Die rechtliche Beurteilung von Gerüchen: Dargestellt am Beispiel von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung [1 ed.] 9783428524280, 9783428124282

Gegenstand der vorliegenden Arbeit von Mirjam Lang ist die Frage, wann Gerüche aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung

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German Pages 145 Year 2007

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Die rechtliche Beurteilung von Gerüchen: Dargestellt am Beispiel von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung [1 ed.]
 9783428524280, 9783428124282

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Schriften zum Umweltrecht Band 156

Die rechtliche Beurteilung von Gerüchen Dargestellt am Beispiel von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung

Von

Mirjam Lang

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MIRJAM LANG

Die rechtliche Beurteilung von Gerüchen

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 156

Die rechtliche Beurteilung von Gerüchen Dargestellt am Beispiel von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung

Von

Mirjam Lang

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-12428-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2006 abgeschlossen und von der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg im Sommersemester desselben Jahres als Dissertation angenommen. Sie enthält die bis zum Abgabetermin ergangene aktuelle Rechtsprechung zum Thema Geruchsbelästigungen und berücksichtigt die bis dahin erfolgten wissenschaftlich-technischen Neuerungen im Bereich der Geruchsmessung. Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Professor Dr. Helmuth Schulze-Fielitz. Er hat mir nicht nur die Anregung zu dieser Arbeit gegeben, sondern mich auch während ihrer Entstehung mit wertvollen Hinweisen und Anregungen unterstützt und gefördert. Der wissenschaftliche Dialog mit ihm war dabei von großer Bedeutung und hat mir stets sehr hilfreiche Denkanstöße gegeben. Prof. Dr. Scheuing danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Des Weiteren danke ich der Universität Würzburg, die die Veröffentlichung meiner Arbeit durch einen großzügigen Druckkostenzuschuss unterstützt hat. Mein weiterer Dank gilt Herrn Schepers und Herrn Arends von der Landwirtschaftskammer Oldenburg. Sie haben mir nicht nur in zahlreichen Gesprächen die praktische Relevanz der von mir untersuchten Regelwerke sehr anschaulich vor Augen geführt, sondern meine Arbeit auch durch die Zurverfügungstellung der graphischen Aufbereitung des Ausbreitungsrechenmodells AUSTAL 2000 G anhand eines praktischen Fallbeispiels in einem sehr wesentlich Punkt unterstützt. Bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang auch bei Herrn Grimm vom KTBL in Darmstadt. Er hat mir nicht nur wertvolle Hinweise über die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Geruchsmessung und -bewertung gegeben, sondern war auch immer gerne bereit, mir meine Fragen in Bezug auf den Fortgang im Bereich der Olfaktometrie zu beantworten. Herrn Koch vom Umweltministerium Nordrhein-Westfalen möchte ich dafür danken, dass er mir die Forschungsberichte des MIU zur Geruchsmessung zur Verfügung gestellt hat und mir weitere Hinweise auf relevante Literatur gegeben hat. Zu guter Letzt möchte ich noch meiner Familie vor allem für die finanzielle Unterstützung während der Zeit der Promotion danken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Würzburg, im Februar 2007

Mirjam Lang

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

Erster Teil Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

16

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

II. Geruch als schädliche Umwelteinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

1. Geruch als Gefahr, Nachteil, Belästigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

2. Das Merkmal der Erheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

a) Art, Ausmaß und Dauer der Umwelteinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

b) Der Akzeptorbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

c) Die Art des immissionsbetroffenen Gebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

aa) Der Außenbereich, § 35 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

bb) Das Dorfgebiet, § 34 BauGB i. V. m. § 5 BauNVO . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

cc) Die Gemengelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

d) Die Durchschnittsbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

e) Das Verhalten des Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

f) Technische Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B. Die VDI-Richtlinie 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine . . . . . . . . . .

30

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

II. Rechtsnatur und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

1. Rechtliche Bindungswirkung kraft Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

2. Die VDI-Richtlinie 3471 als „antizipiertes“ Sachverständigengutachten . . . . .

33

III. Der geruchsspezifische Regelungsgehalt der VDI-Richtlinie 3471 . . . . . . . . . . . . . .

34

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

8

Inhaltsverzeichnis 2. Das Abstandsregelungskonzept, Nr. 3.2.1 VDI-Richtlinie 3471 . . . . . . . . . . . . .

35

3. Der Geltungsbereich der Abstandsregelung, Nr. 3.2.3 VDI-Richtlinie 3471 . . .

36

IV. Bedeutungsgehalt der VDI-Richtlinie 3471 für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Die Auffassung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Die Abgrenzung von Schutz und Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

a) Die Schutzpflicht, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Die Vorsorgepflicht, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

c) Die Zuordnung der Abstandsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

3. Konzeptionierung der Mindestabstände der VDI-Richtlinie 3471 . . . . . . . . . . .

43

4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, TA-Luft 2002 . . . . . . . . . . . . . .

46

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

II. Rechtsnatur und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Die normkonkretisierende Wirkung der TA-Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

2. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

a) Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

b) Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

c) Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

3. Europarechtliche Bedenken gegen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

III. Der geruchsspezifische Regelungsgehalt der TA-Luft 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2. Die Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

3. Die Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

a) Die Mindestabstandsregelung, Nr. 5.4.7.1 Abs. 1 TA-Luft 2002 . . . . . . . . .

55

b) Die baulichen und betrieblichen Anforderungen, Nr. 5.4.7.1 Abs. 2 TA-Luft 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

c) Der Geltungsbereich der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

Inhaltsverzeichnis

9

IV. Bedeutungsgehalt der TA-Luft 2002 für die Bestimmung der Zumutbarkeit . . . .

59

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

D. Der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass zur TA-Luft 1986 . . . . . . . . . . . .

61

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

II. Rechtsnatur und Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

1. Einführung der GIRL im Erlassweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Nichteinführung der GIRL im Erlassweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

III. Regelungsinhalt der GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

1. Die Regelfallprüfung, Nr. 3.1 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Die Sonderfallprüfung, Nr. 5 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

IV. Resonanz in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

1. Auffassung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

2. Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

V. Ausgewählte Probleme der GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

1. Der Anwendungsbereich, Nr. 1 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

a) Genehmigungsbedürftige / nicht genehmigungsbedürftige Anlagen . . . . .

75

b) Das Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

2. Die Beurteilungskriterien, Nr. 3 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

a) Die Immissionsgrenzwerte, Nr. 3.1 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

aa) Die Wahrnehmungshäufigkeit als Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . .

78

bb) Die Geruchsstunde als Bewertungseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

cc) Der Akzeptorbezug der GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

dd) Die Immissionskontingentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

b) Die Gebietsdifferenzierung, Nr. 3.1 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

aa) Die Gebietseinteilung der Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

bb) Die Zuordnung der „sonstigen Gebiete“, Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vereinbarkeit mit § 5 BauNVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die kommunale Planungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 92 92 93

10

Inhaltsverzeichnis cc) Die Gemengelage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

dd) Die Höhe der Immissionswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

c) Praktisches Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

aa) Beschreibung der Gebietssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

bb) Das Rechenprogramm AUSTAL 2000 G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 cc) Die Situation im Dorfgebiet, § 5 BauNVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 dd) Die Situation im Außenbereich, § 35 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Die Erheblichkeit der Immissionsbeiträge, Nr. 3.3 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Die Befürworter der Irrelevanzregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Die Gegner der Irrelevanzregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5. Das Mess- und Beurteilungsverfahren, Nr. 4 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Das Beurteilungsgebiet, Nr. 4.4 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Die Beurteilungsflächen, Nr. 4.4.3 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Die Bestimmung der Vorbelastung, Nr. 4.4 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Die Rasterbegehung, Nr. 4.4.7 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Der Korrekturfaktor k, Nr. 4.4.1 Abs. 3 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 dd) Die Ausnahmetatbestände der Nr. 4.4.1 Abs. 6 bis 8 GIRL . . . . . . . . . 117 c) Die Bestimmung der Zusatzbelastung, Nr. 4.5 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 d) Die Bestimmung der Gesamtbelastung, Nr. 4.6 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6. Die Sonderfallprüfung, Nr. 5 GIRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Zweiter Teil Das Umweltprivatrecht

123

A. Die Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 906 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Inhaltsverzeichnis

11

II. Wesentlichkeit von Geruchsbeeinträchtigungen, § 906 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . 124 1. Der differenziert-objektive Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Die Bedeutung von Grenz- und Richtwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 III. Die Ortsüblichkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit, § 906 Abs. 2 BGB . . . . . . . 128 1. Die Ortsüblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Das Vergleichsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Die rechtliche Zulässigkeit der beeinträchtigenden Nutzung . . . . . . . . . . . . 129 d) Raumordnungs- und Bauleitpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 e) Gleichartige Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Wirtschaftliche Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

Einleitung Gerüche spielen im Leben des Menschen eine wichtige Rolle. Ob im Haushalt, im Verkehr, im Beruf oder in der Freizeit – tagtäglich ist der Mensch einer Vielzahl unterschiedlichster Geruchsstoffe ausgesetzt, die sein Handeln und Fühlen nicht unwesentlich beeinflussen. Nicht selten handelt es sich dabei um Gerüche, die als unangenehm, störend oder sogar Ekel erregend empfunden werden. Früher wurde diesem Umstand keine oder doch nur eine sehr geringe Bedeutung beigemessen. In den letzten Jahren ist jedoch eine zunehmende Sensibilisierung des Menschen gegenüber derartigen „Geruchsbelästigungen“ zu beobachten. Das mag zum einen daran liegen, dass in einer ständig dichter werdenden Besiedlung Gebiete unterschiedlicher Nutzung immer näher aneinanderrücken und dadurch die Summe an produktionsbedingten Gerüchen, denen der Mensch ausgesetzt ist, dementsprechend steigt. Zum anderen dürfte aber auch ein gestiegenes Umweltbewusstsein sowie die zunehmende Bereitschaft, Umweltbelastungen aktiv vorzubeugen oder zu beseitigen, eine wichtige Rolle spielen. In Anbetracht dieser Entwicklung ist es nicht verwunderlich, dass sich auch die Gerichte immer öfters der Fragestellung gegenübersehen, ob bzw. wann Gerüche eine „erhebliche Belästigung“ im Sinne des Gesetzes (§ 3 Abs. 1 BImSchG) darstellen und wann nicht. Namentlich Gerüche aus dem landwirtschaftlichen Bereich – vor allem aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung – gaben und geben dabei immer wieder Anlass zu Streitigkeiten.1 Wie ein Blick in die hierzu ergangenen Gerichtsentscheidungen zeigt, bereitet die Beantwortung dieser Frage den Gerichten dabei nicht selten erhebliche Schwierigkeiten. Dies liegt zum einen daran, dass die gesetzlichen Vorgaben in diesem Bereich sehr vage sind. Sowohl das Bundes-Immissionsschutzgesetz als auch das Bürgerliche Gesetzbuch operieren hier mit unbestimmten Rechtsbegriffen, die es seitens der Gerichte auszufüllen gilt. Zum anderen ist es bislang in noch nicht befriedigender Weise gelungen, die belästigende Wirkung von Gerüchen messtechnisch zu erfassen. Die Erfassung und Bewertung von Geruchsimmissionen entzieht sich weitestgehend den für anderweitige Luftverunreinigungen entwickelten physikalisch-chemischen Messverfahren. Technische Regelwerke, die sich mit der Frage der Zumutbarkeit von Gerüchen befassen, stellen somit allenfalls eine Annäherung an die Thematik dar. Soweit sie von den Gerichten gleichwohl im Rahmen ihrer 1 Siehe etwa OVG Münster, Urteil vom 19. 2. 2002, Az. 10 A D 133 / 00.NE; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24; OVG Münster, Beschluss vom 19. 12. 2002, Az. 10 B 435 / 02, NWVBl. 2004, 307; OVG Münster, Beschluss vom 24. 6. 2004, Az. A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259; VG Düsseldorf, Urteil vom 28. 8. 2001, Az. 3 K 8169 / 00.

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Einleitung

Entscheidungsfindung herangezogen werden, kommt ihnen allenfalls die Bedeutung eines groben Anhalts bei. Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, wann Gerüche aus rechtlicher Sicht eine erhebliche Belästigung darstellen und wann nicht. Für den Bereich des Öffentlichen Rechts ist diese Fragestellung oftmals für die Entscheidung relevant, ob eine bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt werden kann oder nicht. Im Bereich des privaten Nachbarrechts ist sie für das Bestehen oder Nichtbestehen von Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen gemäß §§ 1004, 906 BGB von Bedeutung. In Anbetracht der Vielgestaltigkeit des Phänomens „Geruch“ sowie mit Blick auf die verschiedenen technischen Regelwerke des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) zu diesem Bereich erschien es angebracht, den Untersuchungsgegenstand auf eine bestimmte Geruchsart einzugrenzen. Die Tierhaltungsform „Schweine“ wurde dabei vor allem wegen ihrer besonderen praktischen Relevanz gewählt. Da Gerüche aus der Schweinehaltung im Allgemeinen belästigender empfunden werden, als etwa Gerüche aus der Rinder- oder Pferdehaltung, bieten gerade sie häufig Anlass zu Streitigkeiten und beschäftigen die Behörden und Gerichte im Rahmen von bauplanungs- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren immer wieder aufs Neue. Die Arbeit selbst gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird der Frage aus der Sicht des Öffentlichen Immissionsschutzrechts nachgegangen. Den Ausgangspunkt bildet dabei das Begriffsmerkmal der „schädlichen Umwelteinwirkung“ des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Ausgehend von der gesetzlichen Legaldefinition wird aufgezeigt, zu welchen negativen Effekten Geruchseinwirkungen führen können und unter welchen Voraussetzungen sie als „schädlich“ im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren sind. Im Anschluss hieran werden sodann die von der Rechtsprechung und Praxis angewandten technischen Regelwerke analysiert. Dieser Teil bildet den eigentlichen Schwerpunkt der Arbeit, da die Frage nach der Geeignetheit dieser Regelwerke als Entscheidungshilfe sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur regelmäßig zu kurz kommt. Im Einzelnen werden dabei folgende Regelwerke untersucht: die VDI-Richtlinie 3471 – Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine, die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft 2002 (TA-Luft 2002), der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass zur TA-Luft 1986 sowie die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 21. 9. 2004. Die Prüfungsabfolge wird durch das Verhältnis der einzelnen Regelwerke zueinander bestimmt. Während die geruchsspezifischen Regelungen der TA-Luft 2002 auf die Vorgaben der VDI-Richtlinie 3471 aufbauen und diese in einzelnen Teilen nahezu unverändert übernehmen, basiert die GIRL auf den Vorgaben des Nordrhein-Westfälischen Durchführungserlasses zur TA-Luft 1986, dessen Leitgedanken sie aufgreift und weiter ausdifferenziert. Der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass selbst wiederum stellt eine Art Ergänzung zur TA-Luft 1986 dar.

Einleitung

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Das Hauptaugenmerk innerhalb dieser Prüfungsabfolge liegt auf der GIRL als dem „eigentlichen“ Regelwerk zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen. Bei der Ausarbeitung dieses Punktes wurde dabei sowohl auf Literatur zur TA-Luft 1986 / 2002 als auch zur TA-Lärm 1998 zurückgegriffen. Dies war zum einen erforderlich, weil es aus rechtlicher Sicht nur sehr wenig GIRL – spezifische Literatur gibt. So sind in der Vergangenheit zwar zahlreiche fachwissenschaftliche Aufsätze verfasst worden, die sich mit dem Mess- und Beurteilungsverfahren der GIRL befassen. Mit der Frage, welche Bedeutung der GIRL in rechtlicher Hinsicht zukommt, insbesondere ob sie geeignet ist, den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG zutreffend zu konkretisieren, setzen sich bislang allerdings nur sehr wenige Autoren auseinander. Dabei wird die Eignung der GIRL als Entscheidungshilfe in aller Regel an der Frage der Berücksichtigung der Hedonik entschieden. Weitergehende Aspekte werden nicht oder kaum beachtet. Zum anderen bot sich diese Vorgehensweise an, weil die GIRL etliche Vorschriften enthält, die mit verschiedenen Regelungen sowohl der TA-Luft 1986 / 2002 als auch der TA-Lärm 1998 nahezu identisch oder zumindest vergleichbar sind. So stimmen die Regelungen der GIRL zum Mess- und Beurteilungsverfahren zum Beispiel weitestgehend mit denen der TA-Luft aus dem Jahr 1986 überein. Regelungen zur sogenannten „Irrelevanz“ finden sich sowohl in der TA-Luft 1986 / 2002 als auch in der TA-Lärm 1998. Aus diesem Grund erschien es vertretbar, auf die Literatur zu diesen Regelwerken zurückzugreifen, soweit ein Vergleich der Regelungsinhalte unter Berücksichtigung der geruchsspezifischen Besonderheiten dies zuließ. Abgerundet werden die rechtlichen Betrachtungen zur GIRL schließlich durch ein Fallbeispiel aus der Praxis, anhand dessen die praktischen Konsequenzen, zu denen die GIRL führt, noch einmal verdeutlicht werden. Im zweiten Teil der Arbeit wird der Frage nach der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen aus der Sicht des Privaten Immissionsschutzrechts nachgegangen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei die Regelung des § 906 BGB. Ausgehend von der gesetzlichen Legaldefinition der darin enthaltenen Duldungspflicht werden vor allem die Kriterien der Wesentlichkeit und Ortsüblichkeit näher untersucht und dabei sowohl die Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zum Öffentlichen Immissionsschutzrecht aufgezeigt.

Erster Teil

Das Öffentliche Immissionsschutzrecht A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes I. Allgemeines Die rechtlichen Parameter für die Bewertung von Geruchsimmissionen finden sich in erster Linie im Bundes-Immissionsschutzgesetz. Ziel dieses Gesetzes ist es, den Menschen und seine gesamte Umwelt vor „schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen“, § 1 Abs. 1 BImSchG. Hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen unterscheidet das Bundes-Immissionsschutzgesetz dabei zwischen genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 4 ff. BImSchG), von denen aufgrund ihrer Größe ein besonderes Konfliktpotential ausgehen kann2, und den immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 22 ff. BImSchG).3 Nach § 5 Abs. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen für die Allgemeinheit und Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (12). Welche Anlagen im Einzelnen immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig sind bestimmen § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG und die 4. BImSchV. In deren Anhang werden abschließend unter Spalte 1 all jene Anlagen aufgeführt, die einer förmlichen Genehmigung nach § 10 BImSchG bedürfen und unter Spalte 2 diejenigen Anlagen, die dem vereinfachten Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 19 BImSchG unterliegen. Für die Landwirtschaft enthält die Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV Kapazitätsgrenzen in Form von Tierplatzzahlen für „Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel und Pelztieren oder zum Halten oder zur getrennten Aufzucht von Rindern und Schweinen“. Werden diese Zahlen erreicht oder überschritten, ist die Anlage genehmigungspflichtig, ansonsten ist sie zumindest immissionsschutzrechtlich genehmigungsfrei. 2 3

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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Werden diese Vorgaben eingehalten, ist der Schutzzweck des Gesetzes als erreicht anzusehen und die mit dem Betrieb der Anlage einhergehenden Umweltbelastungen sind hinzunehmen. Entspricht die Anlage hingegen nicht den Anforderungen der §§ 6, 5 BImSchG bzw. § 22 BImSchG braucht die Nachbarschaft und Allgemeinheit die von der Anlage ausgehenden Umweltbelastungen nicht zu dulden und kann sich dagegen zur Wehr setzen. So kann jeder Nachbar einer genehmigungspflichtigen Anlage die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage anfechten, wenn von dieser schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten sind, die ihn in seinen subjektiven Rechten verletzen. Bei einer bereits bestehenden Anlage kann er auf Erlass einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG klagen.4 Im Bereich der nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen kann im Klagewege von der Behörde der Erlass einer Verfügung nach §§ 24, 25 BImSchG verlangt werden, wenn die Pflichten des § 22 BImSchG – namentlich die des § 22 Nr. 1 BImSchG – nicht erfüllt werden.5 Ausgehend von dem eben Gesagten ist zentraler Maßstab für die Bewertung von Gerüchen aus der Schweinehaltung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz also das Begriffsmerkmal der „schädlichen Umwelteinwirkung“. Nur wenn diese als schädliche Umwelteinwirkung zu qualifizieren sind, lösen sie den besonderen Schutzanspruch des Gesetzes aus und brauchen von der Nachbarschaft und Allgemeinheit nicht hingenommen zu werden. Stellen sie demgegenüber keine schädliche Umwelteinwirkung dar, sind sie rechtlich irrelevant und damit zu dulden.

II. Geruch als schädliche Umwelteinwirkung Eine Legaldefinition des Begriffsmerkmals „schädliche Umwelteinwirkung“ findet sich in § 3 Abs. 1 BImSchG. Danach werden schädliche Umwelteinwirkungen definiert als „Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen“. Gemäß § 3 Abs. 2 BImSchG sind Immissionen wiederum auf den „Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen“. Wie sich aus der Legaldefinition des § 3 Abs. 4 BImSchG weiter ergibt, können auch „Luftverunreinigungen durch Geruchsstoffe“ eine schädliche Umwelteinwirkung darstellen, wenn sie geeignet sind, einen der vorbezeichneten negativen Effekte hervorzurufen. 4 H. D. Jarass, BImSchG, § 17 Rn. 68; G. Ketteler / K. Kippels, 240; W. Sandner, in: W. Kahl / A. Voßkuhle, Kap. 7 Rn. 67. 5 H. D. Jarass, BImSchG, § 24 Rn. 23; W. Sandner, in: W. Kahl / A. Voßkuhle, Kap. 7 Rn. 80.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

1. Geruch als Gefahr, Nachteil, Belästigung Eine Eignung landwirtschaftlicher Gerüche, „Gefahren“ herbeizuführen, ist dabei in der Regel auszuschließen. Zur Bestimmung des Gefahrenbegriffs in § 3 Abs. 1 BImSchG knüpfen Rechtsprechung und Literatur an den polizeirechtlichen Gefahrenbegriff an.6 Eine Gefahr liegt danach vor, wenn bei ungehindertem Ablauf des Geschehens ein Zustand oder Verhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Verletzung eines der Schutzgüter des § 1 Abs. 1 BImSchG führen würde.7 Angesichts der geringen Stoffkonzentration, mit der Gerüche in der Außenluft auftreten, fehlt ihnen allerdings das erforderliche Schädigungspotential.8 Sie sind weder geeignet einen Gesundheitsschaden im Sinne einer „funktionellen oder morphologischen Veränderung des menschlichen Organismus“9 herbeizuführen, noch eine sonstige Rechtsgutverletzung zu bewirken.10 Als allgemeine Störung des körperlichen und / oder seelischen Wohlbefindens unterhalb der Gefahrenschwelle stellen sie jedoch regelmäßig eine Belästigung des Menschen dar.11 Führt diese darüber hinaus zu einer Interessenbeeinträchtigung, insbesondere in Form einer Vermögenseinbuße, so ist sie außerdem als „Nachteil“ im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu qualifizieren.12 In der Rechtsprechung spielten bislang – soweit ersichtlich – nur Geruchsbelästigungen, nicht aber auch Nachteile infolge von Gerüchen eine Rolle.13 Aus die6 BVerwG, Urteil vom 11. 12. 2003, Az. 7 C 19 / 02, NVwZ 2004, 610 (611); OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, UPR 1990, 452 (452); OVG Münster, Urteil vom 7. 6. 1990, Az. 20 AK 25 / 87, NVwZ 1991, 1200 (1202); B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 98 f.; B. Drews / G. Wacke / K. Vogel / W. Martens, § 13 Nr. 1; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 21 Rn. 23; M. Kloepfer, § 14 Rn. 64; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 10. 7 G. Ketteler / K. Kippels, 217; H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (715). 8 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 8. 9 VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21. 9. 1993, Az. 10 S 1735 / 91, VBlBW. 1994, 239 (240); H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 51. 10 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 8. 11 Amt. Begr., BT-Drs. 7 / 179, 29; B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 101; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 27; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 13. 12 Amt. Begr., BT-Drs. 7 / 179, 29; B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 100; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 28; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 12. 13 OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00; OVG Münster, Beschluss vom 24. 6. 2004, Az. 21 A 4130 / 01, NVwZ 2004, 1259 ff.; VG Greifswald, Beschluss vom 26. 2. 2002, Az. 1 B 2644 / 01; VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 04. 14 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 46.

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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sem Grund konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen ausschließlich auf die „Belästigung“ als negativen Effekt im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG. 2. Das Merkmal der Erheblichkeit Wie dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BImSchG weiter zu entnehmen ist, müssen die Geruchsbelästigungen ferner „erheblich“ sein, um als schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden zu können. Mit dem Merkmal der Erheblichkeit wollte der Gesetzgeber die in einer modernen Industriegesellschaft üblichen und damit tolerierbaren Bagatellbeeinträchtigungen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausscheiden und nur solche Umwelteinwirkungen berücksichtigt wissen, die eine gewisse Störqualität aufweisen.14 Den erforderlichen Beurteilungsmaßstab hierfür hat er allerdings nicht festgelegt. Weder im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch in einem anderen Gesetz findet sich eine Aussage darüber, wann Belästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG als erheblich anzusehen sind und wann nicht. Vielmehr überließ er diese Konkretisierungsaufgabe dem untergesetzlichen Normgeber15 und – soweit dieser nicht tätig geworden ist wie im Falle der Geruchsimmissionen16 – den zuständigen Verwaltungsbehörden und Gerichten.17 Deren Aufgabe ist es mithin, aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, ob eine erhebliche Geruchsbelästigung vorliegt oder nicht.18 Welche Gesichtspunkte für die Beurteilung der Erheblichkeit im Einzelnen bedeutsam sind, ist dabei umstritVgl. §§ 7, 23 und 48 BImSchG. Der untergesetzliche Normgeber hat in der TA-Luft 2002 in Bezug auf Geruchsstoffe zwar verschiedene Regelungen zur Konkretisierung der gesetzlichen Anforderungen getroffen. Immissionswerte zur Konkretisierung der Schutzpflicht hat er allerdings in Ermangelung standardisierter Mess- und Beurteilungsverfahren, nicht festgelegt. Ausführlich zum Regelungskonzept der TA-Luft 2002 unter Punkt C. III. 17 Die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur setzt den Begriff der Erheblichkeit mit dem der Zumutbarkeit gleich. Geruchsimmissionen stellen danach dann eine erhebliche Belästigung dar, wenn sie der Allgemeinheit oder Nachbarschaft nicht mehr zumutbar sind. Siehe dazu: BVerwG, Urteil vom 12. 12. 1975, Az. C 71.73, BVerwGE 50, 49 (55); BVerwG, Urteil vom 7. 10. 1983, Az. 7 C 44.81, BVerwGE 68, 62 (67); BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1984, Az. 7 C 8.82, BVerwGE 69, 37 (43); BVerwG, Urteil vom 29. 4. 1988, Az. 7 C 33.87, BVerwGE 79, 254 (256); B. Bender / R. Sparwassser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 102; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 21 Rn. 27; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 47; M. Kloepfer, § 14 Rn. 65; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 14; H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (716); – Andere Auffassung C. D. Classen, JZ 1993, 1042 ff. 18 BVerwG, Urteil vom 20. 10. 1989, Az. 4 C 12.87, DVBl. 1990, 419 (422); BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6; BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 (695); BayVGH, Urteil vom 4. 10. 1991, Az. 2 B 88.1284, BayVBl. 1992, 211 (212); OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00, 4. 19 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 47. 15 16

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

ten.19 Als besonders abwägungsrelevant haben sich allerdings folgende Faktoren herauskristallisiert: a) Art, Ausmaß und Dauer der Umwelteinwirkung Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BImSchG hängt die Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen zunächst einmal von der Art, dem Ausmaß oder der Dauer des Geruchs ab. Die Art betrifft dabei die Geruchsnote und deren Charakteristik.20 Mit dem Ausmaß ist die Intensität der Einwirkung, also insbesondere die Stärke der Empfindung gemeint.21 Die Dauer schließlich bezieht sich auf den zeitlichen Umfang der Geruchswahrnehmung sowie die tages- / jahreszeitliche Verteilung der Geruchsimmissionen.22 So können Geruchsimmissionen konstant andauern oder nur gelegentlich auftreten. Nicht selten sind sie zu bestimmten Zeiten eher zumutbar als zu anderen.23 b) Der Akzeptorbezug Zum anderen gilt es zu beachten, dass für die Bestimmung der Erheblichkeit nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht der einzelne Immissionsbeitrag für sich erheblich sein muss, entscheidend ist vielmehr, ob die durch ihn mitverursachte Gesamtbelastung24 als erhebliche Geruchsbelästigung zu qualifizieren ist oder nicht.25 Ihren Grund findet diese akzeptorbezogene Betrachtungsweise im

20 M. Schön / R. Hübner, 67; R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (61); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (207). Soweit das VG Hannover in seinem Beschluss vom 1. 3. 1999, Az. 8 B 6785 / 98, 10 die Geruchscharakteristik mit der hedonischen Wirkung gleichsetzt, ist dies nicht korrekt. Während bei der Geruchsart der Geruch verbal beschrieben wird (es riecht erdig, faulig, süßlich; nach . . . ) geht es bei der hedonischen Wirkung um die rein subjektive Bewertung eines Geruchs als angenehm, unangenehm, Ekel erregend etc.; vgl. hierzu M. Schön / R. Hübner, 70. 21 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 52; R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (61); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (207). 22 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 52; R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (61); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (207). 23 H. D. Jarass, BImschG, § 3 Rn. 52; R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (61); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (207). 24 Ob die einzelnen Immissionsbeiträge einen gewissen Schwellenwert erreichen müssen, um mitursächlich zu sein, ist umstritten. Ausführlich wird auf diese Frage in Punkt E. V. 2. d) eingegangen. 25 B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 102; J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 57; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 49;

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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Immissionsbegriff des § 3 Abs. 2 BImSchG. In Abgrenzung zum Emissionsbegriff des § 3 Abs. 3 BImSchG zeichnen sich Immissionen dadurch aus, dass sie auf den Menschen und seine Umwelt „einwirken“. Für die Frage, ob an einem bestimmten Ort Immissionen vorliegen oder nicht, kommt es also nur darauf an, ob der Rezipient dort Belastungen im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG ausgesetzt ist oder nicht.26 Woher diese Umweltbelastungen stammen spielt dabei keine Rolle.27 Ebenso unerheblich ist es, ob die Immissionen von einer oder von mehreren Anlagen verursacht werden und ob deren Immissionsbeitrag je für sich betrachtet die Grenze des Zumutbaren überschreitet oder nicht.28 Mit dem Begriff der Immissionen wird nicht der Immissionsbeitrag einer bestimmten Anlage, sondern die Immissionsverhältnisse am Einwirkungsort bezeichnet, denen der Akzeptor ausgesetzt ist.29 Das Bundes-Immissionsschutzgesetz folgt damit einer akzeptorbezogenen und nicht anlagenbezogenen Betrachtungsweise. Für die Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen folgt daraus, dass also stets auf die geruchliche Gesamtsituation abzustellen ist, der der Betroffene ausgesetzt ist und nicht auf den Beitrag der einzelnen Anlage.

c) Die Art des immissionsbetroffenen Gebiets Eine besondere Rolle bei der Bestimmung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen kommt der bebauungsrechtlichen Prägung des immissionsbetroffenen Gebiets zu. So entspricht es heute der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Zumutbarkeit von geruchlichen Belästigungen niemals losgelöst von der zugrunde liegenden bauplanungsrechtlichen Situation beurteilt werden kann.30 Ihren Grund dürfte die besondere Wechselwirkung zwischen H.-J. Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 71 f.; H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30 f.; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 20 c. 26 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30; H.-J. Koch, Lärmsummation, in: D. Czajka / K. Hansmann / M. Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, 215 (218). 27 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30; H.-J. Koch, Lärmsummation, in: D. Czajka / K. Hansmann / M. Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, 215 (218). 28 H.-J. Koch, in: D. Czajka / K. Hansmann / M. Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, 215 (218); H. Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA-Lärm, in: H.-J. Koch, Aktuelle Probleme, 191 (199); R. Sparwasser / A. v. Komorowski, VBlBW 2000, 348 (350). 29 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30; H.-J. Koch, Lärmsummation, in: D. Czajka / K. Hansmann / M. Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, 215 (218); Ch. Müller, 165 f.; H. SchulzeFielitz, 30 Jahre TA-Lärm, in: H.-J. Koch, Aktuelle Probleme, 191 (199). 30 BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6; VGH Bad.Württ., Urteil vom 21. 9. 1993, Az. 10 S 1735 / 91, VBlBW 1994, 238 (243); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 9980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (25); OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00, 4; OVG Münster, Urteil vom 25. 6. 2003, Az. 7 A 4042 / 00, NWVBl. 2004, 95 (96); B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 102; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 55 ff.; H.-J. Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, 16 ff.; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 b ff.;

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Immissionsschutzrecht und dem Bebauungsrecht dabei in der Eigenart des Immissionsbegriffs haben. Wie bereits unter Punkt A. II. 2. b) angedeutet wurde, besteht die Eigenart von Immissionen darin, dass sie sich in einem bestimmten räumlichen Gebiet verteilen und auf die Menschen und Objekte in diesem Gebiet einwirken.31 Auf ihrem Verbreitungsweg können sie dabei zahlreiche Veränderungen erfahren. Sie können wirkungsschwächer oder wirkungsstärker werden, sich mit anderen Erscheinungen verbinden oder von diesen überlagert werden, sich in ihrer Art verändern und vieles mehr.32 Für die Erfassung und Beurteilung von Geruchsimmissionen kommt es deshalb ganz entscheidend darauf an, ob sie bezogen auf die konkreten Verhältnisse am Einwirkungsort eine erhebliche Belästigung darstellen oder nicht.33 Die entscheidende Bezugsgröße des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist somit die Immissionslage in einem bestimmten räumlichen Gebiet.34 Ob Belästigungen im Sinne des Immissionsschutzrechts erheblich sind oder nicht richtet sich demnach nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der baurechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmt.35 In der Rechtsprechung spielten im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen aus der Schweinehaltung dabei bislang vor allem der Außenbereich (§ 35 BauGB) sowie der beplante / unbeplante Innenbereich (§ 34 BauGB) in Form des Dorfgebiets (§ 5 BauNVO) eine Rolle.36 Auf die BeH. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (714). 31 H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (714). 32 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 16; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 20 a; H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (714). 33 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 16. 34 H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (715). 35 BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (25); OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00; OVG Münster, Urteil vom 25. 6. 2003, Az. 7 A 4042 / 00, NWVBl. 2004, 95 (96); VG Düsseldorf, Urteil vom 28. 8. 2001, Az. 3 K 8169 / 00; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. 10. 2000, Az. 4 K 3058 / 99, Agrarrecht 2002, 190 (192); VG Minden, Urteil vom 9. 5. 2005, Az. 11 K 2789 / 04; B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 102; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 55 ff.; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 b ff.; H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (716). 36 BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 f.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12. 10. 1994, Az. 5 S 2609 / 94, UPR 1995, 117 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 11. 4. 1997, Az. 1 L 7648 / 95, NdsVBl. 1997, 259 ff.; OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00; OVG Münster, Urteil vom 25. 6. 2003, Az. 7 A 4042 / 00, NWVBl. 2004, 95 ff.; VG Gelsenkirchen Beschluss vom 24. 1. 1997, Az. 8 L 2205 / 96; VG Sigmaringen, Urteil vom 16. 11. 1998, Az. 7 K 1743 / 95, NuR 1999, 474 ff.

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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stimmung der Zumutbarkeit wirkte sich die jeweilige Gebietstypik dabei wie folgt aus: aa) Der Außenbereich, § 35 BauGB Treten Gerüche im Außenbereich auf, so ist bei der Beurteilung ihrer Erheblichkeit von Bedeutung, dass der Außenbereich der Bereich ist, den das Gesetz als Standort für stark emittierende Betriebe wie landwirtschaftliche Hofstellen mit (Intensiv-)Tierhaltung vorsieht37, § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 BauGB.38 Durch diese Privilegierung der Landwirtschaft soll der landwirtschaftliche Charakter des Außenbereichs erhalten bleiben und vor wesensfremder Bebauung und Zersiedelung geschützt werden.39 Mit Gerüchen, die durch die Tierhaltung oder Düngung üblicherweise entstehen, muss deshalb regelmäßig gerechnet werden.40 Als typische baunutzungsrechtliche Begleiterscheinung belasten sie den Außenbereich vor und wirken sich gegenüber anderen Nutzungen schutzmindernd aus.41 Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Geruchsimmissionen im Außenbereich folgert die Rechtsprechung daraus, dass im Außenbereich generell ein höheres Maß an Geruchsimmissionen zumutbar ist.42 So können die Inhaber baurechtlich genehmigter Wohnhäuser, die innerhalb eines bestehenden landwirtschaftlichen Anwesens im Außenbereich errichtet wurden, nicht fordern, dass sie von mehr oder weniger starken mit der Tierhaltung einhergehenden Gerüchen verschont bleiben.43 Ebenso können sie sich nicht darauf verlassen, dass es auf Dauer nicht doch zu stärkeren Geruchsbelastungen kommt als bisher üblich.44 Die Grenze des Zumutbaren sieht die Rechtsprechung als erreicht an, wenn die Möglichkeit besteht, dass es zu ungesunden Lebensverhältnissen kommt45 bzw. sich die Immissionen der Grenze der konkreten Gesundheitsgefahr nähern.46 37 BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432); VG Sigmaringen, Urteil vom 16. 11. 1998, Az. 7 K 1743 / 95, NuR 1999, 474 (475). 38 Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind solche landwirtschaftlichen Betriebe zulässig, die die Futtermittel im eigenen Betrieb erzeugen. Handelt es sich demgegenüber um Intensivtierhaltung ohne eigene Futtergrundlage aus dem Grundstück, ist § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB einschlägig, vgl. H. Dürr, in: H. Brügelmann, BauGB, Band 2, § 35 Rn. 11, 59. 39 BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, NuR 1999, 295 (297). 40 BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432); OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00, 4. 41 VG Sigmaringen, Urteil vom 16. 11. 1998, Az. 7 K 1743 / 95, NuR 1999, 474 (475). 42 BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432); OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 7 L 2108 / 96, NuR 1998, 661 (662); VG Sigmaringen, Urteil vom 16. 11. 1998, Az. 7 K 1743 / 95, NuR 1999, 474 (474 f.). 43 VG Sigmaringen, Urteil vom 16. 11. 1998, Az. 7 K 1743 / 95, NuR 1999, 474 (475). 44 BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432). 45 BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

bb) Das Dorfgebiet, § 34 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO Handelt es sich bei dem immissionsbetroffenen Gebiet demgegenüber um den beplanten / unbeplanten Innenbereich (§ 30, § 34 BauGB), ist zu beachten, dass es sich dabei um denjenigen Gebietsteil handelt, der nach der Vorstellung des Gesetzgebers generell bebaubar ist, weswegen die Wohnnutzung in diesem Gebiet grundsätzlich einen größeren Schutz genießt als vereinzelt im Außenbereich liegende Hausgrundstücke.47 In welchem Umfang die Wohnnutzung konkret schutzwürdig ist, hängt dabei von der jeweiligen Nutzungsart ab, die sich entweder aus den Festsetzungen eines Bebauungsplans ergibt oder nach den tatsächlichen Verhältnissen bemisst.48 Von Bedeutung können in diesem Zusammenhang dabei auch die Vorgaben der Baunutzungsverordnung sein. Mit ihren nach der Schutzwürdigkeit des Wohnens gestaffelten Gebietskategorien49 gibt sie ein unterschiedliches Maß an zumutbaren Immissionen vor und liefert so einen generellen Bewertungsmaßstab für die Zumutbarkeit von Immissionen.50 Für das hier interessierende Dorfgebiet ergibt sich aus dem oben Gesagten damit folgendes: Gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 BauNVO zeichnet sich das Dorfgebiet dadurch aus, dass auf die Belange der Landwirtschaft einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Gebiet vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. Durch diese normative Privilegierung51 soll den landwirtschaftlichen Betrieben gerade in Zeiten des Strukturwandels das Dorfgebiet auch weiterhin als Standort gesichert werden.52 Dementsprechend ist der Schutz der Wohnnutzung deutlich geringer ausgestaltet.53 Wer in einem Dorfgebiet wohnen will oder muss, kann deshalb nicht erwarten, von lästigen Tiergerüchen verschont zu bleiben.54 Als typische baunutzungsrechtliche Begleiterscheinung gehören sie zum Nutzungsbild des Dorfgebiets dazu und wirken sich gegenüber den anderen Nutzungsarten schutzmin46 OVG Münster, Beschluss vom 19. 12. 2002, Az. 10 B 435 / 02, NWVBl. 2004, 307 (308); OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00, 4. 47 OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 7 L 2108 / 96, NuR 1998, 661 (662). 48 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 55 ff.; H. Schulze-Fielitz, Der Raum, in: H. Dreier / H. Forkel / K. Laubenthal, Raum und Recht, 711 (716 f.). 49 H. Dürr / H. König, Rn. 51 b; H.-J. Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, 15. 50 H.-J. Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, 18 f., 61 f.; H.-J. Koch, in: GKBImSchG, § 3 Rn. 59, 62. 51 BGH, Urteil vom 21. 6. 2001, Az. III ZR 313 / 99, UPR 2001, 438 (438). 52 BGH, Urteil vom 21. 6. 2001, Az. III ZR 313 / 99, UPR 2001, 438 (438); BayVGH, Urteil vom 26. 2. 1993, Az. 2 B 90.921, BayVBl. 1994, 78 (79); W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, Baugesetzbuch Band V, § 5 Rn. 8; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 3, 3.41. 53 BGH, Urteil vom 21. 6. 2001, Az. III ZR 313 / 99, UPR 2001, 438 (438); W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, Baugesetzbuch Band V, § 5 Rn. 9e; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 4. 54 H.-C. Sarnighausen, Baurechtliche Zumutbarkeit, in: J. Kormann, Konflikte baulicher Nutzung, 115 (117).

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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dernd aus.55 Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung von Geruchsimmissionen im Dorfgebiet folgt daraus, dass die Wohnnutzung bis zur Erreichung der Erheblichkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 BImSchG ein deutlich höheres Maß an landwirtschaftlichen Immissionen hinzunehmen hat, als in den übrigen Wohngebieten der Baunutzungsverordnung.56 Wann die Grenze des Zumutbaren genau erreicht ist, hängt allerdings von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. In der Rechtsprechung wurde bislang die Zumutbarkeitsgrenze jedenfalls dann als erreicht angesehen, wenn die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB nicht mehr als gewahrt angesehen werden können.57

cc) Die Gemengelage Für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen kann neben der Gebietsart außerdem auch die konkrete Lage des immissionsbetroffenen Grundstücks von Bedeutung sein.58 Befindet sich dieses unmittelbar an der Grenze zweier Gebiete mit einander widersprechenden und sich gegenseitig beeinträchtigenden Nutzungen, dann ist die Grundstücksnutzung mit einer spezifischen Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme dergestalt belastet, dass die vom Emittenten ausgehenden Belästigungen stärker in Grenzen zu halten sind, als es dem allgemeinen Charakter des Gebiets entspräche, in dem die Anlage errichtet wurde und der Immissionsbetroffene seinerseits ein höheres Maß an Belästigungen hinzunehmen hat, solange diese sich im Rahmen eines „Mittelwertes“ zwischen dem in den beiden Gebieten Zumutbaren bewegen.59 Konzipiert worden war diese „Mittelwertrechtsprechung“ ursprünglich für Lärmimmissionen in sogenannten Gemengelagen, das heißt für Gebiete mit mehr oder weniger engem Nebeneinander von unterschiedlichen Nutzungen, die sich gegenseitig beeinträchtigen. 60 Ausgehend von den Lärmimmissionsrichtwerten der TA-Lärm 196861 für verschiedene Gebietsarten und dem Gebot der gegenseitigen 55 BayVGH, Urteil vom 26. 2. 1993, Az. 2 B 90.921, BayVBl. 1994, 78 (79); BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432); H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 4; H.-C. Sarnighausen, Baurechtliche Zumutbarkeit, in: J. Kormann, Konflikte baulicher Nutzung, 115 (117). 56 W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, Baugesetzbuch Band V, § 5 Rn. 9e; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 4. 57 BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 (695); BayVGH, Beschluss vom 22. 11. 1994, Az. 20 CS 94.2535, NVwZ-RR 1995, 430 (432). 58 BayVGH, Urteil vom 30. 4. 1993, Az. 26 B 91.1284, BayVBl. 1994, 113 (115); OVG Lüneburg, Urteil vom 19. 1. 1995, Az. 1 L 166 / 90, NuR 1996, 42 (43). 59 BayVGH, Urteil vom 30. 4. 1993, Az. 26 B 91.1284, BayVBl. 1994, 113 (115). 60 BVerwG, Urteil vom 12. 12. 1975, Az. C 71.73, BVerwGE 50, 49 (54); M. Krautzberger, in: U. Battis / M. Krautzberger / R.-P. Löhe, BauGB, § 1 Rn. 108; W. Söfker, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, Baugesetzbuch Band I, § 1 Rn. 237.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Rücksichtnahme hatte das Bundesverwaltungsgericht bestimmt, dass den Betroffenen in diesen Gebieten ein Wert zumutbar sein soll, der zwischen den bei jeweils isolierter Betrachtung geltenden Richtwerten der benachbarten Gebiete liegt.62 In der Folgezeit wurde diese Rechtsprechung dann auch auf andere Umweltbelastungen insbesondere Geruchsimmissionen übertragen.63 Wie dieser Mittelwert konkret zu bilden ist, hat die Rechtsprechung bislang allerdings noch nicht dargelegt.64 Jedenfalls handelt es sich der Sache nach bei dem zu bildenden Wert nicht um das arithmetische Mittel zweier Richtwerte.65 Vielmehr ist für die Bildung dieses Wertes von Bedeutung, was von den Betroffenen nach den konkreten Umständen des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit noch als zumutbar hingenommen werden kann und was nicht.66 d) Die Durchschnittsbetroffenheit Ob ein Geruch als „erheblich belästigend“ wahrgenommen wird oder nicht, hängt ferner von der Person des jeweiligen Rezipienten ab. So spielen etwa das Alter sowie die physische und psychische Konstitution eine wichtige Rolle bei der Geruchswahrnehmung und -bewertung.67 Ein an Schnupfen erkrankter Mensch hat ein geringeres Geruchswahrnehmungsvermögen als ein Gesunder.68 Der Geruchssinn älterer Personen reagiert ebenfalls unempfindlicher als der jüngerer Menschen.69 Von Bedeutung ist ferner die persönliche Einstellung des Betroffenen dem Emittenten gegenüber. Aus der Praxis ist zum Beispiel bekannt, dass Anwohner, die die Errichtung oder den Betrieb geruchsemittierender Anlagen in ihrer Nachbarschaft ablehnen, diesbezüglich negativ sensibilisiert sind bzw. bereits geringfügige Geruchsereignisse negativ bewerten.70 Des Weiteren spielen die Erziehung, die Geruchserfahrung der Kulturkreis sowie das Lebensumfeld eine wichtige Rolle bei der subjektiven Wahrnehmung eines Geruchs.71 Wollte man all diese subjektiven Parameter bei der Interessenabwägung berücksichtigen, hätte dies nicht nur einen erheblichen Ermittlungsaufwand zur Folge, 61 Allgemeine Verwaltungsvorschrift über genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 16 der Gewerbeordnung – GewO, vom 16. 7. 1968 (Beil. BAnz. 1968, Nr. 137). 62 BVerwG, Urteil vom 12. 12. 1975, Az. C 71.73, BVerwGE 50, 49 (54). 63 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 91, NVwZ-RR 1994, 139 (140). Die Mittelwertrechtsprechung dürfte vor allem für die GIRL von Bedeutung sein, die – wie die TA-Lärm 1998 – für die Zumutbarkeit bestimmte Richtwerte vorgibt. 64 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (140). 65 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (140). 66 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (140). 67 M. Schön / R. Hübner, 10, 64. 68 M. Schön / R. Hübner, 10. 69 M. Schön / R. Hübner, 64. 70 M. Schön / R. Hübner, 10 f. 71 M. Schön / R. Hübner, 71.

