIV S. 2 i. V. m. Art. XXIV. 489 Art. XXIV S. 1 i. V. m. Art. XXI.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

bendes Vertragswerkes eingehalten werden490 • Nähere Vorgaben für ein .,compliance control system" enthält das Abkommen nicht. Ein Entwurf für ein Programm zur Überwachung und Bewertung nationaler Umweltschutzmaßnahmen wurde aus Angst vor einer zu starken Beeinträchtigung einzelstaatlicher Interessen nicht in den Amazonasvertrag aufgenommen491 • Die Mitgliedsstaaten unterliegen gegenüber den Vertragsorganen keiner Informationspflicht Eine Beschäftigung des Councils mit Umsetzungsdefiziten hängt weitgehend davon ab, ob der betreffende Vertragsstaat bereit ist, sich im Gremium mit den Vollzugsproblemen auseinanderzusetzen. Vor dem Hintergrund der erforderlichen Einstimmigkeit ist die Erarbeitung von Lösungsstrategien nur bei einer Kooperationsbereitschaft des rechtsbrüchigen Staates möglich492 • Konkrete Maßnahmen zur Erfüllungshilfe oder Sanktionsmechanismen sind im Vertrag nicht vorgesehen. Insgesamt kann der Amazonasvertrag ein Forum für verstärkte Diskussionen und eine verbesserte Zusammenarbeit im Bereich der Erhaltung tropischer Regenwälder bilden. Die Entwicklung von Umweltschutzstrategien istjedoch nur insoweit möglich, wie sie von allen Vertragsstaaten getragen wird.

c) Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Schutz vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas Die Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Schutz vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas wurde 1992 zwischen den Staaten Costa Rica, EI Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama vereinbart493 • Sie urnfaßt damit die artenreichsten Regenwaldgebiete der Erde494 • In Kraft getreten ist die Vereinbarung bis heute allerdings nicht495 • 490 491

Art. XXI Nr. 1. Soares, S. 216. Dies war von Venezuela vorgeschlagen worden; vgl. Ware, TJIL 15

(1980), S. 125. 492 So auch Scherfenberg, S. 23. 493 Der Text der Convenio para Ia conservaci6n de Ia Biodiversitad y Protecci6n de areas silvestres prioritarias en America Central vom 5. Juni 1992 findet sich abgedruckt in International Council of Environmental Law, International Environmental Law- Multilateral Treaties, Vol. VIII, unter 992:43. 494 Lieth/Werger, S. 87. 495 Gemäß Art. 42 tritt die Konvention acht Tage nach Hinterlegung der ersten drei Ratifikationsurkunden beim Außenministerium Guatemalas (Art. 41) für die betroffenen Staaten in Kraft. Für alle anderen Unterzeichnerstaaten ist dies mit Hinterlegung der Ratifika-

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

153

Ziel der Konvention ist es, die biologische Vielfalt der Region soweit wie möglich zu erhalten496 . Das Abkommen besteht aus drei Kapiteln. Das erste enthält Grundprinzipien, die weitgehend mit den Vorgaben der Konvention über die biologische Vielfalt übereinstinnnen497 . Nähere Regelungen zum Umgang mit wissenschaftlichen Unsicherheiten finden sich auch hier nicht. Zumindest ist aber eine Untersuchung der Auswirkungen von entwicklungsbezogenen Vorhaben auf die Biodiversität vorgesehen498 . Das zweite Kapitel legt allgemeine Vertragsverpflichtungen fest, die von den Vertragsstaaten nach eigenen Prioritäten zu erfüllen sind499 . Es beinhaltet keine waldspezifischen Vorgaben. Vielmehr finden sich von konkreten Sachbereichen losgelöste Regelungen zur Entwicklung nationaler Programme zur Erhaltung der biologischen Vielfalt500, zur Integration des Biodiversitätsschutzes in andere Politikbereiche501 sowie zum Schutz der Habitate und Arten502 . Die Vorgaben sind durch "escape-clauses" abgemildert503. Anreize für ihre Umsetzung finden sich abgesehen vom Aspekt der Inwertsetzung genetischer Ressourcen nicht504. Der Schwerpunkt der im dritten Kapitel aufgeführten Mittel zur Durchführung505 liegt auf der Einrichtung und dem Ausbau eines Systems von geschützten Gebieten 506. Dieses wird als Garant für eine nachhaltige Entwicklung angese-

tionsurkunde der Fall. Die Konvention soll 10 Jahre lang gelten, wobei eine Möglichkeit zur Verlängerung ihres zeitlichen Geltungsbereichs besteht (Art. 44). 496 Art. 1. 497 Betonung der staatlichen Souveränität über Naturreichtümer (Art. 2); primärer Schutz der biologischen Vielfalt durch /n-situ-Erhaltung (Art. 4); Anerkennung der Notwendigkeit vertraglich auszuhandelnder Zugriffsermächtigungen auf genetische Ressourcen (Art. 8); Hervorhebung der Notwendigkeit einer internationalen Unterstützung für Bestrebungen zur Erhaltung der Biodiversität in Entwicklungsländern (Art. 3 und 5). 498 Art. 29. 499

Capitulo II, Obligaciones Generales, Articulo 10-13.

soo Art. 10.

Art. 11, Art. 15. so2 Art. 13 (c).

501

503 Art. 10: "se compromete de acuerdo a sus capacidades", "medidas posibles", "en Ia medida de sus posibilidades"; Art. 11: "las acciones pertinentes"; Art. 12: "tanto como sea apropiado "; Hervorhebungen von der Verfasserin. 504 Sie verlangt vielmehr von den Vertragsstaaten selbst, im Rahmen ihrer nationalen Rechtsordnungen finanzielle und ökonomische Anreize zur Steuerung des Verhaltens Privater zu entwickeln (Art. 13 b) und d)). 505 Capitulo 111, Meditas de Ejecuci6n, Articulo 14-38. 506 Art. 14, Art. 17-20, Art. 22, Art. 28.

154

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

hen507 • Beachtung hat dabei auch der Gedanke einer sozialverträglichen Ausgestaltung von Umweltschutzvorgaben gefunden. Angrenzend an Schutzgebiete sind Pufferzonen einzurichten, in denen nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken besonders gefördert werden sollen508 • Ferner wird die Anerkennung und der Schutz des traditionellen Wissens indigener Völker verlangt509 • Vom Ausbau von Ökotourismusprojekten soll insbesondere die lokal ansässige Bevölkerung profitieren510• Beachtenswürdig erscheint, daß das Abkommen die Staaten verpflichtet, die Auswirkungen der Siedlungsstruktur auf die Biodiversität zu untersuchen und Initiativen zur Verbesserung einer sozialen, aber auch ökologisch verträglichen Besiedlung durchzuführen511 • Diese Regelung, deren Verpflichtungsgehalt sehr zurückhaltend formuliert wurde, eröffnet ansatzweise die Frage der Landverteilung einer internationalen Diskussion. Die Anwendung der Vorgabe auf den Bereich der Waldzerstörung könnte zur Begrenzung des weitgehend unkontrollierten Brandrodungsfeldbaus in Regenwaldarealen beitragen. Insgesamt bleibt festzustellen, daß das Abkommen trotz seiner Bezeichnung als Konvention über den "Schutz ... vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas" so gut wie keine expliziten Vorgaben zur Bewahrung der (Regen-)Wälder enthält. Nach dem Konventionstext soll bestimmten grenzüberschreitenden Schutzgebieten ein verbesserter Erhaltungsstandard zukommen512 , größere (Regen-) Waldareale sind in diesem Zusammenhang jedoch nicht aufgeführt. Lediglich Art. 17 spricht davon, daß der Ausbau von Schutzgebieten vor allem in Wäldern stattfinden soll, die für den Wasserkreislauf von Bedeutung sind. Da insoweit lediglich von "ausgewählten Beispielen" der Ökosysteme der Region die Rede ist, lassen sich umfangreiche Schutzmaßnahmen über diese Vorgabe nicht einfordern. Fraglich ist, ob das Übereinkommen zumindest die Grundlage für eine sachbezogene Zusammenarbeit im Bereich der Walderhaltung bilden könnte. Es fällt auf, daß die Konvention keine eigenen Vertragsorgane schafft, deren Tätigkeit eine Weiterentwicklung oder Kontrolle der Vertragsdurchführung sicherstellen könnte. In die Vertragsumsetzung soll lediglich die bereits existierende Zentralamerikanische Kommission über Umwelt und Entwicklung (CCAD) einArt. 19. Art. 23. Art. 16 verpflichtet allgemein zur nachhaltigen Bewirtschaftung der biologischen Vielfalt. 509 Art. 7. 507 508

Art. 28. Art. 30 S. l. 512 Art. 18. 510 511

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

155

bezogen werden513 • Sie hat in erster Linie die Aufgabe, einen Austausch zwischen den Vertragsstaaten sicherzustellen und sie nach außen hin zu repräsentieren. Entscheidungskompetenzen gegenüber den Mitgliedsstaaten, Kontrollrechte514 oder Befugnisse zur Reaktion auf eine mangelnde Vertragsumsetzung stehen dem Gremium nach dem Vertragstext nicht zu. Die Konvention betont vielmehr, daß die Überwachung der effektiven Durchführung der Vereinbarung durch die nationalen Institutionen erfolgen soll, aus deren Vertretern sich die CCAD zusammensetzt515 • Auch wenn sich die Vertragsstaaten entschließen sollten, Walderhaltungsaspekten eine stärkere Bedeutung beizumessen, wird eine Erarbeitung konkreter Vorgaben und eine Überprüfung ihres Vollzuges kaum ohne institutionelle Reformen möglich sein.

d) Regionale Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme und die Entwicklung von Waldpflanzen Die Regionale Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme und die Entwicklung von Waldpflanzen wurde 1993 zwischen denselben Staaten wie die Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Schutz vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas vereinbare 16 . Sie enthält aber einen speziellen Bezug zum Problem der Zerstörung tropischer (Regen-)Wälder. Bis heute ist das Übereinkommen nicht in Kraft getreten517 • Im Gegensatz zu den bisher untersuchten Vertragswerken hebt die Vereinbarung den grundsätzlichen Konflikt zwischen Schutz- und Nutzungsinteressen bezüglich der Waldökosysteme besonders hervor: Einerseits wird die Bedeutung der zentralamerikanischen Waldgebiete für die biologische Vielfalt der Erde festgestellt518. Andererseits betont der Vertrag die erhebliche Armut eines Großteils 513 Sie soll zur näheren Konkretisierung der Vertragsvorgaben beitragen (Art. 13 (a)), Verknüpfungen mit anderen Institutionen herstellen und die internationale Gerneinschaft um Unterstützung ersuchen (Art. 13 (a) und Art. 36). ~ 14 Art. 26 betont lediglich, daß in Zusammenarbeit mit der CCAD Kontrollmechanismen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Arten sowie mit giftigen Substanzen entwickelt werden sollen. ~~~Art. 28.

~ 16 Der Text des Vertrages vom 29. Oktober 1993 ist abgedruckt in International Council ofEnvironrnental Law, International Environrnental Law- Multilateral Treaties, Vol. VIII, unter 993:80. ~ 17 Gemäß Art. 12 i. V. rn. Art. 11 bedarf es dazu der Hinterlegung von 4 Ratifikationsurkunden beim Sekretariat des Sistema de Ia Integraci6n Centroarnericana. 518 Abs. 3 der Präambel.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

der Bevölkerung in den Vertragsstaaten519 • Die Bekämpfung dieser Armut durch eine Erhöhung der wirtschaftlichen Produktivität und durch die Herstellung einer größeren sozialen Gerechtigkeit wird als herausragende politische Aufgabe der Staaten angesehen520• Dazu sei auch eine verstärkte Nutzung forstwirtschaftlicher Ressourcen erforderlich521 • Auch wenn damit das Potential der Wälder für die nationale Entwicklung im Vordergrund steht, erkennt das Übereinkommen die Notwendigkeit verstärkter Umweltschutzbestrebungen an. Die zunehmende Waldzerstörung durch ökologisch unverträgliche Bewirtschaftungsmethoden vermindere Entwicklungspotentiale und vergrößere vor allem die Armut in ländlichen Gebieten522 . In Übereinstimmung mit diesen Aussagen liegt das Ziel der Vereinbarung in der Vermeidung einer Umwandlung "wirtschaftlich bedeutender" Wälder in andere Nutzungsformen und der Wiederherstellung der Waldbestände durch Aufforstungen523. Hierzu ist eine Neuorientierung von Siedlungspolitiken, der Abbau von staatlichen Vergünstigungen für waldzerstörende Projekte sowie die Einführung einer nachhaltigen Landschaftsentwicklung vorgesehen. Diese Zielvorgaben sind vergleichsweise konkret an den mittelbaren Ursachen der Entwaldung orientiert und würden eine Vielzahl von innerstaatlichen Sachverhalten einer internationalen Kooperation und Beeinflussung öffnen. Dieser im Prinzip sehr weitgehende Ansatz der Konvention wird allerdings durch die Hervorhebung des souveränen Rechts über die natürliche Ressource Wald relativiert524• Die aufgeführten Zielvorgaben haben überdies nur teilweise Niederschlag in den konkreten Vertragsverpflichtungen gefunden. Insbesondere die Aspekte der Neuorientierung der Siedlungspolitik und des Abbaus von Vergünstigungen für waldzerstörende Projekte werden im weiteren Konventionstext nicht mehr aufgegriffen. Das Übereinkommen verlangt von den Vertragsstaaten einen Ausbau des Systems geschützter Gebiete, um die biologische Vielfalt und wesentliche ökologische Prozesse zu erhalten sowie einen ständigen Fluß von Gütern und Dienstlei519 Abs. 4-6 der Präambel. Die Vorgaben heben auch hervor, daß diese Armut durch externe Faktoren wie die Staatsverschuldung und verschlechterte Handelsbedingungen weiter verschärft wird. 520 Abs. 7 und 8 der Präambel. 521 Abs. 9 und 14 der Präambel. 522 Abs. ll-13 der Präambel. 523 Art. 2. 524 Art. 1.

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

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stungen aus Wäldern sicherzustellen525 • Überdies sollen Landwirtschaftspläne die Produktivität der Waldareale hinreichend berücksichtigen und auf einem Bodenklassifikationssystem aufbauen 526 . Waldbewirtschaftungspläne sind so auszurichten, daß sie zur Wiederherstellung geschädigter Forstareale beitragen und durch die Bewirtschaftung der Primärwälder deren Umwandlung in andere Nutzungsformen verhindern oder minimieren527 • Der Gedanke eines Nutzungsausschlusses für Primärwälder läßt sich aus dem Übereinkommen nicht ableiten. Insgesamt zielen die Vorgaben der Konvention auf eine Stabilisierung der Waldfläche und Bekämpfung der weiteren Entwaldung ab. Dabei wird die umweltgerechte Nutzung der Wälder als Mittel zur Erhaltung dieser Ökosysteme angesehen. Wie eine derartige Bewirtschaftung gewährleistet werden kann und auf welche Weise ökologische Risiken zu berücksichtigen sind, ist aus dem Übereinkommen nur eingeschränkt ableitbar. Es finden sich lediglich Vorgaben zur Verbesserung der Finanzierung umweltgerechter Bewirtschaftungsmethoden528 und zur Ausgestaltung günstiger institutioneller Rahmenbedingungen529 • Auch die Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung nichtstaatlicher Akteure an Maßnahmen zur Walderhaltung wird hervorgehoben530• Die Vertragsstaaten sollen die Bevölkerung an allen Stufen der staatlichen Planung beteiligen. Die Rechte indigener Völker werden zusätzlich betont531 • Die genannten Vorgaben der Konvention sind ausfüllungsbedürftig. Im Vergleich zu den vorher untersuchten Verträgen fällt allerdings auf, daß sie nicht durch "escape-clauses" abgemildert sind. m Art. 3 (a). m Art. 3 (b). 527 Art. 3 (c). 528 Art. 4 (a) und (c): Einrichtung und Förderung eines nationalen Fonds zur Unterstützung entsprechender Projekte, wobei auch Private als Förderungsberechtigte anerkannt werden sollen; Art. 4 (b): Maßnahmen zur Sicherung von Rückinvestitionen in den Forstsektor; Art. 4 (e): Einbeziehung des ökonomischen Wertes der Wälder in Berechnungen des Bruttosozialprodukts; ferner Art. 4 (f): Ausbau von Mechanismen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Arten. 529 Art. 6 (a): Verbesserung von Kooperationsmechanismen; Art. 6 (b): Entwicklung nationaler Waldaktionspläne; Art. 6 (c): Schaffung eines Umwelt-Anwaltbüros; Art. 6 (d): Erarbeitung von Regelungen zur Durchführung von UVPs; Art. 6 (f)-(g): Kapazitätenausbau und Informationsaustausch. 530 Art. 4 (c): Eröffnung von Möglichkeiten der Kreditvergabe für Gruppenprojekte und der Kostenübernahme aus dem Nationalen Fund; im weiteren Sinne auch Art. 4 (b): Rückinvestition in den Forstsektor, um nichtstaatlichen Akteuren vor Ort Einkommensmöglichkeiten zu verschaffen. 53 1 Art. 5.

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

Anreize für eine Umsetzung der Vertragsvorgaben enthält die Vereinbarung nicht. Sie kalkuliert vielmehr auf eine Hilfe von außen und weist der CCAD an, bei Geberländern und Entwicklungshilfeorganisationen um Unterstützung für Projekte nachzusuchen532 • Ein institutioneller Rahmen zur weiteren Zusammenarbeit in Fragen des Waldschutzes wird durch die Konvention nur begrenzt geschaffen. Artikel 7 fordert von der CCAD und den zuständigen nationalen Autoritäten, einen Central American Council on Forests einzurichten. Die Konvention enthält keine Aussagen über die Zusammensetzung und Kompetenzen dieses Gremiums. Mechanismen zur Kontrolle der Vertragsumsetzung, zur Reaktion auf Normverstöße oder zur Weiterentwicklung des Regelungswerkes sind nicht vorgesehen. Eine gewisse Überprüfung und Beeinflussung staatlicher Entscheidungsfindung und Politikumsetzung läßt sich nach dem Vertragstext lediglich innerstaatlich über die verstärkte Beteiligung nationaler Gruppen herbeiführen.

4. Europarechtliche Vorgaben zur Erhaltung der Tropenwälder Mit der Verordnung Nr. 3062/95 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Dezember 1995 über Maßnahmen im Bereich der Tropenwälder wurden auf Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts erstmals nähere Vorgaben für eine Unterstützung von Bestrebungen zur Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung der Tropenwälder geschaffen533 • Die Verordnung (VO) sah finanzielle Hilfen für die Tropenwaldländer in Form von Zuschüssen und die technische Beratung dieser Staaten vor. Beachtenswert erscheint, daß als potentielle Empfänger der Leistungen nicht nur staatliche Stellen, sondern auch örtliche Gemeinschaften, NGOs und privatwirtschaftliche Unternehmen angesehen wurden534 • Zwar sollte die Bestimmung des konkreten Förderungsgegenstandes in Übereinstimmung mit den nationalen Prioritäten des betreffenden Tropenwaldlandes erfolgen. Gewissen Maßnahmen wurde jedoch eine vorrangige Bedeutung zugesprochen535 • Neben Vorkehrungen zum Ausbau staatlicher Kapazitäten galt dies insbesondere für Bestrebungen zur Erhaltung der noch vorhandenen Primärwälde~36 • Die Verordnung 532

An. 8.

Die Verordnung findet sich abgedruckt im Amtsblatt der EG 1995, L 327, S. 9 ff. Zur Zielsetzung der VO: Art. 1 und 3. 534 An. 3 Abs. 2 der VO. 535 Art. 4 Abs. 1 der VO. 536 Art. 4 Abs. I S. 2 (a) der VO. 533

B. Beurteilung der einschlägigen Vertragswerke

159

sprach darüber hinaus dem Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden ein gesteigertes Gewicht zu537 • Hierbei ist hervorzuheben, daß ein kommerzieller Holzeinschlag in Primärwäldern als prinzipiell nicht förderungsfähig angesehen wurde. Mit dem Vollzug der VO wurde die EG-Kommission betraut, die über die Vergabe der Fördermittel entscheiden sollte538 • Ferner wurde festgelegt, daß die Kommission jährlich dem Buropaparlament und dem Rat einen Evaluierungsbericht über die durchgeführten Maßnahmen vorlegt539• Die VO 3062/95 ist mit Ablauf des Jahres 1999 außer Kraft getreten. Im November 2000 wurde mit der VO 2494/2000 eine Nachfolgeregelung geschaffen540• Vergleicht man den Inhalt beider Rechtsakte miteinander, so fallen vier wesentliche Veränderungen auf. Zunächst wird im Rahmen der Förderungsprioritäten die Bedeutung eines Primärwaldschutzes relativiert541 • Insbesondere findet sich keine Vorgabe mehr, die eine Unterstützung des kommerziellen Holzeinschlages in entsprechenden Waldgebieten verbietet. Der VO 2494/2000 liegt dafür gegenüber ihrer Vorgängerregelung ein stärkerer sektorenübergreifender Ansatz zugrunde. So sollen andere Politikbereiche, die Auswirkungen auf die Wälder haben, im Rahmen der zu unterstützenden Maßnahmen Berücksichtigung finden 542 • Ausdrücklich wird dabei auf den Aspekt der umweltgerecht orientierten Landnutzungsplanung hingewiesen 543 • In formeller Hinsicht räumt die VO 2494/2000 der Partizipation der Bevölkerungsgruppen vor Ort, aber auch der Einbindung des lokalen Privatsektors einen größeren Stellenwert ein544 • Die Förderung eines Projekts soll nur dann erfolgen, wenn es auch von der betroffenen Bevölkerung unterstützt wird545 • Hier kommt die Erkenntnis zum Ausdruck, daß Umweltschutzm Art. 4 Abs. I S. 2 (b) der VO. Art. II Abs. l, Art. 4 Abs. 2 der VO. 539 Art. 12 der VO. 540 VO (EG) Nr. 2494/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. November 2000 über Maßnahmen zur Förderung der Erhaltung und nachhaltigen Bewirtschaftung tropischer und anderer Wälder in Entwicklungsländern, abgedruckt im Amtsblatt der EG 2000, L 288, S. 6 ff. 541 Vgl. Art. 4 Abs. I (b)-(d). 542 Art. 4 Abs. I (a) S. 2. 543 Art. 4 Abs. I (a) S. I, (d). 538

544 Art. 4 Abs. 3, 1.-3. Spiegelstrich. Die Sicherstellung der aktiven Beteiligung der vom Waldökosystem abhängigen Bevölkerung und der lokalen Gemeinschaften an der Bestimmung der nationalen Forstpolitik und der Entwicklungsplanung ist überdies ausdrücklich als Zielsetzung der VO festgeschrieben (Art. 3, 4. Spiegelstrich). 545 Art. 4 Abs. 5 S. 2.

160

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

projekte langfristig nur bei einer Akzeptanz von seiten der ansässigen Bevölkerungsgruppen erfolgreich sein können. Hinsichtlich des Umfangs der finanziellen Unterstützung legt die Neuregelung im Gegensatz zur ursprünglichen VO ausdrücklich fest, daß von dem Förderungsempfänger ein Eigenbeitrag zu verlangen ist546 • Eine Vollfinanzierung von Projekten scheidet nach dem Wortlaut der Regelung somit aus. Für die Unterstützung der Entwicklungsländer schreiben beide Verordnungen lediglich den allgemeinen Finanzrahmen für die Durchführung der Vorgaben fest547 • Nähere Regelungen sind in denjeweiligen Haushaltsplänen zu treffen.

C. Versuch einer Zusammenfassung und Gesamtbewertung des einschlägigen Vertragsrechts Die unterschiedlichen Inhalte und Regelungstechniken der untersuchten Verträge lassen verallgemeinernde Aussagen über ihren Beitrag zur Erhaltung tropischer Regenwälder nur eingeschränkt zu. Dennoch kann man folgende Feststellungen treffen: 1. In inhaltlicher Hinsicht nehmen die untersuchten Vereinbarungen nur in äußerst geringer Weise direkten Einfluß auf staatliche Forstpolitiken. Versteht man Recht als Mittel der Verhaltenssteuerung, läßt sich die Eingriffsintensität der internationalen Verträge nach drei Stufen unterscheiden: a) Regelungen, die an spezielle Ursachen der Entwaldung anknüpfen und versuchen, durch nähere Vorgaben konkret Einfluß zu nehmen; b) allgemeine Vorgaben zur Walderhaltung, die den Vertragsstaaten die Art und Weise ihrer Umsetzung überlassen; c) Verpflichtungen, die nicht spezifisch auf den Schutz der (Regen-)Wälder ausgerichtet sind, unter die sich entsprechende Maßnahmen aber subsumieren lassen, sofern das betreffende Land in diesem Bereich Prioritäten setzt. Zu a): Auf globaler Ebene existieren derzeit keine Regelungen, die sich der ersten Gruppe zuordnen ließen. Im Rahmen des ITIA wurden zwar nähere Vorgaben entwickelt, die einer unsachgemäßen Forstwirtschaft entgegenwirken wollen. s46 Art.6 Abs. 2. s47 Die VO 3062/95 sah in ihrem Art. 7 Abs. I die Bereitstellung von 200 Mio. ECU für den Finanzzeitraum von 1996 bis 1999 vor. Nach Art. 8 der VO 2494/2000 ist bis 2006 ein Finanzrahmen von 249 Mio. EUR festgeschrieben.

C. Zusammenfassung und Gesamtbewertung einschlägigen Vertragsrechts

161

Sie haben jedoch keinen rechtlich bindenden Gehalt und werden im Hinblick auf ihre Umsetzung nicht kontrolliert. Zu b): Auch allgemeine Handlungsvorgaben zur Walderhaltung finden sich im universellen Rahmen kaum. Artikel4 Abs. 1 (d) der Klimarahmenkonvention verpflichtet zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Waldgebieten, stellt aufgrund der dem Abkommen zugrundeliegende Verantwortungsverteilung an Tropenwaldländer jedoch nur geringere Anforderungen zur Erfüllung dieser Pflicht. Die Vorgaben des Lome-IV -Abkommens bzw. des Cotonou-Vertrages enthalten nur ein allgemeines Bekenntnis zu gesteigerten gemeinsamen Bemühungen um eine Erhaltung tropischer Wälder. Die Art und Weise der Berücksichtigung von Maßnahmen zum Schutz der Regenwälder hängt dabei vom Willen der AKPStaaten ab. Zu c): Bemühungen zur Erhaltung tropischer Regenwälder lassen sich auf globaler Ebene derzeit im wesentlichen nur über die Vorgaben verschiedener, nicht spezifisch auf Waldschutz ausgerichteter Verträge erreichen. Ein Teil dieser Abkommen ermöglicht wegen des sachlich begrenzten Geltungsbereichs lediglich eine fragmentarische Berücksichtigung von Walderhaltungsaspekten (CITES für den Handel mit Regenwaldarten, Ramsar für Mangrovenwälder, wohl auch die Konvention über das kulturelle und natürliche Erbe der Welt mit ihrer Ausrichtung auf Gebiete von universellem Wert). Umfangreiche Bemühungen um eine Erhaltung der (Regen-)Wälder können derzeit lediglich auf die Biodiversitätskonvention gestützt werden, die den Schutz der biologischen Vielfalt, deren nachhaltige Bewirtschaftung sowie die Sicherung traditioneller Erkenntnisse um eine umweltgerechte Nutzung der Naturreichtümer verlangt. Hier finden sich erste Ansätze für eine stärkere Berücksichtigung des Waldbereichs im Rahmen der Vertragsumsetzung. Auch im Rahmen der Umsetzungspraxis von Vereinbarungen mit einem begrenzten sachlichen Geltungsbereich wurden Walderhaltungsaspekte bislang nur sehr zurückhaltend einbezogen (vgl. die Diskussion um die Anwendung des CITES auf tropische Baumarten; ähnlich auch die fehlgeschlagenen Bemühungen um eine Aufnahme von verbindlichen Walderhaltungsvorgaben in das ITTA bei der Neuverhandlung des Vertragswerkes). Da alle aufgeführten Vereinbarungen dynamisch angelegt sind, würden sie eine vertragsimmanente Weiterentwicklung waldbezogener ökologischer Standards unproblematisch zulassen. Die vergleichsweise geringe Einbeziehung von Walderhaltungsmaßnahmen in die einschlägigen Vertragswerke mag unter anderem darauf zurückzuführen sein, daß die Verträge nationalen Eigeninteressen in besonderem Maße Rechnung traII Krohn

162

2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

gen. Entweder lassen sie Entscheidungen gegen den Willen bestimmter Staaten überhaupt nicht zu (Lome- bzw. Cotonou-Abkommen, Weltnaturerbekonvention, Rarnsarübereinkommen) oder schränken sie durch sehr hohe Mehrheitserfordernisse erheblich ein (so insbesondere das ITIA; über die Anforderungen an Entscheidungsmehrheiten in der Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention und dem Klimarahmenübereinkommen wurde noch nicht verbindlich entschieden). Auch die Vertragsvorgaben auf regionaler Ebene erlauben zumjetzigen Zeitpunkt keine Beeinflussung staatlichen Verhaltens in Fragen der Regenwalderhaltung. Zwar finden sich in regionalen Vereinbarungen wesentlich konkretere Vorgaben zur Bekämpfung der Entwaldung. Diese wollen insbesondere Waldbränden und einerunkontrollierten Umwandlung von Waldarealen in landwirtschaftliche Flächen entgegenwirken und zielen darüber hinaus auf eine verstärkte Unterschutzstellung von Waldarealen ab. Die betreffenden Vertragsregime arbeiten aber entweder nicht mehr (Konvention von Algier, Western Hernisphere Convention) oder sind bis dato nicht in Kraft getreten (Regionale Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme, Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Schutz vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas, ASEAN Agreement). Die einzige Ausnahme stellt der Arnazonasvertrag dar. Er bildet jedoch kein spezifisches Umweltschutzabkommen, beinhaltet keine näheren Verpflichtungen zur Erhaltung des Amazonasbeckens und macht die Weiterentwicklung von Umweltschutzstandards vom Konsens aller Vertragspartner abhängig. Darüber hinaus ist allgemein festzustellen, daß sich auch aus den regionalen Vereinbarungen kein gesteigerter Schutzstandard für die noch unberührten Primärwälder ableiten läßt. Auf mittelbare Ursachen der Entwaldung wird lediglich in der Regionalen Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme und die Entwicklung von Waldpflanzen Bezug genommen. Konkrete Verpflichtungen zur Bekämpfung dieser Ursachen sind aber aus dem Abkommen kaum ableitbar. Ob sich bei einer Wirksamkeit der regionalen Vereinbarungen langfristig eine Verstärkung von Walderhaltungsbestrebungen erreichen ließe, erscheint aufgrund ihrer geringen ins.titutionellen Ausgestaltung zweifelhaft. Entweder fehlt es an eigenen Vertragsorganen (rnittelamerikanische Konventionen, Western-Hernisphere-Konvention) oder an Vorgaben für eine kontinuierliche Zusammenarbeit (Konvention von Algier). Sofern die institutionellen Voraussetzungen gegeben sind, ist eine Weiterentwicklung von Umweltstandards nur auf einem Niveau

C. Zusammenfassung und Gesamtbewertung einschlägigen Vertragsrechts

163

möglich, das alle Parteien für akzeptabel halten (Amazonasvertrag, ASEAN-Konvention). 2. Vorgaben, die regeln, wie mit wissenschaftlichen Unsicherheiten bezüglich der Folgen menschlicher Verhaltensweisen auf Bestand und Funktionsfähigkeit von Umweltgütern umzugehen ist, finden sich in den untersuchten Verträgen kaum. Etwas anderes gilt lediglich für das nicht in Kraft getretene ASEAN-Übereinkommen und die Regelungen des CITES zur Listung von Arten in den Annexen. In ihrem rechtlich unverbindlichen Präambelteil sieht schließlich auch die Biodiversitätskonvention vor, daß wissenschaftliche Unsicherheiten nicht zum Aufschub von Umweltschutzmaßnahmen legitimieren sollen. Insgesamt wird das existierende Vertragsrecht damit kaum dem Umstand gerecht, daß die Nutzung der Regenwälderaufgrund mangelnder Erkenntnisse über Ursachenzusammenhänge erhebliche und irreversible Schäden am Ökosystem hervorrufen kann. Ein Teil der untersuchten Verträge verpflichtet zwar zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen (Biodiversitätskonvention, ASEANÜbereinkommen, Regionale Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme und die Entwicklung von Waldpflanzen, ähnlich auch die rechtlich unverbindlichen ITTO-Guidelines). Die Umsetzung dieser vielfach abgeschwächt formulierten Regelungen kann zur verbesserten Bewertung der ökologischen Folgen eines Vorhabens führen. Soweit Ursachenzusammenhänge nicht bekannt sind, reicht die Durchführung von UVPs jedoch nicht aus, um Umweltbeeinträchtigungen einzuschränken oder auszuschließen. 3. Auch wenn die Vorgaben der derzeit arbeitenden Vertragswerke keine direkte Steuerung der Waldpolitiken der Drittweltstaaten ermöglichen, erlauben zumindest die universell geltenden Vereinbarungen eine indirekte Verhaltensbeeinflussung der Tropenwaldländer. Sie wird durch Anreizmechanismen eröffnet, denen zwei unterschiedliche Ansätze zugrunde liegen. Größtenteils sollen Entwicklungsländer durch eine finanzielle Unterstützung von den Kosten der Umweltschutzmaßnahmen freigestellt werden. Darüber hinaus finden sich aber auch Vorgaben, mit deren Hilfe die umweltbezogenen Güter und Dienstleistungen der Regenwälder in Wert gesetzt und ökonomische Anreize für eine Erhaltung des Ökosystems geschaffen werden sollen. Im Hinblick auf die derzeit bestehenden Finanzierungsmechanismen ist zunächst festzustellen, daß sie keine sachlich und räumlich umfassende Unterstützung von Walderhaltungsbestrebungen zulassen. Hier wird nach den verschiedenen ökologischen Funktionen der Wälder differenziert. So kann - eine Förderung von Maßnahmen zur langfristigen Aufrechterhaltung der forstwirtschaftlichen Nutzung der Wälder aus dem Bali Partnership Fund des ITTA,

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2. Teil, 1. Kap.: Regenwaldschutz im Rahmen völkerrechtlicher Verträge

über die Biodiversitätskonvention sowie zukünftig auch über den "special climate change fund" des K.limaregimes, - eine Unterstützung von Unterschutzstellungen zur Berücksichtigung des Erholungswertes der Wälder, ihres ideellen Existenzwerts und gegebenenfalls ihres zukünftigen Nutzungswertes nach der Biodiversitätskonvention, der UNESCOKonvention zum Schutz des Natur- und Kulturerbes, aus dem Rarnsar-Fonds, - eine Finanzierung von Maßnahmen zur Erhaltung der Wälder aus Gründen der Stabilität der Wasserkreisläufe äußerst eingeschränkt über den Rarnsar-Fonds, - eine Kostenübernahme für Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt der Wälder insgesamt nach der Biodiversitätskonvention sowie - beschränkt auf Mangrovenwälder - nach dem Rarnsarübereinkommen erfolgen. Allein die bisherige europarechtliche VO zur Erhaltung der Tropenwälder und das Lome-IV -Abkommen samt Zusatzprotokoll gingen von einem umfassenden Finanzierungsansatz aus. Eine Vollfinanzierung von Walderhaltungsbestrebungen durch Fördermittel wird von der neuen europarechtlichen VO 2494/2000 ausdrücklich ausgeschlossen. Für Maßnahmen zur Erhaltung der Wälder unter dem Blickwinkel der Sicherung des lokalen Klimas oder der Bodenproduktivität stehen grundsätzlich keine Finanzierungsmöglichkeiten offen. Dies läßt sich im wesentlichen darauf zurückführen, daß es sich hierbei um lokal oder regional bedeutende Funktionen handelt, die im Rahmen universeller Finanzierungsmechanismen zur Erhaltung global bedeutender Werte nicht ins Gewicht fallen. Über den Aspekt einer Kostentragung hinaus enthält das bisherige Vertragsrecht Ansätze für eine ökonomische Inwertsetzung der verschiedenen Waldfunktionen. So wird der genetischen Vielfalt über die Zugangs- und Teilhabeordnung der Biodiversitätskonvention eine wirtschaftliche Bedeutung beigemessen. Ähnliches galt für die klimastabilisierende Funktion der Regenwälder im Rahmen des "Joint-implernentation"-Verfahrens nach der K.limarahrnenkonvention. Der "Clean-developrnent"-Mechanismus des Kyoto-Protokolls läßt eine lnwertsetzung indes nur soweit zu, wie es um Aufforstungen oder Wiederaufforstungen geht. Bestrebungen zur Erhaltung der existierenden Waldgebiete sollen nicht gefördert werden. Durch den Aufbau von Märkten für Umweltgüter will man einen Anreiz für deren Bewahrung schaffen. Der Umfang der Erhaltungsbestebungen wird damit auch von der Nachfrage nach den bereitgestellten Gütern abhängig sein. Eine derartige Vorgehensweise hat zwarden Vorteil, daß sie staatliche Alleinentschei-

C. Zusammenfassung und Gesamtbewertung einschlägigen Vertragsrechts

165

dungskompetenzen nicht beeinträchtigt. Ein Mechanismus, der auf dem Gedanken der Freiwilligkeit aufbaut, kann aber kaum eine hinreichende Gewähr für die zukünftige Kontinuität von Erhaltungsbestrebungen bieten. Abgesehen von der Bereitstellung finanzieller Mittel und der lnwertsetzung bestimmter Umweltfunktionen sehen einige der untersuchten Verträge Zugangserleichterungen für umweltrelevante Technologien vor (Biodiversitätsabkommen, Klimarahmenübereinkommen, Zusatzprotokoll zu Lome IV, ITTA, allerdings lediglich als Vertragsziel). Teilweise wird auch eine besondere administrativ-technische Hilfe angeboten (ITTA, Rarnsarübereinkommen). Auch wenn sich dem Grunde nach für eine erhebliche Zahl von Maßnahmen zur Erhaltung der Regenwälder Unterstützungsmöglichkeiten erschließen, ist die Wirkung der entsprechenden Instrumente begrenzt. Entweder sind die Anreize, die von ihnen ausgehen, gering (Bali Partnership Fund des ITTA, Kompensation für Zugang zu genetischen Ressourcen nach der Biodiversitätskonvention, Übernahme der vollen vereinbarten Mehrkosten nach der Biodiversitätskonvention, Finanzmittel der Fonds der Weltnaturerbekonvention und des Rarnsarübereinkommens) oder die Mechanismen arbeiten noch nicht (Kyoto-Protokoll; auch insoweit werden die Anreize allerdings sehr begrenzt sein). Sie können damit nur sehr eingeschränkt ökonomisch gleichwertige Alternativen zu waldzerstörenden Nutzungsfarmen eröffnen. Hinzu kommt, daß sie größtenteils entweder ausschließlich auf freiwillige Beiträge der Geberstaaten aufbauen (ITTA, Rarnsar, zukünftig auch der "special climate change fund" des Klimaregimes) oder diesen Letztentscheidungsrechte über die Höhe der Förderung belassen (Finanzierungsmechanismus nach der Biodiversitätskonvention, im Grunde auch der "Ciean-development"-Mechanismus nach dem Kyoto-Protokoll, Kooperation im Rahmen des Lome-IV-/Cotonou-Abkornmens). Inwieweit die direkten und indirekten Steuerungsmechanismen der Vereinbarungen aktuell zur Erhaltung der Regenwälder beitragen oder potentiell dazu geeignet sind, wurde von den Vertragsparteien selbst noch nicht näher untersucht. 4. Ein (arbeitendes) "compliance control system" ist bei den untersuchten Vereinbarungen nur eingeschränkt vorhanden. Verträge, die auf globaler Ebene spezifische oder zumindest allgemeine Vorgaben zum Waldschutz enthalten, sehen entweder keine näheren Kontrollmechanismen vor (ITTA und Lome-Abkommen) oder beziehen sich nur eingeschränkt auf Drittweltstaaten (Klimarahmenkonvention). Auch für den Großteil der globalen Abkommen, die nicht näher auf die (Regen-)Walderhaltung ausgerichtet sind, gilt nichts anderes. Der Kontrollmechanismus nach der Weltnaturerbekonvention wurde erst 1997 in die Praxis umgesetzt,

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

das Ramsarübereinkommen sieht keine näheren Überprüfungsinstrumente vor, und auch das Berichtsverfahren nach der Biodiversitätskonvention befindet sich vor dem Hintergrund des Problems des Kontrollumfangs und der -dichte noch im Aufbau. In den einschlägigen regionalen afrikanischen, mittel- und südamerikanischen Vertragswerken sind Kontrollmechanismen überhaupt nicht vorgesehen. 5. Der geringen Ausprägung von Überprüfungsmechanismen entspricht es, wenn ein "compliance response system" im Zusammenhang mit waldrelevanten Regelungen nur in Ansätzen (CITES, Weltnaturerbekonvention durch Vorschläge an den Staat) vorhanden ist. Aufgrund der aufgeführten Defizite erscheint das einschlägige umweltvölkerrechtliche Vertragsrecht in seiner bisherigen Struktur nicht als hinreichend geeignet, um das Problem der Regenwaldzerstörung adäquat zu bekämpfen.

Zweites Kapitel

Völkergewohnheitsrechtliche Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung Fraglich erscheint, ob völkergewohnheitsrechtliche Regelungen bestehen, aus denen sich Verhaltensvorgaben für die Erhaltung tropischer Regenwälder ableiten lassen.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht Zu untersuchen ist zunächst die Existenz universellen Gewohnheitsrechts im Bereich der Walderhaltung. Mit der Rechtsprechung des IGH und der ganz überwiegenden Auffassung des völkerrechtlichen Schrifttums wird für das Entstehen gewohnheitsrechtlicher Regelungen eine einheitliche Staatenpraxis von gewisser Dauer und die Überzeugung, zu entsprechendem Verhalten verpflichtet zu sein, verlangt548• Diese überkommene Ansicht ist allerdings nicht unbestritten. Sie hat s48 In der Rechtsprechung des IGH wird die Notwendigkeit einer Staatenpraxis und einer "opinio iuris" insbesondere in folgenden Entscheidungen betont: North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, 3 (44, Ziffer 177); Cases Conceming the Continental Shelf, ICJ Rep. 1985, 3 (29, Ziffer 27 f.); Case Conceming Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Rep. 1986, 14 (87 f., Ziffer 186). Für das Schrifttum statt vieler:

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

167

gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Dringlichkeit ökologischer Problematiken Kritik erfahren. Insbesondere gegen das Erfordernis einer beständigen Staatenpraxis wird geltend gemacht, daß es die schnelle Entwicklung von Rechtsnormen zur Bewältigung aktueller ökologischer Problernlagen verhindern würde549. Dieses Defizit sei nur zu kompensieren, wenn man die Möglichkeit der spontanen Heranbildung von Völkergewohnheitsrecht anerkenne und auf das Erfordernis einer dauerhaften Staatenpraxis verzichte550. Einer derartigen Auffassung ist zuzubilligen, daß sie den heutigen Regelungsbedürfnissen des internationalen Systems eher gerecht wird. Sie steht jedoch im Widerspruch zur internationalen Praxis, die eine Entstehung gewohnheitsrechtlieber Normen nur annimmt, wenn die betreffenden Regelungen von den Staaten tatsächlich umgesetzt und als Recht angesehen werden551 . Den Staaten als Rechtsetzungssubjekten des Völkerrechts bleibt es überlassen, die Entstehungsvoraussetzungen für Rechtsnormen festzulegen. Nach herkömmlicher Auffassung soll dem Gewohnheitsrecht im Normensystem des Völkerrechts die Funktion zukommen, eine bereits zu einem bestimmten Umfang bestehende Übung in den Rang des rechtlich Gesollten zu erheben und existierende Verhaltensformen normativ zu verfestigen552 • Das Fehlen dieser Voraussetzungen läßt sich nicht durch neue Theorien zur Begründung völkergewohnheitsrechtlicher Vorgaben relativieren553 • Eine gewisse systemimmanente Anpassung der EntstehungserforDahm/Delbrück/Wolfrum, S. 56 ff. , II 2 a), b); Chamey, AJIL 87 (1993), S. 545; Brownlie, S. 5 ff.; /psen/Heintschel v. Heinegg, S. 183 ff., § 16, Rn. 2 ff. 549 Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 224 f. Kritisch zum fehlenden Innovationspotential des Gewohnheitsrechts im Zusammenhang mit Umweltproblemen auch Beyerlinl Marauhn, S. 24 f.; Marzik, VRÜ 30 (1997), S. 570. 550 So Hohmann. Präventive Rechtspflichten, S. 219 ff., insbesondere S. 222, 225 f. Dem Autor zufolge soll für das Entstehen von Gewohnheitsrecht die wiederholte Bekräftigung einer bestimmten Regelung (auch in rechtlich unverbindlichen Erklärungen) ausreichen. Dieser Ansatz baut im wesentlichen auf Cheng, IJIL 5 (1965), S. 36 f., auf, der unter Zugrundelegung des Konsensprinzips die Theorie des "instant customary law" begründet hat. Ihr zufolge erfordert die Entstehung von Gewohnheitsrecht lediglich das Bekenntnis der Staaten zu bestimmten Verhaltensvorgaben, nicht aber eine Staatenpraxis. Noch weitreichender Aga, AVR 1956/1957, S. 257. der insoweit nur verlangt, daß eine entsprechende Verhaltensvorgabe im Rechtsbewußtsein der Staaten vorhanden ist. 551 Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 316. 552 Tomuschat, GYIL 25 (1982), S. 92. 553 Allerdings weist Chamey, AJIL 87 (1993), S. 535 f., darauf hin, daß internationale Autoritäten wie der IGH bei der Untersuchung der Existenz gewohnheitsrechtlicher Regelungen vielfach lediglich überprüfen, ob eine bestimmte Vorgabe in einer hinreichenden Zahl internationaler Dokumente zum Ausdruck kommt. Das objektive Element der Staatenpraxis wird damit stark entwertet.

168

2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

dernisse an die Gegebenheiten der organisatorisch stark ausgeprägten und hochtechnisierten internationalen Beziehungen von heute ist vielmehr dadurch zu erreichen, daß man an die Dauer der Staatenpraxis nicht mehr so hohe Anforderungen stellt554 • Auch der IGH hat anerkannt, daß eine lediglich kurze Dauer dieser Praxis zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht ausreicht, sofern sie von ausgedehntem und praktisch gleichförmigem Charakter ist555 • Vergegenwärtigt man sich die geringe Bedeutung, die Walderhaltungsaspekte im Rahmen der derzeit arbeitenden einschlägigen globalen Vertragsregime spielen, erscheint die Existenz gewohnheitsrechtlicher Normen im Waldbereich zweifelhaft. Dennoch wird in der Literatur teilweise erwogen, ob aus den waldrelevanten Dokumenten, die während und nach UNCED verabschiedet wurden, nicht bereits gewohnheitsrechtliche Regelungen abzuleiten sind556• Um diese Frage näher zu überprüfen, wird im folgenden die Entstehungsgeschichte und der Inhalt der bedeutendsten Dokumente dargestellt, aus denen sich der derzeitige globale Konsens in Fragen der Walderhaltung ableiten läßt. Anschließend soll untersucht werden, ob und wieweit die darin enthaltenen Vorgaben bereits in das Gewohnheitsrecht eingeflossen sind.

