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German Pages 357 Year 1993
ALEXANDER RAT"
Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung neuer Verkehrstechnologien
Verkehrswissenschaftliche Forschungen Herausgegeben von Fritz Voigt
Band 47
Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung neuer Verkehrstechnologien dargestellt am Beispiel des Magnetbahnsystems Transrapid Von
Dr. Alexander Rath
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rath, Alexander: Möglichkeiten und Grenzen der Durchsetzung neuer Verkehrstechnologien dargestellt am Beispiel des Magnetbahnsystems Transrapid / von Alexander Rath. Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Verkehrswissenschaftliche Forschungen; Bd. 47) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-07727-X NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0506-7383 ISBN 3-428-07727-X
Vorwort Seit Fertigstellung dieser Arbeit sind nun mehr als drei Jahre vergangen. Auch nach der entscheidenden Veränderung der verkehrlichen Situation durch die deutsche Wiedervereinigung und der - trotz vereinzelter Rückschläge - zunehmenden Integration Europas gibt es auf dem Gebiet der Schnellbahnen wenig erkennbare Fortschritte in der Formulierung einer europäischen Verkehrspolitik. Weiterhin rangieren die Interessen nationaler Industriepolitik, die sich quasi in einem 'Eisenbahnnationalismus' manifestieren, weit vor einer internationalen Kooperation auf EG-Ebene, wie sie etwa in der Luft- und Raumfahrt praktiziert wird. Da ist es auch nicht verwunderlich, feststellen zu müssen, daß - trotz sich periodisch wiederholender Erfolgsmeldungen in den Medien - der Durchsetzungsprozess der Magnetbahn Transrapid eher auf Sparflamme kocht. Daran ändert auch nicht, daß derzeit wieder einmal eine neue und sogar von ihrem Nachfragepotential her interessante Referenzstrecke, die Verbindung Hamburg - Berlin, gefunden worden ist. Dort wurden mit der Eisenbahn bereits in den 30er Jahren Geschwindigkeitsrekorde mit 230 km/h gefahren und der berühmte 'Fliegende Hamburger', den man heute noch im Verkehrsmuseum in Nürnberg bewundern kann, verkehrte hier fahrplanmäßig mit über 200 km/ho Deshalb kann man jetzt schon und ohne große wissenschaftliche Untersuchungen grob abschätzen, daß die Projektbewertung im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung zum Ergebnis kommen wird, daß auf dieser Relation aufgrund der günstigen topographischen Bedingungen und der bereits vorhandenden Stadteinfahrten eine ICE-Verbindung schneller und zu niedrigeren Kosten realisiert werden kann. Bewundernswert dagegen ist die Leistung der französischen Verkehrspolitik auf dem Gebiet der Durchsetzung ihrer Schnellbahn, dem TGV. Während 1983 Vertreter der deutschen Eisenbahnindustrie die überragenden theoretischen Eigenschaften und Leistungsdaten des ICE's lobten, ohne bei seiner Dimensionierung an die Lichtraumprofile der Nachbarländer zu denken, mit der Folge, daß der ICE von heute nicht auf internationalen Routen eingesetzt werden kann, weil er schlicht zu breit ist, eröffneten die Franzosen bereits die
VI
Vorwort
Neubaustrecke Paris - Lyon und demonstrieren seitdem eindrucksvoll, wie man wirtschaftlich Schnellbahnen betreiben kann. Da spielt es wohl auch eine eher geringe Rolle, daß der TGV im letzten Jahr den Geschwindigkeitsweltrekord des ICE und auch die vorausberechnete Höchstgeschwindigkeit des Eisenbahnsysterns durchbrochen hat. So sehe ich denn zum jetzigen Zeitpunkt geringe Chancen auf eine absehbare Realisierung einer Referenzstrecke für die Magnetbahn Transrapid in Deutschland und somit auch für die Möglichkeit einer internationalen Vermarktung, obwohl ich weiterhin von einer langfristigen Durchsetzung der Magnetschwebetechnik im Verkehrswesen überzeugt bin. Danken möchte ich allen, die mir bei der Fertigstellung dieser Arbeit geholfen haben. Dies gilt vor allem für die wertvollen Ratschläge und Hinweise von meinen Lehrern Prof. Drs. mult. Fritz Voigt und Prof.Dr. Manfred Zachcial, für die Schreibarbeiten Dorothee Roddermann, für das Korrekturlesen Dipl.Geogr. Jürgen Mundorf und den vielen anderen mehr, die hier ungenannt bleiben. Besonderen Dank schulde ich auch dem früheren für die Magnetbahn zuständigen Abteilungsleiter im BMFT, Dr. Wolfgang Finke, der nach dem Erfinder der Magnetbahn, Hermann Kemper, detjenige war, der die technische Entwicklung der Magnetbahn über lange Jahre und gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt hat. Bonn, den 22. September 1992 Dr. Alexander Rath
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. 1 Einführung in die Problematik.. . . ..... . ......................... .. .....
1
1.2 Ziel und Gang der Untersuchung. ........ ......................... .....
2
1.3 Bisherige Entwicklungsverläufe und ökonomische Besonderheiten der Magnetbahn.... ................ ................................
4
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung .. ............................
9
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen................................... 2.1.1 Das BMFT als Initiator der Magnetbahnentwicklung ........ 2.1.2 Die Industrie als Entwickler...................................... 2.1.3 Die Projektbegleitung ............................................. 2.1.4 Die Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme mbH (MVP) . ...... . ...... . ......... . ..................... 2.2 Die Organisation des Magnetbahnentwicklungsprogramms ..... ... 2.2.1 Die Programmstruktur ...... ...... ... ........ ............... ...... 2.2.2 Der Projektbereich. .. ........ ...... ........... ..................... 2.2.3 Der Technologiebereich.. ......... ........ ... ..................... 2.2.4 Der Studienbereich ................................................ 2.3 Beurteilung der Organisationsstruktur. . ........... .....................
9 11 14 17
18 23 23 26 27 28 30
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn......................................
34
3.1 Technik..... .......... ......... ........ ...... ........... ............. ..... ... 3.1.1 Überblick............................................................ 3. 1.2 Fortbewegung ohne mechanische Einwirkung und Verschleiss.. ........... ....... ..... ............ ............ ...... ... 3.1.2.1 Tragen und Führen ...... ...... ........... ........... .......... 3.1.2.2 Berührungsfreies Antriebssystem..... .. ........... .......... 3.1.2.3 Steigfahigkeit................................................... 3.1.2.4 Aufgeständerte Fahrbahn.... ............ .......... ........ ...
35 35 38 38 39 41 42
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Inhaltsverzeichnis
3.1.3 Potentiale für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit durch technische Weiterentwicklung .............. .......... ........... 3. 1.3. I Fahrzeugtechnik................................................ 3.1.3.1.1 Sichere Magneträder ....... ........ ......................... 3. 1.3. 1.2 Bordnetz . ..... .. . ...... .. . .... .... . . . ..... .. .... . .. . . ..... . . . . 3. 1.3. 2 Fahrwegtechnik................................................ 3.1.3.2.1 Antriebssystem .............................................. 3. 1.3.2.2 Fahrweg und Weichen...................................... 3. 1.3.3 Bewertung der technischen Entwicklungspotentiale .. .. . .
43 43 44 45 46 46 47 49
3.2 Qualitätsprofil..............................................................
50
Geschwindigkeit ................................................... Massenleistungsfähigkeit .. ........ ........................ ....... Sicherheit............................................................ Berechenbarkeit ...................................... .............. Bedienungshäufigkeit. ............................................. Netzbildungsfahigkeit............................................. Bequemlichkeit............ .........................................
51 57 62 64 67 68 73
3.3 Kosten .......................................................................
76
3.3.1 Interaktionen zwischen Kosten und Qualitätsstandards ...... 3.3.2 Investitionskosten ..................................... ............. 3.3.2.1 Komponenten der Investitionskosten .................. ..... 3.3.2.2 Berechnungsmethodik . ........................................ 3.3.2.3 Entwicklung der Investitionskosten im Zeitablauf........ 3.3.3 Betriebskosten............... ......... .............................. 3.3.3.1 Kapitalkosten ..................... .............................. 3.3.3.2 Wartungs- und Instandhaltungskosten ...................... 3.3.3.3 Personalkosten................... .............................. 3.3.3.4 Energiekosten .... .............................................. 3.3.4 Kostenstrukturen ...................... .............................
78 80 83 88 91 93 93 95 96 97 98
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7
3.4 Die Position der Magnetbahn im zukünftigen Verkehrssystem .... 104 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Magnetbahn und Eisenbahn ...................................... Magnetbahn und Individualverkehr ...................... ....... Magnetbahn und Luftverkehr .................................... Gütertransport auf der Magnetbahn ........... . ... ... . . . . . . . . . . .
107 109 110 111
3.5 Die Schnellbahnentwicklung in Japan.... .............................. 115 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4
Das elektrodynamische Schwebeprinzip MLU ................ Die Elektromagnetbahn HSST der JAL ........................ Feasibilty-Studien in Japan.. ...... ............................... Bewertung der japanischen Magnetbahnentwicklung.. .......
116 118 119 121
Inhaltsverzeichnis
IX
3.5.5 Ersatzinvestitionen bei Schnellbahnsystemen.... .... .......... 122 3.5.6 Die Realisierung der Stadteinführungen beim japanischen Rad/Schiene-System Shinkansen............. .............. ...... 123 4. Umweltrelevante Auswirkungen aus dem Bau und Betrieb einer Magnetbahn .................... :............................................... 127 4.1 Umweltrelevante Eigenschaften des Magnetbahnsystems ........... 128 4.2 Auswirkungen während der Bauzeit .................................... 129 4.2.1 Landverbrauch ...................................................... 129 4.2.2 Erdbewegungen .... .................. ................ .............. 133 4.2.3 Rekultivierungsmöglichkeiten ................................... 134 4.3 Auswirkungen durch den Fahrbetrieb .................................. 135 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6
Lärmemissionen .................................................... Erschütterungen und Körperschall .. ................ ............ Wasserwirtschaft ................................................... Klima..................................................... ........... Zerschneidungseffekte ... ........ ............ ... ......... ......... Schadstoffemissionen.. ........... ......................... ........
4.4 Quantifizierung der ökologischen Effizienz von Verkehrsmitteln
135 137 138 139 140 142 143
5. Schätzung der Nachfrage .................................................... 146 5. 1 Allgemeine Verkehrsprognosen .. ... . ...... . .. . . . . . ...... ... . .. . . . . .. . .. 146 5.1.1 Die Prognose der PROGNOS AG (1985) ...................... 5. 1.1.1 Annahmen und Ergebnisse................................... 5.1.1.2 Kritik an den Ergebnissen .................................... 5.1.2 Die Entwicklung der Verkehrsnachfrage nach der Jahrtausendwende.. .. . . . . . .. . .. . . .. .. .. .. . . . . . .. .. .. .. . . .. . . . .. . . . . 5.1.2.1 Datenbasis und Methodik ..................................... 5.1.2.2 Kritische Wertung der Ergebnisse ........................... 5.2 Überblick über Verkehrsprognosen von Schnellbahnsystemen .. . . .
146 146 150
5.2.1 Prognosen bis Ende der 70er Jahre........ ...................... 5.2.2 Globalstudie ........................................................ 5.2.2.1 Annahmen und Ergebnisse ................................... 5.2.2.2 Kritik ............................................................ 5.2.3 DFVLR-Szenarien über ein europäisches Schnellbahnnetz.. 5.2.3.1 Annahmen und Ergebnisse ................................... 5.2.3.2 Kritik............. ........ ................ ........... ............
154 155 155 157 157 157 160
151 151 151 154
x
Inhaltsverzeichnis
5.2.4 Das Verkehrsnachfrage-Modell der BVU ...................... 161 5.2.4.1 Schätzergebnisse ............................................... 163 5.2.4.2 Kritik und Schlußfolgerungen............................... 164 5.3 Feasibility-Studien .................. ....................... ... ...... ...... 166 5.3.1 Frankfurt - Paris ..... ........... ..... .............. .......... ...... 5.3.1.1 Annahmen und Ergebnisse ........................... ........ 5.3.1.2 Kritik .......... ......... ......... ..... .................. ... ...... 5.3.2 Verkehrsaufkommenschätzung der Voruntersuchung zur Anwendbarkeitsstudie einer Magnetbahn ...................... 5.3.2.1 Annahmen und Ergebnisse ................................... 5.3.2.2 Kritik............................................................ 5.3.3 Missing Links ...................................................... 5.3.3. 1 Annahmen und Ergebnisse................................... 5.3.3.2 Kritik ............................................................ 5.3.4 Bilaterale Studie der Schnellbahnverbindung ParisBrüssel-Köln (Phase 1). ...... ......... ............................ 5.3.4.1 Annahmen und Ergebnisse ................................... 5.3.4.2 Kritik ............................................................ 5.3.5 Trilaterale Studie der Schnellbahnverbindung ParisBrüssel-Köln/ Amsterdam (Phase 11) ............................ 5.3.5.1 Annahmen und Ergebnisse................................... 5.3.5.2 Kritik ............................................................ 5.3.6 Alpentransversalen ................................................. 5.3.6.1 Annahmen und Ergebnisse ................................... 5.3.6.2 Kritik ............................................................ 5.4 Der Modalsplit im Personenverkehr. ................................... 5.4.1 Verfügbare Quellen und Schätzmethode ........................ 5.4.2 Das entfernungsabhängige Verkehrsaufkommen in der Bundesrepublik Deutschland..................................... 5.4.3 Der entfernungsabhängige Modal Split im internationalen Verkehr ............................................................. 5.5 Konsequenzen für den Einsatz einer Magnetbahn ....................
167 167 168 169 169 171 171 171 174 175 175 177 179 179 183 186 187 188 188 188 190 194 196
6. Bewertung von Schnellbahnsystemen ...... . .... . . . . . . . ... .. . .. .. .. .. . . . .. 20 I 6.1 Zielsysteme und Indikatoren zur Bewertung neuer Verkehrstechnologien ... . . . . . .. .. . . ..... . . ...... . ... .... . .... ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... 20 I 6.2 Gängige Bewertungsverfahren . . . . . .. ..... .. . ... . . . . . . . . . . . . ... ... . . . . . .. 202 6.2.1 Kosten-Nutzen-Analyse (KNA) .................................. 202 6.2.2 Nutzwertanalyse (NWA) .......................................... 202
Inhaltsverzeichnis
XI
6.2.3 Kostenwirksamkeitsanalyse (KWA) ............................. 203 6.3 Studie Paris-Brüssel-Köln/Amsterdam ................................. 204 6.3.1 Die angewandte Methodik ........................................ 6.3.2 Grenzen der Aussagefähigkeit finanzmathematischer Methoden der Investitionsrechnung ....... ...................... 6.3.3 Betriebswirtschaftliche Bewertungsergebnisse der Studie Paris-Brüssel-KölnlAmsterdam .................................. 6.3.4 Sensitivitätsanalysen ...............................................
204 207 209 211
6.4 Das Bewertungsverfahren im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung ...................................................................... 216 6.4.1 Entwicklung der Bewertungskonzepte im Zeitablauf.. ....... 6.4.2 Darstellung und Beurteilung der im BVWP enthaltenen Nutzen- und Kostenelemente ..................................... 6.4.3 Berücksichtigung von Umweltkriterien im gesamtwirtschaftlichen Bewertungsverfahren des BVWP ................. 6.4.4 Bewertung von Magnetbahnsystemen nach den Richtlinien der BVWP ................................................... 6.4.5 Weiterentwicklungen des Bewertungsverfahrens im BVWP ...............................................................
216 219 221 225 228
7. Finanzierung................................................................... 235 7.1 Staatliche Finanzierung................................................... 237 7.1.1 Finanzierung der Magnetbahn aus nationalstaatlichen Mitteln............................................................... 237 7.1.2 Die Finanzierung grosser Infrastrukturvorhaben aus der Perspektive der Europäischen Gemeinschaft................... 240 7.2 Private Investitionsfinanzierung ......................................... 245 7.2.1 Spezielle Modelle von Investitionsfinanzierungen in den USA ......................................................... 7.2. 1. 1 Projektfinanzierungen ........ . .................... .. .. ........ 7.2.1.2 Privatplazierungsrnärkte ...................................... 7.2.1.3 Vorzugsaktien .................................................. 7.2. 1.4 Finanzierungen durch Venture Capital ... . . . . . . . . . .. . ...... 7.2.1.5 Steuerfreie Bonds .............................................. 7.2.2 Langfristige Finanzierungsinstrumente auf dem EuroMarkt ................................................................ 7.2.2.1 Anleihen mit Optionsscheinen auf Anleihen ............... 7.2.2.2 Partly-Paid-Anleihen ..........................................
245 245 247 248 249 250 252 252 253
XII
Inhallsv.:rz.:ichnis
7.2.3 Möglichkeiten zur Reduzierung des Zinsänderungsrisikos .. 7.2.3.1 Swaps ............................................................ 7.2.3.2 Caps .............................................................. 7.3 Praktizierte Finanzierungen von infrastrukturellen Grossprojekten...... . . ..... .. .. .... . . . . . ........ . ...... . ............. .. . . . . . ...... 7.3.1 Finanzierung des Eisenbahnbaus im Deutschland des 19. Jahrhunderts........................................................ 7.3.2 Die Finanzierung der Strasseninfrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland.............................................. 7.3.3 Fallbeispiele von in jüngster Zeit praktizierten Finanzierungskonzepten bei infrastrukturellen Grossprojekten ....... 7.4 Ein privatwirtschaftliches Finanzierungskonzept für Magnetbahnprojekte. ...............................................................
253 255 256 257 257 258 262 266
8. Planungs- und Genehmigungsverfahren .................................. 273 8.1 Das Raumordnungsverfahren ............................................ 8.1.1 Einleitung........................................................... 8.1.2 Durchführung....................................................... 8.1.3 Verfahrensabschluss ...............................................
273 275 275 276
8.2 Das Planfeststellungsverfahren .......................................... 276 8.2.1 Das Anhörungsverfahren ......................................... 278 8.2.2 Der Planfeststellungsbeschluss ................................... 280 8.2.3 Rechtswirkungen der Planfeststellung .......................... 281 8.3 Rechtliche Aspekte des Grunderwerbs für Neubaustrecken ......... 8.3.1 Flurbereinigungsverfahren ....................................... 8.3.2 Enteignung .......................................................... 8.4 Erfahrungen bei der Planung von Magnetbahnsystemen in der Bundesrepublik Deutschland............................................. 8.4.1 Planung und Bau von Demonstrations- und Versuchsanlagen. .............................................................. 8.4.2 Planungen von Magnetbahntrassen ..............................
282 283 284 284 284 287
8.5 Die Rolle der Bürgerinitiativen.......................................... 290 8.6 Beurteilung der Planungs- und Genehmigungsverfahren in der Bundesrepublik. ............. .......... . . ........ ....... . . . . . ....... 294
Inhaltsverzeichnis
XIII
9. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen.............................. 299 9.1 Systemvorteile ............................................................. 300 9.2 Kompatibilität .............................................................. 301 9.3 Kosten....................................................................... 303 9.4 Umweltbeeinträchtigung .................................................. 304 9.5 Nachfrage ................................................................... 305 9.6 Finanzierung ............................................................... 306 9.7 Planung und Genehmigung .............................................. 307 9.8 Schlussfolgerungen........................................................ 308
Literaturverzeichnis ............................................................... 311 Sachwortverzeichnis.... ... ...... .............. ................ ..... ............... 328
Tabellenverzeichnis Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.
2.1 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Tab. 3.7 Tab. 3.8 Tab. 3.9 Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 5.1 Tab. Tab. Tab. Tab.
5.2 5.3 5.4 5.5
Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
Tab. 6.6
Organisation der Beteiligten ....................................... Systemdaten der deutschen Schnellbahnen ....................... Steigfahigkeit verschiedener Schnellbahnsysteme .............. Klassifizierung der reisezeitrelevanten Faktoren ................ Einflußfaktoren auf die Reisegeschwindigkeit .................. Auslegungskonzepte der Magnetbahn ............................ Aktuelle Reisezeiten innerhalb des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes ................................................ Zusammenstellung der Einheitspreise bei Magnetbahnsystemen ............................................................... Abschreibungszeitraum und Anteil an den Investitionskosten von Magnetbahnkomponenten ............................ Haltepunkte des Shinkansen im Vergleich zu bestehenden Bahnhöfen ....................................................... Schadstoffemission verschiedener Verkehrsmittel .............. Reihung der Landverkehrsmittel nach ihrer Umweltgefahrdung ........................................ ;, ...................... Geschätztes Verkehrsaufkommen für verschiedene Planfälle in der Bundesrepublik ............ , ............................ Umfang des Verkehrsaufkommens ................................ Wachstumsraten des Verkehrsaufkommens ...................... Ergebnisse der Regressionsanalyse ............................... Modal Split und Aufkommen der Bundesrepublik mit den Auslandsregionen im Personenverkehr ........................... Ergebnisse der Variantenvergleichsrechnung .................... Ergebnisse der Kosten-Erlös-Vergleichsrechnung .............. Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen .............................. Sensitivitätsanalyse nach absoluten Bilanzen .................... Bewertungskriterien in der Verkehrsplanung und beteiligte Fachdisziplinen ................................................ Kriterien zur gesamtwirtschaftlichen Bewertung von Verkehrsinvestitionen ...............................................
11
37 41 52 53 69 72
90 94 125 142 145 166 170 176 193 195 209 210 212 214 218 220
Tabellenverzeichnis
Tab. 6.7 Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.
6.8 6.9 7.1 7.2 7.3
Tab. 7.4 Tab. 8.1 Tab. 8.2
Nutzen-Kosten-Verhältnisse von Magnetbahnstrecken nach der Bewertung des BVWP ................................... Zielsystem des standardisierten Bewertungsverfahrens ........ Eigenschaften des Zielsystems ..................................... Jährlich gewährte Darlehen in Mio. ECU ....................... Geschätzte Investitionskosten ...................................... Praktizierte Finanzierungen von infrastrukturellen Großprojekten .............................................................. Struktur einer Magnetbahnfinanzierung in % des Kapitalbedarfs ................................................................. Ablauf des Genehmigungsverfahrens IV A-Bahn Hamburg ... Auflagen aus dem Raumordnungsverfahren .....................
XV
227 233 234 242 264 266 270 285 286
Abbildungsverzeichnis Abb. 2.1 Abb. 2.2 Abb. Abb. Abb. Abb.
2.3 3.1 3.2 3.3
Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 3.7 Abb. 3.8 Abb. 3.9 Abb. 3.10 Abb.3.11 Abb.3.12 Abb.3.13 Abb.3.14 Abb.3.15 Abb.3.16
Fördermittel des BMFT für den Schnellbahnbereich.. ... ...... Einengung der Magnetbahnkonzepte durch den Systementscheid .............................................................. Streckenverlauf der Transrapid-Versuchsanlage Emsland ..... Die Magnetbahn im Querschnitt .................................. Komponenten des Langstator-Linearmotors ..................... Der Stahl- und Betonfahrweg der Magnetbahn Transrapid............................................................ Funktionsprinzip der Stahlbiegeweiche .......................... Die Auswirkungen der Höchstgeschwindigkeit auf die Reisezeit...... . .......... . . . . . ..... . . . . . . .. . . .. . .. . . . . ..... . . . Die Bedeutung der Höchstgeschwindigkeit für die Reisezeit auf weiten Distanzen........................................... Transportkapazität verschiedener Zugkonfigurationen bei unterschiedlichem Fahrplantakt ......... ............ .......... Massenleistungsfähigkeit in Zügen/h und Richtung in Abhängigkeit von Höchstgeschwindigkeit und Haltepunktabständen bei einspurigem Verkehr.... ........ .... ......... ......... Massenleistungsfähigkeit im MSB-Güterverkehr in Abhängigkeit des Anteils an Personenzügen ............................ Hypothetisches Schienennetz der europäischen Hochgeschwindigkeitsbahnen ....................................................... Querschnitte der Fahrzeuge Transrapid 06 und 06 II ... ....... Investitionskosten für die freie Strecke (FrankfurtParis) .......... .... ... ......... .......... ............... ............... Länderspezifische Investitionskostenschätzung für die freie Strecke (Paris - BfÜssel - Köln/ Arnsterdam) .............. Sensitivitätsanalyse über Preise für Grundstücke und Erdbewegungen .. ....... . . ........ .. . . . ...... ... . .. . .. ... . . . . ..... . . . Investitionskostenkomponenten auf der Relation FrankfurtKöln.................................................................... Aufschlüsselung der Investitionskosten für stationäre Anlagen ...............................................................