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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vielmehr wäre auch ein einheitlicher und damit rechtssicherer Gesetzesvollzug nicht mehr sichergestellt.72 Aus Gründen der Rechtssicherheit und Effektivität73 ist deshalb nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung74 und Literatur für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage abzustellen, wobei neben dem Merkmal der allgemeinen Akzeptanz auch Gesichtspunkte der sozialen Adäquanz und Herkömmlichkeit von Bedeutung sein können.75

e) Das Verhalten des Betroffenen Für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen spielt auch das Verhalten des Betroffenen selbst, insbesondere die Rechtmäßigkeit seines Handelns eine Rolle.76 So sind Nutzungen, die zwar faktisch ausgeübt werden, formell und materiell aber illegal sind, gegenüber Immissionen einer in der Nachbarschaft rechtmäßig betriebenen Anlage nicht schutzwürdig; an der Schädlichkeit der Umwelteinwirkung fehlt es daher.77 An der Schutzwürdigkeit des Betroffenen fehlt es ferner dann, wenn er vertraglich in die Belästigung eingewilligt hat.78 In diesem Fall sind die Geruchsbelästigungen nicht mehr als erheblich anzusehen, und ein behördliches Einschreiten 72 VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. 3. 1982, Az. X 575 / 77, X 578 / 77, X 583 / 77, ESVGH 32, 161 (213 f.); K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1158). 73 VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. 3. 1982, Az. X 575 / 77, X 578 / 77, X 583 / 77, ESVGH 32, 161 (213 f.). 74 In der Rechtsprechung wird der Maßstab der durchschnittlichen Empfindlichkeit nicht näher begründet. Einzig der VGH Bad.-Württ. weist in seiner Entscheidung vom 30. 3. 1982 auf die Rechtssicherheit und auf Praktikabilitätserwägungen als Ursache hin. Siehe hierzu Fn. 73. 75 BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, NuR 1999, 295 (296); BGH, Urteil vom 21. 6. 2001, Az. III ZR 212 / 99, UPR 2001, 438 (438); BVerwG, Urteil vom 7. 10. 1983, Az. 7 C 44.81, BVerwGE 68, 62 (67); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30. 3. 1982, Az. X 575 / 77, X 578 / 77, X 583 / 77, ESVGH 32, 161 (213 f.); OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. 11. 1993, Az. 7 A 12014 / 92, UPR 1994, 273 (274); OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (293); B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 103; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 21 Rn. 27; H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 53; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 f.; kritisch zur Durchschnittsbetroffenheit allerdings M. Böhm, 20 ff.; R. Wulfhorst, 62 ff. 76 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 60; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 f. 77 BVerwG, Urteil vom 24. 9. 1992, Az. 7 C 6 / 92, NJW 1993, 342 (343); BVerwG, Urteil vom 14. 1. 1993, Az. 4 C 19 / 90, NVwZ 1993, 1184 (1186); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (25). In diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, JZ 1999, 468 (470). 78 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 61; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 g.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

kann nicht mehr verlangt werden.79 Zu beachten ist dabei, dass der vertragliche Verzicht nur das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien betrifft. Öffentliche Belange, insbesondere der Schutz der Allgemeinheit, bleiben hiervon unberührt.80

f) Technische Regelwerke Bei der Prüfung der Frage, was im Einzelnen erheblich ist, stellen schließlich auch technische Regelwerke eine wichtige Entscheidungshilfe dar. Der Vorteil solcher Regelwerke besteht im Allgemeinen dabei darin, dass sie für den Regelfall die unbestimmten Rechtsbegriffe in messbare Größen umsetzen und sie dadurch einheitlich und nach vorausberechenbaren Maßstäben operationabel machen.81 Sie entbinden die Gerichte jedoch keinesfalls von der von diesen vorzunehmenden umfassenden Prüfung des Einzelfalles.82 Der Grund hierfür liegt darin, dass es nicht möglich ist, die Erheblichkeit einer Geruchsbelästigung in einem einzigen Messwert quantifizierend anzugeben, ohne dabei zuvor wertende Einschränkungen und Rahmenbedingungen festzulegen.83 Geruch als eine rein subjektive Sinneswahrnehmung lässt sich nicht ausschließlich messen, sondern bedarf stets auch einer Bewertung.84 Die Zumutbarkeit einer Geruchsbeeinträchtigung ist demgemäß nach Maßgabe des Einzelfalles situationsbedingt und damit bewertend zu qualifizieren85, wobei die Regelwerke im Rahmen der Interessenabwägung eine wichtige Entscheidungshilfe in Form eines „groben Anhalts“ darstellen.86 Im Bereich der Geruchsimmissionen wurden im Laufe der Zeit verschiedene Regelwerke konzipiert, die zum Teil eine sehr unterschiedliche Resonanz in der Rechtsprechung und Literatur erfahren haben. Zu nennen sind: die VDI-Richtlinie E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 g. H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 61; E. Kutscheidt, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 3 Rn. 15 g. 81 H. D. Jarass, NJW 1987, 1225 (1225); K. Hansmann, Immissionsgrenzwerte, in: E. Franßen / K. Redeker / O. Schlichter / D. Wilke, Bürger-Richter-Staat, 285 (285). 82 BVerwG, Urteil vom 20. 10. 1989, Az. 4 C 12.87, DVBl. 1990, 419 (422); BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6; OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (295). 83 So für den Bereich der Lärmbeeinträchtigung BVerwG, Urteil vom 20. 10. 1989, Az. 4 C 12.87, DVBl. 1990, 419 (422). 84 So für den Bereich der Lärmbeeinträchtigung BVerwG, Urteil vom 20. 10. 1989, Az. 4 C 12.87, DVBl. 1990, 419 (422). 85 BVerwG, Urteil vom 20. 10. 1989, Az. 4 C 12.87, DVBl. 1990, 419 (422); BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6; BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 (695); BayVGH, Urteil vom 4. 10. 1991, Az. 2 B 88.1284, BayVBl. 1992, 211 (212); OVG Münster, Beschluss vom 19. 3. 2003, Az. 22 A 5565 / 00, 4. 86 BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6. 79 80

A. Die Regelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

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3471 – Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine;87 die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA-Luft 2002;88 der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass zur TA-Luft 198689 sowie die Geruchsimmissions-Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz (GIRL) in der Fassung vom 21.9. 2004.90 Wie diese Regelwerke von den Gerichten und der Literatur im Einzelnen aufgenommen wurden bzw. werden und welche Rolle ihnen bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen zukommt, soll im Folgenden nun näher untersucht und dargestellt werden.

III. Zusammenfassung Bewertungsmaßstab für Geruchsimmissionen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ist die Schädlichkeit ihrer Einwirkungen. Diese nimmt der Gesetzgeber an, wenn die Immissionen geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen hervorzurufen, § 3 Abs. 1 BImSchG. Für die hier interessierenden landwirtschaftlichen Gerüche ist einzig das Begriffsmerkmal der „erheblichen Belästigung“ relevant, wobei das Gesetz selbst die Frage, wann Gerüche im konkreten Einzelfall eine erhebliche Belästigung darstellen, unbeantwortet lässt. Vielmehr überträgt der Gesetzgeber diese Konkretisierungsaufgabe dem untergesetzlichen Normgeber und – soweit dieser nicht tätig geworden ist – den zuständigen Behörden und Gerichten. Im Bereich der Geruchsimmissionen fehlt es bislang an einer verbindlichen Rechtsgrundlage zur Bestimmung der Erheblichkeit. Aus diesem Grund haben die Gerichte und Behörden im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles darüber zu befinden, wann die Schwelle der Erheblichkeit als überschritten anzusehen ist und wann nicht. In die Güterabwägung sind dabei unter anderem folgende Faktoren und Wertungen einzustellen: die Geruchsart, die Geruchsintensität, die tages- und jahreszeitliche Verteilung der Einwirkung, die Gesamtimmissionssituation, der Rhythmus, in dem die Belastungen auftreten, die Nutzung des Gebiets sowie die soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz. Wichtige Kriterien können in diesem Zusammenhang auch technische Regelwerke privater Organisationen liefern, wie zum Beispiel VDI-Richtlinien oder die Geruchsimmissions-Richtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutz.

Zu beziehen über den Beuth Verlag Berlin. Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (TALuft) vom 24. 7. 2002, GMBl. Nr. 25 – 29 vom 30. 7. 2002. 89 Gem.RdErl. d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft u. d. Ministers f. Wirtschaft, Mittelstand und Technologie vom 14. 10. 1986, NWMBl. 1658 ff. 90 Abgedruckt ist diese Fassung bei Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band II, Nr. 4.2. 87 88

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

B. Die VDI-Richtlinie 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine I. Allgemeines Das erste technische Regelwerk, das sich mit der Thematik „Vermeidung und Verminderung von Geruchsbelästigungen aus der Schweinhaltung“ befasst hat, ist die „VDI-Richtlinie 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine“. Erarbeitet wurde dieses Regelwerk bereits Anfang der 70er Jahre von der VDI-Kommission Reinhaltung der Luft des privaten Normungsverbandes Verein Deutscher Ingenieure e.V. (kurz: VDI).91 Entsprechend des Normerlassverfahrens des VDI war das Regelwerk 1974 zunächst als sogenannter „Gründruck“92 unter der Bezeichnung „Richtlinie Auswurfbegrenzung“ vorgestellt worden.93 In dem sich anschließenden öffentlichen Einspruchsverfahren wurde der Richtlinienentwurf unter Berücksichtigung der vorgebrachten Einwände noch einmal eingehend überprüft und in zahlreichen Feldversuchen und Studien getestet.94 Im Jahr 1986 wurde die Richtlinie schließlich unter Einbeziehung der bis dahin ergangenen technischen Neuerungen als „Weißdruck“95 veröffentlicht. Seitdem bestand das Regelwerk unverändert fort und wurde sowohl von Gutachtern, Fachbehörden als auch Gerichten als Entscheidungshilfe herangezogen. Erst Ende der 90er Jahre fand sich im VDI erneut eine Expertenkommission zusammen. Das ursprüngliche Ziel dieser Kommission dabei war es, die VDIRichtlinie 3471 zu überarbeiten und den technischen Neuerungen in der Tierhaltung anzupassen. Letztlich hat sich der VDI jedoch dafür entschieden, eine neue Richtlinie zu erarbeiten. Mit dieser sollten die Richtlinien 3471 (Schweine) und 3472 (Hühner) aus dem Jahr 1986 sowie der Entwurf der VDI-Richtlinie 3473 (Rinder) von 1994 abgelöst und ein Bewertungskonzept zur Verfügung gestellt werden, mit dem erstmals alle in der Landwirtschaft wichtigen Tierarten und Nutzungsrichtungen nach einem einheitlichen Maßstab beurteilt werden können.96 Im März 2001 wurde vom VDI erstmals der neue Richtlinienentwurf für die VDIRichtlinie 3474 – Emissionsminderung Tierhaltung – vorgestellt. Über das Stadium des Gründrucks ist dieser Entwurf allerdings niemals hinausgelangt. Der 91 Ausführlich zur Entstehung und zum Regelungsinhalt der VDI-Richtlinien 3471 S. Schirz, KTBL-Arbeitspapier 126, 7 ff. 92 Als Gründruck wird der Richtlinienentwurf bezeichnet, der noch einem öffentlichen Einspruchsverfahren unterliegt; siehe auch VDI-Richtlinie 3471, Vorbemerkung. 93 K.-H. Krause / E. Grimm, Landtechnik 2001, 250 (250). 94 K.-H. Krause / E. Grimm, Landtechnik 2001, 250 (250). 95 Als Weißdruck wird die endgültige Fassung einer VDI-Richtlinie bezeichnet; siehe auch VDI-Richtlinie 3471, Vorbemerkung. 96 dlz agrarmagazin 2002, 108 (108 f.).

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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Grund hierfür waren erhebliche Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich seines fachlichen Aussagegehaltes. Bemängelt wurden dabei vor allem die in ihm enthaltenen Abstands- sowie Rechenempfehlungen.97 Der VDI sah sich deshalb gezwungen, den Richtlinienentwurf in seinen wesentlichen Punkten noch einmal zu überarbeiten. Offiziell zurückgezogen worden ist der Entwurf vom VDI jedoch nicht. In Anbetracht dieser Streitigkeiten hat es die Rechtsprechung deshalb bislang abgelehnt, in dem Entwurf eine geeignete Entscheidungshilfe zur Beurteilung von Geruchsimmissionen zu sehen.98 Grundsätzlich ist in der Rechtsprechung und Literatur zwar anerkannt, dass auch bloße Richtlinienentwürfe als brauchbarer Anhalt für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchseinwirkungen herangezogen werden können.99 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der fachliche Aussagegehalt des Entwurfs in seinen wesentlichen Punkten auf einer gesicherten Grundlage beruht100 und sich nicht, wie im Fall der VDI-Richtlinie 3474 erheblicher fachwissenschaftlicher Kritik ausgesetzt sieht. In einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster die VDI-Richtlinie 3474 betreffend heißt es dazu: „Das Gutachten ( . . . ) kann ( . . . ) nicht herangezogen werden, weil es auf einer methodisch unzureichenden Grundlage erstellt wurde. Es basiert auf dem Entwurf der VDI-Richtlinie 3474 – Emissionsminderung Tierhaltung Geruchsstoffe – vom März 2001. Dieser Entwurf soll aufgrund erheblicher kritischer Anmerkungen – nicht zuletzt der Landesumweltämter und des Bundesumweltamtes – in etlichen Punkten modifiziert werden und als neuer Entwurf vorgestellt werden. Zwar können Richtlinien des VDI – auch deren Entwürfe – grundsätzlich als brauchbarer Anhalt für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchseinwirkungen herangezogen werden. Dies gilt jedoch nicht für den Entwurf einer Richtlinie, der – wie hier – auf Grund erheblicher fachlicher Bedenken in dem Sinne „zurückgezogen“ worden ist, dass er grundlegend überarbeitet und sodann als neuer Entwurf veröffentlicht werden soll“.101 Wann die Überarbeitung der VDI-Richtlinie 3474 abgeschlossen sein wird und ein neuer Entwurf vorgelegt werden wird, ist derzeit nicht absehbar und bleibt abzuwarten. Bis dahin gilt das Regelungskonzept der VDI-Richtlinie 3471 jedenfalls unverändert fort.

Pressemitteilung des VDI vom 31. 10. 2001. OVG Münster, Beschluss vom 28. 10. 2003, Az. 7 B 1505 / 03. Ebenso die Begründung und der Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, Unterpunkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, 27. 99 OVG Münster, Beschluss vom 28. 10. 2003, Az. 7 B 1505 / 03; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (252). 100 OVG Münster, Beschluss vom 28. 10. 2003, Az. 7 B 1505 / 03; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (252). 101 OVG Münster, Beschluss vom 28. 10. 2003, Az. 7 B 1505 / 03, 1 f. 97 98

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

II. Rechtsnatur und Bindungswirkung Die VDI-Richtlinie 3471 ist ein privates Regelwerk, das vom Verein Deutscher Ingenieure in rein privater Trägerschaft erarbeitet wurde. Sie selbst sieht sich als „Entscheidungshilfe“ 102 an. Vom Gesetz wird sie als Bekanntmachung einer sachverständigen Stelle bezeichnet, § 7 Abs. 5 BImSchG. Als solche ist sie rechtlich grundsätzlich ohne jede Bindungswirkung für die Verwaltung und die Gerichte und statuiert allenfalls gegenüber ihren Verbandsmitgliedern eine gewisse Beachtenspflicht. Soweit sie von den Gerichten im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung herangezogen wird, kommt ihr nur die Bedeutung eines „groben Anhalts“ zu.103

1. Rechtliche Bindungswirkung kraft Verweisung Etwas anderes könnte sich jedoch im Falle einer wirksamen Verweisung ergeben. Nach allgemeiner Meinung können auch private Umweltstandards eine rechtliche Bindungswirkung entfalten, wenn sie durch eine ausdrückliche staatliche Übernahmeentscheidung wirksam in eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift inkorporiert werden.104 In diesem Fall werden die privaten Regelungen zu staatlichen Umweltstandards und gewinnen den Rang der auf sie verweisenden Rechtsoder Verwaltungsvorschrift.105 Bezogen auf die VDI-Richtlinie 3471 könnte sich eine solche Verweisung aufgrund der Nr. 5.1.1 TA-Luft 2002 ergeben. Diese bestimmt in ihrem Absatz 8, dass Normen des VDI-Handbuchs Reinhaltung der Luft des Anhangs 6 der TA-Luft 2002 als Erkenntnisquelle bei der Ermittlung des Standes der Technik herangezogen werden sollen, soweit die Nrn. 5.2 und 5.4 TA-Luft 2002 keine oder keine vollständigen Regelungen zur Emissionsbegrenzung enthalten. Würde es sich bei dieser Regelung um eine Verweisung handeln, hätte dies zur Folge, dass die VDIRichtlinien nicht nur Bestandteil der TA-Luft wären, sondern auch an deren Rechtsnatur partizipieren würden.106 Wie sich jedoch bereits aus der Formulierung „soll ( . . . ) herangezogen werden“ ergibt, sollen die in Anhang 6 der TA-Luft 2002 aufgeführten VDI-Richtlinien gerade nicht inhaltlicher Bestandteil der TA-Luft VDI-Richtlinie 3471, Vorbemerkung. BVerwG, Urteil vom 29. 4. 1988, Az. 7 C 33.87, BVerwGE 79, 254 (264); H. D. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 63. 104 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 5 Rn. 38; M. Kloepfer, § 3 Rn. 84 ff.; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (250). 105 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 5 Rn. 38 ff.; H. D. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 62; M. Kloepfer, § 3 Rn. 82, 84 ff.; S. Paetow, NuR 1999, 199 (202). 106 D. Hömig, Verweisung, in: O. Kimminich / H. Freiherr v. Lersner / P.-Ch. Storm, HdUR Band II, Sp. 2684; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 5 Rn. 38 ff.; U. Karpen, 32; M. Kloepfer, § 3 Rn. 82, 87. 102 103

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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2002 werden.107 Vielmehr ist die Regelung nur als ein Hinweis auf zusätzliche Erkenntnisquellen über den Stand der Emissionsminderungstechnik zu verstehen, um den zuständigen Behörden die Konkretisierung der im Grundsatz in der TA-Luft enthaltenen Anforderungen zu erleichtern, ohne diese dadurch zu erweitern.108 Im Übrigen wird die hier bedeutsame VDI-Richtlinie 3471 anders als bei ihrer Vorgängerin im Anhang 6 der TA-Luft 2002 gar nicht mehr erwähnt. Mangels übernehmender Verweisung kommt der VDI-Richtlinie 3471 somit keine normkonkretisierende Bindungswirkung zu.109

2. Die VDI-Richtlinie 3471 als „antizipiertes“ Sachverständigengutachten Möglicherweise geht die Bedeutung der VDI-Richtlinie 3471 über die eines bloßen Anhalts jedoch hinaus, falls sie als „antizipiertes Sachverständigengutachten“ zu qualifizieren wäre. Gerade in der fachwissenschaftlichen Literatur ist diese Auffassung häufig anzutreffen110 mit der Folge, dass ihr bisweilen sogar die „unterste Stufe der Verbindlichkeit“ zugesprochen wird.111 Für diese Sichtweise spricht sicherlich der Umstand, dass sowohl Sachverständigengutachten als auch technische Regelwerke wie die VDI-Richtlinie 3471 auf den Erfahrungen und dem Fachwissen von Experten beruhen und somit ein hohes Maß an Sachkunde verkörpern.112 Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass sich technische Regelwerke anders als Sachverständigengutachten nicht auf bloße Tatsachenfeststellungen auf der Beweisebene beschränken, sondern in ganz erheblichem Umfang auch politische Wertungen über die Zumutbarkeit von Belastungen enthalten.113 So wird 107 Ebenso H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (8); M. Führ, ZUR 1990 / 91, 131 (134); S. Kalmbach / J. Schmölling, TA-Luft 1986, Nr. 3.11 Rn. 70; P. Marburger, Massenstromwerte, 64; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (250). Zwar betreffen diese Fundstellen die Regelung der TA-Luft von 1986. Da der Inhalt sowohl der TA-Luft 1986 als auch der TALuft 2002 gleich geblieben ist, dürften diese Rechtsansichten ihre Gültigkeit nicht verloren haben. 108 P. Marburger, Massenstromwerte, 64; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (250). 109 Zur normkonkretisierenden Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften Punkt C. II. 110 H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 9.2; E. Grimm, Schlusswort, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 127 (128); K. Kempkens / E. Grimm, BauBriefe Landwirtschaft 1998, 23 (23); V. Nies, Agrarrecht 1997, 69 (76); S. Schirz, KTBL-Arbeitspapier 126, 7; H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 59. 111 M. Bahadir / H. Parlar / M. Spiteller, Springer Umweltlexikon, 1234; H. Hulpke / H. A. Koch / R. Nießner, Römpp, Lexikon Umwelt, 857. 112 Ch. Gusy, NuR 1987, 156 (158 f.). 113 R. Rudisile, in: F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner, VwGO, § 98 Rn. 112.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

heute kaum noch angezweifelt, dass Umweltstandards nicht aus sicherem Wissen logisch abgeleitet werden, sondern in einem im weitesten Sinne politischen Prozess gesetzt werden.114 In Anbetracht dieser Doppelnatur erfüllt die VDI-Richtlinie 3471 somit bereits nicht die Anforderungen, die das Gesetz an Sachverständigengutachten stellt, nämlich Neutralität und Unparteilichkeit.115 Im Übrigen entspricht es heute der ganz überwiegenden Meinung, dass antizipierte Sachverständigengutachten keinerlei Bindungswirkung der Gerichte entfalten.116 Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich seinerzeit in seiner Voerde – Entscheidung117 zwar der Figur des „antizipierten Sachverständigengutachtens“ bedient, um die Bindungswirkung der TA-Luft 1986 zu begründen. In der Zwischenzeit ist jedoch allgemein anerkannt, dass Sachverständigengutachten keinerlei Bindungswirkung zukommt. Zweck von Sachverständigengutachten ist es, den Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung bei der Rechtsanwendung zu unterstützen.118 Demgegenüber darf das Gericht die Ergebnisse des Gutachters nicht ungeprüft und ohne die Überlegungen des Sachverständigen selbständig nachzuvollziehen übernehmen.119 Im Ergebnis bleibt es damit bei der eingangs getroffenen Feststellung, dass es sich bei der VDI-Richtlinie 3471 „nur“ um ein privates Regelwerk handelt, dem keinerlei rechtliche Bindungswirkung zukommt.

III. Der geruchsspezifische Regelungsgehalt der VDI-Richtlinie 3471 1. Allgemeines Die VDI-Richtlinie 3471 befasst sich mit Emissionen luftverunreinigender Stoffe aus der Schweinehaltung. Entsprechend ihrer Selbstdefinition gilt sie ausschließlich für die Haltung von Mastschweinen, Ebern, Sauen und Ferkeln aller Gewichtsklassen.120 Ihre Aufgabe ist es, die Ursachen für die Entstehung, die Art und Konzentration der Emissionen zu kennzeichnen und Maßnahmen zum Vermindern der Emissionen und Immissionen anzugeben.121 Neben baulichen und betrieblichen Maßnahmen sieht sie vor allem die Einhaltung von Mindestabständen zwischen Wohnnutzung und Tierhaltung vor. H.-J. Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 86; R. Mayntz, Die Verwaltung 1990, 137 (141). Ch. Gusy, Die untergesetzliche Rechtsetzung, in: H.-J. Koch / R. Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 185 (199). 116 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 5 Rn. 23; H. D. Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 63; andere Auffassung H. Geiger, in: E. Eyermann / L. Fröhler, VwGO, § 86 Rn. 18. 117 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 ff. 118 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 5 Rn. 23. 119 F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 86 Rn. 9. 120 VDI-Richtlinie 3471, Geltungsbereich. 121 VDI-Richtlinie 3471, Geltungsbereich. 114 115

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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Inhaltlich gliedert sich die Richtlinie in insgesamt 3 Abschnitte, denen eine allgemeine Vorbemerkung, die Festlegung des Geltungsbereichs der Richtlinie sowie eine Definition der verwendeten Grundbegriffe vorangestellt sind. In Abschnitt 1 werden sodann die im Jahr 1986 gängigen Stall- und Haltungstechniken in der Schweinehaltung beschrieben sowie diejenigen Faktoren gekennzeichnet, die für die Entstehung von Geruchsemissionen als hauptursächlich angesehen werden. In Abschnitt 2 spricht die Richtlinie Empfehlungen zur Vermeidung und Verminderung von Emissionen und Immissionen aus. In Abschnitt 3 befasst sich die Richtlinie schließlich mit der Beschränkung der Emissionen und Immissionen luftverunreinigender Stoffe aus der Schweinehaltung, namentlich von Staub- und Geruchsstoffemissionen.

2. Das Abstandsregelungskonzept, Nr. 3.2.1 VDI-Richtlinie 3471 Für die hier interessierende Fragestellung ist einzig und allein der dritte Regelungsabschnitt, Unterpunkt 3.2 „Geruch“ von Bedeutung. Ausgehend von der Überlegung, dass sich Geruchsbelästigungen vor allem durch eine ausreichende räumliche Trennung von Wohnnutzung und Tierhaltung vermeiden lassen122, werden darin geruchssichere Mindestabstände zwischen Wohnnutzung und Tierhaltung festgeschrieben, auf die die Tierhaltung an die Wohnnutzung heranrücken darf und umgekehrt. Grundlage für die Abstandsermittlung nach der VDI ist dabei neben der Betriebsgröße die konkrete bauliche und betriebliche Ausstattung der Anlage. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass das Emissionsverhalten eines Schweinehaltungsbetriebes nicht allein vom Tierbesatz, sondern auch von sonstigen, namentlich baulichen und betrieblichen Gegebenheiten abhängig ist123, weswegen eine Abstandsermittlung ausschließlich aufgrund der Tierplatzzahl unzureichend wäre. Als Hauptfaktoren für die Entstehung und Verteilung von Geruchsstoffemissionen sieht die Richtlinie vor allem die jeweilige Entmistungs-, Mistlagerungs- und Lüftungstechnik an. In Tabelle 4 der Nr. 3.2.1 VDI 3471 werden diese Faktoren aufgelistet und mit unterschiedlich hohen Punktzahlen bewertet.124 Die Höhe der Punktzahl spiegelt dabei das Emissionspotential der angewandten Methode wieder. Je höher die Punktzahl ist, umso emissionsärmer stellt sich die angewandte Technik / das angewandte Verfahren dar und umso geringer fällt der einzuhaltende Ab122 Hess. VGH, Urteil vom 12. 3. 2002, Az. 4 N 2171 / 96, ESVGH 52, 161 (162); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (24); VG Oldenburg, Beschluss vom 21. 2. 2003, Az. 5 B 4148 / 02, 4. 123 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); OVG Münster, Urteil vom 25. 9. 2000, Az. 10 a D 8 / 00.NE, NWVBl. 2001, 185 (186). 124 Wie aus der Tabelle 4 hervorgeht finden auch besondere Standorteinflüsse in Form von Zu- oder Abschlägen einen Niederschlag in dem Punktesystem, sofern sie das Emissionsverhalten günstig oder nachteilig beeinflussen.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

stand aus. Je niedriger die Punktzahl ist, umso mehr Emissionen werden verursacht und umso größer muss letztlich der einzuhaltende Abstand sein. Aus der Punktezahl, die ein Betrieb für seine konkrete Ausstattung erhält und der Tierplatzzahl, umgerechnet in Großvieheinheiten (GV), lässt sich dann der einzuhaltende Mindestabstand individuell ermitteln. Maximal kann ein Betrieb nach diesem System 100 Punkte erreichen. Dies entspricht dem absolut emissionsärmsten Stand von 1986. In Abbildung 21 der Nr. 3.2.1 VDI-Richtlinie 3471 sind insgesamt vier Abstandskurven für Stallanlagen mit einer 25-, 50-, 75- und 100-Punktebewertung eingezeichnet. Die Abstandskurven markieren dabei gleichzeitig den Gültigkeitsbereich der Abstandsregelung. Oberhalb der Kurvenschar werden keine Probleme in Form von unzumutbaren Geruchsbelästigungen auftreten.125 Unterhalb der Kurvenschar ist regelmäßig eine Sonderbeurteilung nach der Nr. 3.2.3.4 VDI 3471 erforderlich, wobei es zu beachten gilt, dass gegenüber Dorfgebieten und einzeln stehenden Wohnhäusern im Außenbereich aufgrund ihrer verminderten Schutzwürdigkeit eine Reduzierung der Mindestabstände bis auf die Hälfte möglich ist, Nr. 3.2.3.2 VDI 3471.

3. Der Geltungsbereich der Abstandsregelung, Nr. 3.2.3 VDI-Richtlinie 3471 Da die Abstandsregelung der Nr. 3. 2. VDI 3471 auf den Außenbereich zugeschnitten ist, das heißt diejenige Distanz festlegt, auf die eine im Außenbereich befindliche Tierhaltungsanlage an die nächste Wohnbebauung heranrücken darf und umgekehrt, gilt die Abstandsregelung der VDI 3471 unmittelbar nur im Verhältnis von Wohnbebauung zu privilegiertem Außenbereichsvorhaben. Wie der Nr. 3.2.3.1 VDI 3471 zu entnehmen ist, sind mit dem Begriff „Wohnbebauung“ dabei sowohl Gebietsfestsetzungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3, 4, 4 a und 5 BauNVO gemeint als auch solche Ortsteile, deren Eigenart einem dieser Gebiete entspricht (§ 34 BauGB). Vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind demgegenüber Kerngebiete (§ 7 BauNVO), Kleinsiedlungsgebiete (§ 2 BauNVO), Gewerbegebiete (§ 8 BauNVO), Industriegebiete (§ 9 BauNVO) sowie Sondergebiete (§§ 10, 11 BauNVO).126 Ebenfalls keine Anwendung findet die Abstandsregelung, wenn der Mindestabstand unterschritten wird127, die schutzbedürftigen Wohnhäuser im Nahbereich unter 100 m liegen128 oder die Bestände weniger als 10 Großvieheinheiten (GV) oder mehr als 700 GV betragen.129 In diesen Fällen 125 126 127 128 129

H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 9.11. Nr. 4.3.2.3 VDI-Richtlinie 3471. Nr. 4.3.2.3 VDI-Richtlinie 3471. Nr. 4.3.2.4 VDI-Richtlinie 3471. S. Schirz, KTBL-Arbeitspapier 126, 42.

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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ist eine Sonderbeurteilung vorzunehmen130, die in der Regel nach der sogenannten Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) erfolgt.131 In diesem Zusammenhang ist seit jeher auch die Frage umstritten, ob die VDIRichtlinie 3471 auf das Nebeneinander von Landwirtschaft und Wohnen innerhalb eines Dorfgebiets anwendbar ist und gegebenenfalls mit welchen Einschränkungen.132 Besondere Probleme bereitet dabei die Handhabung der Abstandsregelung der VDI-Richtlinie. Denn selbst bei Anwendung der Halbierungsregel der Nr. 3.2.3.2 VDI-Richtlinie 3471 würde es noch zu Mindestentfernungen kommen, die so groß bemessen wären, dass es zu einer Zersiedelung des Dorfgebiets käme.133 Ob dies mit den Vorgaben des § 5 BauNVO vereinbar ist, erscheint mehr als fraglich. Mit dem Bild des geschichtlich gewachsenen Dorfes dürfte diese „Sicherheitsphilosophie“ der VDI-Richtlinie 3471 jedenfalls kaum vereinbar sein.134 In der Rechtsprechung und Literatur hat sich diesbezüglich noch keine klare Linie abgezeichnet. Die wohl überwiegende Meinung tendiert jedoch dahin, die VDI-Richtlinie 3471 auch innerhalb des Dorfgebiets anzuwenden.135 In diesen Fällen soll dann der einzuhaltende Mindestabstand ein Viertel des Normalwertes der VDI-Richtlinie 3471 betragen.136 Diese Auffassung dürfte jedoch indes nur einen groben Anhaltspunkt für die Beurteilung im konkreten Fall bieten. Welcher Abstand im Einzelfall einzuhalten ist, wird von den Umständen des Einzelfalles abhängen und sich somit nur aufgrund einer Einzelfallbeurteilung bestimmen lassen.137

Nr. 4.3.2.4 VDI-Richtlinie 3471. VG Düsseldorf, Urteil vom 26. 10. 2000, Az. 4 K 3058 / 99, Agrarrecht 2002, 190 (193); VG Düsseldorf, Urteil vom 28. 8. 2001, Az. 3 K 8169 / 00, 2; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. 2. 2003, Az 5 B 4148 / 02, 4 f. 132 Kritisch OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); W. Funk, BayVBl. 1994, 225 (225); H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (251). 133 H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (8); W. Funk, BayVBl. 1994, 225 (225); H. Jäde, ZfBR 1992, 107 (112 f.); H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (251). 134 H. Jäde, ZfBR 1992, 107 (113). 135 BVerwG, Urteil vom 14. 1. 1993, Az. 4 C 19.90, UPR 1993, 221 (222); BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, NJW 1999, 356 (358); BayVGH, Urteil vom 31. 10. 1989, Az. 20 B 85 A.2535, NVwZ-RR 1990, 529 (531); BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 (695); H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (8); H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 9.21; W. Funk, BayVBl. 1994, 225 (228). Andere Auffassung: VG Regensburg, Urteil vom 1. 12. 1992, Az. RN 6 K 91.2144; VG Regensburg, Beschluss vom 17. 10. 1990, Az. RN 6 S 90.1595. 136 H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (8); H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 9.21; W. Funk, BayVBl. 1994, 225 (228). 137 H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (251). 130 131

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

IV. Bedeutungsgehalt der VDI-Richtlinie 3471 für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen 1. Die Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur den Bedeutungsgehalt der VDI-Richtlinie 3471 betreffend sind geteilt. In der Rechtsprechung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die Abstandsregelung der VDI-Richtlinie 3471 „eine brauchbare und im allgemeinen unverzichtbare Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbelastungen aus der Schweinehaltung“ darstellt.138 Diesen Satz findet man so oder so ähnlich in fast jeder Entscheidung, die sich mit der Frage der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen befasst. Wegweisend für diese – offenbar nicht weiter begründungsbedürftige Auffassung – war dabei das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahr 1990. Darin hat das Gericht zum Bedeutungsgehalt der VDI-Richtlinie 3471 folgendes ausgeführt: „Zur Vermeidung erheblicher Belästigungen werden die Beschreibungen des Standes der Technik verknüpft mit Vorschlägen für Abstände zwischen Tierhaltung und Wohnbebauung. Diese sollen eine Verminderung der Immissionen durch Staub und Geruch gewährleisten (Abschnitt 3.2.1 Abs. 1 S. 1 VDI-Richtlinie 3471). Ohne dass die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ausdrücklich genannt wird, enthält die Abstandsregelung der VDI 3471 damit Aussagen dazu, wie in der Schweinehaltung dem Schutzgrundsatz genügt werden kann. Nicht erkennbar ist, dass die VDI 3471 zugleich den Anspruch erhebt, das weitergehende Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zu konkretisieren. ( . . . ) Denn das Selbstverständnis, das die VDI 3471 ihrer Abstandsregelung zugrunde legt, umfasst eine das Vorsorgegebot konkretisierende Wirkung ( . . . ) gerade nicht“.139 Seitdem wird in der Rechtsprechung nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass die VDI-Richtlinie mit ihren Abstandsregelungen und den sie ergänzenden Bestimmungen „die Erheblichkeitsgrenze im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG gesetzeskonform“ absteckt140 und eine echte „Grenze der Zumutbarkeit“ in dem Sinn bezeichnet, dass bei einer Unterschreitung der Mindestabstände eine erhebliche Belästigung indiziert sei.141

138 OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (294); OVG Münster, Urteil vom 25. 9. 2000, Az. 10 a D 8 / 00.NE, NWVBl. 2001, 185 (186); OVG Lüneburg, Urteil vom 30. 5. 2001, Az. 1 K 389 / 00, Nds.Rpfl. 2001, 376 (377); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 23 (24); VG Oldenburg, Beschluss vom 21. 2. 2003, Az. 5 B 4148 / 02, 4; VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 5. 139 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, UPR 1990, 452 (455). 140 VG Hannover, Beschluss vom 1. 3. 1999, Az. 8 B 6785 / 98, 7; auch H.-C. Sarnighausen, Baurechtliche Zumutbarkeit, in: J. Kormann, Konflikte baulicher Nutzung, 115 (130). 141 OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (294).

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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Etwas anders stellt sich demgegenüber die Sichtweise in der fachwissenschaftlichen Literatur dar. Dort wird die Ansicht vertreten, dass die Abstände der VDIRichtlinie 3471 ausschließlich aufgrund des Vorsorgegrundsatzes des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entwickelt worden sind, den es unabhängig von der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten gilt.142 Die Einhaltung der Abstände soll dementsprechend in der Regel nur ein Indiz dafür sein, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten.143 Demgegenüber führe eine Unterschreitung der jeweils erforderlichen Abstände nicht von vornherein zu einer erheblichen Belästigung oder unzumutbaren Geruchseinwirkung, da die Richtlinienabstände mit einem ausreichend großen Sicherheitszuschlag versehen seien.144 In Anbetracht dieser gegenläufigen Meinungen stellt sich mithin die Frage, was die VDI-Richtlinie 3471 konkretisiert: den Schutz- oder den Vorsorgegrundsatz des Bundes-Immissionsschutzgesetzes?

2. Die Abgrenzung von Schutz und Vorsorge Herkömmlicherweise erfolgt die Abgrenzung von Schutz und Vorsorge nach der jeweiligen Funktion der Betreiberpflicht. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG muss der Anlagenbetreiber Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen treffen, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen.

a) Die Schutzpflicht, § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Nach allgemeiner Meinung zielt die Schutzpflicht auf die Vermeidung konkret schädlicher Umwelteinwirkungen durch die Anlage ab.145 Entsprechend dem Gesetzeszweck wird dabei die Schädlichkeitsschwelle nicht isoliert anlagenbezogen 142 Hess. VGH, Urteil vom 12. 3. 2002, Az. 4 N 2171 / 96, ESVGH 52, 161 (163); H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 58; K. B. Gablenz, ZMR 2000, 499 (502); K. Kempkens / E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 23 (24); ebenso die Begründung und der Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, Unterpunkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, 27. 143 K. B. Gablenz, ZMR 2000, 499 (502); ebenso die Begründung und der Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, Unterpunkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, 28. 144 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 58. 145 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 64; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 21 Rn. 53; H. D. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 46; A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 143.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

durch Emissionshöchstwerte, sondern durch die voraussichtlichen Immissionen im Einwirkungsbereich bestimmt.146 Ansatzpunkt für die Realisierung der Schutzpflicht sind deshalb in erster Linie untergesetzliche, raumbezogene Immissionsgrenzwerte147, durch die die Schutzpflicht konkretisiert wird.148 Als Wirkungsstandards stellen sie auf einen möglichst umfassenden Rechtsgüterschutz ab und entsprechen damit grundsätzlich dem Ansatz der Schutzpflicht in idealer Weise.149 b) Die Vorsorgepflicht, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG Etwas schwieriger gestaltet sich demgegenüber die Bestimmung der Funktion der Vorsorgepflicht. In der Literatur werden hierzu im Wesentlichen zwei Ansichten vertreten. Die wohl überwiegende Meinung versteht die Vorsorgepflicht als die über die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG verankerte Schutzpflicht hinausgehende, dieser vorgelagerten Verpflichtung, schädliche Umwelteinwirkungen auch unterhalb der Schädlichkeits- bzw. Gefährlichkeitsschwelle zu verhindern.150 Die Vorsorgepflicht dient damit in erster Linie der Verbesserung der Umweltverhältnisse, insbesondere soll dem Entstehen von schädlichen Umweltbelastungen durch den Ferntransport von Schadstoffen vorgebeugt werden.151 Nach anderer Auffassung soll der Vorsorgepflicht eine planende Funktion zukommen.152 Entsprechend dieser Ansicht soll der Vorsorgegrundsatz dazu dienen, Reserven für Neuansiedlungen vor allem in Ballungsgebieten zu schaffen, wo ansonsten aufgrund der hohen Vorbelastung keine Neuanlagen mehr genehmigt werden dürften und dadurch Freiräume als künftige Lebensräume oder für künftige Industrieansiedlungen zu erhalten bzw. zurück zu gewinnen.153 Problematisch an dieser letztgenannten Auffassung ist, dass nach dieser Ansicht die Anlagengenehmigung letztlich zu einer inzidenten Planungsentscheidung wird.154 Diese Vorstellung von der Vorsorgepflicht findet allerdings weder im Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG noch in der Gesetzesbegründung eine hinreichende Stütze.155 Auch stünde das damit verbundene Planungsermessen im M. Kloepfer, § 14 Rn. 103. A. Reich, 4. 148 M. Kloepfer, § 14 Rn. 103; F. Petersen, 174 f. 149 F. Petersen, 175. 150 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 136; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 21 Rn. 59; H. D. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 47; M. Kloepfer, § 14 Rn. 105; M. Kloepfer / H. Kröger, NuR 1990, 8 (10 f.); H.-W. Rengeling, DVBl. 1982, 622 (625). 151 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 21 Rn. 59. 152 G. Feldhaus, DVBl. 1980, 133 (135 f.); mit Modifikationen auch D. Sellner, NJW 1980, 1255 (1257,1259). 153 G. Feldhaus, DVBl. 1980, 133 (135 f.). 154 M. Kloepfer, § 14 Rn. 106. 155 M. Kloepfer, § 14 Rn. 106; M. Kloepfer / H. Kröger, NuR 1990, 8 (10). 146 147

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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Widerspruch zum Charakter der Anlagengenehmigung als gebundenem Verwaltungsakt.156 Aus diesen Gründen wird diese sogenannte „Freiraumtheorie“ von der überwiegenden Meinung im Schrifttum abgelehnt und die Funktion der Vorsorge ausschließlich in der Verbesserung der Umweltverhältnisse gesehen. Ungeachtet dessen, welcher der beiden Auffassungen zur Funktion der Vorsorge man letztlich folgt, sieht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG als primäres Vorsorgeinstrument in jedem Fall die Begrenzung der Emissionen nach dem Stand der Technik vor.157 Wie sich aus der Legaldefinition des § 3 Abs. 6 BImSchG ergibt, verlangt der Stand der Technik dabei die Anwendung „fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen und Betriebsweisen“ zum Zwecke der Emissionsbegrenzung. Damit sind sowohl primäre Emissionsbegrenzungsmaßnahmen wie das Einhausen und Kapseln von Anlagen, als auch sekundäre Maßnahmen wie Abgasreinigungseinrichtungen zu verstehen.158 Wie sich aus der Formulierung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG – „insbesondere“ – weiter ergibt, ist die Erfüllung der Vorsorgepflicht allerdings nicht nur auf die Vornahme technischer Emissionsbegrenzungsmaßnahmen beschränkt, vielmehr sind auch sonstige, nichttechnische Maßnahmen zulässig.159

c) Die Zuordnung der Abstandsregelung Ob die Mindestabstände der VDI-Richtlinie 3471 den Schutz- oder Vorsorgegrundsatz konkretisieren hängt entsprechend dem oben Gesagten also davon ab, ob sie Freiräume bzw. eine Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle schaffen oder der Vermeidung konkret erheblicher Geruchsbelästigungen dienen. In ihrem Punkt „Geltungsbereich“ führt die VDI-Richtlinie 3471 in ihrem Absatz 3 dazu aus: „Da auch in der modernen Schweinehaltung Geruchsstoffemissionen nicht ausgeschlossen werden können, werden zur Vermeidung erheblicher Belästigungen160 Abstände zwischen der Tierhaltung und der Wohnbebauung vorgeschlagen“. Diese Formulierung legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den Mindestabständen der Nr. 3.2 VDI-Richtlinie 3471 um Vorsorgemaßnahmen handelt. Dafür könnte auch die Selbstdefinition in Abs. 1 des Geltungsbereichs sprechen, wonach sich die Richtlinie ausschließlich mit „Emissionen luftverunreinigender Stoffe aus der Schweinehaltung“ befasst und demzufolge der Regelungsschwerpunkt der 156 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 140; M. Kloepfer, § 14 Rn. 106; M. Kloepfer / H. Kröger, NuR 1990, 8 (10). 157 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 148; H. D. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 53; A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 541. 158 F. Petersen, 308 f. 159 M. Kloepfer / H. Kröger, NuR 1990, 8 (15); A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 541. 160 Damit sind laut „Geltungsbereich“ der VDI-Richtlinie 3471 schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG gemeint.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Richtlinie offenbar auf der Seite der Emissionsbegrenzung liegt. Bedenken gegen die Qualifizierung der Mindestabstände als Vorsorgemaßnahme ergeben sich jedoch insoweit, als die Abstände nicht – wie es von § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gefordert wird – zu einer Reduzierung der Emissionen führen. Vielmehr führen sie zu einer Verteilung der Emissionen auf den Raum und vermeiden so lokale oder regionale Spitzenbelastungen.161 Die Abstände stellen so gesehen eher eine Immissions- als Emissionsbegrenzungsmaßnahme dar und würden als solche entsprechend den obigen Ausführungen dem Schutzgrundsatz zuzuordnen sein. Allerdings findet sich in der VDI-Richtlinie 3471 nirgendwo eine Aussage dahingehend, dass im Falle des Unterschreitens der Abstandsvorschriften schädliche Umwelteinwirkungen in Form von erheblichen Geruchsbelästigungen zu erwarten sind. Dass die Abstände also vor konkret schädlichen Umwelteinwirkungen schützen wollen, lässt sich der Richtlinie in dieser Form wiederum nicht entnehmen. Im Übrigen gilt es zu beachten, dass Vorsorge nicht nur durch die Begrenzung von Emissionen möglich ist. Vielmehr entspricht es der heute ganz überwiegenden Meinung, dass Vorsorge auch durch die Begrenzung von Immissionen erfolgen kann.162 Dieses ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Regelbeispiel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, wonach als „sonstige Maßnahmen“ letztlich nur solche Maßnahmen in Betracht kommen können, die entweder nicht als Emissionsbegrenzung anzusehen sind oder solche emissionsbegrenzenden Maßnahmen, die nicht durch den Stand der Technik gesteuert werden.163 Den Hauptanwendungsbereich der ersten Kategorie bilden dabei Maßnahmen, die der Immissionsbegrenzung dienen und dadurch die gefährdende Wirkung der von der Anlage ausgehenden Emissionen reduzieren, wie zum Beispiel die Einhaltung von Mindestabständen, die Anlegung von Wäldern, Schutzwällen oder Schutzpflanzungen.164 So gesehen könnte es sich also bei den Abstandsvorschriften der VDIRichtlinie 3471 gleichwohl um eine Vorsorgemaßnahme handeln, da durch diese zwar nicht die Emissionen begrenzt werden, durch die räumliche Differenzierung aber gleichwohl dem Entstehen lokaler oder regionaler Spitzenbelastungen vorgebeugt wird. Umgekehrt spricht aber auch – wie gezeigt wurde – einiges für die Qualifizierung als Schutzmaßnahme. Eine eindeutige Zuordnung der Abstände allein aufgrund der abstrakten Begriffsbestimmungen von Schutz und Vorsorge ist somit nicht möglich. Aufschluss über die eingangs gestellte Frage kann mithin nur die Konzeptionierung der Abstände selbst liefern. A. Reich, 66. J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, § 5 Rn. 153; H. D. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 56 f.; M. Kloepfer / H. Kröger, NuR 1990, 8 (15 f.); L. Meinken, 61; F. Petersen, 309 ff.; H.-H. Trute, 72, 132 ff. 163 F. Petersen, 310. 164 H. D. Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 56; M. Kloepfer / H. Kröger, NuR 1990, 8 (15); F. Petersen, 310. 161 162

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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Erst wenn klar ist, wie und mit welcher Zielsetzung die Abstände seinerzeit konzipiert wurden, kann eine eindeutige Zuordnung als Schutz- oder Vorsorgemaßnahme erfolgen.