I. Derzeitiger Konsens in Fragen der Walderhaltung 1. Non-legally binding authoritative statement of principles for a global consensus on the management, conservation and sustainable development of all types of forests a) Entwicklung Das "Non-legally binding authorative staternent of principles for a global consensus on the mangement, conservation and sustainable development of all types of forests", die sogenannte Waldgrundsatzerklärung, legt erstmals weltweit geltende Prinzipien für die Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung 554 Österreichisches Handbuch des Völkerrechts/Simma, S. 44, Rn. 220; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 315. 555 IGH, North Sea Continental Shelf Case, ICJ Rep. 1969, 3 (44, Ziffer 74). 556 Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 265 ff. Im Ansatz auch der FAO-Bericht, The State ofthe World's Forests 1997, S. 96 f. Dieser spricht davon, daß die einschlägigen Regelungen der Rio-Dokumente in internationale Vereinbarungen aufgenommen worden und in innerstaatliches Recht eingeflossen seien und damit "Wirkung auf das Gewohnheitsrecht" hätten.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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von Waldgebieten fest. Die Entstehung des UNCED-Dokuments beruht auf einem Komprorniß zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. Bereits im Vorbereitungsprozeß zur Umweltkonferenz von Rio war deutlich geworden, daß sich die von OECD-Seite geforderte Aufnahme von Verhandlungen über eine Tropenwaldkonvention politisch nicht realisieren ließ557 • Die Entwicklungsländer werteten ein solches Vorhaben als Ungleichbehandlung, da es lediglich von Staaten der Dritten Welt, nicht aber von lndustrieländern, Maßnahmen zur Erhaltung ihrer Wälder verlange. Darüber hinaus befürchtete man, ein derartiges Abkommen habe das Ziel, die Hauptverantwortung für die Stabilisierung des Weltklimas auf die Entwicklungsländer abzuwälzen558 • Forderungen nach rechtsverbindlichen Regelungen zum Schutz tropischer Wälder wurden unter Hinweis auf souveräne Rechte über die Naturressource Wald und das Recht auf Entwicklung zurückgewiesen559 • Sofern die Erarbeitung eines internationalen Walderhaltungsinstruments überhaupt akzeptiert wurde, verlangten die Entwicklungsländer eine Einbeziehung der Wälder der gemäßigten und borealen Klimazonen sowie umfassende Kompensationen für die Einschränkung wirtschaftlicher Nutzungsmöglichkeiten560. Diese Forderungen wurden von den industrialisierten Staaten jedoch nicht akzeptiert561 . Da eine Annäherung beider Positionen nicht zu erreichen war, konzentrierte man sich auf die Ausformulierung unverbindlicher Prinzipien über die Nutzung und den Schutz der Wälder. Dabei hat sich das Verlangen der Entwicklungsländer nach der Einbeziehung sämtlicher Waldvegetationstypen durchgesetzt. Nähere Aussagen zur zukünftigen Kooperation im Waldbereich ließen sich aufgrundder geringen Konsensbereitschaft der Staaten nicht treffens62.

557 Eine nähere Analyse der unterschiedlichen Akteursinteressen im UNCED-Prozeß findet sich bei Hönerbach, S. 34 ff. 558 VanderZwaag/MacKinlay, S. I; de Sa, IEA 10 (1998), S. 26; Johnson, Earth Sumrnit, s. 103. 559 Johnston, Earth Sumrnit, S. 103; Hönerbach, S. 42; de Sa, IEA 10 (1998), S. 26. 560 Hönerbach, S. 42, 51. 561 Ebenda. 562 Während der Verhandlungen der "forest principles" war stark umstritten, ob die Erklärung ein Mandat für zukünftige Verhandlungen über rechtsverbindliche Regelungen enthalten sollte. Akzeptiert wurde schließlich nur ein Formelkomprorniß, wonach die Grundsätze "im Hinblick auf die weitere internationale Zusammenarbeit im forstlichen Bereich laufend auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen" sind (Buchstabe (d) der Präambel). Diese Vorgabe läßt die Form der zukünftigen Zusammenarbeit offen. Zu der Auseinandersetzung im Verhandlungsprozeß vgl. auch Hönerbach, S. 48 f.

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

b) Inhalt

Die Waldgrundsatzerklärung ist zu einem erheblichen Teil sehr vage formuliert563 und läßt eine Systematik oder thematische Schwerpunktbildung kaum erkennen564. Das Dokument enthält zahlreiche Wiederholungen und spricht abwechselnd von "Erhaltung, Bewirtschaftung und nachhaltiger Entwicklung", "nachhaltiger Bewirtschaftung und Nutzung", "Bewirtschaftung und nachhaltiger Entwicklung", ohne diese Bezeichnungen näher zu erläutern oder Gründe für die unterschiedliche Begriffswahl deutlich zu machen565 . Im Vordergrund steht die Betonung des souveränen Rechts auf Nutzung der natürlichen Ressource Wald im Einklang mit eigenen Umwelt- und Entwicklungspolitiken566 . Eine explizite Einschränkung dieses Rechts findet sich nur insoweit, als daß seine Ausübung nicht zu schädigenden Einwirkungen aufGebiete außerhalb der staatlichen Jurisdiktion führen darP67 • Die Waldgrundsatzerklärung spricht davon, daß Wälder nachhaltig bewirtschaftet werden sollten, um die verschiedenen materiellen und ideellen Bedürfnisse der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen zu befriedigen568 . Eine nähere Definition, was unter der Bezeichnung der nachhaltigen Nutzung zu verstehen ist, enthält das Dokument nicht. Aus dem Gesamtzusammenhang der Waldgrundsatzerklärung lassen sichjedoch bestimmte Einzelaspekte ableiten, die zur näheren Auslegung des Begriffs herangezogen werden können. Erstens soll die Bewirtschaftung der Wälder deren ökologisches Gleichgewicht und die Waldproduktivität nicht beeinträchtigen569 . Zweitens sind die unterschiedlichen mate563 de Sa, IEA 10 (1998), S. 28: "The statement ... could be reduced to a third of its 1ength without sacrificing loss of substance of emphasis. "; Saunders, S. 267: "toothless and misdirected"; Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), S. 135 "wenig neue normative Substanz"; Szekely, S. 66 f. : " ... falls I 00 % short of providing even the most elementary basis for an international regime for the protection ofthe world's forests". 564 de Sa, IEA 10 (1998), S. 28. 565 Vgl. Beyerlin, Sustainable Development, S. 110: " ... thereby bringing more confusion than clearity as regards its (legally non-binding) concept .. . Apart from the fact that these formulas do not render any specification, it appears rather inadequate to link the term "sustainable" partly to "management" alone, and partly to "management", "conservation" and "development". 566 Prinzipien 1 (a) und 2. So auch der 3. Tropenwaldbericht der Bundesregierung, BTDrucks. 12/8350, S. 318: "Im Vordergrund steht das souveräne Recht der Staaten zur Nutzung ihrer Waldressourcen". 567 Prinzip 1 (a). 568 Prinzip 2 (b) S. 1. 569 Prinzip 8 (b) und (e).

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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riellen und ideellen Werte der Wälder hinreichend zu berücksichtigen570• Drittens ist aus dem Dokument ein integrativer Ansatz ableitbar. Umweltbezogene, ökonomische und soziale Belange sollen im Forstsektor Beachtung findenm. Ebenso ist auf eine sachgerechte Abstimmung des Waldbereichs mit anderen Politikfeldern hinzuwirken572 • Nähere Zielvorgaben zum Ausbau der nachhaltigen Waldwirtschaft enthalten die "forest principles" nicht. Sie bleiben damit hinter Empfehlungen zurück, die bereits zum Zeitpunkt der Rio-Konferenz auf internationaler Ebene existierten, wie insbesondere das 1990 verabschiedete Target 2000 im Rahmen der ITT0573 • Die Frage, wie auf wissenschaftliche Unsicherheiten bezüglich der Folgen menschlicher Eingriffe in Waldökosysteme reagiert werden soll, wird nicht beantwortet. Die Waldgrundsatzerklärung verlangt lediglich, bei Vorhaben mit der Wahrscheinlichkeit einer Schädigung bedeutender Waldareale Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen574 • Das Steuerungsinstrument zur Sicherstellung einer nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Waldressourcen sollen nationale Politiken und Prograrnrne bilden575. Diese Hervorhebung nationaler Entscheidungsbefugnisse wird zwar den landesspezifischen Unterschieden im Waldbereich gerecht. Sie ist aber in erster Linie als Bekräftigung staatlicher Alleinentscheidungskompetenzen aufzufassen576. Eine im Vorentwurf der Waldgrundsatzerklärung vorgesehene Ausrichtung 570 Buchstabe (b) und (f) der Präambel, Prinzip 2 (b) S. 2, Prinzip 4, Prinzip 6 (c). Genannt wird dabei ausdrücklich die Funktion der Wälder für die Stabilisierung ökologischer Prozesse (Prinzip 4), für die Holzwirtschaft (Prinzip 6 (a)) sowie für die Bereitstellung genetischen Materials (Prinzip 8 (g)). Die Erklärung verlangt ferner, die Umweltkosten in die Preisbildung für Waldprodukte einzubeziehen (Prinzip 13 (e)). 571 Buchstabe (c) der Präambel, Prinzip 3 (c), Prinzip 6 (c), Prinzip 9 (b) und (c), Prinzip

13 (d).

m Prinzip 8 (e), Prinzip 9 (b). m So die Bewertung verschiedener NGO-Vertreter; vgl. dazu Johnson, Earth Surrunit,

S. 115. Auch aus diesem Grund ist die Prinzipiendeklaration vielfach mit Enttäuschung aufgenommen worden, so beispielsweise Beyerlin, ZaöRV 54 (1994), S. 136: "kein Ruhmesblatt"; Engelhardt/Weinzierl, S. 123: "größte Enttäuschung von Rio"; Szekely, S. 66: "almost no impact on saving forest". 574 Prinzip 8 (g). m Prinzip 3 (a). 576 Die Entwicklung ökologisch tragfähiger "nationaler" Leitlinien für die Waldbewirtschaftung soll demensprechend auf Grundlage "nationaler" Prioritäten geschehen (Prinzip 2 (b); Prinzip 8 (d)), wobei auf internationaler Ebene formulierte Methoden und Kriterien "unter Umständen" berücksichtigt werden sollen (Prinzip 8 (d) S. 2).

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

staatlicher Forstpolitiken auf international formulierte Leitlinien577 konnte sich nicht durchsetzen. Im Vergleich zu den nutzensbezogenen Regelungen spielen Schutzaspekte in der Waldgrundsatzerklärung eine untergeordnete Rolle578 • Zwar spricht die Deklaration von der Erhaltung und dem Ausbau bewaldeter Flächen579 • Sie verweist in diesem Zusammenhang jedoch nicht etwa auf verstärkte Bemühungen zur Unterschutzstellung der Wälder. Vielmehr wird die Bedeutung von Maßnahmen zur Wiederaufforstung und Schaffung künstlicher Waldareale hervorgehoben 580• Ein Bekenntnis zum verstärkten Schutz noch unberührter Primärwälder, wie vor allem der noch intakten tropischen Regenwälder, findet sich nicht581 • Das Bedürfnis einer Nutzung aller natürlichen Waldgebiete wird anerkannt582 und das Recht auf Umwandlung von Waldflächen in andere Nutzungsformen als Ausfluß der Souveränität bekräftigt583• Diese mangelnde Differenzierung zwischen Wäldern mit völlig unterschiedlicher ökologischer Bedeutung hat in der umweltpolitischen Diskussion eine erhebliche Kritik erfahren584• In verfahrensmäßiger Hinsicht sehen die "forest principles" die Einbeziehung relevanter Gruppen (örtliche Bevölkerung, indigene Völker, Industrie, NGOs, Frauen sowie betroffene Einzelpersonen) in die Entwicklung und Durchführung der Waldpolitiken vor585 • Informationen über staatliche Entscheidungen sollen diesen Gruppen offen stehen. Betont werden ferner die Rechte der Waldbewohner, vor allem der indigenen Völke~86, deren waldrelevantes Wissen geschützt und gegebenenfalls unter Nutzenbeteiligung in die nationale Politik einbezogen werden soll587 •

Prinzip 8 (d) des Vorentwurfs, abgedruckt bei Johnson, Earth Summit, S. 104 ff. So auch Hönerbach, S. 57 f. 579 Prinzip 8 (a), (b); ähnlich auch die Zielvorgabe der Prinzipien 6 (a), 10 und 13 (e). 580 Prinzip 6 (a), (d), Prinzip 8 (a), (b). 581 Prinzip 8 (f) fordert lediglich eine Unterschutzstellung bestimmter ökologisch-lebensfähiger, repräsentativer oder einzigartiger "Beispiele" von Wäldern und nennt dabei unter anderem Primärwälder. 582 Prinzip 6 (e). 583 Prinzip 2 (a) a. E. 584 Szekely, S. 66; Tarasofsky, ZaöRV 56 (1996), S. 681 ; im Ansatz wohl auch Hönerbach, S. 57. 585 Prinzip 2 (d), Prinzip 5 (a) und (b). 586 Prinzip 5 (a). 587 Prinzip 5 (a), Prinzip 12 (d). 577

578

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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Die Erklärung enthält schließlich verschiedene Aussagen zur internationalen Kooperation im Waldbereich. So sollen für Entwicklungsländer neue und zusätzliche Finanzmittel zur Deckung der vereinbarten vollen Zusatzkosten für die Erhaltung, nachhaltige Nutzung und Unterschutzstellung ihrer Wälder bereitgestellt werden588• Das Dokument spricht ferner von der Notwendigkeit eines erleichterten Zugangs und Transfers von Technologien zur Walderhaltung589 • Darüber hinaus soll durch die Schaffung eines günstigen Weltwirtschaftsklirnas590, den Abbau internationaler sektorenübergreifender Entwaldungsursachen591 sowie einen gesteigerten W elthandel592 zur Erhaltung der Wälder beigetragen werden.

2. Vorgaben der Agenda 21 Die Agenda 21 legt als rechtlich unverbindliches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert Leitlinien für die Umsetzung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung fest593 • Das elfte Kapitel des UNCED-Dokuments widmet sich der Bekämpfung der weltweiten Entwaldung und enthält Vorgaben zum Ausbau forstrelevanter Kapazitäten594, zur Verbesserung des Schutzes, der nachhaltigen Bewirtschaftung und Erhaltung von Waldflächen595 sowie zur Förderung ihrer effizienteren Nutzun~96 .

Prinzipien 10, I (b), 8 (c) und 7 (b). Prinzip II. 590 Prinzip 7 (a). 591 Prinzip 9 (a) nennt dabei ausdrücklich die Verschuldung der Entwicklungsländer. 592 Prinzip 13 (a), (b), Prinzip 14. 593 Der Text der Agenda 21 findet sich in: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro- Dokumente- Agenda 21, hrsg. v. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn 1993. 594 Programmbereich A: Aufrechterhaltung der vielfaltigen Funktionen aller Waldarten, Waldgebiete und Gehölzflächen sowie Programmbereich D: Schaffung und/oder Stärkung vorhandener Kapazitäten für die Planung, Zustandsbewertung, die systematische Bewertung der Wälder sowie damit zusammenhängende Programme, Projekte und Aktivitäten einschließlich des gewerblichen Handels und der Weiterverarbeitung. 595 Programmbereich B: Verbesserung des Schutzes, der nachhaltigen Bewirtschaftung und der Erhaltung aller Wälder sowie die Begrünung degradierter Flächen durch die Wiederherstellung von Wäldern, Aufforstungs-, Wiederaufforstungs- und andere Sanierungsmaßnahmen. 596 Programmbereich C: Förderung einer effizienteren Nutzung und einer umfassenden Bewertung der Güter und Dienstleistungen, die Wälder, Waldgebiete und Gehölzflächen bereitstellen. 588 589

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

Ebenso wie in der Waldgrundsatzerklärung werden nationale W aldaktionsprograrnme oder Waldbewirtschaftungspläne als Steuerungsinstrument für den Forstbereich angesehenS97. Die Erhaltung der Waldflächen598 und ihres ökologischen Gleichgewichts 599 soll das Ziel der staatlichen Waldpolitik bilden. Dazu ist eine Integration von ökologischen Aspekten in ökonomische oder soziale Politikbereiche600 sowie eine Berücksichtigung der verschiedenen Waldfunktionen vorgesehen601 . Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder soll mit Hilfe der dafür entwickelten Kriterien und Indikatoren602 sichergestellt werden603 . Eine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Unsicherheiten findet sich nicht. Ebenso wie im Rahmen der "forest principles" wird lediglich auf das Erfordernis der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen verwiesen604. Im Gegensatz zur Waldgrundsatzerklärung nimmt die Agenda 21 auf die sektorenübergreifenden Ursachen der Entwaldung stärker Bezug. So empfiehlt sie verstärkte Maßnahmen gegen Waldschädigungen durch den Abbau von Bodenschätzen und den fortwährenden Brandrodungsfeldbau605 • Sie fordert überdies die Bekämpfung der sozialen und ökologischen606 Ursachen des Wanderfeldbaus607 und hält die Staaten zur Überprüfung ihrer Landnutzungs- und Bodenbesitzverhältnisse an608• In formeller Hinsicht hebt das elfte Kapitel die Notwendigkeit der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in die Formulierung und Umsetzung von Walderhaltungsstrategien hervor609 • Ziffer 11.12 (b). Ziffern 11.11 S. 1, 11.12 (a). 599 Ziffer 11.12 (a). 600 Ziffern 11.1, 11.3 (c ), 11.12 (b ). 601 Ziffern 11.1, 11.3 S. 1 (e) und (g), 11.4 (a), 11.10, 11.12 (d), 11.13 (a) und (d), 11.20, 11.21 (a), (b) und (d), 11.22 (f), (g), (h), U) und (!), 11.23 (a) und (c), 11.26 (e), 11.31 (c), (d). 602 Ziffer 11.22 (c). 603 Ziffern 11.12 (c), 11.13 (a). 604 Ziffern 11.22 (a), 11.23 (b), 11.31 (c). 605 Ziffer 11 .13 (g). 606 Fraglich ist, ob nicht vielmehr die ökonomischen Ursachen des Wanderfeldbaus gemeint sind. 607 Ziffer 11 .13 (j). 608 Ziffer 11.11 S. 3. Dieser Verweis findet sich allerdings nicht im Bereich der Handlungsvorgaben der Agenda 21 , sondern nur im Rahmen der Handlungsgrundlagen. 609 Vgl. die Ziffern 11.1, 11.3 S. I (b), 11.4(c), 11.13 S. 2 und Buchstabe(j), 11.14 (d), 11.18 (c), 11.19 S. I, 11.22 S. 1, 11.22 (i), 11.30 (b), 11.31 S. 1. 597

598

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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Auch die Vorgaben der Agenda verlangen keine verstärkten Bemühungen um den Schutz der Primärwälder610. Sie erkennen vielmehr den Bedarf nach einer stärkeren Nutzung von Naturwaldflächen an611 . Der verstärkten Beachtung des wirtschaftlichen Potentials der Wälder ist ein eigener Programmabschnitt gewidmet612. Zur Erhaltung und zum Ausbau der Waldflächen wird neben Aufforstungen die Ausweitung von Plantagen vorgeschlagen613 • Lediglich diese Maßnahmen zur "Begrünung der Welt" werden als Aufgabe von globaler Bedeutung angesehen614. Nähere Aussagen zur internationalen Zusammenarbeit in Bereich der Walderhaltung enthält das Dokument nicht. Lediglich allgemein wird anerkannt, daß eine finanzielle Unterstützung, ein Technologietransfer, gerechtere Handelsbedingungen sowie die Anwendung angemessener Marktmechanismen helfen werden, den globalen Umweltproblemen entgegenzutreten615 . Über die wirksame Umsetzung der "forest principles" hinaus soll "auf Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse die Notwendigkeit und Durchsetzbarkeil von international abgestimmten Vereinbarungen zur Erhaltung der Wälder überprüft werden" 616. Die Möglichkeit der Erarbeitung eines völkerrechtlich verbindlichen Walderhaltungsinstruments wird damit eher in Erwägung gezogen als im Rahmen der Waldgrundsatzerklärung.

610 Die Ausweisung von Waldschutzgebieten spielt auch im Rahmen der Agenda 21 nur eine untergeordnete Rolle. Soweit das Dokument Vorgaben zur Unterschutzstellung enthält, sind diese durch "escape-clauses" abgeschwächt worden; vgl. die Ziffern 11.12 (a), (c): " . .. to ensure, where appropriate, conservation ... " und 11.13 (b): " ... establishing, as appropriate to each national context, protected area systerns"; Hervorhebungen von der Verfasserin. 611 Ziffer 11.22 (d). 612 Programmbereich C, Ziffern 11 .20, 11 .21. Dabei sollen die verschiedenen Waldfunktionen stärker als bisher in ökologisch verträglicher Weise genutzt werden; vgl. 11.21 (b),

(c), (d), (f), (g), (h), (1).

Ziffern 11.11 S. 2, 11.12 (a), 11 .13 (a), (d), (e), (f), (h). Ziffer 11.15 S. I. Eine gerneinsame Verantwortung für den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Wälder ließe sich allein aus der überschlägigen Kostenberechnung des UNCED-Sekretariats für diesen Programmbereich ableiten. Danach sollen 37 %der anfallenden Umsetzungskosten von der internationalen Gemeinschaft getragen werden (Ziffer 11.16). 615 Ziffern 11 .16, 11.24, 11 .25, 11 .40. 616 Ziffer 11.12 (e). 613

614

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

3. Empfehlungen des Intergovernmental Panel on Forests a) Entwicklung

Um den Umsetzungsprozeß der Agenda 21 nach der Rio-Konferenz zu überwachen und zu verbessern, richtete der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen auf Grundlage des 38. Kapitels der Agenda sowie auf Empfehlung der UN-Generalversanunlung617 die sogenannte Commission on Sustainable Development (CSD) ein618 • Auf ihrer dritten Tagung im Jahre 1995 wurde die Umsetzung des 11. Kapitels der Agenda 21 diskutiert. Das Abschlußdokument der Sitzung betont die "dringende Priorität" von Maßnahmen zur Erhaltung der Wälder und fordert die volle und effektive Umsetzung der "forest principles" sowie der einschlägigen Vorgaben der Agenda 21 619 • Um nähere Vorschläge für koordinierte Aktionen auf Grundlage eines allgemeinen Konsenses zu entwickeln, wurde die Einrichtung des Intergovernmental Panel on Forests (IPF) beschlossen620. Der IPF hat der CSD auf ihrer 5. Sitzung im Jahre 1997 Handlungsvorschläge vorgelegt621 • Diese wurden von der Kommission angenommen und haben auf internationaler Ebene eine hohe Anerkennung erfahren. So haben sich beispielsweise die Staats-

617 Institutional Arrangements to follow up the United Nations Conference on Environment and Development, GV-Res. 47/191 vom 22. Dezember 1992 (abgedruckt im UN Yearbook 1992, S. 676 ff.), Ziffern 2 ff. 618 Establishment of the Commission on Sustainable Development, ECOSOC-Dec. 1993/207 vom 12. Dezember 1993 (abgedruckt im UN Yearbook 1993, S. 667). Die Kommission stellt ein Hilfsorgan des ECOSOC nach Art. 68 der UN-Charta dar. Sie setzt sich aus 53 Staatenvertretern zusammen, die nach einem geographischen Verteilungsschlüssel vom Wirtschafts- und Sozialrat für jeweils drei Jahre gewählt werden. Eine Analyse der Funktionen der CSD findet sich bei Beyerlin/Marauhn, S. 60 ff. 619 Recommendations and Decisions Adopted by the 3rd Session of the CSD, 23-24 January 1995 (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 2, unter 28-04-9511 ), Kap. 11, Ziffer4. 62 Kap. 11, Ziffer 5 und Annex 1: UNCSD Open-Ended Intergovemmental Panel on Forests. Nach Annex I, Ziffer 2 sollten folgende Bereiche vom Panel diskutiert werden: I. Umsetzung der UNCED-Entscheidungen mit Bezug zur Walderhaltung; II. Internationale finanzielle Unterstützung und Technologietransfer; 111. Wissenschaftliche Forschung, Waldzustandsbewertungen sowie die Entwickung von Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung; IV. Handel und Umweltschutz. Gemäß Kap. II, Ziffer 5 und Annex I, Ziffer 2 V, sollte der IPF auch die Notwendigkeit und die möglichen Instrumente einer zukünftigen Zusammenarbeit im Waldbereich diskutieren. 621 Commission on Sustainable Development, 5th Session, New York, 7-25 Aprill997: Report ofthe Ad Hoc Intergovernmental Panel on Forests on Its Fourth Session, UN-Doc. EICN. I7/l997/12.

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oberhäupterdes Commonwealth ofNations622 , die G7/8-Staaten623 , der 11. Weltwaldkongreß624 und die 6-Staaten-Initiative625 zur Umsetzung der Vorgaben bekannt.

b)lnhalt Insgesamt enthalten die IPF-Proposals mit über I 00 Einzelempfehlungen einen äußerst umfassenden Maßnahmenkatalog. Das Dokument baut auf der Waldgrundsatzerklärung auJ:-626 und bekräftigt das Erfordernis einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung auf Grundlage nationaler Waldbewirtschaftungspläne (NFAPs)627 • Bei Entwicklung der NFAPs sollen die unterschiedlichen Waldfunktionen einbezogen628 und, soweit erforderlich, sektorenübergreifende Ursachen der Entwaldung berücksichtigt werden629. Eine Anhindung an internationale Wertmaßstäbe bei der Erarbeitung der Pläne ist nur begrenzt vorgesehen. Nach Möglichkeit sollen auf zwischenstaatlicher Ebene formulierte Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung Beachtung finden 630.

622 Edinburgh Communique ofthe Commonwealth Heads ofGovernment vom 27. Oktober 1997 (zu erhalten über das Internet: http://www.commonwealth.org/docs), Ziffer 6. 623 Final Communique oftheDenver Summit of the Eight vom 22. Juli 1997 (zu erhalten über das Internet: http://www.state.gov/issues/economic/summit/communique97 .htrnl), Ziffer 19; G8 Action Programme on Forests, London, vom 9. Mai 1998 (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 09-05-98/1), Ziffer 3; vgl. auch das Final Communique of the Okinawa Summit of the Eight vom 23. Juli 2000, Ziffer 67: "We fully endorse the conclusions of our Foreign Ministers regarding sustainab1e forests management" (zu erhalten über das Internet: http://www.g7.utoronto.ca/g7/summit/2000okinawalfinalcom. htm). 624 Antalya Declaration of the XI Wor1d Forestry Congress, Initiatives for Sustainab1e Development Towards the XXI Century vom 22. Oktober 1997 (zu erhalten über das Internet: http://www. fao.org/forestry/fodalwforcong/publi/v7/be/V7E_b.HTM), Ziffer 3. 625 Six Country Initiative (lndonesien, Uganda, Finnland, Deutschland, Honduras, Großbritannien), in: International Institute for Sustainab1e Deve1opments, Sustainab1e Deve1opments, Vol. 17, No. 1, 6 Ju1y 1998, S. 1 ff. 626 Ziffer 7 (a) und (b) der IPF-Proposals. 627 Ziffern 17 (a) und 70 (a). 628 Ebenda. 629 Ziffer 29 (a). 630 Ziffer 115 (b). Jeder Staat soll nach Möglichkeit an der Entwicklung der Kriterien und Indikatoren mitwirken; vgl. Ziffer 115 (c). Auf internationaler Ebene sollen auch Indikatoren für eine Überprüfung und Bewertung der Effektivität von Waldpolitiken entwickelt werden; vgl. Ziffer 71 (b).

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

Nach den Empfehlungen des IPF soll die internationale Kooperation im Waldbereich inhaltlich auf den Vorgaben der NFAPs aufbauen631 . Diesem Vorschlag liegt der Gedanke einer indirekten Einwirkung auf die Waldpolitiken insbesondere in Entwicklungsländern zugrunde. Solange nationale Politiken den zwischenstaatlich formulierten Wertvorstellungen nicht entsprechen, kann mit einer Unterstützung von seiten der Geberländer kaum gerechnet werden. Auch im nationalen Bereich sollen Maßnahmen zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung durch Anreize und wirtschaftliche Impulse gestärkt werden632 . Angaben darüber, wie bei wissenschaftlichen Unsicherheiten über die ökologischen Auswirkungen bestimmter Bewirtschaftungsmethoden zu verfahren ist, finden sich ein weiteres Mal nicht. Empfohlen wird lediglich die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen633. Abgesehen von Ländern mit geringen Waldflächen634 enthalten die Vorschläge des IPF keine näheren Vorgaben für die Unterschutzstellung bestimmter Waldgebiete. Wie bereits in der Waldgrundsatzerklärung und der AgenCla 21 finden sich in den IPF-Handlungsvorgaben in weitem Umfang Empfehlungen zur Teilnahme nichtstaatlicher Akteure an den innerstaatlichen Politiken zur Walderhaltung. Über eine Beteiligung an der Entwicklung und Umsetzung der NFAPs 635 hinaus empfehlen die IPF-Proposals auch eine nationale und internationale Unterstützung der Walderhaltungsprojekte nichtstaatlicher Akteure im lokalen Raum636 . Das Erfordernis eines Schutzes des traditionellen waldrelevanten Wissens und die Möglichkeit seiner Einbeziehung in staatliche Waldbewirtschaftungsprogramme wird erneut hervorgehoben. Allerdings wird auch betont, daß derzeit noch keine KlarZiffer 17 (c), Ziffer 67 (c), (d), Ziffer 70 (a). Ziffer 69 (b): Entwicklung von innerstaatlichen Anreizen für die nachhaltige Waldbewirtschaftung; Ziffer 69 (c): Reinvestition von Erträgen aus der Forstwirtschaft in Maßnahmen zur Walderhaltung; Ziffer 134: Berücksichtigung der Kosten für eine nachhaltige Waldnutzung im Rahmen der Preiskalkulation; Ziffer 128 (b) und 132 (a): Verbesserung des Marktzugangs für Güter und Dienstleistungen der Wälder; Ziffer 133 (c): Ausbau von Mechanismen zur Vergabe von Umweltsiegeln für Produkte aus nachhaltiger Forstwirtschaft; Ziffer I 04 (a): Entwicklung von Verfahren zur Bewertung der verschiedenen Waldfunktionen. 611 Ziffer 29 (b). 6 -'4 Ziffer 58 (v). 6 -'j Ziffer 17 (i), (h); Ziffer 40 (e) unter Verweis auf die betreffenden Vorgaben der Waldgrundsatzerklärung; Ziffer 29 (b) im Zusammenhang mit der Durchführung von UVPs. 6 -'6 Ziffer 77 (f). vgl. auch die Ziffern 29 (c) und 77 (c). 611

612

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heit über die Bedeutung derartiger Erkenntnisse für Maßnahmen zur Walderhaltung besteht637 . Das IPF fordert unter Verweis auf die Vorgaben der Waldgrundsatzerklärung eine verstärkte finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer beim Ausbau nachhaltiger Waldbewirtschaftung638 sowie einen erleichterten Technologietransfer639. Betont wird erneut die Notwendigkeit eines Abbaus von Staatsschulden640. Die Empfehlungen des IPF weisen die Aufgabe der finanziellen Hilfeleistung nicht allein den Staaten zu. In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung privater Investitionen in Entwicklungsländern641 soll über eine Verbesserung der Kapitalanlagebedingungenein stärkerer Beitrag nichtstaatlicher Unternehmen zum Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungspraktiken erreicht werden642 • Nähere Vorgaben zur institutionellen Ausgestaltung einer finanziellen Unterstützung der Entwicklungsländer64\ zur Abwicklung der Handelsbeziehungen644 und zur zwischenstaatlichen Zusammenarbeit im Waldbereich insgesamt ließen sich aufgrundeines fehlenden Konsenses nicht festlegen 645 •

4. Empfehlungen des Intergovernmental Forum on Forests a) Entwicklung

Die CSD hat auf Grundlage des IPF-Berichts keine näheren Empfehlungen zum internationalen Kooperationsrahmen und zu konkreten Handlungsstrategien Ziffer 40. Ziffer 67 (a) unter Verweis auf Prinzip I 0 der Waldgrundsatzerklärung und Ziffer 17 (c). Ferner wird eine technische Unterstützung zur Verbesserung der Produktivität einschlägiger Industrien (Ziffer 131 (b)), zum Ausbau von Kapazitäten (70 (e)) und zur Entwicklung von Umweltzertifizierungssystemen!Ökolabels (133 (b)) empfohlen. 639 Ziffer 77 (a). 6-40 Ziffer 67 (g). 637 638

Vgl. dazu die Feststellungen des Gremiums in Ziffer 63 des Dokuments. Ziffer 69 (b), (d) und (e). 643 V gl. Ziffer 68. Danach war insbesondere die Einrichtung eines internationalen Walderhaltungsfonds streitig. 644 V gl. die Ziffern 129 und 130. 645 Gemäß Ziffer 147 wurden folgende Vorschläge gemacht: fortgesetzte Diskussion über Walderhaltungsaspekte in bereits existierenden Gremien, Einrichtung eines neuen Forums zur Untersuchung der Notwendigkeit neuer Rechtsinstrumente, Vorbereitung eines Verhandlungsausschusses zur Ausarbeitung möglicher Elemente für eine Waldkonvention, unverzüglicher Beginn entsprechender Verhandlungen. 641

6-42

12*

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

abgegeben. AufVorschlag der UN-Sondergeneralversarnrnlung setzte sie ein weiteres Beratungsgremium, das Ad hoc Open-ended lntergovernmental Forum on Forests (IFF), ein646 • Dieses wurde mit dem Mandat betraut, die Umsetzung der IPF-Proposals zu fördern, die Fortschritte bei der Bewirtschaftung, dem Schutz und der nachhaltiger Entwicklung der Wälder zu begutachten sowie über offengebliebene Fragen zu diskutieren647 •

b) Inhalt In seinem abschließenden Bericht betont auch das IFF die Bedeutung der NFAPs für die Entwicklung von Walderhaltungsstrategien648 • Ihnen soll ein holistischer, integrativer Planungsansatz zugrunde liegen649 . Erneut findet die Notwendigkeit der Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen an der Umsetzung der NFAPs eine Hervorhebung650 • Überdies sollen Informationen über den Zustand der Wälder Interessierten zugänglich sein, wobei das Forum die Staaten zur Durchführung entsprechender Maßnahmen lediglich "ermutigen" will651 • Ein Schutz, eine Erhaltung und eine Einbeziehung des traditionellen waldrelevanten Wissens gegen Vorteilsbeteiligung werden gefordert652 • ,,Ermutigen" will der IFF die Staaten auch zum Ausbau nachhaltiger Waldbewirtschaftungsmethoden unter Weiterentwicklung von Kriterien und lndikatoren653 undim Gegensatz zu den oben aufgeführten Dokumenten- zur verstärkten Unterschutz-

646 Establishment of an Ad hoc Open-ended lntergovernmental Forum on Forest, ESOCOC-Res. 1997/65 vom 25. Juni 1997. Zum Mandat des IFF näher: Report ofthe Intergovernmental Forum on Forests on lts First Session, 1-3 October, New York, UN-Doc. EICN.17/IFF/1997/4, S. 3-9. 647 Programme for the Further Implementation of Agenda 21, GV -Res. A/Res/S-19/2 vom 19. September 1997, S. 18, Ziffer 40. 648 Report ofthe Intergovernmental Forum on Forests At Its Fourth Session, 3 1 January-11 February 2000, New York, UN-Doc. E/CN. 17/2000/14, A, Conclusions, Ziffer 3. 649 A, Conclusions, Ziffer 3, Proposals for action 9 (b); zur holistischen Vorgehensweise auch D, Conclusions, 4, F, 5, Proposals for action, 9 (b). MoA, Proposals for action, 9 (c), (e), (t). Mt 8, Proposals for action, 8 (b). 652 F, 2, Proposals for action, 7. 653 F, Proposals for action, 8 (g); A, Proposals for action, 8 (d). Vgl. F, 3, Proposals for action, 10 (a).

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stellungvon Waldgebieten654 • Zur Verbesserung der umweltgerechten Nutzung der Wälder werden in erster Linie ökonomische Anreizmechanismen vorgeschlagen655 . Genannt wird in diesem Zusammenhang auch die Ausgestaltung von Landnutzungsrechtell in einer Weise, die eine umweltgerechte Bewirtschaftung der betreffenden Flächen fördert. Unter Verweis auf die Waldgrundsatzerklärung und die Agenda 21 werden zusätzliche finanzielle Ressourcen und Erleichterungen beim Technologietransfer zugunsten der Entwicklungsländer gefordert656 •

5. Zusammenfassung Aus dem Inhalt der aufgeführten Dokumente läßt sich nur in sehr begrenztem Umfang ein globaler Konsens über Verhaltensanforderungen in Fragen der Walderhaltung ableiten. Im Vordergrund stehen im wesentlichen nationale Entscheidungskompetenzen. Insbesondere die Waldgrundsatzerklärung hebt das souveräne Recht auf Nutzung der Ressource Wald hervor und beschränkt dieses ausdrücklich nur insoweit, als grenzüberschreitende Umweltschäden zu vermeiden sind. Insgesamt werden Wälder primär unter Nutzungsaspekten betrachtet, der Gedanke ihrer stärkeren Unterschutzstellung spielt demgegenüber kaum eine Rolle. Eine Differenzierung zwischen Waldarealen mit unterschiedlicher ökologischer Bedeutung findet sich nicht. Im Hinblick auf die Waldbewirtschaftung heben die Erklärungen allesamt die Notwendigkeit einer nachhaltigen Nutzung hervor. Der Begriff der Nachhaltigkeil wird dabei allerdings nicht definiert. Bei Gesamtbetrachtung der Dokumente lassen sich mit diesem Terminus jedoch die Gebote der Erhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Wälder, der Berücksichtigung der unterschiedlichen Waldfunktionen sowie einer sektorenübergreifenden Betrachtungsweise verbinden. Wieangesichts weitgehender wissenschaftlicher Unsicherheiten über die Folgen bestimmter menschlicher Verhaltensweisen eine Schädigung besonders sensibler 654 F, 3, Proposals for action, 10 (a). Dabei wird die Beteiligung der Bevölkerung an der Planung und Umsetzung der Schutzmaßnahmen hervorgehoben; vgl. F, 3, Conclusions, 7; Proposals for action 9, 10 (c). 655 D, Proposals for action, 10 (a): Ausweitung des Handels mit nachhaltigen Waldprodukten; F, 6, Ziffer 8: Ausbau von günstigen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung durch Schaffung steuerlicher und anderer Anreize. 656 A, Proposals for action, 9 (a); E, Conclusions, 1. Proposals for actions, 1.

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2. Teil. 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

Ökosysteme, wie insbesondere der tropischen Regenwälder, vermieden werden soll, läßt sich aus den Erklärungen nicht entnehmen. Zwar wird auf die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen verwiesen. Diese können die Folgewirkungen bestimmter Vorhaben allerdings nur insoweit feststellen, als Kenntnisse über Kausalketten vorhanden sind. In verfahrensmäßiger Hinsicht fordern die Dokumente übereinstimmend eine Einbeziehung betroffener nichtstaatlicher Interessengruppen in die Entwicklung und Umsetzung nationaler Forstprogramme. Schließlich wird eine verstärkte finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei Walderhaltungsmaßnahmen und ein erleichterter Transfer einschlägiger Technologien verlangt.

II. Prüfung der gewohnheitsrechtliehen Bedeutung Fraglich ist, ob sich dieser Konsens über Handlungsnotwendigkeiten bereits heute zumindest teilweise normativ verfestigt hat.

1. Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltschäden Ohne nähere Prüfung ist zunächst festzustellen, daß das in Punkt 1 (a) der Waldgrundsatzerklärung zum Ausdruck kommende Verbot grenzüberschreitender Umweltschädigungen dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen ist. Dieses Prinzip findet sich in einer Vielzahl völkerrechtlicher Dokumente auch außerhalb des Waldbereichs 657 und hat Niederschlag in der Staaten-658 sowie der

657 So z. B. in Art. 3 der Konvention über die biologische Vielfalt vorn 5. Juni 1992 (vgl. oben, 2. Teil, I. Kapitel, B. I. 3.; Ziffer 3 der Präambel des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht vorn 22. März 1985 (abgedruckt in ILM 26 (1987), S. 1529 ff.); Prinzip 21 der Declaration on Human Environment vorn 16. Juni 1972 (abgedruckt in ILM II (1972), S. 1416 ff.); Art. 30 S. 2 der Charter über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten, GV -Res. 3281 (XXIX) vorn 12. Dezember 1974 (abgedruckt in ILM 14 (1975), S. 251 ff.); Ziffer 21 d) der Weltcharter für die Natur, GV-Res. 3717 vorn 28. Oktober 1982 (abgedruckt im UN Yearbook 1982, S. 1024 ff.); Prinzip 2 der Rio-Deklaration vorn 13. Juni 1992 (abgedruckt in ILM 3 1 (1992), s. 874 ff.). 658 Vgl. zur Staatenpraxis: Beyerlin, FS für Doehring, S. 43 ff.; Rauschning, FS für Schlochauer, S. 522 ff.; Bryde, GS für Martens, S. 779 ff.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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Spruchpraxis internationaler Gerichte 659 gefunden. Es wird nach allgemeiner Ansicht des Schriftturns als gewohnheitsrechtlich anerkannt angesehen 660. Die Aufnahme des Verbots in ein Dokument zur Bewirtschaftung, zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung von Wäldern wirft die Frage auf, welche Bedeutung ihm für die Erhaltung der (Regen-) Waldökosysteme zukommt. Nach ganz überwiegender Meinung entfaltet das Verbot Präventivwirkung661 , wobei der Begriff der Umweltbelastung in qualitativer Hinsicht weit verstanden wird661 . Da von der Zerstörung der Regenwälder nach bisherigen Erkenntnissen eine Vielzahl grenzüberschreitender Wirkungen ausgeht663 , könnten aus der Regelung bedeutende Einschränkungen der Befugnisse im Umgang mit Regenwäldern abzuleiten sein. 659 Das Verbot geht zurück auf die Schiedsgerichtsentscheidung im sogenannten Trail Smelter Case, einem Rechtsstreit zwischen Kanada und den USA (abgedruckt in RIAA 1941 , III, S. 1905 ff.). Den Gegenstand der Auseinandersetzung bildeten Schäden im amerikanischen Bundesstaat Washington. Diese waren durch Emissionen von Schwefeldioxidgasen durch eine Zink- und Bleischmelze in der kanadischen Provinz Columbia hervorgerufen worden. Das Schiedsgericht entschied, daß nach völkerrechtlichen Grundsätzen kein Staat befugt ist, sein Gebiet in einer Weise zu nutzen, die zu Schäden in anderen Länder führt. Es ordnete eine Absenkung des Emissionsniveaus sowie Kontrollen der Einhaltung des Grenzwertes an und sprach den USA einen Schadensersatzanspruch für bereits erlittene Schäden zu. V gl. näher zum Urteil Mickelson, CYIL 1993, S. 219 ff. Auch der IGH hat in seiner Advisory Opinion on the Legality of the Threat of Use of Nuclear Weapons, ICJ Rep. 1996, S. 225 (241, Ziffer 29), das Verbot grenzüberschreitender Umweltschäden als Bestandteil der Völkerrechtsordnung angesehen. Weitere Entscheidungen internationaler Spruchkörper, die auf diese Regelung Bezug nehmen, finden sich bei Tan, ICLQ 48 (1999), S. 835 ff. 660 Dalzm/Delbrück/Wolfrum, S. 446, I 3; Kiss, International Protection, S. I 075; Bimiel Boy/e, S. 89 f.; Beyerlin, FS für Bernhardt, S. 948 f.; Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 310; Hand/, NRJ 29 (1986), S. 428; Pa/lemaerts, HYIL 1988, S. 206; Ranze/lzof er, Jura 1992, S. 4; Epiney, AVR 33 (1995), S. 318. 661 Rauscl111ing, FS für Schlochauer, S. 544; Beyerlin, FS für Doehring, S. 38; Verdross/ Simma, § 1029; Dalzm/Delbrück/Wolfrum, S. 446, I 3; Bimie/Boyle, S. 95; Hand/, NRJ 29 (1986), S. 428; Epiney, AVR 33 ( 1995), S. 329; Lammers, S. 94. Diese Bewertung ist allerdings nicht unumstritten. Ipsen/Heintschel v. Heinegg, S. 916, §58, Rn. 22, und Wolfrum, DVBI. 1984, S. 495 (wobei dieser Ansatz in Wo/frum, GYIL 33 (1990), S. 309 ff. nicht mehr zum Ausdruck kommt), gehen nicht von einer Präventivwirkung des Verbotes aus. Mit Epiney, AVR 33 (1995), S. 318, ist einem solchen Ansatz entgegenzuhalten, daß der betroffene Staat dann unzumutbar gezwungen wäre, eine Schädigung erst abzuwarten, bevor er gegen den Verschmutzerstaal vorgehen kann. 662 Nach Kiss, International Protection, S. I 072, und Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 118, beide m. w. N., soll davon jede Art einer Beeinträchtigung natürlicher Lebensgrundlagen umfaßt sein. 663 1. Teil, C. II. 1. a), b).