12 25 27 39 40 48 48 55 56 59 60 61 70 75 81 82 85 87 92
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3.17 Abb.3.18 Abb.3.19 Abb.3.20 Abb.3.21 Abb. 4.1 Abb. 4.2 Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. 5.3 Abb. 5.4 Abb. 5.5 Abb. 5.6 Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb.5.10 Abb.5.11 Abb.5.12 Abb.5.13 Abb.5.14 Abb.5.15
Energieverbrauch alternativer Bahnsysteme in Abhängigkeit der Geschwindigkeit ........... ......................... .... ... Energieverbrauch bei durchschnittlichen Haltepunktabständen von 80 km................................................ Leistungsflihigkeit von Schnellbahnen............................ Konzeption des bivalenten Fahrweges ............................ Güterfahrzeug des Transrapid ..................................... Möglichkeit eines ebenerdigen Fahrwegs ........................ Der aufgeständerte Fahrweg einer Magnetbahn im Querschnitt und von der Seitenansicht................................. Flächenverbrauch und Erdbewegung beim Planungsfall Frankfurt-Köln ....................................................... Maximale Lärmemission deutscher Schnellbahnsysteme aus 25 m Entfernung................................................ Prognostizierte Personenverkehrsleistung für die Deutsche Bundesbahn ............................................... Durchschnittliche Reiseweite im nationalen Fernverkehr nach Fahrtmodi ................................................ Modal Split Personenverkehrsleistung im nationalen Fernverkehr ........................................................... Modal Split der Personenverkehrsleistung im nationalen Fernverkehr ....... ................... .............. ....... .... Prognostizierte Modalsplitentwicklung in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2030 .................. .......... ..... ... .... Entwicklung der Fahrzwecke in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2030 ................................................... Marktanteil des Schnellbahnverkehrs (500 km/h) am grenzüberschreitenden Gesamtverkehr ...... ....... .............. Modale Veränderung bei Realisierung der Testfalle........... Verkehrsaufkommen auf Teilabschnitten der fiktiven Magnetbahnstrecke Hamburg - Köln....... ............ ...... .... Verkehrsleistungen einer Magnetbahnstrecke ..... .............. Verkehrsaufkommen und -leistung der Magnetbahn nach Verkehrs märkten 1990.............................................. Auswirkungen von Geschwindigkeitssteigerungen auf den Modal Split ...................................................... Verkehrsvolumen eines europäischen Schnellbahnnetzes im Jahr 2000 .......................................................... Prognoseergebnisse Paris-BTÜssel-Köln.......................... Prognostizierte Verkehrsleistungen für die Rad/SchieneVariante 3 und die Magnetbahnvariante 4 .......................
XVII
98 99 102 105 111 130 131 132 136 147 148 149 150 152 153 159 162 163 165 167 173 174 176 180
XVIII
Abb.5.16 Abb. 5.17 Abb. 5.18 Abb.5.19 Abb.5.20 Abb.5.21 Abb.5.22 Abb. 6.1 Abb. 6.2 Abb. 7.1 Abb. 7.2 Abb. 7.3 Abb. 7.4
Abbildungsverzeichnis
Internationaler Eisenbahnverkehr auf den wichtigsten Quelle-Ziel-Relationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich des grenzüberschreitenden mit dem inländischen Verkehrsaufkommen ...................................... Entfernungsabhängiges Aufkommen im Personenverkehr zwischen zehn deutschen Ballungszentren ....................... Anteil des Individualverkehrs am Modal Split in Abhängigkeit von der Entfernung. ............... . . . . . . . . . . . ....... .. . . . . . Anteil des Eisenbahnverkehrs am Modal Split in Abhängigkeit von der Entfernung ......................................... Anteil des Luftverkehrs am Modal Split in Abhängigkeit von der Entfernung............ . ....... ........ . .. . . . . .. ...... . . . . ... Entwicklung des TGV-Verkehrs auf den bedienten Strecken.............. .. ... . . . ..... . . .. ... . .. ... ......... . .. . . ....... . . Struktur der Zahlungsströme ...................................... Vorgehensweise zur Ermittlung der Wertrelationen und Gewichte... ............ ...... ........ .. ..... . . ... ....... . .. .. ..... . . .. Cash-Flow-Vergleich: Industrie- und Infrastrukturinvestitionen ........... .... . . . ........ ... .. . ............. . . . . . .... . . .. Unsicherheit und Kapitalbedarf in den verschiedenen Entwicklungsphasen einer Magnetbahnbetreibergesellschaft und eines konventionellen Unternehmens............................. Auswirkung alternativer Zinssätze und Bauzeiten auf die Zinskosten bis zur Inbetriebnahme einer Schnellbahntrasse. .. Staatliche Ausgaben und Einnahmen im Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland..................................
181 186 190 191 192 194 199 213 231 235 236 254 261
Abkürzungsverzeichnis a.a.O. Abb. Abs. AG Bd. Bill. BMFT BMV BVU BVWP bzw. DB dB/A DEUFRACO DFVLR
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DLH Dok. ECU EDS EIB EML EMS EMU et.al. ETR GG GmbH Gok H. Hrsg. HSB HSST IABG IC ICE incl. IVA IVG JAL
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am angegebenen Ort Abbildung Absatz Aktiengesellschaft Band Billion Bundesminister für Forschung und Technologie Bundesminister für Verkehr Beratergesellschaft Verkehr und Umwelt Bundesverkehrswegeplan beziehungsweise Deutsche Bundesbahn Dezibel Deutsch-Französische-Kooperation Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt Deutsche Lufthansa Dokument European Currency Unit Elektrodynamisches Schwebeprinzip Europäische Investitionsbank Electro Magnetic Levitation Elektromagnetisches Schwebeprinzip Electric Multiple Unit et aliter Eisenbahntechnische Rundschau Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geländeoberkante Heft Herausgeber Hochleistungsschnellbahn High-Speed-Surface-Transport Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft Intercity Intercity Express inclusive Internationale Verkehrsausstellung Industrie-Verwaltungsgesellschaft Japan Airlines
xx JNR Kfz kHz km km/h kN KNA kW KWA Lkw m
Maglev max. MBB mm. Mio. Mrd. MLU MOT MSB MVP Nr. NWA o.J. 0.0. o.V. PBK PBK/A Pkm Pkw
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ROV RIS RTRI RWE s. S. sec. SNCF t
Tab. TDM TGV Tkm TR TRI TVE u.a. USA
Abkürzungsverzeichnis
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Japan National Railways Kraftfahrzeug Kilohertz Kilometer Kilometer pro Stunde Kilonewton Kosten-Nutzen-Analyse Kilowatt Kosten-Wirksamkeitsanalyse Lastkraftwagen Meter Magnetic Levitation maximal Messerschmitt-Bölkow-Blohm minimal Million Milliarde Magnetic Levitation Unit Japanisches Verkehrsministerium Magnetschwebebahn Magnetbahn-Versuchs- und Planungsgesellschaft mbH Nummer Nutzwertanalyse ohne Jahr ohne Ort ohne Verfasser Paris - BfÜssel - Köln Paris - BfÜssel - Kölnl Amsterdam Personenkilometer Personenkraftwagen Korrelationskoeffizient Raumordnungsverfahren RadiSchiene Railway Technical Research Institute Rheinisch-Westfalisches Elektrizitätswerk siehe Seite Sekunde Societe National de Chemin de Fer Tonne Tabelle Tausend Deutsche Mark Train a Grande Vitesse Tonnenkilometer TRANSRAPID Transrapid International Transrapid-Versuchsanlage Emsland unter anderem United States of America
Abkürzungsverzeichnis
v.
V vgI.
Wh
W +I
z.B.
-
von Volt vergleiche Wattstunden Wartung und Instandhaltung zum Beispiel
XXI
1. Einleitung 1.1 Einführung in die Problematik Neue Technologien halten in allen Lebensbereichen ihren Einzug und verändern in zunehmender Weise das Leben in unserer Welt. Nicht alle, langfristig einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen versprechenden technologischen Entwicklungen werden von der Industrie tatsächlich weiterverfolgt und auf den Markt gebracht. Wenn die Gewinnchancen im Vergleich zu den Entwicklungs- und HersteIlkosten erhebliche Risiken beinhalten, bedarf die Entscheidung über die Einführung einer neuen Technologie einer umfassenden, besonders sorgfältigen Prüfung. Die Entscheidungsfindung, welche Güter vor dem Hintergrund knapper Ressourcen mit welcher Technologie für welche Bedarfsträger produziert werden sollen, gehört zu den Grundproblemen der Volkswirtschaft. Die Einführung neuer Verkehrssysteme wirft dabei noch einige zusätzliche Probleme auf, denn der Verkehr an sich ist nicht nur ein orginäres oder abgeleitetes Konsumgut, sondern gleichzeitig auch eine Voraussetzung für den arbeitsteiligen Produktionsprozeß und die Bildung von Märkten, auf denen die produzierten Güter abgesetzt werden sollen. Hinzu kommt schließlich, daß das Verkehrssystem in nicht geringem Maße auch der räumlichen Durchsetzung staatlicher Macht dient. l In diesem Zusammenhang sei auf den Einfluß militärischer Überlegungen für den Auf- und Ausbau von Verkehrssystemen verwiesen. Die Entscheidungen, in welchem Umfang neue Verkehrstechnologien produziert werden sollen oder müssen, um die Funktionsfähigkeit der Volkswirtschaft zu optimieren, hat daher eine herausragende Bedeutung, die keineswegs nur an relativ kurzfristigen Gewinnmaximierungskriterien gemessen werden darf. Zu den Funktionen des Verkehrs vgl. VOIGT, Fritz: Verkehr, Band I, Berlin 1973, S. 7 Beispielen für den Zusammenhang zwischen Verkehrssystem und staatlicher Macht und wirtschaftlicher Entwicklung finden sich bei VOIGT, Fritz: Verkehr, Band 11. Bertin 1965. 1
ee. Eine Fülle von
1 R.th
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1. Einleitung
Die Eisenbahnen haben in vielen Teilen der Welt - mit Ausnahme der sozialistischen Länder, in denen der Zugang zum Straßenverkehr noch immer sehr eingeschränkt ist - ihre ursprüngliche Bedeutung als wichtigster Verkehrsträger an den Straßenverkehr verloren. Ihr Anteil am Personenund Güterverkehr ging in den letzten Jahrzehnten trotz expandierender Verkehrsmärkte kontinuierlich zurück. Nur dort, wo entscheidende Qualitätsverbesserungen - primär Geschwindigkeitserhöhungen - realisiert werden konnten, ist es möglich, dem Trend zum monostrukturierten, allein auf die Straße ausgerichteten Verkehrssystem mit all seinen Nachteilen erfolgreich zu begegnen. Auf den zum größten Teil aus dem 19. Jahrhundert stammenden Eisenbahntrassen lassen sich Geschwindigkeitserhöhungen nur sehr begrenzt realisieren. Um eine Schnellbahn betreiben zu können, muß daher eine neue Infrastruktur geschaffen werden. Die Notwendigkeit einer neuen, aufwendigen Infrastruktur wirft dabei die Frage auf, ob man dann nicht gleich auf eine neue Technologie übergehen sollte, die leistungsfähiger zu sein verspricht als das konventionelle Rad/Schiene-System.
1.2 Ziel und Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gestellt, die Möglichkeiten und Grenzen zur Durchsetzung neuer Verkehrstechnologien am Beispiel der Magnetschwebetechnik zu analysieren. Sie will darlegen, unter welchen Konstellationen die Einführung des Magnetbahnsystems dem Neubau von Trassen in Rad-Schiene-Technik gesamtwirtschaftlich überlegen ist. Die dahingehende Bewertung ist insofern problematisch, als alle wichtigen ökonomischen Einflußfaktoren, die in die Nutzen-Kosten-Analyse einfließen (Investitions- und Betriebskosten, Nachfrage etc.), lediglich auf Annahmen und nicht auf abgesichertem Wissen basieren, da diese Einflußfaktoren sich auf Zustände beziehen, die etwa 5 bis 20 Jahre in der Zukunft liegen. Aus diesem Grund wurden, ausgehend von der 1980 erschienenen, vom Bundesminister für Verkehr in Auftrag gegebenen ABT-Studie, die sich mit den bis dahin erschienenen verkehrswissenschaftlichen Untersuchungen zur Schnellbahnforschung befaßt hat, alle verfügbaren Feasibility-Studien zu
1.2 Ziel und Gang der Untersuchung
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möglichen Anwendungsfällen der Magnetbahn seit 19802 systematisch ausgewertet hinsichtlich - des Angebotsprofils, - der Nachfrageprognosen, - der Kostenstrukturen, - der Berücksichtigung ökologischer Kriterien - der Bewertungskonzepte sowie - der Finanzierung. Darüberhinaus wurden die aus der für die Magnetbahnentwicklung gewählten Organisation und dem in der Bundesrepublik Deutschland besonders aufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren resultierenden Probleme und Besonderheiten in die Analyse miteinbezogen. Der nachstehende Abschnitt skizziert den bisherigen Verlauf der Magnetbahnentwicklung und stellt die ökonomischen Besonderheiten bei der Entwicklung und der Einführung dieser Verkehrstechnologie dar. Daran schließt sich in Kapitel 2 eine Analyse der Organisation der Magnetbahnentwicklung an. Das Angebotsprofil der Magnetbahn, das aus dem Zusammenwirken von Fahrzeug, Fahrweg und Betriebsprogramm unter Abgabe leistungsabhängiger Kosten resultiert, ist Gegenstand von Kapitel 3. Dazu werden zunächst die technischen Eigenschaften des Magnetbahnsystems Transrapid analysiert, um daraus dessen verkehrspolitisch relevante Qualitäten (Verkehrswertigkeiten) abzuleiten. Diesen werden anschließend die geschätzten Investitions- und Betriebskosten gegenübergestellt und mit denen des Rad/Schiene-Systems verglichen. In einem weiteren Schritt wird die mögliche Position der Magnetbahn im zukünftigen Verkehrssystem abgegrenzt, wobei auch die Möglichkeiten des Gütertransportes auf Magnetbahntrassen analysiert wird. Daran knüpft ein Exkurs über die Schnellbahnentwicklung in Japan an. Die Auswirkungen durch den Bau und Betrieb einer Magnetbahn auf die Umwelt behandelt Kapitel 4 und vergleicht diese mit dem Straßen- und Eisenbahnverkehr, um darzulegen, von welchem Verkehrsmitteln bei einem Neubau der Infrastruktur die geringsten Belastungen auf die Umwelt ausgehen. 2 Für die Zeit vor 1980 wurde bereits eine Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums durchgeführt: ABT Associated Forschung (1980): Auswertung verkehrswissenschaftlicher Untersuchungen zur Magnetbahnforschung, Bonn 1980.
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1. Einleitung
In Kapitel 5 wird die Problematik von Nachfrageprognosen am Beispiel verschiedener allgemeiner und spezieller Prognosen aus Schnellbahnstudien diskutiert und die Struktur der Nachfrage im Personenverkehr zwischen Ballungszentren in der Bundesrepublik Deutschland untersucht, um die Frage zu beantworten, ob Korridore für die Magnetbahn existieren, die vom Verkehrsaufkommen ausreichen, um eine Durchsetzung der Magnetschwebetechnologie ökonomisch zu rechtfertigen. Mit den gängigen Bewertungsmethoden für Infrastrukturinvestitionen setzt sich Kapitel 6 auseinander und zeigt mittels Sensitivitäts analysen am Beispiel der finanziellen und wirtschaftlichen Bewertung des Schnellbahnprojektes Paris - Brüssel - Köln/ Amsterdam, unter welchen Datenkonstellationen die Magnetbahn der fortgeschrittenen Eisenbahntechnologie überlegen ist. Die Möglichkeiten staatlicher und privater Finanzierungskonzepte werden in Kapitel 7 analysiert und mit bereits praktizierten Finanzierungen infrastruktureller Großprojekte verglichen, um darauf aufbauend einen Vorschlag für die Finanzierung von Magnetbahntrassen zu entwickeln. Dadurch soll die Frage beantwortet werden können, ob in dem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium der Magnetbahn auch eine grundsätzlich privat orientierte Finanzierung deren Durchsetzung gestattet. Kapitel 8 behandelt die Problematik der Planungs und Genehmigungsverfahren von Verkehrstrassen am Beispiel der Planungsprozesse der Deutschen Bundesbahn und untersucht die bisherige Planungspraxis beim Magnetbahnsystem. In diesem Kontext wird auch die Rolle von Bürgerinitiativen als hemmender Faktor für die Durchsetzung von infrastrukturellen Großprojekten untersucht. Im Kapitel 9 werden die Schlußfolgerungen aus der Analyse gezogen und dargestellt, unter welchen Bedingungen die Magnetbahn sich als neue Verkehrstechnologie durchsetzen kann.
1.3 Bisherige Entwicklungsverläufe und ökonomische Besonderheiten der Magnetbahn Erste fundierten Grundlagen zur Einführung eines Magnetbahnsystems legte die Arbeit von Hermann Kemper, der schon 1949 davon ausging, daß für eine Realisierung dieser Technologie keine schwierigen oder ungelösten
1.3 Bisherige Entwicklungsverläufe und ökonomische Besonderheiten
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Probleme mehr im Wege stehen.3 Die Idee Kempers wurde von der Industrie in Deutschland aber erst aufgegriffen und in funktionsfähige Prinzipmodelle umgesetzt, nachdem der Bundesminister für Verkehr 1969 eine Systemanalyse über mögliche spurgebundene Schnellverkehrstechnologien durchführen ließ und so Interesse und damit eine potentielle Nachfrage signalisierte.4 Die Zurückhaltung der Industrie, in diese neue Technologie einzusteigen, ist in erster Linie in den notwendig werdenden Investitionen begründet, von deren Kosten 60 bis 80 % auf den Antrieb und Energieversorgung einschließenden Fahrweg entfallen. Darüberhinaus unterscheidet sich das Magnetbahnsystem von der Einführung konventioneller Güter in folgenden ökonomisch relevanten Punkten: 1. 2.
3. 4.
5.
Die Lebensdauer des den Großteil der Investitionen ausmachenden Fahrwegs und damit der vorzusehende Abschreibungszeitraum ist außerordentlich hoch (mindestens 60 Jahre). Die Entwicklungs-, Planungs- und Bauzeit ist unter Berücksichtigung des Genehmigungsverfahrens und den bei Großprojekten dieser Art stets zu erwartenden Bürgerinitiativen ebenfalls schwer zu kalkulieren. Bei Schienenschnellfahrstrecken liegt sie je den nach topographischen Verhältnissen, der Siedlungsstruktur und den rechtlichen Rahmenbedingungen zwischen 7 (TGV Paris Lyon) und 20 Jahren (Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn). Der Kapitalbedarf für einen kommerziellen Anwendungsfall der Magnetbahn liegt je nach Schwierigkeit des Geländes zwischen 10 - 20 Mio. DM pro km Doppelspur. Es gibt nur geringe Möglichkeiten, eine einmal gebaute Strecke einer anderen ökonomische Verwendung zuzuführen. Ein Marktaustritt im Falle rückläufiger Nachfrage ist daher praktisch ausgeschlossen (Marktirreversibilität). Subadditivität; d.h. ein bestimmter Output kann von einem einzelnen Unternehmen zu geringeren Gesamtkosten produziert werden, als von jeder größeren Zahl von Unternehmen. Dieses Phänomen ist typisch für Versorgungsunternehmen mit einer Netzstruktur.5
3 KEMPER, Hermann: Elektromagnetische Schwebebahn - kurzer Abriß über die Idee und den Stand ihrer Verwirklichung, Göttingen 1949, S. 19. 4 Das Ergebnis dieser Systemanalyse bildet die sogenannte Studie über ein Hochleistungsschnellverkehrssystem - kurz HSB-Studie genannt. Diese ist mit sechs Bänden das wohl umfassenste Kompendium über die technischen Realisationsmöglichkeiten von Schnellbahnsystemen. 5 Vgl. Kruse, Jöm: Ökonomie der Monopolregulierung, Hamburg 1985.
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1. Einleitung
Die beiden letzten Punkte - Marktirreversibilität und Subadditivität - führen zur Entstehung sogenannter natürlicher Monopole, bei denen der Marktmechanismus zur Sicherung der ökonomischen Effizienz versagt. Erschwerend kommt die Komplexität des Magnetbahnsystems als Ganzes hinzu, da alle Subkomponenten, angefangen von Fahrzeug, Fahrweg, Energieversorgung und Betriebsorganisation zu einem umfassenden Gesamtsystem neu konzipiert und integriert werden müssen, wobei nur beschränkt auf bereits vorhandene Technologien oder Systembausteine zurückgegriffen werden kann. Da darüberhinaus zu Beginn der Entwicklung niemand voraussehen kann, ob die Magnetbahn bei ihrer Fertigstellung und Einführung anderen, insbesondere inzwischen schneller und kostengünstiger zu realisierenden Verkehrssystemen überlegen sein wird, fehlt der Magnetbahn der wirksamste Innovationsmotor: Die Chance mit ihr iiberdurchscllllittliche Gewinne zu machen.
Der Markt für spurgebundene Fernverkehrssysteme beschränkt sich auf der Angebotsseite auf wenige Großunternehmen mit den erforderlichen Entwicklungskapazitäten6 und auf der Nachfrageseite auf die potentiellen Betreiber - nationale Eisenbahn- oder Fluggesellschaften, die sich häufig ganz oder teilweise in Staatsbesitz befinden. Außerdem fällt zur Zeit noch in vielen Staaten einschließlich der Bundesrepublik Deutschland der Ausbau von Verkehrsinfrastruktur in die ausschließliche Kompetenz der jeweiligen Verkehrsministerien. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß der Markt für Magnetbahnsysteme durch große Unvollkommenheiten charakterisiert ist, die in der Marktstruktur "wenige Anbieter und Nachfrager", in dem gehandelten Gut, dem Magnetbahnsystem sowie in der Marktordnung (primär Markteintrittsbarrieren) begründet sind. Daraus erklärt sich, daß nur in Ländern, in denen der Staat die Entwicklungsarbeiten weitgehend finanziert, sich Unternehmen derartigen Aufgaben zuwenden. In anderen Ländern, selbst in den USA, in denen für mehrere Strecken ein akutes Interesse besteht, geschieht nichts. So verdankt die Magnetbahn ihre Entwicklung in erster Linie dem Umstand, daß die Bundesregierung unter dem Eindruck der immer größer wer6 Nach Auskunft von Krauss-Maffei existiert in Deutschland kein Unternehmen, das in der Lage ist, komplette Bahnsysteme (stationäre Anlagen, Fahrzeuge und Betriebsprogramme) allein anbieten zu können.
1.3 Bisherige Entwicklungsverläufe und ökonomische Besonderheiten
7
denden technologischen Lücke zwischen Europa und den USA ihr Forschungsbudget erheblich aufstockte und der Bundesminister für Forschung und Technologie (BMFT) mit dem Jahr 1970 begann, die Entwicklung neuer Bahnsysteme zu fördern. Damit setzte der BMFT einen Entwicklungsprozeß für Schnellbahnsysteme in Gang, in dem er Entwicklungsleistungen nachfragte. Das Angebot für diese Technologie existierte ja schon latent in Form technischer Konzeptionen, die auf ihre Realisation warteten, so daß mit dem Eingriff des Staates ein funktionierender Markt für Magnetbahnentwicklungen entstand. 7 Von der Rolle des Staates bei der Magnetbahnentwicklung streng zu trennen ist sein Vorgehen in Bezug auf die Einführung des Systems. Obwohl die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die in der Konzeption des Transrapid 07 gipfelt, weder das System in Frage stellenden Fehlschläge erlitt noch vor unlösbaren Problemen stand, konnte sich noch kein Bundesminister für Verkehr - die Magnetbahn wurde zwar als Option in den Bundesverkehrswegeplan 1985 aufgenommen - für einen ersten konkreten Anwendungsfall entscheiden. 8 Die Aktivitäten des Staates in der Magnetbahnentwicklung beschränken sich also immer noch auf das BMFT, wo sie mit Minister Riesenhuber den ersten Befürworter von Ministerrang gefunden hat. Mit der durch den erfolgreichen Versuchsbetrieb in Lathen erzielten wachsenden Anwendungsreife mehren sich nunmehr die Stimmen einflußreicher Politiker, die auf eine baldige Anwendung des Systems in der Bundesrepublik drängen. 9 Die Ursache für die bisherige Risikoscheu von politischen Entscheidungsträgern ist in deren relativ zur Entwicklungs- und Bauzeit kurzen Amtszeit begründet. Kurzfristig vorzeigbare Erfolge lassen sich nicht erreichen und mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Projekts können die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl herabsetzen. lO
7 Auch in Japan wurden mit staatlicher Förderung Magnetbahnsysteme bis an die Schwelle der Einsatzreife entwickelt. Vgl. hierzu Kap. 3.5. 8 Die endgültige Entscheidung über einen ersten Anwendungsfall in der Bundesrepublik sollte spätestens Ende 1989 fallen, wurde aber wieder herausgeschoben. 9 Ein Höhepunkt dieser Entwicklung gipfelte in dem Symposium "Magnetbahn Transrapid - eine Chance für den Norddeutschen Raum", am 2. November 1987. Dort setzten sich die vier deutschen Küstenländer für eine erste Referenzstrecke Kiel - Hamburg - Bremen - Hannover ein. Auch in der Ruhrgebietskonferenz im Februar 1988 wurde der Einsatz der Magnetbahn zur Verbesserung der Standortqualität dieser Region andiskutiert. 10 Hier spielen Widerstände in der Öffentlichkeit (z.B. Bürgerinitiativen) die Hauptrolle.