3. Konzeptionierung der Mindestabstände der VDI-Richtlinie 3471 Die Abstände der VDI-Richtlinie 3471 wurden seinerzeit empirisch ermittelt.165 Das Ziel, das man dabei vor Augen hatte war, die Wohnnutzung vor erheblichen Geruchsbelästigungen zu schützen. In der Erkenntnis, dass sich Geruchsbelästigungen vor allem durch eine ausreichende räumliche Trennung konfligierender Nutzungen vermeiden lassen, sollten Mindestabstände zwischen Wohnnutzung und Tierhaltung festgesetzt werden, die auch unter optimalen Ausbreitungsbedingungen gewährleisten, dass es nicht zu erheblichen Geruchsbelästigungen kommen kann.166 In den Jahren 1975 bis 1977 wurden deshalb an mehr als 600 landwirtschaftlichen Betrieben umfangreiche Emissionsuntersuchungen durchgeführt, bei denen in mehr als 650 Begehungen die sogenannte Geruchsschwellenentfernung bestimmt wurde167, das heißt diejenige Entfernung, bei der der spezifische Stallgeruch erstmalig wahrnehmbar war.168 Die Betriebe wurden damals dabei so ausgewählt, dass eine freie Ausbreitung der Geruchsfahne angenommen werden konnte, das heißt, es wurde darauf geachtet, dass das Ausbreitungsverhalten der Geruchsfahne weder durch Tal- und Hanglagen, noch durch angrenzende Bebauung oder Bewuchs beeinflusst wurde.169 Das Datenmaterial aus diesen Erhebungen wurde dann in der Folgezeit analysiert und ausgewertet und bildete zunächst die Grundlage für die Ermittlung eines allgemeinen Bewertungsschlüssels zur Bestimmung der Geruchsschwellenentfernungen im Verhältnis Wohnnutzung zu Tierhaltung.170 Um sichergehen zu können, dass auch im Falle optimaler Ausbreitungsbedingungen erhebliche Geruchsbelästigungen nicht auftreten können, wurde der so ermittelte Geruchsschwellenabstand aus Vorsorgegründen noch verdoppelt.171 Die vollen Richtlinienabstände setzen sich also aus der Geruchsschwellenentfernung und einem 100 %igen Sicherheitszuschlag zusammen.172 In den Fíllen, in 165 Ausführlich zu den Grundlagen und zur Ableitung der Mindestabstände S. Schirz, KTBL-Arbeitspapier 126, 12 ff. 166 S. Schirz, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 17 (18). 167 K.-H. Krause / E. Grimm, Landtechnik 2001, 250 (250); S. Schirz, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 17 (17). 168 Nr. 3.2.1 Abs. 2 VDI-Richtlinie 3471. 169 S. Schirz, KTBL-Arbeitspapier 126, 12. 170 S. Schirz, KTBL-Arbeitspapier 126, 12; S. Schirz, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 17 (17 f.). 171 Hess. VGH, Urteil vom 12. 3. 2002, Az. 4 N 2171 / 96, ESVGH, 52, 161 (163); S. Schirz, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 17 (18); W. Schumacher, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 115 (117).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

denen die Richtlinie eine Reduzierung der Abstínde bis auf die Hílfte f r zulíssig erachtet, entspricht der einzuhaltende Abstand dann der einfachen Geruchsschwellenentfernung.

4. Stellungnahme Für die eingangs gestellte Frage, ob die VDI-Richtlinie tatsächlich den Schutzgrundsatz präzisiert oder nicht, ergibt sich damit folgendes: Die Abstände der VDI-Richtlinie 3471 zielen nicht darauf ab, vor konkret erheblichen Geruchsbelästigungen zu schützen. Sie markieren weder eine Zumutbarkeitsgrenze noch enthalten sie eine Aussage darüber, in welcher Weise zu prüfen ist, ob die von einer Anlage hervorgerufenen Gerüche eine erhebliche Belästigung darstellen oder nicht.173 Der Sinn und Zweck dieser Abstandsregelung besteht vielmehr darin, dem Entstehen erheblicher Geruchsbelästigungen durch eine ausreichende räumliche Trennung von Wohnnutzung und Tierhaltung vorzubeugen. Aus rechtlicher Sicht stellen die Abstände damit reine Vorsorgemaßnahmen dar174, die es unabhängig von der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten gilt. Werden die Abstände eingehalten, so ist dies in der Regel ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten.175 Werden die Abstände demgegenüber nicht eingehalten sondern unterschritten, kann daraus keine wie auch immer geartete Aussage zur Geruchssituation abgeleitet werden. Insbesondere ist die Annahme, dass die Unterschreitung der Mindestabstände eine erhebliche und damit unzumutbare Belästigung indiziere, nicht haltbar.176 So wird zum einen im Falle der Verkürzung der Mindestabstände bis auf die Hälfte lediglich der in den Regelwerten enthaltene Sicherheitszuschlag von 100 % reduziert bzw. aufgehoben.177 Zum anderen gilt es zu bedenken, dass die Richtlinie für diesen Fall keine Aussage trifft. Die Frage nach der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen ist und war zu keinem Zeitpunkt Regelungsgegenstand. Ob es im Falle der Unterschreitung zu Geruchswahrnehmungen kommt und in welchem 172 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 58. 173 Im Ergebnis ebenso die Begründung und der Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, 27 f. 174 Hess. VGH, Urteil vom 12. 3. 2002, Az. 4 N 2171 / 96, ESVGH 52, 161 (163); H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 58; K. B. Gablenz, ZMR 2000, 499 (502); K. Kempkens / E. Grimm, BauBriefe Landwirtschaft 1998, 23 (24); Begründung und Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, S. 27. 175 H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 9.11; Begründung und Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, 28. 176 So aber OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (294). 177 BayVGH, Urteil vom 31. 10. 1989, Az. 20 B 85 A.2535, NVwZ-RR 1990, 529 (531); H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 58 f.

B. Die VDI-Richtlinie 3471

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Ausmaß lässt sich anhand der VDI-Richtlinie 3471 nicht beantworten, sondern ist, wie die Richtlinie klarstellt, im Rahmen einer Sonderfallprüfung zu klären.178 Die Auffassung der Rechtsprechung, die Abstände der VDI konkretisierten die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, ist mithin nicht korrekt. Nicht zutreffend ist in diesem Zusammenhang ferner die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Bayern, dass im Falle des Unterschreitens der auf die Hälfte verringerten Abstände ständig mit Gerüchen zu rechnen sei, was wegen ihrer Lästigkeit zugleich eine erhebliche Belästigung darstelle.179 Richtig ist sicherlich, dass mit zunehmend geringeren Abständen die Wahrnehmungshäufigkeit von Gerüchen steigt. Daraus den Schluss ziehen zu wollen, dass es bei Abständen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle zwingend zu erheblichen Geruchsbelästigungen kommt, ist jedoch reine Spekulation. Wie bereits erwähnt wurde markiert die halbe Distanz nach VDI 3471 die Wahrnehmbarkeitsschwelle, das heißt diejenige Entfernung, bei der Gerüche ab und zu einmal wahrgenommen werden.180 Sie stellt jedoch keine Belästigungsgrenze bzw. Zumutbarkeitsgrenze dar. Wo diese liegt, lässt die VDI-Richtlinie 3471 bewusst offen. In der Literatur und Rechtsprechung wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Zumutbarkeitsgrenze bei einem Viertel des nach der VDI-Richtlinie 3471 ermittelten Normalwertes liege.181 Inwieweit diese Aussage zutrifft kann hier nicht beurteilt werden. Plausibler erscheint es jedoch, im Falle des Unterschreitens der Richtlinienabstände die Geruchssituation – wie von der Nr. 3.2.3.4 VDI-Richtlinie 3471 – anhand einer Sonderfallprüfung für den konkreten Einzelfall zu beurteilen.182

V. Zusammenfassung Die VDI-Richtlinie 3471 ist ein privates Regelwerk, dem rechtlich keinerlei Bindungswirkung zukommt. Ausgehend von der Erkenntnis, dass sich Geruchsbelästigungen vor allem durch eine räumliche Trennung von Wohnnutzung und Tierhaltung vermeiden lassen, werden darin Mindestabstände zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen festgeschrieben. Nach Auffassung der Rechtsprechung stellt das Abstandsregelungskonzept eine „brauchbare und im allgemeinen unverzichtbare Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbelastungen aus der Schweinehaltung [dar]“.183 Wie die Untersuchungen jedoch gezeigt Begründung und Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, 28. BayVGH, Urteil vom 31. 10. 1989, Az. 20 B 85 A.2535, NVwZ-RR 1990, 529 (531). 180 S. Schirz KTBL-Arbeitspapier 126, 46. 181 VG Düsseldorf, Urteil vom 26. 10. 2000, Az. 4 K 3058 / 99, 4; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 9.21; W. Funke, BayVBl. 1994, 225 (228). 182 Ebenso VG Düsseldorf, Urteil vom 28. 8. 2001, Az. 3 K 8169 / 00, 2. 183 OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (294); OVG Münster, Urteil vom 25. 9. 2000, Az. 10 a D 8 / 00.NE, NWVBl. 2001, 185 (186); OVG Lüneburg, Urteil vom 30. 5. 2001, Az. 1 K 389 / 00, Nds.Rpfl. 2001, 376 (377). 178 179

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

haben, sind die Abstände der VDI-Richtlinie 3471 einzig und allein aufgrund des Vorsorgegrundsatzes entwickelt worden. Dies ergibt sich aus der Konzeptionierung der Abstände, die sich aus der Geruchsschwellenentfernung und einem 100 %-igen Sicherheitszuschlag zusammensetzen. Einen Bewertungsmaßstab für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen enthält sie demgegenüber nicht. Insbesondere kann aus der Unterschreitung der jeweils erforderlichen Abstände nicht der Schluss gezogen werden, die Geruchswahrnehmungen stellten eine erhebliche Belästigung dar. In den Fällen, in denen die vollen bzw. halben Richtlinienabstände nicht eingehalten werden können, ist vielmehr eine Beurteilung im Einzelfall erforderlich.

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, TA-Luft 2002 I. Allgemeines Relativ zeitgleich zum Erlass des privaten Regelwerks der VDI-Richtlinie 3471 wurde auf der Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ein staatliches Regelwerk erlassen, das sich ebenfalls mit dem Thema „Geruchsemissionen“ befasste: die TA-Luft 1986. Ziel dieses Regelwerks dabei war es, die Allgemeinheit und Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu schützen und Vorsorge gegen solche Einwirkungen zu treffen, Nr. 1 Abs. 1 TALuft 1986. Zu diesem Zweck sah sie für bestimmte Luftschadstoffe genehmigungsbedürftiger Anlagen Emissions- und Immissionsgrenzwerte vor und enthielt Aussagen über technische Maßnahmen zur Verringerung des Schadstoffausstoßes sowie Mess- und Beurteilungsverfahren zu deren Ermittlung. Bezüglich des Bereichs der Geruchsemissionen enthielt sie eine Regelung, die sich sehr stark an die Vorgaben der Nr. 3.2 VDI-Richtlinie 3471 anlehnte und deren Inhalt letztlich in verkürzter Form wiedergab. Im Jahr 2002 wurde die TA-Luft von 1986 überarbeitet. Anlass hierfür waren neben der technischen Überalterung der TA-Luft 1986 vor allem die europäische Luftqualitätsrahmenrichtlinie 184 mit ihren Tochterrichtlinien185, die EU-weit neue und zum Teil strengere Immissionswerte eingeführt hat, sowie die IVU-Richtlinie186 mit ihrem medienübergreifenden Ansatz. 184 Richtlinie 96 / 62 / EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität vom 27. 9. 1996 (ABlEG Nr. L 296, S. 55). 185 Richtlinie 1999 / 30 / EG über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft vom 22. 4. 1999 (ABlEG Nr. L 163, S. 41); Richtlinie 2000 / 69 / EG über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft vom 16. 11. 2000 (ABlEG Nr. L 313, S. 12). 186 Richtlinie 96 / 61 / EG vom 24. 9. 1996 (ABlEG Nr. L 257, S. 26 – IVU-Richtlinie).

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

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Im Zuge der Novellierung der TA-Luft war ursprünglich auch daran gedacht worden, das geruchsspezifische Regelungskonzept zu erweitern. So sah der Arbeitsentwurf der TA-Luft vom 8. 12. 2000 einen Anhang zur TA-Luft vor, in dem Anforderungen zum Schutz vor Geruchsimmissionen in Anlehnung an die GIRL des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) festgelegt werden sollten.187 Da diese Regelung jedoch von den Vertretern aus Industrie und Landwirtschaft strikt abgelehnt worden war und man die Novellierung der TA-Luft nicht mit Diskussionen um die GIRL verzögern wollte, wurde von diesem Vorhaben wieder Abstand genommen.188 Anders als ihre Vorgängerin gilt die neue TA-Luft 2002 nun grundsätzlich auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Im Übrigen wurde jedoch am Regelungskonzept und den Zielsetzungen der TA-Luft von 1986 weitestgehend festgehalten.

II. Rechtsnatur und Bindungswirkung 1. Die normkonkretisierende Wirkung der TA-Luft Bei der TA-Luft handelt es sich um eine allgemeine Verwaltungsvorschrift im Sinne des Art. 84 Abs. 2 GG189, die nach Maßgabe des § 48 BImSchG in einem qualifizierten Verfahren von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates und nach Anhörung von Vertretern der beteiligten Kreise des § 51 BImSchG erlassen wurde. Als exekutivisches Binnenrecht richtet sie sich damit primär an die mit ihrem Vollzug betrauten Amtswalter und statuiert für diese aufgrund ihrer dienstrechtlichen Gehorsamspflicht eine generelle Beachtenspflicht. 190 Im Außenbereich, das heißt gegenüber dem Bürger und den Gerichten, kommt Verwaltungsvorschriften demgegenüber grundsätzlich keine Bindungswirkung zu.191 Verwaltungsvorschriften sind – wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat – „grundsätzlich Gegenstand, nicht jedoch Maßstab richterlicher Kontrolle“.192 Für den Bereich der Technischen Anleitungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wurde von diesem Grundsatz jedoch sehr frühzeitig eine Ausnahme gemacht. So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahr 1978 für die Immissionswerte der TA-Luft 1974 bestimmt, dass diese auch für den Richter Bindungswirkung entfalten.193 Das Gericht hat damit vor allem einem praktischen Bedürfnis K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 1 Rn. 8; O. Otting, DVBl. 2001, 1792 (1798). E. Grimm, Zur Neufassung der TA Luft 2002 – abrufbar im Internet unter „http: //www. ktbl.de/umwelt/recht/ta_luft.htm“; K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 1 Rn. 8. 189 K. Hansmann, TA Luft 2002, Vorb. Rn. 1. 190 H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (106); S. Kautz, GewArch 2000, 230 (231); H. Maurer, § 24 Rn. 16. 191 A. Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (65). 192 BVerfG, Beschluss vom 31. 5. 1988, Az. 1 BVr 520 / 83, BVerfGE 78, 214 (227). 193 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 (256). 187 188

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

entsprochen.194 Es wurde als unbefriedigend empfunden, dass die Gerichte in ihrer Entscheidung darüber, ob sie die Inhalte derartiger Regelwerke als zutreffende Konkretisierung des materiellen Rechts ansehen wollen oder nicht völlig frei sein sollen, obwohl diese Regelwerke in hohem Maße wissenschaftlich-technischen Sachverstand verkörpern und eine naturwissenschaftlich fundierte Folgenbewertung enthalten.195 Dieser Rechtsauffassung hat sich mittlerweile die ganz überwiegende Mehrzahl der Stimmen im juristischen Schrifttum angeschlossen.196 Lediglich mit der Begründung dieses – sicherlich sinnvollen – Ergebnisses hat man sich lange Zeit recht schwer getan. Das Bundesverwaltungsgericht hatte seinerzeit zunächst versucht, die Bindungswirkung der TA-Luft mit der Figur des „antizipierten Sachverständigengutachten“ zu begründen.197 Das Gericht hatte sich bei seiner Einordnung der Grenzwerte der TA-Luft als antizipiertes Sachverständigengutachten dabei von der Überlegung leiten lassen, dass diese Grenzwerte „eine geeignete, wenn nicht optimale Erkenntnisquelle“ darstellten, die auf den zentralen Erkenntnissen und Erfahrungen der Experten verschiedener Fachrichtungen beruhten und deswegen als „antizipiertes Sachverständigengutachten wegen ihres naturwissenschaftlich fundierten Aussagegehalts auch für das kontrollierende Gericht bedeutsam“ seien.198 Dieser Begründungsansatz wurde seitens der Literatur jedoch sehr bald kritisiert. Abgesehen von dem verwaltungsprozessualen Aspekt, dass Sachverständigengutachten den Richter im Rahmen der freien Beweiswürdigung bei der Rechtsanwendung unterstützen sollen, es aber grundsätzlich im richterlichen Ermessen steht, welches Beweismittels er sich letztlich bedienen will, wurde vor allem bemängelt, dass Umweltstandards niemals aus sicherem Wissen logisch abgeleitet werden, sondern in einem weitesten Sinne politischen Prozess gesetzt werden.199 Diese Bedenken führten dazu, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner zum Atomrecht ergangenen Whyl-Entscheidung200 von der Figur des antizipierten Sachverständigengutachtens wieder trennte und der atomrechtlichen Richtlinie zu § 45 StrlSchVO stattdessen eine „normkonkretisierende“ Funktion zusprach. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu: „Die Allgemeine Berechnungsgrundlage ist nach abschließender Beratung im Länderausschuss für Atomkernenergie vom BMI als eine künftig bei Genehmigungsverfahren anzuwendende Ch. Müller, 38. H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (108); Ch. Müller, 38 f. 196 A. Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (66 f.); H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (108); S. Kautz, GewArch 2000, 230 (235 f.); V. Nies, Agrarrecht 1999, 169 (177); R. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (707). A. A. H.-J. Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 89 ff. Kritisch auch K. Faßbender, UPR 2002, 15 (17 f.). 197 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 (256). 198 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 (256 ff.). 199 H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (108); H.-J. Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 86; R. Mayntz, Die Verwaltung 1990, 137 (141). 200 BVerwG, Urteil vom 19. 12. 1985, Az. 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300. 194 195

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Richtlinie erlassen worden. Sie soll ( . . . ) sicherstellen, dass die Einhaltung der Dosisgrenzwerte nach Maßgabe des § 45 Satz 1 StrlSchV auf der Basis hinreichend konservativer Rechenmodelle und Datensätze geprüft wird, damit es beim späteren Betrieb der Anlage zu keiner ( . . . ) Überschreitung dieser Grenzwerte gegenüber einem Einzelnen kommt. Damit hat die Richtlinie normkonkretisierende Funktion und ist im Gegensatz zu lediglich norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften für die Verwaltungsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen verbindlich“.201 Inzwischen hat das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsprechung auch auf die TA-Luft 1986 / 2002 übertragen. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 heißt es dazu: „Die TA-Luft konkretisiert ( . . . ) unbestimmte Rechtsbegriffe des Gesetzes durch generelle, dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienenden Standards, die entsprechend der Art ihres Zustandekommens in hohem Maße wissenschaftlich-technischen Sachverstand und allgemeine Folgenbewertungen verkörpern. ( . . . ) Dass die Emissionswerte der TA-Luft mit dieser Funktion auch im gerichtlichen Verfahren beachtlich sind, versteht sich von selbst“.202 Dieser Auffassung von der Normkonkretisierung hat sich mittlerweile die ganz überwiegende Meinung im Schrifttum angeschlossen und gesteht Verwaltungsvorschriften dann eine normkonkretisierende Wirkung zu, wenn (1) das Gesetz einen Auftrag zum Erlass von Verwaltungsvorschriften erteilt, deren Ausarbeitung (2) ein hohes Maß an technisch-wissenschaftlichen Sachverstand voraussetzt und bei denen (3) Zuständigkeit und Verfahren des Erlasses der Verwaltungsvorschrift in einer Art und Weise geregelt sind, die für eine besondere Richtigkeitsgewähr Sorge tragen und daher die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte rechtfertigen.203 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Bindungswirkung, die die Verwaltungsvorschrift in diesem Fall gegenüber den Gerichten entfaltet, nur eine eingeschränkte ist.204 Danach hat jedes Gericht zu prüfen, ob die in der Verwaltungsvorschrift festgelegten Standards überhaupt den gesetzlichen Wertungen entsprechen, ferner ob sie durch Erkenntnisfortschritte in Wissenschaft und Technik nicht überholt sind und schließlich, ob ein in der Verwaltungsvorschrift nicht hinreichend erfasster atypischer Sachverhalt gegeben ist.205 Stellt das Gericht danach einen dieser Tatbestände fest, entfällt die Bindung der Verwaltungsvorschrift mit der Folge, dass die jeweils maßgebenden BVerwG, Urteil vom 19. 12. 1985, Az. 7 C 65.82, DVBl. 1986, 190 (196). BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995, Az. 7 B 112.94, DVBl. 1995, 516 (517); ebenso BVerwG, Beschluss vom 21. 3. 1996, Az. 7 B 164.95, NuR 1996, 522 (523). 203 A. Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (67); H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (109). 204 A. Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (67); S. Kautz, GewArch 2000, 230 (238 f.); S. Paetow, NuR 1999, 199 (201). 205 H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (110 ff.); S. Kautz, GewArch 2000, 230 (238 f.); S. Paetow, NuR 1999, 199 (201). 201 202

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Normen des förmlichen Gesetzes eigenständig auszulegen und anzuwenden sind.206

2. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Figur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift bestehen im Ergebnis nicht.207 Insbesondere verstößt sie weder gegen die Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 20 Abs. 3 GG noch gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.

a) Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 GG Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet jedermann den lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz gegen behauptete rechtswidrige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in seine Rechte.208 Garantiert wird dabei nicht nur die formale Möglichkeit Gerichte anzurufen, sondern vor allem auch der Anspruch auf eine vollständige Nachprüfung der angefochtenen Maßnahme in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht.209 Die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte im Falle der TA-Luft scheint damit im Widerspruch mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu stehen. Bei der Auslegung des Art. 19 Abs. 4 GG ist jedoch zu beachten, dass aus diesem kein umfassendes Letztentscheidungsrecht der Gerichte abgeleitet werden kann.210 Umfang und Intensität verwaltungsgerichtlicher Kontrolle sind vielmehr davon abhängig, in welchem Umfang und welcher Intensität der Gesetzgeber die Exekutive an Gesetz und Recht bindet.211 Ist die rechtliche bzw. gesetzliche Determinierung der Verwaltung zurückgenommen, dann müssen sich daraus auch entsprechende Begrenzungen der gerichtlichen Kontrolle ergeben.212 Im Fall des § 48 BImSchG S. Paetow, NuR 1999, 199 (201). Ausführlich dazu K. Faßbender, 224 ff.; Ch. Müller, 71 ff. 208 BVerfG, Beschluss vom 20. 6. 1967, Az. 2 BvL 10 / 64, BVerfGE 22, 106 (110); BVerfG, Beschluss vom 23. 6. 1981, Az. 2 BvR 1107, 1124 / 77 und 195 / 79, BVerfGE 58, 1 (40); BVerfG, Beschluss vom 17. 3. 1988, Az. 2 BvR 233 / 84, BVerfGE 78, 88 (99); BVerfG, Urteil vom 20. 2. 2001, Az. 2 BvR 1444 / 00, BVerfGE 103, 142 (156); K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 19 Rn. 12. 209 BVerfG, Beschluss vom 13. 6. 1979, Az. 1 BvL 97 / 78, BVerfGE 51, 295 (312); BVerfG, Beschluss vom 31. 3. 1988, Az. 1 BvR 520 / 83, BVerfGE 78, 214 (226); BVerfG, Urteil vom 20. 2. 2001, Az. 2 BvR 1444 / 00, BVerfGE 103, 142 (156); BVerwG, Urteil vom 25. 11. 1993, Az. 3 C 38.91, BVerwGE 94, 307 (309); K.-H. Seifert / D. Hömig, Grundgesetz, Art. 19 Rn. 16. 210 H. Hill, NVwZ 1989, 401 (407); Ch. Müller, 74 f. 211 B. Pieroth / S. Kemm, Jus 1995, 780 (780). 212 B. Pieroth / S. Kemm, Jus 1995, 780 (780). 206 207

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

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hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, der Exekutive bei der Ausgestaltung der unbestimmten Rechtsbegriffe des Gesetzes eine Letztentscheidungskompetenz zuzuweisen und die gesetzliche Determinierung entsprechend einzuschränken. Eine gleichwohl umfassende gerichtliche Kontrollbefugnis wäre damit unvereinbar und würde die gesetzgeberische Entscheidung unterlaufen.213 Art. 19 Abs. 4 GG steht der Annahme normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften somit nicht entgegen.

b) Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 3 GG Das gleiche gilt im Ergebnis für den Gesetzesvorbehalt aus Art. 20 Abs. 3 GG. Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie besagt dieser Grundsatz, dass die Entscheidung aller wesentlichen Fragen, die den Bürger unmittelbar betreffen, durch Gesetz erfolgen muss, und zwar unabhängig davon, ob diese zu einem Eingriff in den Rechtskreis des einzelnen führen oder nicht. Die Wesentlichkeit der Fragestellung ergibt sich dabei vor allem aus der Grundrechtsrelevanz der Maßnahme und der Grundrechtsbetroffenheit, die sie nach sich zieht.214 So gesehen stellen auch die Umweltstandards der TA-Luft eine wesentliche Fragestellung dar, da von ihrer Beachtung letztlich die Erteilung der Genehmigung abhängt und sie damit zumindest den grundrechtssensiblen Bereich des Art. 12 GG tangieren. Angesichts dieser Grundrechtsrelevanz dürften sie somit nicht von der Exekutive im Wege einer Verwaltungsvorschrift erlassen werden, sondern müssten vom Gesetzgeber selbst in Form eines Gesetzes geregelt werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass nach der Wesentlichkeitstheorie der Gesetzgeber zwar die wesentlichen Entscheidungen in grundlegend normativen Bereichen selbst treffen muss, dass dies aber nicht bedeutet, dass er die maßgeblichen Fragestellungen allesamt auch bis ins Detail selbst zu regeln hat.215 Vielmehr genügt es, wenn er – wie im Falle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – alle wesentlichen Grundentscheidungen in Form von unbestimmten Rechtsbegriffen vorgibt und es im Übrigen der Verwaltung überlässt, diese durch den Erlass von Verwaltungsvorschriften vollziehbar zu machen.216 Auch der Vorbehalt des Gesetzes steht dem Erlass von Umweltstandards in Verwaltungsvorschriften somit nicht entgegen.

213 BVerwG, Urteil vom 19. 12. 1985, Az. 7 C 65.82, DVBl. 1986, 190 (195); H. Hill, NVwZ 1989, 401 (407). 214 BVerfG, Beschluss vom 21. 12. 1977, Az. 1 BvL 1 / 75, BvR 147 / 75, BVerfGE 47, 46 (79 f.); BVerfG, Urteil vom 16. 6. 1981, Az. 1 BvL 89 / 78, BVerfGE 57, 295 (320 f.); BVerfG, Beschluss vom 20. 10. 1981, Az. 1 BvR 640 / 80, BVerfGE 58, 257 (268 ff.). 215 Ch. Müller, 86 f.; A. Rogmann, 72. 216 Ch. Müller, 86 f.; A. Rogmann, 72.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

c) Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Im Schrifttum wird schließlich noch diskutiert, ob normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften aufgrund ihrer bedingten Außenwirkung nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, weil in dieser Vorschrift abschließend Form und Voraussetzungen administrativer Außenrechtssätze geregelt werden.217 Gegen diese Überlegung spricht jedoch, dass Art. 80 GG auf den Erlass von Verwaltungsvorschriften gar nicht anwendbar ist.218 Art. 80 GG regelt nur, unter welchen Voraussetzungen die Exekutive berufen ist, Rechtsverordnungen zu erlassen. Seiner systematischen Stellung nach ist er also dem Funktionsbereich der Legislative zuzurechnen. Nur im Vorbehaltsbereich der Gesetzgebung ist er einschlägig.219 Im Übrigen ist zu beachten, dass normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften eine geringere Bindungswirkung zukommt als Rechtsverordnungen, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt ein Verstoß gegen Art. 80 GG ausscheidet.220

3. Europarechtliche Bedenken gegen normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Die Figur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift wurde schließlich auch durch zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1991 in Frage gestellt.221 Der Grund für die Verfahren bestand darin, dass die Bundesrepublik Deutschland die Richtwerte zweier EG-Richtlinien222, zu deren Umsetzung sie in innerstaatliches Recht aufgrund des EG-Vertrages verpflichtet war, nur in die TA-Luft 1986 aufgenommen hatte. Der Europäische Gerichtshof gab der Klage der EU-Kommission unter anderem mit der Begründung statt, dass (1) die TA-Luft weder eine zwingende noch allgemeine Regelung darstelle und deshalb den Anforderungen an eine richtlinienadäquate Umsetzung nicht gerecht werde, (2) dass es keine nationale Gerichtsentscheidung gäbe, mit der der TA-Luft eine unmittelbare Wirkung auch gegenüber Dritten zuerkannt werde. In der Literatur wurden die beiden Urteile sehr unterschiedlich aufgenommen. Während sich die Gegner normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften in ihrer Auffassung bestärkt sahen und die Umsetzungstauglichkeit der TA-Luft verneinten223, führten die Befürworter normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften ins 217

K. Faßbender, 236 ff.; H. Hill, NVwZ 1989, 401 (405); Ch. Müller, 89 ff.; A. Rogmann,

78 ff. H. Hill, NVwZ 1989, 401 (405); A. Leisner, JZ 2002, 219 (226). H. Hill, NVwZ 1989, 401 (405); A. Rogmann, 79. 220 S. Kautz, GewArch 2000, 230 (348 f.). 221 EuGH, Urteil vom 30. 5. 1991, Az. Rs C 361 / 88, NVwZ 1991, 866 f.; EuGH, Urteil vom 30. 5. 1991, Az. Rs C 58 / 89, NVwZ 1991, 868 f. Ausführlich zu den Anforderungen an eine gemeinschaftsrechtskonforme Richtlinienumsetzung K. Faßbender, 75 ff. 222 80 / 799 / EWG und 82 / 884 / EWG. 218 219

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

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Feld, der Europäische Gerichtshof habe sich mit den dogmatischen Besonderheiten normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften nicht ausreichend auseinandergesetzt.224 In Anbetracht der Entwicklungen sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum dürfte den Argumenten des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich jedoch die Grundlage entzogen worden sein. So entspricht es mittlerweile der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass der TALuft 1986 / 2002 eine Bindungswirkung auch im Außenverhältnis zukommt und sie damit auch für die Gerichte beachtlich ist.225 Die Bedenken, die der Europäische Gerichtshof seinerzeit die Umsetzungspraxis von EU-Richtlinien in nationales Recht betreffend geäußert hat, dürften somit keine tragfähigen Argumente mehr gegen die Figur der normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift liefern.

III. Der geruchsspezifische Regelungsgehalt der TA-Luft 2002 1. Allgemeines Die TA-Luft 2002 gliedert sich in insgesamt 8 Regelungsabschnitte, die durch zahlreiche Anhänge, Abbildungs- und Tabellenübersichten am Ende der Vorschrift ergänzt werden. In Abschnitt 1 wird der Anwendungsbereich der TA-Luft 2002 definiert. Abschnitt 2 enthält die wichtigsten Begriffsbestimmungen und legt die Einheiten im Messverfahren fest. Abschnitt 3 enthält einige rechtliche Vorgaben für die Auslegung und Anwendung der §§ 5, 8, 8 a, 9, 15 und 16 BImSchG. In Abschnitt 4 wird die Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sowie der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung konkretisiert. Abschnitt 5 sieht Maßnahmen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vor. Abschnitt 6 befasst sich mit dem Erlass nachträglicher Anordnungen zum Schutz vor und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen für bereits bestehende Anlagen. Die Bestimmungen in den Abschnitten 7 und 8 schließlich regeln das Verhältnis von TA-Luft 1986 zu TA-Luft 2002 und legen den Zeitpunkt des Inkrafttretens der TA-Luft 2002 fest. Innerhalb dieses Regelungskonzeptes finden sich die geruchsspezifischen Regelungen an zwei Stellen im 5. Abschnitt der TA-Luft 2002. Zum einen in der 223 Ch. Bönker, DVBl. 1992, 804 (810); K. Fassbender, 91 ff.; W. Hoppe / O. Otting, NuR 1998, 61 (63 f.); R. Steiling, NVwZ 1992, 134 (136). 224 T. von Danwitz, VerwArchiv 1993, 73 (81 ff.); M. Gellermann / P. Szczekalla, NuR 1993, 54 (60 ff.); F. Mühlenbruch, 97 ff.; Ch. Müller, 97 ff. 225 BVerwG, Beschluss vom 10. 1. 1995, Az. 7 B 112.94, DVBl. 1995, 516 (517); BVerwG, Beschluss vom 21. 3. 1996, Az. 7 B 164.95, NuR 1996, 522 (523); A. Guckelberger, Die Verwaltung 2002, 61 (66 f.); H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (108 f.); S. Kautz, GewArch 2000, 230 (235 f.).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002, die überschrieben ist mit „Geruchsintensive Stoffe“. Zum anderen etwas versteckter in der Nr. 5.4.7 TA-Luft 2002 „Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse“ und dort im Unterpunkt 1 „Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren“. Zur messtechnischen Erfassung geruchsintensiver Stoffe bestimmt die TA-Luft 2002 in der Nr. 5.3.2.5 schließlich noch ganz allgemein den Einsatz olfaktometrischer Verfahren. Anderweitige Regelungen geruchsintensive Stoffe betreffend finden sich in der TA-Luft 2002 demgegenüber nicht. Insbesondere enthält sie keine Immissionsgrenzwerte zur Beurteilung der Schädlichkeit geruchsintensiver Stoffe. Dies erklärt sich vor allem daraus, dass es bisher nicht in zufrieden stellender Weise gelungen ist, Geruchsbelästigungen zu quantifizieren.226

2. Die Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002 Bei der Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002 handelt es sich um eine ganz allgemeine Regelung die Vermeidung und Verminderung geruchsintensiver Stoffe betreffend. Als solche ist sie gleichsam vor die Klammer der spezielleren Regelungen der Nr. 5.4 TA-Luft 2002 gezogen und gilt damit für sämtliche Anlagenarten gleichermaßen. In ihrem Absatz 1 bestimmt sie zunächst, dass bei Anlagen, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb oder wegen betrieblich bedingter Störungen geruchsintensive Stoffe emittieren können, Maßnahmen zur Emissionsminderung zu treffen sind. Wie der exemplarischen Aufzählung in Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz zu entnehmen ist, sind dabei in erster Linie bauliche und betriebliche Maßnahmen gemeint, wie das Einhausen und Kapseln der Anlage, die geeignete Lagerung von Einsatzstoffen, Erzeugnissen und Abfällen etc. Gemäß Abs. 2 der Nr. 5.2.8 TA-Luft sind geruchsintensive Abgase regelmäßig einer Abgasreinigungseinrichtung zuzuführen, wobei aus Kostengesichtspunkten auch andere gleichwertige Maßnahmen zugelassen werden. Der Umfang der zu fordernden Maßnahmen hängt dabei von der Anlagenart sowie den Umgebungsbedingungen ab, Nr. 5.2.8 Abs. 3 Satz 1 TA-Luft 2002.

3. Die Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 Für die im Rahmen dieser Arbeit bedeutsamen Anlagen zum Halten und zur Aufzucht von Schweinen ergeben sich die relevanten Einzelheiten aus der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002.227 Gegenüber der Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002 enthält die BVerwG, Urteil vom 28. 2. 2002, Az. BVerwG 4 CN 5.01, 11. Bislang gibt es zur Abstandsregelung der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 keine Rechtsprechung und nur wenig Literatur. Da die Abstandsregelungen der Nr. 3.3.7.1.1 TA-Luft 1986 und der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 im Kern allerdings gleich geblieben sind, dürften die bis226 227

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

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Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 mit ihren Abstandsvorschriften in Abs. 1 und ihren anlagenspezifischen baulichen und betrieblichen Emissionsminderungsmaßnahmen in Abs. 2 spezielle, die allgemeinen Anforderungen der Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002 konkretisierende Maßnahmen und geht der Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002 insoweit als „lex specialis“ vor, Nr. 5.1.1 Abs. 2 TA-Luft 2002. a) Die Mindestabstandsregelung, Nr. 5.4.7.1 Abs. 1 TA-Luft 2002 Die Abstandsregelung der Nr. 5.4.7.1 Abs. 1 TA-Luft 2002 ist als zweistufiges Anforderungskonzept ausgestaltet.228 Zur Vermeidung von Geruchsbelästigungen ist es danach grundsätzlich ausreichend aber auch erforderlich, dass bei der Errichtung von Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen bestimmte Mindestabstände zur nächsten vorhandenen oder in einem Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung eingehalten werden (1. Stufe). Auf weitergehende Emissionsminderungsmaßnahmen kann dann in der Regel verzichtet werden. Stellt sich demgegenüber heraus, dass die erforderlichen Mindestabstände nicht eingehalten werden können, ist nach dem Regelungskonzept der TA-Luft 2002 eine Unterschreitung der einzuhaltenden Mindestabstände allerdings nur dann möglich, wenn zusätzliche primärseitige Emissionsminderungsmaßnahmen ergriffen werden oder die geruchsintensiven Abgase einer Abgasreinigungseinrichtung zugeführt werden (2. Stufe). Diese Koppelung technischer Emissionsminderungsmaßnahmen an die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung der Mindestabstände hat ihren Grund dabei im Übermaßverbot.229 Intensivtierhaltungen müssen zur Aufrechterhaltung erträglicher Lebensbedingungen für die Tiere mit hohen Luftwechselraten und entsprechend großen Abgasmengen betrieben werden.230 Der wirtschaftliche Aufwand für derartige Abgasreinigungseinrichtungen ist jedoch relativ hoch.231 Bedenkt man, dass es bei der Beurteilung von Schweinehaltungsbetrieben primär um den Belästigungsschutz geht, erscheint es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als nicht angemessen, allein aus diesem Grund generell eine Abgaserfassung und -reinigung vorzuschreiben.232 Die TA-Luft 2002 hat sich deshalb für dieses zweistufige Modell entschieden, bei dem das Hauptaugenmerk auf der Einhaltung von Mindestabständen liegt. herigen Ausführungen in Rechtsprechung und Literatur mit der Neufassung der TA-Luft ihre Bedeutung nicht verloren haben. 228 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653; A. Roßnagel, NuR 1998, 69 (72). 229 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653; A. Roßnagel, NuR 1998, 69 (72). 230 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653. 231 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653. 232 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Wie groß die einzuhaltenden Mindestabstände dabei zu sein haben, ergibt sich aus dem der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 beigefügten Abstandsdiagramm. In diesem Diagramm sind zwei Kurven eingezeichnet. Die obere Kurve gibt die Abstände für Geflügel, die untere die Abstände für Schweine wieder. Beide Kurven wurden in Anlehnung an die VDI-Richtlinien 3471 (Schweine) und 3472 (Hühner) konzipiert und entsprechen den 100 – Punkte – Kurven dieser Richtlinien.233 Wie bei diesen setzen sich die Mindestabstände somit aus der Geruchsschwellenentfernung sowie einem 100%-igen Sicherheitszuschlag zusammen. Anders als bei den VDI-Richtlinien 3471 und 3472 stellen sich die beiden Kurven allerdings ausschließlich als Funktion der Betriebsgröße ausgedrückt in Großvieheinheiten dar. Auf eine differenzierte Erfassung und Bewertung der Anlagentechnik entsprechend der VDIRichtlinie 3471 und 3472 wurde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung verzichtet;234 alle Anlagenarten werden somit gleich behandelt. Die erforderlichen Umrechnungsfaktoren von Tierplatzzahlen in Tierlebendmasse gestaffelt nach den unterschiedlichen Haltungsverfahren sind der Tabelle 10 zu entnehmen.

b) Die baulichen und betrieblichen Anforderungen, Nr. 5.4.7.1 Abs. 2 TA-Luft 2002 Ergänzt wird das Abstandsregelungskonzept des Abs. 1 durch die baulichen und betrieblichen Anforderungen in Abs. 2, die es zusätzlich zu beachten gilt. Der Maßnahmenkatalog ist dabei aus den VDI-Richtlinien 3471 und 3472 abgeleitet worden und umfasst neben bekannten Maßnahmen aus der Entmistungs-, Mistlagerungs -und Lüftungstechnik nun auch Maßnahmen zur Minderung von Ammoniakemissionen.235 Dies war notwendig, um europäische und internationale Anforderungen zur Minderung von Ammoniakemissionen umzusetzen, zu denen sich die Bundesrepublik Deutschland in Verträgen verpflichtet hatte.236 Um Spielraum für artgerechte Haltungsverfahren zu schaffen, legt die TA-Luft 2002 auch erstmals fest, dass bauliche und betriebliche Anforderungen mit den Erfordernissen einer artgerechten Tierhaltung abzuwägen sind, soweit diese Form der Tierhaltung zu höheren Emissionen führt.

233 P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653; E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (19); E. Grimm, Zur Neufassung der TA Luft 2002, 12 – abrufbar im Internet unter „http: //www.ktbl.de/umwelt/recht/ta_luft.htm“. 234 E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (17). 235 E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (18 f.). 236 E. Grimm, Zur Neufassung der TA Luft 2002, 16 – abrufbar im Internet unter http: //www.ktbl.de/umwelt/recht/ta_luft.htm.