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

Nach überwiegender Auffassung gilt das Verbot grenzüberschreitender Umweltschäden allerdings nicht absolut, sondern ist auf die Verursachung erheblicher Umweltbeeinträchtigungen beschränkt664 • Diese tatbestandsmäßige Begrenzung beruht auf dem Gedanken eines schonenden Ausgleichs zwischen der Befugnis des Verschmutzerstaates, sein Gebiet nach Belieben zu nutzen (territoriale Souveränität), und dem Recht des (potentiell) Geschädigten, frei von negativen Einflüssen zu bleiben (Prinzip der territorialen Integrität)665 . Wie dieser Ausgleich vorzunehmen und das Erheblichkeitskriterium zu bestimmen ist, soll nach allgemeiner Meinung nicht aus dem Gewohnheitsrecht abzuleiten sein. Hier sei vielmehr von den Umständen des Einzelfalls auszugehen666 • Allgemeingültige und damit auch leichter kontrollierbare Vorgaben im Umgang mit der Ressource Regenwald können aus dem Verbot wesentlicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen folglich nicht abgeleitet werden. Aber auch im konkreten Einzelfall sind der praktischen Bedeutung des Verbots im Kontext der Walderhaltung Grenzen gesetzt. Nach der einschlägigen Judikatur

664 Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 311; Bryde, AVR 31 (1993), S. 1; Verdross/Simma, § 1029; lpsen/Heintschel v. Heinegg, S. 913 f., §58, Rn. 17 f.; Beyerlin, FS für Doehring, S. 38; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 60; Pallemaerts, HYIL 1988, S. 206; Fitz:maurice, NYIL XXV ( 1994), S. 210. Ebenso bereits die Entscheidung im Trail Smelter Case, RIAA 1941 III, S. 1938. Bimie/Boyle, S. 98 ff., wollen hingegen auf denjeweiligen Sachzusammenhang abstellen. 663 Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 445, I 2; Rauschning, FS für Schlochauer, S. 560 f.; Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 311 ; Beyerlin, FS für Doehring, S. 40; Ranze/hafer, Jura 1992, S. 4; Pallemaerts, HYIL 1998, S. 206. Bereits die Schiedsgerichtsentscheidung im Trail Smelter Case sprach vom Erfordernis eines gerechten Ausgleichs der gegenläufigen Interessen, verwies dabei aber auf Billigkeitsgesichtspunk:te. Zur Frage der Gewichtung der gegenläufigen Belange vgl. Beyerlin, FS für Doehring, S. 38; Zehetner, FS für Verdross, s. 709. Ein anderer Begründungsansatz zur Herleitung des Erheblichkeitskriteriums findet sich bei Bryde, AVR 31 (1993), S. 6; Epiney, AVR 33 (1995), S. 320 ff., insbesondere S. 322, 324. Danach soll Staaten generell das Recht zu grenzüberschreitenden Umweltbeeinträchtigungen abzusprechen sein. Allerdings habe sich im Rahmen der industriellen Entwicklung ein besonderer Outdungstatbestand für unbedeutende grenzüberschreitende Umweltschäden herausgebildet. 666 Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 446, I 3; Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 311 ; Rauschning, FS für Schlochauer, S. 564; Beyerlin, FS für Doehring, S. 50; Epiney, AVR 33 (1995), S. 336 ff.; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 121. Die rechtsdogmatische Herleitung des Verbots hat Bedeutung für die Bestimmung des Erheblichkeitskriteriums. Geht man davon aus, grenzüberschreitende Schäden seien nur aufgrund eines Duldungstatbestandes zulässig, besteht zwischen Verschmutzungsverbot und -freiheit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Da Ausnahmetatbestände im Verhältnis zur Regelnorm eng auszulegen sind, wäre im Zweifel von einer Erheblichkeit des Schadens auszugehen.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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internationaler und nationaler Spruchgremien667 sowie der überwiegenden Ansicht des Schrifttums668 gelangt das Verbot seinem herkömmlichen Inhalt nach nur dann zur Anwendung, wenn ein "klarer und eindeutiger Nachweis" der Kausalität zwischen dem Verhalten eines Staates und der aufgetretenen Umweltbeeinträchtigung erbracht werden kann. An dieser Nachweisbarkeit soll es insbesondere dann fehlen, wenn ein Schaden erst durch die Summierung umweltschädigender Einzelbeiträge mehrerer Länder zustande kommt669 • Aus einer Ex-ante-Prognose formuliert wäre das Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen somit nur bei einer Vorhersehbarkeit des Schadenseintritts670 aufgrund der Kenntnis abstrakter Ursachenzusammenhänge anwendbar671 . Eindeutige wissenschaftliche Nachweise über Kausalketten zwischen der Regenwaldzerstörung und grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen fehlen bis heute in erheblichem Maße672 • Hinzu konunt, daß die überwiegende Zahl der angenommenen Schädigungen nicht auf das Verhalten eines einzelnen Staates zurückgeführt werden kann. Die Beeinträchtigungen ergeben sich vielmehr erst aufgrundder Summierung der Einzelbeiträge673 • Geht man von den herkömmlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Verbots grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen aus, würde der Vorschrift im Zusammenhang mit dem Problem der Regenwaldzerstörung kaum eine Bedeutung zukommen. Etwas anderes könnte gelten, wenn man den Anwendungsbereich der Regelung auch auf Fälle ausweitet, in denen aufgrund der bestehenden, wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesenen Erkenntnisse ein Risiko erheblicher Schäden besteht. Diese Erweiterung des Verbots ließe sich mit Hilfe des Vorsorgeprinzips begründen. Auch wenn der genaue Bedeutungsgehalt dieses Prinzips bis dato unklar erscheint, verlangt es seinem unbestrittenen Grundgedanken nach bei Ressourcennutzungsentscheidungen eine Berücksichtigung wissenschaftlicher Unsicherheiten. Sind die ökologischen Folgen menschlicher Verhaltensweisen wissen667 Trail Smelter Case, RIAA 1941 III, S. 1963 (1965): "clear and convincing evidence". Weitere Judizien finden sich bei Wildhaber, SchwilL XXXI (1975), S. 117. 668 Wolfrum, DVBI. 1984, S. 495; Schröder, DVBI. 1986, S. 1175; Rauchning, FS für Schlochauer, S. 563; Wildhaber, SchwilL XXXI (1975), S. 102; Epiney, AVR 33 (1995), s. 329 f. 669 Schröder, DVBI. 1996, S. 1175. 670 Rauschning, FS für Schlochauer, S. 565; Verdross!Simma, § 1029; Epiney, AVR 33 (1995), S. 329; ähnlich Dahm!Delbrück/Wolfrum, S. 447, I 3. 67 1 Freestone, S. 30 ff., insbesondere S. 31. 672 V gl. oben, l. Teil, C. II. l. c). 673 Ebenda.

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

schaftlieh nicht eindeutig zu bestinunen, müssen Vorkehrungen zur Vermeidung potentieller Umweltschäden getroffen werden674 • Eine Erweiterung des Verbots grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen mit Hilfe des Vorsorgeprinzips ist nur möglich, wenn diesem Prinzip bereits normative Wirkung zukonunt. Wie die bisherige Analyse ergeben hat, finden sich in waldrelevanten Dokumenten keine Aussagen zur Berücksichtigung von wissenschaftlichen Unsicherheiten, die für eine Anerkennung des Vorsorgeprinzips in diesem Bereich sprechen würden. Eine ausdrückliche Aufnahme in die betreffenden Erklärungen wäre zwar entbehrlich, wenn das Prinzip einen allgemeinen Bestandteil des internationalen Umweltrechts bildet. Betrachtet man die Entwicklung des Umweltvölkerrechts der letzten Jahre, fällt auf, daß das Vorsorgeprinzip in einer zunehmenden Zahl unverbindlicher, aber auch bindender Erklärungen Niederschlag gefunden hat675 • Die Akzeptanz des Prinzips wird dabeijedoch wesentlich vom betroffenen Sachbereich rnitbestinunt676 • Gerade im Bereich des Biodiversitätsschutzes, wo erhebliche wissenschaftliche Unsicherheiten über die Folgen menschlicher Verhaltensweisen existieren, hat der Vorsorgegedanke erst in Ansätzen eine Anerkennung erfahren677 • Forderungen nach seiner stärkeren Berücksichtigung sind auch in anderen Bereichen teilweise auf bedeutenden Widerstand von

674 Freestone, S. 31 f.; Cameron/Abouchar, S. 46; Hand/, Environrnental Security, S. 77; Rehbinder, FS für Burhenne, S. 100; Odendahl, Urnweltpflichtigkeit, S. 220; Epiney/Scheyli, S. 91. 675 So z. B. Ziffer 7 der Bergen Declaration on Sustainable Developrnent in the ECE Region vorn 16. Mai 1990 (abgedruckt im YIEL 1 (1990), S. 430 ff.); Prinzip 15 der RioDeklaration; An. 3 Abs. 3 der Klirnarahrnenkonvention; An. 2 V a) der UN Convention on The Protection and Use of Transboundary Watercourses and International Lakes vorn 17. März 1992 (abgedruckt in ILM 31 (1992), S. 1312 ff.); An. 3 (f) der Barnako Konvention vorn 30. Januar 1981 (abgedruckt in ILM 30 (1991 ), S. 775 ff.). Ein Überblick über die neuere Rechtsentwicklung findet sich bei Cameron/Abouchar, S. 36 ff., Freestone, S. 23 ff., sowie Epiney/Scheyli, S. 103 ff. 676 Erwähnung findet es insbesondere in Regelungen zum Schutz der Meeresurnwelt; so z. B. Ministerial Declaration of the Second International Conference on the Protection of the Nonh Sea, London, vorn 25. November 1987 (abgedruckt bei Freestone, S. 23 f.), Prinzip VII, XVI.1; Ministerial Declaration of the Third International Conference on the Protection ofthe Nonh Sea, Den Haag, vorn 8. März 1990 (abgedruckt bei Freestone/lj/sta, S. 3 ff.), Abs. 7 der Präambel; Convention on the Protection of the Marine Environment of the Nonh-East Atlantic vom 22. September 1992 (abgedruckt in ILM 32 (1993), S. 1069 ff.), An. 2 II (a). 677 Vgl. die Ausführungen zum Inhalt des CITES, der Biodiversitätskonvention sowie zur Konvention über die Erhaltung der biologischen Vielfalt und den Schutz vorrangiger Waldgebiete Mittelamerikas im 2. Teil, 1. Kapitel, B. I. 2., 3. und II. 3. c).

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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seiten der Staatenvertreter gestoßen678 . Von einer allgemeinen sektorenübergreifenden Anerkennung und Verfestigung des Prinzips in der Staatenpraxis kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht die Rede sein679 • Mit der wohl überwiegenden Ansicht des völkerrechtlichen Schrifttums ist daher festzustellen, daß das Vorsorgeprinzip trotz seiner zunehmenden Bedeutung noch keine gewohnheitsrechtliche Bindungswirkung erfahren hat680• Eine Ausweitung des Verbots grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen ist mit dem Vorsorgeprinzip somit noch nicht begründbar. Es bleibt damit festzuhalten, daß dem Verbot grenzüberschreitender erheblicher Umweltbeeinträchtigungen aufgrundseiner engen Anwendungserfordernisse nur in Ausnahmefällen Bedeutung im Waldbereich zukommen kann. Als Beispiel für einen Verstoß gegen das Verbot können die bedeutenden Personen- und Sachschäden genannt werden, die aufgrund der Luftverschmutzung im südostasiatischen Raum in den Jahren 1997/1998 entstanden. Sie gingen auf eine mangelnde Bekämpfung von Waldbränden durch die indonesischen Behörden zurück681 •

2. Verpflichtung zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Waldressourcen bzw. zur Förderung entsprechender Bewirtschaftungspraktiken Von wesentlich größerer praktischer Bedeutung ist die Frage, ob derzeit von einer völkergewohnheitsrechtliehen Verpflichtung zur nachhaltigen Bewirtschaftung von Waldressourcen oder zumindest zur Förderung entsprechender Bewirtschaftungspraktiken auszugehen ist. Dann müßte eine insoweit hinreichende Staatenpraxis gegeben sein. Seit der Umweltkonferenz von Rio haben etwa 150 Länder vor allem im Rahmen regionaler Zusammenarbeit Kriterien und Indikatoren für 678 Birnie/Boyle, S. 98, insbesondere unter Hinweis auf die internationalen Klimaschutzverhandlungen; Hand/, Environmental Security, S. 77. 679 Ähnlich auch Freestone, S. 37, der von einer sektorenbezogenen Heranbildung des Prinzips spricht und dessen allgemeine Anerkennung noch nicht für gegeben hält. 680 Beyerlin, FS für Bemhardt, S. 950; Birnie/Boyle, S. 98; Hand/, Environmental Security, S. 78 f.; Gündling, S. 23 ff.; Fitzmaurice, NYIL XXV (1994), S. 220; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 222 f.; wohl auch Freestone, S. 33, 37, der von der Entstehung eines entsprechenden Rechtssatzes spricht. Optimistischer formulieren Cameron/Abouchar, S. 53, die eine gewohnheitsrechtliche Geltung des Vorsorgeprinzips für gut vertretbar halten. Von einer derartigen Geltung des Prinzips gehen aus: Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 381 ff.; Primosch, AJPIL 51 (1996), S. 232; Sands, Principles, S. 213; Epiney/Scheyli, S. 107. 681 Vgl. oben, I. Teil, C. II. 2. a) aa). Zur näheren Auseinandersetzung mit den Waldbränden unter dem Aspekt des Verbots grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen vgl. Tan, ICLQ 48 (1999), S. 826 ff.

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

eine nachhaltige Waldbewirtschaftung entwickelt682 • Trotz gebietsbezogener Unterschiede werden mit dem Begriff der nachhaltigen Waldnutzung dabei weitgehend einheitliche Aspekte verbunden. Sie decken sich größtenteils mit den Einzel vorgaben, die sich im Rahmen der oben aufgeführten Dokumente finden, gehen aber insgesamt über diese hinaus. Dabei handelt es sich um folgende Einzelprinzipien: Erhaltung der W aldflächen683 ; Abwendung von Schädigungen von außen684 ; - Sicherung der Waldproduktivität und der von den Wäldern bereitgestellten Güter und Dienstleistungen685 , insbesondere Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Wasserkreisläufe sowie der Bodenqualität686 ; Sicherstellung der sozio-ökonomischen Funktionen der Wälder unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bevölkerung vor Ort687 ; 682 FAO, The State ofthe World's Forests 1999, S. 86. Zur Bedeutung der verschiedenen Initiativen vgl. auch Intergovemmental Forum on Forests, Background Document 1, Promoting and Facilitating the Implementation of IPF' s Proposals for Action, 18 June 1998 Warking Draft, Tabelle 1 sowie Ziffer 200 ff. Eine Zusammenstellung der Inhalte der verschiedenen Initiativen zur Entwicklung von Kriterien und Indikatoren findet sich bei Grayson/Maynard, S. 51 ff. Insgesamt existieren derzeit sechs regionale Initiativen: der Helsinki-Prozeß (Europa), der Montreal-Prozeß (12 nicht-europäische Staaten, darunter die Länder Nordamerikas), der Tarapoto-Prozeß (Arnazonasvertragsstaaten), der Dry-Zone-AfricaProzeß (28 Subsaharastaaten), der Prozeß im Nahen Osten (30 Staaten) sowie der Laparterique-Prozeß (Zentralamerika). 683 Kriterium 1 Helsinki-Prozeß; Kriterium 1, Indikator: ecosystem diversity (a), (b) Montreal-Prozeß; Kriterium 4 Tarapoto-Prozeß; Kriterium (b) Dry-Zone-Africa-Prozeß; Kriterium 1, Kriterium 2, Indikator 1 Initiative Naher Osten; so im Ansatz auch Kriterium 2 Laparterique-Prozeß. Ferner: Kriterium 1, Indikator 1 b), Kriterium 2 der ITTO Criteria and Indicators. 684 Kriterium 2 Helsinki-Prozeß; Kriterium 3 Montreal-Prozeß; Kriterium 4 (d) Tarapoto-Prozeß; Kriterium 3, Indikator !Initiative Naher Osten; Kriterium 3 der ITTO Criteria and lndicators. 685 Kriterium 3 Helsinki-Prozeß; Kriterium 2 Montreal-Prozeß; im Ansatz Kriterium 3 (a) Tarapoto-Prozeß; Kriterium (c)/(d) Dry-Zone-Africa-Prozeß; Kriterium 4, Indikator 2-4, Kriterium 6, Indikator 1-41nitiative Naher Osten; Kriterium 3- regional-, Kriterium 2, 6 - national - Laparterique-Prozeß. Kriterium 4 der ITTO Criteria and lndicators. 686 Kriterien 4 und 5 Helsinki-Prozeß; Kriterien I und 4 Montreal-Prozeß; Kriterien 4 und 5 Tarapoto-Prozeß; Kriterium 2, Kriterium 5, Indikator 2 und 4 Initiative Naher Osten; Kriterium 2 - regional-, Kriterien 4 und 5 Laparterique-Prozeß; Kriterien 5 und 6 der ITTO Criteria and lndicators. 687 Im Ansatz Kriterium 6 Indikator 3 Helsinki-Prozeß; Kriterium 6 Montreal-Prozeß; Kriterien 1 und 11 Tarapoto-Prozeß; Kriterium 6, Indikatoren 11, 13 und 14 Dry-ZoneAfrica-Prozeß; Kriterium 7 der ITTO Criteria and lndicators.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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Aufstellung von Waldbewirtschaftungsplänen und Bereitstellung angemessener institutioneller, personeller, technischer sowie wissenschaftlicher Kapazitäten6ss; Beteiligung der Bevölkerung an den Bewirtschaftungsmaßnahmen689 . Die Erarbeitung dieser Kriterien und Indikatoren spricht zwar für eine zunehmende Akzeptanz des Gedankens der nachhaltigen Waldnutzung auf internationaler Ebene. Sie reicht hingegen noch nicht aus, um eine ausgedehnte und einheitliche Staatenpraxis im Sinne des Völkergewohnheitsrechts begründen zu können. Nach dem Verständnis der Staaten sollen aus den Kriterien und Indikatoren nämJich keine unmittelbaren Verhaltensvorgaben abzuleiten sein. Sie sind lediglich dazu bestimmt, die Entwicklung eines Staates in Richtung auf die nachhaltige Bewirtschaftung von Waldgebieten zu dokumentieren und zu bewerten690. Kriterien und Indikatoren stellen damit nur ein Leitbild für staatliches Handeln dar. Formen nachhaltiger Waldbewirtschaftung haben nach Berichten des Generalsekretärs der CSD noch nicht in bedeutendem Umfang Eingang in die Staatenpraxis gefunden691 . Zwar seien alle Länder um einen Ausbau umweltgerechter Waldnutzungspraktiken bemüht692 . Während sich die entwickelten Staaten auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zubewegten693 , bestünden in Entwicklungs688 Kriterium 3 Ziffer 2 Helsinki-Prozeß (nur Planansatz); Kriterium 7 Montreal-Prozeß; Kriterium 2, Indikator (b), Kriterium 6, 7 und 8, Indikator (a) Buchstabe (b) Tarapoto-Prozeß; Kriterium 5, Indikator 17, Kriterium 6, Indikator 9, Kriterium 7, Indikator 12 Initiative Naher Osten; Kriterium 1 - regional -, Kriterium l, Ziffer 7 - national - LaparteriqueProzeß; Kriterium 1, Indikator 4-6 der ITIO Criteria and lndicators. 689Kriterium 7, legal framework 8 (c), institutional framework (a) Montreal-Prozeß; Kriterium 2 (a) Tarapoto-Prozeß; Kriterium (e) Dry-Zone-Africa-Prozeß; Kriterium 6, Indikator 16, 17, 19 Initiative Naher Osten; im Ansatz Kriterium 4 - regional -, Kriterium 8 national - Laparterique-Prozeß; Kriterium I, Indikator 1 (h), Kriterium I Indikator 8 der ITIO Criteria and Indicators. 690 Abs. 1 und 3 der Einleitung zu den Kriterien und Indikatoren im Rahmen des Helsinki-Prozesses; Ziffer 1.2 der Einleitung der Kriterien und Indikatoren im Rahmen des Montreal-Prozesses; ähnlich auch 3. und 14. Spiegelstrich der Präambel zu den Kriterien und Indikatoren im Rahmen des Tarapolo Prozesses; Einleitung zu den ITIO Kriterien und Indikatoren. 691CSD, Review of Sectorlai Clusters, Second Phase: Land, Desertification, Forests and Biodiversity, Report of the Secretary General, 14 February 1995, UN-Doc. E/CN.I7/ 1995/3, Ziffer 19. 692 CSD, Assessment of Progress in the Implementation of Agenda 21 at the National Level, Report ofthe Secretary General, 18 March 1997, UN-Doc. EICN.1711997/5, Ziffer 64 ff. 693 Ziffer 68 des Dokuments.

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

ländernjedoch noch wesentliche Hindernisse für die Umsetzung eines derartigen Nutzungskonzepts 694 • Auch die nationalen Waldgesetze der verschiedenen Staaten sprechen nur teilweise von einer Verpflichtung zur nachhaltigen Waldnutzung695 . Von einer einheitlichen Staatenpraxis zur Begründung eines entsprechenden Völkergewohnheitsrechtssatzes kann somit noch nicht ausgegangen werden. Die bisherigen Bestrebungen könnten allerdings als hinreichende Staatenpraxis für die Begründung einer gewohnheitsrechtliehen Verpflichtung zur Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftung angesehen werden. Eine solche handlungsbezogene Förderungspflicht würde der Tatsache entsprechen, daß sich aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten nur eingeschränkt konkrete Verhaltensvorgaben zur Sicherung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung formulieren lassen. Staaten werden kaum zur Anerkennung einer Pflicht bereit sein, solange die genaue Reichweite dieser Verpflichtung noch nicht bekannt ist. Die Annahme einer Förderungspflicht setzt voraus, daß die Bemühungen zum Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungsformen auch von der Erkenntnis der Staaten getragen werden, zu derartigem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein ("opinio iuris"). Aus den bisherigen waldrelevanten Dokumenten läßt sich hingegen kaum auf die Anerkennung einer derartigen Verpflichtung schließen. Der 694 V gl. Ziffer 65-67 des Dokuments. Zu den Bemühungen internationaler Organisationen und anderer Staatenverbindungen zum Abbau dieser Hindernisse vgl. die Ausführungen im 3. Kapitel dieses Teils. 695 Eine Ausrichtung der nationalen Waldbewirtschaftung auf nachhaltige Forstwirtschaft findet sich insbesondere in den Forstgesetzen der europäischen Staaten, so z. B. § II S. 1 des BundesWaldG vorn 2. Mai 1975 ("Der Wald soll im Rahmen seiner Zweckbestimmung ordnungsgemäß und nachhaltig bewirtschaftet werden."); Art. 20 Abs. I des Schweizerischen BundesG über den Wald vorn 4. Oktober 1991 ("Der Wald ist so zu bewirtschaften, daß er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann."); §§ 6 Abs. 2, 12 (c) des Österreichischen ForstG vorn 3. Juli 1975 (" ... bei Nutzung des Waldes vorzusorgen, daß Nutzungen entsprechend der folgenden Zielsetzungen den nächsten Generationen vorbehalten bleiben ... ");Art. 10 des litauischen ForstG vorn 22. November 1994 ("Forest shall be rnanaged according to the principle of sustainable forest rnanagernent."); § 1 des finnischen WaldG, Gesetz Nr. 1093 vorn 12. Dezember 1996: nachhaltige Entwicklung der Wälder als Ziel des Gesetzes. Auch§ 1 S. 2 des norwegischen WaldG vorn 21. Mai 1997 bestimmt die nachhaltige Nutzung der Wälder als Ziel des WaldG. Außerhalb des europäischen Raumes sind entsprechende Regelungen, soweit ersichtlich, in wesentlich geringerem Umfang zu finden; beispielsweise Sektion II des karneruniseben Gesetzes Nr. 94/01 zur Regulierung der Forstwirtschaft, der Wildtiere und der Fischerei vorn 20. Januar 1994 ("The state shall ensure the protection of the forestry. wildlife and fishery heritage."); Kapitel 2 des Forestry and National Conservation Act of Bhutan vorn I. September 1995 ("The Departrnent ist given the responsibility for sustainable rnanagernent of Governrnent Reserved Forests."). Die Vorgaben sind zu erhalten über das Internet: http://www. fao.org/ legal/default. htrn.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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Aspekt einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern hat zwar Eingang in die rechtlich verbindliche Klimarahmenkonvention gefunden und liegt auch den Vorgaben der Regionalen Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme zugrunde. Im Gegensatz dazu sind die Handlungsvorgaben von IPF und IFF sehr zurückhaltend formuliert. Sie wollen die Staaten zum Ausbau nachhaltiger Waldwirtschaft lediglich "ermutigen". Ebenso verdeutlicht die Weigerung der Vertragsstaaten des ITIA, im Rahmen der Neuverhandlung des Vertragstextes verbindliche Vorgaben zum Ausbau einer umweltgerechten Waldbewirtschaftung festzulegen, die Zurückhaltung gegenüber der Anerkennung rechtlicher Verhaltenspflichten696 . Von einer "opinio iuris" bezüglich der Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftung ist demnach noch nicht auszugehen. Eine gewohnheitsrechtliche Verpflichtung zur Förderung umweltgerechter Waldnutzung besteht derzeit nicht.

3. Pflicht zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen Von einer gewohnheitsrechtliehen Verpflichtung zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei waldrelevanten Vorhaben kann derzeit nicht ausgegangen werden. Zwar wird auf die Notwendigkeit der Durchführung von UVPs verwiesen. Die dargestellten Erklärungen, andere internationale Dokumente697 und auch die bestehenden Regelungen auf nationaler Ebene698 lassen jedoch noch nicht auf einen hinreichenden Konsens über den Bezugsgegenstand der UVP schließen. Es fehlt damit an einer einheitlichen Staatenpraxis, die zu Gewohnheitsrecht erstarken könnte.

"~" V gl. auch die Rome Declaration on Forestry vom 9. März 1999 (zu erhalten über das Internet: http://www.uni-freiburg.de/fireglobe/programmes/un/fao/faodec.htm), 3. Absatz. Dort wird lediglich von einem "need for sustainable forest management" gesprochen. "~ 7 So insbesondere Art. 6 d) der Regionalen Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme und die Entwicklung von Waldpflanzen (allgemeine Vorgabe zur Durchführung von UVPs); vgl. oben 2. Teil, I . Kapitel, 8. II. 3. d). "~~ Kamerunisches Gesetz Nr. 94/01 vom 20. November 1994 zur Regulierung der Forstwirtschaft, der Wildtiere und der Fischerei, Sektion 16 Abs. 2: UVP-Erfordernis für Entwicklungspolitiken mit wahrscheinlichen Störungen der Wälder; Schwedisches WaldG vom I. Januar 1995, Sektion 32: UVP-Erfordernis für neue Waldbewirtschaftungspraktiken. Laut der Staatenberichte an die CSD ist in Großbritannien eine UVP für die Neuanpflanzung von Waldgebieten vorgesehen, in Irland für Aufforstungen ab 70 ha. Die Staatenberichte sind zugänglich über das Internet unter http://www.un.org/esa/agenda21/ natlinfo/agenda21 /issue/natu.htm#forest.

192

2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

4. Verpflichtung zur Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen an der Planung und Umsetzung nationaler Waldpolitiken Aus den oben dargestellten Dokumenten kann eine Vorgabe zur Beteiligung der wesentlichen innerstaatlichen Interessengruppen an der Formulierung und Umsetzung nationaler Waldpolitiken abgeleitet werden. Diese hat bereits zum heutigen Zeitpunkt in erheblichem Maße Eingang in die Staatenpraxis gefunden. So spricht ein Bericht des Generalsekretärs der CSD aus dem Jahre 1995 davon, daß seit UNCED so gut wie alle Staaten eine Überprüfung ihrer Forstpolitiken und -Strategien unter Beteiligung relevanter Gruppen durchgeführt haben699 . Ebenso weist ein Großteil der Staatenmitteilungen an die CSD über die Umsetzung der Rio-Erklärungen auf nationale Bestrebungen zur stärkeren Einbeziehung von Interessengruppen hin700 • Vorgaben zur Beteiligung der verschiedenen Akteure an der Formulierung und Umsetzung nationaler Waldpolitiken finden sich schließlich in einer zunehmenden Zahl nationaler Waldgesetze701 und internationaler Entschließungen702 •

699 CSD, National Information, Report of the Secretary General, 20 March 1995, UNDoc. EICN1711995/24, Ziffer 12. 700 Zur Fundstelle der Berichte vgl. die vorletzte Fn. 701 So z. B. Art. 7 Abs. 1 S. 2, 3 BundesWaldG vom 2. Mai 1975 i. V. m. den entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen: Beteiligung der Träger öffentlicher Belange bei der Aufstellung der forstlichen Rahmenpläne; Art. 41 Abs. 1 des dänischen Waldgesetzes vom 6. Juni 1989: Einrichtung eines Beratungsgremiums für das Forstministerium unter Beteiligung verschiedener Interessengruppen; Art, 37 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5 des Waldgesetzes von Estland vom 9. Dezember 1998: Beteiligung der NGOs an der Aufstellung der Waldentwicklungspläne und am Country Forestry Council; USA: Forest and Rangeland Renewable Resources Plannung Act in der Fassung vom 1. Juli 1997, Code of Federal Regulation, 36 CRF 216.1: notwendige Veröffentlichung und Einflußnahmemöglichkeit der Bevölkerung auf die Forest Service Programmes. Die Regelungen sind zugänglich über das Internet: http:/www.fao.org/legalldefault.htm. 702 Art. 5 a) der Regionalen Konvention über die Behandlung und Erhaltung natürlicher Waldökosysteme (vgl. 1. Kapitel, B. II. 3. d)); General Declaration ofthe Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe, 16-17 June 1993, Helsinki, Buchstabe N ("Acknowledging the desirability for participation of local communities, forest owners and NGOs"); People, Forests and Forestry Enhancement of Socio-Economic Aspects of Sustainab1e Forest Management, Res. L. 1, Third Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe, 2-4 June 1998, Lisbon: General Guidelines 1, Ziffer I; Future Activities, Ziffer 2. So auch die Richtlinien der FAO für die Entwicklung nationaler Waldprogramme, Basic Principles and Operational Guidelines for the Formulation, Implementation and Revision ofNational Forestry Action Programmes, Ziffer 4 (zu erhalten über das Internet: http://www.fao.org/FORESTRY/FODA/NFP/nfp-e.sfm). Vgl. ferner den gemeinsamen Inhalt der Kriterien und Indikatoren zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung, oben unter 2.

A. Universelles Völkergewohnheitsrecht

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Die bisherige Entwicklung im Forstbereich deutet auf die Entstehung einer gewohnheitsrechtliehen Verpflichtung zur Einräumung von Partizipationsrechten bei waldrelevanten Entscheidungen hin. An einem entsprechenden Gewohnheitsrechtssatz dürfte es derzeit aber noch fehlen. Wie die Staatenberichte an die CSD zeigen, ist eine Anerkennung von Mitwirkungsbefugnissen insbesondere in Ländern mit bedeutenden forstwirtschaftliehen Interessen bis dato nur eingeschränkt erfolgt703 • Für die Entstehung von Gewohnheitsrecht ist aber gerade das Verhalten derjenigen Staaten bedeutend, die von der sich herausbildenden Norm besonders betroffen sind704 • Ihre Zurückhaltung gegenüber der Einräumung von Beteiligungsrechten für die verschiedenen Akteure spricht dagegen, eine derartige Vorgabe bereits heute dem Gewohnheitsrecht zuzuordnen.

5. Verpflichtung zur Unterstützung der Entwicklungsländer bei Bemühungen zur Walderhaltung a) Finanzielle Hilfe Die Industrieländer könnten gewohnheitsrechtlich verpflichtet sein, Entwicklungsländer bei Bestrebungen zur Erhaltung der Wälder finanziell zu unterstützen. Eine hinreichende Staatenpraxis liegt insoweit vor. Bereits seit den 60er Jahren unterstützen Industrieländer den Forstsektor in Drittweltstaaten finanzielf05 • Zumindest seit Mitte der 80er Jahre bilden dabei auch Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder einen Finanzierungsschwerpunkt, wobei die Abwicklung der Finanzhilfe sowohl bilateral als auch multilateral über Entwicklungshilfeorganisationen erfolgt106 • Zwar weichen Adressat, konkreter 703 Nach den Staatenberichten gilt dies u. a. für Indonesien, Malaysia, Brasilien, Rußland, Bolivien, Venezuela oder auch Panama. Demgegenüber ist in Kanada oder den USA eine Mitwirkung relevanter Interessengruppen an waldrelevanten Entscheidungen vorgesehen. Zum Nachweis vgl. Fn. 698. 704 IGH, North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Rep. 1969, 3 (42, para. 73). 705 Intergovernmental Panel on Forests, International Cooperation in Financial Assistance and Technological Transfer for Sustainable Forest Management, 20. February 1996, UN-Doc. FJIPF/1996/5, S. 24. Cassells, S. 359, spricht davon, daß allein zwischen 1985 und 1990 die Entwicklunghilfe im Forstbereich von 400 Mio US-Dollar auf 1.100 Mio. US-Dollar angestiegen ist. 706 Eine Beschreibung der waldrelevanten Tätigkeiten wesentlicher internationaler Entwicklungshilfeorganisationen und anderer Staatenverbindungen findet sich im 3. Kapitel dieses Teils. Zur Bedeutung der bilateralen Entwicklungshilfe zugunsten der Erhaltung der Wälder vgl. Intergovernmental Panel on Forests, Financial Assistance and Technology Transfer for Sustainable Forest Management, Report of the Secretary General, 20 February

13 Krohn

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

Inhalt sowie Art und Umfang der Hilfeleistungen voneinander ab. Eine einheitliche Staatenpraxis läßt sich aus der bisherigen Unterstützungjedoch zumindest insoweit ableiten, als es um einen Mindeststandard geht. Dieser könnte dem Grunde nach eine Unterstützung verlangen, den Inhalt und Umfang der finanziellen Hilfeleistung jedoch den Staaten überlassen. Fraglich ist die Existenz einer entsprechenden "opinio iuris". Aus einschlägigen internationalen Dokumenten im Waldbereich ist kein hinreichend verfestigter Konsens über eine Verpflichtung zur Hilfeleistung ableitbar. Im Gegensatz zur Waldgrundsatzerklärung, nach der finanzielle Mittel für Entwicklungsländer lediglich bereitgestellt werden "sollten", formulieren die Empfehlungen des IPF und des IFF zwar schärfer. Sie "drängen auf" die Bereitstellung von Mitteln bzw. "fordern" sie. Waldrelevante Erklärungen der Industrieländer beinhalten hingegen nur in sehr geringem Umfang Aussagen, die auf eine Anerkennung einer finanziellen Unterstützungsverpflichtung schließen lassen 707 • Auch die ITTA-Neuverhandlungen haben gezeigt, daß sichtrotz des Konsenses über die Notwendigkeit einer finanziellen Förderung keine rechtliche Pflicht zur Unterstützung festschreiben ließ708 . Von einer gewohnheitsrechtliehen Verpflichtung 1996, UN-Doc. E/CN.17/IPF/1996/5, Tabelle 4, S. 37. Danach erfolgt eine Unterstützung des Forstsektors in Entwicklungsländern von seiten aller bedeutenden Industrieländer. 707 Hunting and Killing of Great Apes and Destruction ofTropical Forests in Central and Western Africa, Resolution adopted by the ACP-EU Joint Assembly vom 22. März 1996, Windhuk/Namibia (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 3, unter 22-03-9611 ), Buchstabe D, Ziffer 2: " ... calls upon all EC and Member States to provide financial assistance to African States for proper enforcement actions"; General Guidelines for the Sustainable Management of Forests in Europe, Resolution H I, Second Ministerial Conference on the Protection of Forests in Europe vom 16.-17. Juni 1993, Ziffer 8: " .. . the Signature States and the EC will promote technical cooperation and transfer of technology." (zu erhalten über das Internet: http://www. minconf-forests.net/Basic/CS-Resolution.html). Eine Aussage zu finanziellen Transfers findet sich ansatzweise im G8 Action Programme on Forests vom 9. Mai 1998 (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 4, unter 09-05-98/1 ), III, 5, Ziffer 2: " ... focus technical and financial assistance on those partner countries which give priority to sustainable forest management in the programming oftheir ODA . .. ". Bereits im Vorfeld zur Rio-Konferenz wurde darauf hingewiesen, daß für Entwicklungsländer finanzielle Ressourcen zur nachhaltigen Bewirtschaftung und zur Erhaltung ihrer Wälder bereitgestellt werden müssen. Dabei wurde in erster Linie mit Klimaschutzgesichtspunkten argumentiert. So insbesondere die Langkawi Declaration on Environment, Commonwealth Heads of Government vom 21. Oktober 1989 (abgedruckt im American University Journal of International Law and Policy 5 ( 1990), S. 589 ff.), Ziffer 8, Spiegelstrich 8-1 0; Second World Climate Conference: Ministerial Declaration vom 7. November 1990 (abgedruckt bei Rüster/Simma, Bd. 4, unter VI/B/07-11-90), Ziffer 19 (v). 708 Schally, YIEL 3 (1993), S. 46, 49. Eine Verpflichtung zur Förderung wurde in rechtsverbindlicher Weise in Abs. 5 S. I des I 0. Zusatzprotokolls zum Lome-Abkommen

B. Regionales Völkergewohnheitsrecht

195

zur Leistung einer finanziellen Hilfe an Entwicklungsländer kann daher nicht ausgegangen werden.

b) Pflicht zur Erleichterung des Technologietransfers Nach Aussagen der FAO werden waldrelevante Technologien den Entwicklungsländern zwar zugänglich gemacht und ein Transfer teilweise auch von den Industrieländern unterstütze09 • Die Annahme einer gewohnheitsrechtliehen Pflicht zur Erleichterung des Technologietransfers scheitert aber jedenfalls an einer entsprechenden "opinio iuris".

6. Ergebnis Auf universeller Ebene kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht von waldspezifischen gewohnheitsrechtliehen Verhaltenspflichten ausgegangen werden. Zwar gilt das Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen auch im Zusammenhang mit der Zerstörung von Wäldern. Sein praktischer Anwendungsbereich istjedoch stark begrenzt. Vorgaben, die auch für die Erhaltung der Regenwälder von Bedeutung sind, finden auf universeller Ebene zunehmend Anerkennung. Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftung, zur Einbeziehung innerstaatlicher Interessengruppen sowie zur Unterstützung der Entwicklungsländer. Diese Regelungen haben allerdings noch keine derartige Verfestigung erfahren, daß sie dem Nonnenbestand des Umweltvölkerrechts zugeordnet werden könnten.

B. Regionales Völkergewohnheitsrecht Nachzugehen ist ferner der Frage, ob von der Geltung spezifischen regionalen Gewohnheitsrechts ausgegangen werden kann. und in Art. 3 der EG-Verordnung 3062/95 bzw. Art. I der VO 2494/2000 (vgl. das 1. Kapitel dieses Teils, B. I. 7. und II. 4.) festgelegt. Die tatsächliche Bereitstellung von Finanzmitteln bedurfte in beiden Fällen allerdings einer weiteren Entscheidung der dafür zuständigen Organe. 709 Intergovemmental Forum on Forests, Background Document, Information on Programme Element Il.c, Transfer of Environmentally Sound Technologies to Support Sustainable Forest Management, June 1998, Ziffer 25 ff. 13•

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

I. Südarnerika: gewohnheitsrechtliche Anerkennung des "Shared-natural-resources"-Grundsatzes im Hinblick auf grenzüberschreitende Waldgebiete In der Vergangenheit wurde die bilaterale Vertragspraxis im südamerikanischen Raum durch eine Vielzahl von Vereinbarungen geprägt, aus denen in gewissem Umfang Regelungen für eine koordinierte Nutzung grenzüberschreitender Waldgebiete abzuleiten sind710• Diese Vorgaben könnten für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Grundsatzes der "shared natural resources" im Hinblick auf Waldgebiete sprechen. Allgemein soll dieses aus dem internationalen Binnengewässerreche 11 stammende Prinzip eine für alle Anrainerstaaten interessengerechte Bewirtschaftung eines grenzüberschreitenden Umweltgutes sicherstellen. Die Nutzung der Ressource durch jeden Einzelstaat wird dabei auf einen als "equitable share" bezeichneten gerechten Anteil begrenzt712 • Dieser ist nach den geographischen, ökonomischen, sozialen und technologischen Gegebenheiten vor Ort713 und unter Abwägung der verschiedenen Staatenbelange zu bestimmen714 • Zusätzlich 710 Agreement for the Conservation ofthe Flora and Fauna ofthe Arnazonian Territories ofthe Federal Republic of Brasil and the Republic of Peru vorn 7. November 1975 (1056 UNTS 127); Agreement between the Argentine Republic and the Republic of Chile Conceming the Protection of Frontier Forests against Fire vorn 29. Dezember 1961 (635 UNTS 111 ); Convention on the Protection of Forests and Fauna and the Integration of Frontier Parks vorn 16. März 1976 (Bolivien- Argentinien) (abgedruckt bei Rüster/Simma/Bock, Bd. XXII, S. 441 ff.); Acuerdo de Cooperacion Arnazonica entre Las Republicas de Ecuador y Co1umbia vorn 2. März 1979 (Rüster/Simma/Bock, Bd. XXII, S. 474 ff.); Agreement for the Conservation of Fauna and Flora in the Arnazonian Territories of the Republic of Co1urnbia and the Peruvian Republic vorn 30. März 1979 (Rüster/Simma/Bock, Bd. XXII, S. 479 ff.); Agreement of Cooperation in the Field of Reforestation and Forestry Regulation, Supplernentary to the Agreement on Scientific and Technological Cooperation between the Governrnent of the Federal Republic of Brasil and the Governrnent of the Argentine Republic vorn 15. August 1980 (1293 UNTS 55); Treaty ofFree Trade and Econornic Integration between the Republics of Guatemala and E1 Salvador vorn 14. Dezember 1951 (Rüster/Simma, Bd. I, S. 16); Treaty ofFree Trade and Econornical Integration between the Republics of Guatemala and Honduras vorn 22. August 1977 (Rüster/Simma, Bd. I, S. 17). 711 Vgl. dazu näher: Bimie/Boyle, S. 215 ff.; Hinds, S. 74 ff. 712 Rauschning, FS für Schlochauer, S. 568; Beyerlin, FS für Doehring, S. 60; Kimminich/Hobe, S. 403; Hand/, RBDI 197811979, S. 40-64, unter Anknüpfung an die Vorgaben der International Law Association zum internationalen Binnengewässerrecht (sog. Helsinki Ru1es, ILC Yearbook 1986, Vol. II, Part 1, S. 110 ff.). 113 /psen/Heintschel v. Heinegg, S. 914, §58, Rn. 19; Lammers, S. 91 ; Hand/, RBDI 197811979, s. 46, 48 ff. 714 Kunig, S. 18; Reinicke, S. 38; Stoll, S. 36.

B. Regionales Völkergewohnheitsrecht

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sind aus dem Grundsatz verfahrensmäßige Verpflichtungen zur gegenseitigen Information und Konsultation über Art und Umfang der Nutzung des Naturgutes sowie Mitteilungspflichten bezüglich seines Erhaltungszustands abzuleitenm. Mit einer solchen Inhaltsbestimmung dient das Konzept der "shared natural resources" zwar primär der abgestimmten Ausbeutung einer Ressource und nicht etwa ihrem Schutz716 • Da aber auch eine umweltzerstörende Ausbeutung eines Naturgutes eine Form seiner möglichen Nutzung darstelle 17 , ist ein zerstörerischer Umgang zumindest insoweit verboten, wie er einer gerechten Aufteilung von Umweltnutzungsoptionen entgegensteht718 • Darüber hinaus finden sich in der Staatenpraxis Ansätze für eine Verbindung des Gedankens der "shared natural resources" mit dem Postulat der Erhaltung des Umweltguts im Interesse zukünftiger Nutzungsmöglichkeiten719 • Die Konzeption der "shared natural resources" baut dabei auf dem Gedanken der ökologischen Einheit der Ressource auf720. Sie erlaubt daher eine Berücksichtigung von Umweltschäden, die erst durch Summierung ökologisch belastender Einzelbeiträge entstehen721 • Ob grenzüberschreitende Waldgebiete unter das Konzept der "shared natural resources" fallen, läßt sich aus dem Prinzip selbst nicht erschließen. Auf internationaler Ebene existiert keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs der "shared natural resource", die eindeutige Rückschlüsse auf den Geltungsbereich der Konzeption zuließe722 • Auch in der Völkerrechtswissenschaft herrscht 715 lpsen/Heintschel v. Heinegg, S. 914, §58, Rn. 19; Rauschning, FS für Schlochauer, S. 574 f.; Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 389 ff.; Handl, RBDI 1978/1979, s. 57 ff. 716 Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 321; Kunig, S. 18; Riphagen, S. 90; Reinicke, S. 29. 717 Rauschning, FS für Schlochauer, S. 568; Reinicke, S. 24, am Beispiel der Wasserverschmutzung. 718 Hinds, S. 80, im Zusammenhang mit dem internationalen Binnengewässerrecht 719 Reinicke, S. I 01, nach umfassender Darstellung der Staatenpraxis aufS. 34 ff. Barberis, S. 158, spricht vom Erfordernis einer rationellen Nutzung. 720 Hohmann, Präventive Rechtspflichten, S. 75; Riphagen, S. 345; Kiss, International Protection, S. 1082. 721 Riphagen, S. 345; zustimmend Brunnee, Framework, S. 53. Das Konzept geht insoweit in seinen Wirkungen über das Verbot grenzüberschreitender Umweltschäden hinaus. 722 Wolfrum, GYIL 33 (1990), S. 321; Reinicke, S. 14 f. ; Brunnee, Framework, S. 54; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 161. Das UNEP hat auf Grundlage der Res. Cooperation concerning Natural Resources Shared by Two or More States, GY-Res. 3129 vom 13. Dezember 1973 (UN Yearbook 1973, S. 374 f.) einen Prinzipienkatalog für den Schutz und die harmonische Nutzung der gemeinschaftlichen Ressourcen erarbeitet (UNEP Draft Principles of Conduct in die Field of the Environment for the Guidance of States in the Conservation and Harmonious Utilisation of Shared Resources Shared by Two or More States

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-) Walderhaltung

keine Einigkeit über ihre Reichweite. Den unterschiedlichen Bestimmungsansätzen des Schrifttums723 liegt zwar der gemeinsame Ansatz zugrunde, daß derartige Ressourcen besondere umweltbezogene Abhängigkeiten zwischen einer kleineren Zahl von Staaten begründen 724 . Art und Umfang dieser Abhängigkeiten sind hingegen kaum geklärt. Während einige Autoren das Konzept auf den Bereich grenzüberschreitender Wasserressourcen begrenzen wollen 725 , beziehen andere auch Umweltgüter mit ein, die sich nicht dauerhaft der Jurisdiktion eines bestimmten Staates zuordnen lassen (insbesondere Luftressourcen oder wandernde Tierarten726 ). Teilweise wird sogar angenommen, daß grenzüberschreitende Ökosysteme wie Wälder727 oder natürliche Ressourcen insgesamf 28 unter die Bezeichnung der "shared natural resources" fallen. vom 19. Mai 1978 (abgedruckt in ILM 17 (1978), S. 1097 ff.)). Nach Ziffer 16 wurde der Begriff der gemeinschaftlichen Ressource verstanden als: "biogeographische Einheit, die über die Grenzen mehrerer Staaten verteilt ist und von diesen im Hinblick auf den ihrer Souveränität unterliegenden Teil genutzt werden kann". Die "draft principles" wurden von der Generalversamlung lediglich zur Kenntnis genommen; vgl. Environmental Co-operation regarding Shared Natural Resources, GV -Res. 34/186 vom 18. Dezember 1979 (abgedruckt im UN Yearbook 1979, S. 679 f.), 4. Abs. der Präambel. 723 Bimie/Boyle, S. 115, knüpfen insoweit an das Bestehen gemeinsamer Ressourcennutzungsrechte einer Gruppe von Staaten in geographischer Nähe an. Riphagen, S. 345, und Hinds, S. 75, stellen auf die fehlende Zuordnungsmöglichkeit der Ressource zu einem Staat ab. Rauschning, FS für Schlochauer, S. 569 f., Kiss, International Protection, S. 1080, Reinicke, S. 22, und Hand/, RBDI 197811979, S. 41 , Fn. 2, verlangen, daß die Nutzung der Ressource durch einen Staat das erkennbare Risiko in sich trägt, Nutzungsmöglichkeiten eines anderen zu beeinträchtigen. 724 Vogelsang, UPR 1992, S. 421; zustimmend Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 162. Auch Heintschel v. Heinegg, HdUR I, S. 758, Rn. 85, spricht am Beispiel des internationalen Wasserrechts von einer besonders engen Interessengemeinschaft der betroffenen Staaten. 725 /psen/Heintschel v. Heinegg, S. 914, §58, Rn. 20; Kunig, S. 22; Schröder, Jahrbuch UTR 1987, S. 278 f.; weitergehender: Kimminich/Hobe, Rn. 402, die davon sprechen, daß das Konzept in erster Linie für das Binnengewässerrecht gilt. 726 Für Luftressourcen: Hand/, NRJ 29 (1986), S. 405; Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 448, Rauschning, FS für Schlochauer, S. 570; für wandemde Tierarten: Barberis, S. 103; Reinicke, S. 50 ff.; Bankes, CanYBIL 1980, S. 287. 727 So Brunnee, Framework, S. 52; Reinicke, S. 153; Bankes, CYBIL 1980, S. 290. Auch der Bericht des UNEP-Generalsekretärs, Cooperation in the Field ofthe Environment conceming Natural Resources Shared by Two or More States, UNEP/GC/44, S. 40 f., Nr. 86, stellte fest: "While no satisfactory generic term could be found to describe such natural resources, it can be safely assumed that the following are among the most obvious examples: .. . e) A special ecosystem spanning the frontiers between two or more states, such as ... forests." 728 Lammers, S. 90 f.; Rauschning, FS für Schochauer, S. 570; Singh, Right to Environment, S. 14 f.; wohl auch Verdross/Simma, § 1029; Bimie/Boyle, S. 115.