1. Einleitung
8
Eine europäische Kooperation, wie etwa in der Luft- und Raumfahrtentwicklung, die gegen eine starke Konkurrenz aus den USA antreten muß, gibt es auf dem Schnellbahnsektor in Europa nur in Ansätzen. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf den Erfahrungsaustausch und die Durchführung kleinerer Forschungsprojekte und Feasibility-Studien, deren Ergebnisse erkennen lassen, daß jeder Staat letzten Endes nur das national konzipierte System angewendet sehen möchte. Die Analyse der magnetbahnspezifischen Studien seit 1980 bestätigt schließlich eine der Feststellungen der ABT-Studie, daß die Neutralität des Tests und der wissenschaftlichen Beratung permanent durch die divergierende Interessenlage der jeweiligen Institutionen bzw. deren Auftraggeber gefährdet ist. l1 Mitursächlich dafür ist, daß jede denkbare rentable Investition in ein Magnetbahnsystem mit geplanten Neu- bzw. Ausbaustrecken der Deutschen Bundesbahn konkurriert und aus dem Verkehrshaushalt in Magnetbahn-Projekte einfließende Mittel nicht mehr für die Verbesserung des klassischen Eisenbahnnetzes zur Verfügung stehen. Dies erscheint auf den ersten Blick widersprüchlich, da die Eisenbahn als zukünftiger potentieller Betreiber des Magnetbahnsystems dieser Technologie positiv oder zumindest neutral gegenüberstehen müßte. Dem widersprechen aber Ergebnisse der Organisationstheorie und der Investitionsforschung, wonach traditionelle Abteilungen spezifischen Neuerungen kritisch gegenüberstehen. 12 Erst vor dem Hintergrund dieser skizzierten ökonomischen Besonderheiten werden die Schwierigkeiten deutlich, den Entwicklungsprozess zur Einführung der Magnetbahn als neue Verkehrstechnologie zu organisieren.
vgl. ABT (1980) S. 189. Vgl. MÄDING, Heinrich: Planungsprobleme bei neuen Infrastrukturen am Beispiel der Magnetschwebebahn, Frankfurt, 1986, S. 28. Eine andere Interpretation für die geringe Bereitschaft der Deutschen Bundesbahn, Innovationen aufzunehmen, findet sich bei KRACKE, Rolf: "Innovationen in der Rad/Schienetechnik und ihre Bedeutung für Investitionen im bestehenden Eisenbahnsystem, in: BMFT (Hrsg.): Ergebnisprotokoll der 23. Sitzung des ProDanach ist "die in dieser Hinsicht oft gejektkomitees für Bahnsysteme, 1982 S. 11. ringe Bereitschaft (.) wahrscheinlich in erster Linie auf die schwierige - um nicht zu sagen: desolate - finanzielle Lage der DB zurückzuführen: Ein Unternehmen, dessen eigentliche Produktionserträge die Gesamtkosten des Unternehmens nur zu etwa 45 % decken und dessen Zinsendienst mehr als 15 % vom eigenen Umsatz ausmacht, ist verständlicherweise gegenüber weitgreifenden technologischen Neuerungen, wenn diese zudem einen hohen Investitionsbedarf erfordern, sehr reserviert eingestellt." 11
12
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung In diesem Kapitel werden zunächst die an der Magnetbahnentwicklung beteiligten Gruppen und Institutionen vorgestellt und deren Aufgaben dargelegt. Daran schließt sich eine Analyse der Organisation des Förderprogramms an. Im letzten Abschnitt folgt eine Beurteilung der Organisationsstruktur.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen Die Organisation der Beteiligten regelt die Zusammenarbeit aller Gruppen, die an der Durchführung eines Förderprogramms mitwirken. Die Organisationsstruktur des Förderschwerpunkts "Bahnen" für die Weiterentwicklung des Rad/Schiene-Systems und der Entwicklung der Magnetbahntechnologie bis zur Anwendungsreife ist identisch. Der BMFf unterstützt als Auftraggeber verschiedene Projekte im Forschungsprogramm "Bahnen". Der Stand und die Ergebnisse der Einzelprojekte werden von den Beteiligten auf jährlichen Statusseminaren offengelegt und diskutiert.! Statusseminare sollen auch den informellen Kontakt durch persönliche Gespräche außerhalb des offiziellen Teils fördern, um so die Fähigkeit und Bereitschaft zur gemeinsamen Kooperation zu stärken. An den Projekten arbeiten Firmen, Hochschulinstitute, und andere Institutionen als Förderungsempfänger. Für die Magnetbahnentwicklung ergab sich ab dem Systementscheid von 19772 bis zur Inbetriebnahme der ersten Ausbaustufe der TransrapidVersuchsanlage im Emsland die folgende Organisation: 3
! vgl. FRENZEL, Dietmar; BAUR, Lutz: Ziele und Schwerpunkte staatlicher Förderung von Forschung und technologische Entwicklung für Bahnsysteme, in: ZEV-Glas. Ann. 105 (1981) Nr. 7/8 S. 196. 2 Eine ausführliche Darstellung des Systementscheids findet sich bei ROGG, Dieter; SCHULZ, Helmut: Systementscheidung bei der Magnetschwebetechnik, in: ETR Heft 11 1978 S. 721-728. Vor dem Systementscheid wurde die EDS-Technik von der "Projektgruppe Magnetschwebebahn" in Erlangen, einer Arbeitsgemeinschaft der Firmen AEG, BBC und Siemens entwickelt. Die EMS-Technik bearbeitete die von Krauss-Maffei und MBB gegründete
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2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
Sieben Industrieunternehmen schlossen sich 1978 zu dem Konsortium "Magnetbahn Transrapid" zusammen, um die erste Ausbaustufe der Magnetbahn-Versuchsanlage im Emsland einschließlich des Versuchsfahrzeuges zu bauen und in Betrieb zu nehmen.4 Die Federführung lag zunächst bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm; in der 2. Ausbauphase übernahm Thyssen-Henschel die Generalunternehmerschaft, nachdem das Konsortium Ende 1984 aufgelöst wurde. 2. Zur Durchführung und Auswertung des Versuchsbetriebs und der Versuchsergebnisse wurde die Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme mbH (MVP) gegründet. Deren Gesellschafter die Deutsche Bundesbahn, die Deutsche Lufthansa (DLH) und die Industrieanlagen Betriebsgesellschaft (IABG) sind. 3. Darüberhinaus wurden im Rahmen des die Magnetbahnentwicklung begleitenden Studien- und Technologieprogramms Untersuchungen durchgeführt, um erkannte oder noch zu erwartende Lücken und Schwachstellen gezielt zu verbessern.5 Zu Konkurrenzverzicht und Interessenneutralität verpflichtete Projektbegleitungen überwachen den Ablauf der Projekte und unterstützen das BMFT in fachlichen und administrativen Fragen sowie beim Management. Zusätzlich wird das BMFT von Gutachterausschüssen und Sachverständigenkreisen in fachlichen Fragen beraten. Dadurch sollen dem BMFT die notwendigen Entscheidungs- und Planungshilfen zur Verfügung gestellt werden. Ein Projektkommittee, bestehend aus Persönlichkeiten der Wirtschaft, Wissenschaft und der Behörden, bildet ein übergeordnetes Diskussionsforum zur vorlaufenden und begleitenden Konsensbildung. 6 Das Projektkommittee hat keine direkte Weisungsbefugnis gegenüber den einzelnen Projekten, sondern berät das BMFT in grundsätzlichen Fragen der Weiterentwicklung. Seine Förderungspolitik stimmt das BMFT mit anderen Bundesverwaltungen, Länderministerien, der Deutschen Forschungs-gemeinschaft, Kommunalverwaltungen und internationalen Organisationen ab. 1.
Arbeitsgemeinschaft "Transrapid E.M.S.", der sich Thyssen-Henschel und die TU-Braunschweig anschlossen. 3 Vgl. BAUR, Lutz: Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm, Köln 1982, S. 55. 4 Im einzelnen waren dies Messerschmitt-Bölkow-Blohm (Konsortialführer), Krauss-Maffei, AEG, Siemens, Thyssen, SEL und Dyckerhoff und Widmann. 5 Vgl. Ergebnisprotokoll der 25. Sitzung des Projektkommittees für Bahnsysteme, Bericht der Projektbegleitung, Lathen 1983, S. 15. 6 VgI.FRENZEL, Dietmar; BAUR, Lutz: Ziele und Schwerpunkte staatlicher Förderung von Forschung und technologische Entwicklung für Bahnsysteme, in: ZEV-Glas. Ann. 105 (1981) Nr. 7/8 S. 196.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen
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Das organisatorische Zusammenwirken der in die Magnetbahnentwicklung einbezogenen Institutionen veranschaulicht Tabelle 2.1. Tab. 2.1: Organisation der Beteiligten Abstimmung der Förderung andere Bundesressors, Länderministerien, Gemeinden, OFG, int. Organisationen, Industrie, andere Länder im Rahmen bilateraler Abkommen
Bundesminister für Forschung und Technologie
Bundesminister für Verkehr
Beratung und Kontrolle Gutachter und Sachverständige
Projektbegleitung
Projektkomitee
Arbeitsebene Unterauftragnehmer - Ingenieurbtiros - Fq.rschungsinstitutc - TUV-Rheinland - Sonstige
MVP (OLH IABG OB) Betrieb und Bewertung der Versuchsanlage
Entwicklerkonsortium Transrapid-International Anschubgruppe
Programmebene Technologie-Proramm - Verwertung tee nolo~scher Fortschritte - Sc ließen von Lücken - Optimierung der Subsysteme
Projekt bereich (Hauptentwicklungslinie ) - Systementwicklung - technische und - betriebliche Erprobung
Studien-Programm - Systemunteruntersuchunaen - begleitend'e Studien - Anwendbarkeitsstudien
Jährliche Statusseminare
2.1.1 Das BMFT als Initiator der Magnetbahnentwicklung Der Staat hat durchaus die Möglichkeiten, neue Technologien auf dem Markt einzuführen, falls die generelle politische Entscheidung hierfür gefallen ist. Hier lassen sich eine Reihe von Beispielen aus der Luft-und Raumfahrt anführen, die ohne staatliche Förderung nicht den heutigen hohen Entwicklungsstand erreicht hätten. Diesen Fällen war das starke Engagement der obersten politischen Führung gemeinsam. Bei der Magnetbahnentwicklung ist ein solches Engagement deutlich schwächer. So wird häufig nur von langfristig wirksamen Maßnahmen gesprochen, die irgendwann in der Zukunft die Situation des Verkehrssystems und die der Deutschen Bun-
12
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
desbahn verbessern sollen. Am stärksten hat sich bisher das BMFf für die Entwicklung der Magnetbahn eingesetzt, wobei trotz verschiedener Regierungskoalitionen eine weitgehende Kontinuität in der Magnetbahnförderung feststellbar ist. 7 Abb. 2.1: Fördermittel des BMFf für den Schnellbahn bereich
1,6 1,4
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1,2 1,0 0,8
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0,6 0,4 0,2
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bis 97
Quelle: Eigene Berechnungen nach DNr. 1/2 v. 31.1.88 "Briefe zur Verkehrspolitik" S. 5
Die vorstehenden Abbildung zeigt die bisher für die Magnetbahn- und Rad/Schiene-Forschung von seiten des BMFf aufgewendeten bzw. geplanten Fördermittel. Das stärkere finanzielle Engagement für die Magnetbahnentwicklung erklärt sich daraus, daß der BMFf die Versuchsanlage im Emsland finanzierte, während im Rad/Schiene-Bereich Versuchsfahrten auf
7 Während frühere Forschungsminister von der Magnetbahn als einer mittel- bis langfristigen Option zur weiteren Stärkung des Verkehrssystems sprachen, soll nach Auffassung von Minister Riesenhuber die Magnetbahn in die Lösung der anstehenden Verkehrsaufgaben eingebunden werden und das Leistungsangebot spurgeführter Verkehrssysteme deutlich verbessern als Voraussetzung dafür, Verkehrsanteile gegenüber den konkurrierenden Verkehrssystemen zurückzugewinnen.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen
13
bereits fertiggestellten Abschnitten der Neubaustrecken durchgeführt werden können. Die Anwendung der neuen Technologie wurde in der mittelfristigen Verkehrswegeplanung bis Anfang der 80er Jahre überhaupt nicht und im Bundesverkehrswegeplan 1985 erstmals als mögliche Option berücksichtigt.8 Berücksichtigt man dabei, daß Verkehrsinvestitionen in der Bundesrepublik Deutschland einen Planungsvoriauf von 10 Jahren haben, wird deutlich, daß mit einer Anwendung der Magnetschwebetechnik frühestens Ende der 90er Jahre gerechnet werden kann. Ohne die Perspektive einer baldigen Anwendungsstrecke der Magnetbahn ist keine stärkere Eigenbeteiligung der Industrie an der Entwicklung zu erwarten. Der technische Entwicklungsstand der Magnetbahn ist dagegen nach Auskunft führender Spezialisten so weit fortgeschritten, daß es schon bereits Ende der 80er Jahre möglich ist, diese Technologie kommerziell zu nutzen. Es finden sich in der Bundesrepublik Deutschland nur wenige Politiker, die sich für den Bau einer ersten Referenzstrecke persönlich einsetzen. Ausnahmen sind die Wirtschaftsministerin in Niedersachsen, die sich während einer Demonstrationsfahrt auf der Transrapid-Versuchsanlage im Emsland offen für eine baldige Anwendung des Systems eingesetzt hat, sowie der bayerische und hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister, die Interesse an einer Einführung der Magnetbahn bekundeten. Ein wichtiger Grund für die Entscheidungsscheu ist die im Verhältnis zur Entwicklungs- und Bauzeit relativ kurze Amtszeit von Politikern. Kurzfristig vorzeigbare Erfolge können nicht erreicht werden. Zudem würden Schwierigkeiten bei der Durchführung des Projektes die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl herabsetzen (vor allem Widerstände aus der Öffentlichkeit, Bürgerinitiativen etc.). Ohne das besondere Engagement der in der BMFTHauptabteilung (Magnetbahnentwicklung) tätigen Beamten, ohne den Einsatz der beteiligten Industrieunternehmen und ohne die Projektbegleitung wäre das Magnetbahnprojekt wahrscheinlich eingestellt worden, da die Industrie das Entwicklungsrisiko allein nicht tragen kann. Ohne eine politische Dimension und volle Unterstützung der Regierung bleiben die Möglichkeiten einzelner Staatsbeamter bei der Einführung neuer kostenintensiver Technologien sehr gering. Die tatsächliche Einfüh8 Der Bundesverkehrswegeplan von 1973 erwähnt zwar die Magnetschwebetechnik im Zusammenhang mit der Einführung einer Hochleistungsschnellbahn, fordert aber nur die Weiterentwicklung dieser Technologien. Vgl. BVWP: 1. Stufe 1973, S. 148 ff.
14
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
rung zur betrieblichen Nutzung des neuen Verkehrsmittels überschreitet aber die Kompetenz der Beamten des BMFf. Dies ist die Aufgabe der Bundesregierung, bzw. des BMV im Zusammenwirken mit den potentiellen Betreibern (OB und Lufthansa). 2.1.2 Die Industrie als Entwickler Die Industrie in der Bundesrepublik Deutschland wäre allein gar nicht in der Lage, ein Verkehrsmittel wie die Magnetbahn ohne staatliche Unterstützung zu entwickeln. Der private Unternehmer kann das Risiko einer so ausgeprägten Innovation im Verkehrswesen nicht allein tragen, da am Anfang der Entwicklung noch nicht feststeht, ob es den anderen Verkehrsmitteln wirklich überlegen sein wird und inwieweit deshalb große Teile des Verkehrsaufkommens auf sich ziehen kann. Es ist also nicht sicher, ob sich die für Investition und Betrieb erforderlichen Finanzmittel amortisieren und darüberhinaus noch ein akzeptabler Gewinn erwirtschaftet werden kann. Die Magnetbahn Transrapid hätte daher ohne staatliche Förderung kaum eine Entwicklungschance gehabt. Erst mit der finanziellen Förderung durch das BMFf konzipierte und bearbeitete die Industrie verschiedene Programm teile zur Entwicklung, Erprobung und Einführung der Magnetbahn.9 Die finanzielle Beteiligung der Industrieunternehmen an den einzelnen Programmteilen war bisher sehr niedrig. Mehr als die Hälfte (55,5 %) der von 1969 bis 1977 vom BMFf vergebenen Forschungsaufträge wurden zu 100 %, 85,4 % mit 80 % und mehr vom Staat gefördert. 10 Auch mit wachsender Anwendungsnähe der Magnetbahn konnte das BMFf bisher keine höhere Eigenbeteiligung der Industrie oder der potentiellen Betreiber, der Deutschen Lufthansa und der Deutschen Bundesbahn, erwirken. So wird auch der Versuchsbetrieb im Emsland fast zu 100 % gefördert. l1 Die Eigenbeteiligung der Industrie betrug im Zeitraum von 1969 bis 1987 etwa 100 Mio. DM (9 % der Fördermittel) bei der Magnetbahn- und etwa 150 Mio. DM (37 %) bei der RadjSchiene-Forschung. 12 Die höhere Eigenbeteiligung 9 Vgl. RASCHBICHLER, Hans Georg: Technische Möglichkeiten für Schnellbahnsysteme: Magnetbahnsysteme, Köln 1982, S. 91. 10 Vgl. RASCHBICHLER, Hans Georg: Technische Möglichkeiten für Schnellbahnsysteme: Magnetbahnsysteme, Köln 1982, S. 91. BMFf (Hrsg): Ausgewählte Beiträge vom Statusseminar in Konstanz 1977, S. 173 ff. 11 Eine Ausnahme bildet der Ausbau der Südschleife der TVE. Dort übernahm die Thyssen Henschel als Generalunternehmer - im Gegensatz zu dem Konsortium Transrapid - wieder nicht unerhebliche Eigenanteile an den Bau- und Entwicklungskosten. 12 Vgl. DNr. 1/2 v. 31.1.88 "Briefe zur Verkehrspolitik" S. 5.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen
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bei der Rad/Schiene-Forschung erklärt sich aus dem zeitlich parallelen Neubaustreckenvorhaben und dem daraus resultierenden Investitionsbedarf in Rad/Schiene-Fahrzeuge. Einer der Hauptgründe der Risikoscheu der Industrie- und Verkehrsunternehmen in dem jetzt erreichten Entwicklungsstadium liegt darin, daß noch immer keine konkrete Anwendung der Magnetbahn beschlossen ist, wodurch größere Aufträge zu erwarten wären. Im Vergleich hierzu erhielt die französische Eisenbahnindustrie bereits 1976 den Auftrag, 87 Zuggarnituren des Typs TGV herzustellen (also bereits 5 Jahre vor der Eröffnung des ersten Teils der Neubaustrecke Paris - Lyon).13 Im Gegensatz zum Bau der Eisenbahnen im 19. Jahrhundert, als viele führende Persönlichkeiten der Wirtschaft, besonders aus dem Bankensektor, sich mit großem Engagement für die Idee der Eisenbahn einsetzten, fehlt bei der Magnetschwebebahn die Unterstützung auf breiter Basis. Eine Ursache dafür ist wohl auch die Tatsache, daß der Versuch von Krauss-Maffei mit Transurban, ein Nahverkehrsmittel auf Basis der Magnetschwebetechnik, im Ausland zu vermarkten, scheiterte. Transurban war ein bis zu 100 km/h schnelles Kabinenbahnsystem mit aufgeständertem Fahrweg und einer Kapazität von 1800 Passagieren/Stunde, das Mitte der 70er Jahre an die kanadische Stadt Toronto geliefert werden sollte. Für das Scheitern dieses Projekts sind drei Ursachen verantwortlich: 1. Die Magnetbahntechnik war 1975 noch nicht weit genug entwikkelt. Aufgrund technischer Pannen kam es zu Lieferschwierigkeiten, für die der Vertrag zwischen Krauss-Maffei und dem Staat Kanada Konventionalstrafen vorsah. Nur mit einer Abstandszahlung in Millionenhöhe konnte sich Krauss-Maffei aus dem Vertrag lösen. 14 2. Für ein Nahverkehrssystem war Transurban nach der Einschätzung der Projektbegleitung Nahverkehr viel zu kompliziert. Allein das Fahrzeug bestand aus 8000 Einzelteilen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist der Verschleiß eines R/S-Systems im Vergleich zu den Mehrkosten eines Magnetbahnsystems von untergeordneter Bedeutung. Aufgrund der sich abzeichnenden Unwirtschaftlichkeit wurde dieses Projekt vom BMFT nicht weiter gefördert. 15
Vgl. TGV Paris - Südosten, 0.0 und o.J. S. 3. Diese Beurteilung stammt von dem ehemaligen Abteilungsleiter des BMFf Dr. Finke. 15 Ein ähnliches Nahverkehrsmittel auf Basis der Magnetschwebetechnologie ist die von HEIDELBERG entwickelte M-Bahn, die in Ber!in zur Zeit erprobt wird. Zum Entwicklungsstand der M-Bahn vgl. u.a. Dreimann, Kar!: Das Kabinenbahnsystem M-Bahn: Systemeigen13 14
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2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
3.