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

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c) Der Geltungsbereich der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 Die Vorschriften der TA-Luft 2002 sind gemäß ihrem Abschnitt 1 zu beachten bei der Prüfung von Anträgen sowohl zur Errichtung und dem Betrieb neuer Anlagen als auch bei deren Änderung im Sinne der §§ 15 und 16 BImSchG. Demgegenüber gilt die Spezialvorschrift über die Abstandsregelung der Nr. 5.4.7.1 TALuft 2002 entsprechend ihrem Wortlaut nur im Falle der Neuerrichtung von Anlagen zur Aufzucht und zum Halten von Nutztieren. Streng genommen sind damit (wesentliche) Änderungen bestehender Anlagen vom Anwendungsbereich der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 ausgenommen und unterliegen einer Bewertung im Einzelfall. Wie ein Blick in die Vollzugspraxis jedoch zeigt, werden in einzelnen Bundesländern die Abstandsregelungen der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 gleichwohl auch im Falle einer Anlagenänderung angewandt.237 Was den Geltungsbereich der Abstandsvorschrift anlangt ist weiter zu beachten, dass die Abstandsregelung der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 ebenso wie die Regelung der Nr. 3.2 VDI-Richtlinie 3471 auf den Außenbereich zugeschnitten ist und damit wie diese der Festlegung derjenigen Distanz dient, auf die eine Wohnbebauung an einen dort privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb heranrücken darf. Auslegungsschwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang dabei seit jeher der Begriff der „Wohnbebauung“. Anders als die VDI-Richtlinie 3471 legt auch die TA-Luft 2002 nicht ausdrücklich fest, was sie unter „Wohnbebauung“ versteht. Wie sich aus der Bezugnahme auf die Festsetzungen in einem Bebauungsplan jedoch ergibt, sind in jedem Fall die Wohngebietskategorien der Baunutzungsverordnung, das heißt die Kleinsiedlungsgebiete (§ 2 BauNVO), die reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebiete (§§ 3, 4, 4 a BauNVO) als „Wohnbebauung zu qualifizieren.238 Einigkeit besteht ferner darüber, dass vereinzelt im Außenbereich gelegene Hausgrundstücke ebenso wenig dem Begriff der „Wohnbebauung“ unterfallen, wie die Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebiete (§§ 7 – 10 BauNVO), in denen dem Wohnen keine eigenständige und besondere Bedeutung zukommt.239 Bleibt noch zu klären, wie im Falle der Dorf- und Mischgebiete (§§ 5, 6 BauNVO) zu verfahren ist. Verlangt man, dass die vorhandene Wohnbebauung in ihrer Eigenart den möglichen Festsetzungen der Baunutzungsverordnung entsprechen muss240, dann dürften Dorf- und Mischgebiete nicht als „Wohnbebauung“ zu qualifizieren sein. Versteht man den Begriff der „Wohnbebauung“ demgegenüber dahingehend, dass in dem fraglichen Gebiet überhaupt Wohnnutzung zulässig ist, dann ist die Abstandsregelung der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 auch gegenüber Dorfund Mischgebieten anwendbar. Der nordrhein-westfälische Hinweis zur Auslegung 237 Ausführlich hierzu: H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 63. 238 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 5.4.7 Rn. 3. 239 OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 2 A 229 / 93, 4; OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 7 L 2108 / 96, 5; K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 5.4.7 Rn. 3. 240 OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 7 L 2108 / 96, 4.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

der Abstandsregelung der TA-Luft geht zum Beispiel von der letztgenannten Variante aus und wendet die Mindestabstände auch gegenüber Dorf- und Mischgebieten an. Darin heißt es: „Unter Wohnbebauung ist eine zusammenhängende Bebauung mit selbständiger Bedeutung für das Wohnen von Menschen anzusehen. Vereinzelte, im Außenbereich liegende Hausgrundstücke fallen nicht hierunter. Soweit ein Bebauungsplan besteht, sind reine und allgemeine Wohngebiete, besondere Wohngebiete, Dorf- und Mischgebiete zu berücksichtigen“.241 Auch in der Rechtsprechung werden Dorf- und Mischgebiete als „Wohnbebauung“ im Sinne der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 angesehen.242 So hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Fall entschieden, „dass auch ein durch Bebauungsplan festgesetztes Dorfgebiet Wohnbebauung im Sinne von Nr. 3.3.7.1.1 TA-Luft aufweisen kann. Denn nach § 5 I, 2 Nrn. 1, 2 und 3 BauNutzVO i. d. F. der Bekanntmachung vom 23. 1. 1990 – BGBl. I, 132 – ist dort Wohnnutzung zulässig. Für ein nicht überplantes Dorfgebiet dürfte entsprechendes gelten“.243 Und zur Nr. 3.3.7.2.1 TALuft 1986 (Anlagen zum Schlachten von Tieren), die eine zur Nr. 3.3.7.1.1 TA-Luft 1986 vergleichbare Regelung enthielt, hat das Gericht sinngemäß ausgeführt, dass Wohnbebauung – wie der Verweis auf die Festsetzungen eines Bebauungsplans erkennen lasse – reine und allgemeine Wohngebiete, Kleinsiedlungs- und allenfalls auch Mischgebiete im Sinne der Baunutzungsverordnung umfasse.244 Sieht man also mit dem nordrhein-westfälischen Auslegungshinweis und dem Oberverwaltungsgericht Münster auch Dorfgebiete als „Wohnbebauung“ an, dann stellt sich des Weiteren die Frage, ob auch in diesem Fall die Mindestabstände in Entsprechung zur Nr. 3.2.3.2 VDI-Richtlinie 3471 zu halbieren sind. Für eine solche Vorgehensweise würde zum einen sprechen, dass gemäß § 5 Abs. 1 BauNVO im Dorfgebiet ein Vorrang der Landwirtschaft gegenüber anderen Nutzungen gilt und das sonst in Konfliktsituationen geltende Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme insoweit zu Lasten der Wohnnutzung modifiziert ist.245 Zum anderen gilt es zu beachten, dass im Falle einer strikten Anwendung der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 die Zersiedelung der Landschaft gefördert bzw. Konflikte mit den Anforderungen des Natur- und Landschaftsschutzes verschärft werden würden.246 Die Vollzugspraxis liefert diesbezüglich allerdings kein einheitliches Bild.247 So werden in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt die Abstandsregelungen Siehe auch OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 7 L 2108 / 96, 4. Zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Nr. 3.3.7.1.1 TA-Luft 1986 auf die Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 siehe Fn. 227. 243 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547). 244 OVG Münster, Urteil vom 17. 4. 1986, Az. 21 aA 2504 / 85. 245 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 64; E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (18). 246 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 64. 247 Ein Überblick findet sich bei H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 63. 241 242

C. Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft

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der TA-Luft 2002 strikt angewandt, ohne dass eine Halbierung gegenüber Dorfgebieten möglich wäre.248 In Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wiederum werden die Abstände der TA-Luft gegenüber Wohnhäusern im Dorfgebiet halbiert. Und in Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Saarland und Thüringen ist eine Unterschreitung der Mindestabstände nach einer Einzelfallprüfung grundsätzlich auch ohne, in den restlichen Bundesländern teilweise nur mit Abluftreinigung möglich.249 Im Übrigen gilt es zu beachten, dass die Abstandsregelung der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 nur in dem von ihr vorgegebenen Rahmen anwendbar ist.250 Eine Extrapolation der Mindestabstände bei höheren Tierplatzzahlen ist unzulässig.251 In diesen Fällen ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.252

IV. Bedeutungsgehalt der TA-Luft 2002 für die Bestimmung der Zumutbarkeit Was den Bedeutungsgehalt der TA-Luft 2002 für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen anlangt, so kann auf die Ausführungen zur VDIRichtlinie 3471 verwiesen werden. Wie bei dieser setzen sich die einzuhaltenden Mindestabstände aus der sogenannten Geruchsschwellenentfernung und einem 100 %-igen Sicherheitszuschlag zusammen.253 Wie bei dieser dient das Abstandsregelungskonzept ausschließlich der Vermeidung erheblicher Geruchsbelästigungen und konkretisiert damit den Vorsorgegrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, den es unabhängig von der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten gilt.254 Werden die Abstände nach TA-Luft 2002 eingehalten so ist dies in der Regel ein Indiz dafür, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Geruchsbelästigungen auftreten.255 Genügt die Stallanlage demgegenüber den Erfordernissen der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 nicht, ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht allein deshalb anzunehmen. Vielmehr ist in diesem Fall eine Sonderfallprüfung (Nr. 4.8 TA-Luft 2002) durchzuführen, da die TA-Luft 2002 248 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm, / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 63. 249 Ausführlich hierzu: H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 63. 250 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 5.4.7 Rn. 5. 251 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 5.4.7 Rn. 5. 252 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 5.4.7 Rn. 5. 253 P. Davids / M. Lange, TA Luft 1986, Nr. 653; E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (17). 254 H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (6); E. Grimm, RdL 1997, 57 (59); M. J. Ohms, 102; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (249); GIRL Nr. 1, Abs. 4. 255 K. B. Gablenz, ZMR 2000, 499 (502); Begründung und Auslegungshinweis zur GIRL Nr. 1, 27 f.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

selbst keine Aussage dazu enthält, in welcher Weise zu prüfen ist, ob von einer Anlage Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, die eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen oder nicht. Die Sonderfallprüfung erfolgt dabei in der Regel nach den Grundsätzen der GeruchsimmissionsRichtlinie (GIRL). Dass der Schutz vor Geruchsbelästigungen vom Anwendungsbereich der TALuft 2002 ausgenommen ist und die Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 ausschließlich den Vorsorgegrundsatz konkretisiert entspricht nun mittlerweile auch der ganz herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur.256 Das OVG Lüneburg hatte zwar in einem Urteil vom 14. 7. 1989 noch entschieden, dass „für die Bestimmung der zumutbaren Geruchsbelästigung ( . . . ) auf das Mindestabstandsdiagramm in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA-Luft – vom 27. 2. 1986 Abbildung 5 unter 3.3.7.1.1 – Anlagen zum Halten von Schweinen oder zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel – zurückgegriffen werden [kann]“.257 Diese Rechtsauffassung wurde – soweit ersichtlich – allerdings nur in diesem einen Fall vertreten und in der Folgezeit wieder aufgegeben.258 Soweit die Gerichte nunmehr in ihren Entscheidungsgründen überhaupt auf die TA-Luft eingehen, begnügen sie sich regelmäßig mit der Feststellung, dass „für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen ( . . . ) die TA-Luft 1986 keine näheren Vorschriften darüber [enthält], ob von einer Anlage Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, die eine erhebliche Belästigung i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG darstellen. Die auf den Stand der Technik sowie auf Mindestabstände zur Wohnbebauung abstellenden Regelungen in Abschnitt 3.3.7.1.1 TA-Luft konkretisieren lediglich die Vorsorgepflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG“.259 Auch die TA-Luft selbst, stellt dies nunmehr in ihrer Ziffer 1 Abs. 3 TA-Luft 2002 ausdrücklich klar. Dort heißt es: „Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen wird in dieser Verwaltungsvorschrift nicht geregelt; dagegen wird die Vorsorge gegen schädlich Umwelteinwirkungen durch Geruchsemissionen in dieser Verwaltungsvorschrift geregelt“. Für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen liefert das Regelungskonzept der TA-Luft 2002 somit keinen brauchbaren Anhaltspunkt.

256 OVG Münster, Urteil vom 8. 2. 1990, Az. 21 A 2535 / 88, NVwZ-RR 1990, 545 (547); OVG Lüneburg, Urteil vom 18. 2. 1998, Az. 7 L 2108 / 96, 4; OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (294); VG Oldenburg, Beschluss vom 21. 3. 2003, Az. 5 B 4148 / 02, 4; H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (6); K. B. Gablenz, ZMR 2000, 499 (502); M. J. Ohms,102; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (249); H.-C. Sarnighausen, Baurechtliche Zumutbarkeit, in: J. Kormann, Konflikte baulicher Nutzung, 115 (129). 257 OVG Lüneburg, Urteil vom 14. 7. 1989, Az. 6 A 152 / 87, NVwZ-RR 1990, 232 (232). 258 Anders zum Beispiel OVG Lüneburg, Urteil vom 6. 3. 1998, Az. 7 L 4554 / 96 A und 4622 / 96, NuR 1998, 663 (664). 259 VG Oldenburg, Beschluss vom 21. 3. 2003, Az. 5 B 4148 / 02, 4.

D. Der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass

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V. Zusammenfassung Die TA-Luft 2002 ist eine auf der Ermächtigungsgrundlage des § 48 BImSchG beruhende allgemeine Verwaltungsvorschrift. In ihr werden unter anderem die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an einzelne Anlagen konkretisiert. Obwohl sie als Verwaltungsvorschrift nur behördenintern verbindlich ist, entfaltet sie indirekt eine Außenwirkung durch ihre Einstufung als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift. Bedenken verfassungsrechtlicher und / oder europarechtlicher Art hiergegen bestehen nicht. Die geruchsspezifischen Reglungen der TA-Luft finden sich zum einen in der Nr. 5.2.8 TA-Luft 2002. Für die hier relevanten Anlagen zur Aufzucht und zum Halten von Schweinen ergeben sich die Einzelheiten aus der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002. Darin werden sowohl Mindestabstände zur nächsten Wohnbebauung als auch bauliche und betriebliche Maßnahmen zur Vermeidung von Geruchsemissionen festgeschrieben. Entwickelt wurden die Abstände in Anlehnung an die Vorgaben der VDI-Richtlinie 3471 und dienen – wie die TA-Luft nun selbst ausdrücklich klarstellt – ausschließlich der Konkretisierung der Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Werden die Abstände eingehalten, ist dies ein Indiz dafür, dass keine erheblichen Geruchsbelästigungen auftreten. Werden die Abstände demgegenüber unterschritten, kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Geruchswahrnehmungen eine erhebliche Belästigung darstellen. Ob in diesem Fall erhebliche Geruchsbelästigungen auftreten oder nicht ist in Ermangelung anderweitiger Regelungen in der TA-Luft 2002 vielmehr im Rahmen einer Sonderfallprüfung zu untersuchen. Als Entscheidungshilfe für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen scheidet das Regelungskonzept der TA-Luft 2002 jedenfalls aus.

D. Der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass zur TA-Luft 1986 Bis 1986 gab es kein Regelwerk, das sich mit der Frage nach der Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen befasste. Die VDI-Richtlinie 3471 und die TA-Luft von 1986260 griffen das Thema „Geruchsbelästigung“ zwar auf, allerdings unter dem Aspekt der Vorsorge und nicht dem des Schutzes. Vorschriften darüber, in welcher Weise zu prüfen ist, ob von einer Anlage erhebliche Geruchsbelästigungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG hervorgerufen werden, enthielten sie nicht. Um diese Regelungslücke zu schließen, aber auch in dem Bestreben, der Forderung der Gerichte und Behörden nach einem einheitlichen Bewertungsmaßstab nachzukommen, wagte das Bundesland Nordrhein-Westfalen im Jahr 1986 den Vorstoß und 260 Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (TALuft) vom 28. 2. 1986, GMBl. 95; nachstehend als „TA-Luft 1986“ zitiert.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

erarbeitete einen Erlass zur Durchführung der TA-Luft 1986. Am 14. 10. 1986 wurde dieser Gemeinsame Runderlass „Durchführung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ in Nordrhein-Westfalen offiziell eingeführt.261 Die Erwartungen, die dabei an diesen Erlass geknüpft worden waren, waren sehr hoch. Zum einen sollte sein Regelungsinhalt dem Umstand Rechnung tragen, dass es bei Geruchseinwirkungen regelmäßig „nur“ um erhebliche Belästigungen und nicht um Gesundheitsgefahren geht.262 Zum anderen sollte aber auch der Grundsatz der Objektivität Berücksichtigung finden.263 Der Kompromiss, auf den man sich seinerzeit in Nordrhein-Westfalen einigte, lautete daher wie folgt: „Besondere Schwierigkeiten bereitet die Beurteilung von Geruchsbelästigungen. Ob derartige Belästigungen als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, hängt nicht nur von der jeweiligen Immissionskonzentration, sondern auch von der Geruchsart, der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Einwirkungen, dem Rhythmus, in dem die Belästigungen auftreten, der Nutzung des beeinträchtigten Gebietes, der historischen Entwicklung der unterschiedlichen Nutzungen (Industrie- und Wohnsiedlung) und den Möglichkeiten zur Befolgung des Rücksichtnahmegebotes im Nachbarschaftsverhältnis ab. Im allgemeinen wird man davon ausgehen können, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten sind, wenn der Geruchsschwellenwert in mindestens 97% der Jahresstunden nicht überschritten wird und in der übrigen Zeit jedenfalls keine Ekel oder Übelkeit auslösenden Gerüche zu erwarten sind. Das deutlich wahrnehmbare Auftreten belästigender Gerüche innerhalb eines Zeitraumes von mehr als 5 % der Jahresstunden ist dagegen stets als schädliche Umwelteinwirkung zu werten, wenn hierdurch Personen betroffen werden, die nicht nur vorübergehend derartigen Belästigungen ausgesetzt sind. Im Übrigen kommt es auf eine abwägende Beurteilung im Einzelfall an; dabei ist auch die Verteilung von Geruchsereignissen auf einzelne Stunden zu berücksichtigen. Wird die Geruchsschwelle innerhalb einer Stunde nicht nur für geringfügige Zeitabschnitte deutlich überschritten, so ist diese Stunde bei der Ermittlung des Prozentsatzes der Jahresstunden voll anzurechnen“.264 261 Gem.RdErl. d. Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft u. d. Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie vom 14. 10. 1986, NWMBl. 1658 ff. 262 E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7). 263 E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7). 264 Nr. 5.23 NRW-Durchführungserlass, NWMBl. 1600. Seitens der Rechtsprechung erfuhr der Regelungsinhalt der NRW Richtlinie im Laufe der Zeit noch eine gebietsspezifische Ausdifferenzierung. So sollte in Allgemeinen Wohngebieten mit schädlichen Umwelteinwirkungen grundsätzlich dann nicht zu rechnen sein, wenn der sogenannte Geruchsschwellenwert von 1 GE / m3 in mindestens 97% der Jahresstunden nicht überschritten wird bzw. deutlich wahrnehmbare Gerüche (ab 3 GE / m3) in weniger als 5 % der Jahresstunden auftreten. Für Dorfgebiete wurde die Schädlichkeitsgrenze bei 10% 1 GE / m3 und 5% 3 GE / m3, für Gewerbegebiete bei 8% 1 GE / m3 und 3 % 3 GE / m3 gezogen. Siehe hierzu: VGH Mannheim, Urteil vom 25. 7. 1995, Az. 3 S 2123 / 93, 16; OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (295); VG Schwerin, Beschluss vom 29. 11. 2000, Az. 8 B 1079 / 99, 20; VG Greifswald, Beschluss vom 20. 6. 2002, Az. 1 B 2644 / 01, 4.

D. Der Nordrhein-Westfälische Durchführungserlass

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So wegweisend dieses Regelungskonzept seinerzeit in der Diskussion um die Zumutbarkeit von Geruchsbelästigungen war, so problematisch sollte sich allerdings seine Handhabung in der Praxis erweisen. Der Grund hierfür lag zum einen in den aus messtechnischer Sicht zum Teil sehr unbestimmten Begrifflichkeiten. Zum anderen enthielt der Erlass keinerlei Vorgaben hinsichtlich der anzuwendenden Mess- und Beurteilungsverfahren. Bereits kurze Zeit nach seiner Einführung entbrannte deshalb unter den Gutachtern und den sachverständigen Kreisen eine heftige Diskussion darüber, wie der Erlass „richtig“ anzuwenden sei. Anlass hierfür boten vor allem die Formulierungen „deutlich wahrnehmbares Auftreten“ und „wird die Geruchsschwelle nicht nur für geringfügige Zeitabschnitte deutlich überschritten“.265 Mangels weitergehender Angaben des Erlasses hierzu war man sich nicht im Klaren darüber, wie die Begriffe „deutlich wahrnehmbar“ und „nicht nur für geringfügige Zeitabschnitte“ zu verstehen sind. Während die einen die Formulierung „deutlich wahrnehmbar“ im Sinne von „wahrnehmbar“ verstanden und sie daher mit der Wahrnehmungsschwelle 1 GE / m3 Luft gleichsetzten, interpretierten andere den Begriff „deutlich“ wiederum im Sinne der VDI-Richtlinie 3882 Blatt 1 und legten einen Wert von 3 GE / m3 zugrunde.266 Davids / Lange schließlich schlugen als Interpretation Geruchszahlen von 5 bis 10 GE / m3 Luft vor.267 Ähnlich unklar war die Interpretation der Formulierung „nicht nur geringfügiger Zeitabschnitt“. Während die ehemalige Landesanstalt für Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen (LIS) vorschlug, einen Zeitanteil von 5% einer Stunde als nicht nur geringfügigen Zeitabschnitt anzusehen, gingen andere von einem Zeitanteil von 10% bis 17% aus.268 Weitere Spielräume bei der Anwendung des Erlasses ergaben sich schließlich daraus, dass er weder Vorgaben zum methodischen Vorgehen bei der Erstellung von Geruchsgutachten enthielt noch eine Regelung zur Ermittlung einer eventuell bestehenden Vorbelastung im betroffenen Gebiet vorsah.269 So entstanden Gutachten, denen entweder eine Punkt- oder Isolinienbetrachtung zugrunde lag, während in anderen Gutachten wiederum flächenbezogene Aussagen zur Geruchsbelastung getroffen wurden.270 In den einen Gutachten wurde eine Vorbelastung durch weitere Geruchsemittenten einbezogen, in den wohl überwiegenden Fällen unterblieb eine Vorbelastungsbestimmung.271 Je nach Gutachter und angewandter Methode fielen die Ergebnisse also sehr unterschiedlich aus. Der nordrhein-westfälische Durchführungserlass erwies sich mithin als nicht geeignet, eine einheitliche Vorgehensweise bei der Bestimmung und Bewertung von 265 266 267 268 269 270 271

E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7). K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7). E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7 f.). K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7). K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (7). K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (8). K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (8).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Gerüchen sicherzustellen. Das Vorhaben, den Gerichten, Behörden und Gutachtern einen einheitlichen Bewertungsmaßstab an die Hand zu geben, war somit gescheitert. Im Jahr 1999 wurde deshalb der Erlass formell wieder aufgehoben und schließlich durch die sogenannte Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) ersetzt.272 Gleichwohl wird sein Regelungsinhalt von einigen Gerichten273; nach wie vor zur Beurteilung von Geruchsimmissionen herangezogen bzw. für anwendbar erklärt. In dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. 6. 2002 heißt es dazu: „Das Gericht schließt sich vielmehr derzeit dem in der Rechtsprechung vertretenen Maßstab an; ob unter der Annahme, dass sich die Wohnhäuser der Antragsteller ( . . . ) im Außenbereich befinden und damit nicht den Schutz eines allgemeinen Wohngebiets beanspruchen können, die in der Rechtsprechung entwickelten Grenzwerte für ein Dorfgebiet von 10% 1 GE / m3 ( . . . ) und 5 % 3 GE / m3 eingehalten werden, lässt sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschätzen. ( . . . ) Das Gericht hält bei der hier allein gebotenen summarischen Betrachtung in Anlehnung an den in der Rechtsprechung angewandten Maßstab schädliche Umwelteinwirkungen im allgemeinen dann für nicht wahrscheinlich, wenn in einem Wohngebiet der sogenannte Geruchsschwellenwert (1 GE / m3) in mindestens 97% und in einem Dorfgebiet in mindestens 90% der Jahresstunden nicht überschritten wird. Des Weiteren dürfen deutlich wahrnehmbare Gerüche (etwa 3 GE / m3) nicht mehr als 5 % der Jahresstunden sowie keine Ekel oder Übelkeit auslösenden Gerüche auftreten“. Ganz ähnlich argumentieren das Oberverwaltungsgericht Lüneburg274 und das Verwaltungsgericht Schwerin.275 Grundsätzlich ist es Sache des jeweiligen Tatsachengerichts, ob es ein Regelwerk als eine geeignete Entscheidungshilfe ansieht oder nicht.276 Deshalb ist es vom Grundsatz her auch nicht zu beanstanden, wenn ein Gericht den Regelungsinhalt des Durchführungserlasses trotz seiner formellen Aufhebung noch anwendet, wenn es ihn für eine geeignete oder gar als die geeignetere Entscheidungshilfe hält. In Anbetracht der oben genannten Defizite erscheint es aus rechtlicher Sicht jedoch als nicht sachgerecht, die Beurteilungskriterien des Erlasses auch weiterhin als Entscheidungshilfe heranzuziehen. Damit technische Regelwerke als geeignete Entscheidungshilfe angesehen werden können, muss (1) ihr Regelungsinhalt dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen; (2) den Kriterien muss eine zutreffende Auslegung der zu konkretisierenden unbestimmten Rechtsbegriffe zugrunde liegen; (3) es darf kein atypischer Sachverhalt vorliegen und (4) die An272 Gem.RdErl. des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstandsförderung, Technologie und Verkehr vom 9. 4. 1999, MBlNW S. 666. 273 OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26); VG Schwerin, Beschluss vom 29. 11. 2000, Az. 8 B 1079 / 99; VG Greifswald, Beschluss vom 20. 6. 2002, Az. 1 B 2644 / 01, 3. 274 OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26). 275 VG Schwerin, Beschluss vom 29. 11. 2000, Az. 8 B 1079 / 99, 19 f. 276 H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (250).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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wendungsvoraussetzungen müssen so klar und eindeutig formuliert sein, dass jeder Anwender bei gleichem Sachverhalt zu demselben Ergebnis gelangt.277 Gerade letzteres ist jedoch – wie gezeigt wurde – nicht der Fall. Spätestens seit seiner formellen Aufhebung sollten die Bewertungskriterien des nordrhein-westfälischen Durchführungserlasses deshalb zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen nicht mehr angewendet werden.278

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) I. Allgemeines Die Lösung aller Probleme im Bereich der Beurteilung von Geruchsimmissionen sollte die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) sein. Erarbeitet wurde diese, wie ihre Vorgängerregelung – der nordrhein-westfälische Durchführungserlass zur TA-Luft 1986 – in Nordrhein-Westfalen. Dort fand sich Ende der 80er Jahre ein Arbeitskreis bestehend aus Vertretern aus Verwaltung, Wissenschaft und Technischer Überwachung zusammen, der es sich zur Aufgabe gesetzt hatte, bis zum Erlass bundeseinheitlicher Verwaltungsvorschriften eine Regelung zu schaffen, die einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren zur Bewertung von Geruchsstoffimmissionen sicherstellen soll.279 Auf der Grundlage des bis dahin geltenden Geruchsstundenkonzepts des nordrhein-westfälischen Durchführungserlasses zur TA-Luft 1986 entstand der Entwurf für eine spezielle Geruchsimmissions-Richtlinie.280 Dieser Entwurf wurde, nachdem er in zahlreichen Feldversuchen und Studien umfangreich getestet worden war, in den Länderausschuss für Immissionsschutz (LAI), dem Beratungsgremium der Umweltministerien des Bundes und der Länder281 eingebracht und dort im Unterausschuss „Wirkungsfragen“ einer eingehenden Überprüfung unterzogen.282 Im Januar 1993 billigte der Länderausschuss für Immissionsschutz erstmals die vom Unterausschuss „Wirkungsfragen“ vorgelegte Fassung der GIRL und empfahl den Ländern, für die Feststellung und Beurteilung von Geruchsstoffimmissionen den Inhalt der GIRL, die den gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse wiedergibt, in Verwaltungsvorschriften umzusetzen oder in entsprechend anderer Weise für die Genehmigungs- und Überwachungsbehörden verbindlich zu machen.283 277 K. Hansmann, Immissionsgrenzwerte, in: E. Franßen / K. Redeker / O. Schlichter / D. Wilke, Bürger-Richter-Staat, 285 (299,302). 278 Im Ergebnis ebenso: K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164). 279 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (8). 280 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (8). 281 R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213). 282 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (8). 283 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (8).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Seitdem ist die GIRL zweimal überarbeitet worden, wobei ihr Aufbau und ihre Systematik im Wesentlichen unverändert blieben. Die erste Überarbeitung fand 1998 statt, bei der neben einigen klarstellenden Änderungen vor allem eine Begründung sowie ein Auslegungshinweis zur besseren Anwendbarkeit der Richtlinie erarbeitet wurden.284 Die zweite Überarbeitung erfolgte im Jahr 2004, bei der die hedonische Wirkung von Gerüchen aufgrund des Forschungsberichts von 2003285 stärker eingebunden wurde sowie das bisherige Ausbreitungsrechenmodell nach der TA-Luft von 1986 durch das neue Referenzmodell AUSTAL 2000 G der TALuft von 2002 ersetzt wurde. Am 21. 9. 2004 hat der Länderausschuss für Immissionsschutz in seiner 108. Sitzung vom 21. 9. bis 22. 9. 2004 diese überarbeitete Fassung verabschiedet und den Ländern ihre Umsetzung im Erlassweg empfohlen. Dieser Empfehlung des Länderausschusses für Immissionsschutz sind die einzelnen Bundesländer bislang allerdings nur zum Teil nachgekommen. So wurde die GIRL in BadenWürttemberg, Berlin, Bremen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und SchleswigHolstein per Landeserlass bereits eingeführt. In Brandenburg und MecklenburgVorpommern steht deren Einführung im Erlassweg noch aus. Demgegenüber wird sie in den übrigen Bundesländern nur als Erkenntnisquelle herangezogen, wobei in Sachsen zum Beispiel immer noch die Fassung von 1993 gültig ist und die GIRL 2004 nur ergänzend herangezogen wird. Insgesamt bietet die Umsetzungspraxis der Länder also ein sehr uneinheitliches Bild, welches noch dadurch verstärkt wird, als in einzelnen Bundesländern der LAI-Entwurf inhaltlich nicht eins zu eins übernommen wird bzw. wurde.286 Aus diesem Grund ist es nicht möglich, von „der GIRL“ schlechthin zu sprechen. Soweit im Folgenden also von der GIRL die Rede ist, ist damit der Musterentwurf des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 21. 9. 2004 gemeint.287 Auf Modifikationen einzelner Bundesländer bei der Umsetzung der Richtlinie wird nur eingegangen werden, soweit dies erforderlich erscheint.

II. Rechtsnatur und Bindungswirkung Die Rechtsnatur und Bindungswirkung der GIRL hängen davon ab, ob sie entsprechend der Empfehlung des Länderausschusses für Immissionsschutz von den einzelnen Bundesländern im Erlassweg eingeführt worden sind oder nicht. Geruchsimmissions-Richtlinie in der Fassung des LAI vom 13. 5. 1998. Forschungsbericht „Untersuchungen zur Auswirkung von Intensität und hedonischer Geruchsqualität auf die Ausprägung der Geruchsbelästigung“ des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf (MIU). 286 So zum Beispiel in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Auch die GIRL in Niedersachsen enthält Abweichungen hinsichtlich der zulässigen Immissionswerte in Dorfgebieten und im Außenbereich, Nds.MBl. Nr. 8 / 2001, 224 (225). 287 Abgedruckt ist diese Fassung bei Landmann / Rohmer, Umweltrecht Band II, Nr. 4.2. 284 285

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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1. Einführung der GIRL im Erlassweg In den Bundesländern, in denen die GIRL per Erlass eingeführt worden ist, stellt sie rechtlich eine Verwaltungsvorschrift dar.288 Als solche bindet sie die mit ihrem Vollzug betrauten Behörden und Amtswalter und ist von diesen zwingend zu beachten.289 Die Bindungswirkung ist dabei auf den verwaltungsinternen Bereich begrenzt, das bedeutet, dass sie weder für den Bürger noch für die Gerichte rechtlich verbindlich ist.290 Die Gerichte können die GIRL im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung heranziehen, sind dazu aber nicht verpflichtet. Etwas anderes würde nur gelten, wenn der GIRL normkonkretisierende Funktion zukäme oder die Grundsätze der Selbstbindung der Verwaltung Anwendung fänden. Im ersten Fall käme der GIRL eine unmittelbare Bindungswirkung zu291, im zweiten Fall würde sich diese über den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben.292 Beides ist jedoch nicht der Fall. Ersteres scheitert bereits an den Voraussetzungen des § 48 BImSchG. Die GIRL ist bislang gerade nicht in dem von § 48 BImSchG vorgesehenen Verfahren, sondern von den Bundesländern in eigener Regie, eingeführt worden.293 Eine Bindungswirkung nach den Grundsätzen der Selbstbindungslehre scheidet aus294, weil der Verwaltung im Bereich des Immissionsschutzrechts gerade kein gesetzlich eingeräumter und gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Letztentscheidungsspielraum eingeräumt ist.295 Damit Verwaltungsvorschriften über Art. 3 GG Bindungswirkung entfalten können, ist neben einer entsprechenden Verwaltungspraxis ein behördlicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum erforderlich, dessen Ausfüllung die Vorschrift dient.296 Die GIRL ist jedoch kein Regelwerk, das der Ausfüllung eines behördlichen Ermessensspielraums dient. Ihr Regelungsschwerpunkt liegt eindeutig auf der inhaltlichen Ausgestaltung der konditional aufgebauten Betreiberpflicht des § 5 Abs. 1 288 R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213). 289 H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (105 f.); H. Maurer, § 24 Rn. 16. 290 H. Maurer, § 24 Rn. 17. 291 F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 114 Rn. 42. 292 H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (107 f.); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 114 Rn. 42; H. Maurer, § 24 Rn. 21. 293 Ebenso K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213 f.). 294 Andere Auffassung wohl K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160), nach dessen Auffassung im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG die tatsächliche Anwendung der GIRL durch die Verwaltungsbehörden auch für die Gerichte beachtlich sein kann. 295 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 (253); P. Fischer, 76 ff. (102); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 114 Rn. 27; H.-H. Peschau, Die gutachterliche Bewertung, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 95 (102). 296 H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (108); S. Kautz, GewArch 2000, 230 (233); H. Maurer, § 24 Rn. 27, 29 ff.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Nr. 1 BImSchG. Zum anderen hat das Bundesverwaltungsgericht für den Bereich des Immissionsschutzrechts bereits sehr frühzeitig anerkannt, dass ein behördlicher Beurteilungsspielraum bei der Beurteilung der Erheblichkeit von Belästigungen durch Immissionen gerade nicht besteht.297 In der hierzu maßgeblichen VoerdeEntscheidung heißt es dazu: „Ob im einzelnen Fall die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind und ob insbesondere die in Rede stehenden Immissionen geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen, unterliegt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung“.298 Damit bleibt es bei dem eingangs gefundenen Ergebnis, dass die GIRL nur im staatlichen Innenbereich Rechtswirkungen entfaltet. Zu beachten ist dabei allerdings, dass auch im staatlichen Innenbereich die Beachtenspflicht nicht uneingeschränkt gilt. So kann zum Beispiel der Einführungserlass selbst Beschränkungen enthalten, die die Anwendungspflicht begrenzen.299 Darüber hinaus entfällt für die zuständigen Behörden die Bindung an die GIRL, sofern (1) eine atypische Fallgestaltung vorliegt, (2) die Richtlinie wissenschaftlich als überholt zu betrachten ist oder (3) die Richtlinie nicht mehr mit dem materiellen Recht übereinstimmt.300

2. Nichteinführung der GIRL im Erlassweg In den Bundesländern, in denen die GIRL nicht per Landeserlass eingeführt wird, hat sie die Bedeutung eines „sonstigen öffentlich-rechtlichen Regelwerks“301, das auch als Musterentwurf für eine Verwaltungsvorschrift qualifiziert werden kann. Als solches kann sie zwar von den Verwaltungsbehörden und Gerichten im Einzelfall als Orientierungshilfe und Erkenntnismittel herangezogen werden, rechtlich verbindlich ist sie für diese mangels Rechtsnormqualität aber nicht.302 An dieser Tatsache vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die GIRL vom Länderausschuss für Immissionsschutz verabschiedet und zur Anwendung empfohlen wurde. Zwar handelt es sich bei dem Länderausschuss für Immis297 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 (253); P. Fischer, 76 ff. (102); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 114 Rn. 27; H.-H. Peschau, Die gutachterliche Bewertung, in: KTBL- Sonderveröffentlichung 31, 95 (102). 298 BVerwG, Urteil vom 17. 2. 1978, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 (253). 299 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160). 300 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); H. D. Jarass, Jus 1999, 105 (106 f.); F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 114 Rn. 24 a. 301 R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213). 302 R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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sionsschutz um ein Beratungsgremium des öffentlichen Rechts303, in dem sämtliche für den Immissionsschutz zuständigen Landesbehörden sowie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vertreten sind. Ihm kommt aber weder die Eigenschaft einer Behörde zu, noch stellt er eine sonstige Institution mit Entscheidungskompetenz dar304, weswegen seine Beteiligung am Erlass der GIRL keinerlei Auswirkungen auf ihre Rechtsnatur hat. Eine etwas andere Auffassung zur Rechtsnatur der GIRL im Falle ihrer Nichtumsetzung im Erlassweg vertritt K. Hansmann.305 Angesichts des Umstandes, dass an der Erarbeitung der GIRL zahlreiche Sachverständige unterschiedlicher Fachbereiche beteiligt waren und sie damit ein hohes Maß an Sachverstand verkörpert, will K. Hansmann in der GIRL mehr als eine bloße Entscheidungshilfe sehen. Seiner Auffassung nach soll es sich bei der GIRL in diesen Fällen um ein „antizipiertes Sachverständigengutachten“ im Sinne der Voerde-Entscheidung306 des Bundesverwaltungsgerichts handeln, mit der Konsequenz, dass sie weder von Verwaltungsbehörden noch von den Gerichten negiert werden kann und ein Abweichen von der Richtlinie nachvollziehbar begründet werden muss.307 Es mag zwar richtig sein, dass die GIRL ein hohes Maß an Sachverstand verkörpert. Wie bereits oben unter Punkt B. II. 2. ausgeführt wurde, erfüllen technische Regelwerke wie die GIRL wegen ihres gleichsam politisch-wertenden Inhalts regelmäßig jedoch nicht die gesetzlichen Voraussetzungen von Sachverständigengutachten.308 Im Übrigen sind Sachverständigengutachten nicht geeignet, eine wie auch immer geartete Bindung der Gerichte zu begründen309, stellen sie doch nur eine Entscheidungshilfe dar.

III. Regelungsinhalt der GIRL Ziel der GIRL ist es, bis zum Erlass bundeseinheitlicher Verwaltungsvorschriften Regelungen bereitzustellen, die einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren zur Bewertung von Geruchsimmissionen sicherstellen. Zu diesem Zweck legt sie erstmals in Abhängigkeit von verschiedenen Gebietskategorien Immissions303 R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213). 304 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (213). 305 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160). 306 BVerwG, Urteil vom 15. 3. 1974, Az. 1 C 102.76, BVerwGE 55, 250 ff. 307 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1160). 308 Ch. Gusy, Die untergesetzliche Rechtsetzung, in: H.-J. Koch / R. Lechelt, Zwanzig Jahre BImSchG, 185 (199); R. Uerpmann, BayVBl. 2000, 705 (708). 309 F. O. Kopp / W.-R. Schenke, VwGO, § 86 Rn. 9; H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (250).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

werte für das höchstzulässige Maß an Geruchsimmissionen fest und versucht so, den Begriff der Erheblichkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu konkretisieren. Unmittelbar gilt die GIRL nur für genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 4 Abs. 1 BImSchG und § 1 4. BImschV, (Nr. 1 Abs. 5 GIRL). Entsprechend ihrer Selbstdefinition in Nr. 1 Abs. 5 GIRL kann sie jedoch auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen „sinngemäß“ angewandt werden. Für den Bereich landwirtschaftlicher Geruchsimmissionen sieht die GIRL vor, dass auf die Anwendung ihrer Regelungen verzichtet und das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen mit der Einhaltung des Abstandsdiagramms der Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 begründet werden kann, sofern nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles eine andere Vorgehensweise erfordern. Bei nicht genehmigungsbedürftigen Tierhaltungen kann in derartigen Fällen die Genehmigungsbehörde die Entscheidung auf die Einhaltung der Abstände nach den entsprechenden Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 gründen. Hinsichtlich ihres Regelungskonzeptes differenziert die GIRL zwischen der sogenannten Regelfallprüfung nach der Nr. 3 GIRL und der Sonder- oder Einzelfallprüfung nach Nr. 5 GIRL. 1. Die Regelfallprüfung, Nr. 3.1 GIRL Die Bestimmungen der GIRL zur Regelfallprüfung lehnen sich systematisch eng an diejenigen der Technischen Anleitungen zum Bundes-Immissionsschutzgesetz an. Wie bei diesen besteht auch bei der GIRL das Kernstück der Regelfallprüfung im Vergleich der Immissionswerte der GIRL mit den zu ermittelnden Kenngrößen für die bestehende oder zu erwartende Geruchs(-zusatz-)belastung. Die Immissionswerte der GIRL werden in der Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL festgelegt. Für das Wohn- und Mischgebiet gilt danach ein Wert von 0,10, für das Gewerbeund Industriegebiete ein Wert von 0,15. Die Zahlenwerte beschreiben dabei die relative Häufigkeit des Auftretens störender Gerüche, ausgedrückt in Prozent der Jahresstunden. Der Wert von 0,10 bedeutet danach, dass höchstens 10 % der Jahresstunden Geruchsstunden im Sinne der GIRL sein dürfen, wenn die Geruchsimmissionen nicht als erhebliche Belästigung angesehen werden sollen. Für den Wert von 0,15 gilt entsprechendes. Ermittelt wird die Anzahl an Geruchsstunden pro Jahr entsprechend den Vorgaben der Nr. 4 GIRL. Wie der Nr. 4.2 Abs. 2 GIRL zu entnehmen ist, setzt sich diese regelmäßig aus der vorhandenen Geruchsbelastung (IV) und der durch die geplante Errichtung / Erweiterung einer Anlage zu erwartenden Zusatzbelastung (IZ) zusammen. Die vorhandene Geruchsbelastung wird dabei im Allgemeinen olfaktorisch im Rahmen von Begehungen in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 3940 „Bestimmung der Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen“ ermittelt.310 Die Bestimmung der Zusatzbelastung erfolgt im 310

Ausführlich zu den Begehungsmethoden in Fn. 487.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Wege einer Geruchsausbreitungsrechnung auf der Basis der VDI-Richtlinie 3788 Blatt 1 des Anhangs 3 der TA-Luft 2002 sowie den speziellen Anpassungen für Geruch entsprechend dem Referenzmodell AUSTAL 2000 G. Ergibt der Vergleich, dass die Immissionswerte der Nr. 3.1 GIRL eingehalten werden, dann liegt in der Regel keine erhebliche Geruchsbelästigung vor und die Genehmigung darf erteilt werden. Werden die Immissionswerte demgegenüber überschritten, dann ist mit erheblichen Geruchsbelästigungen zu rechnen und die Genehmigung ist zu versagen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz beinhaltet Ziffer 3.3 GIRL. Nach dieser Vorschrift darf die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der Ziffer 3.1 GIRL nicht versagt werden, wenn die von der Anlage zu erwartende Zusatzbelastung (IZ) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert von 0,02 (= 2 %) überschreitet, sogenannte Irrelevanzklausel. Bei Einhaltung dieses Wertes soll davon auszugehen sein, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht. 2. Sonderfallprüfung, Nr. 5 GIRL Abgerundet wird die Regelfallprüfung der Nr. 3 GIRL durch die „Beurteilung im Einzelfall“ nach Nr. 5 GIRL. Diese ist regelmäßig im Anschluss an die Regelfallprüfung durchzuführen und stellt eine Art Korrekturmöglichkeit für diejenigen Fälle dar, in denen ein Vergleich der Immissionskenngrößen mit den Immissionswerten ausnahmsweise als nicht ausreichend angesehen werden muss. Entsprechend der Nr. 5 GIRL wird eine derartige Notwendigkeit für eine Beurteilung im Einzelfall dann gesehen wenn, a) auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich oder anderen nicht nach Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL zu erfassenden Quellen auftreten oder b) Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Hedonik und Intensität der Geruchseinwirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger atypischer Verhältnisse trotz Einhaltung der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (z. B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche) oder trotz Überschreitung der Immissionswerte eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit durch Geruchsimmissionen nicht zu erwarten ist. In diesen Fällen ist dann durch eine Abwägung der im Einzelfall bedeutsamen Umstände festzustellen, ob eine erhebliche Geruchsbelästigung vorliegt oder nicht. Das Abwägungsergebnis kann dabei ein mehr oder weniger zulässiges Maß an Immissionen als nach Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL ergeben. Als abwägungsrelevante Kriterien nennt die GIRL: die bisherige Prägung eines Gebiets durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung; den Charakter der Um-

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

gebung; die festgelegte Nutzung der Grundstücke in Bebauungsplänen; landesoder fachplanerische Ausweisungen; Nutzungsbeschränkungen; die zeitliche Verteilung der Geruchseinwirkung; Art und Intensität der Geruchseinwirkung; die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme sowie den Bestandsschutz der emittierenden Anlage. Im Falle hedonisch eindeutig angenehmer Gerüche besteht nunmehr auch die Möglichkeit, deren Beitrag zur Gesamtbelastung mit dem Faktor 0,5 zu gewichten. Die Entscheidung hierüber trifft dabei die zuständige Behörde. Zur Feststellung eindeutig angenehmer Anlagengerüche ist die Methode zur hedonischen Klassifikation von Anlagengerüchen – Methode der Polaritätenprofile – anzuwenden. Diese wird in der zu den Auslegungshinweisen neu hinzugefügten Anlage beschrieben.