B. Regionales Völkergewohnheitsrecht

199

Auch in der Rechtsprechung des IGH findet sich ein erster Ansatz für eine weite Interpretation des "Shared-natural-resources"-Begriffs. So hat der Vizepräsident des IGH, Richter Weeramantry, in seinem abweichenden Votum im Case Concerning Kasikili/Sedudu Island das Bedürfnis der Berücksichtigung umweltbezogener Interdependenzen im Hinblick auf Grenzziehungen in ökologisch bedeutenden Gebieten hervorgehoben729 • Unter Verweis auf den Gedanken der gemeinsamen Ressourcen hielt er die beteiligten Parteien für verpflichtet, Vereinbarungen zum Schutz der im Grenzgebiet umherwandernden Tierarten und zur ökologisch angepaßten Nutzung ihres Habitats zu treffen730 • Im betroffenen Fall wurden die umweltbezogenen Abhängigkeiten innerhalb des Grenzgebietes primär mit der Wanderung dort lebender Tierarten begründet. Eine Anwendung des Konzept der "shared national resources" auf diesen Sachbereich steht im Einklang mit einer zunehmenden Zahl von internationalen Dokumenten, die Regelungen für den Schutz und die gemeinsame Nutzung migratorischer Arten beinhalten731 • Sie sprechen dafür, daß wanderende Spezies nach dem Willen der Staaten dem Geltungsbereich der Konzeption der "shared national resources" unterfallen sollen. Vergleichbare Regelungen, die sich auf Ökosysteme als Ganzes oder natürliche Ressourcen insgesamt beziehen, lassen sich aus der internationalen Praxis indes in wesentlich geringerem Umfang ableiten732• Trotz einer Tendenz zur Ausweitung des Prinzips der "shared natural resources" läßt sich zum derzeitigen Zeitpunkt wohl noch kein allgemeiner Konsens der Staaten nachweisen, wonach auch gesamte Ökosysteme als "shared resource" zu behandeln sein sollen733 • 729 Case Concerning Kasikili/Sedudu Islands, Judgement, 13 December 1999, General List No. 98, Dissenting Opinion of Vice-President Weeramantry. 730 Ziffern 86, 93, 112 der "dissenting opinion". Zur Begründung dieses Ansatzes verwies der Richter auch auf die Regelungen der Biodiversitätskonvention. Die Vorgaben des Abkommens zur Kooperation und zur /n-situ-Erhaltung seien als internationale Wertmaßstäbe bei der Entscheidung zu berücksichtigen (Ziffern 87 ff. des abweichenden Votums). Zieht man sie zur Bestimmung des "Shared-natural-resources"-Konzepts heran, kommt man aufgrundder weiten Bestimmung des Begriffs der biologischen Vielfalt zu einer Ausweitung der Konzeption auf grenzOberschreitende NarurgOter insgesamt. Die Verpflichtung zur Schaffung umweltschutzbezogener Regelungen leitete der Richter ferner aus dem Aspekt der rechtsimmanenten Billigkeit ab, der bei Grenzstreitigkeiten zu berücksichtigen sei. Er erlaube es, die Folgewirkungen von Grenzziehungen in die Entscheidung Ober den Grenzverlauf einzubeziehen (vgl. Ziffern 90, 105 ff.). 731 So z. B. das Bonner Übereinkommen zur Erhalrung der wandemden wildlebenden Tierarten vom 23. Juni 1979 (abgedruckt bei Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter Nr. 65). Eine Zusammenstellung der verschiedenen Verträge findet sich bei Reinicke, S. 50 ff. 732 Soweit sich entsprechende Vereinbarungen finden, betreffen diese insbesondere den Meeresbereich; vgl. die Darstellung bei Reinicke, S. 90 ff. 733 Ebenso: Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 176. A. A. wohl Reinicke, S. 130 ff.

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2. Teil, 2. Kap.: Regelungen im Bereich der (Regen-)Walderhaltung

Zumindest für den südamerikanischen Raum könnte sich aus der eingangs erwähnten bilateralen Staatenpraxis etwas anderes herleiten lassen. Die Vereinbarungen, die eine Abstimmung in der Nutzung der Wälder bezwecken, nehmen zwar nicht ausdrücklich auf das Prinzip der "shared natural resources" Bezug. Dies wäre jedoch unbeachtlich, sofern sie Vorgaben enthalten, die dem oben ausgeführten Inhalt dieser Konzeption entsprechen. Im Hinblick auf formelle Kooperationserfordernisse sehen alle Vereinbarungen den Austausch von Informationen über staatliche Maßnahmen und Programme im Waldbereich vor734 • Sie weisen allerdings verschiedene räumliche und sachliche Bezugspunkte auf, was gegen eine ihnen zugrundeliegende einheitliche Konzeption spricht. Während einige Regelungen Waldgebiete als solche735 oder das gesamte Arnazonasterritorium der Vertragsstaaten urnfassen736, sind andere lediglich auf Grenzgebiete beschränke37 • Auch die Verpflichtung zuminformationsaustausch soll teilweise nur Waldrodungen urnfassen738 • 734 Art. I des Agreement for the Conservation of the Flora and Fauna of the Amazonian Territories of the Federal Republic of Brasil and the Republic of Peru; Art. II und IV (a), VI des Agreement between the Argentine Republic and the Republic of Chile Conceming the Protection of Frontier Forests against Fire; Art. II S. 2 (c) der Convention on the Protection ofForests and Fauna and the Integration ofFrontier Parks (Bolivien- Argentinien); Art. II (a) und VIII des Acuerdo de Cooperacion Amazonica entre Las Republicas de Ecuador y Columbia; Art. III (a) des Agreement for the Conservation ofFauna and Flora in the Amazonian Territories of the Republic of Columbia and the Peruvian Republic; Agreement of Cooperation in the Field of Reforestation and Forestry Regulation, Supplementary to the Agreement on Scientific and Technological Cooperation between the Govemment of the Federal Republic of Brasil and the Govemment of the Argemine Republic. Im Ansatz auch Art. XIX des Treaty of Free Trade and Economic Integration between the Republics of Guatemala and EI Salvador; Art. XIX des Treaty of Free Trade and Economical Integration between the Republics of Guatemala and Honduras, wo allerdings nur allgemein von einer Koordinierung der Aktivitäten in Grenzregionen die Rede ist. Dies dürfte den Informationsaustausch aber jedenfalls einschließen. 735 Agreement of Cooperation in the Field of Reforestation and Forestry Regulation, Supplementary to the Agreement on Scientific and Technological Cooperation between the Govemment of the Federal Republic of Brasil and the Govemment of the Argemine Republic. 736 Agreement for the Conservation of the Flora and Fauna of the Amazonian Territories of the Federal Republic of Brasil and the Republic of Peru; Agreement for the Conservation of Fauna and Flora in the Amazonian Territories of the Republic of Columbia and the Peruvian Republic. 737 Art. II des Agreement between the Argemine Republic and the Republic of Chile Concerning the Protection of Frontier Forests Against Fire; Präambel und Art. II S. 2 der Convention on the Protection of Forests and Fauna and the Integration of Frontier Parks. 738 Art. IV (a) des Agreement between the Argentine Republic and the Republic ofChile Conceming the Protection ofFrontier Forests Against Fires; Art. II S. 2 (c) der Convention on the Protection of Forests and Fauna and the Integration of Frontier Parks.

C. Gesamtergebnis

201

Auch wenn sich die formellen Kooperationspflichten auf einen gemeinsamen Mindeststandard reduzieren lassen, fehlt es in den Verträgen an hinreichenden materiellen Nutzungsbegrenzungen im Sinne eines "equitable share". Normen, die eine harmonische Entwicklung des Grenzgebietes insgesamt erreichen wollen739 oder zumindest eine zeitliche und inhaltliche Koordination von Waldrodungen bezwecken740, finden sich nur eingeschränkt. Die Aussagen zur abgestimmten Nutzung der Wälder bleiben damit hinter einem Erfordernis zurück, das durch das Konzept der "natural shared resource" aufstellt wird. Trotz der Ansätze für eine Anwendung des Prinzips auf Waldgebiete im südamerikanischen Raum läßt sich den Vereinbarungen eine umfassende und einheitliche Verwendung des Konzepts nicht entnehmen. Von einer gewohnheitsrechtliehen Anerkennung des "Shared-natural-resources"-Prinzips kann im Hinblick auf grenzüberschreitende Waldgebiete in Südamerika somit nicht gesprochen werden.

II. Mittelamerika/Afrika/Asien Vorgaben, die in Mittelamerika, Afrika oder Asien regionale völkergewohnheitsrechtliche Bedeutung für die Erhaltung tropischer Regenwälder erlangt haben könnten, sind nicht ersichtlich.

C. Gesamtergebnis Abgesehen vom Verbot grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen kann derzeit nicht vom Bestehen völkergewohnheitsrechtlicher Regelungen ausgegangen werden, die für den Bereich der Regenwalderhaltung von Bedeutung sind.

739 Art. II (b) des Acuerdo de Cooperacion Amazonica entre Las Republicas de Ecuador yColumbia. 740 Art. II 2 (d) der Convention on the Protection of Forests and Fauna and the Integration of Frontier Parks; Art. III, IV (b) und VI des Agreement between the Argentine Republic and the Republic of Chile Conceming the Protection of Frontier Forests against Fires.

202

2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Drittes Kapitel

Programme und Projekte internationaler Organisationen und anderer Staatenverbindungen zur Erhaltung der Regenwälder Im folgenden sollen Progranune und Projekte internationaler Organisationen und anderer Staatenverbindungen analysiert werden, die auf eine Bewahrung der Regenwälder ausgerichtet sind. Im Gegensatz zu vertraglichen und völkergewohnheitsrechtliehen Regelungen begründen sie für die mitwirkenden Staaten keine unmittelbaren rechtlichen Verhaltenspflichten. Sie sind allenfalls geeignet, politische Handlungserwartungen zu erzeugen. Gleichwohl lassen sich aus den bisherigen Erfahrungen mit ihrer Entwicklung und Umsetzung Rückschlüsse ziehen, die auch für die Ausgestaltung der zukünftigen internationalen Kooperation im Waldbereich von Bedeutung sein können. Will man die bestehenden waldrelevanten Progranune und Projekte einer Bewertung unterziehen, bietet es sich an, diejenigen Kriterien als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, die zur Bewertung völkerrechtlicher Verträge herausgearbeitet wurden. Auch im Hinblick auf die Projekte und Programme kann gefragt werden, auf welche Art und Weise sie dem Problem der Entwaldung entgegenwirken wollen, wie spezifisch ihr Rahmen gesteckt ist, ob sie wissenschaftliche Unsicherheiten berücksichtigen und wie Defizite im Rahmen ihrer Umsetzung bekämpft werden. Eine Grenze der Übertragbarkeit der herausgearbeiteten Kriterien ergibt sich indes aus der fehlenden rechtlichen Bindungswirkung der Progranune gegenüber den beteiligten Staaten. So können in ihrem Zusanunenhang weder Entscheidungen gegen den Willen des betreffenden Landes getroffen werden, noch sind bei einer mangelhaften Projektumsetzung Sanktionsmöglichkeiten eröffnet.

A. Programme und Waldschutzpolitiken im Rahmen internationaler Organisationen Entscheidungen internationaler Organisationen zur Durchführung von Progranunen und Projekten lassen sich als Vorgaben des Innenrechts der Organisation verstehen. Sie wenden sich an die zuständigen Organe mit der Maßgabe, Strukturen für die Umsetzung der beschlossenen Progranune oder Projekte zu schaffen. Gegenüber den Staaten werden auf diese Weise vielfach gewisse "Ser-

A. Programme und Waldschutzpolitiken

203

viceleistungen"741 angeboten, über deren Annahme jedes einzelne Land nach eigener Disposition entscheidet. Inhaltlich weisen die Programme und Projekte häufig eine stark pragmatisch-technische Orientierung auf742 • Sie setzen lediglich einen Rahmen für die weitere Kooperation. Dieser wird anband der jeweiligen Umstände des Einzelfalls näher ausgestaltet, wobei die betreffende Organisation Hilfeleistungen für die Konkretisierung anbietet.

I.FAO 1. Aufgaben und institutionelle Struktur der Organisation

Neben der mo ist die FAO die einzige universelle internationale Organisation mit einem satzungsmäßigen Mandat im Bereich der Waldbewirtschaftung bzw. des Waldschutzes743 • Nach Art. I Abs. 2 c) ihres Statuts ist sie befugt, nationale und internationale Maßnahmen zur Erhaltung natürlicher Hilfsquellen sowie zur Einführung verbesserter Methoden der landwirtschaftlichen Erzeugung zu empfehlen und zu fördern. Der Begriff der Landwirtschaft umfaßt dabei auch die forstwirtschaftliche Produktion744. Weder die Vertragsstaatenkonferenz noch andere Organe der FAO sind befugt, bindende Entscheidungen gegenüber den Mitgliedsstaaten der Organisation zu treffen745 . Eine Einflußnahme der FAO auf die Waldschutzpolitik der Nationalstaaten ist lediglich über Empfehlungen der FAO-Grernien oder im Rahmen der technischen Unterstützung der Mitgliedsstaaten möglich746 • Mechanismen zur Kontrolle der Umsetzung von Empfehlungen finden sich im FAOStatut niche47 • 741 So ausdrücklich Kilian, S. 342, im Zusammenhang mit der Umweltschutzarbeit internationaler Organisationen. 742 Zu den verschiedenen Betätigungsformen internationaler Organisationen im Umweltbereich vgl. Kilian, S. 339 ff. 743 Im Juli 2001 wies die Organisation 183 Mitglieder zuzüglich der Europäischen Gemeinschaften auf. 744 Art. I Abs. I S. 2 des FAO-Statuts. Das Statut vom 16. Oktober 1945 in der Fassung vom 26. November 1991 findet sich abgedruckt bei Knipping/v. Mangoldtl Rittberger, Dokument 125. 745 Vgl. Art. IV Abs. 4 des FAO-Statuts. 746 Nach Art. I Abs. 2 und 3 des FAO-Statuts hat die Organisation die Aufgabe, die Verbesserung der Landwirtschaft in ihren Mitgliedsstaaten durch Empfehlungen, allgemeine Hilfestellungen und technische Hilfe für konkrete Projekte zu unterstützen. 747 Art. XI des Vertrages statuiert zwar eine Berichtspflicht der Mitglieder. Nach dem Wortlaut der Regelung zielt diese allerdings nicht auf die Kontrolle der Tätigkeit der Mit-

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Institutionell verfügt die Organisation über verschiedene Unterorgane zur Beratung von Walderhaltungsaspekten. So wird der Rat der FAO als Exekutivorgan der Organisation748 bei seiner Aufgabenerfüllung von einem alle 2 Jahre tagenden Forstausschuß unterstützt'49 • Dieser setzt sich vorwiegend aus Vertretern der staatlichen Forstwirtschaftsministerien zusammen und kann Empfehlungen für die Waldpolitik der Organisation abgeben. Hinzu kommen sechs regionale Waldkornrnissionen zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit den spezifischen Problernen bestimmter Staatengruppen750 • Als Organisator des Weltwaldkongresses 751 verfügt die FAO schließlich auch über ein internationales Forum, in dem Walderhaltungsaspekte zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren diskutiert werden und von dem neue Impulse für die Waldpolitik der Organisation ausgehen können. Auch wenn die verschiedenen FAO-Gremien zu einer gesteigerten Diskussion von Walderhaltungsaspekten auf internationaler Ebene beitragen können, darf nicht übersehen werden, daß die grundlegende Aufgabe der Organisation nicht im Schutz natürlicher Ressourcen liegt. Primär ist sie auf eine Verbesserung der Ernährungslage und der Lebensbedingungen der Bevölkerung in ihren Mitgliedsstaaten ausgerichtet752• Mit dieser zentralen Zielvorgabe ist die Arbeit der FAO sehr stark auf eine Nutzung von Umweltgütern bezogen. Dies gilt nach einem Strategieplan der FAO auch für den Waldbereich753 . Aktivitäten zum Schutz natürlicher Lebensgrundlagen spielen im Rahmen der Tätigkeit der Organisation zwar eine zunehmende Rolle754 • Das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen der Sicherung landwirtschaftlicher Produktion und der Berücksichtigung von Umweltschutzinteressen konnte- nicht zuletzt vor dem Hintergrund der steigenden Nahrungsmittelbedürfnisse einer wachsenden Weltbevölkerung- aber nicht aufgelöst werdenm. gliedsstaaten ab, sondern soll der FAO ermöglichen, landwirtschaftsbezogene Daten für die Aufgabenerfüllung nach Art. 1 Abs. 1 (Sammlung, Analyse, Erläuterung und Verbreitung von Informationen über Ernährung und Landwirtschaft) zu erhalten. 748 Art. V. Art. V Abs. 6. V gl. zu den Kommissionen Art. VI Abs. 1. 751 V gl. Art. VI Abs. 5. Der letzte Weltwaldkongreß wurde im Oktober 1997 in Antalya/ Türkei veranstaltet. 752 V gl. die Präambel der Satzung. 753 FAO Strategie Plan For Forestry, Rome, November 1999, passim. 754 Dazu näher Kilian, S. 136 ff. 755 Kilian, S. 141. Zu der teilweise gegenläufigen FAO-Tätigkeit hinsichtlich des Schutzes natürlicher Ressourcen vgl. auch Caldwell, S. 134. 749

750

A. Programme und Waldschutzpolitiken

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2. Aktivitäten der Organisation im Waldbereich a) Tropical Forestry Action Programme (TFAP) Als bisheriger Höhepunkt der Tätigkeit der FAO im Waldbereich ist die Durchführung des Tropical Forest Action Programme (TFAP) zwischen den Jahren 1986 und 1997 anzusehen756• Dieser völkerrechtlich unverbindliche Rahmenplan757 sollte der Entwicklung geeigneter Bewirtschaftungsformen von Tropenwäldern758 sowie der langfristigen Bewahrung der Ökosysteme dienen759• Gleichzeitig bildete er das erste multilaterale Instrument zur Erhaltung tropischer Wälder. Insgesamt hat das Programm in mehr als 90 Tropenwaldländern760 mit etwa 85 % der weltweiten Regenwaldressourcen zur Entwicklung nationaler Forststrategien beigetragen761 • Die Ausgestaltung des TFAP beruhte auf dem Gedanken, daß die unsachgemäße und unkontrollierte Nutzung der tropischen Wälder die Hauptursache für ihre Zerstörung bildet. Dem Problem der Entwaldung sollte mit Maßnahmen in fünf Schwerpunktbereichen entgegengewirkt werden: Abstimmung des Forstsektors mit Landnutzungsstrategien, Entwicklung der Forstindustrie, Verbesserung der Nutzung von Brennholz und Steigerung der Energieversorgung, Unterschutzstellung tropischer Regenwald-Ökosysteme sowie Ausbau forstwirtschaftlicher Institutionen762 • Der Finanzierungsschwerpunkt wurde dabei mit 72% auf die ersten drei Sachbereiche gelegt. Zur Förderung von Bemühungen zur Unterschutzstellung der Wälder war lediglich ein Anteil von 8 % des Finanzierungsvolumens vorgesehen763 • Die Konkretisierung des TFAP sollte durch die Erarbeitung nationaler Forstwirtschaft-Aktionspläne (NFAPs) erfolgen. Dabei blieb die Gewichtung der ver756 Der Plan geht auf Initiativen der FAO einerseits und des WRI, der Weltbank sowie des UNDP andererseits zurück. Im November 1985 wurde der 1FAP auf einem Treffen von Forstexperten und Repräsentanten zukünftiger Geberländer in Den Haag beschlossen und die FAO mit seiner Umsetzung betraut. Der FAO-Rat hat den Plan 1986 in Kraft gesetzt. Vgl. zur Entwicklung näher Enquete-Kommission, BT-Drucks. 11/7220, S. 335 f.; 5. Tropenwaldbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/8100, S. 20 f. ; Hönerbach, S. 19 f. ; VanderZwaag/MacKinlay, S. 7. 757 Hönerbach, S. 21; ähnlich Obemdörfer, S. 11 : Absichtserklärung. 758 Nach dem lFAP, S. 10, erstreckt sich der Plan auf alle Formen tropischer Wälder. 759 Vgl. Hönerbach, S. 24. 760 Hönerbach, S. 21. 761 Vgl. Colchester/Lohmann, S. 7. 762 1FAP, S. 10. 763 1FAP, S. 67.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

schiedenen Sachgebiete des Tropenwaldaktionsprogranuns den zuständigen nationalen Entscheidungsträgern überlassen. Sie sollte nach eigenen politischen Prioritäten und landesspezifischen Gegebenheiten vorgenommen werden764• Im Rahmen der Erarbeitung der NFAPs war eine Kooperation mit Forstwirtschaftsexperten der FAO und/oder der Geberländer vorgesehen 765 • Darüber hinaus sollte eine Einbeziehung von Vertretern nichtstaatlicher Gruppen wie der lokalen Bevölkerung vor Ort und der NGOs in die Planung erfolgen766• Einschlägigen Bewertungen zufolge kam es in der Praxis jedoch nur in äußerst geringem Umfang zur Partizipation dieser nichtstaatlichen Akteure767 • Die Entwicklung der NFAPs blieb vielmehr den staatlichen Behörden auf höchster Politikebene und ausländischen Experten vorbehalten. Diese Vorgehensweise im Sinne einer Planung .,von oben nach unten" wurde vielfach mit dem Argument kritisiere 68 , daß sie die Schutzund Nutzungskonflikte vor Ort unberücksichtigt lasse und damit kaum Einfluß auf die dortige Situation nehmen könne. Die Berechtigung zur Bildung eigener Schwerpunkte bei der nationalen Umsetzung des TFAPs und die faktisch äußerst geringe Einflußnahme der verschiedenen Interessengruppen eröffnete den Tropenwaldstaaten in erheblichem Maße die Möglichkeit, NFAPs in erster Linie waldnutzungsbezogen auszugestalten769• Zahlreichen Kritikern zufolge war bereits das Programm selbst zu einseitig auf die industrielle Forstwirtschaft und den Holzeinschlag ausgerichtet770 • So kam der Gedanke einer hinreichenden Einbeziehung der verschiedenen Waldfunktionen im 764 Vgl. die Aussagen des TFAP, S. 64: .,In welcher- möglicherweise modifiziertenForm der Plan dabei umzusetzen ist, bleibtjedoch in jedem Fall den Regierungen, Entwicklungshilfeeinrichtungen und privaten Organisationen überlassen und orientiert sich allein an deren Politik, Bedürfnissen und Prioritäten." 765 Zum Verfahren näher: Colchester/Lohmann, S. 11 f.; Enquete-Kommission, BTDrucks. 1117220, S. 337. 766 TFAP, S. 59 f. 767 Whitmore, S. 183; Fisher, S. 313, 315; Rademacher, S. 25. 768 Woodliffe, S. 70; Fisher, S. 313, 315; Rademacher, S. 25. 769 Colchester/Lohmann, S. 10 ff.; Hönerbach, S. 22 f. ; Obemdörfer, S. 14; VanderZwaag/MacKinlay, S. 9. 770 Whitmore, S. 183; Obemdörfer, VRÜ 22 (1989), S. 437; Fisher, S. 313 f.; Grainger, S. 251; Rademacher, S. 25; Colchester/Lohmann, passim. Im Vergleich zu Aussagen zur herkömmlichen Waldnutzung finden sich im TFAPDokument nur wenige Vorgaben für eine Entwicklung ökologisch verträglicherer Nutzungsaltemativen, wie z. B. den Einsatz regenerativer Energiequellen (TFAP. S. 40), die Einführung silvikultureller Nutzungsverfahren (TFAP, S. 32, 51) und Agroforstwirtschaft (TFAP, S. 21 -als Agroforstwirtschaft bezeichnet man gemischte Formen von Land- und Forstwirtschaft, die stärker auf die ökologischen Rahmenbedingungen der Regenwaldgebiete ausgerichtet sind).

A. Programme und Waldschutzpolitiken

207

1FAP nur sehr eingeschränkt zum Ausdruck. Anreize für eine stärkere Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten konnte das Programm überdies nicht schaffen, da eine internationale Unterstützung der Waldpolitiken in erster Linie durch günstige Kredite erfolgte771 • Die ohnehin schon stark schuldenbelasteten Entwicklungsländer waren und sind indes kaum bereit, ihre Auslandsverschuldung aus Umweltschutzgründen weiter zu erhöhen. Selbst wenn die ausgearbeiteten nationalen Forststrategien die Verstärkung von Schutzaspekten vorsahen, oblag den Tropenwaldländern wegen des unverbindlichen Charakters des TFAP keine internationale Verpflichtung, diese Strategien auch umzusetzen. Die FAO bemühte sich zwar, den aufgeführten Defiziten durch Empfehlungen für eine stärkere Einbeziehung der nichtstaatlichen Gruppen in den Planungsprozeß772 und Richtlinien für die Entwicklung von NFAPs773 zu begegnen. Aufgrund der geringen Ausgestaltung von "Monitoring"-Mechanismen und Evaluierungsprozessen war eine wirksame Kontrolle der Berücksichtigung dieser Vorgaben indes nicht möglich774 • Zur Bewertung der TFAP-Fortschritte wurde lediglich ein inoffizielles Konsultationsgremium, die 1FAP-Beratergruppe, eingerichtet. Sie setzte sich aus Vertretern verschiedener Interessengruppen zusammen775 • Dieses zweimal jährlich tagende Gremium war jedoch kaum hinreichend ausgestattet, um die Probleme mit der Umsetzung der NFAPs in deft 90 Teilnehmerstaaten einer Lösung zuzuführen776 • Aufgrund der verschiedenen Kritikpunkteam TFAP wurde im Jahre 1990 eine Überprüfung des Prograrnrns durch ein unabhängiges Untersuchungsgremium durchgeführt. Es kam zu dem Ergebnis, daß die meisten NFAPs zu einseitig auf Investitionen in den herkömmlichen Forstsektor ausgerichtet waren, ohne grundlegende Reformen in diesem Bereich anzustreben777 • Darüber hinaus wurde die Einbeziehung der Interessengruppen im Land in die Ausarbeitung und Umsetzung der Rademacher, S. 25 f.; Wicke/Hucke, S. 87; Obemdörfer, VRÜ 22 (1989), S. 438. Empfehlungen 3 und 4 des Bellagio Strategietreffens im Juli 1987 (abgedruckt in Ambio 6 (1978), S. 349 f.). 773 Tropical Forest Action Programme, TFAP Operational Principles, November 1991, s. 3. 774 Hönerbach, S. 22. 775 Die Beratergruppe setzte sich aus Vertretern der Geber- und Nehmerländer, regionalen Entwicklungshilfebanken, Forstbehörden, Vertretern der ITTO und der NGOs zusammen; vgl. Enquete-Komission, BT-Drucks. 11/7220, S. 338. 776 Winterbottom, Robert, Taking Stock: the Tropical Forestry Action Plan after Five Years, Washington D. C. 1990, S. 8; zit. nach Hönerbach, S. 21. 777 Vgl. Cassells, S. 366 f. 771

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Aktionspläne und der Ausbau nationaler Kapazitäten als mangelhaft angesehen778 • Um die NFAP-Planung und Umsetzung zu verbessern, forderten verschiedene Geberländer und NGOs daraufhin, auf internationaler und nationaler Ebene verschiedene Konsultationsgruppen aus Vertretern der Geber- und Nehmerländer, internationalen Organisationen sowie von NGOs einzusetzen779 • Diese Vorschläge wurdenjedoch sowohl von verschiedenen Entwicklungsländern als auch der FAO selbst unter Verweis auf das souveräne Recht über natürliche Ressourcen zurückgewiesen780. Die geringe Bereitschaft zurReformierungdes Programms führte in der Folgezeit zu einem weiteren Legitimationsverlust 1997 wurde der TFAP eingestellt. Bereits 1991 hatten die vier Gründungsorganisationen des Tropenwaldaktionsprograrnms, die FAO, die Weltbank, das UN-Entwicklungsprograrnm sowie die NGO World Resource Institute auf einem Treffen erklärt, daß eine Bekämpfung der Entwaldung mit Hilfe des Progranuns weitgehend gescheitert see81 .

b) Derzeitige Tätigkeit der FAO im Bereich der Walderhaltung Auch nach Beendigung des Tropenwaldaktionsprogranuns unterstützt die FAO Drittweltstaaten bei der Entwicklung und Umsetzung nationaler Waldprogramme. Die Gewährung dieser Hilfestellung soll nach dem Strategieplan der Organisation mittelfristig einen Schwerpunktbereich der FAO-Tätigkeit im Waldsektor bilden782. Im Unterschied zum TFAP heben die einschlägigen Grundprinzipien und Verfahrensrichtlinien die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der verschiedenen Waldfunktionen und eines sektorenübergreifenden Ansatzes besonders hervor783. Das Erfordernis der Einbeziehung der verschiedenen Interessengruppen in die Formulierung und Umsetzung der nationalen Waldaktionspläne784 wird ebenso betont wie das Gebot des Aufbaus von "Monitoring"-Mechanismen785 • Die Erarbeitung und Umsetzungskontrolle der NFAPs soll dabei nach Möglichkeit durch ein nationales Koordinierungsgremium unter Beteiligung der unterschiedlichen Ebenda. Rademacher, S. 27. 780 Hönerbach, S. 22 f.; Rademacher, S. 27. 781 Woodliffe, S. 70. 782 Ziffer 57 des FAO Strategie Plan For Forestry, Rom, November 1999. 783 FAO, Formulation, Execution and Revision ofNational Forestry Programmes, Basic Principles and Operational Guidelines, Basic Principles 5, 8. 784 Basic Principles 3, 4. 785 Basic Principles 6. 778

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A. Programme und Waldschutzpolitiken

209

Akteure erfolgen786 • Ferner erkennen die Leitlinien der FAO ausdrücklich an, daß die Entwicklung, Durchführung und Überprüfung der NFAPs einen ständigen Lernprozeß zur Verbesserung der nachhaltigen Waldbewirtschaftung darstellt. Die Einbindung der lokalen Bevölkerung in Walderhaltungsbestrebungen wird von der FAO schließlich durch ein besonderes Programm gefördert187• Dieses ermöglicht eine technische Unterstützung von Eigenprojekten der örtlichen Bevölkerung zur nachhaltigen Bewirtschaftung ihrer Wälder. Abgesehen von technischer Expertise kann die FAO selbst nur in sehr geringem Maße Anreize für eine Einbeziehung von Walderhaltungsaspekten in die nationalstaatliche Entscheidungsfindung liefern. Das Forstbudget der Organisation im Finanzjahr 2000/2001 entspricht etwa 3% der Summe, die für die Umsetzung des TFAP jährlich veranschlagt worden war788 • Ohne die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Hilfen durch Geberländer sind die Möglichkeiten der FAO, auf eine Veränderung des Forstsektors in Tropenwaldländern hinzuwirken, äußerst begrenzt. Im UNCED-Nachfolgeprozeß ist die FAO als Task Manager für die Umsetzung der Waldgrundsatzerklärung und des elften Kapitels der Agenda 21 berufen worden789 • Sie ist damit für die Berücksichtigung der waldrelevanten Rio-Programme im Rahmen der UN-Familie verantwortlich. Zur Einbeziehung der Empfehlungen von IPF und IFF in die Tätigkeit der Institutionen und zur verbesserten organisationsübergreifenden Koordinierung wurde eine informelle Interagency Task Force on Forests unter dem Vorsitz der FAO ins Leben gerufen790• Ihr gehören unter anderem die ITTO, das Sekretariat der Biodiversitätskonvention, die

786 FAO, Formulation, Execution and Revision of National Forestry Programmes, Basic Principles and Operational Guidelines, Operational Guidelines, B. Organisation of Process, 2; D. Monitoring, 13. Nach den Operational Guidelines, B. Organisation of Process, 3, soll dieses Gremium über formalisierte Informationsstrukturen zu den verschiedenen Interessengruppen verfügen. 787 Hierbei handelt es sich um das sogenannte Community Forestry Programme; vgl. Ziffer 57 des FAO Strategie Plan For Forestry, Rome, November 1999. 788 Für das Finanzjahr 2000/200 I wurde für den Forstbereich eine Summe von 31,6 Mio. US-Dollar veranschlagt (Nachweis: FAO, Summary Programme ofWork and Budget 2000-01, Ziffer 21; zu erhalten über das Internet: http://www.fao.org/docrep/x1496el x1496e.htm.). Der TFAP ging für einen 5-Jahres-Zeitraum von einer notwendigen Fördersumme i. H. v. 5.320 Mio. US-Dollar aus; TFAP, S. 67. 789 FAO, Forests and Forestry, Rome 1999, S. 10. 790 Intergovemmental Forum on Forests, Information on Forest-Related Work of International and Regional Organisations, 16 June 1998/Working Draft/BD.4, Ziffer 45.

14 Krohn

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

UN-Entwicklungs- und Umweltprogramme, die Weltbank sowie das nichtstaatliche Center für Internationale Waldforschung an.

II. United Nations Development Programme Im UNCED-Nachfolgeprozeß hat das United Nations Developrnent Programme (UNDP), ein Sonderprogramm der Vereinten Nationen zur institutionellen Unterstützung der Entwicklungsländer und Koordinierung von Entwicklungshilfemaßnahmen791, eine Unterabteilung zur Einbeziehung der Beschlüsse von Rio in die Arbeit des UNDP eingerichtet792 . 1998 wurde in dessemRahmen das Programme on Forests ins Leben gerufen793 . Ziel dieses Programms ist es, Länder beim Aufbau ihrer Kapazitäten und bei der Umsetzung von Strategien zur Walderhaltung zu unterstützen 794 • Dies geschieht durch technisch-administrative Hilfe, über die angemessene Rahmenbedingungen für eine sektorenübergreifende Waldbewirtschaftungsplanung unter Beteiligung relevanter Interessengruppen geschaffen werden sollen795 • Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Rolle das UNDP als Vermittler sogenannter Forest Partnership Agreements. Hierbei handelt es sich um umweltschutzbezogene Vereinbarungen zwischen verschiedenen Akteuren zur Umsetzung von Einzelprojekten auf Basis der NFAPs. Derartige Agreements können sich sowohl auf die internationale als auch auf die nationale Ebene beziehen. Im Bereich der internationalen Kooperation bilden sie eine Übereinkunft zwischen Entwicklungs- und Geberland zur Durchführung und Finanzierung bestimmter Waldnutzungs- bzw. Waldschutzmaßnahmen. Das UNDP soll nur dann als Vermittler zwischen den Akteuren auftreten, wenn es um die Umsetzung von ForstNäher zum UNDP: Sah/mann/Blank, S. 1284 ff. Implementing the Rio Agreements- A Guide to UNDP' s Sustainable Energy and Environment Division, New York 1995 (im folgenden SEED Guidebook), Einleitung. Zu erhalten über das Internet: http://www.undp/orglseed. 793 Vgl. die Informationen im Internet: http.//www.undp.org/seed/forest/pages/faqs/ index.html. 794 Seed Guidebook, 2.3. 795 Seed bietet folgende Leistungen zur Unterstützung der Entwicklungsländer an: Einschätzung der nationalen und lokalen Kapazitäten zur Planung und Durchführung von Waldprojekten und -programmen; Unterstützung in Entwicklung und Umsetzung der Programme, Entwicklung von Koordinierungsmechanismen zwischen Entwicklungsland und Gebern. technische Beratung. Mobilisierung von Ressourcen, Hilfe bei nationalen und internationalen Konsultationen über die Entwicklung und Umsetzung von nationalen Waldprogrammen; Seed Guidebook, 3.5. 791

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A. Programme und Waldschutzpolitiken

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schutz- oder Bewirtschaftungsplänen mit einem sektorenübergreifenden Ansatz gehe96 • Mit Hilfe des UNDP sollen somit Finanzmittel in Maßnahmen zur Bekämpfung der sektorenübergreifenden Entwaldungsursachen gelenkt werden. Diese Tätigkeit der Organisation kann für Drittweltstaaten zusätzliche Anreize zur Berücksichtigung derartiger Aspekte bieten. Von den internationalen Vereinbarungen unterscheiden sich die nationalen Forest Partnership Agreements. Hierbei handelt es sich um Vereinbarungen zwischen öffentlichen und/oder privaten Akteuren zur Durchführung bestimmter Walderhaltungsprojekte. Mit Hilfe der Agreements sollen private Akteure stärker in die Durchführung staatlicher Forstpolitiken einbezogen und in die Verantwortung genommen werden. Dies kann insbesondere dort zur Eingrenzung von Umsetzungsdefiziten beitragen, wo es an staatlichen Kapazitäten mangelt. Die Vereinbarungen stellen darüber hinaus ein Mittel dar, über das sich eine Vernetzung der an Walderhaltungsaspekten interessierten Akteure erreichen läßt. Die Tatsache, daß das UNDP auch bei nationalen Agreements Verbindungen zu Finanzquellen herstellt und technische Hilfe für einen Technologietransfer anbietet, liefert einen zusätzlichen Anreiz für den Abschluß derartiger Vereinbarungen. Soweit ersichtlich, liegen bis dato noch keine näheren Informationen über die tatsächliche Bedeutung der Partnership Agreements vor.

111. United Nations Environment Programme Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen ist für die Förderung der internationalen Zusammenarbeit im Umweltbereich, die Koordinierung von Umweltaktivitäten innerhalb der UN sowie die laufende Überprüfung der weltweiten Umweltsituation verantwortlich797 . Da die Politikformulierung im Waldbereich weitgehend unter Federführung der CSD erfolgt, hat das UNEP keine näheren Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung nationaler oder internationaler Walderhaltungsstrategien abgegeben. Die praktische Tätigkeit des Programms beschränkt sich überwiegend auf die Förderung von Einzelprojekten zur ErforSeed Guidebook, 3.5. Financial and Institutional Arrangements for Environmental Conservation, GY-Res. 2997 (XXVII) vom 15. Dezember 1972 (abgedruckt im UN Yearbook 26 (1992), S. 331 ff.). Nach Kap. 38 Ziffer 22 (h) der Agenda 21 soll das UNEP im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung zur Weiterentwicklung des Umweltvölkerrechts beitragen. Näher zu den Aufgaben und zur Organisationsstruktur des Programms: Kilian, S. 254 ff. ; Ca/dweil, S. 79 ff. ; Beyerlin/Marauhn, S. 55 ff. 796

797

14*

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

schung der mittelbaren Ursachen der Entwaldung798 und auf die administrativtechnische Unterstützung der Staaten bei der Durchführung entsprechender Analysen799.

IV. Weltbank 1. Umweltschutzaspekte in der Aufgabenwahrnehmung

der Weltbank

Regenwaldstaaten sind zur Durchführung von Entwicklungsprojekten vielfach auf ausländische Finanzmittel angewiesen. Der Stellenwert, den Kapitalgeber Umweltschutzaspekten einräumen, kann über Investitionsentscheidungen Einfluß auf die Ausgestaltung nationaler Entwicklungspolitiken haben. Von wesentlicher Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang die Gewährung von Darlehen durch Entwicklungshilfebanken. An erster Stelle steht dabei die Weltbank, deren Aufgabe in der Unterstützung der Entwicklung ihrer Mitglieder durch die Vergabe langfristiger Kredite und die Übernahme von Garantien bei ausländischer privater Investitionstätigkeit liegt800 • Da das Bankstatut weit vor dem Beginn der internationalen Debatte um die Erhaltung natürlicher Lebensgrundlagen vereinbart wurde, enthält es keinerlei Vorgaben zur Berücksichtigung ökologischer Belange. Die Entscheidung über die Vergabe von Mitteln für eine Entwicklungsförderung soll vielmehr allein nach ökonomischen Kriterien erfolgen801 • Dennoch läßt sich die Aufgabe der Entwicklungsförderung nicht nur als Hilfe für ein reines wirtschaftliches Wachstum verstehen. Entwicklung kann vielmehr als Prozeß zur Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse des Menschen angesehen werden. Maßnahmen zur Erhaltung der natürlichen Umwelt sind davon eingeschlossen. Eine derartige Interpretation der Zielsetzung der Regelungen des Weltbankstatuts läßt sich auch

798 Interagency Partnership on Forests: Implementation of the IPF Proposals for Action by the ITFF- Interagency Task Force on Forests (ITFF), UN-Doc. E/CN.l7/IPF/1996, June 1997, Progammelement 1.2. 799 Ebenda. 800 Art. I (i) und (ii) des Abkommens über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung vom 22. Juli 1949 i. d. Fassung vom 30. Juli 1987 (abgedruckt im Sartorius II unter Nr. 45). 801 Nach Art. III Abs. 5 (b) des Abkommens über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung soll die Entscheidung über eine Kreditvergabe lediglich nach Aspekten der Wirtschaftlichkeit und des Nutzeffektes erfolgen, wobei andere als ökonomische Aspekte außer Acht zu lassen sind.

A. Programme und Waldschutzpolitiken

213

auf die zunehmende Hervorhebung des Aspekts der nachhaltigen Entwicklung auf internationaler Ebene stützen. In der Vergangenheit ist die Einbeziehung neuer Wertvorstellungen in die Arbeit der Bank nicht unerheblich durch die sachliche und organisatorische Unabhängigkeit der Weltbank von der UN-Farnilie gehemmt worden802 • Die Selbständigkeit der Weltbank erscheint zwar berechtigt, um eine neutrale Entscheidungsfindung über Finanzierungsfragen abzusichern. Sie erschwert es aber auch, neuformulierte internationale Wertmaßstäbe in die Strukturen der Bank einzubringen. Gerade eine zu geringe Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten wurde und wird der Weltbank in erster Linie von Nichtregierungsorganisationen vorgeworfen.

2. Waldrelevante Leitlinien der Kreditvergabe Sowohl im Forstsektor als auch in anderen Tätigkeitsbereichen versucht die Bank zunehmend, dieser Kritik zu begegnen. So wurde 1991 erstmals eine Bewertung der eigenen Forstpolitik durchgeführt. Sie kam zu dem Ergebnis, daß geförderte Weltbankprojekte vielfach zu Schäden am Waldbestand geführt haben803• Auf Grundlage der Untersuchung formulierte die Bank ihre Politik im Waldsektor neu und legte die Bekämpfung der Entwaldung, die Erhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen der Wälder sowie die Wiederherstellung von Waldflächen als Zielvorgaben der eigenen Tätigkeit fest 804• Zur praktischen Umsetzung dieserneuen Forstpolitik wurde 1993 vom Weltbankdirektorium die Politikleitlinie Operational Policy (OP) 4.36 beschlossen805 • Diese verbietet eine Förderung des kommerziellen Holzeinschlages in unberührten

Vgl. dazu Werksman, Greening Bretton Woods, S. 67 ff. The Forestry Sector: A World Bank Discussion Paper, Washington 1991, im Abschnitt: The Role of the Bank. 804 Politikleitlinie OP 4.36 des Weltbankdirektoriums vom September 1993 (abgedruckt in World Bank, Operational Manual, Vol. 2, Safeguard Policies, Washington, ohne Jahresangabe, zu erhalten über das Internet: http://wblnOO 18.worldbank.org/institutional/manuals/ opmanual.nsf/944eeal), Ziffer 1. 805 Für die Erhaltung der Wälder sind ferner folgende Richtlinien (Operational Directives) von Bedeutung: OD 4.01 über die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für die zu fördernden Projekte; OD 4.20 über die Berücksichtigung der Rechte indigener Völker; OD 14.70 über die Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen. Zur Fundstelle vgl. die vorherige Fn. 802 803

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

tropischen Feuchtwäldern806 . Dort, wo sie bereits durchgeführt wird, soll nur in Maßnahmen zur verbesserten Planung, Beobachtung und Kontrolle der forstwirtschaftlichen Betätigung investiert werden 807 . In Waldarealen mit hohem ökologischen Wert sind allein Maßnahmen zur Walderhaltung oder leichte, nicht-extraktive Bewirtschaftungsformen zu finanzieren. Darüber hinaus kommt eine Kreditvergabe nur für kontrollierte nachhaltige Waldbewirtschaftungsmaßnahmen auf Grundlage der ökologischen Gegebenheiten vor Ort in Betracht808 . Die räumliche und sachliche Beschränkung von Förderungsvorhaben in Feuchtwäldern wird mit der Gefahr irreversibler Schäden begründet, die aufgrund der geringen Erkenntnisse über den vollen Wert dieser Wälder und den Folgen menschlicher Einflüsse besteht809 . Die Weltbankleitlinie stellt insoweit eine Konkretisierung des Vorsorgeprinzips dar, das der Förderung von wirtschaftlichen Aktivitäten in tropischen Feuchtwäldern zugrunde liegen soll810 . In verfahrensmäßiger Hinsicht wird die Vergabe von Mitteln für Projekte im Forstsektor von der Abgabe einer Erklärung abhängig gemacht, in der sich die betroffene Regierung insbesondere zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung, zum Schutz der Wälder und zur Einbeziehung relevanter Interessengruppen in die staatliche Forstpolitik bekennt811 • Dieses Erfordernis stellt eine abgeschwächte Form der Konditionalität von Kreditvergaben dar. Es wird nicht die tatsächliche OP 4.36, Ziffer I (a). Ebenda. 808 OP 4.36, Ziffer 1 (f): .,In areas where retaining the forests cover and associated soils, the water, biodiversity, carbon sequestration values the object, the Bank may finance controlled sustainable-yield forest management." 809 Vgl. The Forestry Sector: A World Bank Discussion Paper, Washington 1991, die Abschnitte: Executive Summary und Protecting Forests. 810 The Forestry Sector: A World Bank Discussion Paper, Washington 1991, Abschnitt: The RoJe of the Bank. 811 Ziffer 1 (a); Ziffer 1 (d) der Direktive: .,The commitment requires a dient country: (i) adopt policies and a legal and institutional framework to (a) ensure conservation and sustainable management of existing forests and (b) promote active participation of local people and the private sector in the long-term sustainable development (OD 4.01); (ii) adopt a comprehensive and environmentally sound forestry conservation and development planthat clearly defines the roJe and rights of govemment, private sector and local people (OD 4.20); (iii) undertake social, economic, environmental assessments of forestry being considered for community use; (iv) set aside adequate compensatory preservation forests to protect and conserve biodiversity and environmental services and to saveguard interests of forest dwellers, specially their rights of access to and use of designed forest areas; (v) establishes institutional capacity to implement/enforce these commitments." 806 807

A. Programme und Waldschutzpolitiken

215

Durchführung von Maßnahmen zur Erhaltung der Wälder verlangt, sondern nur die Anerkennung einer entsprechenden Verantwortlichkeit. Zwar begründet diese Erklärung keine rechtlichen Verhaltenspflichten. Sie kannjedoch von erheblicher politischer Bedeutung für die zukünftige Kooperation zwischen Weltbank und Empfängerland sein812 . Für die Planung der Projekte mit einer Weltbankförderung ist überdies eine sektorenübergreifende Vorgehensweise und eine Einbeziehung der verschiedenen Interessengruppen, insbesondere der lokalen Bevölkerung, in die Planung vorgesehen813. Bei Infrastruktur- oder anderen Landnutzungsprojekten soll mit Hilfe einer besonders strengen Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Minimierung der negativen Auswirkungen auf Wälder hingewirkt werden 814.