Der Tod des Seniorchefs des Flick-Konzerns und die anschließende Aufteilung des Vermögens haben schließlich eine Weiterverfolgung des Projekts unmöglich gemacht. Dieser Mißerfolg von Transurban begründet noch heute die Zurückhaltung der Industrie, wesentlich größere Eigenmittel in das Projekt Transrapid zu investieren. Seit dieser Zeit hat Krauss-Maffei sein Engagement auf dem Magnetbahnsektor, auf dem es vormals mit MBB führend war, deutlich zurückgeschraubt. Probleme resultieren auch daraus, daß der BMFf sowohl den leE als auch die Magnetbahn parallel fördert, die partiell von den gleichen Industrieunternehmen gebaut werden. Die Vorstände sind daher bestrebt, beide Systeme vollständig zu entwickeln und verzichten auf eine aggressive Marketingstrategie zugunsten der Magnetbahn, um negative Auswirkungen auf den Lokomotivbau zu vermeiden. Zur internationalen Vermarktung der Magnetbahn gründeten 1982 Thyssen-Henschel, Messerschmitt-Bölkow-Blohm und Krauss-Maffei die Transrapid International Gesellschaft für Magnetbahnsysteme (TRI) mit Sitz in München. Die Transrapid-INTERNATIONAL hat sich das Ziel gesetzt, die Magnetbahn in potentielle oder bereits im Stadium der Planung befindliche Aktivitäten zur Einführung eines Schnellverkehrssystems im Ausland als vorteilhafte Alternative zu präsentieren und mit einzubeziehen. 16 Die Zusammensetzung der Transrapid-INTERNATIONAL weist gegenüber dem ursprünglichen Entwicklerkonsortium der Magnetbahn Transrapid interessante Tendenzen auf, die die Schwierigkeiten verdeutlichen, eine neue Technologie ohne direkte Gewinnerwartungen und Aussichten auf Aufträge mit hohem Finanzvolumen zu entwickeln. Messerschmitt-BölkowB10hm gab seine Konsortialführerschaft an Thyssen-Henschel ab, nachdem dieses Unternehmen im Rahmen des Magnetbahnprogramms durch eine höhere Eigenbeteiligung die wichtigsten Aufträge akquirieren konnte. Der Übergang vom Konsortium Transrapid zu einer Generalunternehmerschaft bedeutet in der Magnetbahnentwicklung eine markante Wende, die eine stärkere Bündelung der Fördermittel auf wenige Institutionen bedeutet. Die ehemaligen Konsortialpartner erstellen nunmehr die Systemkomponenten im Unterauftrag des Generalunternehmers. Hierdurch wurde schaften und betriebliche Demonstration Berlin, in: TÜV Rheinland (Hrsg.): Internationales Symrosium Forschung und neue Technologien im Verkehr, Band 3, Köln 1988 S. 51-62. 1 THYSSEN AG (Hrsg.): Magnetbahn als modernes Schnellverkehrssystem, in: Thyssen Technische Berichte, Heft 2. 1985. S. 328 ff.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen
17
es möglich, den Trend zur 100 %igen Förderung umzukehren. Eine 100 %ige Förderung birgt die Gefahr einer gewissen Gleichgültigkeit der Industrieunternehmen gegenüber den geförderten Projekten, da keine Eigenmittel investiert werden. Unternehmen, die schwächer oder nicht genügend mit Aufträgen ausgelastet werden, verlieren bald das Interesse an der Magnetbahnentwicklung und wenden sich anderen Projekten zu. 17 In der Transrapid-INTERNATIONAL sind auch nur noch drei der sieben Firmen des Entwicklerkonsortiums vertreten. Realisiert man nicht bald eine erste Anwendungsstrecke der Magnetbahn mit entsprechenden Aufträgen an die Entwicklerfirmen, besteht die Gefahr, daß auch die letzten engagierten Unternehmen das Interesse an der Magnetbahn verlieren und das Projekt damit in sich zusammenfällt. Denn ohne einen Anwendungsfall in der Bundesrepublik Deutschland (national oder grenzüberschreitend) ist es schwierig, die Magnetbahn im Ausland überzeugend zu verkaufen, da häufig der Einwand gebracht wird: "Wenn die Magnetbahn tatsächlich so gut ist, warum gibt es dann in Deutschland noch keinen ersten Anwendungsfall?" 2.1.3 Die Projektbegleitung Das BMFT ist nach Ausstattung und Stellenbesetzung nicht in der Lage, die Erfolgskontrolle der geförderten Projekte allein durchzuführen. Damit nicht die Entwicklung und die Beurteilung der Projekte in der Hand des oder der geförderten Unternehmen liegt, mußte eine Institution eingeschaltet werden, die den effizienten Einsatz der Fördermittel überwacht und dadurch das BMFT entlastet. Die beste Lösung, eine möglichst schnelle und wirtschaftliche Entwicklung der Magnetbahntechnologie zu erreichen, liegt in einer größeren finanziellen Beteiligung der geförderten Unternehmen. Da der Staat dies aus den bereits oben genannten Gründen nicht erreichen kann, bedient sich das BMFT der organisatorisch interessanten Konstruktion der Projektbegleitung. In jeden Förderbescheid wird die Auflage aufgenommen, daß geförderte Unternehmen der Projektbegleitung über den Fortgang des Projekts auskunftspflichtig sind. Nach § 3 des Subventionsgesetzes sind zwar geförderte 17 MBB erwähnt z.B. die Magnetschwebetechnik nicht mehr in ihrem Konzerngeschäftsbericht 1985, obwohl MBB noch Gesellschafter der Transrapid-International ist.
2 R.th
18
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
Unternehmen verpflichtet, unverzüglich alle Tatsachen dem BMFf mitzuteilen, die der Bewilligung, Gewährung, Wiedergewährung, Inanspruchnahme oder dem Belassen der Subvention oder des Subventionsvorteils entgegenstehen, doch ist das BMFf kaum in der Lage dies zu überprüfen, besonders wenn es sich wie bei der Magnetbahn um eine völlige Neuentwicklung handelt. Das BMFf beauftragt daher dritte Industrieunternehmen, die über die notwendigen Erfahrungen und Qualifikationen auf dem innovativen Sektor verfügen, mit der Projektbegleitung. Die Projektbegleitung für die Magnetbahnentwicklung hat die Dornier System GmbH übernommen. Die Aufgabenstellung der Projektbegleitung erstreckt sich aber nicht ausschließlich auf die Erfolgskontrolle der eingesetzten Fördermittel. Die Dornier-System GmbH gehört ebenso wie die geförderten Entwicklerfirmen zur Industrie, die sich schwerpunktmäßig auf dem High-Tech-Sektor engagiert, und könnte daher genauso innerhalb des Magnetbahnprogramms Entwickleraufgaben wahrnehmen. Dies ermöglicht der Projektbegleitung apriori die Erfolgsaussichten der von den Entwicklerfirmen dem BMFf vorgeschlagenen Maßnahmen und Projekte auf deren Realisierungschancen hin zu beurteilen. Kritisch ist anzumerken, daß die Dornier-System GmbH selbst die Entwicklung des Stromabnehmersystems für den leE durchführt und dem Daimler Benz Konzern angehört, so daß die Interessenneutralität nicht unbedingt gewährleistet sein muß. 2.1.4 Die Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysteme mbH (MVP) Ein wichtiger Schritt innerhalb der Magnetbahnentwicklung ist der Beweis der Anwendungsreife und der prognostizierten Vorzüge durch Versuche auf einer Teststrecke. Der Versuchsbetrieb liefert bestimmte abgesicherte Entscheidungsgrundlagen für eine Abgrenzung des Einsatzbereiches der Magnetbahn innerhalb eines zukünftigen Gesamtverkehrssystems und bildet die Grundlage zur Aufnahme der Magnetbahn in die Planung der Bundesverkehrswege. 18 Der Betrieb der Versuchs anlage im Emsland sowie die Bewertung der hier erzielten Versuchsergebnisse sollte herstellerunabhängig abgewickelt 18ygl. BAUR, Lutz: Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm, (1982) S. 49.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen
19
werden. Deshalb wurde die Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH, ein aufgrund seiner rechtlichen und finanziellen Struktur wettbewerbsneutrales und industrieunabhängiges Unternehmen, das bereits weitreichende Erfahrungen im Betrieb moderner Großversuchsanlagen für Entwicklungs- und Produktionsvorhaben der Luft- und Raumfahrtindustrie gesammelt hat, schon im Jahre 1978 vom BMFf aufgefordert, sich für die Betriebsführung und Versuchsdurchführung der neuen Versuchsanlage zu bewerben. Außerdem sollten die beiden potentiellen späteren Betreiber einer MagnetbahnStrecke, die Deutsche Lufthansa und die Deutsche Bundesbahn in diesem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium ihre Erfahrungen, Vorstellungen und Wünsche in die Weiterentwicklung einbringen. 19 Nach einer dreijährigen Anlaufphase, in der in Verhandlungen die AufgabensteIlung, die Gesellschaftsform und die Verteilung der möglichen Risiken abgeklärt wurden, ist die MVP am 30.11.1981 gegründet und am 5.4.1982 als Firma in der Rechtsform einer GmbH in das Handelsregister eingetragen worden. 20 Die Aufgaben der MVP sind im Gesellschaftsvertrag definiert: 1. Vorbereitung des Betriebs einer Großversuchsanlage für ein Magnetbahnsystem während der Errichtung und der Inbetriebnahme der Anlage, 2. Betrieb, Weiterentwicklung und Verwaltung der Versuchsanlage, 3. Technische Versuche für das System, 4. Überwachung und Abwicklung des Rückbaus der Versuchsanlage, 5. Betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Untersuchungen im Zusammenhang mit dem System, 6. Unterstützung bei der Vermarktung im Falle der Einführung des Systems Diese AufgabensteIlung verdeutlicht durch den Punkt 6, daß sich die MVP nicht darauf beschränken darf, das Magnetbahnsystem herstellerneutral zu testen und zu verwalten, sondern, daß zusätzlich noch eine Unterstützung bei der Vermarktung des Systems gefordert wird, was vor allem im nationalen Bereich eine besondere Relevanz hat. Hier ist von der MVP noch ein größeres Engagement als bisher notwendig, indem sie von sich aus bei den politischen Entscheidungsträgern, bei der Deutschen Bundesbahn
19 HEINRICH, Klaus: Die MVP Versuchs- und Planungsgesellschaft für Magnetbahnsysterne - Aufgaben und Stand der Arbeiten - Titisee 1982, S. 3 - 11. 20 Vgl. HEINRICH, Klaus (1982) S. 3 - 3
20
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
und der Deutschen Lufthansa mehr Überzeugungsarbeit für eine rasche Einführung der Magnetbahn leistet. Für die technische Weiterentwicklung und die Vermarktung des Magnetbahnsystems im Ausland bleiben weiterhin die Entwicklerfirmen, die Transrapid-INTERNATIONAL, zuständig. Um die Kenntnisse der paritätisch beteiligten Gesellschafter optimal nutzen zu können, sollte die MVP eine ganz besondere Organisationsstruktur erhalten, indem jeder der Gesellschafter je einen nebenamtlich tätigen Geschäftsführer stellt, die zusammen mit einem sehr geringen Personalbestand alle kostenintensiven Teilleistungen, wie z.B. Miet- Pacht-, Wartungs- und sonstige Verträge und Leistungen abwickeln. Hierzu gehörten insbesondere die Koordination der Einzelaktivitäten wie der Versuchsbetriebe, die begleitenden Studien bezüglich der betriebs- und volkswirtschaftlichen Zusammenhänge, technische Fragestellungen und Vermarktung sowie die Gesamtplanung. Die Einzelergebnisse werden vom Personal der MVP ausgewertet und zusammengefaßl. Daneben werden auch weitergehende Arbeitsund Forschungsschwerpunkte formuliert. Die arbeitsintensiven Einzelaktivitäten sind soweit als möglich durch die Vergabe von Unteraufträgen an die einzelnen Gesellschafter zu erbringen. Diese Organisationsstruktur hat den Vorteil einer sehr engen Bindung zwischen der MVP und den Gesellschaftern. Auf diese Weise kann die MVP mit einem minimalen Personalaufwand auf die gesamten Kenntnisse und Fähigkeiten der Gesellschafter zurückgreifen. Da speziell auf dem Studiensektor spezifische AufgabensteIlungen verlangt werden, wurden in der Vergangenheit häufig externe Gutachter beauftragt. Ein wichtiger Vorteil dieser Konstruktion ist auch die stärkere Einbindung der OB, die lange Zeit in der Magnetbahn einen Konkurrenten sah, in die Magnetbahnentwicklung durch die Vergabe von Versuchsaufgaben. Die Aufgaben der MVP werden von drei Abteilungen bearbeitet, für die je einer der von den Gesellschaftern entsandten Geschäftsführer verantwortlich ist. Aufgaben in der Abteilung Betriebswirtschaft werden überwiegend von der DLH übernommen. Die Verkehrstechnik fällt hauptsächlich in den Bereich der OB und die Versuchstechnik wird überwiegend von der IABG bearbeitet. Dies schließt zwar nicht die Erledigung bestimmter Einzelleistungen durch zwei oder alle Gesellschafter aus. 21 Es fragt sich jedoch, ob es nicht
21
Vgl. HEINRICH, Klaus (1982) S. 3 - 7.
2.1 Beteiligte Gruppen und Institutionen
21
sinnvoller wäre, die Leitung des Versuchsbetriebes einem der Geschäftsführer des künftigen Betreibers zu übertragen. Die organisatorische Trennung in drei Abteilungen soll die Gesamtaufgabenabwicklung ordnen und sowohl wirksame Zuständigkeiten als auch Verantwortungsschwerpunkte schaffen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Versuchsabwicklung durch die MVP ist eine gute Koordination und Zusammenarbeit der an der Magnetbahnentwicklung beteiligten Gruppen. 22 Die MVP liegen hat folgende Arbeitsbereiche: - Erprobung aller technischer Systeme; - Nachweis der Einsatzreife; - Studien zur Sicherheit, Instandhaltbarkeit und Lebensdauer der Komponenten durch Dauerversuche; - Studien zu Trassierungsmöglichkeiten; - Studien über die zu erwartenden Betriebskosten für einen konkreten Anwendungsfall; - Erstellen anwendungsnaher Verkehrskonzepte hinsichtlich der betriebs- und volkswirtschaftlichen, ökologischen und verkehrstechnischen Gesichtspunkte; - Aufzeigen der Einsatz- und Verkaufsmöglichkeiten des Systems. Hieraus ergeben sich drei Arbeitsschwerpunkte mit unterschiedlicher Priorität, die sich zeitlich allerdings überschneiden können: 1. Vervollkommnung des Magnetbahnsystems bis zur Einsatzreife 2. Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland; 3. Anwendung im Ausland. Die Gesellschafter der MVP sind zum größten Teil im Staatsbesitz. Die Bundesbahn ist ein Sondervermögen des Bundes, an der IABG hält der Staat 74 % der Geschäftsanteile durch die mit 55% im Bundesbesitz befindliche Industrie-Verwaltungs-Gesellschaft AG und an der D LH besitzt der Staat 70 % der emittierten Aktien. Daher wäre es dem Staat durch Einwirkung auf die Gesellschafter der MVP möglich, zu schnelleren Ergebnissen zu gelangen. Statt dessen beschränkt sich die staatliche Initiative zur Einführung der Magnetschwebetechnik auf das BMFf, das starke Überzeugungsarbeit leisten mußte, um die übrigen Institutionen zu einer aktiven Mitarbeit an dem Projekt zu bewegen. Keiner der drei Gesellschafter der MVP war bisher bereit, finanzielle Risiken zu tragen, obwohl die Magnetbahn zunächst für die beiden potentiellen zukünftigen Betreiber DB und DLH
22
Vgl. HEINRICH, Klaus (1982) S. 3 - 10.
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
22
entwickelt wird. Daher ist die MVP innerhalb der Organisation der Beteiligten ein zu 100 % gefördertes Projekt. Die Vorverhandlungen zwischen dem BMFf und den Gesellschaftern dauerten unter anderem deshalb so lange, weil erst geklärt werden mußte, wie mögliche finanzielle Risiken für die Gesellschafter abgedeckt werden könnten. Es waren Fragen über das Eigentum an der Versuchsanlage, der Vermögens-, Gewerbe- und Körperschaftssteuer sowie der durch die Preisprüfung etwa nicht als erstattungsfähig anerkannten Kosten zu klären. Gelöst wurde diese Problematik mit einem Betriebsführungsvertrag zwischen der MVP und dem BMFf auf der Basis eines Leistungsaustausches. 23 Die Mitarbeit der Deutschen Bundesbahn in der MVP trägt insofern bereits die ersten Früchte als die Magnetbahn als realistische Alternative für eine Schnellbahnverbindung Rhein/Main - Rhein/Ruhr angesehen wird .'JA Die ursprünglich geplante Organisationstruktur konnte sich aber nicht durchsetzen. Bis 1988 wurde der ursprünglich auf insgesamt acht Personen ausgelegte Personalbestand auf mehr als 20 Mitarbeiter ausgedehnt und die ehemals nebenamtlich beschäftigten Geschäftsführer haben mittlerweile einen hauptamtlichen Status. Auch wurde ein erheblicher Teil der Studientätigkeit nicht von den Muttergesellschaften durchgeführt werden, da für spezielle AufgabensteIlungen das entsprechende Know-How beziehungsweise die Fachkräfte fehlten. 25 Insgesamt hat sich die Konstruktion der MVP nicht bewährt. Es wurde eine zusätzliche Institution gegründet, die den Entscheidungsweg verlängert. Die günstigere Alternative wäre, wenn die Deutsche Bundesbahn ähnlich wie in Japan direkt in die Magnetbahnentwicklung integriert worden wäre. Dies war aber aufgrund des anfänglichen und zum Teil bis heute vorhandenen Desinteresse der Bundesbahn nicht möglich. 26
Dies ergibt sich aus dem Betriebsführungsvertrag zwischen BMFf und MVP. In einem Vorstandsbeschluß der Deutschen Bundesbahn wurde allerdings Ende 1987 entschieden, auf dieser Relation nicht die Magnetschwebetechnik einzusetzen, um nicht den Ausbau eines europäischen Eisenbahn Hochgeschwindigkeitsnetzes zu gefahrden. 25 Die Durchsicht der von der MVP veröffentlichten Studien zeigt, daß bei den Bearbeitern ein Großteil von externen Gutachten durchgeführt wurde. Z.B. MVP (Hrsg.): Nachfragemodelle, München 1986, die von der BVU bearbeitet wurde oder MVP (Hrsg.): Unternehmensform und Finanzierung, München 1986, welche von der Alpha-Consult durchgeführt wurde. Auch in der von der MVP herausgegebenen Einsatzfelderstudie wurde ein Großteil der Arbeitspakete im Fremdauftrag von außenstehenden Gutachtern erstellt. Vgl. hierzu den ent~rechenden Projektstrukturplan. Es wurde befürchtet, daß durch eine direkte Integration der Deutschen Bundesbahn in die Magnetbahnerprobung dieser die Möglichkeit gegeben würde, die Magnetbahnentwick23
'JA
2.2 Die Organisation des Magnetbahnentwicklungsprogramms
23
2.2 Die Organisation des Magnetbahnentwicklungsprogramms 2.2.1 Die Programmstruktur Ausgangspunkt der Schnellbahnentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland war die bereits erwähnte Studie über Hochleistungsschnellbahn (HSB-Studie), die einem neuen spurgebundenen Fernverkehrsmittel einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen bescheinigte, da dieses einen erheblichen Teil des Verkehrsaufkommens auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel ziehen und gleichzeitig die Autobahnen vom Fernverkehr entlasten könnte. Innerhalb des Förderprogramms "Technologien für Transportund Verkehrssysteme stellte der BMFT daraufhin finanzielle Mittel für die Entwicklung neuer Bahnsysteme zur Verfügung. Als Funktionsprinzipien für diese Hochleistungsschnellbahn kamen insgesamt fünf Alternativen in Betracht: 27 - das fortgeschrittene RadjSchiene-System,28 - die Luftkissentechnik,29 - die permanent-magnetische/o - die elektrodynamische und31 - die elektromagnetische Schwebetechnik. Auf der Suche nach einer optimalen technologischen Lösung begann die Industrie Anfang der 70er Jahre - mit finanzieller Förderung des BMFT lung aus geschäftspolitischen Gründen zu verzögern, damit die in Rad/Schiene-Technik geplanten Neubaustrecken nicht durch den Einsatz der Magnetbahn gefährdet werden könnten. 27 Vgl. BMV (Hrsg.): HSB Studie über ein Schnellverkehrssystem, Bonn 1971. 28 Die fortgeschrittene Rad/Schiene-Technik wird im Rahmen des Förderprogrammes Bahntechnik vom BMFT unterstützt. Ein wesentliches Resultat dieses Förderprogramms ist der Intercity Express (lCE), der auf den Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn ab 1991 ein~setzt werden soll. Die Luftkissentechnik wurde aufgrund des hohen Energieverbrauchs, der Lärmemission und zu hoher Kosten nicht weiter gefördert. Auch in Frankreich wurde dieses anfänglich entwickelte Verkehrssystem, der sogenannte "Aero-Train" nicht weiter entwickelt. Der Einsatz von Luftkissenfahrzeugen bleibt nur auf sehr spezielle Einsatzgebiete beschränkt - z.B. für Kanalüberquerungen zwischen Dover und Calais. 30 Der Fahrweg für dieses Verkehrssystem war zu teuer. Dieses Konzept wird aber noch bei dem Nahverkehrssystem, der sogenannten M-Bahn, verwendet. 31 Das elektrodynamische Schwebeprinzip nutzt die abstoßenden magnetischen Kräfte, während das elektromagnetische Schwebeprinzip auf anziehenden Kräften basiert. Technische Probleme und die sehr hohen Investitionskosten führten in Deutschland zu einer Einstellung der Entwicklung dieses Systems. Die dort von Siemens speziell entwickelte Cryotechnik zur Kühlung der supraleitenden Magnete wird heute in der Medizin erfolgreich angewandt. In Japan soll dieses System dagegen für den kommerziellen Betrieb eingeführt werden. Vgl. hierzu Kap. 3.5.1.
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
24
mit der Entwicklung von Schlüsselkomponenten und deren Funktionsnachweis. Durch diese Vorgehensweise einer sehr breit angelegten Forschungsund Entwicklungsarbeit konnte das BMFf aussichtsreiche SchnellbahnKonzepte testen und sich für das beste System entscheiden.32 Da die finanziellen Mittel nicht ausreichten, um alle möglichen Systemkonzeptionen bis zur Anwendungsreife hin zu entwickeln, wurde die Weiterentwicklung weniger erfolgversprechender Konzepte schon frühzeitig eingestellt. Die Zielsetzung des BMFf bei der Förderung bahntechnischer Entwicklungen war: 33 1. Verbesserung der Leistungs- und damit der Konkurrenzfähigkeit des spurgeführten Verkehrs insgesamt, 2. Stärkung des wissenschaftlich-technischen Könnens und der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich, 3. Ausschöpfung der Entwicklungsreserven des Eisenbahnsystems bei gleichzeitiger Vorbereitung eines neuartigen spurgeführten Schnellbahnsystems für Europa als Ergänzung des konventionellen Eisenbahnsystems. Als wichtigste Kriterien für die Fort- und Neuentwicklung im Bahnbereich wurden - die Transportleistung, - die Wirtschaftlichkeit, - die Umweltfreundlichkeit, - die Sicherheit sowie - die Energieausnutzung zugrunde gelegt. 34 Aus diesen Gründen schieden die Luftkissentechnik und die permanentmagnetische Schwebetechnik schon frühzeitig Anfang der 70er Jahre aus. Seit einem umfassenden Systemvergleich Ende 1977 konzentriert sich die Förderung auf die Weiterentwicklung, Erprobung und Einführung des elektromagnetischen Schnellbahnsystems. Das elektrodynamische Schwebesystem wurde auf Empfehlung eines unabhängigen Gutachterkreises und der Projektbegleitung nicht mehr vom BMFf gefördert und damit nicht weiter in Deutschland entwickelt.35 Die dort von Siemens speziell entwickelte Vgl. BAUR, Lutz; MA YER, Willy J. (1982) S. 37 ff. Vgl. FRENZEL, Dietmar; SCHULZ, H.: Ziele und Schwerpunkte der staatlichen Förderung von Forschung und technologischen Entwicklungen für Bahnsysteme, in: MATI1IÖFER, Hans (Hrsg.): Technologien für Bahnsysteme. Frankfurt 1977 S. 12 ff. 34 ebenda S. 14. 35 Vgl. ROGG, Dietrich: Stand des Gesamtprojektes, in: BMFf (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahnen, Willingen 1978. 32 33
2.2 Die Organisation des Magnetbahnentwicklungsprogramms
Cryotechnik zur Kühlung der supraleitenden Magnete wird heute Medizin erfolgreich angewandt.
25
10
der
Abb. 2.2: Einengung der Magnetbahnkonzepte durch den Systementscheid
~ ~~ii
-, ~ ...
~
M
EMS mij KuI'ZSlllD
eingestellt
...
Konzeptuntersuchungen
Abschluß 1983 EOS Elektlodyn~.chn Schweben (.bftoßend.. Prinzip)
EMS Elektromagnetische. Schweben (suiehendes Prinzip)
...
nur noch Hauptentwicktung
o o o o
HMB2 • KOIle! TR 06 ·IVA 79 TROB· TVE TR 07 . Ein•• Uf.h,zeug
QlIelle: Dornier System GmbH
Nachdem Komponentenentwicklung und Komponentenauswahl nach dem Systementscheid von 1977 auf die elektromagnetische Trag- und Führtechnik beschränkt worden waren, ging das Projekt in die Phase der Systementwicklung. Das Förderprogramm wurde in drei Bereiche gegliedere6 1) Projektbereich - Versuchseinrichtungen, -anlagen und Demon~ strationsvorhaben - IVA-Bahn als technische Demonstration (Hamburg 1979); - die Qualifikation der Magnetbahn auf der Versuchsstrecke im Emsland für die erste betriebliche Anwendung; - die betriebliche Demonstration einer ersten Anwendung, beispielsweise als Verbindung zwischen zwei Ballungszentren. 37 2) Studienbereich - vorlaufende und begleitende Untersuchungen, Einsatzstudien. 3) Technologiebereich - Forschung und technologische Vervollkommnung der Systeme Linearmotoren, Fahrwege und Betriebsleittechnik. 36 Vgl. 37
SCHULZ, H.: Einführung zum Statusseminar 1978, Willingen 1978, S. 1-4. Vgl. ROGG, Dietrich: Stand des Gesamtprojekts, Willingen 1978, S. 2"15.