IV. Resonanz in Rechtsprechung und Literatur 1. Auffassung in der Literatur Die GIRL wurde seinerzeit geschaffen, um die bestehenden methodischen Unsicherheiten bei der Bewertung von Geruchsimmissionen zu beseitigen. Wie es scheint, hat ihre Einführung allerdings zu mehr Fragen geführt, als Probleme gelöst. Seit ihrer Einführung im Jahr 1993 wird unter den Fachleuten darüber gestritten, ob die Methodik der GIRL zu aussagekräftigen Feststellungen führt oder nicht.311 Namentlich für den Bereich der Landwirtschaft wird ihr von zahlreichen Sachverständigen die Eignung als Entscheidungshilfe abgesprochen.312 So ist laut Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft „Landwirtschaftliche Emissionen und Immissionen“ (LEI) des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirt311 Für die GIRL sprachen sich bislang aus: R. Both, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 24 ff.; R. Both / K.-H. Essers / H. Gliwa / S. Külske, Jahresbericht Landesumweltamt NRW 1995, 77 ff.; R. Both / K. Otterbeck / B. Prinz, Staub – Reinhaltung der Luft 1993, 407 ff.; B. Gablenz, ZMR 2000, 499 ff.; K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 ff.; E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 ff.; R. Steinheider / R. Both / G. Winneke, Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, 1998, 411 ff. Ablehnend: E. Grimm, BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (21 f.); K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 ff.; K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 31 ff.; K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 27 (45 ff.); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 ff.; H. Mannebeck / D. Hesse, in: KTBL-Arbeitspapier 250, 197 (198 f.); Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 ff.; R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 ff.; R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 ff.; kritisch auch H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (6 f.); V. Nies, Agrarrecht 1999, 169 (177); H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (249 f.). 312 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 44 ff., 73 ff.; E. Grimm, BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (21 f.); K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 (83 ff.); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 ff.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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schaft (KTBL) die GIRL kein taugliches Instrumentarium zur Erfassung und Beurteilung von Geruchsimmissionen313, da sie in ihren wissenschaftlichen Kernpunkten nicht haltbar sei.314 Dies betreffe vor allem die stichprobenartige Begehung zur direkten Ermittlung der Vorbelastung, die hohe Fehlerfortpflanzung und Manipulierbarkeit bei der Vorbelastungsbestimmung, die Konstruktion der Geruchsstunde, die auch auf die Ausbreitungsberechnung zur Bestimmung der Zusatzbelastung durchschlage sowie die Ausbreitungssimulation mit einfachen Gaußmodellen.315 Als unzureichend wird ferner die Berücksichtigung der Geruchsparameter Hedonie und Intensität, die Gebietsdifferenzierung sowie die Höhe der Immissionswerte angesehen.316 Demgegenüber weisen die Befürworter der GIRL darauf hin, dass es sich bei den Methoden und Beurteilungsmaßstäben der GIRL um ein Gesamtsystem zur Ermittlung von erheblichen Geruchsbelästigungen handele, das den Bogen „Feststellung der Geruchsimmissionen durch Begehung / Ermittlung der Geruchsimmissionen durch Ausbreitungsrechnung / Ermittlung der erheblichen Belästigungen durch Anwohnerbefragungen“ spanne und in dieser Gesamtheit auch für den landwirtschaftlichen Bereich zu schlüssigen Ergebnissen führe.317 Auch wenn die GIRL einzelne Schwächen aufweise, so werde dadurch ihre generelle Eignung als Beurteilungshilfe nicht in Frage gestellt. Aus rechtlicher und praktischer Sicht erscheine sie derzeit als die beste Hilfe bei den notwendigen Entscheidungen zur Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen.318

2. Auffassung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat sich bislang noch nicht entschieden, welcher Auffassung sie sich letzten Endes anschließt. In der Zivilrechtsprechung scheint sich eine Tendenz dahin gehend abzuzeichnen, in der GIRL generell eine geeignete Entscheidungshilfe zu sehen.319 Demgegenüber besteht unter den einzelnen Verwal313 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 51; auch K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269). 314 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 51. 315 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 51. Der letztgenannte Kritikpunkt, das Gaußsche Ausbreitungsmodell betreffend, hat durch die Überarbeitung der GIRL an Bedeutung verloren. Nunmehr wird ein Lagrangemodell zur Geruchssimulation herangezogen. 316 H. Mannebeck / D. Hesse, in: KTBL-Arbeitspapier 250, 197 (198 f.); Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (205); R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (63 f.); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen, Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (210). 317 E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (10). 318 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1165).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

tungsgerichten, aber auch unter den einzelnen Kammern und Senaten Uneinigkeit, was die Anwendbarkeit der GIRL anlangt. Während sich der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg320, das Oberverwaltungsgericht Münster321, das Verwaltungsgericht Oldenburg322, das Verwaltungsgericht Minden323 und das Verwaltungsgericht Düsseldorf324 bislang für eine Anwendung der GIRL ausgesprochen haben325, lehnen das Oberverwaltungsgericht Lüneburg326, der Verwaltungsgerichtshof München327, das Oberverwaltungsgericht Bautzen328, das Verwaltungsgericht Hannover329 und das Verwaltungsgericht Greifswald330 – gestützt auf die obigen Argumente der Gegner – die Heranziehung der GIRL als Entscheidungshilfe ab. In Anbetracht dieser doch sehr gegenläufigen Meinungen stellt sich die Frage, ob die GIRL geeignet ist, den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG zutreffend zu konkretisieren oder nicht. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden ist eine Auseinandersetzung mit dem fachlichen, vor allem aber rechtlichen Aussagegehalt der GIRL unumgänglich. Die Überlegungen und Ergebnisse hierzu werden in den nachfolgenden Punkten V. und VI. dargestellt.

319 BGH, Urteil vom 21. 6. 2001, Az. III ZR 313 / 99, UPR 2001, 438 (439); OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. 5. 2001, Az. 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1237; AG Emmendingen, Urteil vom 29. 7. 1998, Az. 3 C 534 / 95. 320 OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26); OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. 3. 1997, Az. 6 M 674 / 97. 321 OVG Münster, Beschluss vom 19. 5. 2003, Az. 22 A 5565 / 00; OVG Münster, Beschluss vom 3. 11. 2000, Az. 7 B 1533 / 00. 322 VG Oldenburg, Beschluss vom 21. 2. 2003, Az. 5 B 4148 / 02. 323 VG Minden, Urteil vom 17. 12. 1996, Az. 1 K 2864 / 95. 324 VG Düsseldorf, Urteil vom 26. 10. 2000, Az. 4 K 3058 / 99. 325 Als Begründung für die Anwendung der GIRL wird in der Regel darauf hingewiesen, dass dem Gericht nicht erkennbar sei, dass die GIRL methodisch-fachliche Fehler enthalte und hinter dem neuesten Stand der Technik zurückbleibe; siehe etwa VG Minden, Urteil vom 17. 12. 1996, Az. 1 K 2864 / 95, 9 f. 326 OVG Lüneburg, Urteil vom 11. 4. 1997, Az. 1 L 7648 / 95, NdsVBl. 1997, 259 (260). 327 BayVGH, Beschluss vom 28. 8. 2001, Az. 26 ZS 01.1413, GewArch 2001, 499 f. 328 OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (293). 329 VG Hannover, Beschluss vom 1. 3. 1999, Az. 8 B 6785 / 98, 9 ff. 330 VG Greifswald, Beschluss vom 20. 6. 2002, Az. 1 B 2644 / 01, 3 f.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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V. Ausgewählte Probleme der GIRL 1. Der Anwendungsbereich, Nr. 1 GIRL a) Genehmigungsbedürftige / nicht genehmigungsbedürftige Anlagen Hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs knüpft die GIRL an den Anwendungsbereich der TA-Luft 2002 an.331 Wie diese gilt sie unmittelbar nur für solche Anlagen, die im Sinne des § 4 BImSchG und § 1 der 4. BImSchV genehmigungsbedürftig sind. Für die hier interessierenden Anlagen zur Schweinehaltung ergeben sich die Einzelheiten dabei aus der Nr. 7 „Nahrungs-, Genuss- und Futtermittel, landwirtschaftliche Erzeugnisse“ des Anhangs der 4. BImSchV. In der Nr. 7.1 werden dabei Kapazitätsgrenzen in Form von Tierplatzzahlen für „Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Geflügel und Pelztieren oder zum Halten oder zur getrennten Aufzucht von Rindern und Schweinen“ angegeben. Werden die angegebenen Tierplatzzahlen erreicht oder überschritten, ist die Anlage immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig. Werden die Zahlen nicht erreicht, ist die Anlage zumindest aus immissionsschutzrechtlicher Sicht genehmigungsfrei, was allerdings nicht bedeutet, dass diese Anlagen damit auch automatisch vom Anwendungsbereich der GIRL ausgenommen sind. Wie sich aus der Nr. 1 Abs. 5 GIRL ergibt, kann die GIRL nämlich auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen „sinngemäß“ angewendet werden. „Sinngemäß“ bedeutet dabei, dass im konkreten Einzelfall zu prüfen ist, ob nicht atypische Verhältnisse vorliegen, die eine Abweichung von den für genehmigungsbedürftige Anlagen vorgegebenen Anforderungen gebieten.332 Eine schematische Anwendung der GIRL auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen verbietet sich demgegenüber. Im Auslegungshinweis zur Nr. 1 Abs. 5 GIRL wird ausdrücklich noch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Bestimmung des Abs. 5 um eine Kann-Bestimmung handelt. In der Praxis wird die GIRL, soweit ersichtlich, auch auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen nahezu uneingeschränkt angewendet.

b) Das Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich Wie sich aus der Nr. 1 Abs. 6 GIRL ergibt, erklärt sich die GIRL ausdrücklich auch auf landwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen für anwendbar. Wie der Nr. 1 331 Keine Probleme hinsichtlich der Anwendbarkeit der GIRL ergeben sich mit Blick auf die TA-Luft 2002. Wie sich aus der Nr. 1 Abs. 3 TA-Luft 2002 ergibt, enthält die TA-Luft hinsichtlich der Beurteilung von Geruchsimmissionen bewusst keine Regelung und macht dadurch deutlich, dass sie im Hinblick auf die Beurteilung von Geruchsimmissionen keine Sperrwirkung gegenüber anderen Erkenntnisquellen besitzt. Ebenso: K. Hansmann, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band II, Nr. 1 TA-Luft Rn. 1; Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (201). 332 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1161).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Abs. 6 GIRL sowie dem dazugehörigen Auslegungshinweis zu entnehmen ist, hat die generelle Anwendbarkeit der GIRL im landwirtschaftlichen Bereich allerdings nicht zwingend auch eine Gutachtenerstellung entsprechend ihren Grundsätzen zur Folge. So kann die Genehmigungsbehörde gemäß Nr. 1 Abs. 6 GIRL auf die Anwendung der Regelungen der GIRL verzichten, wenn sie unter Zugrundelegung der Mindestabstandsregelungen von VDI-Richtlinie 3471 Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine oder TA-Luft 2002 zu der Überzeugung gelangt, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt ist. In diesem Fall genügt eine Abstandsprüfung nach TA-Luft 2002 bzw. VDI-Richtlinie 3471. Auf die Erstellung eines Immissionsschutzgutachtens nach GIRL kann dann verzichtet werden. Gelangt die Behörde in Zweifels- oder Problemfällen, z. B. bei Nichteinhaltung der Abstände oder Überschreitung der in der TA-Luft 2002 und VDI-Richtlinien 3471 / 3472 maximal zugrunde gelegten Bestandszahlen, allerdings zu der Ansicht, dass ein Gutachten nach GIRL notwendig ist, um Zweifelsfragen zu klären, so ist es unter Beachtung der Randbedingungen der GIRL zu erstellen.333 Die GIRL erkennt damit ausdrücklich an, dass sowohl die TA-Luft 2002 als auch die VDI-Richtlinien 3471 / 3472 brauchbare Entscheidungshilfen darstellen und primär als Erkenntnismittel heranzuziehen sind.334 Im Verhältnis zur TA-Luft 2002 ist diese Selbstbeschränkung dabei bereits mit Blick auf das unterschiedliche Rangverhältnis der Regelwerke eine Selbstverständlichkeit.335 Gegenüber der VDI-Richtlinie 3471 gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass dort, wo die Anwendung einfacherer Regelungen zu brauchbaren und aussagekräftigen Feststellungen führt, auf teure Einzelgutachten zu verzichten ist.336 Im Übrigen wird damit auch der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte entsprochen, wonach die VDI-Richtlinie 3471 eine „geeignete und brauchbare“ Entscheidungshilfe darstellen soll.337 Aus rechtlicher Sicht bestehen hinsichtlich dieser Konkurrenzregelung und der Anwendbarkeit der GIRL im landwirtschaftlichen Bereich keine Bedenken. Etwas anders stellt sich die Situation allerdings aus der Sicht der Landwirtschaft sowie der ihr nahe stehenden Institutionen338 dar. Von diesen wird die Anwendbarkeit der GIRL auf landwirtschaftliche Betriebe seit je her abgelehnt. Namentlich das Verhältnis der GIRL zu den Abstandsregelungen von TA-Luft 1986 bzw. VDIRichtlinie 3471 / 3472 stieß dabei immer wieder auf erhebliche Kritik.339 Bemän333 So der Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“. 334 H.-H. Peschau, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 95 (96). 335 H.-H. Peschau, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 95 (96). 336 H.-H. Peschau, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 95 (99). 337 OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (24); VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 5. 338 Gemeint sind damit insbesondere das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) sowie die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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gelt wurde dabei vor allem, dass die GIRL tendenziell zu Ergebnissen führe, die mit den bewährten Abstandsregelungen der TA-Luft 1986 bzw. VDI-Richtlinie 3471 nicht vereinbar wären. Besonders deutlich trete dabei dieser Wertungswiderspruch zu tage, wenn die Genehmigungsfähigkeit einer Anlage sowohl nach TALuft 1986 als auch nach GIRL beurteilt werde und beide Ergebnisse anschließend miteinander verglichen würden. Nach der GIRL müsse der landwirtschaftliche Betrieb in aller Regel deutlich größere Mindestabstände zur nächsten Wohnbebauung einhalten, damit die Genehmigung erteilt werden kann, als nach TA-Luft 1986.340 Dies stelle einen Wertungswiderspruch zwischen den einzelnen Regelwerken dar, der so nicht hingenommen werden könne.341 Als Ursache für diesen Wertungswiderspruch wurden vor allem die von der GIRL 1998342 bislang favorisierten Ausbreitungsrechenmodelle – nämlich das Faktor 10 Modell der TA-Luft 1986 sowie das ODIF-Modell der VDI-Richtlinie 3782 / 4 – angesehen. Da diese Modelle für hohe Abluftkamine mit hohen Austrittstemperaturen konzipiert worden waren und nicht wie gefordert auf die bodennahen, kalten Quellen der Landwirtschaft einkalibriert wurden, führe deren Anwendung im landwirtschaftlichen Bereich aufgrund der andersartigen Ausbreitungsbedingungen regelmäßig zu einer Überschätzung der Immissionshäufigkeiten und damit zu Mindestabständen, die deutlich größer seien, als diejenigen nach TA-Luft 1986 oder VDI-Richtlinie 3471.343 Die Befürworter der GIRL vertraten demgegenüber die Auffassung, dass die Methodik der GIRL auch im landwirtschaftlichen Bereich zu aussagekräftigen Ergebnissen führe.344 Zur Untermauerung ihrer Auffassung wurde dabei regelmäßig auf eine Untersuchung des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen345 verwiesen, die ge339 E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (21); K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 27 (45); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269); V. Nies, Agrarrecht 1999, 169 (177); H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (249). 340 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 44, 74 ff.; E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (21); K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 27 (45); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269); H.-H. Perschau, UPR 1998, 248 (249). 341 K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 27 (45 f.); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 ff. 342 Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie) in der Fassung vom 13. Mai 1998. 343 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 44, 50, 73 ff.; E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (21); K.-H. Krause / Th. Lung, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 31 (32); Th. Lung, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 56 (57); M. Schön / R. Hübner, 104, 112; W. Schumacher, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 49 (51); ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26); OVG Münster, Beschluss vom 19. 5. 2003, Az. 22 A 5565 / 00, 6. 344 R. Both, in: KTBL-Arbeitspapier 244, 24 ff.; R. Both / K -H. Essers / H. Gliwa / S. Külske, Jahresbericht Landesumweltamt NRW 1995, 77 ff.; E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (13); B. Steinheider / R. Both / G. Winneke, Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 1998, 411 ff. 345 Im Detail sind die Ergebnisse nachzulesen bei: R. Both / K.-H. Essers / H. Gliwa / S. Külske, Jahresbericht 1995, Landesumweltamt NRW, 77 ff.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

zeigt hätte, dass die Methodik der GIRL sehr wohl auch auf landwirtschaftliche Betriebe anwendbar sei und eine hohe Korrelation zwischen den durch Rasterbegehung ermittelten Geruchshäufigkeiten und den nach GIRL errechneten Geruchshäufigkeiten bestehe.346 Seit September 2004 sieht die GIRL nun ein anderes Rechenmodell zur Ausbreitungssimulation von Gerüchen vor. Statt des bisherigen Gaußschen Faktor 10 Modells der TA-Luft von 1986 wird nun das Lagrangsche Referenzmodell AUSTAL 2000 G zur Ausbreitungssimulation angewandt. Wie erste Praxiserfahrungen zeigen, fallen die Berechnungsergebnisse danach günstiger aus, als nach dem bisherigen Faktor 10 Modell der TA-Luft 1986.347 Das bedeutet, dass deutlich weniger Geruchsstunden errechnet werden als nach dem alten Modell, was wiederum dazu führt, dass die nach GIRL erforderlichen Abstände nun eher mit den Abstandsvorschriften von TA-Luft 2002 und VDI-Richtlinie 3471 korrespondieren. Ob damit allerdings der bisherige Vorwurf, die GIRL führe zu Mindestabständen, die deutlich größer seien als die nach TA-Luft 1986 / 2002 bzw. VDI-Richtlinie 3471, aus der Welt geschaffen ist, bleibt abzuwarten. Aktuelle Stellungnahmen seitens der Landwirtschaft zum neuen Ausbreitungsrechenmodell der GIRL liegen soweit ersichtlich bislang nicht vor.348

2. Die Beurteilungskriterien, Nr. 3 GIRL a) Die Immissionsgrenzwerte, Nr. 3.1 GIRL aa) Die Wahrnehmungshäufigkeit als Bewertungsmaßstab Seit langem diskutiert wird auch die Frage, ob bzw. inwieweit das Regelungskonzept der GIRL tatsächlich geeignet ist, das Belästigungspotential von Geruchsimmissionen zu erfassen. Der Vorwurf der GIRL-Gegner besteht dabei darin, dass die Beurteilung von Gerüchen vorwiegend anhand der Häufigkeit und Dauer ihres Auftretens nicht ausreichend sei, um eine zuverlässige Aussage hinsichtlich ihrer belästigenden Wirkung treffen zu können.349 Da die belästigende Wirkung von 346 R. Both / K.-H. Essers / H. Gliwa / S. Külske, Jahresbericht Landesumweltamt NRW 1995, 77 (82); B. Steinheider / R. Both / G. Winneke, Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 1998, 411 (416). 347 W. Bahmann / N. Schmonsees, Immissionsschutz 2005, 4 (5). 348 Zum Vergleich der Berechnungsmodelle Faktor 10 Modell der TA-Luft 1986 und AUSTAL 2000 der TA-Luft 2002: A. Zenger / J. Beerhalter, Immissionsschutz 2003, 138 ff. 349 VG Hannover, Beschluss vom 1. 3. 1999, Az. 8 B 6785 / 98, 9 f.; VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 6 f.; H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (7); H. Mannebeck / D. Hesse, in: KTBL-Arbeitspapier 250, 197 (198); Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (205); H.-H. Peschau, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 95 (97); A. Roßnagel, NuR 1998, 69 (77 f.); R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (63 f.); R. Steiling / F. Sterner, Rechtsfragen, in: C. O. Lenz / W. Thieme / F. Graf von Westphalen,

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Gerüchen – abgesehen von der Häufigkeit und Dauer – vor allem auch von der Geruchsart, der Intensität sowie der Hedonik350 abhängt, müssten diese Faktoren ebenfalls Berücksichtigung finden.351 Nach dem Konzept der GIRL sei es zwar möglich, die beiden Parameter „Hedonik“ und „Intensität“ im Rahmen einer Sonderfallprüfung in die Bewertung mit einfließen zu lassen. Dies reiche jedoch keinesfalls aus, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Die in § 3 Abs. 1 BImSchG geforderte Erheblichkeit von Nachteilen und Belästigungen sei nach der Rechtsprechung der Verwaltungs- und Zivilgerichte stets anhand eines differenziert objektiven Maßstabes zu beurteilen.352 Dies bedeute, dass auch die Parameter „Hedonie“ und „Intensität“ grundsätzlich und nicht nur im Einzelfall bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen Berücksichtigung finden müssen.353 Die GIRL, die Geruchsimmissionen im Wesentlichen nach der Häufigkeit ihres Auftretens beurteile, entspreche schon aus diesem Grund nicht den in § 3 Abs. 1 BImSchG vorgegebenen gesetzlichen Anforderungen und Wertungen und stelle somit keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer nach § 3 Abs. 1 BImSchG schädlichen Umwelteinwirkung dar.354 Dem hielten die Befürworter der GIRL bislang entgegen, dass die Vorgehensweise der GIRL nicht zu beanstanden sei, solange es keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse für eine generelle Regelung zur Einbeziehung der Hedonik und Intensität der Gerüche gebe.355 Gestützt wurde diese Auffassung dabei bislang auf ein Gutachten des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene (MIU) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf aus dem Jahr 1992 zu den „psychophysiologischen und epidemiologischen Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen“.356 Ziel dieser Studie war unter anderem die Erarbeitung von Anhaltspunkten für die empirische Definition der „Erheblichkeit“ von Geruchsbelästigungen.357 Zu diesem Zweck wurden im Umfeld verschiedener Industrieanlagen358 umfangreiche Begehungen zur Ermittlung der Geruchsbelastung Beiträge zum deutschen und europäischen Recht, 205 (214); kritisch auch K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1165). 350 Der Begriff der Hedonik betrifft die qualitative Bewertung eines Geruchs. Bei der Beurteilung der hedonischen Wirkung eines Geruchs beschreibt der Rezipient seine persönliche Empfindung (angenehm, unangenehm, Ekel erregend etc.). Davon zu unterscheiden ist die Geruchsart und die Intensität. Siehe dazu: M. Schön / R. Hübner, 11, 70 f. 351 H. Buchholz, Agrarrecht 2000, 5 (7); H. Mannebeck / D. Hesse, in: KTBL-Arbeitspapier 250, 197 (198); Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (205); R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (63 f.). 352 R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (64). 353 R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (64). 354 R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (63 f.). 355 K. B. Gablenz, ZMR 2000, 499 (500); E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (9 f.). 356 Auftraggeber dieser Studie war das Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. 357 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 2.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

durchgeführt.359 Parallel dazu fanden Anwohnerbefragungen statt.360 Als Ergebnis dieser Untersuchung konnte ein statistisch gesicherter, linearer Zusammenhang zwischen dem Geruchsstundenanteil an den Jahresstunden und dem epidemiologisch erfassten Grad der Geruchsbelästigung nachgewiesen werden.361 Demgegenüber erbrachte die Geruchsstärkeskalierung im Rahmen der Begehung keinen weiteren Informationsgewinn.362 Bezüglich der Hedonik heißt es in dem Bericht: „Mögliche Auswirkungen der angenehm-unangenehm Qualität der Geruchsimmissionen auf die Ausprägung der Belästigungsreaktion konnten von uns nicht untersucht werden. Ausdrücklich sei deshalb darauf hingewiesen, dass die Verallgemeinerungsfähigkeit der hier dargestellten Befunde und der aus ihnen abgeleiteten Immissionswerte in dieser Hinsicht nicht ohne weiteres als gegeben gelten kann, da das Spektrum der berücksichtigten Quellen relativ eng war. Für Fälle mit ekel- und übelkeitserregenden Gerüchen könnten z. B. niedrigere Immissionswerte als 10% anzusetzen sein, da bei ihnen das Auftreten körperlicher Symptome mit Krankheitswert wahrscheinlich ist. ( . . . ) Weiterhin unterscheiden sich Geruchsimmissionen verschiedener industrieller Quellen hinsichtlich ihres Belästigungspotentials, da anscheinend die hedonische Qualität des Geruchsstoffes (angenehm vs. unangenehm) den Grad der Geruchsbelästigung ( . . . ) beeinflusst. Ein Vergleich der Belästigungswirkung einer Isolatorenfabrik, einer Teeröl-Raffinerie, einer Brauerei und einer Schokoladenfabrik zeigte eine geringere Belästigungswirkung der Schokoladenfabrik im Vergleich zu den anderen Quellen, obwohl es keine quantitativen Belastungsunterschiede gab. Trotz dieser Vorbehalte können die hier abgeleiteten Immissionswerte im Regelfall als gut fundierte Anhaltspunkte für die Abgrenzung erheblicher von unerheblichen Geruchsbelästigungen gelten“.363 Daraus haben die Verfasser der GIRL seinerzeit den Schluss gezogen, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine erhebliche Geruchsbelästigung vorliegt oder nicht, eine Bewertung anhand der Wahrnehmungshäufigkeit grundsätzlich ausreicht.364 Seit Januar 2003 liegen nun neue Erkenntnisse zum Einfluss von Hedonik und Intensität auf das Belästigungsempfinden des Menschen vor.365 Die Umweltministerien der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sowie der Verband der Chemischen Industrie hatten Ende der 90er Jahre erneut einen For358 Begangen wurden: eine Chemiefabrik in Duisburg, ein Eisen- / Stahlwerk in Dortmund und eine Gusseisenfabrik und Zuckerraffinerie in Brühl, MIU Studie 1992, 13. 359 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 12 f. 360 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 13 ff. 361 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 36. 362 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 37. 363 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 37. 364 H.-H. Peschau, in: KTBL Sonderveröffentlichung 31, 95 (97 f.). 365 Forschungsbericht des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf „Untersuchungen zur Auswirkung von Intensität und hedonischer Geruchsqualität auf die Ausprägung der Geruchsbelästigung“.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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schungsbericht in Auftrag gegeben, in welchem die Auswirkung von Intensität und hedonischer Geruchsqualität auf die Ausprägung der Geruchsbelästigung untersucht werden sollten.366 Zu diesem Zweck wurden Geruchsemissionen von Industrieanlagen mit „angenehmen“, „neutralen“ und „unangenehmen“ Gerüchen untersucht.367 Die Erfassung der Geruchsbelastung erfolgte wiederum durch Probandenbegehungen, wobei dieses Mal ein modifizierter Datenaufnahmebogen verwendet wurde, der zusätzlich zur Wahrnehmungshäufigkeit auch die Intensität und Hedonik erfasste.368 Die Geruchsbelästigung wurde mittels Anwohnerbefragung ermittelt, wobei auch hier ein abgeänderter Fragebogen verwendet wurde, der um die Aspekte der Wahrnehmung und Beurteilung der Intensität und Hedonik erweitert worden war.369 Die Auswertung des Datenmaterials hat dabei folgende Erkenntnisse geliefert: 1. „Der Expositions-Wirkungszusammenhang zwischen der Belastung mit Industriegerüchen, objektiviert durch die Geruchshäufigkeit nach dem Geruchsstundenmodell einerseits und dem Grad der Geruchsbelästigung der Anwohner andererseits wurde bestätigt“.370 Das Geruchsstundenmodell kann damit als Grundlage der Charakterisierung ausgeprägter Immissionssituationen beibehalten werden.371 2. Die hedonische Geruchsqualität hat im Allgemeinen und nicht nur ausnahmsweise eine stark belästigungsmodifizierende Wirkung.372 Bei Anlagen mit unangenehmen Gerüchen steigt dabei die Belästigung mit zunehmender Häufigkeit zunächst steil an und erreicht dann ein Plateau.373 Bei den angenehmen Anlagengerüchen hingegen ist eine signifikante Zunahme der Belästigung mit zunehmender Häufigkeit von Geruchsimmissionen nicht festzustellen.374 Eine Differenzie366

K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003,

13 f. 367 Die „angenehmen“ Anlagen waren eine Zwiebackfabrik und eine Bonbonfabrik; die „neutralen“ Anlagen waren eine Ölmühle und eine Textilfabrik; die „unangenehmen“ Anlagen waren eine Eisengießerei und eine Chemiefabrik; vgl. K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 15 f. 368 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 17 ff. 369 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 21 ff. 370 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 120. 371 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 120. 372 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 120. 373 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 67. 374 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 67.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

rung zwischen unangenehmen und „neutralen“ Gerüchen ist nicht möglich, weil auch bei neutralen Anlagengerüchen die Bewertung der Hedonik mit zunehmender Intensität negativer wird und nicht auf einem gleich bleibenden mittleren Niveau zwischen eher angenehm bis eher unangenehm bleibt.375 Die hedonische Qualität von Geruchsstoffimmissionen muss deshalb künftig bei der Bewertung zum Beispiel im Rahmen einer etwaigen Weiterentwicklung der GIRL berücksichtigt werden; dies könnte zum Beispiel durch Zu- und Abschläge geschehen.376 3. Die ergänzende Berücksichtigung der Intensität von Geruchsimmissionen hat sich demgegenüber als nicht oder als nur marginal wirkungsrelevant erwiesen.377 In Anbetracht dieser Forschungsergebnisse haben sich somit die Bedenken der GIRL-Gegner, zumindest was das Kriterium der Hedonik anlangt, als richtig erwiesen. Die Bewertung von Gerüchen ausschließlich aufgrund der Wahrnehmungshäufigkeit ist nicht ausreichend. An diesem Befund vermag auch die inzwischen überarbeitete Sonderfallprüfung (Nr. 5 GIRL) der GIRL nichts zu ändern. Zum einen wird nur hinsichtlich der angenehmen Gerüche die Möglichkeit eines Messzuschlages von 0,5 vorgesehen. Eventuelle Messabschläge bei negativen Gerüchen werden nicht erwogen. Zum anderen bleibt es dabei, dass Hedonik und Intensität nur in den in Buchstabe b) der Nr. 5 Abs. 1 genannten Fällen berücksichtigungsfähig sein sollen. Damit bleibt das Regel-Sonderfallkonzept der GIRL aber eindeutig hinter der Aussage der MIU-Studie von 2003 zurück, wonach sich die Hedonik im allgemeinen und nicht nur ausnahmsweise als stark belästigungsmodifizierend erwiesen hat. Das Regelungskonzept der GIRL entspricht somit nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft und sollte überarbeitet werden. Hauptziel dieser Überarbeitung sollte es dabei sein, den Parameter der Hedonik generell und nicht nur im Einzelfall zu berücksichtigen. Ob dies, wie in dem Bericht vorgesehen und in der Sonderfallprüfung zum Teil praktiziert wird, über Zu- und Abschläge zu erfolgen hat oder mittels eines sogenannten Geruchsäquivalenzfaktors wie bei der VDI-Richtlinie 3474 bleibt dabei den Regelstellern überlassen.

bb) Die Geruchsstunde als Bewertungseinheit Ein weiterer Kritikpunkt am Regelungskonzept der GIRL betrifft die Entscheidung der GIRL, die belästigende Wirkung von Gerüchen mit Hilfe des Merkmals der „Geruchsstunde“ zu objektivieren. Dieses Kriterium geht auf die VDI-Richtlinie 3940 „Bestimmung der Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen“ zurück. 375

K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003,

52. 376

K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003,

120. 377

120.

K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003,

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Darin wird die Geruchsstunde wie folgt definiert: „Unter einer Geruchsstunde wird eine positiv bewertete Einzelmessung verstanden. Eine Einzelmessung ist dann positiv zu bewerten, wenn der ermittelte Zeitanteil mit eindeutig erkennbarem Geruch einen bestimmten, vorher festzulegenden Prozentsatz erreicht oder überschreitet“.378 Die GIRL greift diese Definition auf und präzisiert sie in ihrer Nr. 4.4.7 Abs. 6 GIRL dahingehend, als das Kriterium der Geruchsstunde dann als erfüllt anzusehen ist, wenn während eines Messzeitraums von 10 Minuten in mindestens 10% der Zeit – sogenannter Geruchszeitanteil 379 – Anlagengerüche erkennbar wahrgenommen werden. Wie dem Auslegungshinweis zur Nr. 4.4.7 GIRL zu entnehmen ist, wird der entscheidende Vorteil des Kriteriums der Geruchsstunde dabei vor allem darin gesehen, dass es aus den allgemeinen Eigenschaften des Geruchssinnes, insbesondere seinem ausgeprägten Adaptationsverhalten, abgeleitet worden ist. Demzufolge soll es besser geeignet sein, die belästigende Wirkung von Gerüchen – namentlich häufig kurzzeitiger Geruchseindrücke – zu erfassen, als etwa eine einfache Addition der tatsächlichen Zeitanteile mit Geruch im Rahmen einer Echtzeitbewertung.380 In der fachwissenschaftlichen Literatur381 als auch in der Rechtsprechung382 ist das Geruchssstundenkonzept der GIRL allerdings zum Teil auf erhebliche Kritik gestoßen. Ihm wird vor allem Manipulierbarkeit und Willkür vorgeworfen. So führen H. de Baey-Ernsten et al. aus, dass die Immissionszeitbewertung383 die bei 378 Nr. 2 VDI-Richtlinie 3940 „Bestimmung der Geruchsstoffimmissionen durch Begehungen“. 379 Der Geruchszeitanteil kann entsprechend der VDI-Richtlinie 3940 nach dem Taktverfahren oder integrierend über das Messzeitintervall ermittelt werden. Bei der ersten Variante erfolgt die Geruchsabfrage getaktet, das heißt: alle 10 Sekunden prüft der Proband durch verstärktes Riechen die Umgebungsluft auf Geruch. Das Ergebnis jeder einzelnen Riechprobe wird sodann in Form einer Ja- / Nein-Antwort in ein Protokollblatt eingetragen. Aus der Anzahl der positiven Riechproben und der Gesamtzahl der Proben ergibt sich dann der Geruchszeitanteil, indem der Quotient aus beiden Größen gebildet wird. Ab größer / gleich 6 Takten mit Geruch liegt eine Geruchsstunde vor. Bei der zweiten Variante prüft der Proband während seines 10minütigen Aufenthalts am Messpunkt jeden Atemzug auf Geruch und setzt eine integrierende Stoppuhr in Gang, sobald er einen Geruch eindeutig erkennt und unterbricht die Zeitnahme wieder, wenn der Geruch nicht mehr eindeutig erkennbar ist. Der Geruchszeitanteil ergibt sich dann aus der aufsummierten Zeit der Geruchsepisoden und der Dauer des Messzeitintervalls, indem ebenfalls der Quotient aus beiden Größen gebildet wird. Beträgt dieser 6 oder mehr Minuten, ist das Kriterium der Geruchsstunde erfüllt. Wie sich aus dem Datenaufnahmebogen des Anhangs A der GIRL ergibt, hat sich die GIRL für die erste Variante entschieden. 380 Auslegungshinweis zur Nr. 4.4.7 GIRL. Ebenso: R. Both / K. Otterbeck / B. Prinz, Staub – Reinhaltung der Luft 1993, 407 (408 f.). 381 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 47 f., 84; K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 (86); K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 27 (45 f.); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269). 382 OVG Münster, Urteil vom 11. 4. 1997, Az. 1 L 7648 / 95, NdsVBl. 1997, 259 (260); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Rasterbegehungen, aber auch mit Ausbreitungsrechnungen ermittelten „wahren“ Geruchseinträge verfälsche und manipulierbar sei.384 Eine immissionszeitbewertete Häufigkeit sei objektiv nicht überprüfbar und schließe eine Kalibrierung aus.385 Das Argument, dass nur auf Basis der Geruchsstunde die Dosis-Wirkungsbeziehung und die Belastungsschwellen ableitbar wären, sei nicht haltbar.386 In den diesbezüglichen Untersuchungen von Winneke und Steinheider von 1992 werde dargelegt, dass dieses gleichwertig über Echtzeiten machbar sei.387 Unverständlich bleibe, warum die Thematik unnötig verkompliziert werde und mit hohem Absolutheitsanspruch an der Geruchsstunde festgehalten werde.388 Erklärungsbedürftig blieben auch die Kriterien für den Geruchszeitanteil selbst. Ganz ähnlich argumentiert K.-H. Krause. Er weist darauf hin, dass das Geruchsstundenkonzept der GIRL nicht ausreiche, um auf das Jahresimmissionsverhalten schließen zu können.389 Da bei der Begehung gemäß der GIRL der gewählte Zeitausschnitt darüber entscheide, ob eine Geruchsstunde vorliegt oder nicht, hänge das Ergebnis sehr stark von den Zufälligkeiten des Stichprobenumfangs und -zeitpunktes ab.390 Um das Resultat von diesen Zufälligkeiten unabhängig zu machen sei eine begehungskalibrierte Ausbreitungssimulation erforderlich, bei der es völlig gleichgültig sei, welcher Zeitausschnitt gewählt werde.391 Ferner trägt K.-H. Krause vor, dass die sogenannte Geruchsstunde eine willkürliche Bewertung beinhalte, denn laut Definition sind alle Zeiten innerhalb eines Messzeitintervalls, die über 10 % mit Geruchseindrücken verbunden sind, zu einer Geruchsstunde zusammenzufassen. Die Willkür liege in dieser Definition. Statt 10% könne man auch eine Grenzziehung mit 7,8%

383 In der Literatur wird der Begriff der Immissionszeitbewertung und der der Geruchsstunde synonym verwandt; vgl. hierzu H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBL-Arbeitspapier 265, 47. 384 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 47. Unter „Kalibrierung“ versteht man die Anpassung des Rechenmodells durch Begehungsversuche im Umfeld von geruchsstoffemittierenden Quellen an das reale Immissionsgeschehen, vgl. hierzu K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 (88). 385 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 47. 386 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 47. 387 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 47 f. 388 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 47. 389 K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 (86); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269). 390 K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 (86); K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269). Ebenso OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26). 391 K.-H. Krause / A. Munack, Landtechnik 1995, 268 (269); ebenso OVG Münster, Urteil vom 11. 4. 1997, Az. 1 L 7648 / 95, NdsVBl. 1997, 259 (260).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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oder 24,3% vornehmen. Mit einer solchen Geruchsstunde könne aber kein Ausbreitungsmodell kalibriert werden.392 Der fachwissenschaftliche Streit um die Geruchsstunde als Bewertungsmaßstab kann hier nicht entschieden werden. Auf folgende Gesichtspunkte sei jedoch hingewiesen: Bereits 1992 wurde anlässlich des Gutachtens über die „psychophysiologischen und epidemiologischen Grundlagen der Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen“ auch der Frage nachgegangen, ob eine Echtzeitbetrachtung gegenüber einer Geruchsstundenbetrachtung Vorteile besitzt oder nicht.393 Zu diesem Zweck wurde neben der Geruchsstunde auch die Zeit notiert, in der während der Standdauer von zehn Minuten Gerüche wahrgenommen wurden. Die Auswertung des aufgezeichneten Datenmaterials erbrachte dabei keine eindeutige Überlegenheit der Echtzeitbetrachtung gegenüber dem Geruchsstundenkonzept der GIRL.394 Vielmehr waren beide Belastungsmaße hoch korreliert. Zu demselben Ergebnis kommt auch der jüngste Forschungsbericht aus dem Jahr 2003. Auch hier wurde unter anderem der Frage nachgegangen, ob der Expositions-Wirkungszusammenhang zwischen der Geruchsbelastung ausgedrückt in Jahresstunden mit Geruch und dem Ausmaß der Geruchsbelästigung bestätigt werden kann.395 In verschiedenen Studien wurde dabei durchweg ein statistisch hoch gesicherter positiver Zusammenhang zwischen der Belastung mit Gerüchen objektiviert durch die Geruchshäufigkeit nach dem Geruchsstunden-Modell einerseits und dem Grad der Geruchsbelästigung der Anwohner andererseits bestätigt.396 In Anbetracht dieser Forschungsergebnisse scheint das Geruchsstundenkonzept zur Charakterisierung geruchsgeprägter Immissionssituationen durchaus geeignet zu sein, weswegen sich zumindest aus rechtlicher Sicht keine Einwände hiergegen erheben lassen.397 Schließlich gilt es noch zu bedenken, dass die Immissionswerte der GIRL auf das Geruchsstundenkonzept abgestimmt sind. Eine Übertragung der Immissionswerte auf Kenngrößen, die nach anderen Methoden ermittelt werden, wie zum Beispiel die Echtzeitbetrachtung, ist deshalb nicht möglich.398 cc) Der Akzeptorbezug der GIRL Bedenken gegen das Regelungskonzept der GIRL ergeben sich auch mit Blick auf den vom Bundes-Immissionsschutzgesetz geforderten akzeptorbezogenen An392 K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 207, 77 (86); K.-H. Krause, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 27 (46). 393 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, Nr. 4.2 Anhang, 37. 394 B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, Anhang Nr. 4.2, 37. 395 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 13. 396 K. Sucker / M. Bischoff / U. Krämer / D. Kühner / G. Winneke, Forschungsbericht 2003, 113, 120. 397 Im Ergebnis ebenso K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1161 f.). 398 K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1162).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

satz. Wie bereits unter Punkt A. II. 2. b) dargelegt wurde, ist für die Beurteilung der Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz einzig und allein die Gesamtimmissionssituation maßgebend, der der Betroffene am Einwirkungsort ausgesetzt ist.399 Ob die Immissionen dabei von einer oder von mehreren Anlagen hervorgerufen werden spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, woher die Immissionen stammen und ob es sich um eine Vor- oder Fremdbelastung handelt.400 Die GIRL setzt diesen Grundsatz um, indem sie bestimmt, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch Gerüche dann nicht vorliegen, wenn am Immissionsort die Gesamtbelastung – bestehend aus Vor- und Zusatzbelastung (Nr. 4.6 GIRL) – die Immissionskenngrößen der Nr. 3.1 GIRL nicht übersteigt. Wie sich aus dem Auslegungshinweis zur Nr. 1 ergibt, spielt es für die Bestimmung der Vorbelastung dabei keine Rolle, dass die GIRL unmittelbar nur für genehmigungsbedürftige Anlagen gilt. Bei der Ermittlung der vorhandenen Belastung sind nämlich auch diejenigen Geruchsanteile zu berücksichtigen, die ausschließlich durch baurechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen hervorgerufen werden. Ein umfassender Akzeptorbezug scheint damit sichergestellt zu sein. Eine Einschränkung erfährt dieser summative Regelungsansatz allerdings wiederum durch die Nr. 3.1 Abs. 1 GIRL. Darin heißt es: „Eine Geruchsimmission ist nach dieser Richtlinie zu beurteilen, wenn sie gemäß Nr. 4.4.7 nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar, das heißt abgrenzbar ist gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder ähnlichem“. Wie sich aus dem entsprechenden Auslegungshinweis ergibt, soll mit dieser Definition der Begriff „deutliche Wahrnehmung“ konkretisiert werden.401 Aus rechtlicher Sicht stellt sich allerdings die Frage, ob dieses Regelungskonzept mit Blick auf die vom Bundes-Immissionsschutzgesetz geforderte summative Betrachtungsweise ausreicht.402 Streng genommen müssten nämlich auch diese Geruchsquellen in die Betrachtung miteinbezogen werden. Die GIRL versucht diese Regelungslücke zwar dadurch zu schließen, indem sie eine Sonderfallprüfung für die Fälle vorschreibt, in denen „auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich oder anderen nicht nach Nr. 3.1 Abs. 1 zu erfassenden Quellen auftreten“, Nr. 5 Abs. 1 lit. a GIRL. Ob dadurch eine gesetzeskonforme Gesamtbetrachtung sichergestellt wird, erscheint jedoch fraglich, da die Berücksichtigung dieser Geruchsimmissionen eben nur ausnahmsweise und nicht – wie nach dem Akzeptorbezug erforderlich – im Regelfall erfolgen soll.403 399 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 57; H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30; H.-J. Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 71. 400 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 49; H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30; H.-J. Koch, Umweltrecht, § 4 Rn. 69. 401 Auslegungshinweis zur Nr. 1 GIRL, Unterpunkt „Erkennbarkeit von Gerüchen“. 402 Ebenfalls kritisch: K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1162).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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dd) Die Immissionskontingentierung Im Zusammenhang mit dem Akzeptorbezug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und dessen Umsetzung durch die GIRL ist außerdem auch der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 „Kontingentierung von Geruchshäufigkeiten“ interessant. Da der Akzeptorbezug ausschließlich auf die Gesamtimmissionssituation und nicht auf die Beiträge der einzelnen Anlagen abstellt, führt dies dazu, dass derjenige Anlagenbetreiber, der zuerst kommt, auch am meisten emittieren darf, sogenanntes „Windhundprinzip“.404 Rein theoretisch könnte also der erste Betreiber alle zulässigen Emissionen ausschöpfen und dadurch später hinzutretende Anlagen verhindern. Um diesem Problem entgegenzuwirken sieht der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL die Möglichkeit der Immissionskontingentierung, das heißt der Aufteilung der Immissionswerte auf verschiedene Anlagenbetreiber, vor. Im Unterpunkt „Kontingentierung von Geruchsimmissionshäufigkeiten“ heißt es dazu: „Die GIRL wird in der Praxis auch als Beurteilungsgrundlage in Bauleitplanverfahren herangezogen. Dabei stellt die Frage der Kontingentierung der Immissionsanteile für einzelne Anlagen häufig ein Problem dar. Es lassen sich hierfür verschiedene Ansätze denken (50 v. H. des Immissionswertes, Schornsteinhöhenberechnung (0,06), Irrelevanzkriterium (0,02); Vorbelastungsbestimmung und Aufteilen des „Restes“). Bei konkret geplanten Vorhaben müssen die von diesen Vorhaben ausgehenden Immissionsanteile bei der Beurteilung anderer Anlagen berücksichtigt werden“. Aus rechtlicher Sicht ist die Immissionskontingentierung als vorbeugende Immissionsschutzmaßnahme nicht zu beanstanden.405 Auf der Grundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO sind derartige Festsetzungen in Bebauungsplänen auch grundsätzlich zulässig.406 Soweit ersichtlich wurde von der Möglichkeit der Geruchskontingentierung im Bauleitplanverfahren in der Praxis bislang allerdings noch kein Gebrauch gemacht.

