Die Bestatigung Nichtiger Rechtsgeschafte Nach 141 Bgb (German Edition) 3428064666, 9783428064663


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German Pages 275 [278] Year 1989

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Die Bestatigung Nichtiger Rechtsgeschafte Nach 141 Bgb (German Edition)
 3428064666, 9783428064663

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MARKUS MÜLLER

Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte nach § 141 BGB

Berliner Juristische Abhandlungen unter Mitwirkung von Manfred Harder und Georg 1bielmann herausgegeben von

Ulrich von Lübtow Band 34

Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte nach § 141 BGB Von Dr. Markus Müller

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Müller, Markus:

Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte nach § 141 BGB I von Markus Müller. - Berlin : Duncker u. Humblot, 1989 (Berliner Juristische Abhandlungen ; Bd. 34) Zug!.: Mainz, Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06466-6 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Irma Grininger, Berlin 62 Druck: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06466-6

Meinen Eltem in Dankbarkeit

Vorwort

,,Scire Ieges non hoc est verba earum tenere, sed vim ac potestatem" (Cels.D.I.3.l7). Dieser Satz des römischen Juristen Celsus ist auch heute noch aktuell: Um einen Gesetzestext zu verstehen, genügt nicht die Kenntnis seines Wortlauts, sondern es gilt, seinen Sinn zu ermitteln. Kann es da auf dem Felde des BGB nach 87 Jahren des Umgangs mit diesem Gesetzbuch noch "Entdeckungen" geben? Ich meine, die Beschäftigung mit§ 141 BGB zeigt, daß sich diese Frage eindeutig mit "ja" beantworten läßt. Es ist manchmal geradezu spannend, zu erleben, wie bei einer Auslegung von§ 141, deren Gewicht auf historischen Zusammenhängen liegt, Irrwege und Fehler aus der Entstehungszeit dieser Vorschrift zutage treten, die bis heute unerkannt geblieben sind und die erst durch einen Rückgriff auf die Ursprünge der Bestätigung im römischen Recht aufgeklärt werden können. In einer Zeit intensiver Diskussionen um die Anpassung des BGB an gegenwärtige Verhältnisse soll diese Arbeit zeigen, daß auch die Rückbesinnung auf den historischen Ursprung eines Rechtsinstituts einem bislang unklaren Gesetzestext Sinn zu geben vermag. Für die Anregung, den Sinn von§ 141 BGB zu erforschen, danke ich Herrn Prof. Dr. Manfred Harder. Gleichermaßen gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Ulrich von Lübtow für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der "Berliner Juristischen Abhandlungen" und Frau Waltraud Stroh für die umsichtige Erstellung des Manuskripts. Die Arbeit wurde im Sommer 1987 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis zum September 1987 berücksichtigt werden. Markus Müller

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Kapitel

Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte als dogmatisches Problem

15

I. Die Bedeutung der in § 141 verwendeten Ausdrücke "Rechtsgeschäft", "Nichtigkeit", "Bestätigung", "als erneute Vornahme zu beurteilen" . . . . I. Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 15

2. Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

3. Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

4. "Als erneute Vornahme zu beurteilen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur zu § 141 . . . . . . . . . .

20

I. Kommentarliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2. Lehrbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

3. Die Ansicht Grabas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

III. Der Umgang mit § 141 in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einteilung der Rechtsprechung in acht verschiedene Kategorien . . . .

45 45 51

a) Kategorie 1: Bestätigung durch Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . .

51

b) Kategorie 2: Neuvornahme als Rechtsfolge der Bestätigung . . . . . d) Kategorie4: Die "in§ 141 gedachte Neuvornahme" . . . . . . . . . . .

55 56 57

e) Kategorie 5: "Bestätigung oder Neuabschluß" . . . . . . . . . . . . . . . .

57

f) Kategorie 6: Unklare Äußerungen zu Bestätigung und Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

g) Kategorie 7: Keine Äußerung des Gerichts zur Neuvornahme . . .

58

h) Kategorie 8: Zur Bestätigung ist keine Neuvornahme erforderlich

59

IV. Zusammenfassung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

c) Kategorie 3: Erklärter Bestätigungswille als Neuvornahme . . . . . .

8

In hal tsverzei eh nis 2. Kapitel

Die Entstehungsgeschichte von § 141 im 19. Jahrhundert und ihre Auswirkungen I. Die Behandlung der Bestätigung in Lehre und Rechtsprechung des

66

19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

l. Die Behandlung der Bestätigung in der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

a) Entstehen des Begriffs Bestätigung aus der ratihabitio des römischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

aa) Die Situation vor dem 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

bb) Die Entwicklung im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . b) Die Ansichten zu den Wirkungen der Nichtigkeit in der zeitgenössischen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68 71

aa) Unklare Äußerungen bei Savigny, Windscheid, Demburg, Gradenwitz und Rege/sberger . . .. . .. .. . . . .. . . . . . . . .. .. . . .. .

71

bb) Die herrschende Ansicht: Ein nichtiges Rechtsgeschäft ist juristisch nicht vorhanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

cc) Konsequenz der herrschenden Ansicht: Ratihabition eines nichtigen Rechtsgeschäfts ist nicht möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Bedeutung des Satzes ,.Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere" (Paul.D.50.17.29) . . . . . . . . . . . • . . .

76 78

d) Der Streit um die Rückwirkung der Ratihabition . . . . . . . . . . . . .

81

2. Die Behandlung der Bestätigung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . .

83

II. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

l. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

2. Das ALR von 1794 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

3. Der Code civil von 1804 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

4. Der Bayerische Entwurf von 1861/1864 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

5. Das Sächsische BGB von 1863/1865 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

6. Der Dresdener Entwurf von 1866 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104

111. Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien zu § 141 . . . . . . . . . . . . . . . .

107

l. Die erste Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

l 07

a) Der Vorschlag Gebhards vom August 1875 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108

b) Die Beratung des Vorschlags von Gebhard durch die erste Kommission am 5.10.1875 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111

c) Der Vor- bzw. Teilentwurf Gebhards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

112

d) Die Beratung des Teilentwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

e) Das Schicksal der Normentrias bis zur Fassung im Ersten Entwurf

124

Inhaltsverzeichnis

9

2. Entschließungen der Vorkommission des Reichsjustizamtes und der zweiten Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . .

127

3. Die Entwicklung bis zum Inkrafttreten von § 141 . . . . . . . . . . . . . . . .

133

IV. Fortsetzung der gemeinrechtlichen Ansichten in der Literatur aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134

V. Zusammenfassung

138

3. Kapitel Die Bestätigung unwirksamer Rechtsgeschäfte im römischen Recht

I. Der Zweck der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 143

li. Die Auswahl der einschlägigen Quellenstellen . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144

2. Der Auswahlprozeß im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

a) Überblick und Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

146

b) Schwierige Abgrenzung in einigen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147

aa) Die Fälle der confirmatio von Kodizillen . . . . . . . . . . . . . . . .

147

bb) Die Fälle des ius postliminii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149

cc) Weitere exemplarische Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150

(1) "Bestätigung" durch den Erben: Pomp.D .41.6.4 (lib. 32 ad Sab.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150

(2) "Bestätigung" durch Schweigen: lust.C.5.74.3 (529) . . . . .

151

dd) Keine Bestätigung in den beiden Belegstellen der gemeinrechtlichen Lehre Iust.C.5.16.25 (528) und lust.C.4.28.7 (530) . . .

153

c) Anwendbarkeit der Begriffe "Rechtsgeschäft" und "Unwirksamkeit, Nichtigkeit., Anfechtbarkeit" auf das römische Recht . . . . . . . . . .

158

aa) Der Begriff "Rechtsgeschäft" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

159

bb) Die Begriffe "Unwirksamkeit, Nichtigkeit, Anfechtbarkeit" .

160

III. Darstellung von Bestätigungsfallen im römischen Recht . . . • . . . . . . . . .

163

1. Bestätigung einer unwirksamen Übertragung der Jurisdiktionsgewalt durch den Provinzstatthalter: Ulp.D.l.16.4.6 (lib. 1 de off. proc.) . . .

163

2. Bestätigung eines wegen Minderjährigkeit unwirksamen Rechtsgeschäfts: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

a) Ulp.D.4.4.3.1 (lib. 11 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . .

166

b) Ulp.D.4.4.3.2 (lib. 11 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166

c) P.S.1.9.3 (de min. vig. et quin. ann.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

d) Diocl. et Maxim.C.2.45.1-2 (293/294) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167

10

Inhaltsverzeichnis 3. Bestätigung eines unwirksamen Gelddarlehens an den Haussohn:

172

a) Ulp.D.l4.6.7.16 (lib. 29 ad ed.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172

b) Sev. et Ant.C.4.28.2 (198) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172

4. Bestätigung der unwirksam geschlossenen Ehe: . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174

a) Pomp.D.23.2.4 (lib. 3 ad Sab.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174

b) illp.D.23.2.27 (lib. 3 ad leg. Iul. et Pap.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

c) Paul.D.23.2.65.1 (lib. 7 resp.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

d) Gord.C.5.4.6 (239) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

5. Bestätigung der unwirksamen Übertragung von Erbschaftsgegenständen: Gai.D.36.1.10. (lib. 2 fid.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

180

6. Bestätigung einer unwirksamen Schenkung an die gewaltunterworfene Tochter: Pap.D.39.5.31.2 (lib. 12 resp.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183

7. Bestätigung des unter Zwang oder Drohung abgeschlossenen, unwirksamen Rechtsgeschäfts: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185

a) Alex.C.2.19.2 (226) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185

b) Gord.C.2.19.4 (239) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bestätigung des unwirksamen Rechtsgeschäfts eines Beamten: Iust.C.l.53.1.1-2 (528) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185

IV. Heilung des unwirksamen Rechtsgeschäfts durch Neuvornahme • . . . . .

189

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196

187

4. Kapitel

Inhalt und Anwendbarkeit des § 141 als Ergebnis der bisherigen Untersuchung I. Die Fehler in der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199

II. Konsequenzen de lege lata für § 141 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

200

I. Deutliche Differenzierung zwischen Bestätigung und Neuvornahme .

200

2. Die Voraussetzungen der Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201

a) Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201

b) Wegfall des Nichtigkeitsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202

aa) Der Nichtigkeitsgrund muß wegfallen können und auch weggefallen sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203

bb) Das nichtige Rechtsgeschäft darf nicht schon durch den Wegfall des Nichtigkeitsgrundes wirksam werden . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestätigung im einzelnen, insbesondere: Form der Bestätigung . .

206 208

aa) Die bereits feststehenden Kriterien für eine Bestätigung . . . .

208

lnhal tsverzeichnis

II

bb) Die Bestätigung ist ein Rechtsgeschäft

208

cc) Die zur Bestätigung berechtigten Personen . . . . . . . . . . . . . . .

210

dd) Die Form der Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211

(1) Bestätigung des formwirksamen Vertrages durch den ehemals Geschäftsunflihigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestätigung formwirksamer inhaltsnichtiger Testamente .

211 213

(a) Das sittenwidrige Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

214

(b) Das Testament des Testierunfähigen . • . . . . . . . . . . . .

218

(c) Andere Fälle von Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

222

3. Die Rechtsfolgen von§ 141 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224

a) Die Rechtsfolgen "Wirkung der Bestätigung ex nunc" und "obligatorische Rückwirkung" als Ziel der Auslegung von§ 141 . . . . . . . .

224

b) Restriktive Auslegung der Wendung "als erneute Vornahme zu beurteilen" . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . • . . • . • . .

225

c) Die in§ 141 angeordneten Rechtsfolgen

228

III. Zusammenfassung

229

IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

232

5. Kapitel Einzelne Anwendungsfalle von § 141

234

I. Bestätigung formwidriger, sittenwidriger oder wegen Anfechtung nichtiger Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

234

1. Bestätigung des formwidrigen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

234

2. Bestätigung des sittenwidrigen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestätigung des wegen Anfechtung nichtigen Rechtsgeschäfts . . . . . .

242 245

II. Bestätigung des wegen Geschäftsunfähigkeit nichtigen Rechtsgeschäfts .

248

III. Bestätigung des Scheingeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250

IV. Bestätigung des wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtigen Rechtsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

252

V. Bestätigung und deklaratorisches Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . . . . . . .

258

Literatur- und Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

262

Einleitung § 141 1 lautet: "(1) Wird ein nichtiges Rechtsgeschäft von demjenigen, welcher es vorgenommen hat, bestätigt, so ist die Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen." "(2) Wird ein nichtiger Vertrag von den Parteien bestätigt, so sind diese im Zweifel verpflichtet, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig wäre." Bei erstmaliger Lektüre der Vorschrift drängt sich die darin enthaltene Problematik noch nicht unmittelbar auf. Insbesondere Absatz 2 stellt sich bereits durch seinen Wortlaut als Auslegungsregel ("im Zweifel") dar, wonach bei Bestätigung eines nichtigen Vertrages eine obligatorische Rückwirkung der vertraglichen Verpflichtungen anzunehmen sein soll 2 • Ein näherer Blick auf die einzelnen Bestandteile der Vorschrift, insbesondere des Absatzes 1, zeigt aber, daß der Gesetzgeber man~hes im unklaren gelassen hat. So fehlt es etwa an einer Definition des Begriffs "Bestätigung". Auch bleibt undeutlich, was "als erneute Vornahme zu beurteilen" heißen soll: Ist die Neuvornahme als das Ergebnis der Bestätigung "zu beurteilen", also zu werten, oder soll die Bestätigung auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Neuvornahme hin überprüft werden? Mit anderen Worten: Muß man zur Bestätigung den rechtsgeschäftliehen Tatbestand erneut vornehmen, das Rechtsgeschäft wiederholen, oder wird die Neuvornahme nur als Rechtsfolge einer Bestätigung gewertet? Eine Untersuchung von Literatur und Rechtsprechung (1. Kapitel) wird zeigen, daß Bestätigung und Neuvornahme ganz überwiegend tatbestandlieh gleichgesetzt werden. Das führt nicht nur zu dogmatischer Verwirrung, sondern auch zu zahlreichen Entscheidungen, in denen dem Wunsch der Parteien, am nichtigen Rechtsgeschäft nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes festzuhalten, nicht zum Durchbruch verholfen wird, da es an den Tatbestandsvoraussetzungen einer Neuvornahme fehlt. §§ olme Gesetzesangabe sind solche des BGB. Allgemeine Meinung, vgl. nur RG JW 1911, 187, RG SeuffArch Bd. 78 Nr. 133 =Recht 1924 Nr. 1233; Jauernig, § 141 Anm. 3 b; MünchKomm-Mayer-Ma/y, § 141 Rz. 15; PalandtHeinrichs, § 141 Anm. 3; RGRK-Krüger-Nie/and/Zöller, § 141 Rz. 17; Soerge/-Hefermeh/, § 141 Rz. 11; Staudinger-H. Dilcher, § 141 Rz. 8 ff.; Flume, S. 552; Larenz, BGB-AT, S. 446 f.; Medicus, Rz. 533. 1

2

14

Einleitung

Es stellt sich daher die Frage, ob diese Gleichsetzung zwingend ist und woher sie stammt. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von§ 141 im 19. Jahrhundert (2. Kapitel) wird zeigen, daß man aus der Ansicht, das nichtige Rechtsgeschäft existiere juristisch nicht, die Unmöglichkeit der Bestätigung meinte folgern zu müssen. Wollten die Parteien am nichtigen Geschäft festhalten, müßten sie es erneut vornehmen. Denn für die der Bestätigung angeblich immanente Rückwirkung fehle es an einem Anknüpfungspunkt in der Vergangenheit. Alles das glaubte man aus dem römischen Recht herleiten zu können.