26
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
Die drei parallel laufenden Programmbereiche stehen gegenseitig in einer Wechselwirkung, die in einem iterativen Prozeß den Nutzen der Fahrgäste, der Betreiber und der Allgemeinheit optimieren soll. 2.2.2 Der Projektbereich
Die Hauptentwicklungslinie bildet der Projektbereich. Nach erfolgreichem Abschluß des Projektes "IVA-Bahn" auf der Internationalen Verkehrs ausstellung in Hamburg - die erste für den Personenverkehr zugelassene Magnetbahn der Welt transportierte sicher 50.000 Messebesucher auf einem 900 m langen aufgeständerten Fahrweg - gab das BMFf "Grünes Licht" für den Ausbau einer Versuchsanlage, die die Einsatzreife der Magnetbahn für eine Fernverkehrsstrecke bei Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h erbringen soll. Leider konnte keine Teststrecke gefunden werden, die später als Teilstück in ein Magnetbahnnetz integriert werden kann.38 Die Transrapid-Versuchsanlage Emsland (TVE) liegt abseits möglicher Magnetbahnanbindungen und muß nach erfolgtem Versuchsbetrieb wieder abgebaut werden. Die TVE ist ein geschlossener Kurs mit zwei Wendeschleifen und einer Gesamtlänge von 31,5 km. Aufgabe der TVE ist es, die Funktion der Magnetbahn und ihrer Subsysteme in anwendungsnahem Betrieb nachzuweisen und die Magnetbahn für die praktische Anwendung zu qualifizieren. Die TVE wurde am 1.1.1985 an die MVP als Betreibergesellschaft übergeben, damit nicht Entwicklung und Beurteilung der Magnetbahn in einer Hand liegen. Zu diesem Zeitpunkt war die TVE charakterisiert durch: 39 - Fertigstellung der 1. Ausbaustufe; - prinzipieller Funktionsnachweis der Subsysteme Fahrzeug, Fahrweg und Antrieb bis zu 302 km/h; - noch notwendige Detailarbeiten zur Beendigung der Inbetriebnahme. Im Januar 1988 erzielte der Transrapid 06 einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord von 412,6 km/h, den das NachfolgernodelI, der Transrapid 06 11 im Dezember 1989 auf 435 km/h erhöhte - die volle Funktionsfähigkeit hat das Magnetbahnsystem wiederholt bewiesen. Trotz dieser Erfolge gab es Vgl. hierzu Kapitel.8.5 "Die Problematik der Bürgerinitiativen" Vgl. BMFT (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahnen; Rad/Schiene- und Magnetschwebetechnik Berichte, Nürnberg 1985, S. 2.2.-3. 38 39
2.2 Die Organisation des Magnetbahnentwicklungsprogramms
27
immer wieder Rückschläge und Pannen, die häufig nicht aus dem System resultierten. Vergegenwärtigt man sich allerdings die schweren Unfälle und Katastrophen, die bei der Erprobung anderer neuer Verkehrssysteme auftraten - sei es in der Eisenbahngeschichte, der Luft- oder Raumfahrt - so sind diese relativ bedeutungslos.40 Abb. 2.3: Streckenverlauf der Transrapid-Versuchsanlage Emsland
SW. SchneUfohr • .,cho IYI • lJJ")samfohr •• lCho
." • 'JersuchszPf'llrum ..- Kanaltrosse
... SloNfohrweg 15.02kml km "().g bos km 31.5 • 1 Bouob"hnoH lVE
Quelle: Thyssen Henschel, München
Der nächste Meilenstein im Projektbereich wird die erste betriebliche Anwendung der Magnetbahn auf einer kommerziellen Referenzstrecke sein. 2.2.3 Der Technologiebereich
Im Technologiebereich sollen die sich abzeichnenden Entwicklungspotentiale der wichtigsten Subsysteme und Komponenten der Magnetbahn erforscht werden, um dadurch die einzelnen Komponenten und Subsysteme der Magnetbahn zu optimieren bzw. zu ergänzen. 41 Speziell weiterentwickelt werden innerhalb des Technologieprogramms: 40 Die jüngsten Unfälle der Raumfähre Challenger oder der Ariane im ersten Halbjahr 1986 belegen dies deutlich. 41 Vgl. ROGG, Dietrich: Stand des Gesamtprojektes, Titisee 1982, S. 1.2-7.
28
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
- Die Fahrzeugtechnik * sichere Magneträder * Bordnetz * Schweberahmen * Wagenkasten * Massenbilanz und Aerodynamik - Energieversorgung des Langstatormotors - Betriebsleittechnik - Fahrweg und Weichen * Ausrüstungstechnik * Doppelspurfahrweg * Weichen * bivalenter Fahrweg. Das dominante Ziel der Aktivitäten im Technologieprogramm liegt darin, die Investitions- und Betriebskosten einer Magnetbahn zu reduzieren. Aus dem Technologieprogramm resultieren fruchtbare Diskussionen zwischen der Industrie und der Betreibergesellschaft MVP. Mögliche Konflikte und Spannungen können daraus resultieren, daß die Industrie möglichst schnell sich abzeichnende Entwicklungstendenzen und Verbesserungen der Magnetbahn auf der TVE anwenden und erproben möchte, wohingegen die MVP primär an einem reibungslosen Zusammenwirken der vielen einzelnen Subkomponenten der Magnetbahn als Gesamtsystem interessiert ist. 2.2.4 Der Studienbereich
Im Studienbereich werden begleitende technische und verkehrswirtschaftliche Studien im Sinne einer systemübergreifenden Forschung und Entwicklung durchgeführt. Im einzelnen sind dies: 1. Anwendungsuntersuchungen - Schnellbahnverbindung Paris - Brüssel Köln/Amsterdam, hieran sind vier Länder beteiligt (betriebs- und gesamtwirtschaftliche Untersuchung); - verkehrswirtschaftliche Korridoranalysen für verschiedene großräumige Verbindungen in der Bundesrepublik Deutschland; - Untersuchung von möglichen Stadteinfahrten in ausgewählten Großstädten; - Aktualisierung vorhandener Studien auf Basis der Ergebnisse der Versuche der TVE und des Technologieprogramms;
2.2 Die Organisation des Magnetbahnentwicklungsprogramms
29
- Schnellbahnverbindung Paris - Frankfurt (Bewertung und Vergleich); - magnetbahnspezifisches Verkehrsnachfragemodell; - mögliche Organisations- und Finanzierungsformen für Magnetbahnsysteme; - Bewertungsmodelle; - ausländische Anwendungen; - Einsatzfelderstudie. 2. Technische Studien - Test und Optimierung von Auslegungsparametern; - Wartungs- und Instandhaltungskonzepte; - Gütertransport auf der Magnetbahn. Diese Studien werden zum Teil von der MVP, der Transrapid International oder von speziell beauftragten Forschungsinstituten bearbeitet.42 Eine der Hauptaufgaben des Studiensektors ist es, eine in einer Anwendbarkeitsstudie untersuchte Strecke in die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplanes (BVWP) einzubringen. Obwohl die Verbindung der Ballungszentren Rhein/Ruhr und Rhein/Main die besten wirtschaftlichen Ergebnisse im Vergleich mit allen anderen untersuchten Strecken zeigte, wurde diese Relation bis 1985 nicht in einer Anwendbarkeitsstudie getestet. Die politische Akzeptanz dieser Strecke war nicht gegeben, da dadurch das Planfeststellungsverfahren für die Erweiterung des Düsseldorfer Flughafens gefährdet worden wäre. 43 Mitte 1986 ist in Bonn die Entscheidung über die Durchführung einer Planungsstudie zur Magnetbahnverbindung Rhein Ruhr - Main, in Abstimmung mit der DB und dem BMV, gefallen.4-I Ein wesentliches Ergebnis dieser Studie war, daß das mit einem berechneten Nutzen-Kosten-Verhältnis von 5,2 "im Vergleich zu dem im BVWP '85 angesetzten Grenzwert für das Nutzen-Kosten-Verhältnis von 3,3, das für eine Aufnahme einer Maßnahme in den 'Vordringlichen Bedarf relevant war, hier beurteilte Magnetbahnprojekt einen sehr guten Rangplatz eingenommen hätte: 045 Die MVP übernimmt dabei die Koordinierung und das Projektmanagement. Vgl. BMFf (Hrsg.): 5tatusseminar Schnellbahnen 1985, S. 4.2-7ff. Da der Flughafen Köln/Bonn im Gegensatz zum Flughafen Düsseldorf noch über erhebliche freie Kapazitäten verfügt, ergibt sich durch eine Magnetbahnverbindung zwischen den beiden Flughäfen die Möglichkeit, die Kapazitäten untereinander dergestalt anzupassen, daß sich der Ausbau in Düsseldorf erübrigt. 44 VDI-Nachrichten vom 28.2.86. 45 Vgl. MVP (Hrsg.): Magnetbahnverbindung Rhein/Main-Rhein/Ruhr. München 1988 5.129 42
43
30
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
2.3 Beurteilung der Organisationsstruktur Das Beispiel der Organisationsformen der Magnetbahnentwicklung verdeutlicht die Komplexität der Aufgabe, die Beteiligten in den Entwicklungsprozeß zu integrieren und diesen effizient zu gestalten. Mit dem Transrapid wurde technologisches Neuland betreten, die Möglichkeiten und Grenzen spurgebundener Landverkehrsmittel auf Basis alternativer Antriebs- und Trag-/Führsysteme zu erforschen. Eine reine marktwirtschaftliche Konzeption ohne staatlichen Eingriff versagt bei der Magnetbahn als Mittel der Steuerung von Entwicklungsprozessen. Spurgebundene Verkehrsmittel sind geradezu ein klassisches Beispiel für das Versagen der Marktwirtschaft und für die Notwendigkeit staatlichen Eingreifens, da die Eigenschaften natürliches Monopol, Marktirreversibilität und externe Effekte gleichzeitig auftreten. Projekte, die in absehbarer Zeit keine privatwirtschaftlichen Gewinnchancen bieten, nimmt die Industrie aus Eigeninitiative auch dann nicht in Angriff, wenn sie große gesamtwirtschaftliche Vorteile erwarten lassen. Nur in Ländern, in denen der Staat die Entwicklungsarbeiten an spurgebundenen Fernverkehrssystemen finanziell unterstützt, wird an derartigen Projekten gearbeitet. In anderen Staaten geschieht nichts, auch wenn wie z.B. in den USA Interesse an der Einführung einer Schnellbahn für verschiedene Korridore besteht; das Entwicklungsrisiko erscheint der Industrie bei einer ungesicherten Auftragslage zu hoch. Die Grundlagen für ein Magnetbahnsystem schuf Hermann Kemper bereits in den 40er Jahren dieses Jahrhunderts. Die ersten Prinzipmodelle wurden von der Industrie, aber erst nachdem die Verkehrsministerien eine potentielle Nachfrage nach dieser Technologie signalisierten, vorgestellt. In der modernen Betriebswirtschafts- oder Volkswirtschaftslehre existieren noch keine Organisationsmodelle für die Organisation der Entwicklung von Produkten, bei denen der Markt als Koordinationsinstrument von Angebot und Nachfrage versagt. Die Organisationsform der Magnetbahnentwicklung weist daher Besonderheiten auf, die im wesentlichen aus dem Marktversagen dieses Projektes resultieren, wodurch monetäre Anreizmechanismen weitgehend ausgeschaltet werden. Es gelang dem BMFT als Auftraggeber und Finanzier wichtige Industrieunternehmen und auch potentielle Betreiber in die Organisation der Magnetbahnentwicklung zu integrieren. Innerhalb der Projektorganisation fällt der Industrie, repräsentiert durch das Entwicklerunternehmen, die Aufgabe zu, die Systemkomponen-
2.3 Beurteilung der Organisationsstruktur
31
ten bereitzustellen. Den effizienten Mitteleinsatz der geförderten Industrieunternehmen überwacht die Projektbegleitung, hier die Dornier System GmbH, indem sie die Erfolgskontrolle übernimmt und das BMFT beim Management und der Konzeption von Programmen aus der Perspektive eines Industrieunternehmens aus dem Hochtechnologiesektors unterstützt. Der Übergang von einem breiten Konsortium zu Generalunternehmerschaft konzentriert die Fördermittel auf wenige Mittelempfänger. Dadurch konnte wieder eine - wenn auch geringe - Eigenbeteiligung der Industrie erreicht und der Entscheidungsprozeß vereinfacht werden. Die Bewertung der Versuchsergebnisse aus dem Versuchsbetrieb der TVE übernimmt die MVP, um Entwicklung und Bewertung organisatorisch zu trennen und, um potentiellen zukünftigen Betreibern einer Magnetbahn die Gelegenheit zu geben, ihre spezifischen Forderungen und Wünsche in die Entwicklung frühzeitig einfließen zu lassen. Gleichzeitig muß die MVP in Zukunft stärker darauf hinarbeiten, die nationale Einführung des Magnetbahnsystems zu unterstützen, indem sie mehr Überzeugungsarbeit beim BMV und bei der Deutschen Bundesbahn zum Bau einer ersten Referenzstrecke leistet. Dies ist der MVP im Falle der Verbindung Rhein/Main Rhein/Ruhr nicht gelungen. Etwaige Spannungen und Interessengegensätze hinsichtlich unterschiedlicher Wünsche, Meinungen und Interpretationen lassen sich bei der Kooperation der verschiedenen an der Magnetbahnentwicklung beteiligten Institutionen nicht vermeiden. Die letzte Entscheidung bleibt hier dem Auftraggeber BMFT vorbehalten, der sich von Sachverständigen und Gutachtern sowie dem Projektkomittee, einem Diskussionsforum führender Persönlichkeiten der an der Magnetbahnentwicklung Beteiligten, beraten läßt. Durch die Vielzahl der in die Entscheidungsprozesse integrierten Gruppen fielen Entscheidungen in der Vergangenheit häufig nur sehr zögernd und damit oft zu spät. Insgesamt fehlt dem Magnetbahnprojekt eine straffere Projektführung. 46 Nachdem in der Bundesrepublik Deutschland Anfang der 70er Jahre das Verkehrsministerium die Entwicklungsziele für ein neues spurgebundenes Verkehrssystem formulierte und das Forschungsministerium sich an den 46 Z.B. wurde im Ergebnisprotokoll der 24. Sitzung des "Projektkomitee Bahnsysteme" 1982 in Bonn bemängelt, daß während des Baus der ersten Ausbaustufe der lVE manche Dinge geschehen sind, "die wohl bei strafferer Projektführung vermeidbar gewesen wären und bei schnellen, zeitgerechten Entscheidungen innerhalb des Konsortiums Mehrkosten reduziert hätten." Ebenda S. 3.
2. Organisation der Magnetbahnentwicklung
32
Entwicklungskosten für Magnetbahnsysteme beteiligte, erreichte die Bundesrepublik Deutschland bereits nach 2 Jahren eine Weltspitzenposition bei Magnetbahnsystemen. Mit großem Elan und hohem persönlichen Engagement entwickelten Forschungsteams verschiedener Industrieunternehmen Versuchsanlagen für Magnetbahnsysteme. Obwohl es in der Magnetbahnentwicklung keine technischen Rückschläge gab, die die technische Funktionsfähigkeit in Frage gestellt hätten, flachte das staatliche Interesse von seiten des Verkehrsministeriums seit Mitte der 70er Jahre ab. Da für die Industrie das Verkehrsministerium der einzige Nachfrager für den Bau einer Magnetbahn in der Bundesrepublik ist, verschlechterten sich die Chancen für eine rasche nationale Vermarktung. Seit 1986 ist das Interesse von seiten des BMV an einer Einführung des Magnetbahnsystems gestiegen und es wird intensiv nach einer ersten Anwendungsstrecke gesucht. Der von seiner Bedeutung und vom Verkehrsaufkommen interessanteste Korridor, die geplante Neubaustrecke Rhein/Main Rhein/Ruhr soll aber, wenn überhaupt, in der klassischen Rad/SchieneTechnik realisiert werden. Im Vergleich zu Japan, wo die japanische Eisenbahngesellschaft Japan National Railways (JNR) und die nationale Fluggesellschaft Japan Airlines (JAL) schon in der Anfangsphase in die Magnetbahnentwicklung integriert waren, und das japanische Verkehrsministerium die Entwicklung förderte, zeigen sich in der Bundesrepublik deutliche Unterschiede. 47 Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Lufthansa beteiligten sich erst in der Phase der Systemerprobung, also mehr als 10 Jahre nach Beginn der Entwicklung der Systemkomponenten zu einem Gesamtsystem. Auch zeichnete in Japan von Anfang an das Verkehrsministerium für die Magnetbahnentwicklung für die Japanischen Staatsbahnen (JNR) verantwortlich. Träger der Magnetbahnentwicklung in der Bundesrepublik ist vor allem die finanzielle Unterstützung des Projektes durch den BMFT. Der bis 1986 für Verkehr zuständige Abteilungsleiter verstand es, trotz abnehmenden Interesses des Bundesverkehrsministeriums, über mehrere Forschungsminister hinweg die Magnetbahnentwicklung in Zusammenarbeit mit der Industrie (einschließlich der Projektbegleitung) bis zur Anwendungsreife zu organisieren. Ohne dessen persönliches Engagement und Beharrungsvermögen wäre das Projekt wahrscheinlich mit dem abflauenden Interesse des Verkehrsministeriums eingestellt worden. Die bei der Magnetbahnentwick47
Zur Magnetbahnentwicklung in Japan vgl. Kap. 3.5.
2.3 Beurteilung der Organisationsstruktur
33
lung angefallenen Kosten liegen, trotz der organisatorischen Schwierigkeiten und Probleme mit etwa 1,3 Mrd. DM einschließlich der Versuchsstrecke verhältnismäßig niedrig im Vergleich zu anderen technologischen Großprojekten wie z.B. dem europäische Raumfahrtprogramm oder dem "Schnellen Brüter" in Kalkar. Es genügt von staatlicher Seite nicht, lediglich Entwicklungsleistungen bei der Industrie nachzufragen. Um eine größere Eigenbeteiligung an den finanziellen Projektkosten bei der Industrie zu erreichen, insbesondere in einem Land, in dem die Verkehrsinfrastruktur traditionell vom Staat gestellt wird, muß der Staat ebenfalls das entwickelte Produkt nachfragen. Bedarf an zusätzlichen Verkehrsverbindungen besteht in Europa, insbesondere nach dem Beitritt von Griechenland, Spanien und Portuga1. 48 Die staatliche Förderung der Magnetbahnentwicklung bedeutet für die Planung neuer Verkehrsverbindungen eine wichtige Erweiterung der Angebotsalternativen zur Lösung von Verkehrsproblemen.
48 Einen umfassenden Überblick über bestehende Verkehrsengpässe und vorhandenem Investitionsbedarf für Verkehrsinfrastruktur gibt die Studie: UMBACH, Rolf: Missing Links, 1985.
3 R.th
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn Das Angebot an Verkehrsleistungen kann man definieren als die Bereitschaft von privaten oder öffentlichen Unternehmen, zeitlich und räumlich festliegende Verkehrsleistungen zu einem bestimmten Preis- und Oualitätsniveau durchzuführen. Um Verkehrs leistungen anbieten zu können, müssen Verkehrswege, Fahrzeuge und eine betriebliche Organisation vorhanden sein. Aus dem Zusammenwirken dieser drei Komponenten resultiert das technischökonomische Oualitäts- oder Angebotsprofil unter Aufwendung leistungs- und zeitabhängiger Kosten. Durch den hohen Fixkostenanteil bei spurgebundenen Verkehrsmittel an den gesamten Betriebskosten (60 - 80%) sinken die Durchschnittskosten mit wachsendem Absatz an Verkehrsleistungen, bis die Kapazitätsgrenze erreicht wird. Angebotsausweitungen darüber hinaus sind dann nur mit erheblichen Mehrkosten (sprungfix) zu realisieren. Solange nicht alle Sitzplätze einer Zugeinheit besetzt sind, erhöhen sich die Grenzkosten für jeden zusätzlich beförderten Passagier nur marginal. Die eigentliche Verkehrsleistung erfordert nur einen verhältnismäßig geringen Güterverzehr: vor allem Energie, Ersatzteile und Arbeitseinheiten des Betriebspersonals. Dagegen müssen kostenintensive Vorleistungen - Schaffung der Verkehrswege, der Fahrzeuge und einer betrieblichen Organisation - erbracht werden, um die Voraussetzung der Durchführbarkeit dieser Verkehrsleistung zu schaffen. Die investiven Vorleistungen werden abrechnungstechnisch unter Festlegung eines Abschreibungszeitraums und eines Kalkulationszinssatzes den tatsächlich erbrachten Verkehrsleistungen angerechnet. Wie sich die fIXen Kosten tatsächlich auf die Zahl der einzelnen Verkehrsleistungen verteilen, kann man - wenn überhaupt - nur dann erkennen, wenn die tatsächliche Lebensdauer und Nachfrage bekannt ist. Die ökonomische Bedeutung des technischen Fortschritts durch die Einführung einer Technologie liegt darin, inwieweit diese dazu beiträgt, den gesamtwirtschaftlichen Bedarfserfüllungsgrad zu verbessern. Dies kann entweder quantitativ oder qualitativ erreicht werden. Im ersten Fall können Ressourcen eingespart und dadurch in andere ökonomische Verwendungen
3.1 Technik
35
transferiert werden; im zweiten Fall kann entweder eine höhere Qualität zu gleichen Kosten, oder auch zu höheren Kosten produziert werden. Der Absatz setzt in letzterem Fall voraus, daß auf der Nachfrageseite die Einschätzung der Qualitätserhöhung die zusätzlichen Kosten zumindest kompensiert. Der technische Fortschritt beim Bau und Betrieb einer Magnetschwebebahn liegt in dem neuen Fahrweg, den Fahrzeugen und der Betriebsabwicklung. Damit gehört die Magnetschwebebahn zum faktorgebunden technischen Fortschritt, da das neue Wissen nur mit Hilfe der Produktionsfaktoren in den Produktionsprozeß - Herstellung von Verkehrsleistungen - eingebracht werden kann. Die ökonomische Nutzung der neuen Verkehrstechnologie ist also zwingend notwendig, um volkswirtschaftliche Produktivitätssteigerungen auszulösen. Das Wissen über die Eigenschaften und Einsatzbedingungen der Magnetschwebetechnik allein genügt nicht, um einen quantitativ meßbaren Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems auszuüben. Solange diese Technologie nicht tatsächlich angewendet wird, also noch kein Markt für Magnetbahnleistungen existiert, gibt es keinen technischen Fortschritt durch diese Technologie. Man kann nur von einem technologischen Fortschritt sprechen, der sich auf das Wissen dieser Technologie beschränkt. I
3.1 Technik 3.1.1 Überblick Fortgeschrittene Rad/Schiene-Systeme wie der Shinkansen, der TGV oder der Ie-Experimental demonstrieren eindrucksvoll die Möglichkeiten und die Leistungsfähigkeit der Eisenbahntechnik in Rekordfahrten und im fahrplanmäßigen Dauerbetrieb. Es zeichnen sich jedoch deutlich die Grenzen der Geschwindigkeitssteigerungen bei Rad/Schiene-Systemen ab. Mit zunehmender Geschwindigkeit führt der Rollvorgang Rad/Schiene und die Spurführung über reibende Bewegungen im Gleis zu wachsendem Verschleiß an dem Gleiskörper sowie an den Spurkränzen der Räder und zu immer höheren Spurführungskräften. Im Geschwindigkeitsbereich über 450 km/h werden derart überdimensioI Die Differenzierung zwischen technologischem und technischem Fortschritt findet sich bei UHLMANN, L.: Der Innovationsprozeß in westeuropäischen Industrieländem, Band 2: Der Ablauf industrieller Innovationsprozesse, Berlin 1978, S.41.