b) Die Gebietsdifferenzierung, Nr. 3.1 GIRL aa) Die Gebietseinteilung der Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL Bedenken gegen das Regelungskonzept der GIRL ergeben sich ferner mit Blick auf die Gebietsdifferenzierung der GIRL in der Nr. 3.1 Tabelle 1. Problematisch 403 A. A. K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1162), der dieses Regel-, Sonderfallkonzept als ausreichend ansieht, um einen gesetzeskonformen Akzeptorbezug sicherzustellen. 404 H. Fischer / K. Tegeder, NVwZ 2005, 30 (33); R. Sparwasser / A. v. Komorowski, VBlBW 2000, 348 (351). 405 M. J. Ohms, 189; F. Petersen, 182 ff., 184; A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 395. 406 So für die Festsetzung von Geräuschkontingenten BVerwG, Beschluss vom 18. 12. 1990, Az. 4 N 6 / 88, NVwZ 1991, 881 (882); H. Fischer / K. Tegeder, NVwZ 2005, 30 (31).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

hieran erscheint vor allem, dass die Richtlinie nur zwischen zwei Gebietskategorien differenziert, nämlich zwischen Gebieten mit Wohnnutzung einerseits – beispielhaft werden in Spalte 1 das Wohn- und Mischgebiet genannt – und Gebieten mit ausschließlich gewerblicher Nutzung andererseits, wie die Gewerbe- und Industriegebiete der Spalte 2. Für die ersteren setzt sie eine Immissionsbelastung von maximal 10 %, für letztere eine solche von 15 % fest. Die Verfasser der GIRL sind mit diesem Regelungskonzept offenbar der Empfehlung des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene aus dem Jahr 1992 gefolgt. In der damaligen Studie über die psychophysiologische und epidemiologische Wahrnehmung und Bewertung von Geruchsimmissionen wurde seitens der Berichterstatter vorgeschlagen, „die Trennung zwischen „unerheblicher“ und „erheblicher“ Geruchsbelästigung bei 10% Geruchsstundenanteil durchzuführen und grob nach der Gebietsnutzung zu differenzieren“. 407 Die Verfasser der GIRL haben diesen Vorschlag aufgegriffen und entsprechend dem Regelungskonzept in Tabelle 1 umgesetzt. Zutreffend an dieser Einteilung ist sicherlich, dass in Gebieten mit Wohnnutzung grundsätzlich weniger Immissionen zumutbar sind als in Gebieten, die ausschließlich gewerblichen oder industriellen Zwecken dienen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gebietskontinuum der Baunutzungsverordnung, das entsprechend der Schutzwürdigkeit der einzelnen Gebiete gestaffelt ist und an dessen einem Ende der Schutz des Wohnens stark ausgeprägt ist, an dessen anderem Ende demgegenüber der gewerblichen Betätigung ein ausschließlicher Vorrang eingeräumt wird.408 Fraglich ist allerdings, ob diese Gebietseinteilung der GIRL und ihre Anbindung an lediglich zwei Immissionswerte ausreicht, um für die in Tabelle 1 genannten Gebiete ein gebietsadäquates Immissionsniveau zu gewährleisten und damit den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu konkretisieren. Nach ganz herrschender Auffassung richtet sich die (Un-)Zumutbarkeit von Gerüchen und damit ihre Eigenschaft als „schädliche Umwelteinwirkung“ unter anderem nach der Art des immissionsbetroffenen Gebiets.409 Je nachdem wie das Gebiet bauplanungsrechtlich genutzt wird und welchem Zweck es dient, können dabei mehr oder weniger Immissionen zumutbar sein.410 Entscheidend für die Bestimmung des zumutbaren Maßes ist dabei allerdings nicht nur, ob in dem betreffenden Gebiet Wohnnutzung generell zulässig ist oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, welches Gewicht die Baunutzungsverordnung der jeweiligen Nutzungsart in dem B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 2. H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 59. 409 BVerwG, Beschluss vom 27. 1. 1994, Az. 4 B 16 / 94, NVwZ-RR 1995, 6; OVG Bautzen, Beschluss vom 15. 7. 1998, Az. 1 S 257 / 98, SächsVBl. 1998, 292 (293); B. Bender / R. Sparwasser / R. Engel, Kap. 8 Rn. 102; H. D. Jarrass, BImSchG, § 3 Rn. 55; G. Ketteler / K. Kippels, 217; H. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 43 Rn. 44. 410 H. D. Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 55. 407 408

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Gebiet konkret beimisst, ob also ein Gebiet ausschließlich oder überwiegend einer bestimmten Nutzung dient, ob gleichrangig oder untergeordnet andere Nutzungen zulässig sind etc. Während zum Beispiel reine Wohngebiete (§ 3 BauNVO) fast ausschließlich der Unterbringung von Wohnnutzung dienen und dementsprechend bereits verhältnismäßig geringe Beeinträchtigungen als unvereinbar mit der Eigenart des Gebiets angesehen werden411, zeichnen sich die übrigen Wohngebiete der Baunutzungsverordnung (§§ 2, 4, 4 a BauNVO) dadurch aus, dass sie nur vorwiegend dem Wohnen dienen und daneben andere nicht beeinträchtigende Nutzungsarten zulässig sind.412 Der zulässige Grad an Störanfälligkeit in den einzelnen Wohngebietskategorien der Baunutzungsverordnung ist also je nach der zulässigen Nutzungsstruktur ein sehr unterschiedlicher. Mischgebiete wiederum zeichnen sich dadurch aus, dass gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO Wohnen und nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe gleichberechtigt nebeneinander zulässig sind. Aufgrund der zum Teil konfligierenden Nutzungen in diesen Gebieten sind sie dabei von vornherein stärker auf Kompromisse angelegt.413 Die einzelnen Nutzungsarten werden sich, was das Maß an zumutbaren Störungen anlangt, stärker in der Mitte treffen müssen.414 Gewerbe- und Industriegebiete (§§ 8, 9 BauNVO) unterscheiden sich schließlich durch die zulässige Art der gewerblichen Nutzung. Während Gewerbegebiete unter gleichzeitigem Ausschluss der üblichen Wohnnutzung vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbetrieben dienen, ist das Industriegebiet der Standort für solche Betriebe, die wegen ihres hohen Störgrades in anderen Gebieten unzulässig sind.415 Die GIRL trägt diesen gebietsspezifischen Besonderheiten mit ihrem Immissionswertekonzept keinerlei Rechnung. Durch die Differenzierung zwischen lediglich zwei Gebietsarten und die Gleichschaltung verschiedener Gebiete mit unterschiedlichen Schutzwürdigkeiten zwingt sie zur Nivellierung der gebietsspezifischen Besonderheiten und führt zu Ergebnissen, die den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten nicht mehr gerecht werden.416 Um den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG zutreffend zu konkretisieren, müsste die GIRL zwischen jedem einzelnen der in Spalte 1 und 2 genannten Gebiete differenzieren und jeweils einen eigenen Immissionswert ausweisen. Hinsichtlich der Gebietskategorie „Wohngebiet“ der Spalte 1 wäre zudem eine Untergliederung entsprechend den Vorgaben der Baunutzungsverordnung erforderlich. Demgegenüber erscheint das gegenwärtige Bewertungsraster der Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL als zu grob, um nicht zu sagen willkürlich, um ein gebietsadäquates Immissionsniveau zu gewährleisten 411 W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, BauGB Band IV, § 3 BauNVO Rn. 3; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 3 Rn. 4. 412 K. Finkelnburg / K.-M. Ortloff, Baurecht Band I, 96. 413 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 130. 414 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 130. 415 H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 9 Rn. 1. 416 VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 6; Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (206); andere Auffassung K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1161).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

und ist damit nicht geeignet, die Erheblichkeitsgrenze des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu konkretisieren.417

bb) Die Zuordnung der „sonstigen Gebiete“, Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL (1) Allgemeines Dass das Bewertungsraster der GIRL zu grob ist, wird auch deutlich, wenn es um die Beurteilung derjenigen Gebiete geht, für die die GIRL keine eigenen Immissionswerte festsetzt. Betroffen hiervon sind das Dorfgebiet (§ 5 BauNVO), das Kerngebiet (§ 7 BauNVO), die Sondergebiete nach §§ 10, 11 BauNVO sowie diejenigen Gebiete gemäß § 34 BauGB, deren Eigenart keinem der Gebiete der Baunutzungsverordnung zuordenbar ist. Für diese Gebiete bestimmt die GIRL in ihrer Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL nur, dass „sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, ( . . . ) entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den Spalten 1 oder 2 zuzuordnen [sind]“. Eine weitergehende Aussage hierzu enthält sie nicht. Insbesondere lässt sie offen, was unter den „Grundsätzen des Planungsrechts“ im Einzelnen zu verstehen ist bzw. anhand welcher Kriterien die Zuordnung konkret erfolgen soll. Wie jedoch aus der Gebietseinteilung in Tabelle 1 der Nr. 3.1 GIRL als auch aus dem Auslegungshinweis zur Nr. 3.1, 3. Spiegelstrich zu schließen ist, kommt es für die Zuordnung vor allem auf einen Vergleich der Schutzwürdigkeiten und Schutzbedürftigkeiten der jeweiligen Gebiete an. Diese sollen das maßgebliche Zuordnungskriterium bilden. Stellt man demnach auf die Schutzwürdigkeit / - bedürftigkeit als dem maßgeblichen Vergleichskriterium ab, so erscheint die Regelung der Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL, soweit es sich bei den „sonstigen Gebieten“ um die Gebiete gemäß § 34 Abs. 1 BauGB handelt, aus rechtlicher Sicht durchaus als sachgerecht. In diesen Fällen wird es keine andere Möglichkeit als die von der GIRL vorgesehene geben, um das zumutbare Maß an Immissionen zu bestimmen. Eine ganz ähnliche Regelung findet sich zum Beispiel in der Nr. 6.9 TA-Lärm 1998, wo es heißt “ ( . . . ) Gebiete ( . . . ), für die keine Festsetzungen bestehen, sind nach Nr. 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen“. Bedenken gegen die Regelung ergeben sich allerdings, soweit es sich bei den „sonstigen Gebieten“ um die übrigen, von der GIRL nicht berücksichtigten Gebiete der Baunutzungsverordnung handelt. Damit diese Gebiete entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts einander zugeordnet werden können, müssten sie dasselbe oder zumindest ein vergleichbares Schutzniveau wie die in Tabelle 1 aufgeführten Gebiete aufweisen. Wie die einzelnen Gebietsbeschreibungen der Baunutzungsverordnung jedoch deutlich machen, ist dies gerade nicht der Fall. Viel417 Im Ergebnis ebenso: VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 6; Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (206); andere Auffassung jedoch K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1161).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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mehr ist mit jeder Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung ein unterschiedlich hohes Maß an Immissionsschutz verbunden. Eine Zuordnung dieser Gebiete entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts ist somit im Ergebnis nicht möglich. Besonders deutlich wird dies, wenn man zum Beispiel versucht, das Dorfgebiet, das in der Genehmigungspraxis eine große Rolle spielt, entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts zuzuordnen. So ist eine Zuordnung zu den Gebieten der Spalte 1 nicht möglich, weil nach den Gebietsbeschreibungen der Baunutzungsverordnung die Wohnnutzung im Dorfgebiet ein deutlich höheres Maß an landwirtschaftstypischen Immissionen hinzunehmen hat, als etwa in den Wohn- / Mischgebieten.418 So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Gerüche von Ställen, Dungstätten sowie die üblichen Tiergerüche zum Nutzungsbild des Dorfgebiets dazugehören und als typische baunutzungsrechtliche Begleiterscheinung innerhalb gewisser Toleranzgrenzen keine erhebliche Belästigung darstellen.419 Eine Zuordnung zur Spalte 2 scheidet ebenfalls aus, weil im Dorfgebiet anders als in den Gewerbe- und Industriegebieten Wohnnutzung generell zulässig ist und Dorfgebiete damit ein deutlich höheres Schutzniveau nach der Baunutzungsverordnung aufweisen, als die Gebiete der Spalte 2. Was das Dorfgebiet anlangt, so bewegt es sich also zwischen den Gebieten der Spalten 1 und 2, so dass eine eindeutige Zuordnung unter Wahrung seiner gebietsspezifischen Besonderheiten entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts nicht möglich ist. Um den Erheblichkeitsbegriff für diese Gebietskategorie zutreffend zu konkretisieren, müsste ein eigener Wert ausgewiesen werden. Dies gilt im Ergebnis auch für die übrigen Gebiete der Baunutzungsverordnung. Demgegenüber erweist sich das Regelungskonzept der Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL als nicht ausreichend um den Erheblichkeitsbegriff umfassend zu konkretisieren. Gerade für die Baugebiete der Baunutzungsverordnung führt es zu Nivellierungen und Vergröberungen und damit zu Ergebnissen, die den Umständen des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden.420 Das Regelungskonzept der Nr. 3.1 Abs. 2 GIRL erweist sich somit als nur bedingt brauchbar und findet seine Grenzen dort, wo nach der Baunutzungsverordnung vordefinierte Gebietstypen bestehen und diese einander zugeordnet werden sollen.

418 W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, BauGB Band V, § 5 Rn. 9e; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 4. 419 BGH, Urteil vom 21. 6. 2001, Az. III ZR 313 / 99, UPR 2001, 438 (438 f.); BayVGH, Urteil vom 31. 10. 1989, Az. 20 B 85 A.2535, NVwZ-RR 1990, 529 (530); BayVGH, Urteil vom 26. 2. 1993, Az. 2 B 90.921, BayVBl. 1994, 78 (79). 420 VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 6; Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (206).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

(2) Der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL (a) Vereinbarkeit mit § 5 BauNVO Was die Zuordnung der Dorfgebiete anlangt, enthält schließlich noch der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL eine interessante Vorgabe. Darin heißt es: „( . . . ) Dominieren in einem Dorfgebiet die landwirtschaftlichen Betriebe, so kommt eine Zuordnung zum Gewerbe- / Industriegebiet (IW = 0,15) in Betracht. Entwickelt sich ein Dorf zum Wohngebiet und enthält nur noch wenige landwirtschaftliche Betriebe, so ist eine Zuordnung zum Wohn- / Mischgebiet (IW = 0,10) möglich“. Hinsichtlich des zumutbaren Maßes an Geruchsimmissionen im Dorfgebiet soll sich der Regelanwender also an den tatsächlichen Verhältnissen bzw. der tatsächlichen Entwicklung orientieren und der Landwirtschaft nur dann eine gewisse Vorrangstellung einräumen, wenn die Hofstellen das Ortsbild „dominieren“. Ob diese angedachte Vorgehensweise allerdings aus rechtlicher Sicht sachgerecht ist, insbesondere mit den Vorgaben des § 5 BauNVO vereinbar ist, erscheint fraglich. Gemäß § 5 Abs. 1 BauNVO zeichnen sich Dorfgebiete dadurch aus, dass sie sowohl der Unterbringung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen als auch der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen, wobei auf die Belange der Land- und Forstwirtschaft einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist. Für die Qualifizierung eines Gebiets als Dorfgebiet kommt es also entsprechend dieser Legaldefinition auf ein bestimmtes prozentuales Mischungsverhältnis der drei Hauptnutzungsarten nicht an.421 Ob das Nutzungsbild von landwirtschaftlichen Hofstellen dominiert wird oder ob diese in der Minderzahl sind spielt für § 5 Abs. 1 BauNVO keine Rolle.422 Aufgrund der Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist vielmehr auch dann auf die Belange der Landwirtschaft vorrangig Rücksicht zu nehmen und damit der Schutz des Wohnens gegenüber landwirtschaftlichen Immissionen deutlich geringer ausgestaltet als in sonstigen Gebieten mit Wohnnutzung, wenn sich das Dorfgebiet immer mehr zum ländlichen Siedlungsgebiet entwickelt.423 Der Verordnungsgeber wollte auf diese Weise sicherstellen, dass das Dorfgebiet auch dann Standort für landwirtschaftliche Betriebe sein kann, wenn vermehrt Wohnnutzung entsteht, die keiner Wirtschaftsstelle zugeordnet werden kann und sich das Dorfgebiet immer weiter Richtung Wohn- / Mischgebiet entwickelt.424 Mit dieser Zielsetzung ist eine Hochstufung der Wohnqualität im Falle abnehmender landwirtschaftlicher Nutzung entsprechend dem Auslegungshinweis demgegenüber nicht vereinbar. 421 W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, BauGB Band V, § 5 Rn. 8; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 1.3. 422 W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, BauGB Band V, § 5 Rn. 8. 423 H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 3.41. 424 W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, BauGB Band V, § 5 Rn. 8; H. C. Fickert / H. Fieseler, BauNVO, § 5 Rn. 4.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Soweit sich der Auslegungshinweis zur GIRL also im Falle des Ausdünnens landwirtschaftlicher Betriebe hinsichtlich des zulässigen Störgrades vorrangig an der Wohnnutzung orientiert und das Schutzniveau dementsprechend anheben will, ist diese Vorgehensweise mit der Wertung des § 5 Abs. 1 BImSchG nicht vereinbar. Mittel- und langfristig würde dies dazu führen, dass das Dorfgebiet nicht mehr Standort für landwirtschaftliche Betriebe sein kann.425 Die landwirtschaftlichen Betriebe würden vermehrt in den Außenbereich abgedrängt, wodurch nicht nur die dörfliche Siedlungsstruktur zerstört werden würde, sondern es auch zu einer vermehrten Zersiedelung der freien Landschaft käme.426 Umgekehrt wäre auch eine landschaftsschonende Verdichtung der Wohnbebauung im Dorfgebiet nur noch ausnahmsweise möglich.427 (b) Die kommunale Planungshoheit Bedenken bezüglich des Auslegungshinweises ergeben sich schließlich auch mit Blick auf die kommunale Planungshoheit. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB, Art. 28 Abs. 2 GG steht den Gemeinden das Recht auf eigenverantwortliche Bauleitplanung zu.428 Dementsprechend sind sie berechtigt, autonom darüber zu befinden wie und in welcher Weise sie sich städtebaulich geordnet fortentwickeln wollen.429 Wie oben bereits gezeigt wurde hat die Entscheidung des Plangebers für eine bestimmte bauplanungsrechtliche Festsetzung allerdings auch Konsequenzen für den Immissionsschutz.430 Entscheidet sich die Gemeinde zum Beispiel für die Festsetzung eines Dorfgebiets, dann legt sie damit zugleich das örtlich gebotene Maß an Immissionsschutz fest.431 Würde nun im Falle der Entwicklung eines Dorfgebiets hin zum Wohngebiet / Mischgebiet der tatsächlichen Entwicklung der Vorrang eingeräumt werden und dasselbe Schutzniveau wie für ein Wohn- / Mischgebiet gelten, dann würde dadurch die bauplanerische Festsetzung und Entscheidung der Gemeinde unterlaufen werden. Eine Konkordanz von Bauplanungs- und Immissionsschutzrecht wäre dann nicht mehr sicher gestellt und es käme zu einem partiellen Verlust der kommunalen Planungshoheit.432 Für den Fall, dass eine bauplanungsrechtliche Festsetzung besteht, setzt sich der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL also auch in Widerspruch zur gemeindlichen Planungshoheit. In diesem Fall sollten allein dessen Festsetzungen maßgeblich sein, auch wenn die tat425 Zu den praktischen Folgen der Anwendung der GIRL im Dorfgebiet siehe auch das Fallbeispiel in Punkt E. V. 2. c). 426 BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 (695). 427 BayVGH, Beschluss vom 25. 1. 1991, Az. 14 CS 90.3271, BayVBl. 1991, 694 (695). 428 H. Dürr / H. König, Rn. 15; K. Finkelnburg / K.-M. Ortloff, Band I, § 5, 26 f. 429 K. Finkelnburg / K.-M. Ortloff, Band I, § 5, 26 f. 430 H.-J. Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, 16. 431 H.-J. Koch, Immissionsschutz durch Baurecht, 16 f. 432 Im Ergebnis ebenso Ch. Müller für die vergleichbare Problematik bei der Nr. 2.322 Abs. 3 TA Lärm 1968, 133.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

sächliche Bebauung erheblich von diesen abweicht. Im Zuge einer Überarbeitung der GIRL wäre es somit aus Gründen der Planungssicherheit ratsam, diesbezüglich eine klarstellende Regelung aufzunehmen, etwa vergleichbar derjenigen der Nr. 6.6 TA-Lärm 1998, wonach sich die Art der für die Ermittlung der Immissionsrichtwerte maßgeblichen Gebiete und Einrichtungen aus den Festsetzungen in den Bebauungsplänen ergeben.

cc) Die Gemengelage Eine weitere, von der GIRL nicht geklärte Frage ist, wie zu verfahren ist, wenn Gebiete von unterschiedlicher Qualität und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen. Nach ständiger Rechtsprechung ist in derartigen Gemengelagen die Grundstücksnutzung mit einer spezifischen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet.433 Während die Wohnbebauung Immissionen auch oberhalb der einschlägigen Immissionswerte hinzunehmen hat, muss sich die emissionsträchtige Nutzung stärkere Einschränkungen gefallen lassen, als in einem für sie ausgewiesenen Gebiet.434 Nach Auffassung der Rechtsprechung ist in Gemengelagen dabei „ein Wert zuzumuten, der zwischen den Richtwerten liegt, welche für die benachbarten Gebiete unterschiedlicher Nutzung und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit bei jeweils isolierter Betrachtung gegeben“ sind.435 Damit soll zum „Ausdruck gebracht werden, dass als konkretes Ergebnis der gegenseitigen Rücksichtnahme sich weder der eine noch der andere Richtwert durchzusetzen vermag“.436 In welchem Umfang eine Abweichung von den Immissionswerten zulässig ist, ist bislang allerdings noch nicht geklärt. Die Rechtsprechung verlangt eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ortsüblichkeit sowie der Umstände des Einzelfalles; eine schematische Mittelwertbildung im Sinne einer mathematischen Interpolation lehnt sie ab.437 Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. 9. 1993 gilt diese Rechtsprechung, die ursprünglich nur für den Bereich der Lärmimmissionen entwickelt wurde, nun auch für Geruchsimmissionen.438 In der GIRL wird diese Gemengelagenproblematik nicht behandelt. Zwar wird an verschiedenen Stellen der GIRL darauf hingewiesen, dass ein Überschreiten der Immissionswerte möglich ist.439 Auch wird im Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 433 BVerwG, Urteil vom 12. 12. 1975, Az. IV C 71.73, BVerwGE 50, 49 (54); BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (139). 434 H. Dürr / H. König, Rn. 180. 435 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (139). 436 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (139). 437 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (140). 438 BVerwG, Beschluss vom 28. 9. 1993, Az. 4 B 151 / 93, NVwZ-RR 1994, 139 (140). 439 Vgl. Nr. 3.1 Abs. 4 i.V.m. Nr. 5 Abs. 1 S. 1 lit. b), 2. Spiegelstrich GIRL.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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GIRL hinsichtlich des Dorfgebiets bestimmt, dass in begründeten Einzelfällen an die Möglichkeit der Festlegung von Zwischenwerten zu denken ist. Letztlich handelt es sich dabei aber nur um die Umschreibung des Richtwertcharakters der in der GIRL festgelegten Immissionswerte.440 Um eine Gemengenlageregelung, die den Anforderungen der Rechtsprechung gerecht wird, handelt es sich dabei nicht. Dies gilt auch für die Vorgaben im Auslegungshinweis die Nr. 5 GIRL betreffend. Darin heißt es zwar: „Um eine Bewertung einer Gemengelage vorzunehmen, sind die Geruchsstunden für nicht angenehme und angenehme Gerüche getrennt zu erheben (Rasterbegehung) oder zu berechnen (Immissionsprognose). Die Häufigkeit der angenehmen Gerüche ist für jede Beurteilungsfläche mit dem Faktor 0,5 zu multiplizieren und anschließend zur Ermittlung der Kenngröße für die Gesamtbelastung mit der Häufigkeit der nicht angenehmen Gerüche zu addieren“.441 Um eine tragfähige Gemengenlageregelung handelt es sich aber auch hierbei nicht. Diese Vorschrift präzisiert vielmehr nur die Handhabung der Methodik zur hedonischen Klassifikation von Anlagengerüchen im Falle des Aufeinandertreffens von Gebieten mit unterschiedlichen Geruchsqualitäten. Welche Kriterien im Einzelnen für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Gerüchen in einer Gemengelage von Bedeutung sind und in welchem Ausmaß von den Immissionsrichtwerten der GIRL abgewichen werden kann, sagt auch sie nicht. Die GIRL weist somit – was die Gemengelagenproblematik anlangt – eine Regelungslücke auf. Diese sollte mit Blick auf ihre praktische Handhabung geschlossen werden. Neben der Angabe von Kriterien zu Bestimmung der konkreten Schutzwürdigkeit wäre dabei eine „Deckelung“ der zu bildenden Zwischenwerte entsprechend den Vorgaben der TA Lärm 1998 anzuraten.

dd) Die Höhe der Immissionswerte Im Zusammenhang mit der Gebietsdifferenzierung der GIRL soll schließlich noch auf ein letztes Problem hingewiesen werden. Dieses betrifft die Angemessenheit der Höhe der Immissionswerte der GIRL. 440 Dass den Werten der Nr. 3.1 GIRL keine Grenzwertfunktion zukommt, sondern sie nur Richtwertcharakter haben, hat ihren sachlichen Grund im Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG. Dieser Begriff verlangt bei der Beurteilung der nachteiligen und belästigenden Auswirkungen von Immissionen die konkreten Umstände und die daraus resultierenden spezifischen Schutzbedürftigkeiten der Allgemeinheit und Nachbarschaft zu berücksichtigen. Ist die rechtliche Relevanz von Belästigungen und Nachteilen aber situationsabhängig, so kann sie nicht durch einen einheitlichen Grenzwert eingefangen werden. Die Festsetzung starrer Grenzwerte würde in diesem Fall zu kurz greifen. Durch die in Immissionsrichtwerten enthaltene Korrekturmöglichkeit hingegen kann der Anwender im besonders gelagerten Einzelfall von dem vorgegebenen Zahlenwert abweichen und so zu einer sachgerechten, der Situation angemessenen Entscheidung gelangen. Siehe dazu: H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 123; ausführlich zur Abgrenzung Richtwert / Grenzwert auch Ch. Müller, 119 ff. 441 Begründung und Auslegungshinweis zur Nr. 5 GIRL, 43.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Bereits im Punkt V. 2. b) aa), bb) wurde herausgearbeitet, dass die Immissionswerte der GIRL entsprechend den Gebietskategorien differenziert festzusetzen sind. In diesem Zusammenhang wurde auch festgestellt, dass ein Immissionswert für Gebiete unterschiedlicher Art nicht ausreicht, um den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu konkretisieren. Im Folgenden soll nun noch der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Immissionswerte der GIRL ihrer Höhe nach geeignet sind, ein gebietsadäquates Immissionsniveau festzulegen. Bedenken ergeben sich insoweit zum einen mit Blick auf die MIU Studie aus dem Jahr 1992. Auf Seite 34 des Berichts heißt es zur Festsetzung der Immissionswerte: „Als Immissionswert für die Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen kann daher für Wohngebiete ein Geruchsstundenanteil von 10% vorgeschlagen werden. ( . . . ) Für Mischgebiete kann dagegen ein Geruchsstundenanteil von 15% gelten ( . . . )“.442 Und auf Seite 37 steht zu lesen: „Unsere Erhebungen stützen sich auf Wohngebiete in der Nachbarschaft von Industriebetrieben. Systematische Prüfungen über die Auswirkung der Nutzungsart eines Gebietes im baurechtlichen Sinne auf die Ausprägung des Belästigungsgrades wurde von uns nicht durchgeführt. Da zwischen 10 und 20% Geruchsstundenanteil der Belästigungsgrad massiv zunimmt, erschienen 15% Geruchsstunden-Anteil als Kriterium der Erheblichkeit für Gewerbe- und Industriegebiete akzeptabel“. 443 Dies legt die Vermutung nahe, dass die Immissionswerte der GIRL seinerzeit gerade nicht in Anlehnung an die abstrakten Vorgaben der Baunutzungsverordnung, sondern eher willkürlich festgesetzt wurden. Zum anderen werden die diesbezüglichen Bedenken vor allem durch die aktuelle Entwicklung in der Rechtsprechung gespeist. So hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Beschluss aus dem Jahr 2002 zum Beispiel entschieden, dass Wahrnehmungshäufigkeiten von über 20% aus Rinderställen in Dorfgebieten keine erhebliche Belästigung darstellen.444 Für den Fall des Nebeneinanders landwirtschaftlicher Betriebe im unbeplanten Innenbereich hat das Oberverwaltungsgericht Münster sogar Wahrnehmungshäufigkeiten von mehr als 50% als zulässig erachtet. In den Gründen hierzu heißt es: „Allein der Umstand, dass möglicherweise in mehr als 50% der Jahresstunden Gerüche wahrnehmbar sein mögen, vermag eine Unzumutbarkeit jedenfalls für landwirtschaftsbezogenes Wohnen noch nicht ohne weiteres zu begründen. Eine solche Wohnnutzung hat es typischerweise hinzunehmen, dass sie sich auch im näheren Umfeld der landwirtschaftsüblichen „Platzgerüche“ befindet. Dies gilt erst recht, wenn es sich hierbei – jedenfalls primär – um Gerüche aus Rinderhaltung handelt, die regelmäßig als weniger belastend empfunden werden“.445 Und in einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 gelangt 442 443 444 445

B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 34. B. Steinheider / G. Winneke, MIU Studie 1992, 37. OVG Münster, Beschluss vom 3. 11. 2000, Az. 7 B 1533 / 00, 8 f. OVG Münster, Beschluss vom 18. 3. 2002, Az. 7 B 315 / 02, NVwZ 2002, 1390 (1391).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

97

das Gericht schließlich zu dem Ergebnis, dass für eine in einem Dorfgebiet gelegene Bäckerei Wahrnehmungshäufigkeiten von bis zu 20 % aus angrenzender Schweinehaltung keine erhebliche Belästigung darstellen.446 In Anbetracht dieser Rechtsprechung drängt sich die Frage auf, ob die derzeitigen Grenzziehungen der GIRL bei 10 % für Mischgebiete und 15% für Gewerbe- / Industriegebiete tatsächlich sachgerecht sind. Bedenkt man, dass nach der Gebietstypologie der Baunutzungsverordnung die Gewerbe- und Industriegebiete diejenigen Gebiete mit dem höchstzulässigen Maß an Immissionen sind und die GIRL für diese eine maximale Immissionsbelastung von 15% vorsieht, die Rechtsprechung für die schutzbedürftigeren Dorfgebiete demgegenüber Werte von bis zu 50% für zulässig erachtet, dann ergeben sich erhebliche Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit dieses Wertes. Nach der Gebietstypologie der Baunutzungsverordnung müsste das Verhältnis der beiden Immissionswerte genau umgekehrt sein, damit die von der Baunutzungsverordnung vorgegebene Relation zwischen den Gebieten wieder stimmt. Dies gilt im Ergebnis auch für das Mischgebiet als dem dem Dorfgebiet nachgeordneten Gebiet. So gesehen könnte man also durchaus mit Ch. Moench / Ch. Hamann zu dem Ergebnis gelangen, dass die Immissionswerte der GIRL für Misch-, Gewerbe- und Industriegebiete deutlich zu niedrig bemessen sind.447 Fraglich ist andererseits allerdings, ob diese Betrachtungsweise tatsächlich zutreffend ist. Bedenken diesbezüglich ergeben sich insoweit, als bei dieser Betrachtungsweise außer acht gelassen wird, dass es (1) in den genannten Fällen um die Beurteilung der Zumutbarkeit von Tiergerüchen in Dorfgebieten ging, dass (2) in diesen Gebieten generell ein höheres Maß an landwirtschaftstypischen Immissionen zumutbar ist, als in den übrigen Baugebieten448 und dass (3) diese Immissionswertempfehlung der Rechtsprechung auf den jeweiligen konkreten Einzelfall bezogen ist. Würde man also die Immissionswerte der Rechtsprechung als groben Anhalt für die Angemessenheit der Höhe der Immissionswerte heranziehen und die Immissionswerte für Misch-, Gewerbe- und Industriegebiete entsprechend anheben, würde man einen Bewertungsmaßstab anlegen, der zwar den Besonderheiten im Dorfgebiet Rechnung trägt, der für die anderen Gebiete aber nicht unbedingt repräsentativ ist. So kann es zum Beispiel nicht sein, dass in Mischgebieten dasselbe Maß an landwirtschaftlichen Immissionen zumutbar sein soll, wie im Dorfgebiet. Trägt man diesen Gesichtspunkten Rechnung, dann erscheint es also wiederum fraglich, ob die Rechtsprechung zum Dorfgebiet tatsächlich als Gradmesser für die Angemessenheit der Höhe der Immissionswerte der GIRL herangezogen werden kann oder ob es sich nicht um eine Einzelfallrechtsprechung handelt, der zwar ein gewisser indizieller Charakter zukommt, für das Richtwertesystem der GIRL im Übrigen aber ohne weiteren Belang bleibt. 446 447 448

OVG Münster, Urteil vom 25. 6. 2003, Az. 7 A 4042 / 00, NWVBl. 2004, 95 (97). Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (206). W. Bielenberg, in: W. Ernst / W. Zinkahn / W. Bielenberg, BauGB Band V, § 5 Rn. 9e.

98

1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Eine endgültige Antwort auf die Frage nach der Angemessenheit der Immissionswerte kann hier zum gegenwärtigen Zeitpunkt letztlich nicht gegeben werden. Wie die obigen Ausführungen allerdings zeigen wird an diesem Punkt die Komplexität des Phänomens „Geruch“ in seiner gesamten Tragweite deutlich. Dies liegt nicht nur daran, dass die Angemessenheit gebietsspezifisch zu bestimmen ist, sondern dass auch die Geruchsart eine entscheidende Rolle hierbei spielt. Insoweit wird abzuwarten sein, welche Signalwirkung der oben zitierten Rechtsprechung letztlich für die Praxis zukommt. Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit der Werte für Misch-, Gewerbe- und Industriegebiete bleiben jedoch bestehen.449 c) Praktisches Fallbeispiel In Punkt E. V. Nr. 1 und Nr. 2 wurden bereits die wesentlichen Kritikpunkte an der GIRL dargestellt. Zur Abrundung dieses Themenkomplexes aber auch zum besseren Verständnis der Problematik sollen die praktischen Konsequenzen, zu denen die GIRL führt, nun noch einmal anhand eines konkreten Fallbeispiels aus der Praxis dargestellt werden. Wegen der besonderen Praxisrelevanz wurde dabei der Gebietstyp des Dorfgebiets (§ 5 BauNVO) gewählt. Aufgrund des engen Nebeneinanders von Landwirtschaft und Wohnen kommt es gerade in diesen Gebieten häufig zu Streitigkeiten die Zumutbarkeit landwirtschaftstypischer Immissionen betreffend, so dass das Dorfgebiet einen der Hauptanwendungsfälle der GIRL darstellt. aa) Beschreibung der Gebietssituation Die Übersichtskarte 1 auf Seite 99 zeigt die momentane Siedlungsstruktur eines Dorfgebiets in der Weser-Ems-Region in Niedersachsen. Diese Region zeichnet sich zum einen durch eine sehr hohe Viehdichte aus, zum anderen bietet sie eine sehr gute Wohn- und Lebensqualität. Insbesondere die Dorfgebiete mit ihren historisch gewachsenen Ortskernen erfreuen sich als Wohn- und Lebensmittelpunkt dabei zunehmender Beliebtheit. Durch die hohe Nachfrage nach Baugrundstücken, die relativ günstig angeboten werden können, ist auch künftig mit einem weiteren Bevölkerungsanstieg in diesen Gebieten zu rechnen. Auffallend aber auch typisch für viele Dorfgebiete dieser Region ist dabei mittlerweile eine zersplittere Siedlungsstruktur. Diese ergibt sich häufig durch planungsrechtliche Hintergründe, immissionsschutzrechtliche Tatbestände oder aufgrund der fehlenden Verkaufsbereitschaft der Eigentümer. Oftmals ist auch zu beobachten, dass am Rand der Dorfgebiete ausgedehnte, vorstädtisch geprägte 449 Kritisch hierzu auch Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (206), die zu dem Ergebnis gelangen, dass die Immissionswerte der GIRL insgesamt zu niedrig bemessen sind und deshalb oftmals eine unverhältnismäßige Beschränkung für die Betreiber emittierender Anlagen darstellen.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

99

Neubaugebiete entstehen, während die alten Ortskerne und Ortslagen immer mehr ausgehöhlt werden und an Kontur verlieren. Auch das Dorfgebiet des Fallbeispiels weist diese typische Siedlungsstruktur auf.

Übersichtskarte 1 Übersicht über die Standortsituation in dem Dorfgebiet sowie dem Außenbereich

Maßstab 1:5.000

100

1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Durch die zahlreichen Bebauungslücken wird der Bebauungszusammenhang dermaßen unterbrochen, dass der eigentliche Ortskern nur noch schwer auszumachen ist. Um die größeren Bebauungslücken zu schließen hat die Gemeinde im vorliegenden Fall drei Plangebiete ausgewiesen: das Plangebiet I, II und III. Alle drei Plangebiete schließen sich nahezu nahtlos aneinander an und sind nur durch die Hauptverkehrsstraße sowie kleinere Bebauungseinschnitte voneinander getrennt. Dominiert wird der Gebietscharakter des vorliegenden Dorfgebiets durch die Wohnnutzung. Namentlich dem Neubaugebiet, das im östlichen Gemeindegebiet gelegen ist und unmittelbar an das Plangebiet III angrenzt, kommt in der Dorfentwicklung ein besonderes Gewicht zu. Die Zahl der landwirtschaftlichen Hofstellen in dem Dorfgebiet hat sich demgegenüber auf eine einzige Hofstelle – nämlich Hof 5 – dezimiert. Die übrigen in der Übersichtskarte 1 ausgewiesenen Hofstellen – die Höfe 1, 2, 3, 4 und 6 – sind dem Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB zuzuordnen.450 Auf allen sechs Hofstellen wird Schweinehaltung mit Aufzucht und Mast betrieben. Die Schweinehaltung erfolgt dabei in Stallgebäuden, die in der landwirtschaftlichen Praxis üblich und am weitesten verbreitet sind. Es handelt sich um perforierte Böden mit Liegeflächen und Lagerung der Exkremente unter den Spaltenböden in Kanälen und Gruben. Als zusätzlicher Lagerraum sind Hochbehälter mit geschlossenen Abdeckungen oder geschlossenen natürlichen Schwimmdecken vorhanden. Die Schweine werden in geschlossenen, zwangsbelüfteten Ställen gehalten. Der Luftaustausch erfolgt mittels Ventilatoren mit senkrecht über Dach austretenden Abluftschächten. Die Stallanlagen entsprechen dem Stand der Technik. Der für die Berechnungen zugrunde zu legende Tierbesatz der Tierhaltung wird in der Tabelle 1 zusammengefasst dargestellt. Die Ermittlung des Tierbesatzes geschieht durch Umrechnung der angegebenen Tierplatzzahlen der vorhandenen und der geplanten Stallungen in Großvieheinheiten (GV) nach der TA-Luft 2002. Eine GV entspricht dabei einer Tierlebendmasse von 500 kg. Alle sechs Hofstellen sind gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG i. V. m. § 1 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig.

450 Bei Hof 4 ist es letztlich eine Tatfrage, ob er dem Außenbereich (§ 35 BauGB) oder noch dem Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) zugerechnet werden kann. Im Ergebnis scheint beides möglich zu sein.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

101

Tabelle 1 Gebäudenutzung und GV-Besatz der Stallanlagen Hof- Nr.

Gebäudenutzung

Tierart

Anzahl Stallplätze

GV-Faktor

GV

1

Schweinestall

Mastschweine

150 300 150

0,13 0,13 0,13

19,50 39,00 19,50

2

Schweinestall

Mastschweine

900

0,13

117,00

0,13 0.13

26,00 32,50

3

Schweinestall

Mastschweine

200 250

4

Schweinestall

Mastschweine

370 640

0,13 0,13

48,10 83,20

5

Schweinestall

Mastschweine

460 330 200

0,13 0,13 0,13

59,90 42,90 26,00

6

Schweinestall

Mastschweine

250 500

0,13 0,13

32,50 65,00

bb) Das Rechenprogramm AUSTAL 2000 G Übersichtskarte 2 zeigt nun die Geruchsimmissionssituation, wie sie sich innerhalb des Beurteilungsgebiets nach dem derzeit gültigen Ausbreitungsrechenprogramm AUSTAL 2000 G der GIRL 2004 darstellt. Entsprechend den Vorgaben der GIRL zur Kenngrößenermittlung wurde über das gesamte Gebiet ein Gitternetz gelegt, Nr. 4.4.2, 4.4.3 GIRL. Die quadratischen Rasterflächen mit einer Kantenlänge von jeweils 250 m stellen dabei die sogenannten Beurteilungsflächen, das heißt die Bezugsflächen für den Vergleich der Immissionskenngrößen mit den Immissionswerten, dar, Nr. 4.4.3 GIRL. Die Zahlenwerte in den einzelnen Beurteilungsflächen geben die Kenngröße für die Gesamtbelastung ausgedrückt in % der Jahresstunden wieder. Ein Zahlenwert von 12 zum Beispiel bedeutet also, dass auf der fraglichen Beurteilungsfläche in 12% der Jahresstunden mit erkennbar wahrnehmbaren Gerüchen zu rechnen ist. Um eine Aussage hinsichtlich der Zumutbarkeit dieser Wahrnehmungshäufigkeit treffen zu können, ist diese Kenngröße entsprechend den Vorgaben zur Regelfallprüfung mit den Immissionswerten der Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL zu vergleichen. Überschreitet die Kenngröße dabei den maßgeblichen Immissionswert ist mit erheblichen Geruchsimmissionen auf der Beurteilungsfläche zu rechnen. Hält sie demgegenüber den Wert ein, stellt sie in der Regel keine erhebliche Belästigung dar.

102

1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Übersichtskarte 2

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

103

cc) Die Situation im Dorfgebiet, § 5 BauNVO Innerhalb des Dorfgebiets liegt der maßgebliche Vergleichswert bei 10%, Nr. 3.1 Tabelle 1 GIRL. Dies ergibt sich aus dem Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL, wonach im Falle des Ausdünnens der landwirtschaftlichen Hofstellen im Dorfgebiet eine Zuordnung des Dorfgebiets zum Wohn- / Mischgebiet (IW = 0,10) möglich ist. Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung der Entwicklungsmöglichkeiten des Dorfgebiets folgt daraus: nur diejenigen Beurteilungsflächen sind für die Betrachtung relevant, die sich innerhalb der Kreisfläche mit einem Radius von 600 m um den Emissionsschwerpunkt befinden und deren Kenngrößen den Immissionswert von 10 % nicht überschreiten. Nur diese Bereiche können nach GIRL als Wohnbauflächen mit der planungsrechtlichen Festsetzung „Allgemeines Wohngebiet“ (WA, § 4 BauNVO) ausgewiesen werden, da sie den Richtwert einhalten und mit einer erheblichen Überschreitung des tolerierbaren Maßes an Gerüchen auf diesen Flächen nicht zu rechnen ist. Alle übrigen Flächen können demgegenüber einer Bebauung mit der planungsrechtlichen Festsetzung „WA“ nicht zugeführt werden. Konkret auf das gemeindliche Planungsvorhaben bezogen bedeutet dies: In den drei von der Gemeinde ausgewiesenen Plangebieten lässt sich das gemeindliche Planungsvorhaben weitestgehend nur im Plangebiet II realisieren, weil sich hier die meisten Beurteilungsflächen mit einer Immissionskenngröße von kleiner 10% befinden. Größere Bebauungslücken bleiben allerdings auch hier bestehen. Für die Plangebiete I und III läuft demgegenüber die gemeindliche Planung weitestgehend leer, da nur ein sehr geringer Prozentsatz der Beurteilungsflächen in diesen Gebieten den Richtwert von 10% einhält. Eine landschaftsschonende Verdichtung der Wohnbebauung ist also nur ansatzweise möglich. Eine zusammenhängende Bebauung, die zu einem geschlossenen und abgerundeten Ortsbild führt wird aufgrund der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen nicht entstehen können. Betrachtet man andererseits die Situation, wie sie sich für die Landwirtschaft darstellt, so stellt man fest, dass auch eine Weiterentwicklung der Landwirtschaft innerhalb des Dorfgebiets nicht möglich ist. Wie die Rechenergebnisse zeigen, ist eine Betriebserweiterung der Hofstelle 5 durch Aufstockung des Tierbesatzes an ihrem bisherigen Standort ausgeschlossen. Da der Grenzwert im Bereich der vorhandenen Wohnbebauung bereits deutlich überschritten ist wäre eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG in jedem Fall zu versagen. Will der Inhaber der Hofstelle 5 seinen Betrieb also erweitern, bleibt ihm nur der Außenbereich (§ 35 BauGB) als Standort für die Neuerrichtung einer Stallanlage übrig. Das Dorfgebiet selbst scheidet demgegenüber als Standort aus. Die Plangebiete I und III kommen bereits wegen der hohen Geruchsvorbelastung als solches nicht in Betracht. Im Plangebiet II liegen die Immissionskenngrößen zwar zum Teil unter den geforderten 10%. Im Falle eines Stallneubaus würden aber auch diese Werte durch die hinzutretende Zusatzbelastung überschritten werden. Die einzige Möglichkeit, um

104

1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

eine Stallanlage errichten zu können, wären daher emissionsmindernde Maßnahmen, die allerdings in der Regel mit einem so hohen Kostenaufwand verbunden sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Anlage in Frage gestellt würde.

dd) Die Situation im Außenbereich, § 35 BauGB Nicht viel besser stellt sich schließlich die Situation für die Hofstellen 1, 3, 4 und 6 im Außenbereich (§ 35 BauGB) dar. Nach dem Regelungskonzept der GIRL ist für diesen Bereich zwar von einem Immissionswert von 15% als Vergleichsmaßstab auszugehen.451 In der Niedersächsischen GIRL wird sogar ein Immissionswert von 20% für zulässig erachtet.452 Ungeachtet dessen bestehen aber auch für diese Hofstellen an ihren bisherigen Standorten keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten, weil die errechneten Immissionskenngrößen das nach GIRL höchstzulässige Maß bereits bei weitem überschreiten. Wollen diese Landwirte ihre Betriebe erweitern, bleibt ihnen also nichts anderes übrig als noch weiter in den Außenbereich auszuweichen, wodurch die freie Landschaft noch mehr zersiedelt würde.

ee) Zusammenfassung Wie das Beispiel deutlich macht, hat die Anwendung der GIRL im vorliegenden Fall fatale Konsequenzen für das Dorfgebiet. Auf der einen Seite hat das Dorfgebiet seine Funktion als Standort für landwirtschaftliche Betriebe weitestgehend verloren. Der herkömmliche landwirtschaftliche Betrieb kann seinen Platz nicht mehr in dem Dorfgebiet finden. Vielmehr werden die landwirtschaftlichen Hofstellen vermehrt gezwungen, in den Außenbereich auszusiedeln. Auf der anderen Seite kann es sich aber auch nicht weiter in Richtung allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) entwickeln, da große Bebauungslücken bestehen bleiben, die den Bebauungszusammenhang unterbrechen und das Entstehen eines geschlossenen Ortsbildes verhindern. Einer der Hauptgründe hierfür ist dabei vor allem darin zu sehen, dass das Regelungskonzept der GIRL auf die gebietsspezifischen Besonderheiten des Dorfgebiets nicht zugeschnitten ist. Damit das Dorfgebiet die ihm nach § 5 BauNVO zugedachte Funktion erfüllen und der herkömmliche landwirtschaftliche Betrieb trotz des sich abzeichnenden Strukturwandels auch weiterhin seinen Platz im Dorf finden kann, sind Immissionswerte erforderlich, die deutlich höher bemessen sind, als die 10% oder 15% der GIRL. In der Rechtsprechung werden zum Beispiel längst Immissionswerte von 20 % bis 50% für zulässig erachtet.453 VG Oldenburg, Urteil vom 15. 7. 2004, Az. 5 A 3459 / 01, 8. Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen, Gem. RdErl. d. MU, d. MFAS, d. ML u. d. MW vom 14. 11. 2000, Nds.MBl. Nr. 8 / 2001, 224 (225). 451 452

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

105

Diese Werte sind auch, wie das Beispiel deutlich macht, durchaus erforderlich, um eine städtebaulich geordnete Entwicklung der Dorfgebiete zu gewährleisten. Demgegenüber führt das derzeitige Regelungskonzept der GIRL für den Bereich des Dorfgebiets zu völlig untragbaren Ergebnissen und ist weder mit den Vorgaben des § 5 BauNVO noch mit den städtebaulichen Planungsgrundsätzen des § 1 Abs. 5 BauGB vereinbar.454 Bedenkt man schließlich, dass es sich bei der im vorliegenden Fall abzeichnenden Entwicklung um keinen Einzelfall handelt, sondern die aufgezeigten Probleme auf unzählig viele andere Dorfgebiete übertragen werden können, erscheint es dringend angeraten, das Richtwertekonzept der GIRL zu überarbeiten.