3. Kontrollmechanismen Zur Kontrolle der Wirksamkeit der neuen Forstpolitik führt die Bank regelmäßige interne Bewertungsverfahren durch. Nach der letzten Evaluierung soll die Kreditvergabe der Weltbank im Forstsektor keine wesentlichen Schädigungen von Waldgebieten mehr verursacht haben 815 . Dennoch sei es aufgrundder vielfältigen und schwer zu bekämpfenden sektorenübergreifenden Ursachen der Entwaldung nicht gelungen, der Waldzerstörung hinreichend zu begegnen816 . Nach Ansicht des Bewertungsgremiums ist dies auch auf den erheblichen politischen Widerstand zurückzuführen, der gerade in Staaten mit einem bedeutenden Forstsektor gegenüber den von der Bank vorgeschlagenen Reformen besteht817 • Gerade in Ländern mit einem starken Interesse an der wirtschaftlichen Nutzung von Waldgebieten

812 Dies gilt insbesondere deswegen, weil sich die Weltbank zum Ziel gesetzt hat, auf wirtschaftliche und politische Reformen zugunsten einer verbesserten Walderhaltung in den Nehmerstaaten hinzuwirken; vgl. A Review ofthe World Bank's 1991 Forestry Strategy and Its lmplementation", Volume 1: Main Repon, 13 January 2000, S. 3. 813 OP 4.36, Ziffer 1 (b), (c). 814 The Forestry Sector: A Worldbank Discussion Paper, Washington 1991, Abschnitt: The RoJe of the Bank, Future. 815 A Review ofthe World Bank's 1991 Forest Strategy and lts lmplementation, VoLl: Main Report, 13 January 2000, S. xiii, 8. So bereits das lnitiating Memorandum vom 30. Juni 1998, Ziffer 6. 816 A Review of the World Bank' s 1991 Forest Strategy and lts lmplementation, Vol. 1: Main Repon, S. xiii, 4, 29. 817 A Review of the World Bank' s 1991 Forest Strategy and lts Implementation, Vol. 1: Main Repon, S. xiii, 19, 29.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

habe die Weltbankaufgrund der Ausrichtung ihrer Forstpolitik auf den Vorsorgegedanken an politischem Einfluß verloren818 • Die Bewertung kommt unter anderem zu dem Ergebnis, daß die Entwaldung ohne eine umweltgerechte Bewirtschaftung der Wälder und ohne die Bereitstellung finanzieller Mittel für Entwicklungsländer weiter ansteigen werde819 • Dem Weltbankmanagement wird empfohlen, beim Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungsformen stärker auf die Umstände vor Ort Rücksicht zu nehmen820. Neben einer gesteigerten Einbeziehung der Interessen der ländlichen Bevölkerung und einer verbesserten Kooperation mit privaten Interessengruppen sei insbesondere der Aufbau von Strukturen zur Bekämpfung illegaler Waldnutzung sowie die Schaffung eines "Monitoring"- und "Compliance"-Systems für die eigene Projektumsetzung notwendig821 • Über bankinterne Evaluierungsmechanismen hinaus hat die Weltbank ein Verfahren entwickelt, das die Einhaltung ihres internen Organisationsrechts einer Überprüfung durch nichtstaatliche Akteure zugänglich macht. Dazu wurde 1993 vom Weltbankdirektorium das sogenannte Inspection Panel eingerichtet822 . Mit seiner Hilfe können Personengruppen im Territorium des Kreditnehmers unter näher festgelegten Voraussetzungen823 überprüfen lassen, ob die Weltbank bei 818 A Review ofthe Wor1d Bank's 1991 Forest Strategy and Its Imp1ementation, Vol. 1: Main Report, S. 28. 819 A Review of the World Bank' s 1991 Forest Strategy and Its Imp1ementation, Vol. I: Main Report, S. xiii. 820 A Review ofthe Wor1d Bank's 1991 Forest Strategy and Its Implementation, Vol. I: Main Report, S. xi, 2. 821 A Review ofthe World Bank's 1991 Forest Strategy and Its Implementation, Vol. I: Main Report, S. xii. 822 Die Resolution 93-10 zur Einsetzung dieses Gremiums findet sich abgedruckt in ILM 34 (1995), S. 503 ff. Vgl. zum Inspection Panel auch die nähere Analyse von Bradlow/ Schlemmer-Schulte, ZaöRV 54 (1994), S. 392 ff.; Schlemmer-Schulte, ZaöRV 58 (1998), S. 353 ff. 823 Zu den Voraussetzungen für eine Jurisdiktion des Gremiums vgl. Paragraph 12-14 der Resolution. "Ratione personae" ist im wesentlichen eine Beschwerde einer Personengruppe im Territorium des Kreditnehmers erforderlich, deren Rechte oder Interessen durch ein Verhalten der Bank beeinträchtigt sind oder wahrscheinlich werden. "Ratione materiae" ist Voraussetzung, daß eine bedeutende Verletzung der Bankpolitiken oder Verfahrensvorgaben behauptet wird und die geltend gemachte Verletzung, wenn nachgewiesen, einen bedeutenden Nachteil für den Beschwerdeführer mit sich bringt (Art. 12). Im Verfahren des Yacyreta Hydroelectric Project in Paraguay/Argenlinien (Request for Inspection- Argentinia/Paraguay: Yacyreta Hydroelectric Project, Panel Report and Recommendation (INSP/ R96-2), Ziffer 13 ff., hat das Panel anerkannt, daß ein bedeutender Nachteil auch in der Zerstörung der natürlichen Umwelt liegen kann, ohne daß es dabei des Nachweises eines

A. Programme und Waldschutzpolitiken

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ihrer Kreditvergabe und Projektabwicklung ihre eigenen Richtlinien und Politiken in schwerwiegender Weise verletzt hat. Dieser Mechanismus stellt einen Ansatz für die Zuweisung von Kontrollkompetenzen an Akteure dar, die in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung zur Bank stehen. Es wird anerkannt, daß dem internen Organisationsrecht der Weltbank eine gewisse objektive Bedeutung zukommt, die über den Kreis der Bank und ihrer Kreditnehmer hinausgeht. Dabei erhalten Interessen von Personengruppen Beachtung, denen nach der herkömmlichen Dogmatik des Völkerrechts keine Rechtssubjektivität zukommt824• Allerdings sind die Kontrollbefugnisse des Inspection Panel begrenzt. Auch wenn es aufgrund einer Beschwerde die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untersuchung für gegeben hält, ist es nicht befugt, von sich aus mit der Überprüfung zu beginnen. Vielmehr bedarf es einer Autorisierung von seiten des W eltbankdirektoriurns825• Die bisher vom Panel für zulässig erachteten Anträge haben sich zum weit überwiegenden Teil auf die Verletzung von Umweltvorgaben sowie Richtlinien zum Schutz der Interessen der lokalen und indigenen Bevölkerung gestützt826 • Einige Verfahren betrafen auch die Tätigkeit der Bank im Forstsektor827 . So wurde beispielsweise von verschiedenen innerstaatlichen NGOs in Brasilien geltend gemacht, ein Weltbankprojekt zur nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen im Amazonasraum werde nicht seiner Zielsetzung entsprechend umgesetzt828• Auch wenn entgegen der Empfehlung des Panels kein Mandat für eine nähere Untersuchung erteilt wurde, führte die Einschaltung des Gremiums zur Vereinbarung von Maßnahmen zum Abbau der aufgetretenen Defizite zwischen dem Weltbankmanagement und Brasilien. Laut Einschätzung des Panels konkreten materiellen Schadens bei der betroffenen Personengruppe bedarf. Dies kommt der Anerkennung eines eigenständigen Rechts auf eine gesunde Umwelt gleich. 824 Zur Frage der Rechtsstellung von Einzelpersonen im Völkerrecht vgl. Kimminich/ Hohe, S. 155 ff. 825 Vgl. die Paragraphen 19, 22 der Weltbankresolution zur Einrichtung des Inspection Panel. Das Direktorium entscheidet allerdings auf Grundlage einer Handlungsempfehlung von seiten des Panel. 826 Einen Überblick über die bisherigen Verfahren bietet Schlemmer-Schulte, ZaöRV 58 (1998), s. 359 ff. 827 Soweit ersichtlich, wurde die Verletzung der Leitlinie bisher in zwei Fällen gerügt: Request for Inspection- Brasil: Rondönia Natural Resources Management Project, Panel Report und Recommendation (INSPIR95-2). Request for Inspection- lndia: Ecodevelopment Project: Rajiv Ghandi (Nagarahole) National Park, Panel Report and Recommendation (IPN Request R098/l). 828 Request for Inspection- Brasil: Rondönia Natural Resources Management Project, Panel Recommendation (INSP/R95-2).

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

waren die Umsetzungsmängel unter anderem darauf zurückzuführen, daß Erfahrungen aus früheren Projekten keine angemessene Berücksichtigung gefunden hatten und es an Überprüfungsmechanismen für die konkreten Einzelprojekte fehlte 829 .

4. Aufbau von Dialogstrukturen Neben der Zuweisung von begrenzten Initiativrechten zur Kontrolle der Tätigkeit der Organisation ist die Weltbank um den Ausbau von Dialogstrukturen mit nichtstaatlichen Akteuren bemüht. So wurde von der Weltbank das sogenannte CEO Ad-hoc Forum ins Leben gerufen, das sowohl NGOs als auch Vertretern der Privatwirtschaft offen steht830. In diesem Gremium soll über verschiedene Aspekte der Walderhaltung diskutiert werden. Von der Tätigkeit eines derartigen Forums können Impulse für eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren ausgehen. Seine Aktivität kann überdies dazu beitragen, die Privatwirtschaft stärker in Ressourcenschutzbestrebungen einzubinden und sie nicht lediglich als Adressat umweltschutzbezogener Regelungen anzusehen.

V. UNESCO Das 1971 von der UNESCO eingeführte intergouvernementale Programm "Der Mensch und die Biosphäre" will die wissenschaftliche Grundlage für eine Entwicklung nachhaltiger Nutzungsmethoden und einen Schutz der natürlichen Ressourcen aufbauen831 • Dazu ist insbesondere die Einrichtung sogenannter Biosphä829 Review ofProgress in Implementation- Brasil: Rondönia Natural Resources Management Project, Ziffer 5, 6, 16-25. Im Anhang 2 findet sich der von dem Verwaltungsdirektorium angeforderte Zusatzbericht, der eine weitgehend inhaltsgleiche Bewertung enthält. 830 Die Dokumente, aus denen die bisherigen Diskussionsschwerpunkte und -ergebnisse hervorgehen, sind über das Internet zu erhalten: htcp://wblnOO 18. worldbank.org/essd/ forestex.nsf. 831 Vgl. Res. 2.313 der UNESCO-Generalkonferenz vom 15. Oktober 1968: ,.Considering that there is pressing need for bold international action concerning the scientific aspects of the rational use and conservation of the national resources of the biosphere and the improvement of the global relationship between man and his environment . .. Decides to launch a long-term intergovemmental and interdisciplinary programme on ,man and the biosphere'". Die Resolution findet sich abgedruckt in Nature & Resources 6 (1970), Issue 2, S. 8 f. Batisse, Nature & Resources 29 (1993), Issue 3, S. 3, spricht im Zusammenhang mit dem Programm vom Beginn systematischer Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung.

A. Programme und Waldschutzpolitiken

219

renreservate vorgesehen. Hierbei handelt es sich um international anerkannte geschützte Gebiete repräsentativer Ökosysteme, die dem Schutz der natürlichen Ressourcen, der nachhaltigen Entwicklung unter Einbeziehung der ansässigen Bevölkerung sowie der Durchführung wissenschaftlicher Forschungen dienen sollen832. Um diese unterschiedlichen Funktionen zu erfüllen, werden die Reservate in einen Kern- und einen Randbereich untergliedert. Ersterer unterliegt einem absoluten Schutzstandard, während in letzterem eine Ressourcennutzung zulässig ist und in ihrer Intensität nach außen hin zunimmt. Als ein integratives ErhaltungsNutzungs-Konzept verlangt die Einrichtung von Biosphärenreservaten keinen vollständigen Verzicht auf die wirtschaftliche Nutzung eines Ökosystems wie der tropischen Regenwälder. Sie wird daher sowohl aus ökonomischen als auch politischen Gründen vielfach realisierbarer sein als reine Schutzgebietskonzeptionen. Welche Areale für eine Einbeziehung in das internationale Netzwerk der Reservate in Betracht kommen, ist allerdings vom jeweiligen UNESCO-Mitgliedsstaat zu entscheiden833 • Eine Ausweisung von Regenwaldgebieten ist bisher nur in eingeschränktem Maße erfolgt834 . Auch die Internationale Biosphärenkonferenz in Sevilla (1995), auf der die Rolle der Reservate im 21. Jahrhundert von Experten aus 106 Ländern erörtert wurde, hat keinen Handlungsschwerpunkt auf einen stärkeren Ausbau des Reservatsnetzes in tropischen Wäldern gelegt835 • 832 Ziffer 7 (a) des Aktionsplans für Biosphärenreservate, der vom Internationalen Koordinationsrat des Programms auf seiner achten Sitzung vom 3.-8. Dezember 1984 angenommen wurde (abgedruckt in Nature & Resources 20 (1984), Issue 4, S. 11 ff.). Über die Anerkennung als Biosphärenreservat entscheidet der Internationale Koordinationsrat des Programms (vgl. Art. 5 der Internationalen Leitlinien für das Weltnetz der Biosphärenreservate; abgedruckt in: UNESCO, Biosphärenreservate, Die Sevilla-Strategie und die Internationalen Leitlinien für das Weltnetz, Paris 1996, S. 20 ff.). V gl. näher zu den Funktionen der Reservate das Deutsches Nationalkomitee, S. 17 ff.; Batisse, Nature & Resources 6 (1970), Issue 2, S. 8 f. 833 Nach Art. 4 der Internationalen Leitlinien für das Weltnetz der Biosphärenreservate muß das betroffene Areal u. a. eine besondere ökologische Bedeutung aufweisen und für die Erforschung bzw. Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsmethoden geeignet erscheinen. Es hat über die erforderliche Größe zur Durchführung von Forschungsarbeiten zu verfügen, gewissen Bewirtschaftungsplänen zu unterliegen und organisatorische Mittel für die Beteiligung interessierter Personen oder Institutionen aufzuweisen. 834 Vgl. die Auflistung im Bericht der Enquete-Kommission, BT-Drucks. 1117220, s. 353. 835 Der Handlungsschwerpunkt I der Sevilla-Strategie (Entschließung der Internationalen Biosphärenkonferenz vom 20.-25. März 1995 in Sevilla, UNESCO-Res. 28C/2.4; abgedruckt in: UNESCO, Biosphärenreservate, Die Sevilla-Strategie und die Internationalen Leitlinien für das Weltnetz, Paris 1996, S. 8) spricht lediglich allgemein davon, daß das Konzept eine stärkere Berücksichtigung bei der Umsetzung internationaler Übereinkommen finden soll, die sich auch auf den Schutz von Wäldern beziehen.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Abgesehen von ideellen und wissenschaftlichen Vorteilen kann das UNESCOProgramm kaum Anreize für eine Reservatsausweisung bereitstellen. Die UNESCO bietet lediglich eine katalytische Unterstützung für die Staaten an836. Regelungen zur näheren Ausgestaltung der Koordinierung und der administrativen Strukturen innerhalb und zwischen den Biosphärenreservaten finden sich bisher nur in geringem Umfang837 •

B. Walderhaltung im Rahmen des internationalen Finanzierungsinstruments Global Environmental Facility Die Durchführung von umfangreichen Umweltschutzprojekten in Entwicklungsländern steht vielfach vor dem Problem der Koordinierung und langfristigen Sicherung von finanziellen Mitteln. Um diese Schwierigkeit zumindest teilweise zu bewältigen, wurde im Vorfeld zu UNCED die Global Environmental Facility (GEF) eingerichtet838 • Sie stellt einen Finanzierungsmechanismus für Umweltschutzmaßnahmen insbesondere in Ländern der dritten Welt dar, dem bis dato ein Gesamtbudget von etwa 4,75 Milliarden US-Dollar zugewiesen worden ist839 . Diese Ressourcen wurden weitgehend von Industrieländern bereitgestellt oder zugesagt840. Ziel der GEF ist es, "neue und zusätzliche Mittel" für die Schwerpunktbereiche Klirnaveränderung, Biodiversität, Internationale Gewässer und den

836 Die Autbringung der Kosten für die Einrichtung und Instandhaltung der Reservate obliegt grundsätzlich allein den beteiligten Staaten. Die UNESCO bietet allerdings Hilfe bei der Finanzierungssuche an und verfügt über ein sogenanntes regelmäßiges Programm für eine begrenzte finanzielle Hilfe. 837 Batisse, Nature & Resources 29 (1993), Issue 3, S. 4. 838 Die GEF wurde 1991 als Pilotprojekt unter Verwaltung der Weltbank (Res. 91-05 des Weltbankexekutivdirektoriums vom 14. März 1991; abgedruckt in ILM 30 (1991), S. 1735 ff.) ins Leben gerufen und im März 1994 umfassend restrukturiert. Die Regelungen des Instrument for the Establishment of the Restructured Global Environmental Facility findet sich abgedruckt in ILM 33 (1994), S. 1278 ff. Zur Entwicklung der GEF vgl. näher Ehrmann, ZaöRV 57 (1997), S. 566 ff.; Sand, Potential Impact, S. 480 ff.; Werksman, YIEL 8 ( 1997) S. 48 ff. 839 1994 wurde von den beteiligten Staaten eine Summe von 2 Mrd. US-Dollar zugesagt, 1998 kamen im Rahmen der "Wiederauffüllung" des GEF-Budgets 2,75 Mrd. hinzu. Fundstelle: http://www.gefweb.org/What-is-the-GEF/what-is-the-gef.htrnl. 840 Die Einzelbeiträge der Staaten sind in Annex C des Instrument for the Establishment ofthe Restructured Global Environmental Facility, ILM 33 (1994), S. 1301, festgelegt.

B. Walderhaltung durch Global Environmental Facility

221

Schutz der Ozonschicht bereitzustellen841 • Die Finanzierung von Maßnahmen zur Walderhaltung wird im Rahmen des GEF-Instruments zwar nicht als eigenständige Aufgabe anerkannt, jedoch insoweit zugelassen, als ein Bezug zu den genannten Kernbereichen besteht842 . Faktisch stellt die Förderung von Bestrebungen zur Erhaltung der Wälder im Bereich Biodiversitätsschutz einen Finanzierungsschwerpunkt dar843 • Die Anreizwirkung für die Durchführung derartiger Erhaltungsmaßnahmen wird durch die Tatsache beschränkt, daß die GEF lediglich die "vereinbarten Mehrkosten" übernimmt844 • Dies sind diejenigen Zusatzkosten, die aus der Einbeziehung global relevanter Umweltschutzinteressen in nationale Projekte entstehen. Auch wenn die Unterstützungsfunktion der GEF beschränkt ist, trägt sie zu einer Zentralisierung und größeren politischen Unabhängigkeit der internationalen Finanzhilfe im Umweltschutzbereich bei. Der Umstand, daß eine finanzielle Unterstützung der Drittweltstaaten nicht mehr unmittelbar vom politischen Willen der Geberländer abhängig ist, verbessert die Koordination und Planungssicherheit der Förderung. Im Rahmen der institutionellen Ausgestaltung der GEF845 stehen den teilnehmenden Entwicklungsländern überdies Mitentscheidungsbefugnisse über den Einsatz der Finanzmittel zu846• Diese wären bei einer direkten bi-oder multilateralen Förderung kaum gegeben. Hervorzuheben ist ferner, daß eine finanzielle Unterstützung von Projekten nicht von der Mitgliedschaft des Staates in der GEF abhängt847 • In Übereinstimmung mit ihrer Zielvorgabe, der Förderung Art. I Abs. 2 des Instruments. Art. I Abs. 3 S. I. 843 Informationen der GEF; zu erhalten über das Internet: http://www.gefweb.org/ Focal_Areas/focal_areas. html. 844 Art. I Abs. 2 und 3. 845 Die GEF verfügt über folgende Organe: eine alle drei Jahre tagende Vollversammlung der mitwirkenden Staaten zur Festlegung der allgemeinen Politik (Art. III Abs. II, 13 und 14 (a)), einen Rat aus 16 Vertretern der Entwicklungsländer, 14 der industrialisierten Staaten sowie 2 Vertelern der ehemaligen Ostblockländer, zuständig für die laufende Geschäftsführung (Art. III Abs. II, 15, 16 und 20); ferner ein Sekretariat (Art. 111 Abs. 11 und 21) sowie einen wissenschaftlichen Beirat (Art. III Abs. 24). Das Instrument erinnert seiner Struktur nach an eine internationale Organisation. Zur Frage der rechtlichen Einordnung der GEF vgl. Werksman, YIEL 7 (1998), S. 57 f. 846 Entscheidungen über die Mittelvergabe sind im Rat grundsätzlich im Konsens zu treffen (Art. 111 Abs. 20 (e), (d) i. V. m. Art. IV (a), (b)). 847 Art. I Abs. 9 knüpft die Kostenübernahme nicht an das Erfordernis einer Mitgliedschaft im Instrument an. Gemäß Art. I Abs. 7 i. V. m. Annex A steht die GEF jedem Mitgliedstaat der UN oder einer seiner Sonderorganisationen offen. Zur Teilnahme bedarf es lediglich einer Notifizierung gegenüber dem GEF-Sekretariat. Im Juni 2001 waren 168 Staaten am Instrument beteiligt. 841

842

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

des globalen Umweltschutzes, erzeugt die GEF somit eine objektive Wirkung über den Kreis ihrer Mitgliedsstaaten hinaus. Eine Förderung von Projekten in den Schwerpunktbereichen und damit auch mittelbar im Forstsektor wird allerdings davon abhängig gemacht, daß der Antragsteller die für diesen Bereich einschlägige globale Umweltschutzkonvention ratifiziert hat848 • Auf diese Weise wird zum einen ein zusätzlicher Anreiz für die Mitgliedschaft im jeweiligen Vertragswerk geschaffen. Zum anderen trägt ein solches Erfordernis auch zur inhaltlichen Abstimmung und sachlichen Koordinierung internationaler Umweltschutzbemühungen bei849 . Der Gedanke einer Vernetzung international tätiger Akteure und Entscheidungsgremien läßt sich auch aus der Umsetzungsstruktur der GEF ableiten. Das Instrument verfügt über keine eigenen Mechanismen zur Abwicklung der Projektfinanzierung. Es baut auf die Tätigkeit des UNDP, des UNEP und der Weltbank auf, die als Umsetzungsagenturen der GEF fungieren 850• Sie sind mit der Identifizierung von möglichen Förderprojekten und der Projektabwicklung betraut851 . Über die GEF wird damit ein zusätzlicher Anreiz für eine Kooperation mit dem UNDP, dem UNEP oder der Weltbank geschaffen. Das Instrument kann dazu beitragen, daß Staaten in die Waldpolitiken der Umsetzungsagenturen eingebunden werden. Die Vernetzung von UNDP, UNEP und Weltbank über den GEF-Mechanismus verlangt von den betreffenden Programmen bzw. Organisationen auch, ihre Politikvorstellungen und Aufgabenwahrnehmungen im Forstsektor abzustimmen und anzugleichen852•

848 Art. I Abs. 9 (a). Für den Waldbereich ist dies in erster Linie die Biodiversitätskonvention. 849 Art. I Abs. 9 (a) fordert, daß die beantragte Förderung auch in Übereinstimmung mit den Leitlinen steht, die von der Vertragsstaatenkonferenz des betreffenden Abkommens zur Projektförderung beschlossen wurden. 850 Nach Art. III, Abs. 12 und 22 i. V. m. Annex D, Art. II, Abs. 11 (a) und (b) ist das UNDP in erster Linie für die Entwicklung und Umsetzung von Projekten und Programmen zur Kapazitätenbildung verantwortlich. Dem UNEP kommt nach Annex D, Art. II, Ziffer 11 (b) die Aufgabe zu, wissenschaftliche sowie technische Analysen für die GEFProjekte bereitzustellen und das Umweltmanagement zu verbessern. Der Weltbank obliegt die Hauptverantwortung bei der Entwicklung und Umsetzung der finanziellen Projektkonzeptionen; Annex D, Art. Il, Abs. 11 (c). 851 Annex D Art. I Abs. 3-7. m Werksman, YIEL 5 (1995), S. 61. Sand, Potential Impact, S. 497, für die Wirkung der GEF auf die Weltbankpolitik. Zur Koordinierung zwischen GEF und den Umsetzungsorganisationen vgl. Art. IV Abs. 21 (c) und Abs. 23 des GEF-Instruments.

B. Walderhaltung durch Global Environmental Facility

223

Im Rahmen der GEF wird ferner eine Unterstützung nichtstaatlicher Akteure zur "Demokratisierung" nationaler Walderhaltungsmaßnahmen angestrebt. So eröffnet der Small Grants Fund, der unter dem Dach des UNDP angesiedelt ist, NGOs oder vergleichbaren Basisgruppen die Möglichkeit der Förderung eigener Umweltschutzprojekte853 • Vorausgesetzt wird allerdings, daß die betroffene Staatsregierung der Durchführung des Vorhabens im Grundsatz zustimmt. Ferner ist die Höhe des Zuschusses auf maximal 50.000 US-Dollar begrenzt. Nach einem Projektbericht des UNDP sollen die durch den Fund geförderten Aktivitäten in einigen Staaten zu einer Verbesserung des Kooperationsverhältnisses zwischen NGOs und staatlichen Behörden beigetragen haben 854• Ebenso kommt eine unabhängige Bewertung der Arbeit des Small Grants Fund zu einem positiven Ergebnis. Sie weist darauf hin, daß die Tätigkeit des Fonds zum Ausbau von Kooperationsstrukturen und zu einer Einbeziehung der Bevölkerung auch über den Kreis des konkreten Antragstellers hinaus geführt habe 855 • Kritisiert wurde allerdings, daß die Dauer der Projektförderung zu kurz bemessen sei, um Strukturen für eine langfristige Verbesserung der Umweltsituation vor Ort schaffen zu können 856 • Darüber hinaus stünden die personellen und sachlichen Kapazitäten für die Unterstützung der Umweltschutzarbeit nichtstaatlicher Akteure nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung857 • Schließlich fehle es am Aufbau von "Monitoring"- und Bewertungsmechanismen, die Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der lokalen bzw. regionalen Maßnahmen zulassen858.

853

S. 3. 854

s. 7.

Vgl. UNDP, The GEF Small Grants Programme: Views from the Grassroots, Part I, UNDP, The GEF Small Grants Programme: Views from the Grassroots, Part III,

855 Second Independent Evaluation of the GEF Small Grants Programme: The Transition to an Operational Phase, Conclusions, ohne Zeitangabe und Ort, unter den Abschnitten: Overall Findings, Ziffer 4, 5; Programme Impacts Ziffer I, 2; GEF/SGP and UNEPs Potential within GEF, Ziffer I. 856 Second Independent Evaluation of the GEF Small Grants Programme, Conclusions, unter den Abschnitten: Overall Findings, Ziffer 9; Programme Impacts, Ziffer 2; Strategie Recommendation, Ziffer 2. 857 Second Independent Evaluation ofthe GEF Small Grants Programme, Conclusions, unter den Abschnitten: Overall Findings, Ziffer 6 ff.; Major Programme Issues, Ziffer I; Strategie Recommendation, Ziffer I, 4 und 9. 858 Second Independent Evaluation of the GEF Small Grants Programme, Conclusions, unter den Abschnitten: Overall Findings, Ziffer 7; Strategie Recommendation, Ziffer 3.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

C. Internationale Gemeinschaftsprojekte zur Erhaltung tropischer Regenwälder I. Internationales Pilotprogramm zum Schutz der brasilianischen Regenwälder im Amazonasgebiet 1. Inhaltliche Ausgestaltung Im Dezember 1991 wurde von Vertretern der G7-Staaten, Brasiliens, der EGKommission sowie der Weltbank die Durchführung des Internationalen Pilotprogramms zum Schutz der tropischen Regenwälder in Brasilien vereinbart859. Es versteht sich als ein Demonstrationsprojekt für die Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zur Lösung dringender globaler Umweltprobleme860. Konkretes Ziel des G7-Programms ist es, nachhaltige Entwicklungsmethoden im Amazonasgebiet aufzubauen und den Nachweis einer Vereinbarkeil von ökologischen und ökonomischen Belangen im Hinblick auf die Regenwälder zu erbringen861 . Das Pilotprogramm soll darüber hinaus der Erhaltung der Artenvielfalt und der Verringerung von C02-Ernissionen durch die Zerstörung der Arnazonaswälder dienen 862. Die Besonderheit des Programms liegt in seiner spezifischen Ausrichtung auf die Problernatiken des Arnazonasraurns als größtes noch vorhandenes Regenwaldarealder Erde. Gleichzeitig stellt es den bisher weitreichendsten Versuch dar, Akteure auf globaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene in ein Kooperationsprogramm einzubinden863 . 859 Die zwischen Vertretern Brasiliens, der Geberländer, der EG-Kommission und der Weltbank festgelegten Rahmenbedingungen des Pilotprogramms sind in der Background Note of the Resolution 92-02 of the Board of Executive Directors of the World Bank, Establishment of the Rain Forest Trust Fund vom 13. März 1992 zu finden. Fundstelle: http://www. worldbank.orglhtml/extdr/offrep/lac/ppg7/resolution.htm. 860 Background Note, Abschnitt I, Ziffer 1. 861 Background Note, Abschnitt I, Ziffer 1. V gl. auch die Projektbeschreibung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Das Internationale Pilotprogramm zur Bewahrung der tropischen Regenwälder in Brasilien, S. 2. 862 Background Note, Abschnitt I, Ziffer 1. Das BMZ, Projektbeschreibung, S. 2, und Kohlhepp, S. 19, sehen darüber hinaus den Schutz des Lebenraumes der indigenen Bevölkerung als Zielsetzung des Programms an. Er wird in der Background Note zwar nicht explizit als Zielvorgabe erwähnt, läßt sich aber aus den Einzelprojekten des Pilotprogrammes ableiten. 863 Kohlhepp, S. 18.

C. Internationale Gemeinschaftsprojekte

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Inhaltlich ist das Pilotprogranun in vier Teilprogranune untergliedert, die durch Einzelprojekte näher auszugestalten sind. Sie sollen - der Verbesserung der wissenschaftlichen Forschung, - der Unterstützung der brasilianischen Behörden bei der Formulierung und Umsetzung von Umweltpolitiken, - der Verbesserung des Managements von Schutzgebieten und der Bewirtschaftung der Wälder sowie - der Förderung von Kleinprojekten brasilianischer NGOs und der Verbreitung der dabei gewonnenen Erkenntnisse dienen864. Die ersten beiden Progranunteile bezwecken den Ausbau wissenschaftlicher und administrativer Kapazitäten zum umweltgerechten Umgang mit der Ressource Wald. Mit ihrer Hilfe soll eine abgestinunte Umweltschutzpolitik zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen im föderalen Staat Brasilien erreicht werden. Dabei steht die Stärkung der dezentralen Umweltämter in den Ländern und Kommunen sowie die Schaffung von Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bevölkerung vor Ort im Vordergrund865 . Das dritte Teilprogranun umfaßt Projekte zum Waldschutz und einer umweltgerechten Waldnutzung. Dabei wurden bisher mehrere sogenannte Sanunlerreservate eingerichtet, in denen die traditionell ansässige Bevölkerung unter Anerkennung kollektiver Nutzungsrechte den Wald bewirtschaftet und dabei zu einem gewissen Umfang die Verwaltung des Reservats überninunt866. Der Nutzungsschwerpunkt liegt hier auf sekundären Waldprodukten und waldangepaßter Landwirtschaft867. Teilweise verwirklicht wurde überdies die Identifizierung und Demarkierung von Indianerschutzgebieten sowie der Aufbau von Kooperationsstrukturen zwischen der staatlichen Indianerbehörde und der indigenen Bevölkerung zur Überwachung und Kontrolle der Reservatsgrenzen868 . Darüber hinaus sind Maßnahmen zumAusbau nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden in Staatsfor864 Projektbeschreibung des BMZ, S. 2. Eine nähere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Programmbereichen findet sich bei Batmanian, IEA 6 (1994), S. 5 ff.; Kohlhepp, S. 22 ff. 865 Kohlhepp, S. 23. 866 Projektbeschreibung des BMZ, S. 7; Kohlhepp, S. 29, mit weitgehend positiver Bewertung der bisherigen Entwicklung dieses Programmbereichs. Er hebt allerdings auch hervor, daß die wirtschaftliche Tragfähigkeit dieser extensiven Form der Waldbewirtschaftung bisher nicht gesichert sei. Zu einer derartigen Reservatkonzeption vgl. auch Henne, S. 85. 867 Kohlhepp, S. 29. 868 Kohlhepp, S. 25. 15 Krohn

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

sten, zur Erweiterung und qualitativen Verbesserung des Nationalparksystems sowie zum Autbau eines Brandbekämpfungssystems vorgesehen869 • Der letzte Programmbereich verdeutlicht erneut die starke Ausrichtung des Programms auf die Gegebenheiten vor Ort durch die Unterstützung einer "Entwicklung von unten"870• Im Rahmen der Förderung von Kleinprojekten wird für NGOs finanzielle (und logistische) Hilfe zur Durchführung eigener Projekte bereitgestellt. Der Programmbereich ist bei den betreffenden Organisationen auf eine große Nachfrage gestoßen871 und wurde bisher als sehr positiv bewertet872 . So sei es neben Nachahmungseffekten zu einer Bildung von Netzwerken und Koalitionen der beteiligten Gruppen im Interesse einer verbesserten Walderhaltung gekommen. Mit dieser inhaltlichen Ausgestaltung liegt dem Pilotprogramm die Erkenntnis zugrunde, daß sich eine Erhaltung der Wälder nicht allein über restriktive Naturschutzregulierungen, sondern nur bei einer Berücksichtigung der sozialen Gegebenheiten vor Ort erreichen läßt873 • Diese soll durch eine Förderung von integrativen Erhaltungs-Nutzungs-Konzepten wie der Sammlerreservate und eine insgesamt stärkere Einbeziehung der lokalen Bevölkerung ermöglicht werden.

2. UmsetzungsdefiZite

a) Begrenzte Abstimmung und sektorenübergreifende Vorgehensweise Die Ausgestaltung des Pilotprogramms als ein Rahmenprogramm mit daraus zu entwickelnden Einzelprojekten hat in der Praxis zu verschiedenen Umsetzungsproblemen geführt. So fehlt es nach Ansicht der beteiligten Gremien in nicht un869

Projektbeschreibung des BMZ, S. 9 ff.

°Kohlhepp, S. 22.

87

871 Projektbeschreibung des BMZ, S. 4. Über Förderungsanträge entscheidet das brasilianische Umweltministerium in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Amazonien sowie dem Ausschuß der Altlantik-Wälder. Bei den letztgenannten Gremien handelt es sich um Dachorganisationen von NGOs. Die Nichtregierungsorganisationen sind damit an der Entscheidung über die Mittelvergabe beteiligt. 872 Projektbeschreibung des BMZ, S. 4; Pilot Programme to Conserve the Brasilian Rain Forest (PPG7), 12th Report of the International Advisory Group, July 1999, Abschnitt II, 4 A, 6. Die International Advisory Group stellt eine unabhängige interdisziplinäre wissenschaftliche Beratergruppe zur Überprüfung der Programm- und Projektkonzeption dar; vgl. Kohlhepp, S. 22. 873 Kohlhepp, S. 19.

C. Internationale Gemeinschaftsprojekte

227

bedeutendem Umfang an einer programminternen Koordinierung sowie einer sektorenübergreifenden Abstimmung mit den Entwicklungspolitiken Brasiliens im Arnazonasraum874• Diese Defizite in der Programmabwicklung stellen sich nicht nur als Folge der sehr zeitintensiven administrativen Verfahren zur Erarbeitung und Umsetzung der Einzelprojekte dar875• Eine abgestimmte Vorgehensweise ist bis dato auch dadurch erschwert worden, daß ein "Monitoring"- und Evaluierungsprogramm zur Erfassung und zum Austausch von Erfahrungswerten aus Einzelprojekten876 erst vergleichsweise spät ausgearbeitet wurde. Die geringe Abstimmung des Pilotprogramms mit anderen Politikbereichen im Amazonasgebiet ist neben innenpolitischen Widerständen gegenüber dem Programm auch auf seine inhaltliche und institutionelle Konzeption zurückzuführen. So haben sektorenübergreifende Anknüpfungspunkte in der Programmausgestaltung kaum Berücksichtigung gefunden877 • Auch in verfahrensmäßiger Hinsicht fehlt es bis heute an einer Einbeziehung derjenigen staatlichen Entscheidungsträger, deren Politiken erheblichen Einfluß auf Walderhaltungsbestrebungen haben (insbesondere das Ministerium für Landfragen oder das Nationale Institut für Besiedlung und Agrarreform)878. Eine Beteiligung von Vertretern der Privatwirtschaft war zunächst nicht vorgesehen und findet sich bis heute lediglich in Ansätzen879•

b) Fehlende Planungssicherheit bei der Mittelvergabe Den Anreiz für die Durchführung des Pilotprogramms bietet neben der logistischen Unterstützung die weitgehende Finanzierung der Projekte durch die 874 World Bank, Mid-Term Review of Institutional Arrangements, Final Report, July 1999, Abschnitt li, Ziffer 13 ff., Abschnitt III, Ziffer 23 ff., 53 ff. Pilot Programme to Conserve the Brasilian Rain Forest (PPG7), 12th Report of the International Advisory Group, Abschnitt li, 4 A. 875 Die Umsetzungsstrategie und finanzielle Unterstützung für jedes Einzelprojekt wird in eigenen Verhandlungen festgesetzt und unterliegt einer selbständigen Abwicklung; vgl. Batmanian, IEA 6 (1994), S. 10 f. 876 V gl. die Projektbeschreibung des BMZ, S. 12 f. 877 3. Bericht der Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" zum Thema "Schutz der grünen Erde - Klimaschutz durch umweltgerechte Landwirtschaft und den Erhalt der Wälder", BT-Drucks. 12/8350 (im folgenden Enquete-Kommission, BT-Drucks. 12/8350), S. 304; Batmanian, IEA 6 (1994), S. 11 f. 878 Pilot Programme to Conserve the Brasilian Rain Forest (PPG7), 12th Report of the International Advisory Group, Abschnitt Il, C; im Ansatz auch Kohlhepp, S. 16. 879 Pilot Programme to Conserve the Brasilian Rain Forest (PPG7), 12th Report of the International Advisory Group, Abschnitt Il, C.

228

2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Geberländer und -Organisationen. Bis Juni 2000 wurde eine Summe von insgesamt 351 Mio. US-Dollar zugesagt, über die 90% der Kosten für die jeweiligen Programmteile getragen werden sollen880 . Die Koordinierung und Abwicklung der Projektfinanzierung liegt in den Händen der Weltbank, die zu diesem Zweck ein eigenes Koordinationsbüro (Rain Forest Unit) in Brasilia geschaffen hat. Das Verwaltungsdirektorium der Weltbank hat einen Rainforest Trust Fund eingerichtet, über den der Mitteltransfer abgewickelt werden soll881 • Aufgrund der geringen Bereitschaft der Geberländer, Letztentscheidungsrechte über die Finanzierung bestimmter Programmbeiträge abzugeben, wurden jedoch nur etwa 17 %der Finanzmittel in den Fonds eingezahlt. Diese Vorgehensweise der Geber hat in der Vergangenheit eine wesentliche Grundfunktion des Programms, die sachlich koordinierte und kalkulierbare Zusammenarbeit zwischen Brasilien und den lndustrieländem, beeinträchtigt. So begründet die bilaterale Abwicklung der Finanzierung von Einzelprojekten die Gefahr, daß bedeutende, politisch aber eher "unattraktive" Programmelemente unterfinanziert bleiben882 . Verschiedene Geberländer haben sich darüber hinaus vorbehalten, sogenannte bilaterale assoziierte Projekte, also Maßnahmen, die nicht innerhalb des Programms durchgeführt werden, aber mit seinen Zielen vereinbar sind, auf ihre Förderzusagen anzurechnen883 . Damit können letztlich auch andere als die im Rahmen des Pilotprogramms identifizierten Einzelprojekte unter Anrechnung auf Finanzierungszusagen durchgeführt und die inhaltlichen Ansätze des Programms verändert werden 884 . Da einige Projekte sehr kostenintensiv sind und nicht über den gering genutzten Rainforest Trust Fund finanziert werden können, ist vielfach eine zusätzliche und zeitintensive Koordinierung zwischen den Geberländern erforderlich885 . Die Planungsunsicherheit, die letztlich eine Folge der rechtlichen Unverbindlichkeit des Programms darstellt, wird auch am Verhalten des Nehmedandes Brasilien deutlich. Obwohl es lediglich 10% der Programmkosten trägt886, wurde Ende 1998 im Zuge einer notwendigen Haushaltskonsolidierung versucht, diese 880 Information der Weltbank. Diese Summe gilt bis zum Abschluß der Pilot- und Überbrückungsphase des Programms in 2002 (Internet: http://www. worldbank.org/htmlJextdr/ offrepnac/ppg7/fundtabl.htm). 881 Res. 92-02 des Verwaltungsdirektoriums vom 23. März 1992. 882 Batmanian, IEA 6 (1994 ), S. 9. 883 Ebenda; Enquete-Kommission, BT-Drucks. 12/8350, S. 304. 884 Die Enquete-kommission, BT-Drucks. 12/8350, S. 304, spricht von einer Finanzierungslücke von 100 Mio. US-Dollar, die durch die Anrechnung der bilateral assoziierten Projekte entstanden sei. 885 World Bank, Review of Institutional Arrangements, Abschnitt II, B, Ziffer II , 12. 886 Kohlhepp, S. 26.

C. Internationale Gemeinschaftsprojekte

229

Mittel in erheblichem Umfang zu kürzen887 . Die Reduzierung der Eigenmittel, die in erster Linie die Personalkosten der Programmumsetzung abdecken888 , hätte zu einer Verringerung der internationalen Zuwendungen von 61 Mio. auf 6 Mio. USDollar geführt889 . Dieses Vorhaben konnte letztlich nur durch Intervention des brasilianischen Präsidenten und politischen Druck des In- und Auslandes verhindert werden.

3. Institutionelle Ausgestaltung In institutioneller Hinsicht sind mit der Durchführung des Pilotprogramms vier verschiedene Gremien betraut. Das zentrale politisch-administrative Entscheidungsorgan auf brasilianischer Seite bildet die Nationale Koordinierungskommission unter dem Vorsitz des Bundesumweltministeriums890. Sie besteht aus Vertretern verschiedener Bundesministerien sowie einigen Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen. Die Kommission ist für die Koordinierung, Überprüfung und Anpassung der Programmentwicklung verantwortlich891 . Auf internationaler Ebene finden jährliche Treffen zwischen der brasilianischen Regierung, der Gebergemeinschaft und der Weltbank statt. Sie dienen der Beurteilung der Wirksamkeit des Programms und der Erarbeitung von Empfehlungen für seine weitere Umsetzung. Die Bewertungen werden unter anderem auf Grundlage der Berichte der Rain Forest Unit der Weltbank vorgenommen892 . Eine weitere Überprüfungsinstanz bildet die internationale, multidisziplinäre Sachverständigenkommission aus verschiedenen international anerkannten Wissenschaftlern. Sie soll die Programmfortschritte bewerten, technische Unterstützung leisten sowie Änderungsvorschläge für das gesamte Programm oder Programmteile unterbreiten893. Auch ihr Bericht wird auf den obengenannten Treffen diskutiert894. Aufgrund ihrer Sachkompetenz und ihrer neutralen Stellung ist die Kommission bis 887 "Brasil Slashes Money for Project Protecting Arnazon", New York Times vom 31. Dezember 1998, ohne Seitenzahl. Der Artikel ist zu erhalten über das Internet http://www. forest.org/recent/1999/brcutpro.htrn. 888 Kohlhepp, S. 26. 889 New York Times vom 31. Dezember 1998; vgl. Fn. 887. 890 Batmanian, IEA 6 (1994), S. 7. 891 Background Note, Abschnitt Ill, Ziffer 40. 892 Background Note, Abschnitt III, Ziffer 34; Background Note, Abschnitt li, Ziffer 11, Abschnitt III, Ziffer 38. 893 Background Note, Abschnitt Hl, Ziffer 30 f. 894 Ebenda.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

dato vielfach zur Schlichtung von Streitigkeiten über die Programmdurchführung herangezogen worden895 . Insgesamt ist die Struktur des Pilotprogramms durch den Versuch geprägt, die unmittelbare politische Einflußnahme ausländischer Staaten auf die Umweltpolitik Brasiliens gering zu halten. So entziehen sich die Entscheidungen des unabhängigen Wissenschaftsgremiums als auch der Weltbank als rechtlich selbständige internationale Organisation einer unmittelbaren politischen Beeinflussung durch die Gebergemeinschaft896 • Im Rahmen der Programmabwicklung ist man bemüht, diejenigen politischen Kräfte im Staat Brasilien zu stärken und einzubinden, die ein Interesse an der Erhaltung der Waldgebiete haben. Der Verantwortungsschwerpunkt für die Programmdurchführung liegt dabei auf der Nationalen Koordinierungskommission. Zusätzlich wird für jedes Einzelprojekt ein lokales Beratungs- und Durchführungskomitee unter Beteiligung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure eingesetzt897 • Dies kann zwar weitere Verzögerungen in der Projektabwicklung hervorrufen, ermöglicht aber eine stärkere "Demokratisierung" von Walderhaltungsmaßnahmen. Da der vorgesehene Projektevaluierungmechanismus bisher noch nicht vollständig in die Praxis umgesetzt worden ist, fehlt es zum derzeitigen Zeitpunkt wesentlich an den Rahmenbedingungen für eine wirksame Überprüfung der Programrnentwicklung. Der 12. Bericht der Internationalen Sachverständigenkommission spricht im Hinblick auf die weiterhin hohen Entwaldungsraten in Brasilien davon, daß die derzeitigen Erfolge des G7-Programms als relativ gering einzustufen sind898 • Bei längerfristiger Betrachtung soll dem Programm jedoch ein erhebliches Potential für die Bekämpfung der Regenwaldzerstörung zukommen.

895 Pilot Programme to Conserve the Brasilian Rain Forest (PPG7), 12th Report of the International Advisory Group, Abschnitt III, The International Advisory Group. 896 Allerdings bestehen aufgrundder Stimmengewichtung bei Entscheidungen des Gouverneursrats als höchste Autorität der Weltbank erhebliche Einflußnahmemöglichkeiten der Industrieländer; vgl. Art. 3 (a) i. V. m. Art. 2 (a) des Abkommens über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Die geringe Nutzung des Rainforest Trust Fond und die Möglichkeit der Anrechnung der bilateral assoziierten Projekte wirkt dem Bemühen um eine politsch neutrale Projektdurchführung zusätzlich entgegen. 897 Vgl. Background Note, Abschnitt III, Ziffer 41. 898 Pilot Programme to Conserve the Brasilian Rain Forest (PPG7), 12th Report of the International Advisory Group, Abschnitt II, Ziffer 5. Vgl. auch Kohlhepp, S. 26, der darauf hinweist, daß eine umfassende Effektivitätsprüfung des Programms wegen seiner bisher kurzen Laufzeit noch nicht möglich ist.