36
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
nierte Antriebsaggregate notwendig, daß kaum mehr Nutzlast befördert werden kann. Der Fahrwiderstand erhöht sich bei zunehmender Geschwindigkeit mit dem Quadrat der Geschwindigkeit - die Vortriebs leistung sogar mit der dritten Potenz. 2 Die Optimierung der aerodynamische Gestaltung von Radi Schiene-Fahrzeugen sind aufgrund der Abhängigkeit von der Spurweite engere Grenzen gesetzt als dem Magnetbahnsystem, für das eine andere, auch unter aerodynamischen Aspekten günstigere Fahrwegbreite gewählt wurde. Um diese Nachteile auszugleichen, wurde eine völlig neue Fortbewegungstechnik entwickelt. Das Problem der verschleißfreien Fortbewegung ist nur durch einen berührungslosen Vortrieb ohne mechanische Bewegungen zu lösen.3 Die Fortschritte auf dem Gebiet der Elektrotechnik, Elektronik und Regelungstechnik erlaubten es, ein Verkehrsmittel zu konzipieren, die ohne mechanischen Kontakt zwischen Fahrbahn und Fahrzeug getragen, geführt und vorangetrieben werden. Nur dort, wo sich keine Teile berühren, treten mechanische Reibung, Verschleiß und Lärmentwicklung nicht auf. Die Magnetbahn Transrapid realisiert diese Bedingungen durch4 - ein elektromagnetisches Trag- und Führsystem, das das Fahrzeug entgleisungssicher in 1 cm Höhe über der Fahrbahn in schwebender Lage hält; - einen Linearmotor - ein magnetisches Wanderfeld, mit dem das Fahrzeug angetrieben und gebremst werden kann; - Linearmotoren für die Bordenergieversorgung. Es existiert daher im Normalfall keine mechanische Verbindung zwischen Fahrzeug und Fahrweg. Die Magnetbahn ist nicht der einzige Versuch der Techniker und Ingenieure, mechanische Reibung durch berührungsfreie Technologien zu substituieren. Andere Beispiele für diesen Technologieansatz sind z.B. CD-Plattenspieler, digitale Vermittlungsstellen im Fernsprechwesen, Laserdrucker, Transistorzündung bei modernen Kfz-Motoren. Die nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die generellen Systemdaten deutscher Schnellbahnsysteme. Eine Überlegenheit des Magnetbahnsystems zeigt sich bei der möglichen Geschwindigkeitsauslegung, dem
2 Vgl. RAPPENGLÜCK, Walter: Schienenbahn und Magnetbahn - Eigenschaften und Entwicklungstendenzen, in: GA5CH, Robert u.a. (Hrsg.): Integration Berlins in ein schnelles spurgebundenes Verkehrssystem, Berlin 1986,5.81-93. 3 Die Ursprünge dieses Bestrebens lassen sich bis in vorige Jahrhundert zurüd:verfolgen. Vgl. R055BERG, Ralf Roman: Radios in die Zukunft, Schwäbisch-Hall. Zürich 1983. 4 Vgl. RAPPENGLÜCK, Waller (1986) 5.85ff.
37
3.1 Technik
Gewicht und Dimensionierung der Zugeinheiten (bei gleicher Sitzplatzkapazität) und in den Trassierungsparametern. Tab. 3.1: System daten der deutschen Schnellbahnen leE
Magnetbahn
Zugkonfiguration 5 - 14 Mittelwagen
2 Triebköpfe 8 Mitteisektionen
2 Kopf- und bis zu
Maximale Zuglänge
411 m
250m
Zugbreite
3,02 m
3,70 m
45 ~1. K1asse~ 72 2. Klasse
72 (1. Klasse) 100 (2. Klasse)
BruttomassejWageneinheit Bruttomasse/Sitzplatz
Triebkopf ca. 77 t Mittelwagen ca. 47 t 1,11 t
50 t 0,58 t
Höchstgeschwindigkeit
300 km/h
500 km/h
Bahnstromnetz
Landesnetz
Systemdaten
SitzplätzejWagen
Stromversorgung Kurvenradien 200 km/h 300 km!h 400 km!h 500 kmjh
1.000 m 3.250 m
2
Längsbeschleunigung Wanne Kuppe Seitenbeschleunigung
0,55 m/s 2 0,46 m/s 2 0,8 - 1,0 m/s
Überhöhung in Kurven Längsneigung (Steigfähigkeit)
7,6 -6,8° 400/00
Tunnelquerschnitt (zweigleisig) 200 km/h 300 km!h 400 kmjh 500 km/h
82 m
2
Quelle: Systemspezifikationen (MVP)
2.250 m 4.000 m 6.200 m 2 1,0 m/s 2 0,5 m!s2 1,0 mjs
12° (16°) 100 0/00 2 86 m - 2 102m
-
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
38
3.1.2 Fortbewegung ohne mechanische Einwirkung und Verschleiss 3.1.2.1 Tragen und Führen
Das Trag- und Führsystem der Magnetbahn Transrapid arbeitet nach dem Prinzip des elektromagnetischen Schwebens (EMS). Dieses Prinzip beruht auf den anziehenden Kräften zwischen den im Fahrzeug installierten Elektromagneten und den Metallschienen in der Fahrbahn. Die Magnetbahn wird von 32 Tragmagneten pro Fahrzeugsektion von unten an die Fahrbahn gezogen, wobei der Regelabstand 1 cm beträgt. Sollte der Abstand zwischen Fahrzeug und Fahrbahn zu groß werden, dann verstärken sich die magnetischen Anziehungskräfte und umgekehrt. 28 seitlich angebrachte Führmagneten pro Sektion halten das Fahrzeug in der Spur. Das Fahrzeug umschließt den Fahrweg, was eine Entgleisung ausschließt. Um das "Absetzen" oder "Abstürzen" des Magnetschwebefahrzeugs - beispielsweise bei einem Stromausfall - auszuschließen, sind unter dem Fahrzeug zusätzlich ausfahrbare Kufen angeordnet, die die Tragfunktion dann übernehmen. Die in den Bordbatterien gespeicherte Energie reicht aus, um das Fahrzeug nach einem Stromausfall noch 15 Minuten im Schwebezustand zu halten. Die Führmagnete sind ebenfalls mit Bremskufen versehen, mit denen sich das Fahrzeug bis zum Stillstand abbremsen läßt. Die folgende Abbildung veranschaulicht die Funktionskomponenten der Magnetbahn Transrapid. Die jeweils 1,5 m langen Trag- und Führmagneten sind einzeln aufgehängt und dezentral geregelt. Die Regulierbarkeit der Elektromagnete ist ein zusätzlicher Vorteil gegenüber normalen Rädern. Beispielsweise können zusätzliche Kräfte der Seitenbeschleunigung in der Kurvenfahrt oder Sei\ tenböen kompensiert werden. Die regelbaren Tragmagnete ermöglichen dem Fahrzeug, stabil in einer bestimmten Höhe zu schweben, die sogar in engen Grenzen varüert wird. Damit lassen sich die Magneten genau dem Verlauf des Fahrwegs wie ein "elektromagnetisches Rad" anpassen.s Das Trag- und Führsystem der Magnetbahn trägt flächig ab, da das Fahrzeuggewicht durch die über die gesamte Fahrzeuglänge sich erstreckenden Tragmagnete gleichmäßig den Fahrweg belastet. Daraus resultiert in Verbindung mit dem niedrigeren Fahrzeuggewicht eine im Gegensatz zu den punktförmigen Radlasten bei konventionellen Landfahrzeugen geringere S
vgl. Thyssen Technische Berichte, Heft 2/85, S. 320 ff.
3.1 Technik
39
Flächenbelastung des Fahrwegs, die für die Berechnung der Tragwerke von großem Vorteil ist. 6 Abb. 3.1: Die Magnetbahn im Querschnitt
Fah,wegseitige Komponenten
Fah,zeugseitige Komponenten
FUh·'-~--iS·.··n sch,.".
.~
GI.,uch"." -
Stato,wicklung--
U
- - - rtagiErrl9.rfftagnetl mit linu,g.ner,tor· .;cklungeft
Quelle: Thyssen
3.1.2.2 Ben'Ummgs[reies Antriebssystem Die Magnetbahn Transrapid wird nach dem Prinzip des synchronen Langstator-Linearmotors angetrieben.? Den Linearmotor stellt man sich am besten als Elektromotor mit einem unendlichen Radius vor. Bei einem Langstatormotor liegt die aktive Komponente - das Primärteil - im Fahrweg. Das Sekundärteil bilden die Tragmagnete des Fahrzeugs, deren Magnetfelder als Erregerfeld des Langstatormotor fungieren. Das Fahrzeug wird durch die abstoßenden Kräfte eines magnetischen Wanderfelds vorangetrieben. Die Implementierung des aktiven Teils des Linearmotors in der Fahrbahn impliziert ein niedrigeres Fahrzeuggewicht gegenüber Fahrzeugen mit 6 Vgl. ROGG, Dieter: Übersicht über die Entwicklung der Magnetbahn in Deutschland, in: Glas. Ann. 105 (1081) Nr. 7/8 S. 198 ff. ? Zu den generellen Einsatzmöglichkeiten von Linearmotoren vgl.WEH, Herbert: Einsatzfelder von Linearantrieben, in: ETR 37 (1988) H. 1/2 S. 13-19. Vielfältige Modelle von linearmotoren werden sowohl für Nah- als auch für Femverkehrsmittel erprobt bzw. eingesetzt.
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
40
einem an Bord installierten Motor. Dadurch kann man die Leistung der Motoranlage flexibel - in der Fahrbahn - den jeweiligen streckenbezogenen Anforderungen anpassen. Eine hohe Motorleistung braucht nur an den kritischen Stellen - z.B. Steigungs- oder Beschleunigungsstrecken - abgegeben werden. Es ist also nicht nötig, einen für die Maximalleistung dimensionierten Motor im Fahrzeug mitzuführen. Dies wirkt sich günstig auf den Energieverbrauch in der Beschleunigungsphase aus. Der Kraftaufwand zur Massenbeschleunigung erhöht sich mit dem Quadrat der Geschwindigkeit und spielt so bei hohen Geschwindigkeiten eine immer wichtigere Rolle. Die höheren Fahrwegkosten können bei intensiver Nutzung durch eine hohe Fahrzeugfrequenz kompensiert werden. 8 Die bisherigen Ergebnisse auf der TVE zeigten, daß der Langstatormotor für Magnetbahnen, die für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind, hervorragend geeignet ist.9 Abb. 3.2: Komponenten des Langstator-Linearmotors
Gehaultl •• I-
'-,
"- SI'lorwlcklung
-
- Kolbe/aufbau
~~ ',. - l t l l t t lS0mm'Cu
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EPR-I,%"ung - Schirm Cu
'1tnehlu81.il
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Quelle: Thyssen
Die Gefahr eIDer Entgleisung ist bei der Magnetbahn durch das die Fahrbahn umgreifende Fahrzeug und die Regelbarkeit der Führmagnete 8
.
Vgl. HEINRICH, Klaus (1986). 9 Diese Aussage findet sich bei Friedrich, Reinhard; HOCHBRUCK, Hubert; RUPPEL, Josef: Langstatorantrieb Transrapid - Stand der Entwicklung (1988 Bd.1) S. 69. Während die Entwicklung des Kurzstatorrnotors für die Magnetbahntechnik in Deutschland nicht mehr intensiv weiterverfolgt wird, wurde diese Antriebskonzeption in Japan perfektioniert. Vgl. hierzu Kap. 3.5.2.
41
3.1 Technik
gebannt. Komforterwägungen bestimmen die Größe der Kurvenradien - die laterale Beschleunigung eines Fahrgastes wird deshalb auf maximal 1,0 m/s 2 begrenzt. Daraus resultiert ein Kurvenhalbmesser von mindestens 4.000 m bei 400 km/h und 6.000 m bei 500 km/ho Sicherheitsaspekte spielen hierfür wegen der entsprechenden positiven Eigenschaften (Umschließung des Fahrweges) keine Rolle. Niedrigere Geschwindigkeiten und/oder höhere laterale Beschleunigung erlauben auch wesentlich engere Kurvenradien (1.000 m bei 200 km/h). Aus Komfortgesichtspunkten sollten die wirksam werdenden Beschleunigungskräfte aber 2,0 m/s 2 nicht überschreiten. 3.1.2.3 Steigfähigkeit
Bei Trassierungen in hügeligem Gelände kommt der Fähigkeit eines Verkehrsmittels, Steigungsstrecken zu überwinden, eine überragende Bedeutung zu. Im Falle einer nicht ausreichenden Steigfähigkeit müssen Hindernisse - primär Gebirge - entweder umfahren werden oder man muß mittels kostenintensiver Kunstbauten - vor allem Tunnels oder tiefe Einschnitte - der Trasse den Weg ebnen. Konventionelle R/S-Systeme können Steigungsstrecken aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Reibung zwischen Rad und Schiene weniger gut überwinden und sind deshalb durch eine relativ geringe Steigfähigkeit charakterisiert. Die folgende Tabelle zeigt dies deutlich: Tab. 3.2: Steigfähigkeit verschiedener Schnellbahnsysteme 10 Schnellbahnsystem Shinkansen TGV lCE Transrapid
max. Steigfähigkeit in 0/ 00
20
35
40 100
QlIelle: Systemspezifikationen der MVP, SNCF, JNR.
Die besonders hohe Steigfähigkeit der Magnetbahn resultiert aus ihrer Systemkonfiguration. Ihr Ausmaß wird nur von der Schubkraft des Langstatormotors begrenzt, da keine Reibung zwischen Rädern und Fahrbahnen 10 Mittels stärkerer Motorleistung kann die Steigfähigkeit von Rad/Schiene-Systemen theoretisch auf 50% erhöht werden.
42
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
auftritt. Die Leistung des Langstator-Linearmotors kann vor Steigungs- und Beschleunigungsstrecken im Gegensatz zu Schnellbahnen mit fahrzeugseitig installiertem Antrieb durch 11 - die Verwendung von Kupfer statt Aluminium als Leitermaterial der Motorentwicklung zur Erhöhung des Leitwerks des Kabels bei gleichem Außendurchmesser, - eine Vergrößerung des Kabelquerschnitts, - eine Verringerung der Unterwerksabstände und Schaltabschnittslängen sowie - eine Anpassung der Unterwerksleistung kurzfristig im betroffenen Streckenabschnitt derart erhöht werden, daß Steigungen bis zu 10% problemlos bewältigt werden können. 3.1.2.4 Allfgeständerte Fahrbahn
Bei der Magnetbahn Transrapid verteilt sich das Fahrzeuggewicht auf eine Fläche von etwa 10 m2 Tragmagnete pro Sektion - die Flächenlast eines Zwei-Sektionen-Fahrzeugs mit einem Bruttogewicht von 100 t beträgt 5 N/cm 2• Die bauliche Konstruktion einer aufgeständerten Magnetbahntrasse kann infolgedessen wesentlich leichter ausfallen und damit relativ zu anderen Landverkehrsmitteln, bei denen punktförmige, kurzzeitig sehr hohe Belastungen des Fahrwegs auftreten, kostengünstig realisiert werden. Die aufgeständerte Trassierung weist gegenüber der ebenerdigen Bauart verschiedene Vorzüge auf: - Geringer Trennungseffekt: Die Fahrbahnbalken können beliebig unterquert werden. Die Fläche zwischen den Stützpfeilern kann wenn auch mit Einschränkungen - genutzt werden. Die landwirtschaftliche Nutzung unterliegt keinen nennenswerten Einschränkungen, wie die Transrapid-Versuchsanlage Emsland eindrucksvoll demonstriert. Der natürliche Wasserhaushalt, das Mikroklima und der Wildwechsel bleiben praktisch unbeeinflußt. Unterschiedliche Höhen der Stützpfeiler gestatten eine flexiblere vertikale Trassierung und ..helfen damit, kostenintensive Kunstbauwerke zu vermeiden. Uberführungen und hohe Talbrücken lassen sich weniger aufwendig konstruieren. Geringere Vibrationen und Erschütterungen.
11 Vgl. BMFf (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahnen, Rad/Schiene- und Magnetschwebetechnik; Berichte, Nürnberg 1985, S.1.2.25.
3.1 Technik
43
Mittels eines aufgeständerten Fahrwegs erreicht man wesentlich geringere Landschaftszerschneidungen, als sie von Autobahnen und Eisenbahnlinien her bekannt ist. Dadurch wird es im Prinzip möglich, Grundstückskosten einzusparen, wenn nur die tatsächlich in Anspruch genommene Bodenfläche käuflich erworben werden muß. Beim Bau des 5 m hoch aufgeständerten Fahrwegs des französischen Luftkissenfahrzeuges "Aerotrain" bei Orleons mußte beispielsweise nur der Grund für die Fundamente der Stützen käuflich erworben werden. Rechtliche Grundlage war ein eigens für diese Problematik erlassenes Gesetz. 12 Es sollte daher geprüft werden, ob dieses Verfahren - oder durch Kompensationszahlungen für Nutzungsausfälle modifiziert - beim Bau der Magnetbahntrasse angewendet werden kann. 3.1.3 Potentiale für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit durch technische Weiterentwicklung Im wesentlichen lassen sich Einsparpotentiale bei den Kosten bzw. Zuwachspotentiale bei den Nutzen aus Verbesserungen am Fahrzeug und am Fahrweg ableiten. Organisationsbezogene und sonstige Rationalisierungspotentiale werden in diesem Zusammenhang nicht behandelt. Der entscheidende Technologiesprung gelang mit der Konzeption des Transrapid 07, die 1985 erstmals vorgetragen wurde. 13 3.1.3.1 Fahrzeugtechnik
Die Kosten des Fahrwegs und des Statormotors werden maßgeblich durch die Eigenschaften des Fahrzeugs determiniert (insbesondere Fahrzeugmasse, Fahrwiderstand sowie die statischen und fahrdynamischen Lastkollektive). Diese Parameter wirken sich ebenfalls auf die Betriebskosten aus, da sie z.B. den Energieverbrauch durch die Massenbeschleunigung bzw. den aerodynamischen Fahrwiderstand entscheidend mitbestimmen. 14 Eine Optimierung dieser Fahrzeugparameter nach den Kosten kann aber nur unter der Nebenbedingung erfolgen, keine Einbußen der Qualitätsdimen12 Vgl. EfR Heft 4, 1977, S. 9; die anderen wesentlichen Determinanten der Fahrwegkosten bilden die Systemauslegung sowie die topographischen Verhältnisse. 13 Vgl. BMFf (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahnen, Magnetschwebetechnik, Berichte, Nümberg 1985. 14 Vgl. MAYER, Willi J.: Der Energieverbrauch der Magnetbahn, in: EfR, Jg. 30, Heft 11, 1981, S.807-811.
44
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
sionen Verfügbarkeit, Sicherheit und Umwelt freundlichkeit des Systems hinnehmen zu müssen. 15 Fünf Verbesserungen in der Fahrzeugtechnik konnten unter diesem Zielspektrum bisher realisiert werden: 16 - sichere Magneträder (Trag- und Führmagnete); - aerodynamisch optimierter Wagenkasten; - Bordstromversorgung; - Schweberahmen (Sicherheit, Aerodynamik); - Reduzierung des Fahrzeuggewichts um 20%. Die Erprobung des Transrapid 07 und die Verifizierung einiger dieser Verbesserungen kann erst nach dessen Inbetriebnahme (zweite Hälfte 1988) erfolgen. 3.1.3.1.1 Sichere Magneträder Die Magneträder wurden durch die neuentwickelten, flußgekoppelten und in zwei Freiheitsgraden regelbaren Längs- und Querflußmagnete wesentlich verbessert. Diese neue Tragmagnetkonzeption zeichnet sich vor allem durch 1. leichtere Magnete mit 2. geringeren Ausmaßen aus. Das Gewicht der Tragmagneten pro Meter reduzierte sich von 250 kg/m gegenüber dem Transrapid 06 um 46% auf 145 kg/m und analog die Höhe der Tragmagneten von 190 mm um 36% auf 121 mm. Die Abmessung des Trag- und Führsystems verringert sich dadurch in der Höhe von 1,70 m auf 1,60 m. Diese Maßnahmen wirken sich günstig auf den Energieverbrauch aus, da der Aufwand für die Massenbeschleunigung und den aerodynamischen Widerstand sinkt. Durch den Einsatz von zwei Magnetschaltkreisen aus jeweils einem 3.022 mm langen Trag- und Führmagneten wird ein sogenanntes Magnetrad mittels Stabilisierung in Zugkraftrichtung und um die Querachse gebildet. Einzelausfälle von Bauelementen der Magnetregelkreiskomponenten führten vorher zu Berührungen der Magneten mit der Reaktionsschiene und damit zu höheren Wartungskosten als bei berührungslosem Betrieb. Die Ent15 Vgl. MILLER, Luitpold: Darstellung des Magnetbahnsystems Transrapid, in: BMFT (Hrs}.): Statusseminar Schnellbahn, Nümberg 1985. I Vgl. MILLER, Luitpold: Darstellung des Magnetbahnsystems Transrapid, in: BMFT (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahn, Nürnberg 1985
3.1 Technik
45
wicklungsanstrengungen gehen daher seit 1980 dahin, auch bei Einzel- und versteckten Mehrfachausfällen von Bauelementen der Magnetregelkreiskomponenten Berührungsfreiheit zwischen Fahrzeug und Fahrweg zu halten. Dies konnte durch - signaltechnische, sichere Leistungsstellglieder (hochdynamische Transistorgleichstromsteller mit einer Abfragefrequenz von 100 kHz), - signaltechnische, sichere Magnetspaltsensoren mit Ausweitung der abstandsabhängigen Rückwicklungen von in den Reaktionsschienen induzierten Wirbelströmen und kontinuierlichen dynamischen Funktionsprüfungen, - signaltechnisch sichere Magnetstrombegrenzung, erreicht werden. Hierdurch erhöhte sich die Verfügbarkeit und Sicherheit des MSB-Systems. 3.1.3.1.2 Bordnetz Die Stromversorgung im Fahrzeug übernehmen Lineargeneratoren berührungsfrei. Daher müssen keine Stromabnehmer installiert werden, die bei hohen Geschwindigkeiten starken Reibungen und somit großem Verschleiß unterliegen. Aus diesem Grund wird die betriebliche Geschwindigkeitsauslegung von Magnetbahnen mit Kurzstatorantrieb, die wie R/S-Systerne Stromabnehmersysteme besitzen, auf maximal 300 km/h beschränkt. Die Geschwindigkeitsabhängigkeit von Spannung und Frequenz der Lineargeneratoren erlaubt eine ausreichende Stromversorgung der Fahrzeugaggregate erst ab etwa 100 km/ho Die ursprüngliche Annahme, der Ladeerhaltungsbetrieb der zur Bordenenergieversorgung installierten Batterien sei erst ab Geschwindigkeiten über 150 km/h gewährleistet, hat sich als zu konservativ erwiesen, wie die Auswertung der ersten Fahrten des Transrapid 06 auf der Transrapid-Versuchsanlage Emsland zeigte. I? Um eine konstante Bordnetzspannung bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h aufrecht zu erhalten, wird die Lineargeneratorspannung in diesem Geschwindigkeitsspektrum von Gleichrichtern und hochdynamische Hochsetzstellern auf das Niveau von 440 Volt angehoben. Die hierzu erforderliche Energie wird in den Bordbatterien gespeichert. Das System der Lineargenerator-Hochsetzsteller wurde optimiert nach den Kriterien 17 Vgl. MNICH, P. : Die Transrapid-Versuchsanlage im Emsland (Systemerprobung), in: BMFf (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahnen, Nürnberg 1985, S. 2.2. - 6.
46
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
- minimale Rückwirkungen auf die Tragmagnetdimensionierung, - minimale Tragkraftmodulation und - möglichst hohe Leistung bereits bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten Hieraus resultierten ein 5-phasiger Lineargenerator und dezentrale, jeweils einer Tragmagnethälfte zugeordnete, hochdynamische 100 kHz-Hochsetzsteller zur Ladeerhaltungsregelung für die Pufferbatterien und zur dynamischen Regulierung des Bordnetzes. Die dem Lineargenerator nachgeschalteten Hochsetzsteller werden gleichzeitig für zeitlich unbeschränktes Schweben und zur Nachladung der Batterien als Ladeeinrichtung eingesetzt. Die Stromversorgung erfolgt an den Haltepunkten über Stromabnehmer oder Nabelschnursteckdosen über einen potentialtrennenden Netztrafo mit 3 x 220 V-Wechselspannung. 1B 3.1.3.2 Fahrwegtechnik
3.1.3.2.1 Antriebssystem Um die Zahl der ortsfesten Energieversorgungseinrichtungen - im Hinblick auf eine Optimierung der Kosten für die Unterwerke, von denen aus der elektrische Strom in die Fahrbahn geleitet wird - zu minimieren, wurde innerhalb des Technologieprogramms ein neues Energieversorgungskonzept entwickelt. Die auf der Transrapid Versuchsanlage Emsland realisierte Energieversorgung hat den kostenwirksamen Nachteil einer doppelt zu installierenden Antriebsleistung. Die einzelnen Schaltabschnitte werden in freier Wechselpunktschaltung betrieben und von je einem Wechseleinrichtungssystem gespeist. Die Verdopplung der im Unterwerk zu installierenden Wechseleinrichterleistung wird nur innerhalb der sehr kurzen Zeitspanne des Abschnittswechsels des Fahrzeugs von einem Unterwerk auf das andere gebraucht. Mittels des neuen Energieversorgungskonzepts mit - einer versetzten Anordnung der linken und rechten Motorwicklungjeder Fahrspur, - einer separaten Speisung der jeweils aktiven Motorwicklungen, - einer Doppelspeisung der Motorwicklungen durch je zwei benachbarte Unterwerke, konnte der Schubkrafteinbruch bei Motorabschnittswechsel auf 25% reduziert werden.