Eine Untersuchung von Bestätigungsfällen im römischen Recht (3. Kapitel) wird diese Ansicht als unrichtig erweisen. Dort war auch eine Bestätigung solcher Rechtsgeschäfte bekannt, die als nicht vorhanden angesehen wurden (nullum, nullius momenti). Sie unterschied sich von der Bestätigung eines vernichtbaren Geschäfts insofern, als ihr lediglich Rechtswirkung ex nunc zuerkannt wurde. Der Rekurs auf das römische Recht veranlaßt dazu, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Bestätigung neu zu definieren (4. Kapitel). Aus den Voraussetzungen der Bestätigung, die von § 141 nur zum geringen Teil ausdrücklich geregelt werden, folgt eine restriktive Auslegung der in § 141 Abs. I mit den Worten "als erneute Vomahme zu beurteilen" angeordneten Rechtsfolge. Zum Schluß (5. Kapitel) wird die praktische Anwendung des inhaltlich neu bestimmten § 141 auf einzelne Fälle aus der Rechtsprechung dargestellt.

1. Kapitel

Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte als dogmatisches Problem I. Die Bedeutung der in § 141 verwendeten Ausdrücke "Rechtsgeschäft", "Nichtigkeit", "Bestätigung", "als erneute Vornahme zu beurteilen" Im Gesetzestext finden die Ausdrücke "Rechtsgeschäft", "Nichtigkeit", "Bestätigung", "als erneute Vornahme zu beurteilen" Verwendung.

1. Rechtsgeschäft Weitgehender Konsens besteht hinsichtlich des vom Gesetz nicht erklärten Begriffs Rechtsgeschäft. Er wird gemeinhin 1 definiert als ein aus einer oder mehreren Willenserklärungen bestehender Tatbestand, der auf die Herbeiführung einer gewollten Rechtsfolge gerichtet ist. Grunderfordernisse für die Wirksamkeit eines jeden Rechtsgeschäfts sind Rechts- und Geschäftsfähigkeit der daran beteiligten Personen. Je nachdem, um welche Art von Rechtsgeschäft es sich handelt, kommen weitere Wirksamkeitserfordernisse hinzu, etwa bei Verfügungen die Verfügungsbefugnis, in anderen Fällen die Zustimmungserklärung eines Dritten (z.B. des gesetzlichen Vertreters bei Rechtsgeschäften eines Minderjährigen, §§ 107 ff.), eine behördliche Genehmigung (z.B. des Vormundschaftsgerichts bei bestimmten Rechtsgeschäften des Vormunds gern. § 1822), eine Eintragung im Grundbuch (z.B. § 873) oder die Einhaltung eines gesetzlichen Formerfordernisses. Ob diese Wirksamkeitsvoraussetzungen noch als Bestandteile des Rechtsgeschäfts oder lediglich als zu diesem hinzutretende weitere Erfordernisse angesehen werden2, kann dahingestellt bleiben, da aus dem rechtsgeschäftlichen Gesamttatbestand Rechtswirkungen in jedem Fall erst entstehen, wenn das Rechtsgeschäft als Kern mitsamt den übrigen Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegt.

1 Statt vieler: Larenz, BGB-AT, S. 302;Medicus, ~.z. 175 mit Hinweis auf Mugdan, S. 421; Köhler, S. 108; Hübner, Rz. 327; Palandt-Heinrichs, Uberbl. vor § 104 Anm. I b. 2 Vgl. hierzu Larenz, BGB-AT, S. 304 f. m.w.N. in Fn. 2.

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1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

2. Nichtigkeit

Der Begriff Nichtigkeit ist bereits umstrittener. Ohne schon hier auf die im Verlauf der Untersuchung an Bedeutung gewinnende Frage einzugehen, ob ein nichtiges Rechtsgeschäft juristisch existent ist oder nicht, sei an dieser Stelle nur soviel bemerkt: Das BGB spricht von "unwirksamen" und "nichtigen" Rechtsgeschäften. "Unwirksam" sind in der Regel solche Rechtsgeschäfte, deren beabsichtigte Rechtsfolgen nicht eintreten. Es gibt verschiedene Stufen der Unwirksamkeit. Ist der Eintritt der beabsichtigten Rechtsfolge mittels einer nachfolgenden Genehmigung eines Dritten noch möglich, so ist das Rechtsgeschäft ,,schwebend unwirksam" 3 (z.B. §§ 108 Abs. l, I77 Abs. I, I8l, I829 Abs. I). Demgegenüber gibt es auch zunächst wirksame, aber durch eine nachfolgende Anfechtung verqichtbare, sozusagen "schwebend wirksame" 4 Rechtsgeschäfte (z.B. §§ Il9 ff., 2078). Ist das Rechtsgeschäft nur einer Person oder bestimmten Personen gegenüber unwirksam, allen anderen gegenüber aber wirksam, so ist es "relativ unwirksam" (z.B. §§ 135, 136, 883 Abs. 2, 888, II24 Abs. 2, 1126 Satz 3). Als "nichtig" werden diejenigen Rechtsgeschäfte bezeichnet, die von Anfang an unwirksam sind und dies auch auf Dauer bleiben; der nachfolgende Wegfall des Nichtigkeitsgrundes ändert hieran nichts 5• Die Nichtigkeit wird als "stärkster Grad der Unwirksamkeit" bezeichnet 6• Es gibt verschiedene Arten von Nichtigkeitsgründen, wie Geschäftsunfähigkeit (§ 105), geheimer Vorbehalt (§ II6 Satz 2), Scheingeschäft (§ 117), Mangel an Ernstlichkeit (§ 118), Formmangel (§ 125), Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134), Sittenwidrigkeit (§ 138), usw. Das BGB hält diesen Sprachgebrauch aber nicht überall ein. So findet sich der Ausdruck "nichtig" in§ 105 (Geschäftsunfähigkeit),§ 125 (Formmangel), § 134 (Verbotswidrigkeit), § 138 (Sittenwidrigkeit), § 306 (Unmöglichkeit der Leistung), § 142 (Anfechtungsnichtigkeit). In anderen Fällen von in Wahrheit "nichtigen" Rechtsgeschäften erscheint im Gesetz der Ausdruck "unwirksam" (vgl. §§ 11; 174; 344; 388; 925 Abs. 2; 1253 Abs. I; 1831; 1950; 2101 Abs. I; 2202 Abs. 2).

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Larenz, BGB-AT, S. 444; Flume, S. 548. Larenz. BGB-AT, S. 444.

5 Soweit ersichtlich, allgemeine Meinung, vgl. Hübner, Rz. 507 ff.; Flume, S. 548, 550 f.; Köhler, S. 24 I; Larenz, BGB-AT, S. 445; Medicus, Rz. 487; Rüthers, Rz. 31 I f.; PalandtHeinrichs, Überbl. vor § 104 Anm. 4a aa. 6 Vgl. nur Larenz, BGB-AT, S. 444 und Medicus, Rz. 487.

I. Die Bedeutung der in § 141 verwendeten Ausdrücke

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3. Bestätigung

Bezüglich des Terminus Bestätigung kann in sprachlicher Hinsicht von folgenden allgemeingültigen Voraussetzungen ausgegangen werden: ,.Bestätigen" wird im allgemeinen Sprachgebrauch verstanden als ,.für richtig, gültig, zutreffend erklären" 7 • Etymologisch8 gehört das aus dem Mittelhochdeutschen stammende Verb "bestätigen" zu dem ebenfalls mittelhochdeutschen Adjektiv "stet", eine Form des im indogermanischen Sprachgebrauch verwurzelten Verbs ,.stehen". ,,Stet" heißt "beständig, gleichmäßig, fortdauernd". Im Neuhochdeutschen häufiger anzutreffen ist die gleichbedeutende Ableitung ,.stetig" mit dem Substantiv ,.Stetigkeit" und dem Verb bestätigen9 • Als sinnverwandte Begriffe von bestätigen im Sinne von ,.endgültig als richtig erklären" lassen sich verwenden: ,.bekräftigen, erhärten, sanktionieren, ratifizieren", auch "bescheinigen, beweisen, bezeugen, zugeben, beglaubigen" 10• Für "Bestätigung" - definiert als "Richtigkeitserklärung" - werden folgende Synonyme genannt: "Bekräftigung, Anerkennung, Sanktion, Ratifikation, Ratifizierung, Bezeugung, Anerkenntnis", auch "Bescheinigung, Beglaubigung, Beweis" 11 • Das BGB kennt in bezug auf das Parteiverhalten bei Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts die Begriffe "bestätigen" und "genehmigen". "Bestätigen" taucht für nichtige Rechtsgeschäfte in§ 141, für anfechtbare Rechtsgeschäfte in § 144 auf 12• "Genehmigen, Genehmigung" findet sich vor allem in den§§ 184; 185 Abs. 2. Die Genehmigung ist nach der Legaldefinition des § 184 Abs. I die nachträgliche Zustimmung (im Unterschied zur vorherigen Zustimmung, der Einwilligung, § 183) eines Dritten zu einem schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft. Wie bereits erwähnt 13, gibt das Gesetz für "bestätigen, Bestätigung" keine Definition. Spätestens seit der Monographie Seufferts 14 aus dem 1 ahre 1868 aber wird zwischen "genehmigen" und "bestätigen" unterschieden. Mit "bestätigen" umschreibt man ein bestimmtes Verhalten der am nichtigen Rechtsgeschäft beteiligten Parteien selbst. Es muß an dieser Stelle noch offen bleiben, wie ein bestätigendes Verhalten rechtlich zu werten ist (Willenserklärung oder Rechtsgeschäft), denn das BGB gibt insoweit keinen Hinweis. Allerdings sei auch hier auf die uneinheitliche Gesetzesterminologie hingewiesen: Im Widerspruch zur dargelegten Trennungvon "genehmigen" und "bestätigen" formuliert 7 Duden I, S. 369. - Die übrigen Bedeutungen, in denen "bestätigen" erscheint, etwa in der Kaufmanns- und Jägersprache (vgl. Duden), und die reflexive Form "sich bestätigen" interessieren hier nicht. 8 Duden, Etymologie, S. 62, 678. 9 Duden, Etymologie, S. 678. 10 Synonym-Lexikon, S. 122. 11 Synonym-Lexikon, S. 122 f. 12 In §§ 1612 a Abs. 4, 2284 ist von "Bestätigung" die Rede. 13 Einleitung, s.o. S. 13. 14 Seuffert, S. 7.

2Müller

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l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

§ 108 Abs. 3, daß der frühere Minderjährige, der inzwischen volljährig geworden ist, sich selbst die "Genehmigung" zu dem zuvor von ihm unwirksam abgeschlossenen Rechtsgeschäft erteilen kann, obwohl es richtig gewesen wäre, von Bestätigung zu sprechen 15 • Für die weitere Klärung von "bestätigen" wird die Definition Grabas 16 zugrundegelegt, allerdings in leicht abgewandelter Form: ,"Bestätigung' ist die Billigung eines eigenen nichtigen 17 Rechtsgeschäfts (§ 141 BG B)." Es soll hier noch offen bleiben, ob dieses billigende Verhalten der am nichtigen Rechtsgeschäft beteiligten Parteien nur dann rechtswirksam sein kann, wenn die Nichtigkeit ihrer Billigung nicht mehr entgegensteht. Im Text des § 141 wird dieses Erfordernis ebensowenig genannt, wie eine Definition von "bestätigen". Daß dieser Punkt dennoch für die Untersuchung von§ 141 von Bedeutung sein könnte, zeigt folgende Überlegung: Wäre die Bestätigung ohne vorangehenden Wegfall des Nichtigkeitsgrundes wirksam, so könnte die Nichtigkeitsfolge einer Vorschrift durch bloßen Parteiakt aufgehoben werden. Zweifel am Wert der Definition stellen sich aber ein, wenn man "bestätigen" in Beziehung zum nachfolgenden Ausdruck "als erneute Vornahme zu beurteilen" setzt. 4. "Als erneute Vomahme zu beurteilen"

Von "erneuter Vornahme" spricht das BGB nur in§ 141. Versucht man, den Sinn dieses Ausdrucks unvoreingenommen zu ermitteln, so ergibt sich, daß darunter wohl ein erneuter Abschluß des Rechtsgeschäfts, mithin die Wiederholung sämtlicher Tatbestandsmerkmale zu verstehen ist. Wie "bestätigen" 18 wird auch das Verb "beurteilen" im BGB nicht definiert und taucht, nach Wegfall von§ 1353 Abs. 2Satz 3 19 , nurnoch in§ 141 Abs. I auf. Auch die in § 343 Abs. 1 Satz 2 verwendete Substantivform "Beurteilung" führt nicht zu einer eindeutigen Begriffsbestimmung von "beurteilen". Denn dort ist mit der gerichtlichen "Beurteilung" der Angemessenheil einer Vertragsstrafe eine "Billigkeitskontrolle" 20 gemeint, also eine Prüfung von Voraussetzungen und Folgen der Vertragsstrafe im Hinblick auf ihre Angemessenheit. Das Ergebnis 15 Vgl. auch die Verwendung des Begriffs "Genehmigung" für den volljährig gewordenen Mündel in§ 1829 Abs. 3. 16 Graba, S. l. 17 Graba spricht allgemein von "fehlerhaften Rechtsgeschäften", da er nicht nur § 141, sondern auch § 144 (Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte) untersucht. 18 s.o. s. 17. 19 Vgl. Wörterverzeichnis. 20 Statt aller MünchKomm-Söllner, § 343, Rz. 1 und Palandt-Heinrichs, § 343, Anm. Ia.