C. Internationale Gemeinschaftsprojekte

231

II. lwokrarna International Center for Rainforest Conservation and Developrnent Die Einrichtung des Iwokrama International Center for Rainforest Conservation and Development in Guyana beruht auf einer außerrechtlichen Vereinbarung zwischen der Regierung des südamerikanischen Landes und dem Sekretariat des Commonwealth of Nations aus dem Jahre 1995899• Das Center soll das Iwokrarna International Rainforest Programme koordinieren, das auf Initiative der Regierung Guyanas unter Schirmherrschaft des Commonwealth zustande kam900• Im Rahmen des Projekts wurden 360.000 ha unberührter Regenwald als Schutzgebiet und Forschungsareal für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung ausgewiesen9(H. Während die eine Hälfte dieser Fläche einem weitgehenden Schutz unterliegt und nur für wissenschaftliche Forschung, Ausbildung und "Monitoring" zugänglich ist, soll die andere zur Entwicklung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden im Ökosystem Regenwald dienen902 . Die Tätigkeit des Centers ist durch fünf verschiedene Kernprograrnrne vorgegeben: - Entwicklung von Maßnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung der tropischen Regenwälder; - Erhaltung. lnventarisierung und Nutzung der biologischen Vielfalt; - Unterstützung einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung durch Kooperation mit der indigenen Bevölkerung vor Ort und Bildung von eigenen und fremden Kapazitäten zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung; - wissenschaftliche Forschung sowie

899 Das Agreement between the Government of Guyana and the Commonwealth Secretariat for the establishment of the lwok:mma International Center for Rain Forest Conservation and Development vom 9. November 1995 (im folgenden: lwokrama Agreement) findet sich auf der Internet -Seite: http://www.idca.ca/ library/document/1 04800/chap2_e.html. Da das Commonwealth of Nations keine Völkerrechtssubjektivität besitzt, kann der Vereinbarung keine völkerrechr.liche Bindungswirkung zukommen. Guyana hat durch das Gesetz zur Einrichtung des lwokrama Rainforest Center vom 12. Mai 1996 inhaltsgleiche innerstaatliche Vorgaben geschaffen. 900 Art. 1 der Präambel des Iwokrama Agreement. 901 Ebenda. 902 lwokrama International Center for Rainforest Conservation and Development, Operational Plan 1998-2002, April 1997, Georgetown, Introduction- What is Iwokrama?, 3. Absatz. Das Dokument ist zu erhalten über das Internet http://www.sdnp.org.gy/iwokramal General/OperationalPlan 1998-2002.htm.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

- Informationsaustausch zur Umsetzung der vorstehenden Zielvorgaben903 • Da sich das Iwokrama-Prograrnrn in erster Linie als ein Projekt zur Erforschung nachhaltiger Bewirtschaftungsmaßnahmen in Regenwäldern versteht, kann von ihm nur ein geringer unmittelbarer Beitrag zur Erhaltung der Regenwälder ausgehen. So umfaßt das Waldareal, auf das sich die Arbeit des Zentrums bezieht, lediglich 3 %der gesamten Regenwaldfläche Guyanas. Das Zentrum ist allerdings bemüht, ein Netzwerk mit externen Akteuren aufzubauen und mit diesen im Waldbereich zusarnrnenzuarbeiten904 • Von seiner Arbeit können auf diese Weise "Spill-over"-Effekte ausgehen. So wurde Anfang 1998 beispielsweise ein Memorandum of Understanding mit der Guyanesischen Forstkommission abgeschlossen, das eine Konsultation, den Austausch von Informationen und eine Unterstützung beim Ausbau der staatlichen Forstkapazitäten vorsieht905 . Überdies sind regelmäßige Treffen mit Vertretern der höchsten Administrativebene Guyanas sowie Repräsentanten indigener Gemeinschaften vorgesehen906 . Institutionell verfügt das Zentrum über eine auf Dauer angelegte internationalisierte Struktur. Das höchste Entscheidungsorgan bildet das International Board of Trustees, dessen Mitglieder einerseits von seiten Guyanas, andererseits durch das Commonwealth bestimmt werden907 • Letzteres stellt finanzielle und technische Hilfe zur Durchführung des Programms bereit908 • Neben einer allgemeinen Administrativstruktur909 verfügt das Zentrum über ein wissenschaftlich-technisches Sachverständigengremium sowie ein Expertenkomitee zu Fragen des Schutzes der Rechte der indigenen Bevölkerung910. Hinzu kommen zwei Gremien, die der Mobilisierung finanzieller Mittel für die Arbeit des Centers sowie dem Ausbau von Kooperationsmechanismen mit anderen Institutionen dienen sollen911 . Die Mitgliedschaft in beiden Organen steht neben Vertretern nationaler oder internatio903 Art. 5 und 6 des Iwokrama Agreement. Näher zu den einzelnen Bereichen: lwokrama International Center for Rainforest Conservation and Development, Operational Plan 1998-2002, Ziffer 3 ff. 904 Art. 7 des lwokrama Agreement. Vgl. auch den Operational Plan, Ziffern 3.4. , 6.0.4., 6.2.3.2., 6.4.1., 6.4.2., 7.1. 905 Memorandum of Understanding between Iwokrama and the Guyana Forestry Commission, 2 February 1998, Georgetown; zu erhalten über das Internet: http://www. iwokrama.org!General/Partners/GFC/gcfmemo.html. 906 Operational Plan, Ziffer 7 .1.

907 Art. 11 und 12 des Iwokrama Agreement.

Operational Plan, Ziffer 7 .1. Art. 16 des Iwokrama Agreement. 910 Art. 14 und 18 Abs. 4 des Iwokrama Agreement. 911 Art. 18 Abs. 2 und 3 des lwokrama Agreement. 908 909

D. Zusammenfassende Bewertung

233

naler Organisationen auch privaten Unternehmen und Stiftungen offen. Insoweit wird auch hier der Versuch unternommen, unterschiedliche Akteursgruppen in die Arbeit des Centers einzubeziehen.

D. Zusammenfassende Bewertung Im Vergleich zu den völkerrechtlich bindenden Regelungen findet das Problem der Zerstörung tropischer (Regen-)Wälder in Instrumenten, die für Staaten keine unmittelbaren rechtlichen Verhaltenspflichten begründen, eine wesentlich stärkere Beachtung. Dabei läßt sich folgende zusammenfassende Bewertung treffen: 1. In inhaltlicher Hinsicht verlangen alle der untersuchten Mechanismen von den Staaten Maßnahmen zur nachhaltigen Bewirtschaftung und zum Schutz ihrer Wälder. Konkrete Verhaltensvorgaben finden sich dabei kaum, die aufgeführten Programme und Projekte setzen vielmehr einen mehr oder weniger spezifizierten Rahmen für die Durchführung bestimmter Walderhaltungsrnaßnahmen912 . Im Gegensatz zum TFAP als weltweit erstem Programm zur Erhaltung der tropischen Wälder heben die derzeitigen Instrumente die Notwendigkeit der umfassenden Berücksichtigung der verschiedenen Waldfunktionen hervor (FAO-Richtlinien, Weltbank-Politik, Programmgestaltung Iwokramas und des G7-Pilotprograrnms). Sie fordern eine sektorenübergreifende Vorgehensweise (FAO-Richtlinien, UNDPPrograrnm, Weltbank-Politik, UNEP-Untersuchungen). Insbesondere die Erfahrungen mit der Konkretisierung und Umsetzung des G7-Pilotprogramms verdeutlichen die Bedeutung einer solchen Planungsvorgabe. Der Gedanke einer gesteigerten Unterschutzstellung von Wäldern spielt zwar auch im Rahmen der untersuchten Programme keine hervorgehobene Rolle. Er kommt (mit Ausnahme der FAO-Tätigkeit) hier jedoch stärker zum Ausdruck als in den im zweiten Kapitel dargestellten internationalen Erklärungen im Waldbereich. Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang die Politikleitlinie der Weltbank zum Ausschluß der Kreditvergabe für den Holzeinschlag in unberührten Primärwäldern und zur Begrenzung der Förderung auf ökologisch angepaßte Bewirtschaftungsformen. Eine bankinterne Bewertung hat allerdings gezeigt, daß der Einfluß der Bank in Ländern mit einem bedeutenden Forstsektor nicht groß genug ist, um Verhaltensänderungen auch tatsächlich bewirken zu können.

9 12 Vergleichsweise konkret sind allerdings die Politikleitlinien der Weltbank und die Vorgaben des lwokrama Agreement formuliert.

234

2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Auch wenn die von staatlicher Seite ausgearbeiteten Waldbewirtschaftungspläne das wesentliche Steuerungsinstrument im Forstsektor bilden sollen (FAO, UNDP), bemühen sich sämtliche Programme um eine stärkere Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in die nationalen Waldpolitiken. Ihre Befugnisse werden dabei nicht nur auf eine Teilnahme an der Entwicklung und Umsetzung der NFAPs (Vorgaben für eine entsprechende Teilnahmemöglichkeit finden sich in den Regelungen von FAO, UNDP und Weltbank) oder der aufgeführten Staatenprojekte (Beteiligung an der nationalen Koordinierungskornmission im Rahmen des G7-Pilotprograrnrns, Iwokrama-Expertenkomitee) begrenzt. Vielmehr sollen auch die eigenen Projekte nichtstaatlicher Gruppen unterstützt werden (Demonstrationsprojekte der NGOs im G7-Pilotprograrnm, Small Grants Fund der GEF, Community-Forestry-Programm der FAO). Die einschlägigen Förderungsprogramme sind bis heute als weitgehend positiv erachtet worden. Insgesamt sind die untersuchten Instrumente damit wesentlich durch den Ansatz geprägt, private Akteure unmittelbar in die Verantwortung für die öffentliche Aufgabe Umweltschutz einzubeziehen. Dies gilt insbesondere für lokale Akteure, die mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut sind und ohne Berücksichtigung deren Interessen sich Konflikte zwischen Umweltschutz und Umweltnutzung kaum lösen lassen. Gerade der 1FAP mit seiner technokratischen Planung "von oben" hat gezeigt, daß Walderhaltungsbelange ohne Rücksichtnahme auf die Gegebenheiten vor Ort nicht durchführbar sind. Schließlich kann die Stärkung von lokalen NGOs den Mangel an staatlichen Administrativkapazitäten ausgleichen und zu einer verbesserten Akzeptanz von Ressourcenerhaltungsmaßnahmen vor Ort beitragen. Die Bemühungen um die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure betreffen jedoch nicht nur die Erarbeitung und Umsetzung von Walderhaltungsstrategien. Wie die Forest Partnership Agreements und die Einrichtung eines Unterstützungsgremiums im Zusammenhang mit dem Iwokrarna Center zeigen, sollen nichtstaatliche Akteure auch zur Aufbringung der Kosten für den Ausbau umweltgerechter Bewirtschaftungspraktiken und Waldschutzmaßnahmen herangezogen werden. Im Rahmen der untersuchten Instrumente fällt schließlich die Tendenz auf, verschiedene Akteure aus unterschiedlichen Fachbereichen bzw. staatlichen Hierarchieebenen im Interesse einer verbesserten Walderhaltung zusammenzubringen. Dies gilt für die Partnership Agreements des UNDP, den Memoranda of Understanding des Iwokrama Center und dem CEO Ad-hoc Forum der Weltbank ebenso wie für die Interagency Task Force on Forests und die Nutzung von UNEP, UNDP und Weltbank als Ausführungsorganisationen der GEF.

D. Zusammenfassende Bewertung

235

Auch das G7-Pilotprograrrun stellt einen Versuch zur Einbindung der unterschiedlichen lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Akteure in Bestrebungen um die Erhaltung der Amazonasregenwälder dar. Die damit bezweckte horizontale und vertikale Vernetzung verschiedener Beteiligter kann zu einem verbesserten Informationstransfer, zur Vermeidung von Überschneidungen sowie zur Bildung politischer Bündnisse im Interesse eines verbesserten Waldschutzes beitragen. 2. Das Problem der wissenschaftlichen Unsicherheiten im Hinblick auf die Auswirkungen der menschlichen Einflüsse auf die Ressource Wald wird im Rahmen der untersuchten Mechanismen größtenteils nicht aufgeworfen. Soweit dies doch geschieht, wird es mit unterschiedlichen Folgen verbunden. Die Politik der Weltbank, die auf dem Vorsorgeprinzip aufbaut, will bestirrunte wirtschaftliche Tätigkeiten in Primärwäldern und ökologisch bedeutenden Wäldern aufgrund der Gefahr irreversibler Schäden einschränken. Andere Instrumente begründen demgegenüber keine Nutzungsbegrenzungen. Sie setzen trotz der zunehmenden Dringlichkeit des Problems auf eine verstärkte Forschung (insbesondere Iwokrama, zum Teil auch das G7-Pilotprograrrun und das UNESCOPrograrrun). Der Ausbau einer ökologisch angemessenen Waldnutzung wird als ein langanhaltender Prozeß bewertet, in dessen Rahmenaufgrund einer ständigen Bewertung aus Fehlern gelernt und eine laufende Verbesserung bisheriger Bewirtschaftungsformen erreicht werden soll (FAO-Richtlinien für die Entwicklung nationaler Waldbewirtschaftungspläne). Betont wird daher vor allem das Erfordernis von "Monitoring"- und Evaluierungsmechanismen (FAO-Richtlinien, Weltbank-Politik, G7-Pilotprograrrun, ansatzweise auch Iwokrama). Das Problem der Unurnkehrbarkeit von ökologischen Schäden an Regenwäldern findet dabei keine nähere Beachtung. 3. Als problematisch ist die Ausgestaltung von Anreizstrukturen im Rahmen der untersuchten Prograrrune anzusehen. Wie die Erfahrungen mit dem TFAP gezeigt haben, reichen günstige Kredite nicht aus, um Umweltschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern voranzutreiben. Aufgrund der Nutzungseinbußen und zusätzlichen Kosten sind die stark verschuldeten Drittweltstaaten kaum zur Ausweitung ihrer Umweltschutzbemühungen bereit bzw. in der Lage. Abgesehen von der GEF, die lediglich die vereinbarten Mehrkosten bereitstellt, fehlt es jedoch an einer hinreichenden Institutionalisierung und "Entpolitisierung" der finanziellen Unterstützung im Interesse einer verbesserten Planungssicherheit Das G7-Pilotprograrrun verdeutlicht dabei, daß die Geberstaaten kaum bereit sind, auf Letztentscheidungsrechte über finanzielle Zuweisungen zu verzichten.

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2. Teil, 3. Kap.: Programme und Projekte zur Erhaltung der Regenwälder

Abgesehen von einer institutionell-technischen Hilfe verfügen die derzeit am Waldschutz beteiligten internationalen Organisationen kaum über eigenständige Mittel zur Unterstützung der Drittweltstaaten. 4. Institutionalisierte Kontrollmechanismen finden sich in den untersuchten Programmen nur in Ansätzen (inoffizielle TFAP-Beratergruppe, internationale Gebertreffen im Rahmen des G7-Pilotprogramrns auf Grundlage der Weltbankbewertungen, International Board of Trustees des Iwokrarna Center). Zwar werden von den internationalen Organisationen interne Bewertungen ihrer Programme durchgeführt. Diese habenjedoch primär das Ziel, die Tätigkeit der Organisation, nicht aber der Staaten zu überprüfen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Inspection Panel der Weltbank, das nichtstaatlichen Akteuren im Nehmerland die Möglichkeit eröffnet, die ordnungsgemäße Projektabwicklung durch die Bank überprüfen zu lassen. Viele der untersuchten Projekte sind allerdings bemüht, Kontrollstrukturen in den Ländern selbst aufzubauen (so im Ansatz das Evaluierungsprojekt und nationale Koordinierungsprogramm des G7-Pilotprograrnms, die nationale Koordinierungsstelle nach den FAO-Leitlinien). 5. Eine Weiterentwicklung der Projekte ist ohne Probleme möglich. Innerhalb der Länder selbst soll sie durch den Aufbau von .,Monitoring"- und Evaluierungsprojekten gefördert werden.

Dritter Teil

Die Tätigkeit internationaler nichtstaatlicher Akteure im Bereich der Regenwalderhaltung: internationale Nichtregierungsorganisationen Im letzten Kapitel wurden die zunehmenden Bemühungen um eine Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in nationale Walderhaltungsmaßnahmen deutlich. Ergänzend soll nunmehr untersucht werden, inwieweit staatlich nicht beeinflußte Akteure auf internationaler Ebene eigenständige Walderhaltungsprojekte durchführen. Die Bewertung beschränkt sich dabei auf waldrelevante Tätigkeiten internationaler NGOs. Andere gegenüber staatlicher Einflußnahme unabhängige Akteure, wie vor allem multinationale Konzerne, haben demgegenüber keine Mechanismen zugunsten eines verbesserten Waldschutzes geschaffen. Entsprechend der Vorgehensweise im 2. Teil soll auch hier untersucht werden, wie die Maßnahmen der NGOs inhaltlich ausgestaltet sind, ob und auf welche Art und Weise ihre Umsetzung kontrolliert wird und wie gegebenenfalls auf Umsetzungsdefizite oder auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse reagiert werden kann. Im Blickpunkt der folgenden Ausführungen stehen dabei Mittel, die eine gewisse lnstitutionalisierung erfahren haben und in ihrer Arbeits- und Wirkungsweise eingeschätzt werden können. Die Untersuchung dient nicht nur dem Ziel, die Erfolgs- und Erfüllungswirksamkeit der NGO-Aktivitäten zu beurteilen. Sie erfolgt auch vor dem Hintergrund der Fragestellung, ob und welche Schlußfolgerungen aus den Erfahrungen mitden bisherigen Waldschutzaktivitäten für die Ausgestaltung zukünftiger Erhaltungsbestrebungen gezogen werden können.

238

3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

A. Vorbemerkung: Die Bedeutung der internationalen Nichtregierungsorganisationen für die internationale Umweltschutzkooperation Gegenwärtig besteht keine allgemein anerkannte Definition für den Begriff der internationalen nichtstaatlichen Organisation 1• Überwiegende Einigkeit herrscht jedoch insoweit, als unter dem Terminus NGO eine nicht durch staatlichen Willensakt gegründete Organisation zu verstehen ist, deren Tätigkeit nicht auf die Maximierung wirtschaftlicher Gewinne zielt2• Als international wird eine derartige Wirkungseinheit dann angesehen, wenn sie infolge des Kreises ihrer Beteiligten oder ihrer Funktion über das Gebiet eines einzelnen Staates hinausgeht3 • NGOs bündeln auf diese Weise gesellschaftliche Kräfte, die Sachbereichen Geltung verschaffen wollen, die zumindest nach Einschätzung ihrer Mitglieder keine angemessene Beachtung von staatlicher Seite erfahren4 . Die erhebliche faktische Bedeutung der Tätigkeit internationaler NGOs für die Entwicklung und Umsetzung des Umweltvölkerrechts ist in der Völkerrechtswissenschaft weitgehend anerkannt5 • NGOs wirken auf verschiedene Weise auf die Agendasetzung und Formulierung internationaler Regelungen ein, kontrollieren öffentlichkeitswirksam das normgemäße Verhalten staatlicher Akteure und unterstützen durch eigene Maßnahmen die Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben6 • Trotz des teilweise nicht unbedeutenden Mißtrauens gegenüber diesen staatlich nicht beeinflußten Gruppierungen7 nimmt die Bereitschaft der Staaten und internationalen Organisationen zur Zusammenarbeit mit NGOs ständig zu. Zurückführen läßt sich dies im wesentlichen auf den andauernden Prozeß der Globalisierung, der sich durch vermehrte Abhängigkeiten und Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften bzw. Staaten der Erde auszeichnet8 • Die Zunahme transnationaler Sachverhalte verringert nach überwiegender Einschätzung die Fähigkeit des Nationalstaates, rechtlich releHüfner, S. 624, Rn. 1. Rechenberg, S. 616; Kimminich/Hobe, S. 149; Gordenker/Weiss, S. 20; Pei-heng, S. 79; Hohe, IJGLS 1 (1997), S. 194. 3 Kimminich/Hobe, S. 149; Rechenberg, S. 616; Gordenker/Weiss, S. 20. 4 Lador-Lederer, ZaöRV 23 (1963), S. 673; Messner, S. 266. 5 Dazu näher: Sands, HIU 30 ( 1989), S. 393 ff. Allgemein zur Rolle der NGOs im Völkerrecht: Gordenker/Weiss, S. 17 ff.; ähnlich bereits Mosler, ZaöRV 22 (1962), S. 3. 6 Näher: Uvin, S. 165 ff. 7 Hüfner, S. 627, Rn. 22; Otto, HRQ18 (1996), S. 128. 8 McGrew, S. 71f.; Delbrück, IJGLS 1 (1993), S. 10 f. 1

2

A. Bedeutung internationaler Nichtregierungsorganisationen

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vantes Verhalten eigenständig zu steuern9 • Auf internationaler Ebene gewinnen damit Akteure an Bedeutung, deren Aktionsgebiet nicht auf das Territorium eines Staates begrenzt ist 10• Diese verfügen über ein gesteigertes Potential zur Beeinflussung grenzüberschreitender Angelegenheiten. Dazu zählen auch die internationalen NGOs. Sowohl die zunehmende Ressourcenknappheit staatlicher Akteure als auch die verstärkte Sachkompetenz der NGOs erlaubt es letzteren, den internationalen Politikformulierungsprozeß immer stärker zu beeinflussen 11 • Die Mitwirkung von Nichtregierungsorganisationen kann dabei zu einer Sachgerechteren Entscheidungsfindung beitragen 12 • Da NGOs den internationalen Meinungsbildungsprozeß für die Weltöffentlichkeit transparent und einer Kontrolle zugänglich machen, fördern sie mit ihrer Arbeit die Legitimität von Entscheidungen 13 • Trotz der anerkannten Bedeutung der internationalen NGOs für die Entwicklung und Umsetzung umweltvölkerrechtlicher Regelungen soll ihnen nach der noch überwiegenden Ansicht des völkerrechtlichen Schrifttums keine Rechtsfähigkeit zukommen 14• Da sie ihre Existenz nicht vom primären Völkerrechtssubjekt "Staat" ableiteten, habe man ihnen keine völkerrechtsunmittelbaren Rechte oder Pflichten zugewiesen, die eine Rechtssubjektivität begründeten 15 • Auch die Mitwirkungsrechte, die NGOs aus der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen erwachsen, sollen als Regelungen des internen Organisationsrechts nicht zur Begründung einer Rechtspersönlichkeit ausreichen 16 . 9 McGrew, S. 84; Falk, YIEL 6 (1995), S. 4 f.; Schmidt/Take, S. 310 f. Die Folgen der Globalisierung auf die Regelungsfähigkeit des Staates werden unterschiedlich beurteilt. Eine zusammenfassende Aufstellung der verschiedenen Theorien findet sich bei Be mauer, VN 1997, S. 50. 10 Schmidt/Take, S. 316; Obster, Comparativ 1997, Heft 4, S. 72. 11 Domini, S . 85; Nölke, Comparativ 1997, Heft 4, S . 22, 24; Ferauru, 10 28 (1974), S. 42 f.; Morphet, S. 141. 12 Morphet, S. 133.

13 Schmidt/Take, S. 311 ff.; Messner, S. 265; ansatzweise auch Nölke, Comparativ 1997, Heft 4, S. 24. 14 lpsen/Epping, S. 79, § 6, Rn. 20; Verdross/Simma, § 446; Rechenberg, S. 617; kritisch zu dieser Bewertung: Sands, HIU 30 (1989), S. 397, 412. A. A. Hohe, IJGLS 5 (1997), S. 206; ders., AVR 37 (1999), S. 172; eingeschränkt Seidl-Hohenveldern!Stein, S. 162, Rn. 805. IS Verdross/Simma, § 379. Vgl. auch Sands, HIU 30 (1989), S. 412. 16 So ausdrücklich Rechenberg, S. 617; anders hingegen Mosler, ZaöRV 22 (1962), S. 45, der insoweit von einer Rechtspersönlichkeit sekundären Rechts spricht; ähnlich Strupp/Schlochauer/Kaiser, S. 612, die aus den Mitwirkungsrechten eine "gewisse Art" von Völkerrechtssubjektivität ableiten wollen.

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

Eine eingehende Auseinandersetzung einer derartigen Ansicht kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Festzustellen bleibt aber, daß die Ablehnung einer Rechtssubjektivität von NGOs letztlich dazu führt, daß sich die Realitäten des internationalen Systems, in dessen Rahmen die Bedeutung derartiger Akteure anerkannt ist, nicht im Völkerrecht als die sie regelnde Rechtsordnung wiederfinden17 •

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung I. "Debt-for-nature swaps" 1. Inhalt und Wirkungsweise Um gleichzeitig einen Beitrag zum verbesserten Schutz der natürlichen Ressourcen in Entwicklungsländern und zum Abbau der Auslandsverschuldung von Drittweltstaaten zu leisten, wurde von internationalen Nichtregierungsorganisationen das Instrument der "debt-for-nature swaps" entwickelt 18 • Der bisherige Allwendungsbereich der "swaps" liegt dabei auf Bemühungen um die Erhaltung tropischer Regenwälder 19 • Hier steht der flächenmäßige und qualitative Ausbau von Nationalparks in ökologisch bedeutenden Gebieten im Vordergrund20 • "Debt-for-nature swaps" stellen einen handelsorientierten Mechanismus dar. Dieser ist eng mit der Existenz des sogenannten Sekundärmarktes für Schulden verknüpft, der als Folge der internationalen Schuldenkrise seit Ende der 70er/AnSo auch die Kritik von Sands, HIU 30 (1989), S. 401. Die Idee zur Durchführung der "swaps" geht wesentlich auf den Tropenökologen und wissenschaftlichen Vizepräsidenten des World Wildlife Fund (WWF), Dr. Thomas Lovejoy, zurück. In einem Artikel in der New York Times (Aid Debt or Nations' Ecology, New York Times vom 4. Oktober 1984, A 31) schlug er vor, die Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen in Schuldnerländern durch den Abbau von Auslandsschulden zu ermöglichen. Während dieser Vorschlag von staatlicher Seite zunächst nicht aufgegriffen wurde, bemühten sich verschiedene NGOs um seine Umsetzung. Heute werden "swaps" vor allem vom WWF, Conservation International (Cl) und The Nature Conservancy (TNC) durchgeführt. 19 Heep, GYIL 37 (1994), S. 422. 20 So bereits Gibson!Curtis, CJTI... 28 (1990), S. 334, für die allgemeine Tauschpraxis bis Ende der 80er Jahre. Diese Bewertung läßt sich bis heute aufrechterhalten; vgl. dazu die Beschreibung des Inhalts der bis 1994 vorgenommenen "swaps" bei Kloss, Tab. 108.1-108.4, die Hintergrundinformationen von CI, The Debt-for-Nature Exchange, Washington 1991 , S. 13 ff., 43 ff., sowie Cl, Ten Years ofDebt-for-Nature Swaps 1987-1997. 17

18

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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fang der 80er Jahre entstand21 • Als viele Entwicklungsländer ihre Verpflichtungen aus Kreditverträgen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr erfüllen konnten, versuchten insbesondere private Geschäftsbanken, sich aus Vereinbarungen mit Drittweltstaaten zurückzuziehen. Sie boten ihre Kreditforderungen Dritten zum Kauf an. Dadurch bildete sich ein Sekundärmarkt für Schuldentitel, auf dem diese entsprechend der geringen Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Rückzahlung der Kreditsumme unterhalb ihres Nennwertes gehandelt werden22• Im Rahmen eines "swap" erwirbt eine internationale NGO nach vorheriger Absprache mit dem Schuldnerland einen solchen Titel und läßt ihn vom Schuldner in Bargeld oder Schuldverschreibungen in Inlandswährung umwandeln. Nachdem das betreffende Land den Schuldentitel in seiner eigenen Währung ausgezahlt hat, werden die bereitgestellten Mittel zur Finanzierung von Umweltschutzprojekten in seinem Territorium verwendet. Die Planung und Realisierung der Projekte liegt dabei typischerweise ganz oder zumindest teilweise in den Händen einer regionalen bzw. lokalen NG023• Die Durchführung eines "swap" ist für alle Beteiligten mit Kooperationsgewinnen verbunden. "Swaps" geben Entwicklungsländern die Möglichkeit, durch die Umwandlung der externen Schuld in Verpflichtungen in innerstaatlicher Landeswährung zum Abbau ihrer Auslandsverschuldung beizutragen24 • Sie erleichtern dabei die Erfüllung der Zahlungspflicht, da die zur Schuldentilgung notwendigen Mittel nicht mehr in "teuren" Devisen, sondern in innerstaatlicher Währung aufzubringen sind25 • Ein zusätzlicher V orteil aus der Beteiligung am Schuldentauschmechanismus ergibt sich dann, wenn die von der NGO auf dem Sekundärmarkt erzielten Preisabschläge an das Schuldnerland weitergegeben werden26 • De facto führt ein Umtausch unter derartigen Konditionen zu einem Schuldenerlaß27 , der den wirtschaftlichen Handlungsspielraum des Entwicklungslandes erweitert. In der bisherigen Tauschpraxis ist es allerdings nur be-

Bedarff!Holznagel/Jakobeit, VRÜ 22 (1989), S. 446. Kloss, S. 81, 83; Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 89 f.; Bedarff!Holznagel/Jakobeit, VRÜ 22 (1989), S. 446. 23 Näher zum Verfahren: Kloss, S. 90 ff.; Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 335-354; Dogse/Hadley, S. 5; sowie das Fallbeispiel bei Heep, GYIL 37 (1994), S. 428. 24 Dogse/Hadley, S. 6; ähnlich Heep, GYIL 37 (1994), S. 429. 25 Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 336; Bedarff!Holznagel/Jacobeit, VRÜ 22 (1989), S. 447. 26 Dogse/Hadley, S. 6. 27 Kloss, S. 93. 21

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16 Krohn

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

grenzt zu derartigen Erlassen gekornrnen28 . Aber selbst dann, wenn der "swap" lediglich zu einer "Umbuchung" der Schuld führt, hat er für das Schuldnerland einen weiteren Vorteil. Es muß finanzielle Ressourcen nicht mehr an ausländische Gläubiger abführen, sondern kann sie im eigenen Land in die Erhaltung natürlicher Ressourcen investieren 29 • Für die internationale NGO läßt sich über den Tauschmechanismus das Finanzvolumen für Umweltschutzprojekte steigern30 • Im Vergleich zu einer Direktinvestition in Ressourcenschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern kann durch die Ausnutzung der Gewinnspanne zwischen Kaufpreis und Einlösepreis des Schuldentitels bei einem gleichem Investitionsvolumen ein höherer Finanzbeitrag erzielt werden. NGOs werden daher ein Interesse haben, die auf dem Sekundärmarkt erzielten Preisabschläge zumindest nicht vollständig an das Entwicklungsland weiterzugeben. Für die lokalen oder regionalen NGOs im Staat ist eine Teilnahme an den Tauschgeschäften schließlich mit einer Verbesserung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit verbunden31 • Hinzu kommt vielfach eine administrative und technische Unterstützung von seiten des internationalen "Kollegen" 32 • Insbesondere dann, wenn die innerstaatliche NGO bei den Tauschverhandlungen als Verhandlungspartner der staatlichen Gremien auftritt, können "swaps" ihre Einflußmöglichkeiten und ihre politische Bedeutung im Staat verstärken 33. Die konkreten Rechtsbeziehungen, die bei der Abwicklung der "swaps" entstehen, hängen vomjeweiligen Einzelfall ab. Häufig stehen sich internationale NGO und Schuldnerland nicht direkt gegenüber. Die Tauschkonditionen werden vielmehr von der innerstaatlichen NGO und Vertretern des Schuldnerstaates festgelegt 34 • In einer zweiten Vereinbarung sichert die internationale NGO dann 28 Die Tauschgeschäfte zwischen den Jahren 1987 und 1997 erfolgten in etwa 50 % der Fälle unter Zugrundelegung des Nennwerts der Schuldentitel, in weiteren 20 % der Transaktionen entsprach der eingelöste Kapitalwert über 80% der ursprünglichen Kreditsumme. Die Berechnungsdaten wurden einer Auflistung von CI (Debt-for-Nature Swaps - Exchanges to Date) zur bisherigen Praxis entnommen. 29 Kloss, S. 100 f.; Dogse/Hadley, S. 6. 3° Kloss, S. 95; Dogse/Hadley, S. 8; Gibson/Curtis, CJ1L 28 (1990), S. 336; Heep, GYIL 37 (1994), S. 429; ähnlich auch Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 92. 31 Malins, Law and Policy in International Business 22 ( 1991 ), S. 139; Heep, GYIL 37 (1994), S. 430; Kloss, S. 98. 32 Kloss, S. 105. 33 Heep, GYIL 37 (1994), S. 430; Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 92. 34 So zum Beispiel im Rahmen des Costa Rican Debt-for-Nature Agreement vom 27. Oktober 1987 zwischen der Zentralbank von Costa Rica, dem Ministerium für Industrie,

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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ihrem innerstaatlichen "Kollegen" den Erwerb und Transfer des Schuldentitels bzw. der in Inlandswährung umgewandelten Summe zu 35 . Wie bereits angedeutet, werden im Rahmen dieses Vertrages Vorgaben zur technischen und administrativen Unterstützung sowie bestimmte Mitwirkungs- und Kontrollrechte festgelegt36. Verschiedene Abreden sind allerdings unmittelbar zwischen der internationalen NGO und dem betreffenden Schuldnerland zustande gekommen 37 • Hier stellt sich die Frage nach einer Zuweisung völkerrechtsunmittelbarer Rechte bzw. Pflichten an die internationale NGO und einer Zuordnung der Verträge zum Völkerrecht. Eine Einbeziehung der Vereinbarungen in das internationale Recht setzt jedenfalls voraus, daß sie internationalisiert, also einer einseitigen Beherrschung durch das nationale Recht des Schuldnerstaates entzogen sind38 . Soweit ersichtlich, finden Energie und Bergbau, der NGO National Parks Foundation und der costaricanischen Genossenschaftsbank Bankcoop. Die Vereinbarung legte nähere Konditionen für einen Schuldentausch fest und enthielt Vorgaben für die Einrichtung und Verwaltung eines Umweltschutzfonds, der aus den in Inlandswährung umgewandelten Schuldtiteln zu finanzieren war (Der Vertragstext ist über CI zu erhalten.). Eine etwas anders gelagerte Rechtsgestaltung wird bei den "swaps" Ende der 80er Jahre in Ecuador deutlich. Hier wurde der NGO Fundaci6n Natura durch Entscheidung des zuständigen Zentralbankorgans (Monetary Board, Res. No. JM-259-FN vom 8. Oktober 1987; zit. nach Gibson/Curtis, CITL 28 (1990), S. 360) das Recht eingeräumt, ausländische Schuldentitel in Inlandswährung einzutauschen. Der Gegenwert sollte in Form von Anleihen zur Finanzierung von Umweltschutzprojekten bereitgestellt werden. 35 So z. B. § I des Debt-for-Nature Agreement World Wildlife Fund U. S.- Fundaci6n Natura vom 14. Dezember 1987 (zit. nach Gibson/Curtis, CJTI.. 28 (1990), S. 361, Fn. I). 36 So z. B. in§ 2 (b) des Debt-for-Nature Agreement WWF U. S.- Fundaci6n Natura (zur Fundstelle siehe die vorherige Fn.). Danach mußte vor einer Entscheidung über die Finanzierung von Projekten durch Fundaci6n Natura eine Konsultation mit dem WWF erfolgen. 37 So z. B. das Agreement between the Government ofBolivia and Conservation International vom 13. Juli 1987 (zit. nach Gibson/Curtis, CITL 28 (1990), S. 355, Fn. 110). Nach einer Hintergrundinformation von CI, The Debt-for-Nature Exchange, S. 43 f., wurden weitere "debt-for-nature swaps" direkt zwischen internationalen NGOs und Vertretern des Schuldnerlandes geschlossen, so z. B. eine Vereinbarung zwischen WWF International und der Zentralbank von Sambia vom 15. August 1989, ein Vertrag zwischen CI und der Zentralbank von Madagaskar vom Mai 1990 (ohne Tagesangabe), eine Vereinbarung zwischen CI und der Regierung von Mexiko vom Februar 1991 (ohne Tagesangabe). Teilweise liegen auch Verträge zwischen Schuldnerland, nationaler und internationaler NGO vor, so. z. B. das Debt-for-Nature Agreement between WWF U. S., the Department ofEnvironment and Natural Resources ofthe Republic ofthe Philippines, and the Haribon Foundation vom 24. Juni 1988 (zit. nach CI, The Debt-for-Nature Exchange, S. 17). 38 V gl. Wildhaber, Multinationale Unternehmen, S. 38; Böckstiegel, S. 310, im Zusammenhang mit der Parallelproblematik bei Vereinbarungen zwischen Staaten und multinationalen Unternehmen. 16*

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

sich in den betreffenden "Swap"-Verträgen keine Aussagen über die Anwendung international-rechtlicher Prinzipien. Ebensowenig enthalten sie Mechanismen, wie insbesondere Schiedsgerichtsklauseln, die auf eine Internationalisierung der Verträge schließen lassen39. Einer internationalen NGO steht somit im Fall der Nichterfüllung von Vertragsvorgaben durch den Schuldnerstaat kein Rechtsbehelf zu40, der eine Durchsetzung der Regelungen auch gegen den Willen des Staates ermöglicht. Eine Gleichrangigkeit von NGO und staatlichem Akteur liegt nicht vor. Die "Swap"-Vereinbarungen können bereits aus diesem Grund nicht dem Völkerrecht zugeordnet werden. Obwohl es an einer rechtlichen Gleichstufigkeit der Beteiligten fehlt, lassen sich "swaps" als Beispiel für eine zunehmende Bereitschaft der Staaten zur partnerschaftliehen Kooperation mit internationalen Nichtregierungsorganisation werten. Insgesamt bilden "debt-for-nature swaps" einen Mechanismus, der verschiedene Akteure auf unterschiedlichen Ebenen einbezieht. Er erlaubt internationalen NGOs mit ihren Maßnahmen bis auf die lokale bzw. regionale Ebene durchzugreifen und Umweltschutzaktivitäten in die Hände derjenigen zu legen, die ein besonderes Interesse an der Erhaltung natürlicher Ressourcen haben und denen die besonderen Umstände vor Ort bekannt sind. "Swaps" tragen auf diese Weise zum Ausbau vertikaler Kooperationsstrukturen bei.

2. Vollzugsdefizite Gegenüber einer unmittelbaren Finanzierung lokaler Projekte ist die Projektförderung mit Hilfe der "swaps" theoretisch anfälliger für Vollzugsdefizite. Ob die Mittel für Umweltschutzmaßnahmen tatsächlich bereitgestellt werden, hängt nämlich zusätzlich davon ab, ob der Schuldnerstaat seinen Verpflichtungen aus dem "Swap"Vertrag nachkommt. Wie bereits hervorgehoben, können NGOs bei mangelnder Vertragsumsetzung keine Rechtsbehelfe in Anspruch nehmen, die den Schuldnerstaat zum Vollzug der Vereinbarungen zwingen könnten. Dieser Mangel an Durch-

39 So auch Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 342. Damit unterscheiden sich die "Swap"-Abreden wesentlich von den Verträgen zwischen multinationalen Unternehmen und Staaten, die au~ Gründen des Investitionsschutzes internationalisiert sind. Auf diese Weise soll verhindert werden, daß der betreffende Staat über eine Änderung seiner Rechtsordnung einseitig auf den Vertragsinhalt einwirkt. Für die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern wird vielfach die Möglichkeit einer Anrufung international besetzter Schiedsgerichte eingeräumt. 40 Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 358; Kloss, S. 135, 148.

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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setzungsinstrumenten zugunsten der internationalen NGOs wird im einschlägigen Schrifttum als erheblicher Nachteil der "Swap"-Konstruktion angesehen41 • Diese Bedenken werden vor dem Hintergrund geltend gemacht, daß souveränitätsrechtliche und währungspolitische Vorbehalte die Bereitschaft bzw. Fähigkeit der Entwicklungsländer zur Umsetzung der Vereinbarungen beeinträchtigen können. So haben Entwicklungsländer "swaps" teilweise als einen Versuch von seiten ausländischer Akteure gewertet, die Kontrolle über natürliche Ressourcen im Land zu erlangen42 • Der Gedanke eines Schuldentausches für Umweltschutz wurde als unvereinbar mit dem staatlichen Souveränitätsrecht angesehen43 • Ein derartiger Vorwurf erscheint kaum gerechtfertigt, wenn man bedenkt, daß die Naturgüter der Entscheidungsgewalt des betreffenden Staates nicht entzogen werden und die Beteiligung am Schuldentausch der freien Entscheidung des jeweiligen Landes überlassen bleibt44 • Stärkere Bedenken gegen die "swaps" ergeben sich hingegen aus wirtschaftspolitischer Sicht. Die Bereitstellung der Gelder in Landeswährung zur Erfüllung der Verpflichtung aus der Tauschvereinbarung kann die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöhen und damit eine Geldwertinflation begünstigen45 • Um dieser Gefahr zu begegnen, sehen die Tauschverträge zwar vielfach eine Umwandlung der Auslandsschulden in verzinsliche Anleihen vor, die in Teilbeträgen und über längere Zeiträume hinweg fällig werden46 . Einer solchen Vertragsgestaltung sind jedoch Grenzen gesetzt, wenn Mittel zur Finanzierung von Umweltschutzprojekten kurzfristig benötigt werden47 • Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 342; Amelung/Thiele/Wiebelt, S. 24. Heep, GYIL 37 (1994), S. 431. CI, The Debt-for-Nature Exchange, S. 18; Bedarffl Holznagel/Jacobeit, VRÜ 22 (198), S. 453 f., am Beispiel Brasiliens. 43 Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 153 ff.; Heep, GYIL 37 (1994), s. 431. 44 Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 93; Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 154; Obemdörfer, S. 23; Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 344. NachKloss, S. 180, und Bedarff!Holznagel/Jacobeit, VRÜ 22 (1989), S. 453, wird diese Diskussion auch von Bedenken gegenüber der Legitimität der Auslandsschulden geprägt. So machen viele Entwicklungsländer geltend, daß ihre zunehmende Verschuldung auf eine Veränderung der weltwirtschaftliehen Rahmenbedingungen zurückzuführen sei und nicht auf eigenem Verschulden beruhe. Die Kreditsummen seien überdies durch die unverhältnismäßig hohen Zinssätze der Leitwährungen längst zurückgezahlt worden. 45 Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 92 f.; Bedarff/Holznagel/Jacobeit, VRÜ 22 (1989), S. 455; Amelung/Thiele/Wiebelt, S. 23; Dogse/Hadley, S. 6; Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), s. 350. 46 Nach Cl, The Debt-for-Nature Exchange, S. 15 f., 43 f. , geschah dies z. B. im Rahmen der "swaps" mit Ecuador und Costa Rica. 47 Nach den Bewertungen von Kloss, S. 173 f., Johnston, RECIEL 3 ( 1994), S. 91 f., Dogse/Hadley, S. 7, und Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), 41

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

Soweit ersichtlich, ist es trotz der aufgeführten theoretischenVorbehalte gegen "swaps" in der bisherigen Praxis nicht zu wesentlichen Vertragsverletzungen gekommen. Eine Ausnahme bildet lediglich der Schuldentausch zwischen der NGO Conservation International (Cl) und der Regierung Boliviens aus dem Jahr 1987. Auf Grundlage des "swaps" sollte ein Fonds für die angemessene Verwaltung eines Biosphärenreservates gebildet werden. Gleichzeitig verpflichtete sich Bolivien, den legislativen Schutzstandard des Reservates zu erhöhen48 • Die Mittel für die Umweltschutzmaßnahmen wurden erst nach einer erheblichen zeitlichen Verzögerung bereitgestellt49 . An der Verstärkung des Schutzstandards des Reservates fehlt es, soweit ersichtlich, bis heute. Die Ursachen für diese Umsetzungsdefizite liegen nicht nur in der ökonomischen Instabilität Boliviens begründet, sondern sind auch auf verstärkte politische Widerstände gegenüber dem Schuldentausch zurückzuführen50. Da es sich bei dem "Swap"-Mechanismus um den ersten seiner Art handelte, wurde er von Teilen der Bevölkerung dahingehend verstanden, als wollten ausländische Akteure die nationalen Ressourcen des Landes aufkaufen. Die Zurückweisung des Konzepts unter starker Betonung souveräner Rechte ließ sich erst durch die Öffentlichkeitsarbeit der bolivianischen NGOs abschwächen. CI selbst hatte es dabei versäumt, die lokale Bevölkerung in die Planung der Schutz- und Nutzungskonzepte einzubeziehen51 • Die NGO konnte damit zunächst keine Kräfte mobilisieren, die vor Ort zu einer stärkeren Akzeptanz des Konzepts hätten beitragen können. Dieses Beispiel zeigt, daß die Einbeziehung der lokalen NGOs bzw. der Bevölkerung vor Ort eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der Schuldentauschvereinbarungen bildet. Die Teilnahme derartiger Gruppen kann die tatsächliche Durchführung der Abreden allein zwar nicht garantieren. Sofern ein "Swap"S. 143 f., soll die inflatorische Wirkung der bisher vereinbarten "swaps" als gering einzustufen sein. NGO-"swaps" hätten bis dato nicht das notwendige Finanzvolumen erreicht, um einen bedeutenden Geldwertverfall auslösen zu können. 48 Konkret sah die "Swap"-Vereinbarung vor, daß CI einen Schuldentitel Boliviens i. H. v. 650.000 US-Dollar aufkauft und dem Land die Schuld erläßt. Im Gegenzug sollte Bolivien einen Umweltschutzfonds i. H. v. 250.000 US-Dollar in Landeswährung einrichten, den rechtlichen Schutz des Reservatsgebietes ausbauen und angrenzende Gebiete als Pufferzone für die Erhaltung des Reservats einrichten. CI verpflichtete sich dabei zur wissenschaftlichen, technischen und administrativen Hilfe. Näher zum Vertrag: Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 354 ff.; Kloss, S. 111 ff. 49 Dies soll nach Einschätzung von CI zu einem Zinsverlust von ca. 60.000 US-Dollar geführt haben; vgl. Kloss, S. III f. 5 Kloss, S. III f. ; Gibson/Curtis, CJTL 28 (1991), S. 356, hinsichtlich der Befürchtungen eines Aufkaufs natürlicher Ressourcen. 51 Kloss, S. 115.

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B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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Konzept jedoch Akzeptanz bei lokal ansässigen Akteuren findet, läßt sich die Umsetzung vor Ort besser kontrollieren und bei Implementationsdefiziten über die horizontale Vernetzung eine gegebenenfalls auch internationale Öffentlichkeit aufbauen. Diese kann wesentlich dazu beitragen, daß die Vereinbarungen von seitender staatlichen Gremien erfüllt werden52 • Über die Mitwirkung innerstaatlicher Organisationen bei Planung und Durchführung der Projekte läßt sich auch der Vorwurf einer unzulässigen Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates abmildern und die politische Akzeptanz gegenüber dem Schuldentausch erhöhen53•

3. Die Bedeutung der "swaps" als Instrumente zur Erhaltung der Regenwälder

Obwohl die "debt-for-nature swaps" der NGOs zu einer quantitativen und qualitativen Verbesserung von Umweltschutzbemühungen beitragen können, ist ihr Potential zur Erhaltung der Regenwälder gering. Die nichtstaatlichen Organisationen verfügen nicht über ausreichende Mittel, um ein großräumiges Erhaltungskonzept und einen umfangreichen Abbau der Auslandsverschuldung realisieren zu können54 . Mit Hilfe der NGO-"swaps" konnten bis 1997 etwa 100 Mio. US-Dollar für Umweltschutzmaßnahmen bereitgestellt und ein Abbau des Schuldenvolumens von etwa 106 Mio. US-Dollar Nominalwert erzielt werden55• Diese Summen erscheinen vor dem Hintergrund des geschätzten Bedarfs von jährlich 31,25 Milliarden US-Dollar für die Umsetzung des Kapitels 11 der

52 Ebenso Heep, GYIL 37 (1994), S. 434; Bedarff/Holznagel/Jacobeit, VRÜ 22 (1989), S. 456; im Ansatz Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 148 f. Auch CI hebt die Bedeutung der NGOs als Garant für die Umsetzung der Verpflichtungen hervor: "Legal documentation may discouragesuch breaches ... , but the best-protected debt-for-nature swaps are those that are supported by a local and international constituency that would protest loudly at any breach ofthe debt-for-nature agreement"; CI, The Debt-forNature Exchange, S. 29. 53 CI, The Debt-for-Nature Exchange, S. 19; Heep, GYIL 37 (1994), S. 434; Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 155; Gibson/Curtis, CITL 28 (1990), s. 356. 54 Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 148; Oberndörfer, S. 36 f.; Amelung/Thiele/Wiebelt, S. 23. 55 Über den finanziellen Umfang der bisherigen "swaps" finden sich keine eindeutigen Angaben. Die im Text aufgeführten Beträge wurden aus einer Zusammenstellung sämtlicher "swaps" zwischen den Jahren 1987 und 1997 von CI (Debt-for-Nature Swaps, Exchanges to Date) entnommen.