18
Vgl.THYSSEN AG (Hrsg.): Thyssen Technische Berichte, Duisburg 1985, 5.318.
3.1 Technik
47
Versetzt angeordnete Motorwicklungen erfordern eine separate Speisung der Wicklungshälften während eines Motorabschnittwechsels, da dort sich ändernde elektrische Bedingungen zu berücksichtigen sind. Hierdurch war es möglich, einmal die erforderliche Motorspannung zu halbieren und zum anderen durch regelungstechnische Maßnahmen die beim Abschnittswechsel auftretenden Schubkraftschwankungen auszugleichen. Zusätzlich kann die dadurch gewonnene Spannungsreserve zur Kompensation des erhöhten Blindleistungsbedarfs und zur Verlängerung der Motorabschnitte und Speiseleitungen verwendet werden. Die Verteilung der Antriebsleistung auf zwei benachbarte Unterwerke ergibt eine Reduzierung des für die Speiseleitung notwendigen Spannungsbedarfs, der ebenfalls zur Vergrößerung der Unterwerksabstände genutzt werden kann. Zwischen den Unterwerken angeordnete Trennschalter besorgen die elektronische Trennung benachbarter Unterwerke. Die räumliche Zusammenfassung der für die Energieversorgung notwendigen Komponenten in einem Unterwerk hat neben einer Investitionskostensenkung noch den Vorteil, bei Teilstörungen eine eingeschränkte Energieversorgung des Langstators aufrecht zu erhalten und damit den Betrieb bei einer verminderten Antriebsleistung zu erlauben. Die aus diesen Verbesserungen resultierende Erhöhung des Antriebsschubs und der -leistung ermöglicht auf diesen Streckenabschnitten eine Steigerung der Geschwindigkeit auf 500 kmjh und eine Erhöhung der Steigfähigkeit auf 10%. 3.1.3.2.2 Fahrweg und Weichen Die Kosten für Fertigung und Montage der Träger für die aufgeständerten Fahrwege ließen sich durch neue Konstruktionsverfahren für Beton- und Stahlbauweise erheblich reduzieren. Die geschätzten Kosten für die Strekkenausrüstung pro Kilometer verminderten sich um 41% von 7,6 auf 4,5 Millionen DM pro kmjDoppelspur bei der Planungsstudie Frankfurt - Paris. 19 Diese Kostenersparnisse resultieren aus Vereinfachungen in - Ausrüstungstechnik, - Montagetechnik, - Anschlußtechnik für Statorpakete sowie - Befestigungstechnik des Statorpakets. 19
S.21.
Vgl. DEUFRACO (Hrsg.): Vergleich von Hochgeschwindigkeitssystemen, 0.0., 1983,
48
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
Abb. 3.3: Der Stahl- und Betonfahrweg der Magnetbahn Transrapid
Quelle: Thyssen-Henschel
Die Abbildung 3.3 zeigt die Ausgestaltung des gegenüber früheren Konzepten verbesserten Stahl- und Betonfahrwegs der Magnetbahn Transrapid. Durch die Verbindung zwischen der linken und rechten Fahrspur mittels eines Querträgers konnte der Aufwand für die Pfeilerfundamente, die Fahrwegstützen und die Trägerlagerung verringert und die Kippsicherheit erhöht werden. 20 Abb. 3.4: Funktionsprinzip der Stahlbiegeweiche
lInnnnttnn& L,·s.J
I
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I
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R~2.)oo '"
: .'.51.
~
Branching Iint
Quelle: Thyssen-Henschel
20
Vgl. THYSSEN AG (Hrsg.): Thyssen Technische Berichte, Duisburg 1985, S. 316.
3.1 Technik
49
Die Möglichkeit, Weichen konstruieren zu können, erhält für die Ausgestaltung eines Magnetbahnnetzes eine entscheidende Relevanz. Diese Problematik wurde durch die Verwendung von Stahlbiegeweichen gelöst. Ein ca. 60 m langer Stahlträger wird durch Elektromotoren oder hydraulisch so gebogen, daß ein Wechsel von einer Fahrspur auf die andere möglich wird (Vgl. Abb. 3.4.). Während auf der Geradeausspur keine Geschwindigkeitseinbußen beim Passieren der Weiche hingenommen werden müssen, muß die Geschwindigkeit auf der Abbiegespur auf 200 km/h reduziert werden. 21 Weichenkonstruktionen dienen auch für sogenannte Überleitstellen, die in einem durchschnittlichen Abstand von 30 km vorgesehen sind, um einen Wechsel von der einen zur anderen Fahrspur zu gestatten. 3.1.3.3 Bewertung der technischen Entwicklullgspotelltiale
Dadurch, daß bei der Magnetbahn Transrapid alle wesentlichen Funktionsprinzipien elektronisch gelöst wurden, sind noch erhebliche Optimierungspotentiale durch die Entwicklung immer leistungsfähigerer, leichterer und kleinerer Bauteile zu erwarten. Dem Trend zu leichteren Fahrzeugeinheiten sind aber insoweit Grenzen gesetzt, als für die Fahrgestelle aus Komfortgesichtspunkten (Laufruhe, Vibrationen etc.) ein gewisses Mindestgewicht notwendig wird. Zu leichte Fahrzeugeinheiten neigen zu fahrdynamischen Störungen, ein Problem, das sich auch in der Eisenbahn-, Flugzeugund Automobiltechnik findet. Dagegen können bei der Magnetbahn die Fortschritte in der Elektrotechnik hinsichtlich der Informatik, der Regelungstechnik und der Bauelemente genutzt werden, während beim Rad/ Schiene-System die für ein Verkehrssystem relevanten Aufgaben des Tragens, des Führens und des Antriebs, die im wesentlichen über den Rollvorgang zwischen Rad und Schiene mechanisch gelöst wurden, nicht mehr signifikant verbessert werden können, da die Mechanik dem technischem Fortschritt enge Grenzen setzt. Der technische Fortschritt in der Elektronik manifestiert sich beim Rad/Schiene-System in leistungsfähigeren Antriebsaggregaten und einer leistungsfähigeren Betriebsleittechnik.
21 Zu den Konstruktionsmerkmalen von Biegeweichen vgl. RASCHBICHLER Hans Georg: Die Stahlbiegeweiche, in: ETR. Heft 10. 1987 4 Rath
50
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
3.2 Qualitätsprofll Die Qualität von Verkehrsleistungen läßt sich mit dem von Voigt entwikkelten generellen Konzept der Verkehrswertigkeit erfassen.22 Dabei werden wesentliche qualitative Eigenschaften von Verkehrsleistungen sieben Qualitätsebenen zugeordnet: - Reisegeschwindigkeit (zwischen Quell- und Zielort); - Massenleistungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, innerhalb eines kurzen Zeitraums bestimmte Mengen von Personen oder Gütern über den Raum hinweg zu befördern; - Sicherheit, d.h. die Fähigkeit eines Verkehrsmittels, Personen und Güter zu transportieren, ohne diese zu verletzen bzw. zu beschädigen; - Berechenbarkeit, d.h. die Fähigkeit eines Verkehrsmittels, zu vorgegebenen Zeiten eine Transportleistung zu beginnen und zu einem ebenfalls festgelegten Zeitpunkt am Ziel anzukommen; - Häufigkeit der Verkehrbedienung, d.h. die in einem Zeitabschnitt auf bestimmten Relationen zur Verfügung stehenden Reisemöglichkeiten; - Netzbildungsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit eines Verkehrsmittels, auf bestimmten gewünschten Relationen die Verkehrsleistungen anzubieten; - Bequemlichkeit als Fähigkeit eines Verkehrsmittels, Verkehrsleistungen so anzubieten, daß sie dem Benutzer möglichst wenig Aufwand bereiten und das Wohlbefinden der Reisenden verbessern. Aus der konkreten Ausprägung dieser sieben Qualitätsdimensionen, die Voigt 23 auch Teilwertigkeiten nennt, resultiert die Verkehrswertigkeit eines Verkehrsmittels oder Verkehrssystems. Die jeweilige Streuung der sieben Qualitätsdimensionen, die bei allen Verkehrsmitteln unterschiedlich ist, bestimmt das Qualitätsprofil. Die Ausprägung der einzelnen Verkehrsdimensionen wird zum Teil von den systemspezifischen Eigenschaften des Verkehrsmittels vorbestimmt, kann aber in bestimmten Grenzen variiert werden. Beispielsweise begrenzt bei der Magnetbahn nur die Schubkraft des Langstatormotors die erreichbare Höchstgeschwindigkeit. 24 Geschwindigkeitssteigerungen darüber hinaus Vgl. VOIGT, Fritz: Verkehr, Bd. 2, Berlin 1973, S. 69 ff. Ebenda S. 71. 24 Die von einem Lineannotor berührungsfrei angetriebene Magnetbahn benötigt keine Reibung zwischen Rad und Fahrbahn zum Vortrieb, so daß keine mit der Geschwindigkeit 22
23
3.2 Qualitätsprofil
51
können nur durch den kostenintensiven Einbau einer stärkeren Motorleistung oder (in Grenzen) durch Fahrzeuge mit geringerem Fahrwiderstand realisiert werden. Es entstehen Probleme der Zurechnung der Investitionskosten auf die einzelnen Oualitätsdimensionen, da diese gegenseitigen Wechselwirkungen unterliegen und sich beeinflussen. Dadurch ist es nicht möglich, die Kosten theoretisch exakt einzelnen Oualitätsdimensionen zuzurechnen. Daher beschränkt sich der vorliegende Ansatz auf eine deskriptive Analyse der magnetbahnspezifischen Eigenschaften als Gesamtsystem, um zu prüfen, wo der technische Fortschritt beim Bau und Betrieb der Magnetbahn im Verhältnis zu dem gegenwärtigen Verkehrssystem liegt. Zur Beurteilung der Einsatzmöglichkeiten der Magnetbahn reicht eine globale Beschreibung von Oualitätsmerkmalen in Form von Durchschnittswerten nicht aus; vielmehr müssen auch Variationen von Oualitätsebenen im Wechselspiel zueinander und insbesondere im Verhältnis zu den Kosten und den am Markt erzielbaren Preisen gesehen und bewertet werden. 3.2.1 Geschwindigkeit
Die Reisegeschwindigkeit ist eine wesentliche Determinante der Verkehrsmittelwahl im Personenfernverkehr und beeinflußt darüber hinaus die Gesamtnachfrage nach Verkehrsleistungen. Stets führten Geschwindigkeitserhöhungen bei Verkehrsmitteln zu deutlichen Modal Split-Verschiebungen und Aufkommensgewinnen für das qualitativ verbesserte Verkehrsmittel. Deutlich treten diese Effekte bei der Neueröffnung der Schienenschnellfahrstrecken in Japan und Frankreich hervor. 25 Als Indikator für das Angebotsmerkmal Schnelligkeit wird die Reisezeit als Fahrzeit vom Ouell- zum Zielort einschließlich Umsteige- und Wartezeiten definiert. Da Reisende primär an den Haus-zu-Haus-Reisezeiten inanwachsenden Spurführungskräfte überwunden werden müssen und nur der aerodynamische Widerstand den wesentlichen begrenzenden Faktor darstellt. 25 Änderungen in der Tarifpolitik konkurrierender Verkehrsmittel (Fluggesellschaft oder konventionelle Eisenbahn) können durch Preissenkungen diese Effekte abmildern. In Japan zeigen sich aber deutliche Rückgänge des Luftverkehrsaufkommens auf den vom Shinkansen bedienten Relationen. Vierzehn Fluglinien wurden sogar eingestellt (Tokio - Nagoya). Vgl. hierzu: ONO,J.: Die gegenwärtige Lage von Shinkansen und die Entwicklung der Magnetschwebetechnik bei den japanischen Staatsbahnen, in: Schienen der Welt, 1985. Heft 2, S. 111 ff. Für den innerdeutschen Raum ist eine Kooperation zwischen den Luftfahrtgesellschaften denkbar, da der Inlandsluftverkehr defizitär betrieben wird und eine Sammelfunktion für den Auslandsluftverkehr hat. Die MVP-Studie "Voruntersuchung zur Anwendbarkeitsstudie" (1983) geht daher von einer 100 %igen Substitution im zielreinen Luftverkehr aus.
52
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
teressiert sind, wird die Erweiterung des Reisezeit-Begriffs über den eigentlichen verkehrsmittelspezifischen Transportvorgang hinaus notwendig. Neuere Studien über die Gesetzmäßigkeiten von Verkehrsströmen belegen die Tendenz bei Reisenden, dasjenige System zu wählen, welches die kürzesten Reisezeiten ermöglicht. 26 Für öffentliche, an bestimmte Haltepunkte gebundene Verkehrsmittel (Flugzeug, Eisenbahn, Magnetbahn) sind neben den eigentlichen Beförderungszeiten die Einflüsse der Anbindungsmodalitäten für das Verkehrsaufkommen entscheidend.27 Deshalb werden Reisezeitverkürzungen aufgrund hoher Magnetbahngeschwindigkeiten nur dann nachfragerelevant, wenn sie nicht von Nebenzeiten aufgezehrt werden. 28 Die Reisegeschwindigkeit im schnellen Personenfernverkehr wird durch die nachstehenden Faktoren bestimmt: Tab. 3.3: Klassifizierung der reisezeitrelevanten Faktoren 1.
2.
3.
Die Reisezeit der eigentlichen Magnetbahnbeförderung - Höchstgeschwindigkeit - Anfahr- und Bremsbeschleunigung - Haltepunktdichte (des Betriebsprogramms ) - Haltezeiten - Umsteigezeiten Aufenthalt in den Terminals - Wartezeiten auf die nächste Verbindung * Häufigkeit * Berechenbarkeit - Fahrkartenverkauf * innerhalb der Terminals * außerhalb der Terminals - Gepäckorganisation Reisezeiten im Vor- und Nachlauf - Reisezeiten des komplementären Verkehrssystems * öffentlicher Personennahverkehr * Individualverkehr * Eisenbahnfernverkehr * Luftverkehr - Umsteigezeiten - Wartezeiten - geographische Position der Magnetbahnterminals
26 Vgl. HOFFMANN, Klaus: Raumbedeutsamkeit von Schnellfahrstrecken im Schienenverkehr, Berlin 1985, S. 3. 27 Vgl. LITIGER, Werner: Der Modal Split des Personenfernverkehrs, in: Internationales Verkehrswesen 1978, S. 36.) 28 Nebenzeiten umfassen die in Tab. 3.3. unter Punkt 2. und 3. aufgeführten reisezeitrelevanten Faktoren.
53
3.2 Qualitätsprofil
Die Reisegeschwindigkeit auf einer Magnetbahnstrecke mit mehreren Stationshaltepunkten kann theoretisch mit der nachstehenden vereinfachten Beziehung angenähert werden. 29
i=1
(n + l)(tH
+ ~:(1 + ~)) +
+- 2:
n+1
B
i=1
li
Die verwendeten Symbole bedeuten: Tab. 3.4: Einflußfaktoren auf die Reisegeschwindigkeit Symbol B a b
r
t
I
n
Bedeutung Betriebsgeschwindigkeit mittlere Anfahrbeschleunigung mittlere Bremsverzögerung Stationshaltezeit Entfernung zwischen den Haltestationen Zahl der Zwischenhalte
Dimension
Einfluß
(rn/sec)
(+)
(m/sec2)
(+)
(m/sec2) (sec)
(+)
(m) (-)
(+)
(- )
(-)
Die Dimensionierung des Langstatormotors übt einen wesentlichen Einfluß auf die erreichbare Betriebsgeschwindigkeit und die mittlere Anfahrbeschleunigung aus. Die mittlere Bremsverzögerung hängt von der Auslegung der Bremssysteme ab. Die übrigen drei Faktoren (Stationshaltezeit, Länge der einzelnen Streckenabschnitte und die Zahl der Zwischenhalte) werden von der Streckenauslegung und dem Betriebsprogramm bestimmt. Die Konzeption des Transrapid 07 sieht eine Höchstgeschwindigkeit von 500 km/h vor. Steigerungen darüber hinaus sind technisch machbar, doch angesichts des mit der Geschwindigkeit überproportional anwachsenden
29 Vgl. KRAFT, Karl Heinz; SCHNIEDER, Eckhard: Betriebsleittechnik für Magnetbahnen, in: EfR 33 (1984), H.6, S. 507 f.
54
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
Energieverbrauchs und der Lärmemission kaum realisierbar bzw. zumutbar.30 Im Vergleich zum Rad/Schiene-System erlaubt die Unabhängigkeit von Reibungskräften zwischen Fahrzeug und Fahrweg ein wesentlich höheres Beschleunigungsvermögen, insbesondere im Geschwindigkeitsbereich über 200 km/ho Dieser Umstand hat neben kürzeren Beschleunigungsstrecken bis zur Erreichung der Höchstgeschwindigkeit den Vorteil, variable Fahrgeschwindigkeitsprofile ohne lange Beschleunigungs- und Bremsstrecken durch Variation der jeweiligen Streckenhöchstgeschwindigkeit einzuführen. Hierdurch lassen sich die zugrundegelegten Trassierungsparameter und Lärmemissionswerte verbessern. In topographisch schwierigem Gelände spielen bei der Einpassung einer Fahrbahntrasse in die Landschaft die Trassierungsparameter eine entscheidende Rolle. Bei niedrigen Geschwindigkeiten verringern sich die minimalen Kurvenradien überproportional. Während bei einer Höchstgeschwindigkeit von 400 km/h noch Kurvenradien von 4.000 m erforderlich sind, verringert sich dieser Wert für 200 km/h auf 1.000 m. Da im Tunnel nicht mit der technisch möglichen Höchstgeschwindigkeit gefahren werden kann (Luftwiderstand, Probleme sich begegnender Züge bei Hochgeschwindigkeit), können bei der Magnetschwebebahn mittels Variation der Geschwindigkeit in Verbindung mit der hohen Steigfähigkeit in schwierigem Gelände Tunnel eingespart werden. Die aus Langsamfahrstrecken resultierenden Zeitverluste halten sich in Grenzen (Zeitverlust einer 20 km langen "Langsam fahrstrecke" mit 200 km/h gegenüber 400 km/h bei einer Anfahr- und Bremsbeschleunigung von 1 m/sec2 etwa 3,5 Minuten). In dichtbesiedelten Gebieten erlauben variable Geschwindigkeitsprofile theoretisch eine Reduzierung der Schallemission, so daß Lärmschutzwände, die zu zusätzlichen Investitionskosten und gleichzeitig zur Zerschneidung der Landschaft führen, vermieden werden können. Dieser theoretischen Möglichkeit sind aber wirtschaftliche Grenzen gesetzt, da durch häufiges Beschleunigen und Abbremsen sowohl die Betriebskosten - primär Energiekosten - sowie die Investitionskosten ansteigen und der Fahrkomfort sinkt. Diese negativen Effekte variabler Geschwindigkeitsprofile müssen mit den positiven Effekten je nach Anwendungsfall abgewogen werden.
30 Kemper dachte schon in den 40er Jahren an Höchstgeschwindigkeiten bis zu 2000 km/h in luftleer gepumpten Tunnelröhren. Ygl. KEMPER, Hermann (1943) S.4 Cf.
3.2 Qualitätsprofil
55
Abb. 3.5: Die Auswirkungen der Höchstgeschwindigkeit auf die Reisezeie 1 550 500 450 400 M
n u
300
t
250
n
200
e
o o o
350
D
150
v=500 km/h v=400km/h v=300km/h v= 120 km/h
100 50 0 100
200
300
400
500
1000
Entfernung km
Eigene Berechnungen
In einem dichtbesiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland mit vielen über den Raum verteilten mittleren und großen Städten, die nur in einem relativ geringen Abstand auseinanderliegen, werden die Haltepunktabstände eines Schnellbahnsystems im Durchschnitt zwischen 50 und 100 km liegen. Der Reisezeitvorteil einer Geschwindigkeitsauslegung von 400 km/h gegenüber einer von 300 km/h ist in dieser Konstellation zu niedrig, um den zusätzlichen Aufwand (Energieverbrauch, größere Motorleistung, schlechtere Trassierungsparameter, höhere Lärmemission) zu rechtfertigen. Noch bei einer Entfernung von 500 km beträgt der Reisezeitunterschied nur etwa 30 Minuten. Dagegen bedeutet eine Geschwindigkeitsauslegung von 300 km/h gegenüber einer durchschnittlichen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h, wie sie von PKW's auf Autobahnen oder von klassischen Bahnsystemen erreicht wird, einen entscheidenden Reisezeitvorteil, wie die Abbildung 3.5 zeigt.
31 Die Reisezeit wurde mittels der vorstehenden Formel berechnet. Dabei wurde eine mittlere Anfahrts- und Bremsbeschleunigung von 0,5 m/sec2 und eine Haltezeit von 90 sec pro Stationshalt angenommen.
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
56
Andererseits bedeuten Höchstgeschwindigkeiten von 500 km/h, wie sie die Magnetbahn Transrapid erreichen kann, auf Relationen mit weiten Haltepunktabständen in weniger dicht besiedelten Gebieten signifikante Reisezeitunterschiede wie aus der nachstehenden Abbildung ersichtlich wird. Abb. 3.6: Die Bedeutung der ~öchstgeschwindigkeit für die Reisezeit auf welten Distanzen 700
600
M n
o v=200km/h o v=300km/h
500
•
400
v=400km/h
u
e
n
300 200 100 0
100
200
300
400
500
1000
2000 km
Eigene Derechnungen
Die optimale Auslegungsgeschwindigkeit des Magnetbahnsystems hängt also ganz wesentlich von dem jeweiligen spezifischen Einsatzfall ab. Die Geschwindigkeit des Transrapid 06 auf der Versuchsanlage im Emsland konnte seit der Hallenausfahrt aus dem Test-Center am 30.06.1983 sukzessive auf 435 km/h im Dezember 1989 gesteigert werden. Die Funktionsfähigkeit der wichtigsten Systemkomponenten - Trag-/Führsystem und der Antrieb - wurden dabei wiederholt bewiesen. Die Schubkraft des Langstatormotors (84 KN) auf der Versuchsanlage gestattet theoretisch Geschwindigkeiten von über 500 km/h zu erreichen. Die Möglichkeit, vor Inbetriebnahme der Südschleife auf der nur 20,5 km langen Versuchsstrecke auf eine Höchstgeschwindigkeit von 355 km/h zu beschleunigen und wieder
3.2 Qualitätsprofil
57
anzuhalten, zeigt deutlich das Beschleunigungspotential des Langstatormotors einer Magnetschwebebahn - ein Rad/Schiene-Fahrzeug könnte nicht innerhalb einer so kurzen Distanz aus dem Stand auf eine solche Geschwindigkeit beschleunigen und wieder abbremsen. 3.2.2 Massenleistungsrahigkeit Die Massenleistungsfähigkeit eines Verkehrsmittels bestimmt in Verbindung mit der Häufigkeit der Verkehrsbedienung die Quantität des Verkehrsangebots in einer Nutzungsperiode. Die Massenleistungsfähigkeit wird als Indikator zur Quantifizierung des Verkehrsvolumens verwendet, das durch den Betrieb eines Magnetbahnsystems in einem Zeitraum maximal transportiert werden kann. Ihre wichtigste Determinante ist die Maximalkapazität, die von folgenden Faktoren abhängt: 1. fahrzeugspezifische Faktoren (Zahl der Fahrzeugsektionen, Sitzplätze je Sektion) 2. fahrbahnspezifische Faktoren (Zahl der Zugeinheiten, die gleichzeitig auf einer Strecke operieren können) 3. betriebsorganisatorische Faktoren (Betriebszeiten, Taktzeiten). Es lassen sich 2 - 8 Fahrzeugsektionen mit jeweils maximal 100 Sitzplätze zu einer Zugeinheit kombinieren. Damit stehen je nach Zuglänge 200 - 800 Sitzplätze pro Zugeinheit zur Verfügung. Um das Verkehrsangebot flexibler an die Nachfrage anpassen zu können, wird sich ein 8-Sektionenzug aus 2 gekoppelten 4-Sektionenzügen zusammensetzen. Im Hinblick auf eine Minimierung der zu installierenden Antriebsleistung sind für das Langstatorantriebskonzept homogene, also gleichlange, Zugeinheiten optimal. Ein kombinierter Einsatz verschieden schnell fahrender Zugeinheiten reduziert die Kapazität einer Strecke erheblich, wenn eine hohe Zugfolgezeit angestrebt wird. Die Maximalkapazität einer Magnetbahnverbindung ergibt sich aus der Zahl der Zugeinheiten, die die Strecke innerhalb eines bestimmten Zeitraumes passieren können. Diese sog. Streckendurchlaßfähigkeit verhält sich reziprok zur minimalen Zugfolgezeit. Die minimale Zugfolgezeit, d.h. der zeitliche Abstand zwischen zwei Zügen hängt ab von: der Auslegungsgeschwindigkeit, der Länge der Unterwerksabschnitte und deren Verschaltung, der Betriebsführung.