I. Die Bedeutung der in § 141 verwendeten Ausdrücke

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der Prüfung ist offen, es kommt zu einem Gestaltungsurteil 21 • Dagegen lautet der Gesetzesbefehl in§ 141 Abs. 1: ..... ist die Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen." Die Wortwahl des Gesetzes läßt hier, im Gegensatz zu§ 343 Abs. 1 Satz 2, keine richterliche Gestaltungsfreiheit zu. Scheidet diese Deutung von .,als erneute Vornahme zu beurteilen" also aus, so bleiben dennoch zwei weitere, einander ausschließende Interpretationsmöglichkeiten: Zum einen könnte man den in Rede stehenden Ausdruck so verstehen, daß dem Gericht eine Überprüfung der Bestätigung zwingend vorgeschrieben ist, und zwar im Hinblick darauf, ob gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen einer erneuten Vornahme des Rechtsgeschäfts vorliegen. Das ist im Ergebnis nichts anderes als die tatbestandliehe Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme. Dabei stellt sich jedoch die Frage, weshalb das Gesetz dann nicht die zwar banale, aber doch viel näherliegende Forderung normiert hat, zur Herbeiführung der Wirksamkeit eines bisher nichtigen Rechtsgeschäfts bedürfe es stets dessen erneuter Vornahme. Auch würde diese Interpretation des Ausdrucks dazu führen, daß das Gericht so tun müßte, als liege, trotz der von den Parteien gewollten Bestätigung, eine Neuvornahme vor, um dann deren tatbestandliehe Voraussetzungen zu überprüfen 22• Denn daß keine von den Parteien gewollte Neuvornahme vorliegt, sieht bereits das Gesetz selbst als typisiertes Parteiverhalten an, wenn es davon spricht, daß "ein nichtiges Rechtsgeschäft von demjenigen, welcher es vorgenommen hat, bestätigt" werde. Die Parteien nehmen das Rechtsgeschäft nicht erneut vor, sie bestätigen es, d.h. billigen es lediglich. Dieser Unterschied würde verwischt, wenn man von einer tatbestandliehen Gleichsetzung ausginge. Sie würde überdies der sprachlichen Bedeutung von "bestätigen" sowie der oben genannten Definition Grabas widersprechen. Denn .,Bestätigung" wäre dann das gleiche wie "erneute Vornahme". Folglich wäre es auch nicht mehr möglich, zwischen Bestätigung nach Wegfall und Neuvornahme unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes zu unterscheiden. Schließlich hätte diese Interpretation zur Folge, daß mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Neuvornahme im Ergebnis auch eine Bestätigung nicht vorläge, gleich, wie deutlich die Parteien ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, am Rechtsgeschäft festzuhalten 23 • Die genannten Widersprüche ließen sich vermeiden, wenn man den Ausdruck "als erneute Vornahme zu beurteilen" in einer anderen, zweiten Weise interpretierte. Die Formulierung von§ 141 Abs. lläßt es nämlich ohne weiteres zu, den Ausdruck nur auf die Rechtsfolge einer Bestätigung zu beziehen. Diese ist dann "als erneute Vornahme zu beurteilen", im Sinne von: "als erneute Vornahme Vgl. die in Fn. 20 genannten Quellen, a.a.O. Daß dies in der Judikatur tatsächlich so gehandhabt wird, zeigt der Abschnitt III über die Rechtsprechung zu § 141. 23 Zu diesem Sinngehalt von "bestätigen" siehe bereits oben, S. 17. 21

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l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problern

anzusehen". Der Wortsinn 24 von "beurteilen", wie er sich aus synonymen Begriffen ergibt, spricht für diese Auslegung von § 141 Abs. l. Denn sinnverwandt mit diesem Verb sind Worte wie "begutachten, (be)werten, einschätzen, befinden" 25 • Insbesondere aus "werten, einschätzen, befinden" ergibt sich, daß in diesen Fällen ein gegebener Gegenstand wie ein anderer behandelt werden, man also so tun soll, als ob das eine dem anderen gleichstehe. Aber auch bei dieser Interpretation von § 141 Abs. 1 bleibt manche Frage offen: Welches sind die tatbestandliehen Voraussetzungen für eine Bestätigung? Wie ist die Rechtsfolge der Bestätigung, nämlich erneute Vornahme, dogmatisch einzuordnen? Wird die Bestätigung etwa, wie H. Dilcher26 meint, als Neuvornahme "fingiert"? Welchen Sinn soll es überhaupt haben, die Bestätigung in ihrer Rechtsfolge einer Neuvornahme gleichzusetzen? Ist diese Gleichsetzung, wenn auch sprachlich möglich, im Hinblick auf die Wirkungen der Nichtigkeit zulässig? Gleich, wie man die Wendung "als erneute Vornahme zu beurteilen" auch auslegt, ob als Erfordernis einer Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme im Tatbestand oder als Bestimmung für die Rechtsfolge einer Bestätigung, in jedem Falle entstehen aus ihrer Beziehung zum Ausdruck "bestätigen" unterschiedliche Konsequenzen, die den Inhalt von § 141 entscheidend verändern. Wenn auch die Begriffe "Rechtsgeschäft" und "Nichtigkeit" bereits an dieser frühen Stelle der Untersuchung hinreichend geklärt erscheinen, so bieten "bestätigen" und "als erneute Vornahme zu beurteilen" um so mehr Anlaß, an einer dogmatisch einwandfreien Aussage von§ 141 zu zweifeln. Ein Blick auf die Art und Weise, wie§ 141 in Literatur und Rechtsprechung behandelt wird, verstärkt diesen Eindruck.

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur zu § 141 1. Kommentarliteratur

§ 141 scheint heute- im Gegensatz zur ersten Hälfte unseres Jahrhunderts 27 Wissenschaft und Praxis nur noch wenige Schwierigkeiten zu bereiten28 • Das zeigt sich deutlich am überwiegend einheitlichen Bild, das die in der Kommen24 Außer Betracht bleibt "beurteilen" im Sinne von "über jemanden oder etwas ein Urteil abgeben, urteilen" (vgl. dazu Duden 1). 25 Synonym-Lexikon, S. 127. 26 Staudinger-H Dilcher, § 141, Rz. I. 27 Das belegen allein schon die acht Dissertationen aus dieser Ze\t v~>nBöhm, Marks, Rosenthai, Rutenbeck, Seip v. Enge/brecht, Untermann, Wittkowski und Wurmstich. 28 Aus der Nachkriegszeit stammt nur die Dissertation von Graba.

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

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tarliteratur repräsentierten Autoren abgeben. Sie sind sich über die meisten Talbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen von § 141 einig, wobei sie sich häufig auf Belege aus der Rechtsprechung stützen. So herrscht zunächst bei im Detail unterschiedlicher Formulierung eine- auch an der Knappheit des Ausdrucks erkennbare - weitgehende Einigkeit über die Wirkungen der Nichtigkeit 29 • Sie bestehen darin, daß das Rechtsgeschäft die von den Parteien beabsichtigten Rechtsfolgen von Anfang an nicht erzeugen kann. Dennoch ist das nichtige Rechtsgeschäft weder ein nicht existentes oder NichtRechtsgeschäft30 noch ein bloß faktisches Geschehnis, sondern tatbestandlieh ein Rechtsgeschäft, was sich in möglichen, von ihm erzeugten, jedoch von den Parteien nicht beabsichtigten Rechtsfolgen, etwa Schadenersatzansprüchen gemäߧ§ 307, 309, 122, culpa in contrahendo oder Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung(§§ 812 ff.) zeigt. Ferner herrscht Einigkeit darüber31 , daß durch den Wegfall des Nichtigkeitsgrundes ein unwirksames Rechtsgeschäft noch nicht wirksam wird, es also einer zusätzlichen Parteihandlung zur Erreichung der Wirksamkeit bedarf32• Auch ist anerkannt, daß die Bestätigung gemäߧ 141 ein Rechtsgeschäft ist 33 und ein eigenständiges Institut darstellt gegenüber der Genehmigung, der Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts gemäß § 144, der Umdeutung (Konversion) gemäߧ 140, der Bestätigung einer nichtigen Ehe gemäߧ§ 17 Abs. 2 und 18 Abs. 2 EheG, der Bestätigung eines angenommenen Zwangsvergleichs durch das Konkursgericht gemäߧ 184 KO und der Ergänzung eines unvollständig beurkundeten Rechtsgeschäfts. Die Abgrenzung gegenüber der Heilung eines formnichtigen Rechtsgeschäfts durch Erfüllung (z.B. §§ 313 Satz 2; 518 Abs. 2; 766 Satz 2; 2301 Abs. 2; 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG; 1027 Abs. I Satz 2 29 Erman-Brox, Ein!.§ 104, Rz. 24;Jauemig, vor§ 104 Anm. 3b;Palandt-Heinrichs, Überbl. vor § 104, Anm. 4a bb; RGRK-Krüger-Nieland, vor§ 104, Rz. 33; Soergel-Hef ermehl, vor § 116, Rz. 76; Staudinger-H Dilcher, Ein!. zu§§ 104-185, Rz. 67, 68; anders noch die Vorauflage (11.), Staudinger-Coing, Ein!. zu §§ 104 ff., Rz. 29, wonach zunächst das nichtige Rechtsgeschäft lediglich "in Ansehung der gewollten Wirkungen" so angesehen wird, "wie wenn es gar nicht vorgenommen wäre". Stärker formuliert (II. Aufl.) dann bei § 141, Rz. 2: "Denn das nichtige Rechtsgeschäft ist etwas rechtlich überhaupt nicht Vorhandenes; es existiert nur als faktisches Geschehnis."- StudK-Hadding, vor§ 104, Anm. 2; in MünchKomm I findet sich keine Äußerung zu den Wirkungen der Nichtigkeit. 30 Der Ausdruck "negotium nullum" bei Soergel-Hefermehl, vor§ 116, Rz. 76, wird nicht in diesem Sinne verstanden. 31 Hierzu und zum folgenden vgl. Erman-Brox, § 141; Jauernig, § 141; MünchKommMayer-Maly, § 141; Palandt-Heinrichs, § 141; RGRK -Krüger-Nieland/ Zöller, § 141; SoergelHefermehl, § 141; Staudinger-H Dilcher, § 141; StudK-Hadding, § 141. 32 Vgl. Palandt-Heinrichs, § 141, Anm. Ia und Staudinger-H Dilcher, § 141, Rz. l,derdiesen Grundsatz aus dem römischen Recht herleitet. 33 So, 1875, schon Gebhard (Redaktor der "Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs" < I. Kommission>), in: Jakobs/ Schuber/, AT, S. 743; und auch MünchKomm-Mayer-Maly, § 141, Rz. 9; Palandt-Heinrichs, § 141, Anm. I; RGRK Krüger-Nieland/ Zöller, § 141, Rz. 1: "... rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung." - Erman-Brox, § 141, Rz. I, sprechen nur von "Willenserklärung".