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

Agenda 21 56 und einer Auslandsverschuldung der Drittweltstaaten von über 1. 770 Mrd. US-Dollar57 marginal. Allerdings ist es NGOs gelungen, den Tauschmechanismus auf die internationale Agenda zu setzen. Er wurde vonseitenverschiedener staatlicher Akteure aufgegriffen und in bi- sowie multilaterale Entschuldungsinitiativen einbezogen58 • Einige Staaten haben es NGOs überdies ermöglicht, bilaterale öffentliche Schulden für "swaps" zu nutzen59• Soweit ersichtlich, sind Entwicklungsbanken bisher noch nicht mit eigenen Schuldentiteln an Tauschgeschäften beteiligt60• 56 Vorläufige Berechnungen des UNCED-Sekretariats, vgl. die Ziffern 11.7, 11 .17, 11.26 und 11.35 der Agenda 21. 57 Vgl. Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 93. 58 Zu diesen Initiativen: Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 90 f.; Kloss, S. 196 f. , sowie das Hintergundpapier von Cl (The Greening of International Finance: 10 Years of Debt-forNature Swaps). Besonders bedeutend sind die Richtlinien des Pariser Clubs zur Neuverhandlung, Stundung oder zum Erlaß von Schulden der Entwicklungsländer. Dieser Ad-hocZusammenschluß von Gläubigerstaaten, insbesondere OECD-Ländem, legt Vorgaben fest, die ein koordiniertes Vorgehen in Fragen der Entschuldung ermöglichen sollen. Seit 1990 werden dabei ,.swap-clauses" zugelassen, die es Regierungen erlauben, bis zu bestimmten Höchstbeträgen Programme für Schuldenumwandlungen durchzuführen. Bilaterale Schuldentitel werden auf diese Weise auch einem Erwerb durch NGOs zugänglich. Eine einzelstaatliche Initative stellt die sogenannte ,,Enterprise-of-the-Americas"-Strategie der USA dar. Sie wurde 1990 geschaffen und richtet sich an lateinamerikanische und karibische Staaten. Unter näher bestimmten Voraussetzungen, die vor allem die wirtschaftliche und politische Struktur des Schuldnerlandes betreffen, kann ein Darlehensvertrag zu günstigeren Konditionen neuverhandelt werden. Dabei sind die Zinsen für die Schuld in Inlandswährung in einen Umweltschutzfonds im Land zu zahlen. Bei dieser Initiative handelt es sich um ein stark politisiertes Verfahren, das für jeden ,.swap" eine Bewilligung durch den U. S. Congress vorsieht. Nach einem Hintergrundpapier von CI, The Greening of International Finance: 10 Years of Debt-for-Nature Swaps, S. 4, sind seit 1994 keine Bewilligungen mehr erfolgt. Allerdings sei 1998 der Tropical Rainforest Concervation Act in Kraft getreten, der weitere Entschuldungsmöglichkeiten zugunsten eines verbesserten Regenwaldschutzes vorsehe. 59 So wurde beispielsweise der "swap" zwischen Madagaskar und dem WWF U. S. im August 1989 durch die Bereitstellung einer Summe von 1 Mio. US-Dollar vonseitender U. S. Agency for International Deve1opment ermöglicht; vgl. Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 140 f. 60 Insbesondere vonseitender Weltbank wird gegen eine Teilnahme an "swaps" geltend gemacht, daß die Satzung der Bank keine Schuldenerlasse vorsehe und eine Niederschlagung von Forderungen die eigene Kreditrate der Bank auf dem Finanzmarkt beeinträchtigen könne. Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 386, weisen allerdings darauf hin, daß nach Art. 4 Abs. 4 (c) des Weltbankstatuts bei Zahlungsschwierigkeiten eines Landes gewisse Flexibilisierungsmöglichkeiten im Rahmen der Rückzahlungmodalitäten bestehen. Diese könnten auch für die Durchführung von "swaps" genutzt werden. Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 148, sieht die Sorge um eine Verschlechterung der

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Ohne Einbeziehung öffentlicher Schulden dürfte dem Schuldentauschinstrument in Zukunft nur noch eine begrenzte Wirkung zukommen61 • Die Nutzung ausschließlich privater Schuldentitel für "swaps" hängt wesentlich davon ab, ob und in welchem Umfang Entwicklungsländer Kredite bei privaten Geschäftsbanken aufgenommen haben und zu welchen Konditionen diese auf dem Markt angeboten werden62 • Insgesamt halten Privatbanken nur etwa 23 % der längerfristigen Kredite der Drittweltländer63 • Die teilweise Verbesserung der wirtschaftlichen Situation einiger Entwicklungsländer durch verschiedene internationale Entschuldunginitiativen64 hat überdies zu einer Preissteigerung ihrer Schuldentitel auf dem Sekundärmarkt geführt65 • Für die wirtschaftlich nur begrenzt leistungsfähigen NGOs sind sie damit nur noch eingeschränkt finanzierbar. Doch auch die Ausweitung des "Swap"-Mechanismus auf staatliche Akteure oder internationale Entwicklungshilfebanken steht vor Problemen. Hier werden sich größere währungspolitische und souveränitätsrechtliche Bedenken ergeben als bei den privat initiierten und in ihrem Finanzumfang begrenzten NGO-"swaps". Zusätzlich sind wirtschaftswissenschaftliche Erwägungen zu beachten. Der Gedanke des Schuldentausches gegen Umweltschutz wird vielfach mit dem Ansatz gerechtfertigt, daß gerade die hohe Auslandsverschuldung die Staaten der Dritten Welt zum Raubbau an ihren Naturgütern zwinge66 • EmpirischeUntersuchungen im Kreditrate der Weltbank als unbegründet an, da "swaps" nicht zu einem Verlust des Vertrauens in die Fähigkeit der Bank, ihre Kredite zurückzuzahlen, führen würden. 61 Resor, Unasylva 48 (1997), Issue 188, S. 21. Nach der "Swap"-Übersicht von CI (Debt for Nature Swaps- Exchanges to Date) hat die Zahl der "swaps" seit Beginn der 90er Jahre abgenommen. 62 Bedenken der Banken resultieren teilweise aus der Befürchtung, daß die Veräußerung unter Nennwert den Restbestand der noch vorhandenen Bankforderungen ,,kontaminieren" könnte. Die Banken wären dann gezwungen, die noch verbliebenen Schuldentitel zu Lasten ihres eigenen Bilanzausgleiches abzuwerten; vgl. Obemdörfer, S. 26, Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 336 f. Ferner sei nicht auszuschließen, daß die Bereitschaft der Banken zur Mitwirkung an "swaps" die Zahlungsmoral der Schuldnerländer hinsichtlich der noch ausstehenden Forderungen verschlechtere; vgl. Dogse!Hadley, S. 10. 63 Johnson, RECIEL 3 (1994), S. 89 f. CI, The Debt-for-Nature Exchange, S. 24, Fn. 13, spricht davon, daß etwa 80% aller lateinamerikanischen Schuldentitel in den Händen privater Geschäftsbanken liegen. Im Gegensatz dazu würden 80 % der Schuldentitel der Subsaharastaaten von Einzelstaaten oder multilateralen Institutionen (Entwicklungsshilfebanken) gehalten. 64 Dazu näher: Kloss, S. 42 ff.; Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 94. 6 ~ Johnston, RECIEL 3 (1994), S. 94. 66 So CI, The Debt-for-Nature Exchange, S. 12; Dogse/Hadley, S. 1; Malins, Law & Policy in International Business 22 (1991), S. 133, 138; Gibson/Curtis, CJTL 28 (1990), S. 333; Heep, GYIL 37 (1994), S. 426 f.

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

Kontext der Walderhaltungsbestrebungen haben jedoch keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Tropenwaldrodung nachweisen können67 . Soweit die "swaps" zu einer Reduzierung der Auslandsverschuldung führen, wird vielmehr befürchtet, daß von ihnen auch negative Auswirkungen auf die Umwelt ausgehen können. So sei nicht auszuschließen, daß die Staaten die finanzielle Handlungsfreiheit, die ihnen über den "Swap"Mechanismus zuteil werde, zugunsten des Ausbaus einer ökologisch belastenden Ressourcenbewirtschaftung nutzen68 . Gerade dann, wenn Erlöse aus der Ausbeutung von Naturgütern nicht mehr für den Schuldendienst genutzt werden müssen, sondern der inländischen Verwendung zugute kommen, könne sich der Investitionsanreiz in gewinnbringende, aber umweltschädigende Vorhaben vergrößern69. Diese Kritik zeigt, daß "debt-for-nature swaps" eine Verbesserung von Umweltstandards außerhalb eines Gesamtkonzepts zum Schutz natürlicher Ressourcen nicht hinreichend sicherstellen können70. Dazu bedarf es einer weitergehenden Umweltschutzstrategie, die weder von den NGOs allein noch vonseiteneinzelner Gläubigerstaaten realisiert werden kann.

II. Forest Alliance WWF-Weltbank Im Gegensatz zu allen bisher dargestellten Instrumenten verfolgt die Forest Alliance zwischen dem World Wildlife Fund (WWF) und der Weltbank eine konkrete Zielvorgabe. Sie will bewirken, daß bis zum Jahr 2005 ein zusätzliches Areal von 200 Mio. ha Wald unter zertifizierte nachhaltige Bewirtschaftung (davon je 100 Mio. haintropischen und außertropischen Wäldern) und weitere 50 Mio. ha Waldgebiet unter Schutz gestellt werden71 . Die Allianz will ferner Vollzugsdefizite bei existierenden Schutzgebietskonzepten in Entwicklungsländern bekämpfen72 • 67 Vgl. Amelung, S. 124. 68 Hansen, S. 5. 69 Kloss, S. 86 f. 70 Amelung/Thiele/Wiebelt, S. 22; Wiebelt, Revista de Economica e Sociologia Rural,

Vol. 36 (1998), S. 43; im Ansatz auch Kloss, S. 152. 71 World Bank/WWF Alliance Mission Statement for Forest Conservation and Sustainable Use vom 17. August 1998 (abgedruckt in World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Annual Report 1999, S. 3). Die Stellungnahme ist als "Gründungsvereinbarung" der Allianz anzusehen. 72 Ebenda.

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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Die Forest Alliance als politisches Bündnis zwischen einer internationalen Organisation und einer NGO stellt einen Sonderfall der bisherigen internationalen Zusammenarbeit im Waldsektor dar. Sie soll der Kooperation bei der Entwicklung und Umsetzung von Walderhaltungsprojekten dienen sowie eine verbesserte Nutzung des unterschiedlichen Sach- und Erfahrungswissens bewirken73 • Darüber hinaus ist jeder Partner gehalten, seine politischen Einflußmöglichkeiten auf die verschiedenen Entscheidungsträger und -ebenen in den Nationalstaaten zur Verwirklichung des Allianzzieles geltend zu machen. Die wesentliche Aufgabe der Allianz liegt damit in einer Vernetzung und Koalitionsbildung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren74 , die ein Interesse an der Walderhaltung haben und über Kompetenzen in diesem Bereich verfügen. Ob und in welchem Umfang die Zielvorgaben des Bündnisses in die betreuten Projekte einfließen, bleibt in erster Linie den Mitarbeitern von Weltbank und WWF und den beteiligten staatlichen Stellen überlassen75 • Um die Arbeit beider Organisationen abzustimmen und ihre Kooperation auszubauen, wurde allerdings ein gemeinschaftliches Beratungs- und Entscheidungsorgan eingerichtet. Es besteht aus hochrangigen Vertretern von Weltbank und WWF76 und tritt halbjährlich zusammen77 • Konkret ist dieses Steuerungskomitee für Fragen der Schwerpunktsetzung der Allianz, der Bewältigung aufgetretener Probleme, der Ressourcenverteilung sowie für die Entwicklung von "Monitoring"- und Evaluierungsmechanismen zuständig78 • Die Kooperation zwischen der NGO und der Weltbank hat damit eine gewisse Institutionalisierung erfahren. Das gleichberechtigte Zusammenwirken beider Organisationen im Rahmen des Gremiums läßt sich als weiteres Indiz für die zunehmende Bereitschaft staatlich beeinflußter Akteure werten, mit NGOs partnerschaftlieh zusammenzuarbeiten. Anreize für einen verstärkten Ausbau von Waldschutzgebieten und Arealen unter nachhaltiger Waldbewirtschaftung kann die Allianz nur begrenzt bereit-

World Bank/WWF Alliance Mission Statement, Prinzipien 2-4. World Bank!WWF Alliance Mission Statement, letzter Absatz. 75 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Programme Overview vom 17. August 1998, Abschnitt II, Alliance Activities, Kap. A. 76 Wor1d Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Programme Overview, Abschnitt II, Alliance Activities, Kap. D. 77 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Utilisation Interim Progress Report, Mai 1999, Abschnitt 1.1. 78 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Programme Overview, Abschnitt II, Alliance Activities, Kap. D. 73

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3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

stellen. Über eine Beratung in Fragen der Walderhaltung hinaus79 bietet sie aufgrundihrer eingeschränkten Mittellediglich eine finanzielle und technische Unterstützung für die Entwicklung von Projektkonzeptionen an80. Die Durchführung der Projekte selbst soll in den Händen finanzkräftigerer Investoren liegen81 . Eine volle Kostenübernahme ist allein für kleine Pilotprojekte mit innovativem Charakter vorgesehen82 . Trotz einer Steigerung des veranschlagten Allianz-Budgets von 2,4 Mio. US-Dollar im Finanzjahr 1999 auf 7,7 bis 7,8 Mio. in den Haushaltsjahren 2000 und 2001 83 dürfte sich an dieser Sachlage in absehbarer Zeit nichts Grundsätzliches ändern. Beachtenswert erscheint, daß die Allianz bei der Frage der Aufbringung von Ressourcen durch ein beratendes Organ (Advisory Council) aus staatlichen und nichtstaatlichen Gebern unterstützt wird84. Auch hier zeigt sich somit der Versuch, zusätzliche Akteure in das Bündnis einzubeziehen und ihre Kapazitäten für die Zielsetzung der Allianz zu nutzen. Der "Monitoring"- und Evaluierungsmechanismus, der zur Kontrolle der Umsetzung der Allianzziele vorgesehen ist, befindet sich derzeit noch im Aufbau85. Aufgrund der kurzen Laufzeit des Bündnisses ist auch die vorgesehene Überprüfung seiner Tätigkeit durch ein unabhängiges Gutachtergremium noch nicht erfolgt86. WWF und Weltbank werten die bis dato geleistete Arbeit in ihrem 1999 veröffentlichten Tätigkeitsbericht als positiv87 . Insbesondere sei es gelungen, vom brasilianischen Präsidenten eine Zusicherung zum Ausbau der 79 Die Allianz will durch Empfehlung und Förderung politischer und ökonomischer Reformen generell auf verbesserte Rahmenbedingungen für die Erhaltung der Wälder hinwirken; World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Programme Overview, Abschnitt II, Alliance Activities, Kap. B, Forest Prospect Component. 80 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Programme Overview, Abschnitt II, Alliance Activities, Kap. C, Project and Pilot Development Facility. 81 Ebenda. 82 Ebenda. 83 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use- Interim Progress Report, May 1999, Abschnitt 1.2. 84 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Utilisation, Annual Report 1999, S. 7. 85 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use- Interim Progress Report, May 1999, Abschnitt 4.3. 86 Nach dem vorläufigen Programmplan der Allianz, World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Use, Program Overview, Abschnitt II, Alliance Activities, Kap. D, ist eine Begutachung durch ein unabhängiges Beratergremium vorgesehen. 87 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Utilisation, Annual Report 1999, passim.

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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Waldschutzgebiete um 25 Mio. ha im Amazonaswald zu erhalten88 • Mit der Umsetzung dieser Zusage wäre das Allianzziel zur Ausweitung der Waldschutzareale bereits zu 50 % erreicht. Auch andere Staaten hätten vergleichbare Zugeständnisse abgegeben 89• Wie diese Ausführungen zeigen, ist die Allianz bemüht, Erklärungen für den Ausbau von Schutzgebieten oder Arealen mit zertifizierter Waldbewirtschaftung von seiten hochrangiger Staatenvertreter zu erhalten. Zwar kommt derartigen Zugeständnissen keine rechtliche Bindungswirkung zu90, ihre Verlautbarung durch ein hohes Staatsorgan kann die politische Bedeutung der Zusagenjedoch erheblich verstärken. Sofern es der Allianz gelingt, mit nationalen Akteuren Bündnisse zu schließen, ließe sich gegebenenfalls auch innerstaatlich ein öffentlicher Druck zur Umsetzung der Zusagen aufbauen. Allerdings haben verschiedene nationale NGOs den Nutzen der Erklärung zur Erweiterung der Schutzgebiete in Amazonien bezweifelt. Sie befürchten, daß die geschützten Areale nur auf dem Papier entstehen werden91 • Kritisiert wurde insbesondere, daß weder die Allianz noch die brasilianische Regierung im Vorfeld der Erklärung die traditionell ansässigen Bewohner der in Betracht kommenden Gebiete konsultiert hat92 • Ohne Akzeptanz des Schutzkonzepts bei der Bevölkerung vor Ort wird es jedoch kaum den Rückhalt finden können, der notwendig ist, um seine Umsetzung voranzutreiben. Auch ein Bericht der Weltbank über die eigene Forstpolitik hat die bisherige Planungsstrategie der Allianz als zu stark "von oben nach unten" kritisiert93 • Die Weltbank

88 World Bank/WWF Alliance for Forest Conservation and Sustainable Utilisation, Annual Report 1999, S. 8. 89 World Bank/WWF, Alliance for Forest Conservation and Sustainable Utilisation, Annual Report 1999, S. 8 ff. 90 Denkbar wäre zwar, diese Erklärungen als ein völkerrechtliches Versprechen zu werten. Nach der Rechtsprechung des IGH (Nuclear Test Cases, ICJ Rep. 1974, S. 253 (267, para. 43), 457 (472, para. 46)), unterstützt durch das völkerrechtliche Schrifttum (Fitzmaurice, BYIL XXXIII ( 1957), S. 230; Fiedler, GYIL 19 (1976), S. 46, 57 ff.) müßte dazu bei objektiver Betrachtungsweise ein entsprechender Rechtsbindungswille festzustellen sein. An diesem fehlt es, wenn ein hoher Staatenvertreter eine Erklärung lediglich gegenüber einer internationalen Organisationen, die im Bereich der Walderhaltung über kein spezifisches Mandat verfügt, und einer NGO abgibt, die nach überwiegender Ansicht nicht als völkerrechtsfahig anzusehen ist. 91 0. V., "Brasilianer wollen mitreden", Regenwald Report 211998, Informationszeitschrift der NGO Rettet den Regenwald, S. 4. 92 Ebenda. 93 A Review ofThe World Bank' s 1991 Forest Strategy and Its Implementation, Prelirninary Report, Vol. I, S. 38.

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sieht es überdies als wenig realistisch an, daß die Ziele der Allianz erreicht werden können94 .

111. Forest Stewardship Council (FSC) 1. Zielsetzung und Arbeitsweise des FSC Die Tätigkeit der NGO Forest Stewardship Council (FSC) zielt auf den Ausbau einer umweltgerechten, sozialverträglichen und wirtschaftlich tragfähigen Waldbewirtschaftung ab95 • Der FSC ist mitgliedschaftlieh organisiert und steht jeder nichtstaatlichen natürlichen Person oder juristischen Vereinigung offen, die sich zur Zielsetzung der Organisation bekennt sowie über ein gewisses Maß an Sachverstand im Umweltschutz-, Wirtschafts- oder Sozialbereich verfügt96. Die NGO bildet damit den Rahmen für eine Kooperation von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen im Waldbereich. Die institutionelle Ausgestaltung des FSC soll eine gleichberechtigte Berücksichtigung der unterschiedlichen Belange gewährleisten. Die Generalversammlung als die von den Mitgliedern besetzte, alle drei Jahre tagende höchste Entscheidungsinstanz97 besteht aus drei Kammern, in denen jeweils die Vertreter der Umweltschutz-, Wirtschafts- und sozialen Belange zusarnmenwirken98. Die Stimmengewichtung ist gleichmäßig auf diese U ntergrernien verteilt99 • Auch die Posten des Vorstandes des FSC, der für die Festlegung und

Ebenda. Ziffer 4, I. Spiegelstrich des FSC-Statuts (FSC-Doc. 1.3. vom September 1994); Ziffer I der FSC By-Laws (FSC-Doc. 1.1. vom September 1994). Sowohl diese als auch die folgenden FSC-Dokumente sind über das Internet: http://www.fscoax.org/principal.htm erhältlich. 96 Ziffern 6 und 7 des FSC-Statuts; Ziffern 6, 24, 25, 29-32 und 34 der FSC By-Laws. Der Sachverstand des Bewerbers soll insbesondere durch das Erfordernis der Vorlage zweier Referenzbezeugungen von Mitgliedern sichergestellt werden. Ferner ist ein Tätigkeitsnachweis erforderlich (Ziffern 29-32 und 34). Vertreter ökonomischer Interessen haben darüber hinaus einen eigenen Beitrag zum Ausbau zertifizierter Waldgebiete zu leisten (Ziffer 29). Im Juni 2001 verfügte der FSC über 488 Mitglieder. 97 Ziffern I 0 und 14 des FSC-Statuts; Ziffern II und 22 der By-Laws. 98 Ziffer 12 der By-Laws. 99 Ziffern 12 und 13 der By-Laws. Jede Kammer verfügt über ein Drittel der Stimmen, wobei die Stimmengewichtung in jeder einzelnen Kammer je zur Hälfte auf die Mitglieder der Entwicklungs- und Industrieländer aufgeteilt ist. 1996 wurde der Stimmenanteil der Mitglieder mit ökonomischen Interessen von 25 % auf ein Drittel der Stimmen erhöht. 94 95

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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Umsetzung konkreter Strategien verantwortlich ise 00, werden ausgewogen auf die Vertreter der verschiedenen Interessengruppen aufgeteilt. Die zentrale Aufgabe des FSC liegt im Aufbau eines Zertifizierungssystems, das Gütesiegel für Hölzer vergibt, die aus umwelt- und sozialgerecht bewirtschafteten Waldgebieten stammen 101 • Die Vergabe der Siegel ist an die Einhaltung von Prinzipien und Kriterien für eine umweltgerechte Forstwirtschaft geknüpft. Sie gelten für alle Wälder der Erde 102 und sind dementsprechend allgemein gehalten. Die Vergabe des Siegels wird insbesondere von der Einhaltung der jeweiligen Landesgesetze, dem Schutz bestehender Landnutzungsrechte sowie der Rechte indigener Völker, der Beteiligung der ansässigen Bevölkerung am Nutzen der Waldbewirtschaftung, der Berücksichtigung und Erhaltung der verschiedenen Waldfunktionen sowie der Aufstellung von Managementplänen und betriebseigenen "Monitoring"-Systemen abhängig gemacht 103 • Zur Sicherung des ökologischen Standards der Primärwälder war ursprünglich ein weitgehender Schutz der noch verbliebenen unberührten Waldareale vorgesehen 104• Dieses Prinzip erwies sich jedoch nicht als bestandsfähig. An seine Stelle ist eine Regelung getreten, die in Wäldern mit hohem Schutzwert "Bewirtschaftungsmaßnahmen ... verlangt, die deren Merkmale [gemeint sind die Merkmale der Wälder] erhalten oder vermehren sollen" 105 • Das Vorsorgeprinzip soll im Zusammenhang mit Nutzungsentscheidungen "erwogen" werden. Auch die anfangs enthaltene Vorgabe, Primärwälder nicht durch Plantagen oder andere Landnutzungen zu ersetzen, kommt in den revidierten Leitlinien des FSC nicht mehr zum Ausdruck. Diese Verschiebung von Schutz- auf Nutzungsaspekte in bezug 100 Ziffer 18 des FSC Statuts; Ziffern 50 und 51 der By-Laws. Der Vorstand besteht aus 2 Vertretern von Wirtschaftsinteressen und 7 Vertretern aus den Bereichen Umweltschutz und Soziales. 101 Ziffer 4, 2. Spiegelstrich des FSC-Status; Ziffer 5 der By-Laws. Darüber hinaus liegt die Aufgabe des FSC im Bereich der Umweltbildung und in der technischen Hilfeleistung für den Ausbau nachhaltiger Waldbewirtschaftungspraktiken (Ziffer 4, 3. und 4. Spiegelstrich des Statuts; Ziffer 6 f. der By-Laws). Die Vergabe von Umweltsiegeln beschränkt sich nach dem FSC-Statut nicht nur auf Holz und Holzprodukte. Bis dato steht die Zertifizierung von Hölzern aber im Vordergrund der FSC-Tätigkeit. 102 Ziffer 8 der By-Laws; Vorwort zu den Principles and Criteria for Sustainable Forest Management, FSC-Doc. 1.2. in der Fassung vom Februar 2000. 103 Principles and Criteria for Sustainable Forest Management, FSC-Doc. 1.2. in der Fassung vom Februar 2000. 104 Das ursprüngliche Prinzip 9 formulierte folgendermaßen : "Primary forests, well-developed secondary forests and sites of major environmental, social or cultural significance shall be conserved. Such areasshall not be replaced by tree plantations or other land uses." (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. I, unterOI-12-90/1, 8ii). 105 Prinzip 9 der überarbeiteten Kriterien; Hervorhebung von der Verfasserin.

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auf Primärwälder wurde von verschiedenen Mitgliedern des FSC aus dem Umweltschutzlager als zunehmende Ausrichtung der NGO auf die Nutzungsinteressen der Holzindustrie gewertet 106• Im Zusammenhang mit dieser Bewertung ist von verschiedener Seite kritisiert worden, daß der FSC im Rahmen seiner Prinzipien und Kriterien die Situation der Eigentümer kleinerer Waldflächen vor Ort nicht hinreichend berücksichtige. Die Anforderungen an den Aufbau eines eigenen "Monitoring"-Systerns würden den ökonomischen Verhältnissen kleinerer Forstbetriebe nicht gerecht 107• Diesem Vorwurf ist der FSC zwischenzeitlich mit der Einführung von Vorgaben begegnet, die eine Gruppen-Zertifizierung durch Eigentümer kleinerer Areale und damit eine anteilsmäßige Verteilung von Zusatzbelastungen erlauben 108 • Die inhaltlich sehr allgemein gehaltenen Prinzipien und Kriterien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung sind durch nationale Arbeitsgruppen unter Beteiligung der verschiedenen Interessenvertreter zu spezifizieren und an die Gegebenheiten im Land anzupassen 109 . Ein Genehmigungserfordernis soll sicherstellen, daß die Konkretisierung der Regelungen den Zielvorgaben des internationalen FSC entspricht. Sowohl die Einrichtung und Zusammensetzung der nationalen Arbeitsgruppen als auch die letztlich erarbeiteten Vorgaben bedürfen der Zustimmung vonseitendes FSC-Vorstandes 110•

2. UmsetzungsdefiZite Die Festlegung abstrakter Regelungen auf internationaler Ebene und die Delegation der Konkretisierungsbefugnisse auf innerstaatliche Entscheidungsträger hat in der bisherigen Praxis zu Umsetzungsdefiziten geführt. Das FSC106 Trickery or Truth? An Examination of the Effectiveness of the FSC, Untersuchung der NGO Rainforest Foundation, passim. 107 Kiekens, Ziffer 2, a. E., weist darauf hin, daß ein Großteil der Vereinigungen von Waldeigentümern in Europa erhebliche Bedenken gegenüber den FSC-Kriterien angemeldet haben. Ansatzweise auch Grayson/Maynard, S. 84 ff., mit einer Bewertung der Zertifizierungsinitiativen auf nationaler Ebene. Für die verschiedenen FSC-Arbeitsgrupppen wird angemerkt, daß es weitgehend an einer Mitwirkung (kleinerer) Waldeigentümer bei der Formulierung der nationalen Kriterien fehle. 108 Group Certification: FSC-Guidelines for Certification Bodies, FSC-Doc. 3.6.1 . vom Juli 1998. 109 Ziffer 71 (b) und (c) der By-Laws. Die Mitarbeit in diesen Gremien steht im Gegensatz zum FSC International auch Vertretern von staatlicher Seite offen (vgl. Ziffer 6 der ByLaws). 110 By-Laws, Ziffer 71.

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Statut sieht ebensowenig wie vergleichbare zwischenstaatliche Kooperationsmechanismen die Einrichtung eigener VOllzugsorgane zur Implementierung der Vorgaben vor. Die Zertifizierung von Wäldern, die in Übereinstimmung mit den FSC-Regelungen bewirtschaftet werden, erfolgt vielmehr durch selbständige Unternehmen, die vom Vorstand des FSC akkreditiert werden 111 • Diesen steht bei der Überprüfung der Einhaltung der FSC-Vorgaben ein Interpretationsspielraum zu. Die Richtlinien für Zertifizierer sprechen davon, daß der FSC und die akkreditierten Zertifizierer nicht auf einer Vervollkommnung der Prinzipien und Kriterien beharren sollen. Lediglich "größere Defizite" sollen die Vergabe des Umweltsiegels ausschließen 112 • Die Bestimmung des Begriffs der größeren Defizite bleibt dabei den Unternehmen überlassen. Zur näheren Konkretisierung dieser Bezeichnung könnten zwar die nationalen Prinzipien und Kriterien als Prüfungsmaßstab herangezogen werden. Diese wurden bisher jedoch nur von einer sehr geringen Zahl von Ländern erarbeitet 113 • Solange es an innerstaatlichen Vorgaben fehlt, hat der Zertifizierer die Möglichkeit, die Vergabe von Umweltsiegeln nach eigenen allgemeinen Leitlinien vorzunehmen 114• Da die Tätigkeit der Zertifizierer vom Antragsteller des Gütesiegels zu vergüten ist, besteht die Gefahr, daß Interpretationsspielräume auch zugunsten eigener wirtschaftlicher Interessen genutzt werden. Kritikern zufolge soll es in der Vergangenheit zu einer teilweise sehr fragwürdigen Vergabe von Umweltsiegeln gekommen sein 115 • Um weiteren Vorwürfen zu begegnen, verlangt der FSC nunmehr eine stärkere Aufschlüsselung und Zuordnung der Leitlinien der Zertifizie-

111 FSC, Accreditation Manual, FSC-Doc. 3.1. Nach Elliott, S. 322, soll diese organisatorische und finanzielle Trennung die Transparenz der Zertifizierungen und die Vertrauenswürdigkeit des Systems gewährleisten. 112 FSC, Einleitung zu den Principles and Criteria for Sustainable Forest Management, FSC-Doc. 1.2. in der Fassung vom Februar 2000: "FSC and FSC accredited certifiers will not insist on perfection in satisfying the Principles and Criteria. However, major failure in any individual principle will normally disqualify a candidate for certification, or willlead to decertification." Ebenso die Guidelines for Certification Bodies, Doc. 3.6., Part I, Subject 2.4.1.1. 113 Soweit ersichtlich, existieren derartige Richtlinien bisher lediglich in Schweden, Großbritannien, USA und Deutschland (Fundstelle: Information der deutschen FSC-Arbeitsgruppe im Internet, http://www .fsc-deutschland.de/stl weite.htm). 114 FSC Guidelines for Certification Bodies, Doc. 3.6., Part II, Subject 2.6.1.: "FSC accreditation bodies must implement generic forest certification standards for use of regions in which there arenot yet fully endorsed FSC standards." 115 Trickery or Truth?, An Examination of the Effectiveness of the FSC, Rainforest Foundation, passim; o. V., Forest Stewardship Council, Regenwald Report 4/1996, s. 4 ff.

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rer zu denjeweiligen FSC-Vorgaben 116 • Damit soll die Vorgehensweise der Unternehmen transparenter ausgestaltet und eine Nutzung von Interpretationsspielräumen im Widerspruch zur Zielsetzung des FSC vermieden werden. Die Kontrolle der Waldnutzung in Übereinstimmung mit den Prinzipien und Kriterien des FSC obliegt in erster Linie dem Zertifizierer. Dieser hat dem FSCSekretariat Berichte über die Entscheidung zur Siegelvergabe und das Ergebnis weiterer Überprüfungen der Betriebe vorzulegen 117 . Um eine Gegenkontrolle der Aussagen zu ermöglichen, führt das Sekretariatjährlich Vor-Ort-Untersuchungen bei den zertifizierten Unternehmen durch 118 • Diese dienen zwar in erster Linie der Überprüfung der Tätigkeit des Zertifizierers, lassen aber auch Rückschlüsse über die ordnungsgemäße Umsetzung der Prinzipien und Kriterien durch die betreffenden Betriebe zu. Nach den FSC-Vorgaben muß dabei mindestens ein Betrieb untersucht werden; die Anzahl weiterer Überprüfungen hängt vom Umfang der Tätigkeit des Zertifizierers ab 119• Die Entscheidung über den Kontrollumfang ist von erheblicher Bedeutung, weil andere Möglichkeiten der Erfüllungskontrolle begrenzt sind. Aufgrund der berechtigten Interessen der Unternehmen an der Vertraulichkeit von Betriebsinterna sind die Berichte der Zertifizierer über die einzelnen Unternehmen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Es ist lediglich möglich, vom zertifizierten Betrieb eine allgemeine Zusammenfassungdes Zertifizierer-Berichts anzufordern, die allerdings von ihm selbst erstellt wird 120 • Mit diesen Vorgaben wird die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit stark begrenzt. Mitglieder des FSC sind zwar befugt, in Streitfragen über die Zertifizierung einen Schlichtungsmechanismus anzurufen 121 • Solange sie jedoch nicht über nähere Informationen über die zertifiziertenUnternehmen verfügen, läßt sich ein derartiger Kontrollmechanismus kaum nutzen. In der Praxis verfügen viele Mitglieder der Umweltschutz- bzw. Sozialkammer über informelle Kontakte zu lokalen Gruppen, die nähere Informationen über die betreffende 116 FSC Guidelines for Certification Bodies, FSC-Doc. 3.6., Part II. Subject 2.4.2.1 .: "As from January 1999 aB certification bodies ,generic' standards . .. must be presented in a structure which foBows the 10 FSC principles"; Subject 2.4.2.2.: "AB certification bodies scoring and decision support systems must demonstrate explicity, and at a Ievel of each FSC princip1e individuaBy, that the princip1e has been met by the forest enterprise in order for a certification to be awarded." 117 FSC Guidelines for Certification Bodies, FSC-Doc. 3.6., Part II, Subject 2.22., 2.1 0.; FSC Accreditation Mannual, FSC-Doc. 3.1., Ziffer 2.9.2. 118 Ebenda. 119 FSC Accreditation Mannual, FSC-Doc. 3.1., Ziffer 2.9.2. 120 Prinzip 8, Kriterium 5 der FSC-Prinzipien und Kriterien. 121 By-Laws, Ziffer 72.

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Situation vor Ort liefern können 122 • Auch hier zeigt sich die Bedeutung einer vertikalen Vernetzung für eine verbesserte Kontrolle und politische Einflußnahme im Interesse der Umsetzung der getroffenen Regelungen.

3. Die Bedeutung der Waldzertiflzierung für die Erhaltung der tropischen Regenwälder Der FSC verfolgt mit der Vergabe von Gütesiegeln einen marktorientierten Ansatz. Die Kennzeichnung ökologischer und sozialgerechter Erzeugnisse soll es Abnehmern erlauben, derartige Belange in die Kaufentscheidung einzubeziehen 123 • Forstwirtschaftliche Unternehmen werden sich dann zur Bewirtschaftungder Wälder in Übereinstimmung mit den FSC-Regelungen veranlaßt sehen, wenn für umweltgerecht hergestellte Produkte eine entsprechend hohe Nachfrage besteht124• VerschiedenenUntersuchungen zufolge soll diese in Industrieländern in bedeutendem Umfang gegeben sein 125 • Wie festgestellt, erfolgt der Holzeinschlag in Regenwäldern zum überwiegenden Teil aus Gründen der nationalen Bedarfsdeckung126 • In Entwicklungsländern wird manjedoch von einer wesentlich geringeren Nachfrage nach zertifiziertem Holz auszugehen haben 127 • Ein weiträumiger Ausbau umweltgerechterer Bewirtschaftungsmethoden in Regenwäldern wird sich über

122 So wurden wesentliche Informationen über eine unsachgemäße Zertifizierung eines Waldareals in Gabun durch eine lokal arbeitende NGO zusammengetragen und anschließend von internationalen NGOs aufgegriffen; vgl. die Ausführungen der NGO, Rettet den Regenwald, Regenwald-Report 411996, S. 2-7. 123 Amelungffhiele/Wiebelt, S. 21, für Zertifizierungssysteme insgesamt. 124 Ebenda. 125 Nach einer Verbraucherumfrage zum Thema Holzsiegel, durchgeführt von EMNID im Auftrag des WWF (Pressehintergrundpapier des WWF-Deutschland vom 22. März 1999) haben 86,8 % der befragten Personen ein Interesse an zertifiziertem Holz bekundet, wobei 92, I %bereit wären, einen höheren Preis für dieses Holz zu zahlen. Amelung/Thielel Wiebelt, S. 21, gehen davon aus, daß in Industrieländern aufgrundder steigenden Sorge um die Erderwärmung und den Verlust der Artenvielfalt allgemein eine hohe Nachfrage nach Holz aus umweltgerechter Bewirtschaftung besteht. Eine ähnliche Einschätzung findet sich bei Elliott, S. 320. 126 Vgl. den I. Teil, C. I. 2. a). 127 Kiekens, unter Ziffer 2. Amelung/Thiele/Wiebelt, S. 21 , sprechen davon, daß sich bei einer Umstellung sämtlicher Holzimporte in westliche Industrieländer (also ohne den bedeutenden Tropenholzimporteur Japan) auf zertifiziertes Holz eine verbesserte Bewirtschaftung von höchstens 5 % der tropischen Waldfläche sicherstellen ließe.

17•

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eine auf rein freiwilliger Basis erfolgende Zertifizierung somit kaum erreichen lassen 128 • Etwas anderes könnte allerdings dann gelten, wenn das Zertifizierungsinstrument durch staatliche Unterstützung eine zusätzliche Aufwertung erfährt. In bezug auf die Arbeit des FSC finden sich in der Staatenpraxis insoweit erste Ansätze. So hat die Gemeinsame Versammlung der EU-ACP-Staaten die Länder der Europäischen Gemeinschaft und auch die Gemeinschaft selbst aufgefordert, das FSCSiegel zu schützen und nationale sowie internationale Maßnahmen zugunsten einer verstärkten Anwendung des Zertifizierungsmechanismus zu treffen 129 •

IV. Zusammenfassung Inhalt und Arbeitsweise der untersuchten NGO-Instrumente lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Ebenso wie die Mechanismen von seiten der Staaten und internationalen Organisationen sind die untersuchten NGO-Instrumente auf eine Steigerung des Schutzstandards und der umweltgerechteren Bewirtschaftung tropischer (Regen-) Wälder ausgerichtet. Mit Ausnahme des FSC als primär nutzungsbezogener Mechanismus treten Schutzaspekte allerdings deutlicher hervor. Die "debt-for-nature swaps", die Forest Alliance und der FSC unterscheiden sich hinsichtlich des Abstraktheilsgrades ihres Mandats in erheblichem Maße voneinander. Während die "swaps" am konkreten Einzelfall ausgerichtet sind und die Allianz zumindest eine spezifische Zielvorgabe verfolgt, will der FSC allgemein auf eine nachhaltige Waldbewirtschaftung hinwirken. Je umfassender der Bezugsgegenstand der Instrumente bestimmt ist, desto größer ist die Gefahr von Urnsetzungsschwierigkeiten. Alle drei Instrumente versuchen dieser zu begegnen, indem sie die internationale, nationale und lokale Handlungsebene miteinander verknüpfen. Dies zeigt sich insbesondere bei den "swaps", die von einer internationalen NGO initiiert sowie in der Umsetzung unterstützt, auf nationaler Ebene 128 Auch insgesamt ist die Wirkung des FSC auf die weltweite Forstwirtschaft bisher sehr begrenzt. Bis zum Juni 2001 wurden 24,08 Mio. ha durch den FSC zertifiziert (List of certificated forests, FSC-Doc. 5.3.3. vom 30. Juni 2001). Dies entspricht etwa 0,6% der weltweiten Waldfläche nach den Ergebnissen des Forest Resources Assessment aus dem Jahre 2000 (weltweite Waldfläche: ca. 3,9 Mrd. ha). 129 Sustainable Management of Forest Resources, Protocol No. 10, 4th ACP-EU Convention of Lome, Resolution adopted by the ACP-EU Joint Assembly vom 27. Februar 1997, Ziffern 2 und 3 (abgedruckt bei Burhenne/Robinson, Bd. 3, unter 27-02-97/1 ).

B. Instrumente internationaler NGOs im Bereich der Walderhaltung

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vereinbart und von lokalen Gruppen durchgeführt werden. Lokale NGOs können dabei eine Mittlerfunktion zur Bevölkerung übernehmen und Umweltschutzbestrebungen vor Ort verstetigen. Ihre Einbeziehung erlaubt überdies eine verbesserte Umsetzungskontrolle. Basisgruppen können Informationen über die Lage vor Ort an die höheren Entscheidungsebenen weitergeben und unter Umständen auch politischen Druck für die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen aufbauen. Die Verknüpfung der verschiedenen Ebenen kann ferner Strukturen schaffen, die auf eine Konkretisierung allgemeingehaltener Vorgaben hinwirken und die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen verbessern. Eine Vernetzung unterschiedlicher Akteure und Hierarchieebenen erscheint insbesondere dann notwendig, wenn Walderhaltungsmechanismen einen allgemeinen Bezugsrahmen aufweisen, der noch einer weiteren Spezifizierung bedarf. Sowohl die Allianz als auch der FSC konnten ein derartiges Netzwerk bisher noch nicht im erforderlichen Maß herstellen. Beim FSC fehlt es bislang zu einem großen Teil an einer Einbeziehung der nationalen Arbeitsgruppen und an Mechanismen zur Sicherstellung der Beteiligung der Bevölkerung vor Ort. Auch die Alliance ist wegen ihrer zu starken Planung "von oben" kritisiert worden. 2. Ein Bekenntnis zum Vorsorgegedanken bei der Bewirtschaftung ökologisch sensibler Wälder findet sich lediglich im Rahmen des FSC-Instrurnents. Hier ist es jedoch nur abgeschwächt formuliert worden. Der mit Risikoerwägungen ursprünglich begründete Gedanke eines umfassenden Primärwaldschutzes wurde hingegen zurückgenommen. 3. Alle drei Instrumente wollen Walderhaltungsbestrebungen durch Anreize attraktiver ausgestalten. Der Umfang der Anreizwirkung wird allerdings durch die begrenzten Kapazitäten der NGOs beschränkt. Man ist daher bemüht, andere Akteure in die Projektfinanzierung einzubeziehen. Am weitesten geht dabei der Ansatz des FSC, der Kosten für eine umweltgerechtere Bewirtschaftung der Wälder allgemein auf die Abnehmer von Waldprodukten verlagern will. Alle drei Instrumente verdeutlichen, daß ihre Erfolgswirksamkeit erheblich von der Unterstützung staatlicher Akteure und einer Kooperation mit ihnen abhängt. 4. Die untersuchten Instrumente enthalten zwar zum Teil institutionelle Kontrollmechanismen (Kontrolle der zertifizierten Betriebe im Rahmen des FSC, Überprüfung der Zertifizierer durch das Sekretariat, Streitbeilegungsrnechanismus des FSC, ansatzweise auch das gemeinschaftliche Beratungs- und Entscheidungsorgan der Forest Alliance). Ihre Arbeitsfähigkeit wird jedoch durch mangelnde Kenntnisse von den tatsächlichen Gegebenheiten und Umsetzungsbestrebungen

262

3. Teil: Tätigkeit internationaler Nichtregierungsorganisationen

vor Ort begrenzt. Eine Zusammenarbeit mit Akteuren auf lokaler bzw. regionaler Ebene kann dieses Defizit beschränken. Eine vertikale Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren findet sich wie ausgeführt bis dato jedoch noch nicht in hinreichendem Umfang. 5. Die existierenden Kooperationsstrukturen und die offen formulierten Zielvorgaben lassen eine Weiterentwicklung der untersuchten Instrumenteaufgrund neuer Erkenntnisse ohne weiteres zu.

Vierter Teil

Umweltvölkerrechtliche Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung für die Erhaltung der Ressource Regenwald Jedes Bestreben um die Ausgestaltung rechtlicher Vorgaben zur Erhaltung der Regenwälder wirft die Frage nach der Begründbarkeil von Souveränitätsbeschränkungen bezüglich der Ressource Wald auf. Die Festlegung verbindlicher Regelungen im Interesse einer Bewahrung der Regenwälder setzt aufseitender Tropenwaldstaaten eine Zurücknahme nationaler Alleinentscheidungskompetenzen voraus. Eine solche Rücknahme ist nur zu erwarten, wenn und soweit die Lasten, die mit der Durchführung von Walderhaltungsmaßnahmen einhergehen, angernessen auf die gesamte Staatengemeinschaft verteilt werden. Auf diese Weise würde letztlich eine globale Verantwortung für die Erhaltung der Regenwälder entstehen. Vor Beantwortung der Frage nach der konkreten Ausgestaltung von Vorgaben zur Erhaltung der Regenwälder soll untersucht werden, inwieweit das Umweltvölkerrecht Konzepte bereitstellt, über die sich eine globale Verantwortung zur Bewahrung eines Naturgutes begründen läßt. Sofern derartige Konzeptionen existieren, wird zu prüfen sein, unter welchen Voraussetzungen sie auf tropische Regenwälder angewendet werden können und in welchem Umfang sich aus der bisherigen internationalen Kooperation im Waldbereich Ansätze für ihre Akzeptanz ableiten lassen.

A. Sektorale Konzepte Zu untersuchen sind zunächst sektorale Konzepte, die sich inhaltlich auf bestimmte Umweltgüter beziehen.

I. Das Konzept der "shared natural resources" Das bereits erwähnte Konzept der "shared natural resources" stellt die Grundlage für die Erarbeitung von Vorgaben zur gerechten Bewirtschaftung bestimm-

264

4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

ter grenzüberschreitender Umweltgüter dar 1• Streitig ist dabei, ob die zu entwikkelnden Regelungen lediglich die Interessen der Staaten mit unmittelbaren Zugriffsmöglichkeiten auf die Ressource zu berücksichtigen haben oder auch die Belange der gesamten Staatengemeinschaft widerspiegeln müssen 2• Einigkeit herrscht allerdings insoweit, als daß das "Shared-natural-resource"-Konzept nur im regionalen Raum wirkt, also lediglich Sachverhalte umfaßt, bei denen sich die betroffenen Staaten territorial berühren3• Versuche einer Ausweitung der Konzeption auf Naturgüter, die von weltweiter Bedeutung sind und nur durch eine Zusarrunenarbeit aller Staaten der Erde geschützt werden können, konnten sich nicht durchsetzen4• Das Konzept der "shared natural resources" kann damit nicht zur Begründung einer Verantwortlichkeit herangezogen werden, die global - also zwischen Industrie- und Entwicklungsländern - im Interesse der Erhaltung von Umweltgütern bestehen soll. Gerade diese müßte aber geschaffen werden, um das Problem der Regenwaldzerstörung einer angemessenen Lösung zuzuführen.