3. Die Erheblichkeit der Immissionsbeiträge, Nr. 3.3 GIRL a) Allgemeines Fragen wirft auch die Regelung der Nr. 3.3 GIRL auf. Nach der Regelfallprüfung der Nr. 3.1 Abs. 1 Satz 2 GIRL ist der Schutz vor erheblichen Geruchsbelästigungen regelmäßig dann sichergestellt, wenn die vorhandene Geruchsbelastung und die von der zu genehmigenden Anlage zu erwartende Zusatzbelastung zusammen die Immissionswerte der Nr. 3.1 Tab. 1 GIRL nicht überschreiten. In diesem Fall kann die Genehmigungsbehörde davon ausgehen, dass keine erheblichen Geruchsbelästigungen auftreten werden und die Genehmigung darf erteilt werden. Können die Immissionswerte der GIRL hingegen nicht eingehalten werden ist der Schutz vor erheblichen Geruchsbelästigungen nicht mehr sichergestellt und die Genehmigung müsste allein aus diesem Grund versagt werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält nun die Nr. 3.3 GIRL. Nach dieser Vorschrift soll eine Genehmigung auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche den Wert von 0,02 (= 2% der Jahresstunden) überschreitet. Begründet wird dieses Ergebnis von der GIRL damit, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung in diesem Fall nicht „relevant“ erhöhe, Nr. 3.3 Satz 2 GIRL. Die GIRL geht also offenbar davon aus, dass Immissionsbeiträge von bis zu 2% der Jahresstunden als nicht mitursächlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG anzusehen sind und demzufolge die Genehmigung mangels Herbeiführens einer schädlichen Umwelt453 OVG Münster, Beschluss vom 3. 11. 2000, Az. 7 B 1533 / 00, 8 f.; OVG Münster, Beschluss vom 18. 3. 2002, Az. 7 B 315 / 02, NVwZ 2002, 1390 (1391); OVG Münster, Urteil vom 25. 6. 2003, Az. 7 A 4042 / 00, NWVBl. 2004, 95 (97). 454 Dies gilt letztlich auch für den Außenbereich (§ 35 BauGB). Für diesen Bereich lässt die Rechtsprechung deshalb auch Immissionswerte von mehr als 50 % zu. Vgl. hierzu etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 25. 7. 2002, Az. 1 LB 980 / 01, NVwZ-RR 2003, 24 (26); OVG Münster, Beschluss vom 19. 12. 2002, Az. 10 B 435 / 02, NWVBl. 2004, 307 (308).

106

1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

einwirkung erteilt werden kann, auch wenn es zu einer Überschreitung der Immissionswerte kommt. Anders als die Überschrift der Nr. 3.3 GIRL glauben macht trifft die GIRL also keine Aussage über die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen, sondern bestimmt, wann eine Anlage erhebliche Geruchsbelästigungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (mit-)herbeiführt und wann nicht.455 Ob diese Annahme der GIRL von der rechtlichen Irrelevanz kleiner Immissionsbeiträge mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz – insbesondere mit dem Schutzgrundsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG – vereinbar ist, erscheint jedoch fraglich. Wie bereits oben unter Punkt A. II. 2. b) gezeigt wurde, kommt es für die Bestimmung der Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen nicht auf den individuellen Immissionsbeitrag der jeweiligen Anlage, sondern auf die Gesamtbelastung am Einwirkungsort an. Streng genommen dürfte damit die Genehmigung im Falle des Überschreitens der Immissionswerte nicht erteilt werden und zwar ungeachtet dessen, ob die Immissionen der neu hinzukommenden Anlage kleiner oder größer 2 % sind. Etwas anderes würde nur gelten, wenn Immissionsbelastungen von maximal 2 % tatsächlich als rechtlich irrelevant einzustufen wären. Die Frage, die es im Folgenden also zu beantworten gilt, lautet: Kann es nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz rechtlich irrelevante Immissionsbeiträge geben, ja oder nein? b) Die Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur aa) Die Befürworter der Irrelevanzregelung In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird die Frage der immissionsschutzrechtlichen Relevanz kleinster Immissionsbeiträge sehr kontrovers diskutiert. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass sehr kleine Immissionsbeiträge immissionsschutzrechtlich nicht relevant sein sollen.456 So begründet K. Hansmann zum Beispiel die rechtliche Irrelevanz kleiner Immissionsbeiträge für den Bereich der TA-Luft 1986 / 2002 vor allem mit dem Normzweck der §§ 5 und 6 BImSchG.457 Da praktisch nie völlig ausgeschlossen werden könne, dass die Emissionen luftverunreinigender Stoffe irgendwo zu Immissionen beitragen, die als schädliche 455 So für die vergleichbaren Reglungen der Nr. 4.2.2 Buchst. a) TA-Luft 2002 und Nr. 4.4.3 Buchst. a) TA-Luft 2002 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.2 Rn. 20, Nr. 4.4 Rn. 18. Siehe auch H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 113, 124 für die vergleichbare Regelung der Nr. 2.2.1.2 Abs. 2 TA-Luft 1986. 456 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 58, 95; G. Feldhaus / O. A. Schmitt, WiVerw. 1984, 1 (19 ff.); K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1161); K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.2 Rn. 19 ff., 23, für die Irrelevanzregel der TA-Luft; K. Hansmann, Irrelevanzklauseln, in: K. Hansmann / S. Paetow / M. Rebentisch, Umweltrecht und richterliche Praxis, 291 ff.; H.-J. Koch, Lärmsummation, in: D. Czajka / K. Hansmann / M. Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, 215 (220 ff.); F. Petersen, 131 f.; G. Winter, Gesetzliche Anforderung, in: G. Winter, Grenzwerte, 127 (133). 457 Für die vergleichbare Regelung der TA-Luft 1986 / 2002: K. Hansmann, TA-Luft 1986, Nr. 2.2 Rn. 18; K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.2 Rn. 23.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Umwelteinwirkungen zu bewerten seien und da andererseits Emissionen nicht vollständig vermieden werden können, würden die §§ 5, 6 BImSchG unter Zugrundelegung der Äquivalenztheorie die Errichtung und den Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen faktisch untersagen.458 Dies widerspreche jedoch der Vorschrift des § 6 BImSchG, die dem Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung einräume.459 G. Feldhaus / O. A. Schmitt begründen die fehlende Kausalität kleinster Immissionsbeiträge wiederum mit dem Gedanken der Umweltadäquanz. Umweltadäquat verhalte sich, „wer in seinem Einflussbereich keine Umweltrisiken begründet oder bestimmte Umwelteinwirkungen nicht erkennbar erhöht oder jedenfalls nicht in einem aus der Sicht des Allgemeinwohls zu missbilligenden Art und Weise“.460 G. Winter verneint die Mitursächlichkeit kleiner Immissionsbeiträge unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. „Wenn die Zusatzbelastung gegen Null tendiert, wäre es unverhältnismäßig, eine neue Anlage gänzlich zu untersagen, nur weil die Vorbelastung zu hoch ist“.461 Und J. Dietlein rechtfertigt die Irrelevanz kleiner Beiträge schließlich damit, dass die Irrelevanzklauseln Ausdruck des aus dem Fehlen exakter Werte für die Schädlichkeitsschwelle resultierenden Spielraums des Vorschriftengebers bei der Festlegung derjenigen Grenzen seien, die nicht überschritten werden sollen, die aber nicht als normative Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle im Sinne des § 5 BImSchG dienten.462

bb) Die Gegner der Irrelevanzregelung Demgegenüber vertreten die Gegner von Irrelevanzklauseln die Auffassung, dass jeder Immissionsbeitrag als kausal anzusehen ist.463 So begründet G. LübbeWolff die Kausalität kleiner Immissionsbeiträge damit, dass sie zwar für sich genommen geringfügig und unschädlich – das heißt incremental – seien, sich mit zahlreichen anderen Beiträgen gleicher Art aber zu Schäden oder Gefahren von erheblichem Ausmaß summieren können.464 Aufgabe des Bundes-Immissions458 Für die vergleichbare Regelung der TA-Luft 1986 / 2002: K. Hansmann, TA-Luft 1986, Nr. 2.2 Rn. 18; K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.2 Rn. 23. 459 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.2 Rn. 23; ebenso F. Petersen, 132. 460 G. Feldhaus / O. A. Schmitt, WiVerw. 1984, 1 (13,20). 461 G. Winter, Gesetzliche Anforderungen, in: G. Winter, Grenzwerte, 127 (133); im Ergebnis ebenso H.-J. Koch, Lärmsummation, in: D. Czajka / K. Hansmann / M. Rebentisch, 25 Jahre BImSchG, 215 (223). 462 J. Dietlein, in: R. v. Landmann / G. Rohmer, Umweltrecht Band I, § 5 Rn. 58, 95. 463 VG Oldenburg, Urteil vom 15. 7. 2004, Az. 5 A 3459 / 01, 9 ff.; G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 ff.; Ch. Müller für die TA-Lärm 1998, 194 f.; A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 301 ff. Kritisch auch L. Meinken, 59 f. 464 G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 (176).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

schutzgesetzes sei es aber gerade, auch den Schutz vor derart „incremental summierten Gefahren“465 sicherzustellen.466 Erreicht werden könne dieses Ziel allerdings nur, wenn oberhalb der durch die Immissionsgrenzwerte festgelegten Schwelle weitere Belastungen nicht etwa deshalb noch zugelassen werden, weil sie für sich genommen geringfügig und unschädlich sind.467 Die Gegenauffassung, die die Mitursächlichkeit des einzelnen incrementalen Beitrags bestreitet, führe sich selber „ad absurdum durch die Konsequenz, dass danach Schäden wie das gegenwärtige Waldsterben, als auf lauter incrementalen Beiträgen beruhend, überhaupt keine Ursache hätten“.468 Die Mitursächlichkeit auch des einzelnen incrementalen Beitrages zu der resultierenden Schädigung oder Gefahr lasse sich mit Hilfe solcher „pseudonaturwissenschaftlicher Theorien“ also nicht sinnvoll bestreiten.469 Ganz ähnlich argumentiert auch A. Roßnagel.470 Seiner Auffassung nach ist die Annahme der rechtlichen Irrelevanz kleiner Immissionsbeiträge schon bezogen auf den einzelnen Immissionsbeitrag unzutreffend, da die Abwehrpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bereits das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen verhindern wolle und demzufolge eine weitere Erhöhung der bereits bestehenden unzulässigen Belastung nicht zulasse.471 Erst recht sei die Gegenauffassung nicht zu halten, wenn nicht nur der einzelne für sich genommen relativ geringe Immissionsbeitrag betrachtet werde, sondern – wie dies der Schutzzweck des § 1 BImSchG fordere – die Gesamtbelastung durch die Summe mehrerer kleiner Immissionsbeiträge in den Blick gerate.472 Würde jeweils immer nur der einzelne Immissionsbeitrag für sich betrachtet und bewertet werden, bliebe das Summationsrisiko unberücksichtigt, und es bestünde keine rechtliche Handhabe gegen die Summationsrisiken schleichender Umweltvergiftung.473 465 Dieser Begriff wurde von G. Lübbe-Wolff geprägt. Mit diesem Begriff umschreibt sie eine Situation, in der zahlreiche für sich genommen unbeträchtliche Beiträge zusammenwirken und zu einer Gefahr bzw. Schaden führen, von denen jeder einzelne für sich genommen aber auch entfallen könnte, ohne dass sich an der daraus resultierenden Gefahr / Schaden etwas Wesentliches oder sogar überhaupt etwas Nachweisbares ändert, G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 (168). 466 G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 (175). 467 G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 (176). 468 G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 (181). 469 G. Lübbe-Wolff, Incremental summierte Gefahr, in: H. Dreier / J. Hofmann, Parlamentarische Souveränität, 167 (181). 470 A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 301 ff. bzgl. der Irrelevanzregel der TA-Luft 1986. 471 A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 315 bzgl. der Irrelevanzregelung der TA-Luft 1986. 472 A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 315 bzgl. der Irrelevanzregelung der TA-Luft 1986.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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Kritisch speziell zur Irrelevanzklausel der Nr. 3.3 GIRL äußert sich schließlich auch das Verwaltungsgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 15. 7. 2004.474 In dem Rechtsstreit ging es um die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Kompostanlage zur Herstellung von Substrat im Außenbereich. Die gutachterlich festgestellte Geruchsvorbelastung betrug 20 % der Jahresstunden. Die von der Anlage hervorgerufene Zusatzbelastung lag bei 2%. Die Beklagte hielt die von ihr erteilte Genehmigung unter anderem deswegen für rechtmäßig, weil es aufgrund der vorgegebenen Situation eine unangemessene Härte darstellen würde, vom Anlagenbetreiber „die Beseitigung der bereits betriebenen Anlage zu verlangen, da der Beitrag des Substratwerkes verglichen mit der Vorbelastung nach den weitergehenden Anforderungen dieses Bescheides sehr gering sei“. Der beigeladene Anlagenbetreiber wies darauf hin, dass die Nr. 3.3 GIRL ausdrücklich davon ausgehe, „dass bei einer Zusatzbelastung von maximal 2% der Jahresstunden die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht werde. Dass theoretisch durch eine Vielzahl irrelevanter Anlagen eine Überschreitung der in der GIRL genannten Immissionswerte verursacht werden könne, nehme die GIRL insoweit in Kauf, da es sich bei Geruchseinwirkungen in aller Regel nur um Belästigungen und nicht um Gesundheitsgefahren handele“. Das Verwaltungsgericht Oldenburg schloss sich in seiner Urteilsbegründung weder der einen noch der anderen Auffassung an. Vielmehr vertrat es die Ansicht, dass sich die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung auch nicht unter Hinweis auf die Irrelevanzklausel der Ziffer 3.3 GIRL rechtfertigen lasse. Danach soll zwar die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung des Immissionswertes der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche den Wert von 2 % der Jahresstunden überschreitet, weil bei Einhaltung dieses Wertes grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht. Diese Bestimmung sei jedoch im Lichte der übrigen Bestimmungen des § 3 Abs. 1 BImSchG auszulegen. Danach habe im vorliegenden Fall die Anwendung der Irrelevanzregelung bereits deshalb zu unterbleiben, „weil sie ( . . . ) zu einer deutlichen Überschreitung der maximal zulässigen Gesamtbelastung durch Geruchsimmissionen führen würde. ( . . . ) Würde man andererseits das Verständnis des Beklagten von der Regelung der Ziffer 3.3 GIRL zugrunde legen, so ergäbe sich die Möglichkeit, die Gesamtbelastung der Anwohner durch die Genehmigung mehrerer Anlagen, die jeweils für sich betrachtet die Irrelevanzgrenze einhielten, auf ein unerträgliches Maß auszudehnen. Eine derartige Handhabung und Auslegung der GIRL verbietet sich im Hinblick auf die Regelung der §§ 5 und 3 des BImSchG“.475

473 A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 301, 315 bzgl. der Irrelevanzregelung der TALuft 1986. 474 VG Oldenburg, Urteil vom 15. 7. 2004, Az. 5 A 3459 / 01, 9 ff. 475 VG Oldenburg, Urteil vom 15. 7. 2004, Az. 5 A 3459 / 01, 10.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

c) Stellungnahme Die Argumente der Befürworter der rechtlichen Irrelevanz kleinster Immissionsbeiträge vermögen nicht zu überzeugen. Der entscheidende Gesichtspunkt, der gegen die Annahme der rechtlichen Irrelevanz kleiner Immissionsbeiträge und damit gegen die Regelung der Nr. 3.3 GIRL spricht ist das von G. Lübbe-Wolff und A. Roßnagel angesprochene Risiko der Summation. Der Auslegungshinweis zur Nr. 3.3 GIRL versucht zwar diesem Einwand damit zu begegnen, dass sich die Irrelevanzregel der Nr. 3.3 GIRL auf die von der gesamten Anlage ausgehende Zusatzbelastung beziehe, weswegen auch der Fall unwahrscheinlich sein soll, dass sich viele Irrelevanzfälle zu einer nicht mehr irrelevanten Geruchsbelastungssituation addieren.476 Damit wird aber das Argument der Gegner nicht entkräftet. Das Problem bei der Nr. 3.3 ist nicht der einzelne Immissionsbeitrag. Eine Zusatzbelastung von maximal 2% der Jahresstunden mag für sich betrachtet durchaus geringfügig und unschädlich sein. Das Problem der rein anlagenbezogenen Sichtweise der Nr. 3.3 GIRL besteht vielmehr darin, dass sie zum einen völlig unberücksichtigt lässt, dass dieser vergleichsweise geringe Einzelbeitrag mit der vorhandenen Geruchsbelastung zusammenwirkt und auf diese Weise zu einer erheblichen Geruchsbelästigung führen kann. Zum anderen, dass die Nr. 3.3 gerade die Gefahr mit sich bringt, dass es unter Berufung auf die Irrelevanzregel zur Genehmigung immer neuer Anlagen kommt und so die Geruchsbelastung der Anwohner schrittweise auf ein unerträgliches Maß gesteigert werden kann, ohne eine rechtliche Handhabe hiergegen zu haben. Mit dem Schutzzweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist dies allerdings nicht vereinbar. Die Regelung der Nr. 3.3 GIRL wird den Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht gerecht und erweist sich als rechtswidrig.

4. Zwischenergebnis Das Regelungskonzept der Nr. 3 GIRL weist insgesamt erhebliche Mängel auf. Dies betrifft zum einen das Geruchsstundenkonzept als solches. So ist ein vorrangiges Abstellen auf die Wahrnehmungshäufigkeit und eine nur ausnahmsweise Berücksichtigung der Hedonik nicht ausreichend, um die belästigende Wirkung von Gerüchen zutreffend zu erfassen. Wie jüngste Untersuchungen gezeigt haben wirkt sich die Hedonik generell und nicht nur in besonderen Fällen stark belästigungsmodifizierend aus. Diesem Umstand wird mit dem Regel- / Sonderfallkonzept der GIRL nicht hinreichend Rechnung getragen. Zum anderen erweist sich das von der GIRL aufgestellte Bewertungsraster in der Nr. 3.1 GIRL als viel zu grob. So reicht die Festsetzung eines einzigen Immissionswertes für Gebiete unterschiedlicher Art und Nutzung nicht aus, um ein ge476

Ebenso E. Koch, Immissionsschutz 1997, 6 (11).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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bietsadäquates Immissionsniveau zu gewährleisten. Die Regelung bezüglich der Zuordnung der „sonstigen Gebiete“ ist nur bedingt brauchbar. Der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL das Dorfgebiet betreffend ist weder mit den Vorgaben des § 5 BauNVO noch mit der kommunalen Planungshoheit vereinbar. Die Gemengenlageproblematik wird von der GIRL überhaupt nicht angesprochen. Auch die Höhe der beiden Immissionwerte der GIRL wirft Fragen auf. Schließlich erweist sich auch die Irrelevanzklausel der Nr. 3.3 GIRL als mit dem Schutzgrundsatz des Gesetzes unvereinbar. In Anbetracht dieser Sachlage kann das derzeitige Regelungskonzept der Nr. 3 GIRL daher nicht als ausreichend angesehen werden, um den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu konkretisieren.477 Um den Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gerecht zu werden, müsste die Nr. 3 der Geruchsimmissions-Richtlinie grundlegend überarbeitet werden. Ob und gegebenenfalls wann dies der Fall sein wird, bleibt jedoch abzuwarten.

5. Das Mess- und Beurteilungsverfahren, Nr. 4 GIRL Neben den Kriterien der Nr. 3 GIRL sind für die Beurteilung und Bewertung von Geruchsimmissionen schließlich auch die zugrunde liegenden Mess- und Beurteilungsverfahren von Bedeutung.478 Da die Immissionswerte der Tabelle 1 und die Beurteilungsverfahren der Nr. 4 eine untrennbare Einheit bilden (Nr. 3.2 GIRL)479, kommt es für die Aussagekraft der GIRL entscheidend auch darauf an, wie die Vergleichsgrößen – die sogenannten Kenngrößen – gebildet werden. Auf einige messtechnische Besonderheiten wurde bereits eingegangen. Im Folgenden soll nun das Verfahren zur Kenngrößenermittlung etwas näher dargestellt werden. a) Allgemeines Die GIRL unterscheidet drei Arten von Kenngrößen, die es zu ermitteln gilt: die Kenngröße für die vorhandene Belastung IV (Nr. 4.4 GIRL), die Kenngröße für 477 Ebenso Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (207); R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (64). 478 Speziell zum Mess- und Beurteilungsverfahren der GIRL gibt es bislang kaum Literatur. Da die Regelungen der GIRL jedoch zum Großteil mit den Vorgaben der TA-Luft von 1986 identisch sind, zum Teil aber auch mit Bestimmungen der TA-Luft 2002 sowie der TA Lärm 1998 korrespondieren, wurde in Anbetracht der Vergleichbarkeit sowie in Ermangelung GIRL-spezifischer Literatur auf die Literatur zu diesen Regelwerken zurückgegriffen. 479 Allgemein zum Verhältnis Immissionswert – Ermittlungsverfahren: BVerwG, Urteil vom 21. 3. 1996, Az. 4 C 9.95, BVerwGE 101, 1 (4); K. Hansmann, Immissionsgrenzwerte, in: E. Franßen / K. Redeker / O. Schlichter / D. Wilke, Bürger – Richter – Staat, 284 (292); K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.1.1 Rn. 1; H. Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA-Lärm, in: H.-J. Koch, Aktuelle Probleme, 191 (205).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

die zu erwartende Zusatzbelastung IZ (Nr. 4.5 GIRL) und die Kenngröße für die Gesamtbelastung IG (Nr. 4.6 GIRL). Wie sich aus der Nr. 4.2 Abs. 1 GIRL ergibt, sind diese Kenngrößen für „jede Beurteilungsfläche in dem für die Beurteilung der Einwirkung maßgeblichen Gebiet (Beurteilungsgebiet)“ zu ermitteln. Die Beurteilungsflächen sind quadratische Teilflächen des Beurteilungsgebiets, deren Seitenlänge in der Regel 250 m beträgt, Nr. 4.4.3 GIRL. Das Beurteilungsgebiet wiederum ist die Summe derjenigen Beurteilungsflächen, die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befinden, der dem 30fachen der nach Nr. 2 GIRL ermittelten Schornsteinhöhe entspricht, Nr. 4.4.2 Abs. 1 GIRL. Bei Anlagen mit diffusen Quellen von Geruchsemissionen und Austrittshöhen von weniger als 10 m über der Flur wie in der Landwirtschaft beträgt der Radius mindestens 600 m, Nr. 4.4.2 Abs. 2 GIRL.

aa) Das Beurteilungsgebiet, Nr. 4.4 GIRL Auffällig an der Definition des Beurteilungsgebiets ist, dass das Beurteilungsgebiet der Nr. 4.4.2 GIRL mit dem tatsächlichen Einwirkungsbereich der Anlage nicht identisch ist.480 Während es für die Erfüllung der Schutzpflicht auf die tatsächliche Reichweite der von der Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen ankommt und somit auch außerhalb des Beurteilungsgebiets auftretende Gerüche von Bedeutung sind, schränkt die Nr. 4.4.2 GIRL die Untersuchungspflicht auf einen Teil des Einwirkungsbereichs ein und lässt die übrigen Geruchsimmissionen außer Betracht.481 Die Regelung der Nr. 4.4.2 GIRL scheint somit hinter den Anforderungen der Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zurückzubleiben. Das rechtliche Problem, das mit der Regelung der Nr. 4.4.2 GIRL allerdings angesprochen wird, ist die Frage nach dem sogenannten „Ferntransport“ von Luftverunreinigungen und deren Zurechenbarkeit zu einer bestimmten Anlage im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.482 Gerüche einer Anlage können über weite Entfernungen nahezu unverändert transportiert werden.483 Auf diesem Weg können sie sich mit Gerüchen aus anderen Anlagen vermischen. Es kann zu Überlagerungen kommen, die ihre Wirkung verstärken aber auch abschwächen. Im Rahmen der Schutzpflicht kann sich die Zurechnung einer Geruchsbelastung zu einer einzelnen Anlage angesichts dieser Umstände als sehr schwierig oder gar unmöglich erweisen, insbesondere dann, wenn der tatsächliche Einwirkungsbereich infolge des Ferntransportes weiter reicht als der Bereich, für den ein individueller Nachweis der Ursächlichkeit mög480 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 202; A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 296. 481 H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 296, 321. 482 A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 203, 320 ff. 483 P. Kothe, NuR 1998, 240 (240).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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lich ist.484 Um die Abwehrpflicht möglichst praktikabel umzusetzen, ist es deshalb erforderlich, sie in räumlicher Hinsicht zu begrenzen.485 Die GIRL hat sich dafür entschieden, die äußere Begrenzung des Beurteilungsgebiets in Abhängigkeit von der Quellhöhe zu bestimmen. Angesichts des Umstandes, dass die Ausbreitung von Geruchsimmissionen zu einem wesentlichen Teil von der Quellhöhe abhängt, erscheint dies sachgerecht und ist nicht zu beanstanden. bb) Die Beurteilungsflächen, Nr. 4.4.3 GIRL Nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang ferner die Entscheidung der GIRL, die Immissionskenngrößen für jede einzelne Beurteilungsfläche in dem für die Beurteilung maßgebenden Gebiet zu ermitteln, sogenannte „flächenbezogene Beurteilung“.486 Zwar führt diese Vorgehensweise dazu, dass durch die Mittelung der Belastung, die an den Eckpunkten der einzelnen Teilflächen festgestellt wird, eine gewisse Nivellierung der tatsächlichen Geruchsbelastung erfolgt.487 Auch geht die TA-Luft 2002 neuerdings von einer punktbezogenen und nicht mehr von einer flächenbezogenen Beurteilung der Schadstoffbelastung aus, Nr. 4.6.2.6 TALuft 2002. Der Vorteil der flächenbezogenen gegenüber der punktbezogenen Betrachtung besteht jedoch darin, dass die Immissionssituation differenziert erfasst werden kann, Aussagen für das gesamte Beurteilungsgebiet möglich werden und Unsicherheiten im Aussagegehalt von Einzelmessergebnissen ausgeglichen werden können.488 Im Übrigen hat die Entscheidung der TA-Luft 2002 für ein punktbezogenes Beurteilungssystem keinerlei Auswirkungen auf die Gültigkeit der flächenbezogenen Betrachtung nach der GIRL.489 Da die TA-Luft 2002 bezüglich der Ermittlung und Bewertung der Schädlichkeit von Geruchsimmissionen bewusst eine Regelungslücke enthält, entfalten ihre Vorgaben zur Ermittlung von Immissionskenngrößen für Luftschadstoffe keinerlei Sperrwirkung gegenüber der GIRL.490 b) Die Bestimmung der Vorbelastung, Nr. 4.4 GIRL Liegen nach dem oben Gesagten das Beurteilungsgebiet und die Beurteilungsflächen fest, gilt es als nächstes die Immissionskenngrößen für die Vor-, Zusatz-, und Gesamtbelastung zu ermitteln. Eine detaillierte Regelung zur Bestimmung der A. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rn. 321. So K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.2.5 Rn. 1, für die vergleichbare Regelung der TA Luft 2002. 486 Zur Terminologie K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.2.6 Rn. 3. 487 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.2.6 Rn. 2. 488 K. Hansmann, TA-Luft 1986, Nr. 2.6.2.3 Rn. 1; TA Luft 2002, Nr. 4.6.2.6 Rn. 2. 489 A. A. VG Oldenburg, Beschluss vom 17. 5. 2004, Az. 5 B 3381 / 03, 6. 490 K. Hansmann, TA Luft 2002, Vorb. Rn. 6. 484 485

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

vorhandenen Geruchsbelastung enthält dabei die Nr. 4.4 GIRL. Wie sich aus der Nr. 4.1 GIRL ergibt, sieht die GIRL zwei Methoden zur Ermittlung der Vorbelastung vor. Zum einen die Rasterbegehung491, bei der in Anlehnung an die VDIRichtlinie 3940 „Bestimmung der Geruchsstoffimmission durch Begehungen“ die vorhandene Geruchsbelastung olfaktorisch mittels Probandenbegehungen bestimmt wird und der die GIRL den Vorrang einräumt, Nr. 4.4.7 Abs. 1 GIRL. Zum anderen die Ausbreitungsrechnung, die insbesondere dann in Betracht zu ziehen ist, wenn die vorhandene Belastung weniger als 70% des Immissionswertes der Tabelle 1 beträgt oder die Rasterbegehung als unverhältnismäßig eingeschätzt werden muss.

aa) Die Rasterbegehung, Nr. 4.4.7 GIRL Wird die vorhandene Belastung wie von der GIRL vorgesehen mittels Rasterbegehung bestimmt, ist jeder Eckpunkt der Beurteilungsfläche während des sechsmonatigen Messzeitraums (Nr. 4.4.5 GIRL) je nach geforderter Aussagesicherheit 13 oder 26 mal zu begehen, Nr. 4.4.7 Abs. 1 GIRL.492 Die Messstellen sind dabei möglichst nahe an den Schnittpunkten des quadratischen Gitternetzes festzulegen, das dem Beurteilungsgebiet zugrunde liegt, Nr. 4.4.6 GIRL. Die Messungen sind 491 Bei der Messung und Bewertung von Gerüchen mittels Begehung erfolgt die Beurteilung der Geruchssituation direkt am Einwirkungsort. Zu diesem Zweck begibt sich ein ortsfremdes Probandenteam an vordefinierte Messpunkte und prüft durch verstärktes Riechen die Umgebungsluft auf Geruch, Nr. 1 Abs. 1 VDI 3940. Die Anzahl der Messungen sowie die räumliche Positionierung der Probanden richtet sich dabei danach, ob eine Raster- oder Fahnenbegehung durchgeführt wird. Bei der Rasterbegehung wird über das Beurteilungsgebiet, in dessen Zentrum sich die Geruchsquelle befindet, ein Netz von äquidistanten Rasterpunkten gelegt, Nr. 5.1.1 Abs. 2 VDI 3940. Jeder Rasterkreuzungspunkt wird dann von verschiedenen Probanden nach einem bestimmten Messplan begangen und auf Geruchswahrnehmung geprüft. Der Messzeitraum beträgt in der Regel ein Jahr und kann in Ausnahmefällen auf sechs Monate verkürzt werden, Nr. 5.1.1 Abs. 3, 4 VDI 3940. Innerhalb dieses Beurteilungszeitraums werden 26 bzw. 13 voneinander unabhängige Einzelmessungen durchgeführt, Nr. 5.1.1 Abs. 7 VDI 3940. Die Messungen werden gleichmäßig über die 24 Stunden des Tages verteilt oder orientieren sich an der Betriebszeit der geruchemittierenden Anlage, Nr. 5.1.1 Abs. 8 VDI 3940. Bei der Fahnenbegehung werden demgegenüber nur im Bereich der Geruchsfahne, also Lee der Geruchsquelle, Messungen durchgeführt. Gefordert sind mindestens drei Schnittmessungen von je zehn Minuten Dauer quer zur aktuellen Windrichtung, Nr. 5.2.1 Abs. 2 VDI 3940. Jede Schnittlinie wird dabei mit mindestens fünf Messpunkten und fünf Probanden belegt, Nr. 5.2.1 Abs. 2 VDI 3940. Der Abstand der Schnittlinien und Messpunkte richtet sich nach der Breite der Auffächerung der Geruchsfahne, Nr. 5.2.1 Abs. 2 VDI 3940. Die Hauptaufgabe der Probanden bei beiden Begehungsarten besteht nun darin, den sogenannten Geruchszeitanteil zu ermitteln. Damit ist die Häufigkeit gemeint, mit der die Erkennungsschwelle in der Außenluft innerhalb eines bestimmten Messzeitintervalls überschritten und Gerüche eindeutig erkannt werden, VDI 3940, Einführung Abs. 2. Die Erkennungsschwelle entspricht derjenigen Geruchsträgerkonzentration, „die in 50 % der Reizdarbietungen zum Erkennen der Qualität des Geruchsreizes führt“, Nr. 2 Abs. 9 VDI 3940. 492 Bei 13 Begehungen ergibt dies einen Stichprobenumfang von N = 52 (4  13), bei 26 Begehungen einen Stichprobenumfang von N = 104 (26  4).

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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repräsentativ auf die 24 Stunden des Tages zu verteilen, Nr. 4.4.5 Abs. 2. Die Verweildauer der Probanden pro Messstelle beträgt 10 Minuten, Nr. 4.4.7 Abs. 6 GIRL. Während dieses Zeitraums prüft der Proband im 10 Sekundentakt die Außenluft auf Geruch. Der wahrgenommene Geruchseindruck wird dann als Ja- / Nein-Aussage („es riecht / es riecht nicht“) in einem besonderen Datenaufnahmebogen vermerkt (s. Anhang A der GIRL). Entscheidend dabei ist, dass nur solche Geruchseindrücke von den Probanden registriert werden, die erkennbar, das heißt anlagenbezogen sind, Nr. 4.4.7 Abs. 3 GIRL. Auf eine differenzierte Erfassung von Geruchsintensitäten wird demgegenüber verzichtet, da ein hinreichender Zusammenhang zwischen diesen Geruchsmerkmalen und der Ausprägung der Geruchsbelästigung nicht nachzuweisen ist, Nr. 4.4.7 Abs. 5 GIRL. Ab größer oder gleich 6 positiven Geruchsproben gilt das Kriterium der Geruchsstunde als erfüllt.

bb) Kritik In der fachwissenschaftlichen Literatur ist vor allem der von der GIRL vorgesehene Stichprobenumfang auf heftige Kritik gestoßen.493 Bemängelt wird dabei vor allem, dass der geforderte Stichprobenumfang von 52 bzw. 104 Begehungen je Halbjahr / Jahr nicht ausreiche um eine einigermaßen gesicherte Aussage über die tatsächlich bestehende Geruchssituation treffen zu können. Der Stichprobenumfang müsse auf mindestens 800 Begehungen angehoben werden um die Aussagesicherheit zu erhöhen.494 Der dann erforderliche Zeit- und Kostenaufwand sei jedoch bei weitem nicht mehr verhältnismäßig.

cc) Der Korrekturfaktor k, Nr. 4.4.1 Abs. 3 GIRL Dass die Begehungsmethode mit Unsicherheiten behaftet ist, wird selbst von der GIRL nicht geleugnet, Nr. 4.2 Abs. 4 GIRL. Um die statistischen Fehler bei den Stichproben auszugleichen und die Aussagesicherheit der Messungen zu erhöhen schreibt die GIRL deshalb vor, dass die Ergebnisse der Rasterbegehung mittels eines Faktors k zu korrigieren sind. Je nach Stichprobenumfang und Gebietsart ist dieser Faktor dabei unterschiedlich hoch. So beträgt er bei einem Stichprobenumfang von 52 Begehungen im Wohn- / Mischgebiet 1,7 und im Gewerbe- / Industriegebiet 1,6; bei einem Stichprobenumfang von 104 Begehungen beträgt er 1,5 für das Wohn- / Mischgebiet und 1,3 für das Gewerbe- / Industriegebiet, Nr. 4.4.1 Tabelle 3 GIRL. In der Praxis führt der Faktor k dazu, dass die Ergebnisse der 493 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 45, 51, 78; W. Eckhof, in: KTBL-Arbeitspapier 253, 71 (78); E. Grimm, in: BauBriefe Landwirtschaft 1998, 11 (21 f.);. K.-H. Krause, KTBL-Arbeitspapier 244, 31 (36 ff.). 494 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 45.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Rasterbegehung nach oben hin korrigiert werden. Wie sich aus den Nrn. 4.2 und 4.3 GIRL ergibt, gilt der Korrekturfaktor allerdings nur im Genehmigungsverfahren. Im Überwachungsverfahren wird er nicht berücksichtigt, Nr. 4.3 Abs. 3 S. 3 GIRL. In der Nr. 4.2 Abs. 4 GIRL heißt es dazu: „Im Genehmigungsverfahren muss der Korrekturfaktor k bei Rasterbegehungen berücksichtigt werden, weil die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen wegen der Unsicherheiten der Begehungsmethode andernfalls statistisch nicht als gesichert angesehen werden kann“. Diese Erklärung erscheint jedoch wenig stichhaltig. Wie sich aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz nämlich ergibt, müssen die Genehmigungsvoraussetzungen nicht nur im Zeitpunkt der Errichtung und Inbetriebnahme vorliegen, sondern die Betreiberpflichten der §§ 5, 6 BImSchG müssen während des gesamten Betriebszeitraums eingehalten werden. Bezogen auf die Anwendung des Faktors k bedeutet dies: streng genommen müsste der Korrekturfaktor k damit auch im Überwachungsverfahren angewandt werden, da die Messunsicherheiten, die es laut GIRL auszugleichen gilt, unterschiedslos sowohl im Genehmigungs- als auch Überwachungsverfahren bestehen. Eine weitergehende Begründung für diese unterschiedliche Handhabung findet sich im Auslegungshinweis zur Nr. 4.3 Abs. 4 GIRL. Danach wird der Grund für die Differenzierung zwischen Genehmigungs- und Überwachungsverfahren in der unterschiedlichen materiellen Beweislast bei nicht weiter aufklärbaren Zweifeln an der Verursachung schädlicher Umwelteinwirkungen gesehen. Im Genehmigungsverfahren müsse der Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen sichergestellt sein, weswegen Unsicherheiten in der Ermittlung der bereits bestehenden und durch die geplante Anlage künftig erhöhten Geruchsbelastungen dann zu Lasten des Antragstellers gehen. Bei Anordnungen nach § 17 BImSchG und § 24 BImSchG liege die materielle Beweislast demgegenüber bei der eingreifenden Behörde, weswegen Unsicherheiten in der Sachverhaltsfeststellung dann zugunsten des Anlagenbetreibers zu berücksichtigen seien.495 Ob sich diese Ungleichbehandlung – die den Charakter eines verschärften Bestandsschutzes hat und dem bestehenden Geruchsverursacher letztlich eine Art „Vergeruchungsbonus“ einräumt – tatsächlich mit materiellen Beweislasterwägungen sachlich rechtfertigen lässt erscheint fraglich.496 In der fachwissenschaftlichen Literatur wird jedenfalls bemängelt, dass der Faktor k zu groß bemessen sei, weswegen bereits bei wenigen positiven Begehungsergebnissen die Immissionswerte überschritten würden, was zu Lasten des Antragssteller einer Anlage gehe.497

Ebenso K. Hansmann für die TA-Lärm, NuR 1997, 53 (56). Im Ergebnis ebenso für das in der TA-Lärm bestehende vergleichbare Problem Ch. Müller, 235; H. Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA-Lärm, in: H.-J. Koch, Aktuelle Probleme, 191 (207). 497 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 45, 50 f., 79. 495 496

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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dd) Die Ausnahmetatbestände der Nr. 4.4.1 Abs. 6 bis 8 GIRL Wichtig im Rahmen der Vorbelastungsbestimmung sind schließlich noch die drei Ausnahmetatbestände der Nr. 4.4.1 Abs. 6 bis 8 GIRL. Gemäß Nr. 4.4.1 Abs. 6 GIRL kann der Antragsteller von der Ermittlung der Vorbelastung frei gestellt werden, wenn Abschätzungen zum Beispiel mittels Windrichtungshäufigkeitsverteilung, Ausbreitungsrechnung, orientierende Begehungen und ähnliches festgestellt wird, dass die Kenngröße für die vorhandene Belastung nicht mehr als 50% des Immissionswertes in Tabelle 1 beträgt. Für die Berechnung der Gesamtbelastung wird dann für die Vorbelastung die Hälfte des in Betracht kommenden Wertes eingesetzt. Die Ermittlung der vorhandenen Belastung erübrigt sich des Weiteren, wenn die Zusatzbelastung der zu genehmigenden Anlage den Irrelevanzwert von maximal 0,02 der Nr. 3.3 GIRL einhält, Nr. 4.4.1 Abs. 7 GIRL. Schließlich wird auf eine Ermittlung der Vorbelastung verzichtet, wenn keine weiteren geruchsemittierenden Anlagen existieren. Bei der Berechnung der Gesamtbelastung ist die Vorbelastung dann gleich Null zu setzen, Nr. 4.4.1 Abs. 8 GIRL. Zweck dieser „Bagatellklausel“ ist es, den zeitlichen und finanziellen Aufwand bei der Ermittlung der Vorbelastung möglichst gering zu halten.498 Ob diese Erleichterungen bei der Feststellung der Vorbelastung allerdings auch mit dem höherrangigen Bundes-Immissionsschutzgesetz vereinbar sind, hängt davon ab, ob sie zu einer Genehmigungserteilung führen können, obwohl die Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen nicht sichergestellt ist.499 Inwieweit die Schätzmethoden des Abs. 6 geeignet sind, die vorhandene Belastung zuverlässig zu schätzen, kann hier nicht beurteilt werden. Bedenken gegen die 50 %-Regelung könnten sich jedoch in den Fällen ergeben, in denen die tatsächliche Vorbelastung deutlich weniger beträgt als die Hälfte des Immissionswertes. Die Festsetzung auf ein Halb des Immissionswertes statt der Ermittlung der tatsächlichen Vorbelastung könnte sich dann zu Ungunsten des Anlagenbetreibers auswirken, mit der Folge, dass ihm aufgrund der „ungünstigen“ Schätzung die Genehmigung versagt wird, obgleich die Anlage den Immissionswert einhält. Dies könnte mit dem Genehmigungsanspruch aus § 6 Abs. 1 i. V. m. § 5 BImSchG nicht vereinbar sein. Insoweit gilt es jedoch zu beachten, dass regelmäßig so zu schätzen ist, dass das Ergebnis auf der sicheren Seite liegt.500 Im Übrigen steht es dem Antragsteller frei, aufgrund weitergehender Ermittlungen nachzuweisen, dass die Vorbelastungen deutlich geringer sind und die Immissionswerte eingehalten werden. Mit Blick auf den Schutzzweck des Gesetzes ist die 50 %-Regelung also nicht zu beanstanden. Soweit die GIRL die Bestimmung der Vorbelastung dann für entbehrlich hält, wenn die Zusatzbelastung den Irrelevanzwert einhält, ist die Nr. 4.4.1 498 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.2.1 Rn. 1; H.-J. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 186. 499 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.1.1 Rn. 7; Nr. 4.6.2.1 Rn. 3. 500 K. Hansmann, TA Luft 2002, Nr. 4.6.2.1 Rn. 8; M. J. Ohms, DVBl. 2002, 1365 (1371).

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

Abs. 7 GIRL mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht vereinbar. Wie bereits oben gezeigt wurde, ist aufgrund der Summationsproblematik nicht sichergestellt, dass eine Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen in jedem Fall gegeben ist. Ein Absehen von der Vorbelastungsbestimmung ist deshalb nicht sachgerecht. Keine Bedenken bestehen schließlich hinsichtlich der Nr. 4.4.1 Abs. 8 GIRL.

c) Die Bestimmung der Zusatzbelastung, Nr. 4.5 GIRL Anders als die Vorbelastung kann die Zusatzbelastung nur mittels Ausbreitungsrechnung ermittelt werden, Nr. 4.1 GIRL. Zu ermitteln ist die Kenngröße für die zu erwartende Zusatzbelastung entsprechend der Nr. 1 GIRL mit dem Referenzmodell AUSTAL 2000 der TA-Luft 2002, das für den Bereich der Geruchsausbreitungsrechnung durch das Modell AUSTAL 2000 G ergänzt wird. Anders als bei dem bisherigen Gaußschen Faktor 10 Modell der TA-Luft 1986 handelt es sich bei dem AUSTAL 2000 G Modell um ein Lagrange-Modell. Der Vorteil dieses Modells besteht darin, dass Gebäudeumströmungen berücksichtigt werden können, die Nahbereichsproblematik besser erfasst wird, bei entsprechend sachgerechter Validierung eine höhere Aussagesicherheit erreicht wird und die Ergebnisse nach AUSTAL 2000 G denen von Begehungen eher entsprechen. Wie erste Praxiserfahrungen zeigen, werden mit dem Geruchsausbreitungsmodell AUSTAL 2000 G deutlich weniger Geruchsstunden errechnet, als mit der alten TA-Luft 1986 / Faktor 10-Methode.501 Wie sich das Modell in der Praxis im Einzelnen bewähren wird, bleibt jedoch noch abzuwarten. Neuerungen ergeben sich auch für den Bereich der olfaktometrischen Ermittlung der Geruchsemissionen als Eingangsgröße für die Ausbreitungsrechnung. Diese sind nunmehr auf der Grundlage der Europäischen Norm EN 12735 „Luftbeschaffenheit – Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie“ zu ermitteln, die die bislang gültigen VDI-Richtlinien 2448 Blatt 1, 3882 Blätter 1 bis 4 ersetzt. Erarbeitet wurde die Europäische Norm vom Technischen Komitee 264 „Luftbeschaffenheit / Air Quality“ des Europäischen Komitee für Normung. Sie legt erstmalig eine Bezugsgröße, die sogenannte „European Reference Odour Mass“ (EROM) für die Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration und darauf aufbauend ein einheitliches Verfahren zur Auswahl der Probanden als Geruchsprüfern und zur Probenahmetechnik fest. Als Bezugsgröße dient dabei die Wahrnehmungsschwelle des Geruchsstoffes n-Butanol (CAS-Nr. 71-36-3). Diese liegt bei 123 g in einem Kubikmeter eines neutralen Gases und wird als 1 European Odour Unit pro Kubikmeter Luft (1 OUe / m3) definiert.