1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

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ZPO) ist dogmatisch nicht immer einheitlich, doch besteht, sofern dazu Stellung genommen wird 34, Übereinstimmung, daß in diesen Fällen keine Bestätigung vorliege 35 , da die Heilungkraft Gesetzes eintrete und daher keinen Bestätigungswillen erfordere. Eine rückwirkende Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts sei hier nur über den Rechtsgedanken36 oder die analoge Anwendung37 des § 141 Abs. 2 erreichbar38• Kein Fall der Bestätigung ist schließlich das kaufmännische Bestätigungsschreiben, da ihm regelmäßig kein nichtiges Rechtsgeschäft vorausgeht oder es lediglich einen noch unvollständigen Vertragstatbestand vervollständigt 39• Auch ist unstreitig, daß die Art des Nichtigkeitsgrundes gleichgültig ist, er aber zum Zeitpunkt der Bestätigung nicht mehr vorliegend~, ebensowenig wie einer Bestätigung, soll sie ~irksam sein, nun ein anderer Nichtigkeitsgrund entgegenstehen darf. Erforderlich für eine wirksame Bestätigung ist zudem41 ein ausdrücklich oder konkludent 42 zum Ausdruck kommender Bestätigungswille43 , für dessen Bildung nicht Kenntnis der Nichtigkeit 44 erforderlich ist. Vielmehr genügt es, daß die Parteien Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Geschäfts haben bzw. mit der Möglichkeit der Nichtigkeit rechnen45 • Bloßer Argwohn hinsichtlich der Rechtsbeständigkeit soll indessen nicht ausreichen46 • Der konkluDas ist nicht der Fall bei Jauemig, § 141, Anm. 4. Anders noch RG JW 1923, 307 f., das von einer "Art von Bestätigung" sprach. 36 Erman-Brox, § 141 Rz. 4; MünchKomm-Mayer-Maly, § 141, Rz. 6; RGRK-KrügerNieland/ Zöl/er, § 141, Rz. 5 mit Hinweis aufBGHZ 54, 56, 63 und 32, II, 13. 37 Staudinger-H. Dilcher, § 141, Rz. 13, der sich aber zu Unrecht auf RGZ 108, 329, 333 (Fehlzitat), RGZ 115, 6, 12 (gegen RGZ 75, 114, 115) und BGHZ 32, II, 13 beruft, da die beiden letzteren Urteile nur von der Anwendung des "Rechtsgedankens" sprechen.- StudKHadding, § 141, Anm. 2b.- S. auch Reinicke, Rechtsfolgen, S. 17; Häsemeyer, S. 91 ff.;Lüke, JuS 1971, S. 342. 38 Gegen einen Rekurs auf§ 141 Abs. 2 überhaupt Soergel-Hefermehl, § 141, Rz. 12. 39 Staudinger-H. Dilcher, § 141, Rz. 14. 40 RGRK-Krüger-Nieland/ Zöller, § 141, Rz. 15 unter Hinweis auf BGHZ 60, 102, 108 = NJW 1973, 465, 466 = LM Nr. 4 zu§ 141 = MDR 1973, 385 und mit weiteren Beispielen. 41 Vgl.Staudinger-H. Dilcher, § 141, Rz. 2 mit Hinweis auf Larenz, BGB-AT, S. 443 ff. 42 Z.B. durch Erfüllungsleistungen, OLG Hamburg, OLGRspr 13, 27 f.; OLG München, OLGRspr 25, 266 f. Im übrigen BGHZ II, 54, 60 = NJW 1954, 549. Auf die letztgenannte Entscheidung verweist z.B. RGRK-Krüger-Nieland/ Zöl/er, § 141 , Rz. 11. 43 Das geht sogar so weit, daß in der nachträglichen Änderung eines nichtigen Vertrages eine Bestätigung des zuvor nichtigen Rechtsgeschäfts gesehen wird, z.B. RGRK-Krüger-Nielandl Zöller, § 141, Rz. 12 unter Berufung auf BGHZ 7, 161, 163. 44 Das verlangte noch die ältere Rechtsprechung des RG, z.B. RGZ 93,228 ff.; 104, 50, 54; RG WarnRspr 1913 Nr. 43. Das BAG spricht in NJW 1976, 1766, 1767 = DB 1976,969,970 vom "Bewußtsein der möglichen Fehlerhaftigkeit"; hierauf verweist MünchKomm-MayerMaly, § 141, Rz. 12. 45 MünchKomm-Mayer-Maly, § 141; Rz. 12 mit (in Fn. 41) Hinweis auf RG Recht 1925 Nr. 902 = JR 1925, 322 = SeuffArch 79 Nr. 102; RGZ 150, 385, 388; BGH WarnRspr 1969 Nr. 309; BGH NJW 1982, 1981 = MDR 1982, 992 = LM Nr. 7 zu § 141. 46 So jedenfalls im Anschluß an RG HRR 1926 Nr. 656(Fehlzitat! Die Zeitschrift "Höchstrichterliche Rechtsprechung" existiert erst seit 1928): Soergel-Hefermehl, 34

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II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

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dent erklärte Bestätigungswille muß allerdings von allen Beteiligten als Bestätigung aufzufassen sein 47 • Die Form der Bestätigung richtet sich nach der für das zu bestätigende Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form48 • Das bestätigte Rechtsgeschäft ist ex nunc wirksam 49 , die Bestätigung hat also keine rückwirkende Kraft. Lediglich die Auslegungsregel des§ 141 Abs. 2 ermöglicht eine obligatorische Rückwirkung; sie gilt aber nur für Verträge und nur zwischen den Vertragsparteien. So weit die Gemeinsamkeiten. Zwei weitere, scheinbar unstreitige Erfordernisse, die man dem § 141 entnehmen zu können glaubt, führen zum eigentlich neuralgischen Punkt der Vorschrift: der N euvornahme. Einigkeit besteht nämlich erstens dahingehend, daß der zu bestätigende Vertrag nicht in allen Einzelheiten neu erklärt werden müsse 50; es genüge, wenn sich "beide Parteien ... in Kenntnis aller Vereinbarungen auf den Boden des Vertrages" stellten51 • Zum zweiten ist man der Auffassung, daß auch bei einem formgültigen, jedoch aus einem anderen Grunde nichtigen Rechtsgeschäft im Falle seiner Bestätigung die Form wiederholt werden müsse 52• Das glaubt man aus § 141 herauslesen zu müssen, wonach die "Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen ist". Um von den Vertragsparteien keine vollständige Wiederholung sämtlicher vertraglich vereinbarten Einzelheiten fordern zu müssen, ist es zu der im erstgenannten Punkt enthaltenen Erleichterung ("auf den Boden des Vertrages stellen") gekommen. Dennoch meint man, aus der Beurteilung als Neuvornahme folge das im zweiten Punkt genannte Erfordernis der Formwiederholung. Das ist widersprüchlich: Entweder wird für die Bestätigung nach § 141 eine Neuvornahme in vollem Umfang oder unter erleichterten Bedingungen53 gefordert. § 141, Rz. 2 und Staudinger-H Di/cher, § 141, Rz. 4. - Anderer Ansicht, jedoch ohne Begründung, MünchKomm-Mayer-Maly, § 141, Rz. 12. 47 RGRK-Krüger-Nieland/Zöller, § 141, Rz. II mit Hinweis aufBGH NJW 1971,1795, 1800 = LM Nr. 3 zu§ 141 = JZ 1971, 553,555 = BB 1971,673,675. 48 RGRK-Krüger-Nieland/Zöller mit Hinweis auf RG JW 1903 Beil. 43 (Fehlzitat) und Flume, S. 551, Larenz, BGB-AT 2. Aufl., § 23 I(= S. 446 in 6. Aufl.). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Formerfordernis der Bestätigung ist die Zeit der Bestätigung, RGZ 55, 36, 40; 94, 147, 152; RG JW 1931, 3549; BGH NJW 1973, 1367. Heilung des Formmangels durch Erfüllung wird nicht zugelassen, OLG Köln, MDR 1963, 498 (LS). 49 Verwiesen wird hier u.a. auf RGZ 75, 115. 50 So, nach MünchKomm -Mayer-Maly, § 141, Rz. 10, noch die ältere Rechtsprechung, z.B. RGZ 61,264, 266; nach RG Gruchot 71 (1929) Nr. 35 genügt "Bezugnahme auf denalten Akt". 51 MünchKomm-Mayer-Maly, § 141, Rz. 10; Palandt-Heinrichs, § 141 Anm. 2bcc; RGRKKrüger-Nieland/ Zöller, § 141, Rz. 12; Soergel-Hefermehl, § 141, Rz. 1; Staudinger-H. Dilcher, § 141, Rz. 3; alle mit Hinweis aufBGH DB 1968,479 = WM 1968, 276. So äußert sich auch BGH NJW 1982, 1981 = MDR 1982, 992 = LM Nr. 7 zu § 141. 52 Unter Berufung auf RGZ 146, 234, 238. 53 Von einer "erleichtemde(n) Entwicklung der Rspr." spricht Mayer-Maly, in: MünchKomm, § 141, Rz. 10.

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

Jedoch im einen Fall die Bestätigungsvoraussetzungen zu erleichtern, um sie im anderen Falle mit Rücksicht auf eine von§ 141 angeblich geforderte "Neuvornahme" wieder zu verschärfen, deckt eine dogmatisch fragwürdige Uneinigkeit über den Begriff "Neuvornahme" auf. Um es noch einmal klarzustellen: § 141 Abs. 1 spricht lediglich davon, daß eine Bestätigung "als erneute Vornahme zu beurteilen" sei. Mehr wird dort nicht über die Bestätigung mitgeteilt. Insbesondere fehlt jede Äußerung über ihre Voraussetzungen, was im übrigen von allen Stellen gilt, in denen das BGB den Begriff "Bestätigung" verwendet 54 • Ein Blick auf die Kommentarliteratur zeigt die hinsichtlich des Begriffspaares "Bestätigung/Neuvornahme" herrschenden Unsicherheiten. So ist für Brox 55 die Bestätigung "ihrer Rechtsnatur nach ... eine Neuvornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts".

Jauernig 56 spricht davon, daß die "Bestätigung durch Neuvornahme" zu erfolgen habe. Somit setzen Brox und Jauernig Bestätigung und Neuvornahme miteinander gleich. Mayer-Mal/7 ist der Ansicht, die Bestätigungsmöglichkeit diene "der Wahrung des Willens der Beteiligten, wenn ihn diese zum Zeitpunkt der Bestätigung neuerlich bekunden". Immerhin erkennt er aber, daß man die Funktion der Bestätigung verkennen würde, "sähe man in ihr nichts anderes als die Neuvornahme des nichtigen Geschäfts mit Rücksicht auf die Nichtigkeit". Daher unterscheide sich die Bestätigung "von einem völlig neuen Rechtsgeschäft . . . durch mehrfache Erleichterungen" 58• Heinrichs 59 wiederum hält die Bestätigung für "das Rechtsgeschäft, durch das die Partei ihr eigenes bisher fehlerhaftes Rechtsgeschäft als gültig anerkennt(!)", sieht die Bestätigung zunächst also eindeutig als einen Parteiakt an, mittels dessen die Parteien ihren Willen zum Ausdruck bringen, am bislang nichtigen Rechtsgeschäft festzuhalten. Diese Bestätigung sei "als Neuvornahme zu beurteilen", womit lediglich der - wie soeben gezeigt - wenig aufschlußreiche Gesetzestext wiederholt wird. Daß Heinrichs Bestätigung und Neuvornahme aber letztlich nicht gleichsetzen möchte, läßt sich seiner Äußerung60 entnehmen, die Bestätigung brauche nicht von einem Neuabschlußwillen getragen zu sein, es genüge ein Bestätigungswille. Festzuhalten ist als Essenz der Ansicht Heinrichs',

Vgl. Wörterverzeichnis BGB: §§ 144, 1612a Abs. 4, 2284. Erman-Brox, Ein!. § 104, Rz. 24; § 141, Rz. 1. 56 § 141, Anm. 2b. 57 MünchKomm-Mayer-Maly, § 141, Rz. 1. 58 Unter diesen Erleichterungen versteht er die o. S. 23 Fn. 51 zitierte Rechtsprechung ("auf den Boden .. . stellen"), konkludentes Verhalten und die Rückwirkungsregel des§ 141 Abs. 2.Vgl. schon RG Gruchot 71 N r. 35: "" . . Bezugnahme auf den alten Akt . . .". 59 Palandt-Heinrichs, § 141, Anm. Ia. 60 Mit Hinweis auf Staudinger-H Dilcher, § 141, Rz. 2. 54

55

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

25

daß das willentliche Verhalten von Vertragsparteien6 \ das früher nichtige Rechtsgeschäft nun als gültiges zu behandeln, als Neuvornahme "zu beurteilen" ist; eine Gleichsetzung von Bestätigungund Neuvomahme findet nicht statt. Der Sinn des Ausdrucks "als erneute Vornahme zu beurteilen" bleibt allerdings offen. Ganz anders äußern sichKrüger-Nieland/Zöller62 : Um dem nichtigen Rechtsgeschäft zur Wirksamkeit zu verhelfen, müsse es erneut vorgenommen werden. Nur dadurch könne die Nichtigkeit beseitigt werden. Die "erneute Vornahme" sei gemäߧ 141 "in Form der Bestätigung" möglich. Da die Bestätigung "als erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts zu beurteilen" sei, müsse sie- insbesondere hinsichtlich eventueller Formerfordernisse- "grundsätzlich" den Anforderungen des betreffenden Rechtsgeschäfts entsprechen. Hier bleibt das Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme unklar. Zuerst wird postuliert, daß nur durch erneute Vornahme(!) dem alten, nichtigen Rechtsgeschäft zur Wirksamkeit verholfen werden könne. Das ist ein Widerspruch in sich; denn wenn ein Rechtsgeschäft neu vorgenommen wird, liegt ein neuer rechtlicher Tatbestand vor, der nicht mit der Wirkung befrachtet zu werden braucht, einem früheren - wenn auch deckungsgleichen, so doch anderen - Rechtsgeschäft nunmehr Wirksamkeit zu verleihen. Sodann findet eine Gleichsetzung von Neuvornahme und Bestätigung statt; denn erstere sei gemäß § 141 in Form der letzteren möglich. Das wird aber dann doch wieder dadurch in Frage gestellt, daß die Bestätigung nur als erneute Vornahme "zu beurteilen" sei, wobei auch hier zweifelhaft bleibt, was unter diesem Ausdruck zu verstehen ist. Vollends widersprüchliche Aussagen finden sich bei Hefermeh/ 63: er geht zunächst 64 davon aus, daß das Gesetz keine ausdrückliche Neuvornahme verlange; die Bestätigung werde "als solche gewertet". Dennoch meint er wenig später65 , daß die Bestätigung "allen Anforderungen genügen (müsse), die an eine Neuvornahme des Geschäftes zu stellen" seien. Unklar bleibt dabei, ob das Gesetz eine Neuvornahme postuliert oder nicht. Wenn die Parteierklärung nur so "gewertet" wird, kann sie auch nicht den Parteien abverlangt werden (muß "allen Anforderungen genügen"). Wenn sie dagegen vom Gesetz gefordert wird, liegt keine bloße "Wertung" eines anderslautenden Parteiwillens vor. Es ist also wenig sinnvoll, einen Bestätigungswillen der Vertragsparteien lediglich als Neuvornahme zu "werten", um von ihnen im Gegenzug dann doch wieder "alle Anforderungen" einer Neuvornahme zu verlangen.

61 Obwohl § 141 Abs. 1 den Vertrag nicht nennt, sondern nur von dem .,Rechtsgeschäft" spricht, sei dieser Rechtsgeschäftstypus hier als dominantes Beispiel verwendet. 62 RGRK -Krüger-Nie/and/ Zöller, § 141, Rz. I. 63 Soergei-Hefermeh/, § 141 , Rz. 1 und 5. 64 Rz. I. 65 Rz. 5.