II. Das Konzept des "common heritage of mankind" Etwas anderes könnte für das Konzept des "common heritage of mankind" bzw. des gemeinsamen Erbes der Menschheit gelten. Bereits der Verweis auf den Begriff der Menschheit als Träger des gemeinsamen Erbes deutet die Dimensionen der Konzeption an: In räumlicher Hinsicht soll es alle Menschen mit einbeziehen. Es ist dabei zeitlich nicht auf gegenwärtige Generationen beschränkt, sondern will auch die zukünftigen erfassen, an die das Erbe weiter2. Teil, 2. Kapitel, B. I. Für ersteres: Bimie/Boyle, S. 115; Brunnie, Framework, S. 53, 55; Hinds, S. 331; ähnlich auch lpsen/Heintschel von Heinegg, S. 918 f., § 58, Rn. 27. A. A. hingegen lOHRichter Weeramantry in seiner "dissenting opinion" im Case Conceming Kasiki1i/Sedudu Is1and, 13 December 1999, General List No. 98, insbesondere Ziffer 82 und 112. Danach dienen Regelungen zur Nutzung und Erhaltung einer "shared resource" dem Interesse der gesamten Staatengemeinschaft. 3 Kimminich/Hobe, S. 402; lpsen/Heintschel von Heinegg, S. 918 f., § 58, Rn. 27; Bimie/Boyle, S. 115; Hinds, S. 331. 4 So fand ein Vorschlag zur Anwendung des Konzepts auf das globale Klima keine Zustimmung. Ziffer 4 des Abschlußdokuments der Klimakonferenz von Toronto vom 27.-30. Juni 1998, The Changing Atmosphere: Implications for Global Security (abgedruckt im American University Journal oflntemational Law and Policy 5 (1990), S. 515 ff.), bezeichnete das Klima als "shared resource". Ein derartiger Ansatz wurde im Rahmen der weiteren Diskussion um die Erhaltung der Klimastabilität nicht mehr aufgegriffen. 1

2

A. Sektorale Konzepte

265

zugeben ise. Während letzteres dem Gedanken des Nachweltschutzes entspricht, verdeutlicht der Bezug auf die gesamte Menschheit die Ausrichtung des Konzepts auf Staatengemeinschaftsinteressen6 . Im internationalen System, das keine Rechtssubjektivität der Menschheit als Ganzes kennt, werden die Belange aller Menschen durch die Gesamtheit aller Staaten als Völkerrechtssubjekte zum Ausdruck gebracht1. Das Prinzip des "common heritage of mankind" zielt damit auf einen Umgang mit natürlichen Ressourcen in Übereinstimmung mit Allgemeinwohlbelangen ab8• Abstrakt gesprochen will es bestimmte, für die gesamte Menschheit bedeutende Regionen oder Naturreichtümer erfassen. Diese sollen nicht der eigennützigen Verfügung durch einzelne Staaten offenstehen, sondern im Interesse der Staatengemeinschaft erhalten bzw. in einer alle Staaten begünstigenden Weise genutzt werden9 • Zum Teil wird die Einbeziehung des Ökosystems Regenwald in den Geltungsbereich des Konzepts erwogen 10• Die ökologische Einmaligkeit dieser Wälder, ihre Bedeutung für die globale Artenvielfalt und - wenn auch nur bedingt- für die Klimastabilität lassen es gerechtfertigt erscheinen, dem Naturgut einen besonderen Stellenwert für die gesamte Menschheit zuzusprechen. Eine Begrenzung nationalstaatlicher Verfügungsgewalt über Regenwälder wäre mit Hilfe des Konzepts des gemeinsamen Erbes der Menschheit jedoch nur dann begründbar, wenn die Einbeziehung der Wälder im Einklang mit der Struktur der Konzeption steht. Zu prüfen ist daher der spezifische Gehalt des Konzepts. Er ist anband der bisherigen Verwendung des "Common-heritage"-Gedankens in der Staatenpraxis zu bestimmen.

Fitschen, Common Heritage, S. 149, Rn. 3; Stocker, S. 155. Bimie/Boyle, S. 122; Gebe/, S. 139; Fenech-Adami, S. 179. 7 Amold, IL 9 (1975), S. 154; Stocker, S. 157; Wolfrum, ZaöRV 43 (1983), S. 319. 8 Auf den abstrakten Gemeinwohlgedanken des Menschheitserbes verweisen: Fitschen, Common Heritage, S. 149, Rn. 4; Kewenig, EA 1981, S. 2 (Gemeinnützigkeitsvorbehalt); Kiss, RdC 175 (1982 II), S. 113 (immanenter Solidaritätsgedanke); im Ansatz auch Amold, IL 9 (1975), S. 158. 9 Fitschen, Common Heritage, S. 149, Rn. 2; Jagels-Sprenger, KJ 1991, S. 412. 10 Nanda, S. 12: "It is possible, that tropical rainforests .. . may also fall within the common heritage concept."; Seidl-Hohenveldern/Stein, Rn. 1520, die davon sprechen, daß es nicht unerheblich sein kann, "wenn ein Staat sich als Ausfluß seiner Souveränität für berechtigt hält, ... seine Umwelt zum Nachteil des Gemeinsamen Erbes der Menschheit zu verändern." In diesem Zusammenhang nennen die Autoren das Problem der Zerstörung des tropischen Regenwaldes. Auch Stocker, S. 214 ff., hält die Anwendung des Konzepts auf Wälder insgesamt für möglich. 5 6

266

4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

1. Herkömmliche Inhaltsbestimmung des "Common-heritage"-Konzepts a) UN-Seerechtsübereinkommen

Von wesentlicher Bedeutung für die inhaltliche Bestimmung des "common heritage" ist die Rechtsentwicklung im Bereich des internationalen Seerechts. Befürchtungen um eine Aufteilung der Hohen See und vor allem des ressourcenreichen Meeresbodens unter den technisierten, industrialisierten Staaten 11 veranlaBten den maltesischen UN-Botschafter Pardo, der UN-Generalversammlung im Jahre 1967 einen Memorandumsentwurf vorzulegen, der den Meeresboden und -Untergrund zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärte 12 . Der Entwurf verband mit dieser Konzeption vier Einzelelemente 13 : Zunächst war ein Verbot der Okkupierbarkeitdes Meeresbodens (gebietsbezogener Aspekt), seine Erforschung in Übereinstimmung mit den Zielen und Zwecken der UN Charta (wissenschaftsbezogener Aspekt) und seine Nutzung lediglich zu friedlichen Zwecken (militärischer Aspekt) vorgesehen. Den wesentlichen Bestandteil des Konzepts bildete allerdings ein nutzungsbezogener Aspekt. Dieser sollte die wirtschaftliche Ausbeutung des Meeresbodens und -Untergrunds in Übereinstimmung mit den Interessen und zugunsten aller Staaten sicherstellen. In institutioneller Hinsicht wurde die Einrichtungeiner internationalen Behörde zur Absicherung dieser Nutzensverteilung angedacht. Der Vorschlag, den Meeresboden zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu bestimmen und die genannten Einzelaspekte mit ihm in Verbindung zu bringen, fand weitgehende Zustimmung in der UN-Generalversammlung. Er wurde ohne Gegenstimmen in die Declaration of Principles Governing the Sea-Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof14 aufgenommen. Dabei ergänzte man das Prinzip des Menschheitserbes um ein ökologisches Element, das eine Verant-

Näher: Kewenig, EA 1981, S. 2 f. Ziffer 3 und 4 des Memorandums vom 18. August 1967. Es findet sich abgedruckt in G.A.O.R., 22nd Session, Annexes, Agenda Item 92, Malta: Request for the lnclusion of a Supp1ementary ltem in the Agenda ofthe 22nd Meeting, UN-Doc. A/6695. Ziffer 3 und 4 des Memorandums sind auch abgedruckt bei Kewenig, FS für Schlochauer, S. 387. 13 Ebenda. 14 Declaration ofPrinciples Governing the Sea-Bed and the Ocean Floor, and the Subsoil Thereof, beyond theLimits of Jurisdiction, GY-Res. 2749 (XXV) vom 17. Dezember 1970 (abgedruckt in ILM 10 (1970), S. 220 ff.). Die Deklaration wurde mit 108 Zustimmungen und 14 Enthaltungen angenommen. 11

12

A. Sektorale Konzepte

267

wortung der Staaten zum Schutz der Flora und Fauna des Tiefseebodens zum Ausdruck brachte 15 • Aufbauend auf dieser Erklärung enthält das 1982 verabschiedete UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) ein Bekenntnis zum Prinzip des "common heritage of rnankind" 16. Gemäß Art. 136 SRÜ wurden das Gebiet (nach Art. 1 Nr. 1 der Meeresboden und -Untergrund jenseits der Grenzen nationaler Hoheitsbefugnisse) und seine Ressourcen zum gemeinsamen Erbe der Menschheit erklärt. Alle fünf von der Generalversammlung anerkannten Einzelbestandteile des Menschheitserbe-Gedankens finden sich im Teil XI des SRÜ 17 wieder18 •

b) Weltraum- und Mondvertrag

Da der Weltraumvertrag noch vor der "Entdeckung" des Gedankens des gemeinsamen Erbes der Menschheit im Rahmen der Entwicklung des Seerechts zustande kam, findet sich im Vertragstext kein Bekenntnis zu diesem Konzept. Artikel 1 Abs. 1 bezeichnet die Erforschung und Nutzung des Weltraums lediglich als "Sache der gesamten Menschheit" 19 • Das Übereinkommen enthält dennoch alle fünf Elemente, die mit dem Konzept des "common heritage" verbunden werden können: das Verbot der Aneignung des Weltraumes oder der HirnZiffer 11 der Deklaration. Das SRÜ vom 10. Dezember 1982 findet sich abgedruckt in International Council on Environmental Law- Multilateral Treaties, unter982:92. Zum "Common-heritage"-Prinzip im Rahmendes SRÜ näher: Wolfrum, ZaöRV 43 (1983), S. 312 ff. ; Kewenig, FS filr Schlochauer, S. 387 ff.; Stocker, S. 42 ff. 17 Art. 137 SRÜ (gebietsbezogener Aspekt), Art. 143 (forschungsbezogener Aspekt), Art. 140 (nutzungsbezogener Aspekt), Art. 141 SRÜ (militärischer Aspekt), Art. 145 SRÜ (ökologischer Aspekt). 18 Umstritten blieb allerdings die konkrete rechtliche Ausgestaltung des nutzungsbezogenen und institutionellen Moments. Die Auseinandersetzung filhrte zunächst dazu, daß die Konvention von politisch bedeutenden Staaten nicht unterzeichnet wurde. Nach der Verhandlung eines Durchfilhrungsübereinkommens (Übereinkommen zur Durchfilhrung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 28. Juli 1994; abgedruckt im BGBI. 1994 II, S. 2566 ff.), das die Bestimmungen des Teils XI abmildert, ist das SRÜ jedoch in Kraft getreten. 19 Treaty on Principles Governing the Activities of States in the Exploration and Use ofüuter Space, Including the Moon and Other Celestial Bodies vom 27. Januar 1967 (die deutsche Übersetzung des Vertragstextes ist abgedruckt im BGBI. 1969 II, S. 1968 ff.). Näher zum Konzept des "common heritage" im Bereich des Weltraumrechts: MacDonald, FS für Bernhardt, S. 159 ff.; Kewenig, FS für Schlochauer, S. 394 ff.; Stocker, s. 87 ff. 15 16

268

4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

melskörper (Art. 2), die Freiheit der Forschung bei internationaler Kooperation (Art. 1 und 3) und das Erfordernis der friedlichen Nutzung (Art. 4). Eine Beeinträchtigung der Umweltbedingungen soll vermieden werden (Art. 9) und der Vorteil, der aus der Nutzung der Gebiete entsteht, der gesamten Menschheit zugute kommen (Art. 1). Im Gegensatz zum Weltraumvertrag nimmt der Mondvertrag ausdrücklich Bezug auf das Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit20. Er erkennt hinsichtlich des Mondes und anderer Himmelskörper alle fünf bisher genannten Aspekte der "Common-heritage"-Konzeption an 21 • Nähere Aussagen zur institutionellen Ausgestaltung des Nutzungsregimes enthalten Weltraum- und Mondvertrag im Gegensatz zum SRÜ nicht22 •

c) Antarktisvertrag

Zweifelhaft erscheint, ob die Antarktis als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen ist23 • Der 1959 geschlossene Antarktisvertrag bringt lediglich ein "Interesse der gesamten Menschheit" an der friedlichen Nutzung des Ökosystems zum Ausdruck24 . Spätere Forderungen der Entwicklungsländer, das Gebiet zum "common heritage" zu erklären, erwiesen sich als nicht konsensfähig25 • Im Vertrag 20 Art. 11 Abs. 1 des Agreement Goveming the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies vom 5. Februar 1979 (abgedruckt in ILM 18 (1979), S. 1434 ft). Vgl. dazu: MacDonald, FS für Bernhardt, S. 159 ff.; Kewenig, FS für Schlochauer, S. 394 ff.; Stocker, s. 97 ff. 21 Art. 11 Abs. 2 und 3 (gebietsbezogener Aspekt), Art. 4 (wissenschaftsbezogener Aspekt), Art. 2 (militärischer Aspekt), Art. 7 (ökologischer Aspekt), Art. 11 V-VII (nutzungsbezogener Aspekt). 22 Im Weltraumvertrag fehlen entsprechende Vorgaben. Der Mondvertrag legt in Art. 11 Abs. 7 nur allgemeine Regelungen für ein zukünftig auszugestaltenes Nutzungsregime fest, organisatorische Vorgaben finden sich indes nicht. 23 Zustimmend: Stocker, S. 85, der eine Anwendung allein mit den im Vertrag vorhandenen Teilaspekten begründet. Ablehnend: Fitschen, Common Heritage, S. 154 f., Rn. 18 f. 24 Abs. 2 der Präambel des Antarktisvertrages vom I. Dezember 1959 (abgedruckt in ILM 19 (1980), S. 860 ff.). Zur Frage der Bedeutung des ,.Common-heritage"-Prinzips im Rahmen des Antarktisvertrages vgl. näher: Stocker, S. 77 ff. ; MacDonald, FS für Bemhardt, s. 155 ff. 25 V gl. die Resolutionon the Question of Antarctica, Council of Ministers of the OAU, 42nd Ordinary Session, 10--17 July 1985, Addis Abeba/Ethiopia, UN-Doc. N40/666, Annex II, Ziffer 1.

A. Sektorale Konzepte

269

sind zwar Teilaspekte des Menschheitsecbe-Gedankens enthalten26 • Es mangelt aber an den gebiets- und nutzungsbezogenen Elementen. Die Antarktis stellt kein Territorium dar, das der Aneignung durch Nationalstaaten und der Begründung von Verfügungsrechten entzogen werden sollte. Auf das Gebiet des Südpols hatte man bereits Gebietsansprüche erhoben, die mit Hilfe des Vertrags lediglich "eingefroren" wurden27 • Auch das durch Zusatzabkommen vereinbarte, allerdings nicht wirksam gewordene Regime für den Abbau mineralischer Ressourcen28 enthält keine Regelungen zur Verteilung der Erträge aus der Nutzung dieses Gebiets auf die gesamte Staatengemeinschaft.

d) Ergebnis

Die Verwendung des Konzepts des "common heritage of mankind" in den genannten Verträgen läßt auf seine inhaltliche Konkretisierung in Form von fünf Einzelbestandteilen schließen: - einem gebietsbezogenen Aspekt (Verbot der Begründung staatlicher Hoheitsgewalt über das Gebiet); - einem forschungsbezogenen Aspekt (Freiheit und Kooperation im Bereich der Wissenschaft); - einem friedenssichemden Aspekt (Verbot der militärischen Nutzung); - einem nutzungsbezogenen Aspekt (Teilhabe aller Staaten an der Nutzung der Ressourcen und den daraus entstehenden Erträgen); - und einem ökologischen Aspekt (Erhaltung des Naturgutes). Diese Elemente werden auch nach überwiegender Ansicht der Völkerrechtswissenschaft mit dem Konzept verbunden29 • Verschiedentlich findet sich zusätz26 Art. II, III (forschungsbezogener Aspekt), Art. I (militärischer Aspekt), Art. V, IX Abs. I (f) (ökologisches Element). Das ökologische Element wurde durch das Protocol on Environmental Protection to the Antarctic Treaty vom 4. Oktober 1991 (abgedruckt in ILM 30 (1991), S. 1461 ff.) verstärkt. 27 Art. IV des Vertrages. 28 Convention on the Regulation on Antarctic Mineral Resource Activities vom 2. Juni 1988 (abgedruckt in Hohmann, Basic Documents, Bd. 3, unter 67 b)). Mit dem lokrafttreten des Umweltprotokolls wurde die Möglichkeit einer Nutzung mineralischer Ressourcen für mindestens 50 Jahre zurückgestellt. 29 Kewenig, FS für Schlochauer, S. 400; Stocker, S. 152 ff.; Riede/, Public Interests, S. 81; Joyner, ICLQ 35 (1986), S. 191 f.; einschränkend auch Fitschen, Common Heritage, S. 158 f., Rn. 30; MacDonald, FS für Bemhardt, S. 154 f. Anders Bueckling, DRiZ 1981, S. 293 f., der das Konzept für nicht konkretisierungsfähig hält.

270

4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

lieh eine Einbeziehung des Erfordernisses eines institutionalisierten Nutzenverteilungsregimes30. Losgelöst von der Frage der rechtlichen Einordnung der Konzeption des "cornrnon heritage" 31 wird seine Anwendbarkeit nach den untersuchten Vereinbarungen auf Naturgüter beschränkt, die außerhalb des Territoriums der Nationalstaaten liegen32 . Regelungen zur Erhaltung tropischer Regenwälder lassen sich nach dieser Inhaltsbestimmung somit nicht auf das Konzept stützen.

2. Ausweitung des "Common-heritage"-Konzepts auf Gebiete im Territorium von Staaten Etwas anderes könnte allerdings dann gelten, wenn die Konzeption des "common heritage of mankind" über den dargestellten, herkömmlichen Anwendungsbereich hinaus eine Ausweitung auf Naturgüter im Staatsgebiet erfahren hätte. Für eine derartige Erweiterung spricht, daß sich auch dort Ressourcen befinden können, die von so überragender Bedeutung sind, daß eine Einschränkung einzelstaatlicher Verfügungsfreiheit zugunsten der Staatengemeinschaft und der Nachwelt angemessen erscheint33 . Gerade aus Gründen des Umweltschutzes wird eine solche Erweiterung in der Literatur vielfach gefordert34. Sie wäre hingegen nur möglich, wenn man die oben genannten Einzelbestandteile des Konzepts modifiziert. Hinsichtlich des gebietsbezogenen Elements der Konzeption erscheint es kaum realistisch, eine Aufhebung der rechtlichen Zuordnung eines Umweltgutes zum Belegenheilsstaat zu verlangen. Allerdings wäre es denkbar, eine Verpflichtung des betreffenden Staates anzunehmen, bei seinen Entscheidungen über die Nutzung der Ressource die Interessen der Staatengemeinschaft

°

3 Christo/, IL 14 (1980), S. 450 f.; Kiss, RdC 175 (1982 II), S. 135, 164; Joyner, ICLQ 35 (1986), s. 191 f. 31 Aufgrund des Streites um die Ausgestaltung des nutzungsbezogenen Moments des Konzepts im Rahmen des SRÜ und des geringen Ratifikationsstands von Mond- und Weltraumvertrag lehnen die Rechtsverbindlichkeit der "Common-heritage"-Konzeption ab: Cassese, S. 391; Stocker, S. 175 ff.; wohl auch lpsen/Fischer, S. 829, §56, Rn. 29. Dieser Begründungsansatz dürfte sich mit dem lokrafttreten des SRÜ teilweise überholt haben. Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 73, IV 2 c), Wolfrum, ZaöRV 43 (1983), S. 329, sehen das Konzept als Bestandtteil der Völkerrechtsordnung an. Für ein im Entstehen begriffenes Völkerrecht: Kewenig, FS für Schlochauer, S. 402; wohl auch MacDonald, S. 170 f. 32 Pardo/Christol, S. 647, bezeichnen die Belegenheil des betreffenden Gebiets außerhalb nationaler Hoheitsbereiche als Tatbestandsmerkmal des Konzepts. 33 So im Ansatz auch Jagels-Sprenger, KJ 1991 , S. 409 f. , Arnold, IL 9 (1975), S. 158. 34 Jagels-Sprenger, S. 49 ff. ; dies., KJ 1991, S. 409 ff.; Stocker, S. 214 ff.; ansatzweise auch Kiss, RdC 175 (1982 II), S. 190 ff.; Hossain, S. 306 f.

A. Sektorale Konzepte

271

und der zukünftigen Generationen zu berücksichtigen35 . Konstruktiv entspricht dies dem Gedanken einer Treuhandschaft. Diese läßt die rechtliche Zuordnung eines Rechtsobjekts zum Rechtssubjekt bestehen. Sie begrenzt jedoch im Interesse Dritter die Ausübung derjenigen Befugnisse, die aus der Rechtsinhaberschaft abzuleiten sind. Mit der Anerkennung einer Treuhänderschaft des Staates über ein Umweltgut würde der ökologische Aspekt des "common heritage" in den Vordergrund treten. Während der wissenschaftliche und friedenssichernde Aspekt ohne größere Veränderung auf diesen Bestandteil ausgerichtet werden könnten, stellt sich die Frage nach der weiteren Bedeutung des nutzungsbezogenen Bestandteils. Bestimmt man die primäre Zielrichtung des Konzepts im Sinne einer Erhaltung bestimmter Umweltgüter im Territorium der Staaten, kann es nicht mehr darum gehen, den materiellen Nutzen aus der Bewirtschaftung der Ressource auf die gesamte Staatengemeinschaft aufzuteilen. Vielmehr wäre der "ideelle Bestandswert" der Ressource zugunsten aller Staaten sicherzustellen36 . An die Stelle von Regelungen zur wirtschaftlichen Nutzenverteilung könnten Vorgaben zur Lastenverteilung treten, mit deren Hilfe die Kosten für die Erhaltung des Umweltgutes auf die gesamte Staatengemeinschaft umgelegt werden 37 . Dies würde dem Solidaritätsgedanken, der dem Konzept des gemeinsamen Erbes der Menschheit innewohnt, entsprechen. Fraglich erscheint, ob sich für eine derartige Ausweitung des Konzepts Anhaltspunkte aus der Staatenpraxis ableiten lassen.

a) UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt von 1972

Ein erster Ansatz für eine derartige Erweiterung zeigt sich in der bereits erwähnten UNESCO-Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Ihre Präambel stellt fest, daß Teile dieses "Erbes" aufgrund ihrer außergewöhnlichen Bedeutung für die gesamte Menschheit und Nachwelt erhalten werden müssen 38 • Auch im Konventionstext39 klingt mit der Verwendung des Begriffs Fitschen, Common Heritage, S. 155 ff., Rn. 20 ff. So ausdrücklich Fitschen, Common Heritage, S. 155, Rn. 20; Stocker, S. 170; Schröder, Jahrbuch UTR 1993, S. 195. 37 Jagels-Sprenger, KJ 1991, S. 410; Stocker, S. 170 ff. 38 Abs. 3, 5 und 6 der Präambel. 39 So insbesondere in Art. 6 Abs. I der Konvention. 33

36

272

4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

"Welterbe" der "Common-heritage"-Gedanke an. Mit jenem läßt sich der Großteil der oben aufgeführten modifizierten Einzelaspekte in Verbindung bringen: So verpflichtet die Konvention die Nationalstaaten zum Schutz und zur Erhaltung des Kultur- bzw. Naturerbes in Bestand und Wertigkeit40 (ökologischer Aspekt). Dem steht eine Inpflichtnahme der Staatengemeinschaft zur Zusammenarbeit gegenüber41 • Sie findet ihren Ausdruck in den Vorgaben zur finanziellen Unterstützung der Belegenheitsstaaten42 (Lastenverteilungsaspekt43). Vorgesehen ist ferner eine wissenschaftliche Kooperation zur Erhaltung des Welterbes (forschungsbezogener Aspekt)44 • Die zwischenstaatliche Zusammenarbeit wird durch das Komitee für das Erbe der Welt45 abgesichert (institutioneller Aspekt), das allerdings nur über begrenzte Kompetenzen verfügt46 • Obwohl die Ausgestaltung des Welterbeansatzes der UNESCO-Konvention in Anlehnung an den Inhalt der Konzeption des "common heritage" möglich wäre, wird sie von der Völkerrechtswissenschaft kaum getragen47 • Hier überwiegen Ansätze, die den Gedanken des Welterbes allein als Ausdruck der treuhänderischen Bindung des Belegenheitsstaates an die Interessen der Staatengemeinschaft verstehen, ihm aber keinen konkreten Inhalt im Sinne der genannten Einzelbestandteile zuordnen wollen48 . Einige Autoren lehnen bereits eine Verbindung mit Art. 4 und 5 der Konvention. Art. 6 Abs. I. 42 Art. 13, Art. 15 ff., Art. 19 ff. Der Wirkungsgrad der internationalen Hilfe wird allerdings durch die Tatsache begrenzt, daß ihr ein subsidiärer Charakter beigemessen wird; vgl. Abs. 3, 6 der Präambel, Art. 13 Abs. 4, Art. 25 der Konvention. 40

41

So auch Stocker, S. 107, 123. Art. 4 S. 2 i. V. m. Art. 6 Abs. l und 2. 45 Art. 8 ff. 46 Der Gedanke des Schutzes von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten findet sich im Übereinkommen nicht. Er läßt sich allerdings aus der UNESCO-Konvention zum Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten vom 14. Mai 1954 (abgedruckt in 249 UNTS 240) ableiten. 47 Im Sinne einer solchen Auslegung: Stocker, S. l 06 ff. Ausdrücklich verneinend: Kewenig, FS für Schlochauer, S. 400, der eine Interpretation des Welterbeansatzes der UNESCOKonvention in Übereinstimmung mit den herkömmlichen "Common-heritage"-Bestandteilen nicht für möglich hält. 48 Fitschen, Internationaler Schutz des Kulturerbes, S. 195: "Da die Vertragsstaaten aber zugleich den "Welterbe"-Charakter der betreffenden Güter anerkennen, ist die Souveränität, soll der Begriff nicht völlig leerlaufen, nicht mehr völlig schrankenlos. Damit wird in der Konvention erstmals ein "Recht" oder "Interesse" der Staatengemeinschaft an im übrigen nationalem Liegenschaftsrecht unterworfenem Gebiet anerkannt". Diese Aussagen entsprechen dem Gedanken der Treuhandschaft. Ähnlich auch Meyer, EU 2 ( 1976), S. 51; Kiss, RdC 175 (1982 II), S. 171. So wohl auch Lyster, S. 208. 43

44

A. Sektorale Konzepte

273

dem Treuhandaspekt ab und sehen im Bekenntnis zum "Welterbe" lediglich einen Ausdruck für die Anerkennung einer formellen völkerrechtlichen Kooperationspflicht49.

b) Weitere Ansätze für eine Anwendung des "Common-heritage "-Gedankens auf Umweltgüter unter staatlicher Jurisdiktion Die Verwendung des "Common-heritage"-Gedankens im Zusammenhang mit Umweltgütern unter staatlicher Jurisdiktion hat nach der Formulierung der UNESCO-Konvention weiteren Eingang in die Staatenpraxis gefunden. Dieser Praxis liegt allerdings keine einheitliche Begriffskonzeption zugrunde. So wurde der Gedanke des Menschheitserbes teilweise lediglich als allgemeines Verantwortungs- bzw. Kooperationspostulat verstanden. Dies läßt sich anband des Schlußdokumentes der UN-Habitat-Konferenz aus dem Jahr 1976 verdeutlichen, das formuliert: "Environment is the common heritage of mankind and its protection is the response of the whole international community."50 An anderer Stelle finden sich Verknüpfungen mit dem Gedanken der Treuhandschaft. So spricht das Abkommen von Barcelona zum Schutz des Mittelmeers von der Verantwortung der Staaten "to preserve this common heritage for the benefit and enjoyment of present and future generations"51 • Eine vergleichbare Ausrichtung zeigt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in bezug auf die Auslegung einer EG-Vogelschutzrichtlinie: " ... in einem Fall, in dem die Verwaltung des gemeinsamen Erbes den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet anvertraut wurde ... "52 Ein wieder anderer Ansatz ist aus dem International Undertaking on Plant Genetic Resources der FAO aus dem Jahre 1983 abzuleiten. Dieser erinnert an die herkömmliche Ausgestaltung des "Common-heritage"-Gedankens im Sinne eines

Genius-Devime, S. 281; wohl auch Goy, NYIL IV (1973), S. 131. Habitat Report, UN Conference on Human Settlements, 31 May-11 June 1976, Vancouver/Canada, UN-Doc. A/CONF.70/l5, S. l. 51 Abs 2 der Präambel der Barcelona Convention for the Protection ofthe Mediterranean Sea vom 16. Februar 1976 (abgedruckt in ILM 15 (1976), S. 285 ff.). Der Konventionstext enthält keine Kriterien, die an die Bestandteile des "Common-heritage"-Ansatzes erinnern würden. Insbesondere fehlt es an Vorgaben für eine Lastenverteilung. 52 Kommission der EG gegen das Königreich der Niederlande, Nichteinhaltung einer Richtlinie- Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, Urteil des EuGH, Slg. 1990 I, S. 851 (885 f., Ziffer 28). 49

50

18 Krohn

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4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

Nutzenverteilungsregimes53 • Pflanzliche genetische Ressourcen wurden dabei als "heritage of rnankind" angesehen54 . Sie sollten für eine Bewirtschaftung erforscht und geschützt werden sowie für wissenschaftliche Untersuchungen zugänglich sein55 • Im wesentlichen war die Entschließung jedoch darauf gerichtet, allen Staaten einen ungehinderten Zugriff auf genetische Ressourcen im Territorium anderer Staaten und die Möglichkeit ihrer Nutzung zu eröffnen56 • Dieser Ansatz konnte sich in der Staatenpraxis allerdings nicht verfestigen57 •

c) Ablehnung einer Ausweitung des Konzepts im Vorfeld zu UNCED Erhöhte Beachtung enthielt das Prinzip des "common heritage of mankind" schließlich im Vorfeld zu UNCED. 1988 unterbreitete Malta der UN Generalversammlung den Vorschlag, das Klima zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären58 . Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen dem Aspekt des Menschheitserbes und der Notwendigkeit einer Erarbeitung globaler Strategien zum Klimaschutz im Interesse der gesamten Menschheit hergestellt59 • Es fand also eine Verknüpfung des Aspekts des "common heritage" mit dem Gedanken eines Kooperationspostulats statt. Zwar stieß die Anregung zu einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit in Klimafragen auf einhellige Zustimmung60• Das Kon53 Resolution 8/83 der FAO-Konferenz vom 23. November 1983 (abgedruckt bei Hohmann, Bd. I, unter 3 t). 54 Präambel, I. Abs. (a); Art. I S. 2. 55 Art. I. 56 Art. 5.

Vgl. dazu näher Henne, S. 99 ff. Entwurf einer Declaration Proclaiming Climate as Part of the Heritage of Mankind, UN-Doc. N43/241 vom 9. September 1988. 59 Declaration Proclaiming Climate as Part of the Heritage of Mankind, Explanatory Memorandum, UN-Doc. N241, S. 2, Ziffern I, 3 und 4. Vgl. auch die Erklärung Maltas im Rahmen der Diskussion im 2. Komitee der Generalversammlung, UN-General Assembly, 43rd Session, Summary Record of the 25th Meeting of the Second Committee, 27 October 1988, UN-Doc. NC.2/43/SR.25, Ziffer 15: "The problern of climatic change was one of such magnitude that there must be some means of ensuring that the relatively limited resources available were effectively utilized in the interest of all mankind." 60 Zur Diskussion des Vorschlages im 2. Komitee der Generalversammlung vgl. insbesondere: UN-General Assembly, 43rd Session, Summary Record of the 21st Meeting, 24 October 1988, UN-Doc. NC.2143/SR.21. Ziffer 14 ff. ; Summary Record ofthe 22nd Meeting, 25 October 1988, UN-Doc. NC.2/43/SR.22, Ziffer 26 ff.; Summary Record ofthe 23rd Meeting, 25 October, UN-Doc. NC.2/43/SR.23, Ziffer, I ff. ; Summary Record ofthe 24th Meeting, 27 October 1988, UN-Doc. NCN.2/43/SR. 25, Ziffer 2 ff. 57

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A. Sektorale Konzepte

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zept des "common heritage" wurde jedoch lediglich im Sinne seiner herkömmlichen Begriffsbestimmung verstanden und bezüglich des Problems der Klimaveränderung nicht für anwendbar gehalten61 . Konsensfähig erwies sich nur eine Formulierung, die den Klimawandel als "gemeinsames Anliegen der Menschheit" einstuft62 . Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich im Rahmen der Bemühungen um ein Rechtsregime zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Der Bericht der World Commission on Environment and Development hatte eine Subsumtion der Spezies und genetischen Ressourcen unter den Begriff des gemeinsamen Erbes der Menschheit vorgeschlagen und in Übereinstimmung mit den oben aufgeführten Einzelbestandteilen ein Lastenverteilungsmodell für Umweltschutzkosten favorisiert63. Im Rahmen derVorverhandlungenzur Biodiversitätskonvention erwies sich eine solche Einordnung jedoch als nicht konsensfähig64 . Obwohl man hervorhob, daß die Anerkennung der Biodiversität als Erbe der Menschheit keine Nutzungsrechte der Allgemeinheit an Ressourcen unter staatlicher Souveränität begründen sollte65 , überwogen Bedenken, das Konzept könne entsprechend des FAO-Undertaking im Sinne freier Zugangsrechte verstanden werden66 • Seine 61 UN-General Assembly, 43rd Session, Summary Record of the 24th Meeting of the Second Committee, 27 October 1988, UN-Doc. A/C.2/43/SR.24, Ziffer 46. 62Protection of the Global Climate for Present and Future Generations, UN-Res. 43/53 vom 6. Dezember 1988 (abgedruckt bei Rüster/Simma, Bd. 4, unter Vl/C/06-12-88/1 ), Ziffer 1. 63 World Commission on Environment and Development, S. 162. 64 Vgl. den Report of the Ad Hoc Working Group of Legal and Technical Experts on Biodiversity on the Work oflts First Session, 28 November 1990, UNEP/Bio.Div./WG.2/l/4, Ziffer 3. Ursprünglich war vorgeschlagen worden, die biologische Vielfalt zur "cornmon resource" zu erklären; vgl. den Vorschlag des UNEP-Verwaltungsdirektors, abgedruckt in Rationalization of an International Convention on Biodiversity, Note by the Executive Director, 3 October 1989, UNEP/Bio.Div.l/2, Ziffern 8 und 9: ,,Because most temperate-zone agriculture depends on periodic infusions of genes from developing countfies to improve resistance to pests and deseases, to enhance yields and to adapt to changing conditions, it rnay be that temperate-zone nationswill derive far greater economic benefits from conserving native gene pools in the tropics than will tropical nations. This is all the more true because ofthe potential of genetic engineering. For these reasons biological diversity must be viewed as a cornmon resource, like the atmosphere and the oceans, in which all nations have a cornmon interest and towards which all have a cornmon responsibility." 65 Report ofthe Ad Hoc Working Group on the Work oflts Second Session in the Preparation for a Legal Instrument on Biodiversity on the Planet, 23 February 1990, UNEP/ Bio.Div. 2/3, Ziffer 11 : "Common Heritage did not imply the establishment of collective international rights to resources within national jurisdiction nor did it infringe upon permanent sovereignty over national resources". 66 Rosendahl, International Challenges 12 (1993), Issue 3, S. 12, 18.

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4. Teil: Konzeptionen zur Begründung einer globalen Verantwortung

Anwendung wurde daher unter Verweis auf souveräne Rechte zurückgewiesen. Die Biodiversitätskonvention wertet den Verlust der Artenvielfalt lediglich als ein "common concern of mankind"67 • Keinen Erfolg hatte schließlich ein Vorschlag des FAO-Committee on Forestry zur Ausarbeitung eines Entwurfs für eine Waldkonvention im Zusammenhang mit UNCED. Dieser bezeichnete die Wälder als ein "global heritage of mankind" und sprach von einem "global stewardship"68 • Insbesondere im Hinblick auf tropische Wälder hatten verschiedene afrikanische Staaten gefordert, diese zum gemeinsamen Eigentum der Menschheit zu erklären, um eine internationale Verantwortlichkeit für ihre Erhaltung zu begründen69 • Auch dieser Ansatz scheiterte jedoch überwiegend an Befürchtungen vor einer zu starken Einschränkung nationaler Verfügungsrechte. d) Ergebnis In der umweltvölkerrechtlichen Entwicklung fanden sich seit der Formulierung der UNESCO-Konvention zunächst Ansätze für eine Ausweitung des Konzepts des "common heritage of mankind" auf Ressourcen innerhalb der staatlichen Territorien. Diesen Ansätzen lagjedoch kein einheitliches Inhaltsverständnis zugrunde. Im Rahmen des Rio-Prozesses wurde die Anwendbarkeit der Konzeption auf Bereiche innerhalb staatlicher Jurisdiktion schließlich als solche verworfen70 • In Übereinstimmung mit verschiedenen Stimmen in der Literatur71 ist daher festAbs. 3 der Präambel. Schally, YIEL 4 (1993), S. 36, 41. 69 First African Regional Conference on Environment and Sustainable Development, Kampala Declaration on Sustainable Development, 16 June 1989 (abgedruckt bei Rüster/ Simma, Bd. I, unter l/B/16-06-89 b), Ziffer 48 (c): "Consequently, tropical forests should be considered the common property of the whole of mankind and as such should be protected through appropriate legislation and special funds". Diese Aussage wurde allerdings im Hinblick auf die klimastabilisierende Funktion der Waldareale getroffen. 70 V gl. allerdings die Declaration of Malta, 25th Convocation Pacem in Maribus, 15-18 November 1997, Malta (abgedruckt bei Burhenne!Robinson, Bd. 4, unter 18-11-97/1), in deren Ziffer I sich erneut eine Bezugnahme auf den "Common-heritage"-Gedanken findet: "Global Wealth and Welfare, including living resources and cultural and traditional knowledge, are our common heritage which must be managed sustainably ... ". Der Gedanke des Menschheitserbes ~ird hier erstmals mit dem Prinzip der nachhaltigen Bewirtschaftung in Verbindung gebracht. Nähere Aussagen zum Begriffsverständnis lassen sich aus der Erklärung aber nicht ableiten. 71 Kraft, S. 83; unter Verweis auf die Staatenpraxis auch: Schuppen, S. 177, Fn. 177; Bodansky, YJIL 18 (1993), S. 465; Burhenne-Guilmin!Casey-Lejkowitz, YIEL 3 (1992), s. 47. 67

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A. Sektorale Konzepte

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zustellen, daß sich das Konzept des "common heritage of mankind" nach dem derzeitigen Begriffsverständnis nicht auf Naturgüter im Territoriumder Nationalstaaten übertragen läßt. Damit kann es auch nicht zur Begründung einer internationalen Verantwortung für die Erhaltung der Regenwälder herangezogen werden.

111. Das Konzept des "common concern of mankind" Die bisherigen Ausführungen haben verdeutlicht, daß der Gedanke des "common concern of mankind" dort hervorgetreten ist, wo es um die Bewältigung von Umweltproblemen geht, die sich aus der Nutzung von Ressourcen im Territorium der Staaten ergeben, in ihren Folgen jedoch die gesamte Menschheit betreffen. Dies gilt insbesondere für die Problematik der Klirnaveränderung. Sie ist in erster Linie auf den Verbrauch von fossilen Brennstoffen innerhalb der Staaten zurückzuführen, hat aber Auswirkungen auf die weltweite Biosphäre. Auch der zunehmende Artenverlust, der mit Ausnahme der migratorischen Spezies bei oberflächlicher Betrachtung zunächst nur zu einer Verschlechterung des Umweltstandards im Staat selbst führt, wurde aufgrund der ökologischen Interdependenzen zwischen den Staaten als gemeinsames Anliegen der Menschheit gewertet. Der Entstehungsgeschichte der Rio-Konventionen zufolge stellt sich der Gedanke des "common concern of mankind" als eine Weiterentwicklung des Aspekts des "common heritage" für Sachbereiche unter staatlicher Jurisdiktion dar. "Common concern" impliziert ebenso wie "common heritage" ein Staatengemeinschaftsinteresse an einer bestimmten Art und Weise des Umgangs mit Naturgütern72 • Im Gegensatz zum Begriff des gemeinsamen "Erbes" bringt die Bezeichnung eines "Anliegens" jedoch keinen direkten Objektsbezug zwischen Umweltgut und Menschheit zum Ausdruck. Eine derartige Begriffswahl verhindert, daß das Konzept dahingehend verstanden werden kann, als wolle es die rechtliche Zuordnung der Ressource zum Belegenheitsstaat aufheben73• Fraglich ist, ob der Aspekt des "common concern of mankind" den Ausgangspunkt für die Begründung einer internationalen Verantwortung für die Erhaltung der Regenwälder als Ressourcen im Territorium bestimmter Staaten bilden könnte.

Beyerlin/Marauhn, S. 23. Brunnee/Nollkaemper, International Conservation 23 (1996), S. 309; ähnlich auch Steiger, NuR 1995, S. 440. 72

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4. Teil: Konzeptionen zur Begrundung einer globalen Verantwortung

1. Inhaltliche Bestimmbarkeil des "Common-concern"-Konzepts Rechtliche Relevanz kann dem "common concern" nur dann zukommen, wenn es sich als konkretisierungsfähiges Konzept erweist. Mit ihm müßten also bestimmte Verhaltensvorgaben in Verbindung gebracht werden können. Dies ist anhand seiner bisherigen Verwendung in der Staatenpraxis zu untersuchen.

a) Verwendung des Begriffs in der völkerrechtlichen Praxis aa) Internationale Klimaschutzbemühungen Mit Resolution 43/53 vom 6. Dezember 1989 erklärte die ON-Generalversammlung die Veränderung des globalen Klimas zum "common concern of mankind"74. Begründet wurde dies mit dem Interesse der gesamten Menschheit und zukünftiger Generationen an der Klimastabilitäe5. Die Generalversammlung forderte jeden Staat auf, Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimaveränderung zu ergreifen76. Die Resolution spricht ferner von der Notwendigkeit einer globalen Kooperation, wobei die Möglichkeit der Ausarbeitung einer universellen Konvention ausdrücklich Erwähnung findet77 • Diesen Aussagen zufolge ließe sich der Begriff "common concern" mit drei Einzelaspekten verbinden: der Verantwortlichkeit eines jeden Staates für die Erhaltung der Klimastabilität; dem Erfordernis einer internationalen Zusammenarbeit auf globaler Ebene sowie dem Erfordernis einer langfristigen, intergenerativen Betrachtungsweise. Nach Verabschiedung der ON-Resolution wurde der Begriff "common concern of mankind" in eine Vielzahl internationaler, zunächst rechtlich unverbindlicher Erklärungen zum Thema Erderwärmung aufgenommen78 • Trotz der im einzelnen 74 Protection of the Global Climate for Present and Future Generations of Mankind, GYRes. 43/53 (abgedruckt bei Rüster/Simma, Bd. 4, unter Vl/C/06-12/8911 ), Ziffer 1. 1s Ziffer 1, Abs. 11 der Präambel. 76 Ziffern 6 und 9. Diese Aufforderung richtete sich auch an internationale Organisationen. 77 Präambel Abs. II ; Ziffer 2, Ziffer 10 (e); ferner Ziffer 8. 78 Declaration of the Hague vom 11. März 1989 (abgedruckt bei Rüster/Simma, unter Vl/B/11-03-89), Abs. 3; Noordwijk Declaration on Atmosphere Pollution and Climate Change vom 7. November 1989 (abgedruckt bei Rüster/Simma, unter Vl/B/07-11 -89), Ziffer 7; Male Declaration on Global Warming and Sea Level Rise vom 18. November 1989 (abgedruckt im American University Journal of International Law and Policy 5 (1990), S. 602 ff.), Ziffer 1; Ministerial Declaration of the Second World Climate Conference vom 7. November 1990 (abgedruckt bei Rüster/Simma, unter Vl/B/07-11-90), Ziffer 4 der Prä-

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unterschiedlichen Wortwahl bringen alle Dokumente die aus der Generalversammlungsresolution ableitbaren Einzelaspekte zum Ausdruck. Neben der Verantwortung aller Staaten zur Durchführung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimaveränderung wird das Erfordernis einer internationalen Kooperation auf globaler Ebene anerkanne9 . Ferner findet sich ein Bekenntnis zu einer intergenerativen Perspektive80• Im Gegensatz zur Deklaration der UN-Generalversammlung werden diese Aussagenjedoch durch den Gedanken einer gerechten Verantwortungsverteilung modifiziert. So soll der Umfang der Maßnahmen zum Schutz des Klimas von der jeweiligen Leistungsfähigkeit des Staates und seiner Verantwortlichkeit für den bisherigen Klimawandel abhängen81 . Hierbei wird in erster Linie zwischen Industrie- und Entwicklungsländern unterschieden. Von Drittweltstaaten wird die Durchführung von Klimaschutzstrategien nicht nur in geringerem Maße eingefordert, sie sollen auch durch die Bereitstellung finanzieller Mittel und einen erleichambel; Protection ofGlobal Climate for Present and Future Generations ofMankind, GYRes. 44/207 vom 22. Dezember 1989 (abgedruckt bei Rüster/Simma, unter VI/C/22-12-89b), Abs. 1 der Präambel. Ähnlich auch Ziffer 3 des Abschlußdokuments eines Treffens von Rechts- und Politikexperten zum Thema Klimaschutz, worin das Klima als "common resource of vital interest" angesehen werde (Protection of the Atmosphere: International Meeting of Legal and Policy Experts: Statement vom 22. Februar 1989 (abgedruckt bei Rüster/Simma, unter Vl/B/22-02-89)). 79 Declaration of the Hague, Abs. 4 und 5; Noordwijk Declaration on Atmosphere Pollution and Climate Change, Ziffern 6 und 7; Male Declaration on Global Warming and Sea Level Rise, Ziffern (a), (b), 2, 3 und 11, wobei die Notwendigkeit eines globalen Handlungsrahmens in Ziffer 11 lediglich angedeutet wird; Ministerial Declaration ofthe Second World Climate Conference, Ziffern 4, 5, 28 und 29; GY-Res. 44/207, Abs. 9 der Präambel, Ziffern 1, 3, 4, 5, I 0 und 13; ähnlich die Erklärung des Expertentreffens vom 22. Februar 1989 hinsichtlich der Erarbeitung eines globalen Klimaschutzregimes, unter A 4, 7 und 11 . 80 Einen ausdrücklichen Verweis auf die Interessen gegenwärtiger und zukünftiger Generationen findet sich bereits im Titel der Resolutionen 43/53 und 44/207 der UN-Generalversammlung: Protection of (the) Global Climate for Present and Future Generations of Mankind; ähnlich die Declaration of the Hague, Abs. 5. Ziffer 8 der Noordwijk Declaration on Atmosphere Pollution and Climate Change sowie die Ziffern 7, 10 und 11 der Ministerial Declaration of the Second World Climate Conference formulieren demgegenüber eher ressourcenschutzbezogen. Sie verlangen, Klimaveränderungen zu vermeiden, die eine Anpassungsf