501 W. Bahmann / N. Schmonsees, Immissionsschutz 2005, 4 (5 f.); R. Koch, Immissionsschutz 2005, 56 ff.; A. Zenger / J. Beerhalter, Immissionsschutz 2003, 138 ff.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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d) Die Bestimmung der Gesamtbelastung, Nr. 4.6 GIRL Die Bestimmungen zum Messverfahren finden ihren Abschluss schließlich mit der Bestimmung der Gesamtbelastung. Die Kenngröße für die Gesamtbelastung ergibt sich laut GIRL aus der Addition der Kenngrößen für die vorhandene Belastung IV und der zu erwartenden Zusatzbelastung IZ, Nr. 4.6 GIRL. Sie ist auf zwei Stellen hinter dem Komma zu runden. In der fachwissenschaftlichen Literatur wird jedoch zum Teil bezweifelt, ob die einfache Addition zu sachgerechten Ergebnissen führt. In einer Stellungnahme des VDI zur GIRL heißt es, dass die einfache Addition von Wahrscheinlichkeiten entsprechend den Gesetzmäßigkeiten der Wahrscheinlichkeitstheorie schlichtweg falsch sei und zwangsläufig zu wesentlich höheren Werten führe.502 Abgesehen von der mathematischen Unzulässigkeit der Addition von Vor- und Zusatzbelastung führe dieses Verfahren in der Praxis außerdem fast immer zu Grenzwertüberschreitungen.503 Durch die gleichzeitige Festlegung von Gebietsnutzung und Zählgrenze verbleibe keinerlei Ermessensspielraum.504 Inwieweit diese Kritik zutrifft kann hier allerdings nicht beurteilt werden. Vielmehr bleibt die Beantwortung dieser Frage der fachwissenschaftlichen Literatur vorbehalten, die sich bislang allerdings bedeckt hält. 6. Die Sonderfallprüfung, Nr. 5 GIRL Abgerundet wird das Regelfallkonzept der Nr. 3 GIRL sowie das Mess- und Beurteilungsverfahren der Nr. 4 GIRL schließlich durch die Sonderfallprüfung der Nr. 5 GIRL. Mit dieser soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass angesichts der Vielzahl von Kriterien, die die Beurteilung von Gerüchen beeinflussen, ein Vergleich mit den Immissionswerten der Nr. 3.1 GIRL nicht immer ausreicht, um die belästigende Wirkung zutreffend zu erfassen. Regelmäßiger Bestandteil der Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen nach der GIRL ist deshalb im Anschluss an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit die Prüfung, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung für den jeweiligen Einzelfall bestehen, Nr. 3.1 Abs. 4 GIRL. Gemäß Nr. 5 Abs. 1 GIRL liegen derartige Anhaltspunkte dabei vor, wenn „a) auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich oder anderen nicht nach Nr. 3.1 Abs. 1 zu erfassenden Quellen auftreten oder b) Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Hedonik und Intensität der Geruchswirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger atypischer Verhältnisse trotz Einhaltung 502 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 46. 503 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J -P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 46. 504 H. de Baey-Ernsten / E. Grimm / U. Hörsting / J. Kypke / V. Nies / J.-P. Ratschow, KTBLArbeitspapier 265, 46.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

der Immissionswerte schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden (z. B. Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche) oder trotz Überschreitung der Immissionswerte eine erhebliche Belästigung der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit durch Geruchsimmissionen nicht zu erwarten ist (z. B. bei Vorliegen eindeutig angenehmer Gerüche)“. In diesen Fällen ist in einem ersten Schritt zu ermitteln, welche Geruchsimmissionen insgesamt auftreten können und welchen Anteil daran der Betrieb der zu beurteilenden Anlage verursacht, Nr. 5 Abs. 2 GIRL. Im Falle hedonisch eindeutig angenehmer Gerüche besteht dabei die Möglichkeit, deren Beitrag zur Gesamtbelastung mit dem Faktor 0,5 zu gewichten, Nr. 5 Abs. 3 GIRL. Anschließend ist in einer umfassenden Abwägung aller bedeutsamen Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen, ob die Geruchsimmissionen als erhebliche Belästigungen anzusehen sind und ob die zu beurteilenden Anlagen hierzu relevant beitragen oder nicht, Nr. 5 Abs. 2 GIRL. Als abwägungsrelevante Kriterien werden von der GIRL in Abs. 5 dabei beispielhaft genannt: der Charakter der Umgebung, planerische Ausweisungen, Nutzungsbeschränkungen, die zeitliche Verteilung der Geruchseinwirkung, die Art der Gerüche, die Intensität der Geruchseinwirkung, die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme sowie der Bestandsschutz, der der emittierenden Anlage zukommt. Aus rechtlicher Sicht ist die Sonderfallprüfung der Nr. 5 GIRL nicht zu beanstanden.505 Sie orientiert sich an den Vorgaben der Rechtsprechung zum Erheblichkeitsbegriff und greift die von ihr für wesentlich erachteten Beurteilungskriterien auf. Überraschend ist einzig und allein der Umstand, dass die Sonderfallprüfung nur hinsichtlich eindeutig angenehmer Anlagengerüche eine Ergänzung erfahren hat. Mit Blick auf den Forschungsbericht von 2003 wäre zu erwarten gewesen, dass eine entsprechende Regelung auch hinsichtlich der unangenehmen Gerüche aufgenommen wird. Die Verfasser der GIRL sahen dies allerdings als überflüssig an. Im Auslegungshinweis zu der Nr. 1 und Nr. 5 der GIRL heißt es dazu: „( . . . ) die Ergebnisse [des Hedonik-Projekts 2003] zeigen aber auch, dass bezogen auf die Hedonik nur im Fall hedonisch eindeutig angenehmer Gerüche eine Prüfung im Einzelfall angezeigt sein kann“. Wie die Verfasser der GIRL zu diesem Ergebnis gelangen bleibt offen. Dem Forschungsbericht von 2003 kann eine solche Aussage jedenfalls nicht entnommen werden.506

VI. Zusammenfassung Die GIRL ist ein technisches Regelwerk, das vom Länderausschuss für Immissionsschutz erarbeitet wurde und das der Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen dient. Ihr Ziel ist es, bis zum Erlass bundeseinheitlicher Verwal505 506

Ebenso K. Hansmann, NVwZ 1999, 1158 (1164). Siehe dazu die Ausführungen auf den S. 72 ff.

E. Die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL)

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tungsvorschriften Regelungen bereitzustellen, die einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren zur Bewertung von Geruchsimmissionen sicherstellen. Erstmals eingeführt wurde die Richtlinie im Jahr 1993. Seitdem ist sie zweimal überarbeitet worden, wobei die zweite und vorerst letzte Überarbeitung im Jahr 2004 stattfand. Diese brachte vor allem Neuerungen im Bereich der Ausbreitungsrechnung sowie im Bereich der Hedonik mit sich. Aus rechtlicher Sicht stellt die Richtlinie ein sonstiges öffentlich-rechtliches Regelwerk dar, dem keinerlei Bindungswirkung zukommt. Die für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen zentrale Vorschrift findet sich in der Nr. 3.1 GIRL. Darin werden in Abhängigkeit von verschiedenen Baugebieten Immissionswerte als Maßstab für das höchstzulässige Maß an Geruchsimmissionen festgelegt. Bei diesen Immissionswerten handelt es sich dabei um relative Wahrnehmungshäufigkeiten ausgedrückt in % der Jahressstunden. Werden die Immissionswerte eingehalten, ist in der Regel keine erhebliche Belästigung zu erwarten. Werden die Immissionswerte demgegenüber überschritten ist mit erheblichen Geruchsbelästigungen zu rechnen. In den Fällen, in denen sich der Immissionswertevergleich als nicht ausreichend erweist, um die Geruchssituation zutreffend zu beurteilen, schreibt die GIRL ergänzend noch eine Prüfung für den Einzelfall vor (Nr. 5 GIRL). In der Praxis ist dieses Regelungskonzept der GIRL sehr bald schon auf erhebliche Kritik gestoßen. Bemängelt wurde dabei vor allem, dass das vorrangige Abstellen auf die Wahrnehmungshäufigkeit als Beurteilungskriterium nicht ausreicht, um die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen adäquat zu beurteilen. Wie die Ausführungen in Punkt E. V. 2. und 3. gezeigt haben, ist diese Kritik berechtigt. Dabei weist das Regelungskonzept der GIRL insgesamt erhebliche Mängel auf. Dies betrifft zum einen das Geruchsstundenkonzept als solches. So ist ein vorrangiges Abstellen auf die Wahrnehmungshäufigkeit und eine nur ausnahmsweise Berücksichtigung der Hedonik nicht ausreichend, um die belästigende Wirkung von Gerüchen zutreffend zu erfassen. Wie jüngste Untersuchungen gezeigt haben, wirkt sich die Hedonik generell und nicht nur in besonderen Fällen stark belästigungsmodifizierend aus. Diesem Umstand wird mit dem Regel- / Sonderfallkonzept der GIRL nicht hinreichend Rechnung getragen. Zum anderen erweist sich das von der GIRL aufgestellte Bewertungsraster in der Nr. 3.1 GIRL als viel zu grob. So reicht die Festsetzung eines einzigen Immissionswertes für Gebiete unterschiedlicher Art und Nutzung nicht aus, um ein gebietsadäquates Immissionsniveau zu gewährleisten. Die Regelung bezüglich der Zuordnung der „sonstigen Gebiete“ ist nur bedingt brauchbar. Der Auslegungshinweis zur Nr. 3.1 GIRL – das Dorfgebiet betreffend – ist weder mit den Vorgaben des § 5 BauNVO noch mit der kommunalen Planungshoheit vereinbar. Die Gemengenlageproblematik wird von der GIRL überhaupt nicht angesprochen. Auch die Höhe der beiden Immissionswerte der GIRL wirft Fragen auf. Schließlich erweist sich auch die Irrelevanzklausel der Nr. 3.3 GIRL als mit dem Schutzgrundsatz des Gesetzes unvereinbar.

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1. Teil: Das Öffentliche Immissionsschutzrecht

In Anbetracht dieser Sachlage kann das derzeitige Regelungskonzept der GIRL nicht als ausreichend angesehen werden, um den Erheblichkeitsbegriff des § 3 Abs. 1 BImSchG gesetzeskonform zu konkretisieren.507 Um das seinerzeit gesteckte Ziel – eine brauchbare Regelung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen zur Verfügung zu stellen – zu erreichen, müsste die GIRL in wesentlichen Teilen nochmals überarbeitet werden. Wünschenswert wäre dabei eine Regelung, die sowohl den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes als auch den Wertungen des Bauplanungsrechts Rechnung trägt und so einen umfassenden Immissionsschutz gewährleistet. Als Orientierungshilfe könnte dabei das Regelungskonzept TA-Lärm 1998 mit ihrem sehr detaillierten, gebietsbezogenen Bewertungsraster dienen.

507 Ebenso Ch. Moench / Ch. Hamann, DVBl. 2004, 201 (207); R. Steiling, in: KTBL-Arbeitspapier 275, 60 (64).

Zweiter Teil

Das Umweltprivatrecht A. Die Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 906 BGB I. Allgemeines Geruchsbelästigungen spielen nicht nur im Bereich öffentlich-rechtlicher Genehmigungsentscheidungen eine Rolle, vielmehr können sie auch im nachbarschaftlichen Nebeneinander zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen führen. Anders als im Bereich des Öffentlichen Rechts steht dabei nicht die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung im Mittelpunkt, vielmehr geht es darum, welche Geruchsbeeinträchtigungen der Grundstückseigentümer im Rahmen des nachbarschaftlichen Verhältnisses hinzunehmen hat und welche nicht. Die streitentscheidenden Normen finden sich deshalb für diesen Bereich nicht im Öffentlichen Immissionsschutzrecht, sondern im Privaten Immissionsschutzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, wo für den nachbarschaftlichen Interessenausgleich spezifische Abwehr- und Unterlassungsansprüche vorgesehen werden, §§ 1004, 906 BGB. Die wohl wichtigste Norm im Zivilrecht zur Beurteilung der Zulässigkeit von Gerüchen ist dabei § 906 BGB.508 Darin heißt es: „Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. ( . . . ) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind“, § 906 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB. § 906 BGB statuiert also eine privatrechtliche Duldungspflicht dergestalt, dass nicht jedwede Einwirkung des Nachbargrundstücks abgewehrt werden kann, sondern nur solche, die die Benutzung des immissionsbetroffenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigen und ortsunüblich sind. Nur in diesem Fall liegen die 508

W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 12 Rn. 24; M. Kloepfer, § 6 Rn. 36.

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2. Teil: Das Umweltprivatrecht

Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1004, 906 BGB vor, und es kann auf Beseitigung und / oder Unterlassung der Beeinträchtigung geklagt werden.509 In allen übrigen Fällen ist die Beeinträchtigung demgegenüber zu dulden und der betroffene Grundstückseigentümer kann allenfalls einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, soweit „die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt“, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Im Falle hoheitlicher Beeinträchtigungen steht dem Grundstückseigentümer schließlich noch die Möglichkeit einer öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsklage zur Verfügung, soweit ihm eine solche Klage nicht wegen überwiegender Gemeinwohlbelange versagt wird. Soweit hoheitliche Immissionen nicht geduldet zu werden brauchen, stellen sie sich als rechtswidrig dar und sind daher unter den Voraussetzungen des enteignungsgleichen Eingriffs entschädigungsfähig.510

II. Wesentlichkeit von Geruchsbeeinträchtigungen, § 906 Abs. 1 BGB 1. Der differenziert-objektive Beurteilungsmaßstab Wie sich aus § 906 BGB ergibt, beurteilt sich die nachbarrechtliche Zulässigkeit von Geruchsbeeinträchtigungen zunächst danach, ob sie als „wesentlich“ zu qualifizieren sind oder nicht. Lange Zeit war dabei unklar, welcher Bewertungsmaßstab an das Kriterium der „Wesentlichkeit“ anzulegen ist. Mittlerweile ist diese Frage geklärt. So entspricht es inzwischen der ganz herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung, dass der Begriff der „Wesentlichkeit“ des § 906 Abs. 1 BGB und der der „Erheblichkeit“ des § 3 Abs. 1 BImSchG identisch sind.511 In der hierzu maßgeblichen Volksfest-Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1990 heißt es dazu: „Wesentliche Geräuschimmissionen i. S. von § 906 BGB sind identisch mit den erheblichen Geräuschbelästigungen und damit schädlichen Umwelt509 Diese zivilrechtlichen Abwehransprüche bleiben dabei grundsätzlich auch unbeschadet etwaiger bau- oder immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen bestehen, sogenannte Zweigleisigkeitsthese. Einzig für den Bereich der immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtigen Anlagen gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG, 4. BImSchV ist § 14 BImSchG zu beachten. Dieser enthält einen Ausschluss privatrechtlicher Ansprüche und beschränkt den Abwehranspruch aus § 1004 BGB gegenüber einer nicht schon nach § 906 BGB nicht abwehrbaren Einwirkung auf Schutzmaßnahmeansprüche bzw. ersetzt diesen durch einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch. Siehe dazu: P. Bassenge, in: Palandt, § 906 BGB Rn. 30, 32; A. Lorenz, in: Erman, BGB Band II, § 906 Rn. 29; M. Kloepfer, § 6 Rn. 18; J. Wilhelm, Rn. 714 ff. 510 P. Kothe, NuR 1998, 240 (245). 511 BGH, Urteil vom 23. 3. 1990, Az. V ZR 58 / 89, NJW 1990, 2465 f.; BGH, Urteil vom 26. 9. 2003, Az. V ZR 41 / 03, NJW 2003, 3699 (3699); OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. 5. 2001, Az. 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1236 (1237); P. Bassenge, in: Palandt, § 906 BGB Rn. 16; H. Hagen / A. Lorenz, in: Erman, § 906 BGB Rn. 15.

A. Die Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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einwirkungen i. S. von § 3 I, § 22 I BImSchG. Es besteht kein Anlass, die grundlegenden Maßstäbe, mit denen das private und das öffentliche Immissionsschutzrecht die Grenze für eine Duldungspflicht bestimmen, nämlich einerseits Wesentlichkeit und andererseits Erheblichkeit, unterschiedlich auszulegen“.512 Damit hat das Gericht klar zu erkennen gegeben, dass die Bestimmung der Wesentlichkeit von Immissionen nach § 906 BGB keinen anderen Beurteilungsmaßstäben unterliegt, als die entsprechenden öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzbestimmungen der §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG. Wie im Bereich des Öffentlichen Rechts auch kommt es damit also im Bereich des privaten Immissionsschutzrechts für die Bestimmung der Wesentlichkeit auf eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles durch das Tatsachengericht an.513 Im Rahmen dieser Interessenund Güterabwägung geht die Rechtsprechung dabei regelmäßig von einem differenziert-objektiven Beurteilungsmaßstab aus.514 „Objektiv“ erfolgt die Beurteilung insoweit, als auf das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen abgestellt wird.515 Besondere Empfindlichkeiten bzw. Belastbarkeiten des im Einzelfall Betroffenen bleiben wie im Öffentlichen Recht außer Betracht.516 Zugleich erfolgt die Beurteilung „differenziert“, als es regelmäßig auf einen Durchschnittsbenutzer des konkret betroffenen Grundstücks ankommt.517 Maßgebend für die Bestimmung der Wesentlichkeit ist also die Benutzung des beeinträchtigten Grundstücks in seiner konkreten Beschaffenheit.518 Insoweit spielen die Natur des Grundstücks sowie seine tatsächliche Zweckbestimmung eine wichtige Rolle.519 Aber auch die Einbindung des Grundstücks in die Außenwelt, insbesondere der Gebietscharakter der unmittelbaren Grundstücksumgebung sowie seine konkrete örtliche Lage, können für das Merkmal der Wesentlichkeit von erheblicher Bedeutung sein.520 So hat das Oberlandesgericht Hamm zum Beispiel entschieden, dass bei der Frage des Ausmaßes landwirtschaftlicher Geruchsbelästigung die Wesentlichkeitsschwelle nach § 906 BGB in einem ländlich geprägten Umfeld höher anzusetzen ist, als in einem reinen Wohngebiet.521 Auch der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil aus dem Jahr 1998 hinsichtlich der Wesentlichkeit von Gerüchen aus der SchweiBGH, Urteil vom 23. 3. 1990, Az. V ZR 58 / 89, NJW 1990, 2465 (2465 f.). So für den Bereich Lärm: BGH, Urteil vom 10. 12. 2004, Az. V ZR 72 / 04, NJW 2005, 660 (663); für Geruchsimmissionen OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. 5. 2001, Az. 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1236 (1237); J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 49; A. Lorenz, in: Erman, BGB Band II, § 906 Rn. 19. 514 BGHZ 120, 239 (255); BGHZ 140,1; BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, JZ 1999, 468 (469). 515 J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 42; H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 159. 516 J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 42. 517 J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 43; H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 159. 518 H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 161. 519 P. Bassenge, in: Palandt, § 906 BGB Rn. 16; H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 159. 520 J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 44. 521 OLG Hamm, Urteil vom 8. 10. 2002, Az. 34 U 25 / 01. 512 513

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2. Teil: Das Umweltprivatrecht

nemast darauf ab, dass das geruchsbelastete Wohngrundstück in einem typischen Dorfgebiet (§ 5 BauNVO) mit landwirtschaftlichem Gepräge liegt und demzufolge eine Vorbelastung in Bezug auf landwirtschaftstypische Gerüche besteht.522 Soweit es auf die konkrete Beschaffenheit des Grundstücks ankommt, kann schließlich auch von Bedeutung sein, ob Gebiete unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit zusammen treffen. In diesem Fall ist unter Heranziehung des Grundsatzes des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme ein Ausgleich zwischen den Gebietstypen herbeizuführen. Dabei muss der Belästigte Nachteile hinnehmen, die er außerhalb von derartigen Grenzgebieten nicht hinzunehmen hat. Ferner kann auch das Vorliegen einer behördlichen Genehmigung für die Bestimmung der Wesentlichkeit von Geruchsbelästigungen von Bedeutung sein.523 So hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 1999 entschieden, dass es rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung eher einen strengen Maßstab heranzieht, weil die Klägerin ihre Schweinemast ohne die erforderliche behördliche Genehmigung betreibt. „Dieser Gesichtspunkt ist ein sachgerechter Ansatz. Zwar schließt die behördliche Genehmigung in der Regel den Eigentumsabwehranspruch nicht aus. Umgekehrt kann aber das Fehlen einer notwendigen behördlichen Genehmigung für den Betrieb einer Anlage die Prüfung der Wesentlichkeit jedenfalls solange beeinflussen, als nicht feststeht, dass sie ohne Einschränkungen genehmigungsfähig ist“.524 Keine Rolle für das Tatbestandsmerkmal der Wesentlichkeit spielen demgegenüber planerische Festsetzungen in Raumordnungs- oder Bauleitplänen.525 Auch die gesetzgeberische Privilegierung der bodengebundenen Landwirtschaft im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll keine Rolle für die Wesentlichkeitsfrage spielen.526 Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs dient die darin zum Ausdruck kommende Wertung anderen Zielen und Zwecken als § 906 BGB und erlaubt deshalb keinen Rückschluss auf die Erheblichkeit einer Geruchsbelästigung. Schließlich gilt es noch zu beachten, dass die Rechtsprechung generell dazu neigt, bei der Bestimmung der Wesentlichkeit einen eher strengeren Maßstab anzulegen.527 So hat das Oberlandesgericht Brandenburg speziell für den Bereich der Geruchsbelästigungen erst kürzlich entschieden, dass das Landgericht bei seiner Prüfung der Wesentlichkeit rechtsfehlerhaft darauf abgestellt habe, ob die Gerüche, die vom Grundstück des Beklagten ausgehen, Ekel erregend sind. „Dies mag maßgeblich dafür sein, ob die Voraussetzungen einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsuntersagung vorliegen, nicht jedoch für das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 1004 BGB. Für ein Wohngrundstück ist maßgeblich, ob das 522 523 524 525 526 527

BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, JZ 1999, 468 (469). Kritisch insoweit J. Petersen, JZ 1999, 471 (471). BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, JZ 1999, 468 (470). H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 162. BGH, Urteil vom 30. 10. 1998, Az. V ZR 64 / 98, JZ 1999, 468 (470). H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 159.

A. Die Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

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Wohnen durch die Beeinträchtigung an Annehmlichkeiten verliert und der Grundstückswert gemindert wird. Geräusch- und Geruchsimmissionen sind danach erst unwesentlich, wenn der Durchschnittsmensch sie kaum noch empfindet (BGH, NJW 1982, 440). Maßgeblich ist daher, wie sich die Gesamtsituation für das Grundstück des Geschädigten darstellt, das heißt die Ortsüblichkeit der Immissionen“.528

2. Die Bedeutung von Grenz- und Richtwerten Wie sich aus dem Wortlaut des § 906 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB weiter entnehmen lässt, spielen für die Bestimmung der Wesentlichkeit von Beeinträchtigungen auch Grenz- und Richtwerte eine wichtige Rolle. So soll eine unwesentliche Beeinträchtigung in der Regel dann vorliegen, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches soll für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften gelten, die nach § 48 BImSchG erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben. Das Gesetz stellt also bzgl. der Grenz- und Richtwerte eine Art Regelvermutung auf. Werden die Grenz- und Richtwerte danach eingehalten, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung unwesentlich ist, soweit die Einwirkung entsprechend den Vorschriften des Abs. 1 Satz 2 und 3 ermittelt und bewertet wurde.529 Werden die Werte demgegenüber überschritten, kann daraus nicht zwingend auf eine wesentliche Beeinträchtigung geschlossen werden. Vielmehr kommt der Überschreitung dann nur eine indizielle Wirkung bei.530 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung der sich Anfang der 90er Jahre abzeichnenden Harmonisierung öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Beurteilungsstandards durch die Rechtsprechung Rechnung tragen. Wie bereits im 2. Teil dieser Arbeit festgestellt wurde, fehlt es bislang im Bereich der Geurchsimmissionen allerdings an einem rechtlich verbindlichen Beurteilungsmaßstab zur Bestimmung der Wesentlichkeit / Erheblichkeit von Geruchseinwirkungen. Die VDI-Richtlinie 3471 sowie die GIRL erfüllen die formalen Voraussetzungen des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht. Dies hindert die Zivilgerichte jedoch nicht daran, sie gleichwohl als Orientierungs- und Entscheidungshilfe im Rahmen der Gesamtwürdigung heranzuziehen. 531 528 OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2003, Az. 5 U 245 / 01, 11. Andere Auffassung jedoch OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. 5. 2001, Az. 6 U 223 / 00, NJW-RR 2001, 1236 (1237), das für die Frage der Wesentlichkeit darauf abstellt, ob die Gerüche Ekel erregend wirken oder nicht. 529 P. Bassenge, in: Palandt, § 906 BGB Rn. 18; F. J. Säcker, in: MüKo, § 906 BGB Rn. 31. 530 P. Bassenge, in: Palandt § 906 BGB Rn. 18; F. J. Säcker, in: MüKo, § 906 BGB Rn. 31. 531 OLG Karlsruhe, NJW-RR 2001, 1236 (1237).

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So hat das Oberlandesgericht Hamm zum Beispiel entschieden, dass „gegen die Geruchsbelästigungen von einem landwirtschaftlichen Betrieb in einem dörflichen Gebiet keine nachbarrechtlichen Abwehransprüche bestehen, wenn die Geruchsimmissionen auf Grund der Feststellung des hinzugezogenen Sachverständigen nach der VDI-Richtlinie 3471 und der Geruchsimmissons-Richtlinie (GIRL) nicht als wesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB anzusehen sind“.532 Was die konkrete Eignung der einzelnen privaten Regelwerke anlangt, gilt das im zweiten Teil dieser Arbeit bereits Gesagte entsprechend.

III. Die Ortsüblichkeit und wirtschaftliche Zumutbarkeit, § 906 Abs. 2 BGB 1. Die Ortsüblichkeit a) Allgemeines Sind die Geruchsbeeinträchtigungen nach dem oben Gesagten als „wesentlich“ einzustufen, müssen sie gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gleichwohl hingenommen werden, wenn sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt werden und nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Grundstücksbenutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Für die Bestimmung der Ortsüblichkeit kommt es also anders als im Falle der Wesentlichkeit auf die Benutzung des störenden und nicht auf die des gestörten Grundstücks an. Die Ortsüblichkeit ist dabei nach herrschender Auffassung dann als gegeben anzusehen, wenn im maßgeblichen Vergleichsgebiet eine Mehrheit von Grundstücken mit nach Art und Umfang annähernd gleich beeinträchtigender Wirkung auf andere Grundstücke benutzt werden.533 b) Das Vergleichsgebiet Das Vergleichsgebiet ist dabei keine feststehende Größe, sondern muss von Fall zu Fall neu bestimmt werden. Grundsätzlich ist dabei von dem gesamten Gemeindegebiet, der gesamten Stadt oder dem gesamten Dorf als Vergleichsgebiet auszugehen.534 Zwingend geboten ist dies allerdings nicht. Im Einzelfall kann vielmehr auch die Art der Benutzung nur eines Grundstücks den Gebietscharakter prägen.535 So ist zum Beispiel die Ortsüblichkeit von landwirtschaftlichen TiergeOLG Hamm, Urteil vom 8. 10. 2002, Az. 34 U 25 / 01. OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2003, Az. 5 U 245 / 01, 11; P. Bassenge, in: Palandt, § 906 BGB Rn. 20; H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 182. 534 J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 123; H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 184. 532 533

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rüchen nicht bereits deshalb zu verneinen, weil auf keinem anderen Grundstück in der näheren Umgebung Viehhaltung betrieben wird.536 Für die Ortsüblichkeit ist vielmehr entscheidend, ob sich das Grundstück in einer ländlichen Umgebung mit Agrarstruktur befindet und sich die Tierhaltung des störenden Grundstücks in diese Gebietssituation einfügt.537 Ist dies der Fall, dann ist die Ortsüblichkeit selbst dann zu bejahen, wenn auf keinem anderen Grundstück in der Umgebung Viehhaltung betrieben wird. Maßgebend für die Ortsüblichkeit ist also, ob sich die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des emittierenden Grundstücks in die nähere Umgebung tatsächlich einfügt oder nicht.

c) Die rechtliche Zulässigkeit der beeinträchtigenden Nutzung In diesem Zusammenhang kann auch die rechtliche Zulässigkeit der beeinträchtigenden Nutzung von Bedeutung sein. So hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil aus dem Jahr 1998 entschieden, dass Geruchsbelästigungen aus einer Schweinemästerei nicht ortsüblich sind, wenn die Anlage ohne die notwendige baurechtliche Genehmigung betrieben wird. In den Entscheidungsgründen hierzu heißt es: “ Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht den Schweinemastbetrieb der Beklagten schon deshalb als nicht mehr ortsüblich, weil die Beklagte die Anlage ohne Genehmigung betreibt. ( . . . ) Gerade die erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung ist das Mittel zur Beurteilung der „konkreten Ortsüblichkeit“, weil sie einen nachprüfbaren und zutreffenden Immissionsschutz einschließt. Freilich vermag eine vorhandene Genehmigung nicht automatisch die Ortsüblichkeit zu begründen, ihr Fehlen schließt aber die Ortsüblichkeit aus“.538

d) Raumordnungs- und Bauleitpläne Demgegenüber spielen für die Frage des Einfügens in das Vergleichsgebiet die Zweckbestimmungen in Raumordnungs- und Bauleitplänen keine Rolle.539 Diese können nach ganz herrschender Auffassung allenfalls ein Indiz für die Ortsüblichkeit sein, sind aber nicht als bindend anzusehen540, da der Bebauungsplan zivilrechtlich keine abschließende Feststellung über die Nutzung eines Grundstücks trifft und im gesamten Fachplanungsrecht der Schutz privater Belange nur ein ab535 J. F. Baur, in: Soergel, § 906 BGB Rn. 124; W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 12 Rn. 28; H. Marx, RdL 1999, 255 (257). 536 OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2003, Az. 5 U 245 / 01, 13; F. J. Säcker, in: MüKo, § 906 BGB Rn. 112. 537 F. J. Säcker, in: MüKo, § 906 BGB Rn. 112. 538 BGH, Urt. v. 30. 10. 1998 Az. V ZR 64 / 98, JZ 1999, 468 (470). 539 H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 188. 540 OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2003, Az. 5 U 245 / 01, 11.

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2. Teil: Das Umweltprivatrecht

zuwägender Belang von mehreren ist.541 Demzufolge hat das Oberlandesgericht Brandenburg zum Beispiel für die Bestimmung der Ortsüblichkeit von Gerüchen aus der Nutztierhaltung (Rinder, Schweine, Hühner) auch nicht darauf abgestellt, dass sich das störende Grundstück laut Bebauungsplan in einem „Allgemeinen Wohngebiet“ befindet.542 Vielmehr hat es als Bewertungsmaßstab die tatsächliche Umgebung herangezogen, die eine offene Siedlungsstruktur mit durchaus ländlichem Gepräge aufwies, und die Ortsüblichkeit der Viehhaltung im Allgemeinen Wohngebiet deshalb bejaht.543

e) Gleichartige Störungen Damit die Ortsüblichkeit bejaht werden kann, müssen schließlich die von dem beeinträchtigenden Grundstück ausgehenden Geruchseinwirkungen mit den sonst dort anzutreffenden Immissionen vergleichbar sein.544 Dies setzt eine gewisse Gleichartigkeit hinsichtlich Art und Maß der Beeinträchtigungen voraus. So können Geruchsbelästigungen zum Beispiel nicht mit Lärmbelästigungen verglichen werden. Auch können ortsübliche landwirtschaftliche Tiergerüche mangels Vergleichbarkeit hinsichtlich der Art, Intensität und Wirkungsweise auf den Menschen weder die Ortsüblichkeit von anders wirkenden Tiergerüchen noch von Chemie- oder sonstigen Industriegerüchen begründen.545 Keine Rolle spielt es demgegenüber, wenn gleichartige Geruchsimmissionen auf unterschiedliche Art und Weise erzeugt werden.546

2. Wirtschaftliche Zumutbarkeit Ist die Ortsüblichkeit gegeben, brauchen wesentliche Geruchsbeeinträchtigungen nur dann hingenommen zu werden, wenn sie nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die den Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind, § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Unter wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen sind dabei alle technischen Einrichtungen sowie betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten zu verstehen, die die Beeinträchtigung unter die Schwelle der Wesentlichkeit herabsetzen.547 Für die vom Störer zu ergreifenden Maßnahmen gelten dabei die Prinzipien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit; das heißt die Maß541 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 12 Rn. 28; F. J. Säcker, in: Müko, § 906 BGB Rn. 190. 542 OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2003, Az. 5 U 245 / 01, 11 f. 543 OLG Brandenburg, Urteil vom 27. 3. 2003, Az. 5 U 245 / 01, 13. 544 H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 187; J. Säcker, in: MüKo, § 906 BGB Rn. 112. 545 J. Säcker, in: MüKo, § 906 Rn. 112. 546 H. Roth, in: Staudinger, § 906 BGB Rn. 187. 547 W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 12 Rn. 29.

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nahme muss technisch durchführbar, effizient und schließlich Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sein.548 Würde die Maßnahme soviel Aufwendungen verlangen, dass der Betrieb langfristig nicht mehr rentabel geführt werden könnte, so ist die Zumutbarkeit zu verneinen.549 Speziell für den Bereich der Geruchsemissionen liefert die Nr. 5.4.7.1 TA-Luft 2002 einen wichtigen Anhaltspunkt hinsichtlich etwaiger Abwehrmaßnahmen. In ihrem Absatz 2 enthält sie zahlreiche bauliche und betriebliche Vorgaben, die der Vermeidung und Verminderung von Geruchsemissionen dienen und für den Anlagenbetreiber in aller Regel auch wirtschaftlich zumutbar sind. Daneben kommt als ultima ratio schließlich auch noch die Einstellung des Betriebs der Tierhaltungsanlage in Betracht. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Betrieb immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftig ist und damit nicht dem besonderen Bestandsschutz des § 14 BImSchG unterfällt. Andernfalls kann nach § 14 Satz 2 BImSchG bzw. allgemein nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, insbesondere auch bei Bejahung der Ortsüblichkeit und Verneinung der Verhinderungsmöglichkeit durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen, nur ein angemessener Anspruch in Geld gefordert werden, soweit durch die von dem fremden Grundstück ausgehenden Geruchsbelästigungen die ortsübliche Benutzung des eigenen Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt werden.550

IV. Zusammenfassung Die zentrale Norm für die Beurteilung der Zulässigkeit von Geruchsimmissionen im Privaten Recht ist § 906 BGB. Nach dieser Vorschrift sind Geruchsimmissionen zu dulden, wenn sie (1) unwesentlich sind oder (2) wesentlich aber ortsüblich sind und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können. Das Kriterium der Wesentlichkeit unterliegt dabei keinem anderen Beurteilungsmaßstab als die entsprechende Bestimmung in den §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 BImSchG. Wie im Bereich des Öffentlichen Rechts kommt es für die Bestimmung der Wesentlichkeit auch auf eine umfassende Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalles durch das Tatsachengericht an. Zusätzlich können Grenz- und Richtwerte in öffentlich-rechtlichen Regelwerken dabei eine wichtige Rolle spielen. Im Unterschied zum Öffentlichen Immissionsschutzrecht wird das Merkmal der Wesentlichkeit im Privaten Umweltrecht allerdings rein faktisch verstanden, das heißt planerische Festsetzungen in Raumordnungs- und Bauleitplänen spielen für die Bestimmung der Wesentlichkeit keine Rolle. Dies gilt im Ergebnis auch für das Kriterium der Ortsüblichkeit. Während sich das Öffentliche Immissionsschutz548 549 550

W. Hoppe / M. Beckmann / P. Kauch, § 12 Rn. 29. F. J. Säcker, in: MüKo, § 906 BGB Rn. 118. H. Marx, RdL 1999, 255 (257).

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2. Teil: Das Umweltprivatrecht

recht insoweit an der planungsrechtlich zulässigen Nutzung bzw. der genehmigten Nutzungsart und -umfang orientiert, stellt das Private Immissionsschutzrecht ausschließlich auf die tatsächlichen Gegebenheiten ab, die das nachbarschaftliche Verhältnis prägen. Ortsüblichkeit ist dementsprechend dann als gegeben anzusehen, wenn im maßgeblichen Vergleichsgebiet eine Mehrheit von Grundstücken mit nach Art und Umfang annähernd gleich beeinträchtigender Wirkung auf andere Grundstücke benutzt werden. Bauplanungsrechtliche Festsetzungen spielen insoweit keine Rolle. Damit weicht also das Private Umweltrecht vom Öffentlichen Immissionsschutzrecht ab. Während sich das Öffentliche Immissionsschutzrecht ausschließlich an objektiven Kriterien und gesetzlichen Wertungen orientiert, spielt im Privaten Immissionsschutzrecht die tatsächliche Nutzung im Vergleichsgebiet die entscheidende Rolle. Somit ermöglicht das Private Umweltrecht einen über das Öffentliche Recht hinausgehenden Nachbarschutz und stellt so eine notwendige Ergänzung zum Öffentlichen Recht dar.

Schlusswort Die zu Beginn dieser Arbeit gestellte Frage lautete, wann Gerüche aus rechtlicher Sicht eine „erhebliche Belästigung“ darstellen und wann nicht. Wie die Ausführungen in dieser Arbeit gezeigt haben, kann eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage nicht gegeben werden. Der Grund hierfür liegt darin, dass es nicht möglich ist, die Zumutbarkeit von Gerüchen messtechnisch zu erfassen. Bei der Geruchswahrnehmung handelt es sich um eine rein subjektive Sinneswahrnehmung. Als solche wird sie zwar auch von objektiven und damit objektivierbaren Faktoren beeinflusst wie dem Ort, der Zeit, der Häufigkeit und Dauer des Auftretens von Gerüchen. Letztlich entscheidend für die Frage, ob ein Geruch belästigend wirkt, ist jedoch das subjektive Empfinden und die subjektive Disposition des jeweiligen Rezipienten. So hängt die Geruchswahrnehmung und -bewertung zum Beispiel sehr stark vom Alter, der physischen und psychischen Verfassung aber auch von der Bildung und dem sozialen Umfeld des Betroffenen ab. Aus der Praxis ist etwa bekannt, dass Anwohner, die die Errichtung oder den Betrieb geruchsemittierender Anlagen in ihrer Nachbarschaft ablehnen, diesbezüglich negativ sensibilisiert sind bzw. bereits geringfügige Geruchsereignisse missbillligend bewerten. Diese subjektiven Faktoren lassen sich messtechnisch nicht erfassen bzw. in einem Messwert quantifizierend angeben. Soweit also technische Regelwerke Kriterien zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Gerüchen zu Verfügung stellen, stellen sie immer nur eine Annäherung an das Problem „Geruchsbelästigung“ dar. Eine abschließende Beurteilung einer Geruchssituation erlauben sie hingegen nicht. Erforderlich ist insoweit vielmehr stets eine umfassende Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles, bei der auch wertende Elemente wie die Hedonik, die Geruchsart aber auch die soziale Adäquanz und Akzeptanz mitbestimmend sind.

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Stichwortverzeichnis Abgasreinigungseinrichtung 54 Abstandsermittlung 35 Abstandskurven 36, 56 Akzeptorbezogener Ansatz 20 ff., 85 Anlagen – genehmigungsbedürftige 16 f., 70, 75 – nicht genehmigungsbedürftige 16 f., 70, 75 Anlagenbezogener Ansatz 21 Antizipiertes Sachverständigengutachten 33 f., 48, 69 Atypischer Sachverhalt 49, 64, 71 Ausbreitungsrechnung 84 Ausbreitungssimulation 73, 118 Ausnahmetatbestände 117 Außenbereich 23, 36, 57, 99, 104 AUSTAL 2000 G 66, 71, 78, 101 ff., 118 Bagatellbeeinträchtigung 19 Bagatellklausel 117 Bauleitpläne 129 Baunutzungsverordnung 24, 57 f., 88, 92 Bebauungsrechtliche Prägung 21 Begehung 73, 114 – Fahnenbegehung 114 – Rasterbegehung 84, 114 ff. Belästigung 18 Beurteilungsfläche 112, 113 Beurteilungsgebiet 112 f. Beurteilungsspielraum 67 f. Bindungswirkung 47 f. Bundes-Immissionsschutzgesetz 16 ff. Differenziert-objektiver Beurteilungsmaßstab 124 Doppelnatur 34 Dorfgebiet 24 f., 57 f., 64, 91 f., 97, 98 f., 103 f. Duldungspflicht 123 Durchschnittsbetroffenheit 26 f.

Einwirkungsbereich 112 Einwirkungsort 21, 22 Einzelfallprüfung 19, 28, 37, 59, 71 ff. Emissionsbegrenzung 41 EN 12735 118 Erheblichkeit 19 ff., 70 f., 88 Erkenntnisfortschritt 49 Ermessensspielraum 67 f. Exekutivisches Binnenrecht 47, 67 Faktor 0,5 72, 82, 120 Faktor 10 Modell TA Luft 1986 77 f., 118 Ferntransport 112 Freiraumtheorie 41 Gaußmodell 73 Gebietsdifferenzierung 87 ff. Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme 25 f., 58, 72 Gefahr 18 Gemengelage 25 f., 94 Geruchsart 79 Geruchsbelästigung 18, 60 Geruchsintensität 79, 82 Geruchsschwelle 62 Geruchsschwellenentfernung 43, 59 Geruchsstunde 70, 73, 80, 82 f., 84 f. Geruchsstundenkonzept 65, 70 f., 81, 83 f., 85, 110 Geruchszeitanteil 83 f. Gesamtbelastung 20, 111, 119 Gewerbegebiet 70, 89, 97 GIRL 65 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz 67 Grenzwert 95, 127 Großvieheinheit 36, 56 Gründruck 30 Hedonik 79, 80, 81

144

Stichwortverzeichnis

Immission 17, 21, 22 Immissionskenngrößen 71 Immissionskontingentierung 87 Immissionswerte 69 f., 78 f., 95 f. Incremental summierte Gefahr 107 f. Industriegebiet 70, 89, 97 Irrelevanzklausel 71, 105 ff.

Richtwert 95, 127

Kausalität 107 Kommunale Planungshoheit 93 f. Konfligierende Nutzung 43 Korrekturfaktor k 115

Schädliche Umwelteinwirkung 17 ff., 79 Schutzgrundsatz 38 Schutzpflicht 39 f., 44 Schutzwürdigkeit 22, 88, 89 f. Selbstbindungslehre 67 Sicherheitszuschlag 43, 56, 59 Sonderfallprüfung 59, 70, 71 ff., 82, 86, 119 ff. Sonstige Gebiete 90 f., 111, Summationsrisiko 108

Länderausschuss für Immissionsschutz 47, 65 f., 68 f. Luftqualitätsrahmenrichtlinie 46

TA Lärm 111 TA Luft 2002 46 ff., 76 Technische Regelwerke 28 f.

Materielle Beweislast 116 Messunsicherheit 116 Messverfahren 111 ff. Mindestabstände 35, 43 ff., 55 f., 76 f. Mischgebiet 70, 89, 97 Mittelwert 25, 94 MIU Studie 1992 79 ff., 96

Umweltprivatrecht 123

Nachteil 18 Nordrhein-Westfälischer Durchführungserlass 61 ff. Normative Privilegierung 24 Norminterpretierende Verwaltungsvorschrift 49 Normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift 48 f., 52 f. ODIF Modell VDI-Richtlinie 3782 / 4 77 Öffentliches Immissionsschutzrecht 16 ff. Ortsüblichkeit 128 f. Punktebewertung 36 Punktzahl 35 f. Raumbezogene Immissionsgrenzwerte 40 Raumordnungspläne 129 Rechtsweggarantie 50 f. Regelfallprüfung 70 f. Richtlinienentwurf 31

VDI-Richtlinie 3471 30 ff., 70, 76 f. VDI-Richtlinie 3474 30 VDI-Richtlinie 3788 71 VDI-Richtlinie 3940 70 Vergeruchungsbonus 116 Vergleichsgebiet 128 Verhältnismäßigkeit 55, 76 Verwaltungsvorschrift 47, 61, 67 Verweisung 32 Vorbelastung 22, 111, 113 f. Vorsorgegrundsatz 39, 46, 59 f. Vorsorgemaßnahme 41 f. Vorsorgepflicht 40 f., 61 Wahrnehmbarkeitsschwelle 45 Wahrnehmungshäufigkeit 78 ff., 96, 110 Weißdruck 30 Wesentlichkeit 124 f. Wesentlichkeitstheorie 51 Windhundprinzip 87 Wirtschaftliche Zumutbarkeit 140 Wohngebiet 64, 70, 89 Zersiedelung 37 Zumutbarkeit 19, 23, 25, 60, 106 Zusatzbelastung 111, 118 f. Zweistufiges Anforderungskonzept 55