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l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problern

Eine zunächst eindeutige Stellungnahme zum Verhältnis von Bestätigung zu Neuvornahme findet sich bei H. Dilche/": Bestätigung nach§ 141 sei die Anerkennung eines eigenen, früher nichtigen Rechtsgeschäfts "als gültig". "§ 141 Abs. 1 fingiert die Bestätigung als Neuvornahme." 67 Konsequenterweise werde für die Bestätigung daher kein "Neuabschlußwille", sondern ein (bloßer) "Bestätigungswille" gefordert. Im Widerspruch hierzu ist zuvor68 davon die Rede, die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts sei gemäߧ 141 "nur als eine Neuvornahme möglich". Es wird auch später wieder von der "Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme" gesprochen69, was beispielsweise zur Folge habe, daß auch bei der Bestätigung eines formgerechten, jedoch aus 'anderem Grunde nichtigen Geschäfts der Formzwang "eingreife" 70 • Würde man mit der "Fiktion" eines bloßen Bestätigungswillens als Neuvornahme Ernst machen, so dürfte in diesem Falle eine Wiederholung der Form nicht verlangt werden. Denn der "Bestätigungswille" der Parteien bezieht sich nur auf das "Anerkenntnis" des - immer schon formwirksamen - Rechtsgeschäfts, nicht auf die Wiederholung seiner Form. Hadding 71 schließlich bezeichnet die Bestätigung als Rechtsgeschäft, "durch das jemand zu erkennen gibt, daß er ein anderes eigenes Rechtsgeschäft, dessen Nichtigkeit ihm bekannt ist, gleichwohl als wirksam behandelt sehen will". Gleich darauf heißt es: "Als erneute Vornahme(§ 141) muß die Bestätigung allen Erfordernissen des früheren Rechtsgeschäfts genügen." Entweder will der Bestätigende am ehemals nichtigen Rechtsgeschäft festhalten oder es neu vornehmen. Jedoch kann sein Bestätigungswille nicht dahingehend ausgelegt werden, er habe in Wahrheit neu vornehmen wollen.

Diese kurze Übersicht über die aktuelle Kommentarliteratur zeigt bereits die Unsicherheiten, die hinsichtlich der gegenseitigen Zuordnung der Ausdrücke "Bestätigung" und "als erneute Vornahme zu beurteilen" bestehen. Während Jauernig und Brox 72 recht eindeutig Bestätigung mit Neuvornahme gleichsetzen, den Ausdruck "zu beurteilen" somit auf die Tatbestandserfordernisse der Bestätigung beziehen, vertretenH. Dilcher 73 undHeinrichs 74 die- nicht widerspruchsfreie - Gegenposition, indem sie unter "Bestätigung" das Anerkenntnis des 66 67 68

69 70

71 72

Staudinger-H Dilcher, § 141, Rz. I. Rz. 2. Staudinger-H Dilcher, Ein!. zu §§ 104-185, Rz. 70. Staudinger-H Dilcher, § 141, Rz. 5. Unter Berufung auf RGZ 146, 234, 238. StudK-Hadding, § 141, Anrn. lb und c. Dieser allerdings schon weniger präzise, denn was heißt: ".. . ihrer Rechtsnatur nach ... "?

73 Wegen der oben gezeigten Widersprüche kann seine Ansicht allerdings nicht vorbehaltsfrei der Gegenmeinung zugerechnet werden. 74 Auch er undeutlich, durch seine Berufung aufH Dilcher (s.o. S. 24 Fn. 60)aberindiesern Sinne interpretierbar.

li. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

27

früher nichtigen Rechtsgeschäfts durch die Parteien als jetzt gültig begreifen, was das Gesetz- so insbesondere H. Dilcher mit wünschenswerter Deutlichkeit- als Neuvornahme "fingiere". H. Dilcher und Heinrichs verstehen§ 141 Abs. I also dahingehend 75 , daß dort nicht von den Voraussetzungen einer Bestätigung die Rede ist, sondern nur deren Rechtsfolge - Fiktion einer erneuten Vornahme genannt wird, der Ausdruck "zu beurteilen" sich somit auf die Rechtsfolge der Bestätigung bezieht. Zwischen diesen beiden Extrempositionen steht MayerMaly mit der von ihm vertretenen Ansicht einer Neuvornahme unter "mehrfachen Erleichterungen" 76 • Dabei bleibt sein Standpunkt hinsichtlich der in Rede stehenden Begriffszuordnung undeutlich. Dies gilt in noch stärkerem Maße für Krüger-Nieland/Zöller, Hefermehl und Hadding. Insgesamt vermag also die Kommentarliteratur die oben 77 festgestellten Unklarheiten im Verhältnis von "bestätigen" und "als erneute Vornahme zu beurteilen" nicht zu beseitigen. 2. Lehrbücher Im folgenden sollen die aktuellen Lehrbücher zum Allgemeinen Teil des BGB daraufhin überprüft werden, ob sie für das in § 141 problematische Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme eine Lösung bieten können. Bei den zu untersuchenden Werken kann das Lehrbuch vonErnst Wolfinsofern von vornherein außer Betracht bleiben, als dieser Autor sich nicht mit§ 141 und erst recht nicht mit den Begriffen "Bestätigung" und "Neuvornahme" nichtiger Rechtsgeschäfte auseinandersetzt. Genannt sei nur seine Ansicht zur Unwirksamkeit 78: "Unwirksamkeit ist Nichteintreten der Rechtswirkung des Rechtsgeschäfts bei dessen Vollendung." Das Rechtsgeschäft muß also als vollendetes existieren, bevor es zum Nichteintritt der beabsichtigten 79 Rechtswirkungen kommt. Im übrigen findet sich jedoch in der Lehrbuchliteratur, im Gegensatz zur Kommentarliteratur, eine eindeutige Mehrheit derjenigen, die dem Ausdruck "als erneute Vornahme zu beurteilen" entnehmen, daß Bestätigung mit Neuvornahme gleichzusetzen sei. So erklärt Brox 80 lapidar: "Die Bestätigung ist eineN euvornahme des Rechtsgeschäfts (§ 141)." Wenig später heißt es 81 : "Der Bestätigungswille muß erklärt Unter Ausklammerung des oben S. 26 gezeigten Widerspruchs. Zu diesen s.o. S. 24 Fn. 58. 77 s.o. S. 18 ff. 78 Wolf, S. 452; dort (Fn. I) setzt er Unwirksamkeit mit Nichtigkeit gleich. 79 Daß "andere" als "dem Geschäftsinhalt" entsprechende Wirkungen eintreten können, sieht Wolf, S. 459, geht jedoch nicht näher darauf ein. 80 BGB-AT, Rz. 323. 75

76

I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problern

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werden. Das ist die erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts." Für Brox statuiert § 141 Abs. 1 also lediglich die doch recht inhaltsleere gesetzliche Feststellung, daß die Parteien, wollen sie einem zuvor nichtigen Rechtsgeschäft die beabsichtigten Rechtswirkungen verleihen, das Rechtsgeschäft erneut vornehmen müssen. Zum Wesen der Nichtigkeit findet sich nur der Satz82: "Ein nichtiges Rechtsgeschäft hat von Anfang an keine Rechtswirkungen." Ähnlich klar äußert sich Hübner 83 : "Da das Gesetz die Nichtigkeit aus übergeordneten Interessen vorschreibt, können sich die Parteien über die Nichtigkeitsfolgen nicht durch eine Bestätigung hinwegsetzen.... Sie müssen vielmehr unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes ... das gewollte Rechtsgeschäft neu vornehmen .. ." Die Begründung Hübners für die Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme stützt sich allein auf seine These von der "Nichtigkeit aus übergeordneten Interessen". Könnte aber nicht in§ 141 gerade eine Ausnahme von dieser scheinbaren Unaufhebbarkeit der Nichtigkeitsfolgen durch Parteiakt zu sehen sein? Darüber hinaus fällt auf, daß Hübner nicht von einer Bestätigung nach Wegfall, sondern von einer Neuvornahme "unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes" spricht. Er setzt also nicht nur Bestätigung mit Neuvornahme gleich, sondern legt es auch in die Hand der Parteien, den Nichtigkeitsgrund zu umgehen. Damit entfernt er sich aber vollends von der Vorstellung einer Bestätigung des nichtigen Geschäfts. Denn nur dessen erneute Vornahme kann unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes stattfinden, während dieses Kriterium für die Bestätigung als unpassend erscheint, da sonst durch die Bestätigung jeder Nichtigkeitsgrund aufgehoben werden könnte 84 • Im übrigen versteht Hübner unter Nichtigkeit 85 die Tatsache, daß das Rechtsgeschäft "die seinem Inhalt entsprechende Wirkung nicht herbeizuführen vermag", wobei das nic;htige Rechtsgeschäft "kein reines nullum, sondern ein äußerer Tatbestand (sei), an den die Rechtsordnung gewisse Wirkungen, wenn auch andere als die von den Parteien beabsichtigten, knüpft". Darunter sei etwa die Schadenersatzpflicht wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit (§§ 306, 307), der mögliche Schadenersatzanspruch (§§ 823 ff.) aus Wuchergeschäft (§ 138) oder die Ersatzpflicht (§ 122) aus nichtiger Scherzerklärung (§ 118) zu verstehen. Köhler 86 erläutert zunächst "Nichtigkeit" ähnlich wie Wolf, Brox und Hübner, jedoch allgemeiner, dahingehend, daß das nichtige Rechtsgeschäft von Anfang an keine Rechtswirkungen habe. Sodann 87 definiert er zwar den Begriff "bestätigen" als die Erklärung der Parteien, daß sie das nichtige Rechtsgeschäft als 81 82

83 84 85

86 87

BGB-AT, Rz. 324. BGB-AT, Rz. 304. Rz. 510. Zu dieser Überlegung s. schon o. S. 18. Rz. 507. S. 238. s. 241.

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

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gültig ansehen und an ihm festhalten wollten. Er fährt dannjedoch fort: "Nach § 141 I ist aber eine solche Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen. Die Parteien müssen also das Rechtsgeschäft neu, unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes, abschließen. Die Neuvornahme muß dabei allen Erfordernissen, einschließlich der Form, des zu bestätigenden Geschäfts entsprechen, damit sie wirksam ist ... " Obwohl also die Bestätigung eindeutig als Ausdruck des Parteiwillens erkannt wird, am alten, nichtigen Rechtsgeschäft festzuhalten, müssen die Parteien es später dennoch erneut vornehmen. Im Ergebnis wird somit die Bestätigung doch wieder mit der Neuvornahme gleichgesetzt 88• Wie bei Hübner, so ist auch hier vom Neuabschluß "unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes" die Rede. Rüthers89 schließlich vertritt ebenfalls klar die Ansicht, daß das nichtige Rechtsgeschäft, trotz "irreführender Bezeichnung in§ 141 ",nicht bestätigt, sondern nur erneut vorgenommen werden könne. Dies begründet er damit, daß die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts endgültig sei. Aber nicht nur durch seine zutreffende Ansicht von einer "irreführenden Bezeichnung in § 141" fällt Rüthers im Vergleich zu den bisher untersuchten Autoren aus dem Rahmen. Auch seine Auffassung von Nichtigkeit unterscheidet sich von den bislang dargestellten Ansichten. Denn er hält ein vom Gesetz für nichtig erklärtes Rechtsgeschäft für ,juristisch gesehen, von Anfang an nicht vorhanden" 90• Eine Auffassung, die, wie noch zu zeigen sein wird 9 \ zu vielen Verständnisschwierigkeiten bei § 141 geführt hat.

Soweit die Reihe der Autoren, die eindeutig Bestätigung mit Neuvornahme gleichsetzen92 • Den Werkenzweier anderer Autoren ist diese Ansicht nur durch Auslegung zu entnehmen. So spricht Diederichsen 93 zunächst unter der Kapitelüberschrift 94 "Einwilligung und Genehmigung" von der Bestätigung als dem "nachträglichen Einverständnis mit einer eigenen, bisher nicht voll wirksam gewordenen Willenserklärung". Das ist wohl so zu verstehen, daß die Bestätigung sich auf das ursprünglich nichtige Rechtsgeschäft beziehe und dieses (!) wirksam mache. Dagegen heißt es später95 unter dem Titel 96 "Aufrechterhaltung (!) eines fehlerhaften Rechtsgeschäfts": ". . . daß es juristisch möglich ist, Rechtsgeschäfte, deren Unwirksamkeit man gerade ausführlich begründet hat, wieder entstehen zu lasGanz deutlich kommt das auf S. 245 noch einmal zum Ausdruck. Rz. 311 f. ~n Rüthers, Rz. 311 f. 91 s. u. 2. Kapitel (S. 66 ff.). 92 Zur Ansicht F/umes s. u. S. 30 ff. 93 Rz. 312. 94 s. 130. 95 Rz. 405. 96 S. 171. 88

89

1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

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sen, als ob man einen in sich zusammengefallenen Luftballon wieder aufbläst ... Zu den Krönungen juristischen Denkens gehört es, ein an sich mit der Feststellung der Nichtigkeit gescheitertes rechtsgeschäftliches Unternehmen durch die jetzt zu behandelnden Institute der Bestätigung und Umdeutung gleichsam neu entstehen zu Jassen." Um beim genannten Bild zu bleiben: Es soll nicht ein neuer, anderer Luftballon gleicher Farbe und Größe, sondern der alte, in sich zusammengefallene wieder aufgeblasen werden. Dennoch will Diederichsen nicht das alte Rechtsgeschäft wiederbeleben, sondernes-unscharf- "gleichsam neu" entstehen Jassen. Seine weiteren Ausführungen 97 verstärken diesen Eindruck. Hier spricht er im Hinblick auf§ 141 Abs. I von der ,juristischen Bewertung der Bestätigung als Neuvornahme", was bedeute, "daß das neue(!) Rechtsgeschäft nur wirksam (sei), wenn es sämtlichen Erfordernissen des zu bestätigenden Rechtsgeschäfts" entspreche. So verlange die "Neuvornahme" beispielsweise im Falle der Formnichtigkeit Beachtung des Formerfordernisses. Das kann im Ergebnis nur so verstanden werden, daßDiederichsen Bestätigung und Neuvornahme letztlich doch gleichsetzen will. Nähere Ausführungen zu den Wirkungen der Nichtigkeit Jassen sich in seinem Werk nicht finden. Der zweite Autor, der Bestätigung und Neuvornahme gleichsetzt, ist Harry Westermann 98 • Dies wird man seiner in einem Nebensatz geäußerten Ansicht zur Bestätigung99 , "die alle Voraussetzungen des gültigen Geschäfts erfüllen muß", entnehmen müssen. Denn wenn die Bestätigung in sämtlichen Voraussetzungen dem gültigen Rechtsgeschäft entsprechen muß, ist sie eben keine bloße Bezugnahme auf den bereits vorhandenen rechtsgeschäftliehen Tatbestand, sondern nichts anderes als die erneute Vornahme des nichtigen Geschäfts. In abgeschwächter Form vertritt schließlich auch Westermann die schon oben bei Rüthers vorgefundene Auffassung von Nichtigkeit, wenn er ausführt, "(daß) ein nichtiges Geschäft keinerlei Rechtswirkung äußert (es ist ein ,Nichts' im Rechtssinn)" 100• Die Darstellung derjenigen Autoren, die eine Gleichstellung von Bestätigung und Neuvornahme befürworten, soll mit der Ansicht Flumes 101 abgeschlossen werden. Er nimmt hier deshalb eine besondere Stellung ein, weil seine Ausführungen manche Anregung für diese Arbeit geliefert haben, ohne daß ihm im Ergebnis gefolgt würde. Flume sieht zunächst 102 das nichtige Rechtsgeschäft nicht als nicht existent an, sondern versteht darunter ein Geschäft, dessen beab97

Rz. 407.

s.