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
58
Bei Unterwerksabschnittslängen von maximal 10 km, einer zweispurigen Streckenführung, einer Auslegungsgeschwindigkeit von 400 km/h und Haltezeiten von 1,5 Min./Station beträgt der kürzeste zeitliche Abstand zwischen zwei Zügen (minimale Zugfolgezeit) 5 Minuten, was einer Streckendurchlaßfähigkeit von 12 Zugeinheiten pro Stunde und Richtung entspricht. Aufgrund vorgesehener Wartungsarbeiten an der Fahrbahn beschränkt sich die Betriebszeit voraussichtlich auf 18 Std.fTag (z.B. 6.00 - 24.00 Uhr). Dieser Wert wurde von den Wartungsintervallen von konventionellen Schienenschnellfahrstrecken übernommen. Die berührungsfreie Fahrtechnik und die daraus resultierende geringere Fahrbahnbeanspruchung könnten auch kürzere Wartungsintervalle erlauben.32 Erste empirische Erfahrungen wird der Dauerversuchsbetrieb auf der TVE bringen, der im ersten Halbjahr 1988 aufgenommen werden soll. Die Maximalkapazität errechnet sich wie folgt: K'
=
BZxQxZE
Dabei bedeuten: K' : = Maximalkapazität (Personen/Tag und Richtung) Q : = Streckendurchlaßfähigkeit/Stunde BZ: = Betriebszeit in Stunden ZE: = Sitzplätze/Zugeinheit. Unter den gesetzten Annahmen ergibt sich damit eine theoretische Maximalkapazität von 204 Zugfahrten mit 40.800 - 163.200 Sitzplätzen - je nach Sektionenzahl - pro Tag und Richtung oder 14,9 Mio. - 59,6 Mio. Sitzplätzen/Jahr und Richtung. Mit zusätzlichen Magnetbahnspuren könnte die Maximalkapazität gesteigert werden. Korridore mit entsprechend höherer Nachfrage sind jedoch äußerst selten.33 Das unten stehende Schaubild veranschaulicht den Zusammenhang zwischen Maximalkapazität und Sektionenzahl sowie Zugfolge. 32 In der PBK-Studie zeigten sich günstigere Instandhaltungsaufwendungen für das Magnetbahnsystem. Diese wurden gegenüber dem R/S-System um 19% bei den zeitabhängigen und um 33% bei den leistungsabhängigen W + I Kosten niedriger geschätzt. Vgl. FORSfLÜRKEN, R: Schnellbahnverbindung Paris-Brüssel- Köln/Amsterdam; in: Statusseminar Schnellbahnen - Magnetschwebetechnik, Hannover 1986 S. 12.0 - 19. 33 Verkehrsprognosen in Südkorea gehen für den Korridor Seoul-Busan von einem jährlichen Aufkommen von 105 Mio. Passagieren und einer Verkehrsleistung von 22 Mrd. PKM nach dem Jahr 2.000 aus. Vgl. hierzu LEE, Gun Young: High Speed Train Alternative for the Improvement of the Seoul-Busan Corridor, Taipei 1986.
59
3.2 Qualitätsprofil
Die hohe Maximalkapazität der Magnetbahn gestattet es, theoretisch ähnlich wie S-Bahnen, die in Großstädten Stadtteile im 5-8 Minutentakt bedienen, analog Oberzentren zusammenzuschließen. Abb. 3.7: Transportkapazität verschiedener Zugkonfigurationen bei unterschiedlichem Fahrplantakt
9
z P
8
I T ä A t U
z S e E
/ N
S D u n d
e
D D D D
Taktzeit in Minuten
10
S
7
6
••
5 4
3 2
0
2
4
6
5 10 15 20 30 60
8 Sektionen
Quelle: TRI-Rahmenspezifkation, Dok. Nr. NVS/2714/12/84
Prinzipiell sind auch einspurige Strecken möglich, allerdings mit erheblich niedrigerer Streckendur chI aß fähigkeit. Die minimale Zugfolgezeit zwischen Zügen in Richtung und Gegenrichtung kann durch zweispurige "Passover-Abschnitte" - zweckmäßigerweise am Begegnungspunkt - erhöht werden. Diese sollten je nach Auslegungsgeschwindigkeit eine Länge von 5,3 km (200 kmjh) bis 8,3 km (400 kmjh) aufweisen.34 Einspurige Strecken, wie z.B. anfangs in der trilateralen Studie auf der Relation Köln - Brüssel vorgeschlagen, reduzieren die Massenleistungsfähigkeit erheblich (vgl. Abb. 3.8.). Die daraus resultierenden Ersparnisse für Fahrbahninvestitionen fallen mit 42% im Vergleich zu den Kosten einer späteren Kapazitätserhöhung niedrig aus. Deshalb erscheinen einspurige 34
Vgl. TRI (Hrsg.): TRI-Rahmenspezifkation, Dok. Nr. NVS/2714/12/84.
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
60
Streckenabschnitte als Verbindung von BaIIungszentren auch im Hinblick auf wachsende Verkehrsnachfrage bei fortschreitender europäischer Integration ineffizient, da dann eine Erhöhung der Transportkapazität nur durch den Bau einer zusätzlichen Fahrspur erfolgen könnte. Abb. 3.8: Massenleistungsfähigkeit in Zügen/h und Richtung in Abhängigkeit von Höchstgeschwmdigkeit und Haltepunktabstanden bei einspurigem Verkehr.
4,0 3,5
[km/h
3,0
Z Ü
9
e
r-
2,5
0 0 0
200 300 400
'-------
2,0
r-
1,5 r-
1,0
r-
r-
0,5 0,0
r-
20
40
60
80
If rn I
100 150 200 250
Streckenlänge in km Annahme: 800 Sitzplätze/Zug
Quelle: Eigene Berechnungen nach TRI (Hrsg.): Trilaterale Studie Paris - Brüssel Köln 1984
Die Massenleistungsfähigkeit einspuriger Streckenabschnitte hat einen großen Einfluß auf die Auswirkungen von Betriebsstörungen bei einer Fahrspur auf den Fahrbetrieb. Je nach Abstand von zwei ÜberleitsteIIen35 läßt sich ein Betrieb auf der noch intakten Fahrbahn entsprechend der Abbildung 3.8 aufrecht erhalten. Relativ kurze einspurige Streckenabschnitte für Stadteinfahrten oder als Flughafenanbinder mit einer Länge bis zu 20-30 km könnten ein Magnet35
Überleitstellen ermöglichen den Wechsel von der einen auf die andere Fahrspur.
3.2 Qualitätsprofil
61
bahnnetz sinnvoll ergänzen, wenn Taktzeiten von 30 bis 60 Minuten zur Deckung der Nachfrage ausreichen. Abb. 3.9: Massenleistungsfähigkeit im MSB-Güterverkehr in Abhängigkeit des Anteils an Personenzügen
M
8
i
0
t
/ J
a h r
12 Züge/h 6 4 2 0
6 Züge/h
~
3ZÜge/~
----10 20. ~O 40 50 60 0 eO 90 Anteil es Personenverkehrs In % Quelle: Eigene Berechnungen
Die Massenleistungsfähigkeit im Güterverkehr errechnet sich analog dem Personenverkehr. Pro Doppelsektion können 30 t Nutzlast transportiert werden, dies sind bei einem 8-Sektionen-Zug insgesamt 120 t. Demnach kann eine artreine Güterverkehrsverbindung pro Tag (Jahr) und Richtung unter den oben getroffenen Annahmen theoretisch, d.h. bei einem Betrieb von 365 Tagen/Jahr bis zu 24.480 t (8,9 Mio t) befördern. Bei 250 Tagen/Jahr ergäben sich rund 6,1 Mio t. 36 Die Gesamtkapazität einer Strecke reduziert sich bei Mischbetrieb von Personen- und Güterzügen. Die untenstehende Abbildung zeigt die Maximalkapazität einer Magnetbahnrelation bei Mischbetrieb mit gleich schnell operierenden Zugeinheiten in Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis. Von einem Mischbetrieb mit verschieden schnellen Güter- und Personenzügen, 36
Die Bedeutung des Güterverkehrs auf der Magnetbahn behandelt Kap. 3.4.4.
62
3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
wie z.B. in der EMS-Transrapid-Studie von 1977 vorgeschlagen, wurde Abstand genommen, da die Leistungsfähigkeit einer Verbindung abnimmt, wenn die langsameren Zugeinheiten auf Überholbahnhöfen den schnellen Personenzügen die "Bahn frei machen" müssen. 3.2.3 Sicherheit
Die Sicherheit von Verkehrsmitteln erhält mit wachsenden Geschwindigkeiten eine immer höhere Bedeutung, da sich im Störungsfall theoretisch die gesamte kinetische Energie des Fahrzeugs zerstörend auswirken kann. Mit steigender Geschwindigkeit erhöht sich das Risiko, daß ein von Rädern getragenes und geführtes Fahrzeug in Kurven durch die Einwirkung der überproportional anwachsenden Seitenbeschleunigungskräfte aus der Spur getragen wird. Diese Problematik wurde bei der Magnetbahn durch die fahrwegumgreifende Konstruktion des Fahrzeugs gelöst, wodurch eine Entgleisung ausgeschlossen wird. Das aktive Trag- und Führsystem sowie der Einsatz sicherer "Magneträder" verhindern eine Berührung des Fahrzeugs mit der Fahrbahn, auch bei Ausfällen einzelner Bauelemente der Magnetregelkreiskomponenten. Bei Stromausfall werden automatisch Gleitkufen ausgefahren, womit ein "Abstürzen" des Fahrzeugs und unsanftes Aufschlagen auf die Fahrbahn bei hoher Geschwindigkeit ausgeschlossen wird.37 Im Falle von Störfällen kann das Fahrzeug über - Notrutschen (analog wie beim Flugzeug) bis auf Geländeniveau, beziehungsweise bis auf am Fahrweg angebrachte Laufstege oder - Notausstiege im Bug oder Heck auf den Fahrweg verlassen werden. Es werden entlang der Magnetbahntrasse an geeigneten Fahrwegabschnitten Hilfshaltepunkte vorgesehen, wo eine Evakuierung der Passagiere gefahrlos möglich ist. Selbst bei einem Brand im Fahrzeug und gleichzeitigem Ausfall des Antriebes soll ein havarierter Zug allein aus der kinetischen Energie den nächstgelegenen Hilfshaltepunkt erreichen können. 38
37 Vgl. hierzu u.a. BMFf (Hrsg.): Statusseminar Schnellbahnen - Rad/Schiene- und Magnetschwebetechnik; Berichte; Nürnberg 1985, S. 1.2. - 13 Cf. 38 Vgl. MVP (Hrsg.): Magnetbahnverbindung Rhein/Ruhr-Rhein/Main, München 1986 S. 95. Dieser Ausfall von zwei unabhängigen Systemen wird aus sicherheitstheoretischen Überlegungen als als sehr unwahrscheinlich erachtet.
3.2 Qualitätsprofil
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Liegengebliebene Fahrzeuge lassen sich durch Sonderfahrzeuge mit unabhängiger Energieversorgung zur nächsten Abstellmöglichkeit bergen. Von dort aus kann das manövrierunfähige Fahrzeug während einer Betriebspause zur nächstgelegenen Instandsetzungsstelle gebracht werden. Ein hoher Sicherheitsstandard ist auch insofern gewährleistet, als die Ausstattung im Fahrzeuginnern aus schwer entflamm barem Material besteht, das die Norm der Luftfahrt bzw. Durchbrandforderungen erfüllt. 39 Das Betriebsleitsystem der Magnetbahn erfüllt mehrere Sicherheitsfunktionen: 4o Bei größeren Abweichungen vom fahrplanmäßigen Verkehrsablauf kann das Überwachungs- und Bedienungspersonal der Leitstelle entsprechende Betriebsführungsstrategien einleiten und wenn notwendig eingreifen. Eine streckenseitige Fahrzeugsteuerung überwacht die tatsächliche mit der aktuell zulässigen Geschwindigkeit, so daß das Fahrzeug die Soll-Geschwindigkeit nicht überschreitet und vor einer Gefahrenstelle rechtzeitig anhält. in Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit führt zu einer Zwangsbremsung. Mittels eines Fein- und Grobortungssystems ist dem Personal der Betriebsleitstelle immer die jeweilige Position des Fahrzeugs bekannt. - Die Weichenstellung wird permanent überwacht. Der Transrapid verfügt über drei verschiedene, voneinander unabhängige Bremssysteme: - Umkehrung des Linearmotors; - Zwangsbremseinheiten für den Fall eines Antriebsausfalls, die aus dem elektrischen Bordnetz gespeist werden (Wirbelstrombremse); - mechanisches Bremssystem - hier werden mit Bremskufen versehene Magnete an die Führschiene angelegt, deren Bremskraft frei eingestellt werden kann.41
39 vgl. MILLER, Luitpold: Transrapid 07 - Prototyp der neuen Fahrzeuggeneration, Köln 1988, S. 4S ff. 40 Zum Stand der Betriebsleittechnik beim Transrapid vgI. u.a. Schnieder, Eckehard; GÜCKEL, Hartmut: Betriebsleittechnik für Magnetschnellbahnen - Stand der Untersuchungen, Köln 1988 S. n-93 41 Vgl. LÖSER, F.; RUOSS, W.: SATTLER, Ph.K.: Eddy-current brake-system for Transrapid 07, in: Proceedings of the 10th International Conference on Magnetically Levitated Systems (MagIev), Hamburg 1988.
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3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
Die berührungsfreie Bremstechnik hat den Vorteil, unabhängig von Witterungsverhältnissen wie Eis und Schnee zu sein, die die Wirksamkeit mechanischer Bremsen und des Antriebs aufheben können, wenn die Bremsen blockieren oder die Antriebsräder durchdrehen. Mit diesen Eigenschaften erreicht die Magnetbahn zumindest den hohen Sicherheitsstandard des Luftverkehrs oder der Eisenbahnen. Er wird wahrscheinlich noch höher liegen, da - automatischer Betrieb, - Entgleisungssicherheit, - reibungslose Fahrtechnik ohne mechanische Berührung, - keine gemeinsamen Verkehrswege mit anderen Verkehrsträgern, - ein kreuzungsloser Betrieb im System und - die aufgeständerte Fahrbahn die Störanfälligkeit und Unfallhäufigkeit reduzieren. Die elektromagnetische Strahlung des Transrapid hat keine schädlichen Wirkungen. 42 Im Vergleich zur Entwicklung der Eisenbahn oder der Luft- und Raumfahrt, die immer wieder durch spektakuläre Unfälle aufgehalten wurde etwa die Dampfkesselexplosion in der Frühphase der Eisenbahn, die Pannen bei dem ersten Düsenpassagierflugzeug oder die Explosion der Raumfähre Challenger sowie der Ariane-Rakete - sind die aufgetretenen Pannen bei der Magnetbahnerprobung gering; bisher gab es keine Verletzten oder gar Tote. Hier entsteht also ein sicheres Verkehrsmittel, das zwar als Prototyp mit einer Reihe von "Kinderkrankheiten" behaftet ist, die aber nach Auskunft der herstellerunabhängigen Betriebsmannschaft der Versuchsanlage nicht grundsätzlicher Natur sind und in absehbarer Zeit behoben werden können. 43 3.2.4 Berechenbarkeit Unter Berechenbarkeit versteht man die Fähigkeit eines Verkehrsmittels, eine vorher festgelegte Abfahrts-, Fahrt- und Ankunftszeit exakt einhalten zu können. Der fahrplanmäßige Betrieb bedeutet eine relativ hohe Berechenbarkeit, da dadurch Abfahrts- und Ankunftszeiten festgelegt werden. Die strenge Einhaltung eines fahrplanmäßigen Betriebs ist allerdings mit 42 Vgl. MERKLINGHAUS, W.;STEINMETZ. G.: Stand der Erprobung auf der Magnetbahn-Versuchsanlage, Köln 1988, S. 27. 43 Vgl. STEINMETZ; G.: Experiences with the Emsland Transrapid-System. in: International Conference on Maglev & Linear Drives, Vancover 1986, S. 66.
3.2 Qualitätsprofil
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Mehrkosten verbunden, da in Kauf genommen werden muß, daß die Transportkapazität nicht immer voll ausgelastet wird. Der Nachteil, immer an feste Fahrplanzeiten gebunden zu sein, läßt sich durch geringe Zugfolgezeiten ausgleichen. Ohne Kenntnis des Fahrplans beträgt die durchschnittliche Wartezeit auf den nächsten Zug - wenn man einmal von der Betriebspause absieht - die Hälfte des Zeitraums zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zügen. Wichtige Voraussetzungen für einen exakt berechenbaren Magnetbahnbetrieb liegen im Grad der Unabhängigkeit von exogenen Einflüssen wie - Witterungsbedingungen; - Wechselwirkungen mit anderen Verkehrssystemen - Verkehrsaufkommen. Witterungsverhältnisse wie Nebel, Sturm und Eis reduzieren die Kalkulierbarkeit des Straßen- und Luftverkehrs erheblich und verursachen empfindliche Hemmungen einer planmäßigen Durchführung der Transporte. Spurgebundene Verkehrsmittel sind weniger empfindlich gegenüber Natureinflüssen, obwohl Schneeverwehungen und Vereisungen bei einem mechanisch funktionierendes Signal- und Weichensystem zu Verspätungen führen können. Die aufgeständerte Magnetbahntrasse mit einer Regelstützhöhe von 5 m bietet einen hohen Schutz vor Schneeverwehungen und schließt gleichzeitig Wechselwirkungen mit dem übrigen Verkehrssystem aus. Die bisherigen Untersuchungen zur Witterungsabhängigkeit der Magnetbahn auf der TVE zeigen die Notwendigkeit, den Wagenkasten der Magnetbahn geschlossen zu halten, um Schnee- und Eisablagerungen am Tragund Führsystem zu vermeiden. Die Erfahrungen während des Winterbetriebs zeigen, daß die Magnetbahn auch bei extremen Witterungsbedingungen verhältnismäßig störungsfrei eingesetzt werden kann. Das computergesteuerte Betriebsleitungssystem der Magnetbahn, das einen zentral gesteuerten Fahrbetrieb erlaubt, bedeutet eine entscheidende Verbesserung für die Fahrplanüberwachung. Auswirkungen auf die Berechenbarkeit resultieren aus speziellen AufgabensteIlung des Betriebsleitsysterns: - zentrale Steuerungsfunktion auch bei Fahrplanabweichungen, - Geschwindigkeitsregelung und Positionierung der Fahrzeuge, - betriebliche Dokumentation, Prognose und Planung, - Fahrgastinformation.
5 Ralb
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3. Das Angebotsprofil der Magnetbahn
Hierdurch kann das Personal der Leitstelle bei eventuellen Fahrplanabweichungen ausgleichend eingreifen. Durch das Ortungssystem können sich auch die Fahrgäste über die Position und voraussichtliche Ankunft der Magnetbahnzüge informieren. Die Berechenbarkeit beeinflußt indirekt auch die Reisegeschwindigkeit, da beispielsweise nur um pünktlich an einem bestimmten Ort zu sein, eine höhere Reisezeit kalkuliert wird, um Verzögerungen ausgleichen zu können; bei einem exakt berechenbaren Verkehrsmittel kann der Reisende sich genau auf die Abfahrts- und Ankunftstermine verlassen, so daß Termine pünktlich eingehalten werden können.44 Die Fahrtdauer von Fernreisen mit Pkw's ist außerordentlich schwierig zu kalkulieren, da hier große Abhängigkeiten zu den übrigen Straßenverkehrsteilnehmern existieren. Unfälle, hohes Verkehrsaufkommen und Baustellen verursachen immer wieder Stauungen, so daß die tatsächlich erreichbaren Reisezeiten hohen Unwägbarkeiten unterliegen. Einen weiteren Aspekt birgt die Berechenbarkeit des komplementär an die Magnetbahn im Vor- und Nachlauf angeschlossenen Verkehrssystems. Der Reisende muß sich einfach und schnell darüber informieren können, wie er am besten und schnellsten zum gewünschten Fahrtziel von oder zu einem Magnetbahn-Terminal gelangen kann. Im gegenwärtigen Entwicklungsstadium des Magnetbahnsystems Transrapid lassen sich noch keine endgültigen Aussagen bezüglich der Berechenbarkeit treffen. Da auf der Versuchsanlage nur ein einziges Fahrzeug betrieben wird, führen technische Pannen im Fahrzeug, die häufig nicht aus den Primärfunktionen des Magnetbahnsystems Antrieb, Tragen und Führen resultieren, zu Totalausfällen. Die Anschaffung des zweiten Emsland-Fahrzeuges ist daher für eine Erhöhung der Verfügbarkeit und Berechenbarkeit des Versuchsbetriebes von Vorteil, zum al die verbesserte Konzeption des TR-07 ebenfalls auf der Versuchsanlage getestet wird sollte. Die hohe Berechenbarkeit von Magnetbahnsystemen zeigte sich im betrieblichen Einsatz des Transrapid 05 auf der Internationalen VerkehrsaussteUung in Hamburg 1979,45 wo während der gesamten Betriebszeit in über 750 Fahrten ca.
44 Besitzen die Anschlußverbindungen eine hohe Häufigkeit, wird diese Problematik zusätzlich entschärft. 4S Vgl. RASCHBICHLER; Hans Georg: Demonstrationsanlage für Magnetschwebetechnik zur IVA '79 in Hamburg, in: BMFf (Hrsg.): Statusseminar VIII, Bad Reichenhall 1980, S. 3-7.
3.2 Qualitätsprofil
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50.000 Passagiere befördert wurden. Über 99% der fahrplanmäßigen Fahrten konnten ohne Komplikationen durchgeführt werden. Mit dem japanischen Versuchsfahrzeug HSST-03 konnten während der EXPO '85 in Tsukuba sogar 611.068 Personen in 13.220 Fahrten befördert werden. Die Ausfallzeit (49 min.) gegenüber der Betriebszeit (1.949 Std.) ist sehr günstig und demonstriert deutlich die hohe Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit von Magnetbahnsystemen.46 3.2.5 Bedienungshäufigkeit
Die maximale Bedienungshäufigkeit ergibt sich aus der minimalen Zugfolgezeit, die abhängt von der Auslegegeschwindigkeit, den Unterwerksabschnittslängen und der Betriebsführung. Kurze Unterwerksabschnittslängen (alle 30 km), eine Auslegegeschwindigkeit von 400 kmjh sowie 1,5 minütige Aufenthalte an den Terminals erlauben eine minimale Zugfolgezeit von 5 min .. Hieraus ergibt sich also eine maximale Bedienungshäufigkeit von 12 Zügen pro Stunde und Richtung. Eine besonders hohe Bedienungshäufigkeit liegt deshalb im Interesse der Reisenden, da die Wartezeiten auf die nächste Magnetbahn von den Reisezeitgewinnen abgezogen werden müssen. Zudem erübrigt sich bei einer hohen Bedienungshäufigkeit die Kenntnis des Fahrplans. Andererseits verringert sich die Wirtschaftlichkeit für den Betreiber, wenn Züge nur gering ausgelastet werden. Daher muß die Zugfolgezeit in Abhängigkeit vom Verkehrsaufkommen optimiert werden. Die Kosten für die Steigerung der Häufigkeit - Energie und Personal sind aufgrund des hohen Fixkostenanteils des Magnetbahnsystems relativ gering. 47 Über den Zusammenhang zwischen Zugfolgezeit und Investitionskosten finden sich aber keine genauen Angaben. Besonders wichtig ist es, die Fahrpläne der Magnetbahn mit denen der Deutschen Bundesbahn, den Flugverbindungen und mit dem öffentlichen Personennahverkehrssystem zu koordinieren, um Wartezeiten für Reisende an Anschlußzüge etc. zu vermeiden. Andererseits müssen die Zeiten zum Umsteigen und im Zu- und Nachlauf mitberücksichtigt werden.