124. Über einen weiteren Satz zur schuldrechtlichen Rückwirkung gemäߧ 141 Abs. 2 hinaus finden sich bei Westermann keine näheren Ausführungen zur Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte. 98 99

100 10 1 102

s. 92. s. 551 ff. s. 547 f.

li. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

31

sichtigte Rechtsfolgen nicht eintreten. Deshalb können aufgrund 103 eines nichtigen Rechtsgeschäfts, da es auch kein bloß "faktisches Geschehnis" ist, durchaus je nach dem Nichtigkeitsgrund verschiedene Rechtsfolgen eintreten, etwa aus den §§ 307, 309 oder aus§ 122. Des weiteren 104 bemerktF/ume zutreffend, daß im BGB die Begriffe "nichtig" und "unwirksam" nicht so exakt unterschieden werden, als daß damit jeweils bestimmte Grade von Ungültigkeit bezeichnet werden könnten 105 • Will man unter "unwirksam" solclte Rechtsgeschäfte verstehen, die noch, unter "nichtig" solche, die von Anfang an nicht oder nicht mehr wirksam werden können, so stellt sich anband der eigentlich "nichtigen", vom Gesetz aber dennoch als "unwirksam" bezeichneten Rechtsgeschäfte 106 rasch die terminologisch bedeutungslose Differenzierung dieser Begriffe heraus 107 • Immer in enger Anlehnung an die Gesetzgebungsmaterialien kommt Flume sodann 108, nach Anerkennung des Postulates, daß ein nichtiges Rechtsgeschäft nicht durch bloßen W egfa11 des Nichtigkeitsgrundes wirksam werden dürfe, zu der gegenüber den übrigen aktuellen Lehrbüchern singulären These 109 , es sei nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes "sehr wohl denkbar, daß durch eine Bestätigung im Wortsinne das Rechtsgeschäft gültig wird, ohne daß es einer Neuvornahme bedarf". Denn die Behauptung, ein nichtiges Rechtsgeschäft sei unheilbar, entstamme der Vorstellung, daß ein nichtiges Rechtsgeschäft nicht existiere, was unrichtig sei. Mit Blick auf den Wortlaut von § 141 Abs. 1 schlägt Flume nun jedoch den seiner Ansicht genau entgegengesetzten Weg ein, indem er ausführt: "Die positivistische Entscheidung des Gesetzes lautet aber, daß die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts als erneute Vomahme zu beurteilen ist." 110 Er glaubt, dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen zu müssen, daß Bestätigung und Neuvornahme gleichzusetzen seien. Das zeigt sich wenige Sätze später sehr deutlich, indem er bezüglich der Bestätigung eines die vorgeschriebene Form wahrenden, jedoch aus einem anderen Grund nichtigen Rechtsgeschäfts die Wiederholung des Rechtsgeschäfts unter erneuter Beachtung der Form zwar nicht billigt, aber meint: "De lega lata muß man dies jedoch annehmen." Auch im folgenden 111 bleibt er bei dieser Auffassung, wenn er erklärt, daß "ein nichtiges Rechtsgeschäft auch durch konkludentes Handeln ,bestätigt', d.h. neu vorgenommen werden" könne. Es wird zu prüfen sein, ob§ 141 tatsächlich die tatbestandliehe 103 Damit sagt Flume nicht, daß es sich hierbei um "rechtsgeschäftliche", d.h. von den Parteien beabsichtigte Folgen des nichtigen Rechtsgeschäfts handelt! 104 s. 548 f. 105 In diesem Sinne schon Wolf. s.o. S. 27 Fn. 78. 106 Beispiele s.o. S. 16. 107 Zum uneinheitlichen Sprachgebrauch des BGB s.o. S. 16, 17 f. 108 S. 550 f. 109 S. 551. 110 S. 551. 111 S. 552.

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l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme zum Ausdruck bringen will. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift wird hierüber Klarheit verschaffen 112 • Nun seien diejenigen Autoren vorgestellt, die sich wohl gegen eine Gleichsetzung der Tatbestände von Bestätigung und Neuvornahme aussprechen. Eine vorsichtige Formulierung dieser Gegenposition empfiehlt sich deshalb, da sie nur sehr undeutlich zum Ausdruck kommt, anders, als dies etwa bei StaudingerH Dilcher 113 ("Fiktion") der Fall ist. Es läßt sich den Ausführungen dieser Autoren durch Interpretation zwar die genannte, mehr oder weniger deutliche Auffassung entnehmen, doch bieten sie keine andere konkrete Lösung für die Frage, in welchem Verhältnis die Bestätigung zur Neuvornahme steht. Zunächst zu Larenz114: Er mißt der Nichtigkeit die gleiche Bedeutung bei wie F/ume 115 • Eine Bestätigung liege nur dann vor, "wenn sich der erklärte Wille darauf richtet, daß das früher vorgenommene Geschäft gerade mit seinem ursprünglichen Inhalt gelten solle 116 ".- "Nach der Regelung des Gesetzes" führe eine Bestätigung nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes aber nur zur Wirksamkeit - des ursprünglichen Rechtsgeschäfts - vom Zeitpunkt der Bestätigung an. Denn die Bestätigung sei "als erneute Vornahme zu beurteilen(§ 141 Abs. 1)". Damit hat Larenz zunächst nur den Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme Stellung zu nehmen. Sein Hinweis 117 auf Flume, der zu Recht in der gesetzlichen Regelung eine positivistische Entscheidung des Gesetzgebers, nicht eine logisch zwingende Folgerung aus dem Begriff der Nichtigkeit sehe, könnte sogar den Schluß zulassen, daß Larenzwie Flume- dem§ 141 Abs. l eine Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme entnehmen will. Dieser Hinweis steht jedoch in unmittelbarem Zusammenhang mit der obengenannten Äußerung zur ex-nunc-Wirkung der Bestätigung. Daß Larenz deshalb auch die tatbestandliehen Voraussetzungen von Bestätigung und Neuvornahme gleichsetzen will, wird dadurch nicht überzeugend belegt. Auch spricht er später 118 im Rahmen der Erörterung der Bestätigung eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts gemäß § 144 davon, daß das "Gesetz ... in ihr, anders als bei der Nichtigkeit(§ 141), nicht eine erneute Vornahme ... sieht". Das deutet darauf hin, daß Larenz die Neuvornahme nur als gesetzlich angeordnete Folge der Bestätigung versteht.

112 113 114 115 116

117 118

s.u. 2. Kapitel (S. 66 ff.).

§ 141, Rz. I, ihm folgend Palandt-Heinrichs, § 141, Anm. Ia- s.o. S. 24 f., 26.

BGB-AT, S. 445. BGB-AT, S. 445 Fn. 3. BGB-AT, S. 446. BGB-AT, S. 446 Fn. 6. BGB-AT, S. 469.

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

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Seine Folgerung aus dem Gesetzeswortlaut 119, daß "jetzt alle Wirksamkeitserfordernisse vorliegen" müßten und daß die Bestätigung eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts "in der vorgeschriebenen Form erfolgen" müsse, stellt dieses Ergebnis allerdings wieder in Zweifel. Natürlich müssen nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes und Bestätigung alle Wirksamkeitserfordernisse vorliegen. Auch kann es die Parteiabsicht sein, ein formnichtiges Rechtsgeschäft erneut und formwirksam vorzunehmen. Es stellt sich aber die Frage, ob in solchen Fällen noch von einer Bestätigung die Rede sein kann oder ob hier nicht immer eine Neuvornahme des Rechtsgeschäfts vorliegt, die gleichwohl in der Absicht zustandekommen kann, die inhaltsgleichen Rechtsfolgen herbeizuführen. Welchen Sinn sollte eine Vorschrift, die von Bestätigung spricht, in den Fällen haben, in denen nur neu vorgenommen werden kann(!)? Sie hätte doch nur dann einen Sinn, wenn sie Bestätigung und Neuvornahme gleichsetzte. Man wird Larenz' Äußerungen also im Ergebnis zwar nicht als Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvomahme werten können. Doch ist seine Gegenposition zur herrschenden Meinung auch nicht frei von inneren Widersprüchen. Das gleiche, auf undeutlicher Ausdrucksweise beruhende Problem findet sich bei Medicus 120• Schon seine Auffassung von Nichtigkeit ist unklar. Seiner Ansicht 121 nach "hindert (sei!. die Nichtigkeit) schon ein wirksames Zustandekommen des Rechtsgeschäfts". Dabei bleibt offen, ob Medicus das nichtige Rechtsgeschäft als juristisch nicht existent betrachtet oder nur zum Ausdruck bringen will, daß dem vollendeten rechtsgeschäftliehen Tatbestand die von den Parteien beabsichtigten Rechtsfolgen versagt bleiben. Seine spätere 122 Äußerung, bei einer Bestätigung brauche nicht ignoriert zu werden, "daß ihr schon ein wenn auch nichtiges - Geschäft vorausgegangen" sei, läßt den vorsichtigen Schluß zu, daß er das nichtige Rechtsgeschäft nicht als juristisches Nullum ansehen will. Die Bestätigung definiert Medicus als "ein Verhalten, aus dem sich der Wille ergibt, das Geschäft trotz dessen Wirksamkeitsmangels oder doch wenigstens trotzZweifeln an dessen Wirksamkeit gelten zu lassen" 123 • Da die Bestätigung aber "nach§ 141 I ,als erneute Vornahme zu beurteilen'" sei 124 , führe sie "nicht ohne weiteres zur Wirksamkeit, weil auch sie den allgemeinen Wirksamkeitserfordernissen für das zu bestätigende Rechtsgeschäft genügen" müsse. Obwohl bestätigen zunächst zutreffend 125 mit "gelten lassen" definiert wird, führt die Bestätigung später, unscharf formuliert, doch "nicht ohne weiteres" zur Wirk119

120 121

122 123

124 125

BGB-AT, S. 446. Rz. 487 und 529 ff. Rz. 487. Rz. 532. Rz. 530. Rz. 532. s.o. S. 17.

3 Müller

1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

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samkeit des Rechtsgeschäfts. Gleichwohl wird man aus dem Erfordernis, daß die Bestätigung den "allgemeinen Wirksamkeitserfordernissen für das zu bestätigende Rechtsgeschäft genügen" müsse, nicht herauslesen dürfen, daß Medicus die Tatbestände von Bestätigung und Neuvornahme gleichsetzt. Denn die nun genannten Beispiele für solche "Wirksamkeitserfordernisse"- wie etwa Einhaltung der Form, kein entgegenstehendes Verbotsgesetz, Vermeidung des Sittenverstoßes - sind nichts anderes als der für eine wirksame Bestätigung ohnehin erforderlich erscheinende Wegfall des Nichtigkeitsgrundes. Auch lehnt Medicus wenig später 126 die erneute Formwahrung bei Bestätigung eines formbedürftigen, jedoch aus anderem Grunde nichtigen Geschäfts, ab. Würde er, wie etwa Flume 127 , im Ergebnis Bestätigung mit Neuvornahme gleichsetzen, müßte er auch in diesem Fall Wiederholung der Form verlangen. Relativiert wird diese Interpretation der Ansicht Medicus' letztlich aber wieder dadurch, daß er für den soeben genannten Fall in unklarer Ausdrucksweise fordert, es müsse "jedenfalls der Schutzzweck der Form gewahrt sein" 128• Zusa~menfassend wird man der Darstellung der Bestätigung bei Medicus nicht die Auffassung entnehmen können, die Bestätigung stehe tatbestandlieh einer Neuvornahme gleich. Aber wie Larenz bietet auch er keine Alternativlösungen für das in Rede stehende Verhältnis. Eine eigenwillige Auffassung von Nichtigkeit und Bestätigung findet sich schließlich bei Pawlowski129• Abgesehen davon, daß seiner Ansicht nach 130 auch im Falle versteckten Dissenses ein - obgleich "nichtiger" - Vertrag zustande kommen soll 131 , vertritt er einen stark differenzierenden, im Umfang vom jeweiligen Nichtigkeitsgrund abhängigen Unwirksamkeitsbegriff. Für die vorliegende Untersuchung ist von Interesse, daß Pawlowski die aus dem nichtigen Teil des Rechtsgeschäfts (zu vollständiger Nichtigkeit gelangt er nur selten) resultierenden Rückabwicklungs- 132 und Sorgfaltspflichten 133 als "vertragliche" Pflichten ansieht, also nicht als gesetzliche Folgen des nichtigen Rechtsgeschäfts 134 • Widersprüchlich ist dagegen, daß zum Beispiel "Sorgfalts- und Schutzpflichten bei nichtigen Verträgen" 135 "bereits durch das ,Verfahren der Einigung' begründet werden" 136 sollen, hingegen durch Rechtsgeschäfte, die wegen eines "von Rz. 532. s.o. S. 30 ff. 128 Rz. 532. 129 Rz. 469 ff. 130 Rz. 469 ff. 131 Für die entgegengesetzte Ansicht der herrschenden Meinung vgl. nur Flume, S. 622 und Larenz. BGB-AT, S. 515 ff. 132 Rz. 501. 133 Rz. 504. Konkrete Beispiele für beide Fallgruppen werden nicht genannt. 134 Das kritisiert auch Larenz, BGB-AT, S. 445 f. 135 So die Überschrift vor Rz. 502. 136 Rz. 502. 126

127

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

35

Amts wegen" 137 zu verfolgenden Nichtigkeitsgrundes nichtig sind, an dem "großes allgemeines Interesse besteht", nicht begründet werden 138 • Nach Pawlowskis Ansicht liegt also auch bei einem nichtigen Rechtsgeschäft ein rechtsgeschäftlicher Tatbestand vor, der sogar Rechtswirkungen erzeugen kann. Im folgenden 139 behandelt Paw/owski die Bestätigung als Mittel, das "der Abwendung der Nichtigkeit" 140 diene. Dabei spricht er zunächst vom Wegfall des Nichtigkeitsgrundes und einer nachfolgenden "Erfüllung" der "zunächst ,nichtigen' Vereinbarung". Dann heißt es: "In diesen Fällen können die Vertragspartner den Vertrag bestätigen(§ 141)." Diese unklare Formulierung wird man so verstehen müssen, daß die Bestätigung ein neben der Vertragserfüllung bestehender Parteiakt sei. Im Widerspruch dazu ist wenig später 141 davon die Rede, daß man die Erfüllung nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes "immer als ,Bestätigung' des Vertrages zu qualifizieren" habe. Dabei bleibt offen, ob die Bestätigung eines nichtigen Vertrages nur durch Erfüllung oder auch auf andere Weise geschehen kann. Undeutlich sind schließlich auch Pawlowskis Ausführungen zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme 142• Der Vertrag werde "allerdings bei einer ,Bestätigung' sozusagen ,neu abgeschlossen"'. Gleich darauf ist von "Neuvornahme bzw. Bestätigung" die Rede. Alles in allem sind Paw/owskis Äußerungen zum Begriff Bestätigung und zu ihrem Verhältnis zur Neuvornahme zu unklar und widersprüchlich, um ihn den Befürwortern oder Gegnern einer Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme zurechnen zu können. Anband der Lehrbuchliteratur konnte die sich um die Begriffe "Bestätigung" und "Neuvornahme" rankende Problematik zwar näher herausgearbeitet werden. Die Meinungsäußerungen der untersuchten Autoren konnten jedoch kaum zu einer Klärung beitragen. Im folgenden Kapitel soll deshalb geprüft werden, ob die bestehenden Fragen mit Hilfe der von Graba vertretenen Ansicht beantwortet werden können. Diese neueste Monographie zu§ 141 aus dem Jahre 1967läßt am ehesten eine Klärung der aufgeworfenen Probleme unter Zusammenfassungdes bisherigen Meinungsstandes erwarten.

137

138 139 140 141 142

3*

Rz. Rz. Rz. Rz. Rz. Rz.

496. 496. 503 f. 503. 503. 504.

1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

36

3. Die Ansicht Grabas Entgegen der herrschenden Ansicht, die die Tatbestände von Bestätigung und Neuvornahme miteinander gleichsetzt, vertritt Graba die Auffassung, Bestätigung sei "die Wiederholung einzelner Tatbestandsvoraussetzungen, die zusammen mit den schon vorliegenden Tatbestandselementen die volle Wirksamkeit des bisher nichtigen Geschäfts begründen, m.a.W. die Bestätigung des nichtigen Geschäfts bedeutet seine Schaffung im Wege eines gestreckten Tatbestandes" 143 . Graba meint, § 141 Abs. 1 regele nur die Rechtsfolge einer Bestätigung 144. Zu diesem Ergebnis gelangt er, indem er zunächst Bestätigung wie folgt definiert: "Bestätigung ist die Billigung eines eigenen fehlerhaften Rechtsgeschäfts (§§ 141, 144 BGB)" 145. Daß die so definierte Bestätigung einer Neuvornahme gleichzusetzen sei, will er dem Ausdruck "als erneute Vornahme zu beurteilen" nicht entnehmen 146. Zwingend erforderlich werde eine Neuvornahme ohnehin nur dann, wenn man das nichtige Rechtsgeschäft rechtlich für nicht vorhanden halte, nicht aber, "wenn man die Nichtigkeit nur in Bezug auf einen bestimmten Nichtigkeitsgrund sieht", der durch Bestätigung ersetzt werden könne, wodurch das ganze Geschäft "geheilt" werde 147. § 141 Abs. I regele vielmehr die Rechtsfolge der Bestätigung, wie sich aus einem Vergleich mit§ 142 Abs. I ergebe. Denn danach sei das angefochtene Rechtsgeschäft "als von Anfang an nichtig anzusehen", und es bestehe Einigkeit darüber, daß damit nicht die Voraussetzungen, sondern die Rechtsfolgen der Anfechtung zum Ausdruck kämen.§ 142 Abs. I enthalte insoweit eine Verweisung, insbesondere auf die §§ 812 ff., und "in entsprechender Weise" sei "auch die Klausel in § 141 I ,als erneute Vornahme zu beurteilen' eine Verweisung, und zwar auf die Normen des bestätigten Geschäfts" 148. Von diesem erhalte "die Bestätigung erst die inhaltliche Bestimmung der Rechtsfolge und damit ihre sachliche Bedeutung". Zum Beleg für die zuletzt genannte These zitiert Graba Larenz' Methodenlehre149. Dort werden 150 zwar "Verweisende Rechtssätze" behandelt, von§ 141 ist jedoch nicht die Rede. Larenz nennt als verweisende Rechtssätze nur solche, die eine Verweisung ausdrücklich aussprechen 151 . Das ist bei § 141 Abs. I aber gerade nicht der Fall. Mit keinem Wort "verweist" diese Vorschrift "auf die Graba, Graba, Graba, Graba, Graba, Graba,

S. 28. S. 26. 145 S. I (s. bereits o. S. 18). 146 S. 26. 147 S. 27 f. 148 S. 26. 149 Zitiert wird die I. Aufl. 1960, S. 164 f. (s. Graba, S. 26). 150 Auf den Seiten 164 bis 166. 151 Etwa§ 823 Abs. 2 Satz 1: "Die gleiche Verpflichtung trifftdenjenigen ... "; § 515: "Auf den Tausch fmden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung";§ 581 Abs. 2: "Auf die Pacht finden ... die Vorschriften über die Miete entsprechende Anwendung." 143

144

li. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

37

Normen des bestätigten Geschäfts". Larenz kann insoweit also nicht als Gewährsmann für die Behauptung dienen, § 141 Abs. 1 sei "eine Verweisung". Auch der Vergleich mit § 142 Abs. 1, der Graba zu seiner These von § 141 Abs. 1 als einer Verweisungsnorm gelangen läßt, hält einer Prüfung nicht stand. Wie soeben dargelegt, ist Graba der Ansicht, § I42 Abs. 1 enthalte eine Verweisung auf die Rechtsfolgen der Anfechtung, insbesondere auf die§§ 8I2 ff. Auch hierfür wird als Beleg das Werk von Larenz 152 herangezogen. Tatsächlich ist dort im Zusammenhang mit § I42 Abs. 1 von "Verweisung" die Rede. Larenz ist daran gelegen, die Rechtsfolgewirkungen der ex-tunc-Nichtigkeit darzustellen. Deshalb führt er aus: "Um nichts anderes als um eine solche Verweisunghandelt es sich bei der sog. ,Rückwirkung' einer später eintretenden Tatsache auf die vorher bestehende Rechtslage" 153 • Abgesehen davon, daß von einer rückwirkenden Kraft der Bestätigung in § 141 nicht die Rede sein kann, geht§ 142 Abs. 1 im Unterschied zu§ 14I Abs. 1 auch von völlig verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen aus: Diese sind für § I42 Abs. I nämlich in den §§ 119 ff., 143 geregelt. § 142 Abs. I ist also nichts anderes als eine bloße Rechtsfolgenrege1ung. An einer derartigen Konzeption fehlt es jedoch bei§ 141 Abs. I. Seine Tatbestandsvoraussetzungen sind - insbesondere, was die Bestätigung betrifft - nicht an anderer Stelle im Gesetz geregelt. Schließlich ist fraglich, ob der Ausdruck "ist ... anzusehen" in§ 142 Abs. I dieselbe Bedeutung hat wie "ist ... zu beurteilen" in § 141 Abs. 1. Kein zwingendes Argument, aber immerhin bedenkenswert ist hierbei die Frage, warum der Gesetzgeber, wollte er Gleiches zum Ausdruck bringen, dies nicht auch mit übereinstimmenden termini getan hat. Damit soll nicht in Frage gestellt werden, daß § 141 Abs. 1 die erneute Vornahme als Rechtsfolge einer Bestätigung statuiert. Nur läßt sich dieses Ergebnis schwerlich einem Vergleich der Vorschrift mit § 142 Abs. 1 entnehmen.

Grabas Definition von Bestätigung bleibt unbefriedigend. Wenn schon keine Neuvornahme erforderlich sein soll, so bleibt er gleichwohl auf seinem Weg, Bestätigung zu definieren als Willenserklärung der Parteien, am nichtigen Geschäft als gültigem billigend festzuhalten, auf halbem Wege stehen, wenn letztlich doch wieder die "Wiederholung einzelner Tatbestandsvoraussetzungen" erforderlich ist. Das ist im Ergebnis nichts anderes als eine teilweise Neuvornahme. Es nimmt daher nicht wunder, daß ihm die Bestätigung eines formfreien Rechtsgeschäfts mit dessen Neuvornahme "zum Verwechseln ähnlich" 154 scheint. Auch könne "dahingestellt bleiben" 155 , ob in der Bestätigung eines formfreien Rechtsgeschäfts dessen Neuvornahme zu sehen sei, "oder, was den Vorstellungen der Parteien wohl näherkommt, die Schaffung der Voraussetzungen des alten Geschäfts im Wege eines gestreckten Tatbestandes" 156 • Diese Idee, das Rechts152 153 154 155 156

Methodenlehre (I. Aufl.), S. 159. Larenz, Methodenlehre (I. Aufl.), S. 159. Graba, S. 28. Graba, S. 30. Graba, S. 30.

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

geschäft könne durch Verbindung von Teilen des nichtigen Geschäfts mit einer Bestätigung nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes zustande kommen, also im Wege eines "gestreckten Tatbestandes", ist nicht neu. Sie wurde schon im 19. Jahrhundert vertreten 157• Ob die Konstruktion eines "gestreckten Tatbestandes" tatsächlich den Parteivorstellungen "näherkommt", wird anband der Rechtsprechung zu untersuchen sein. Graba geht dann bei der Bestätigung formgebundener Rechtsgeschäfte noch einen weiteren Schritt auf die herrschende Meinung zu 158: Zunächst müßten bei Formmangel zumindest die "formmangelhaften Teile" nachgeholt werden, wodurch der "im übrigen formgemäße Tatbestand des früheren Geschäfts ergänzt" 159 werde. Aber auch in anderen Fällen der Nichtigkeit eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts, etwa wegen Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit, §§ 134, 138, wenn also die vorgeschriebene Form eingehalten worden sei, müsse, da der Wille zur Bestätigung in der Urkunde zu verkörpern sei, "der Bestätigungswille in die Form des Geschäfts gekleidet sein" 160• Resultat dieses Rückschritts zur herrschenden Ansicht ist, daß Graba im Ergebnis § 141 Abs. 2 völlig, § 141 Abs. 1 im wesentlichen als überflüssig ansieht, da die Bestätigung, wie sie von ihm verstanden wird, gegenüber einer Neuvornahme "keine Vorteile" aufweise 161 und die Vereinbarung einer obligatorischen Rückwirkung (§ 141 Abs. 2) den Parteien auch ohne diese Vorschrift unbenommen sei 162•

Um aber § 141 Abs. I doch noch wenigstens zum Teil zu retten, untersucht

Graba nun die Wirksamkeit von formlosen Bestätigungen formbedürftiger

Rechtsgeschäfte, die einmal wegen eines Formmangels, ein anderes Mal wegen eines inhaltlichen Fehlers nichtig sind 163 • Er nennt diese Art von Bestätigung "faktische Bestätigung" 164• Bei der Prüfung der formlosen Bestätigung von formnichtigen Rechtsgeschäften stellt Graba zunächst fest 165, daß § 313 Satz 2 für die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen "faktischen Bestätigung" nicht herangezogen werden kann, da diese Vorschrift "kein gesetzlich geregelter Fall der Bestätigung eines formnichtigen Geschäfts ist" 166 • Denn im Falle des§ 313 Satz 2tritt die Heilungdurch 157 Vgl. nur Enneccerus, S. 269, der von ,.successiver Entstehung des Rechtsgeschäfts" spricht, und Jhering, Geist, S. 160 ff. Abgelehnt wurde diese Konstruktion bereits im Jahre 1848 durch Girtanner, S. 22. Näheres im folgenden Kapitel, S. 66 ff. 158 Graba, S. 30 ff. 159 Graba, S. 31. 160 Graba, S. 33. 161 Graba, S. 34. 162 Graba, S. 34 f. 163 Graba, S. 37 ff. 164 s. die Kapitelüberschriften S. 37, 38. 165 Graba, S. 38-42. 166 Ganz herrschende Meinung, s.o. S. 21 f.

li. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

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bloße Erfüllung ein, unabhängig von einem auf Kenntnis von der Nichtigkeit begründeten Bestätigungswillen 167. Nach einem unergiebigen und allzu knappen Blick auf die Entstehungsgeschichte von§ 141 168 kommt er zum Begründungskern seiner These von der formlosen Bestätigung formnichtiger Rechtsgeschäfte169: Da Rechtsprechung und herrschende Literaturmeinung- vor allem durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242) begründete- Ausnahmen vom Prinzip der Formwahrung in§ 125 zuließen, sei zu untersuchen, ob nicht auch die formlose Bestätigung "Ausdruck eines allgemeinen Prinzips" sein könne, das die Nichtigkeitsfolge des § 125 aufhebe. Danach fänden in der Bestätigung der "Vertrauensgrundsatz", der "Grundsatz der Rechtskonsequenz", der "Grundsatz des Bestandsschutzes" und der "Grundsatz der Verwirkung", allesamt Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben, ihren Ausdruck. Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte sei daher "nur ein Sonderfall des § 242" 170• Für die Wirksamkeit einer solchen Bestätigung seien folgende Voraussetzungen erforderlich 171 : Eine formnichtige, aber inhaltlich fehlerfreie Willenseinigung, wobei beide Vertragsparteien in dem Glauben gehandelt haben mußten, alles getan zu haben, was zu einem auch formal gültigen Geschäft gehört. Des weiteren eine Bestätigungshandlung, die eindeutig den Schluß auf einen durch Kenntnis oder Annahme der Formnichtigkeit begründeten Bestätigungswillen zulasse. Unter eine solche Bestätigungshandlung fielen aber nicht nur formlose Erklärung und konkludentes Handeln, sondern auch Handlungen und Verhaltensweisen, die in Unkenntnis der Nichtigkeit geschähen, "wenn unzweifelhaft nicht die vermeintlich eingegangene Bindung, sondern der freie Wille für die Bestätigung ursächlich" 172 sei. Drittens schließlich sei keine empfangsbedürftige Willenserklärung erforderlich, da die Bestätigung als "Verwirkung der Geltendmachung des Formmangels" "die objektive Wertung eines Verhaltens" sei, das "wegen der Beziehung der Vertragspartner von Bedeutung ist" 173• Beispiel für eine derartige formlose Bestätigung eines formnichtigen Rechtsgeschäfts sei dessen Erfüllung 174 • Es müsse immer geprüft werden, ob durch eine "faktische Bestätigung" der Zweck der verletzten Formvorschriftderen Einhaltung wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht nötig sein soll - gewahrt sei 175 • Graba führt die These von der Einschränkbarkeit des Formerfordernisses durch § 242 schließlich sö weit, daß er sogar eine formlose Bestätigung des form167 168 169 170 171 172 173

174 175

Graba, Graba, Graba, Graba, Graba, Graba, Graba, Graba, Graba,

S. 41. S. 43 f. S. 50 ff. S. 52. S. 54 ff. S. 55. S. 56. S. 56157. S. 59.

40

l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

widrigen Testaments 176 zuläßt. Er begründet dies mit einer von ihm so bezeichneten "subjektiven Formtheorie" 177, wonach es ein Erfordernis der Billigkeit 178 sei, "eine formmangelhafte Verfügung dennoch als gültig anzuerkennen, wenn der Erblasser formgerecht testieren wollte und dieser Wille einwandfrei festgestellt werden kann" 179, und zwar- so vorhanden, denn hierbei handele es sich nur um Sonderfalle 180 - entweder anband eines formwirksamen oder gar mittels eines formnichtigen "Bestätigungstestaments" 181 • Im Ergebnis meint Graba, daß sich die "faktische Bestätigung" von einer formgerechten - Neuvornahme zwar dadurch unterscheide, daß keine neuen übereinstimmenden Willenserklärungen erforderlich seien, "sondern das einseitig bestätigende Verhalten dessen genügt, der den Formfehler zu seinen Gunsten geltend machen kann" 182• Gleichwohl komme dadurch§ 141 Abs. I keine eigenständige Bedeutung zu, da die Rechtswirkungen des Geschäfts nicht durch den Bestätigungswillen, sondern durch "die in der Bestätigung zum Ausdruck kommenden allgemeinen Prinzipien" hervorgerufen würden. Dem ist zuzustimmen: Will man Grabas Ansicht folgen, die Berufung auf einen Formmangel sei ausgeschlossen nach formloser Erfüllung des Vertrages oder auf andere Weise zum Ausdruck gekommener Absicht, das formnichtige Rechtsgeschäft durchzuführen, so kann das allenfalls eine Folge der "Bestätigung" sein. Sie wäre dann Niederschlag dieser dem Grundsatz von Treu und Glauben unterzuordnenden Korrektur des strengen Formwahrungsprinzips. Keinesfalls handelte es sich dabei um eine Tatbestandsvoraussetzung der "Bestätigung". Eine Bestätigung läge auch gar nicht vor. Denn auf das Erfordernis der Kenntnis vom Nichtigkeitsgrund, mindestens Zweifeln an der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts 183, kann nicht verzichtet werden. Graba rückt nämlich dadurch die Bestätigung, entgegen seiner erklärten Absicht, doch wieder in die Nähe dervom Kenntnismerkmal ebenfalls unabhängigen- Heilungstatbestände (§§ 313 Satz 2; 518 Abs. 2; 766 Satz 2, etc.). Er preßt die Figur "Bestätigung" unter den Grundsatz von Treu und Glauben, der dabei seine Konturen zu verlieren droht. Denn die drei von Graba genannten Voraussetzungen, unter denen die formlose 176

Graba, S. 109-117.

Graba, S. 111. 178 Graba, S. 116: ..... ob man die Versagung der testamentarischen Erbfolge ftir ungerecht hält .. ." und die von ihm S. 112 zu seiner Unterstützung zitierten Autoren Danz (DJZ 1909, S. 280, 284- fehlt in Grabas Literaturverzeichnis): .... . nicht einzusehen, warum das Testament nichtig sein sollte", Wüstendörfer (AcP 110, S. 219 ff.- fehlt ebenfalls in Grabas Literaturverzeichnis) und Krause, (FamRZ 1955, S. 160 ff. -fehlt ebenfalls): .,Die gleiche Begründung 177

bringen . . .". 179 180 181 182 183

Graba, Graba, Graba, Graba,

S. IIO/ Ill. S. 113. S. 114 ff. S. 59 und S. 56 und 67 (., . .. eine Willenseinigung schon vorliegt ... "). Dazu bereits o. S. 22.

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

41

Bestätigung eines formwidrigen Rechtsgeschäfts wirksam sein soll, machen keinesfalls deutlich, warum gerade durch sie der Vorwurf vermieden werden kann, die Zulassung einer solchen "faktischen Bestätigung" mache die gesamten Formvorschriften inhaltsleer. Sie sind viel zu allgemein gehalten. Auch mutet die Behauptung seltsam an, für die formlose Bestätigung sei keine neue Willenseinigung nötig- sie liege ja schon vor-, sondern es genüge eine einseitige nicht empfangsbedürftige "Handlung". Damit stellt er die in der Kommentarliteratur vertretene Ansicht vom rechtsgeschäftliehen Charakter der Bestätigung184 in Frage, ohne eine eindeutige Gegenposition zu vertreten. Im übrigen mißachtet Graba den zuvor 185 als "selbstverständlich" bezeichneten Grundsatz, daß der Nichtigkeitsgrund- hier: Formmangel- nicht auch dem Bestätigungsgeschäft anhaften dürfe. Letztlich bleibt unklar, was Graba mit der Konstruktion einer solchen formlosen Bestätigung formnichtiger Rechtsgeschäfte bezweckt, denn sie verwischt die Konturen des Rechtsgeschäftstyps "Bestätigung" eher als daß sie sie schärft und ist auch nicht von begrifflicher Klarheit gekennzeichnet. Das zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit bei der von ihm postulierten Zulässigkeil der formlosen ("faktischen") Bestätigung·formnichtiger Testamente. Mit sogenannten "Billigkeitserwägungen" lassen sich nahezu alle Abweichungen von Formerfordernissen begründen. Auf die Zulässigkeil der "formlosen Bestätigung" des formnichtigen Testaments wird, nach eigener Herausarbeitung der Bedeutung des Begriffs "Bestätigung", noch näher einzugehen sein 186• Graba geht nun noch einen Schritt weiter und fragt sich, ob nicht auch eine formlose Bestätigung eines formwirksamen, aber inhaltsnichtigen Rechtsgeschäfts zuzulassen sei 187• Er denkt dabei "an die Fälle, in denen der Hersteller der Urkunde nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes sich trotzdem oder sonst in völlig freier Weise als Aussteller der Urkunde bekennt" 188• Im Gegensatz zurnicht näher belegten- "herrschenden Meinung" brauche man die wirksame Verkörperung des Willens in der Urkunde nicht bei deren Herstellung zu fordern, sondern könne insofern auch auf den "Augenblick des Gebrauchs" abstellen. Im Ergebnis liege ja schließlich, nach späterer formloser Bestätigung des inhaltsnichtigen Formgeschäfts, "ein verkörperter Wille" vor 189• Die Zwecke der Formvorschrift könnten auch dann erfüllt sein, "wenn der Bestätigende in einer der Geschäftsform vergleichbaren Weise seinen Willen durch die Tat zum Ausdruck bringt, z.B. der Erblasser gibt nach Wiedererlangung der Testierfähigkeit die früher abgefaßte Testamentsurkunde seinem Freund mit dem Bemerken zur s.o. S. 21 Fn. 33. Graba, S. 27 Fn. I. 186 s.u. s. 211 ff. 187 Graba, S. 60 ff. 188 Graba, S. 60. 189 Graba, S. 62. 184

185

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

Verwahrung, sie enthalte seinen letzten Willen" 190. Zur Unterstützung seiner These verweist Graba auf zwei Urteile des Reichsgerichts 191 • Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser Art der "faktischen Bestätigung" nennt er im Rahmen der Beweistatsachen, mit denen das Vorliegen der Bestätigung zu untermauern sei 192: Zum einen dürfe der ursprüngliche Nichtigkeitsgrund bei Bestätigung nicht mehr vorliegen. Zweitens müsse sich die Bestätigung auf das formbedürftige Geschäft beziehen. Drittens müsse, um das Vertrauen Dritter gegenüber der Anerkennung abzuwägen, der Schaden, der durch die Nichtigkeit entstünde, größer sein, ,.als die Beeinträchtigung der Rechtssicherheit, die mit der formlosen Bestätigung verbunden ist" 193 • Die ,,faktische Bestätigung" müsse eine Ausnahme bleiben. Diese Grundsätze wendet Graba auch auf die ,.faktische Bestätigung" eines formwirksamen, aber inhaltsnichtigen Testaments an 194. Als Beispielsfälle nennt er die formlose Bestätigung eines formwirksamen Testaments durch den Erblasser nach Wegfall von Testierunfähigkeit oder Sittenwidrigkeit, die zur Zeit der Errichtung bestanden hatten 195 ; die Verwendung eines unterschriebenen Testainents-,.entwurfs" unter Streichung der Überschrift "Entwurf" als Testamene96; und schließlich den "Widerruf des Widerrufstestaments" 197, wobei er zwar erkennt, daß der zuletzt genannte Fall sich insofern von der formlosen Bestätigung des inhaltsnichtigen Testaments unterscheide, als dort das ursprüngliche Testament vor Errichtung des Widerrufstestaments immerhin wirksam gewesen sei. Dieser Unterschied sei aber nicht rechtserheblich 198. Graba begrundet die Zulässigkeit der formlosen Bestätigung inhaltsnichtiger Testamente damit 199 , daß man, entgegen der ,.h.M. ", nicht nur zwischen Errichtung und Todesfall, sondern zwischen "formaler Niederschrift (Herstellung der Urkunde)", "Ausstellung (d.h. Niederschrift und geistige Aneignung deren Inhalts, was man auch Errichtung nennen kann)" und Todesfall unterscheiden müsse. Der Zeitpunkt von Herstellung und Ausstellung des Testaments sei nicht zwingend identisch. Der Erblasser könne sich die Testamentsurkunde auch noch nachträglich, etwa durch einen Brief, aneignen. Ob darin eine Bestätigung liege, sei eine Beweisfrage. Der maßgebliche Zeitpunkt der Testamentserrichtung sei jedenfalls entgegen der herrschenden Ansicht "nicht ... der Moment der Been190 191 192 193 194

195

196 197 198

199

Graba, S. 62 f. RGZ 27, 269 ff.; 78, 26 ff. Zu beiden siehe sogleich (s.u. S. 44 f.). Graba, S. 65. Graba, S. 65. Graba, S. 94 ff. Graba, S. 95 ff., 103 ff. Graba, S. 96. Graba, S. 97. Graba, S. 97, 99. Graba, S. 100 f.

II. Der gegenwärtige Meinungsstand in der Literatur

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digung der Niederschrift, sondern der Augenblick der letzten willensfreien Bestätigung" 200• So liege in der Heirat des Erblassers und seiner Geliebten nach dem Tode der Ehefrau eine Bestätigung der bislang wegen Sittenwidrigkeit nichtigen Verfügung zugunsten der Geliebten201 • Auch nach Anerkennung der "faktischen Bestätigung" formwirksamer, aber inhaltsnichtiger Rechtsgeschäfte stellt sich für Graba die Frage, ob deshalb§ 141 Abs. leigenständige Bedeutung zuzuerkennen sei 202 • Er verneintdas im Ergebnis. Zwar bestehe zur Neuvornahme insofern ein Unterschied, als durch das bloße empfangsbedürftige203 Bekenntnis des Bestätigenden zum nichtigen Rechtsgeschäft dieses nachträglich Geltung erlange. Dieser Unterschied sei aber "Ansichtssache" 204• Man könne "die nachträgliche Aneignung der Urkunde als besondere Modalität der rechtsgeschäftliehen Bestätigung, ja sogar als Teil des ursprünglichen Errichtungstatbestandes auffassen, der nicht einheitlich sein muß" 205 • In diesem Fall sei das, was man "Bestätigung" nenne, "auch mit den gewöhnlichen Entstehungstatbeständen des Rechtsgeschäfts erklärbar". Grabas These von der formlosen Bestätigung formwirksamer, aber inhaltsnichtiger Rechtsgeschäfte wirkt zunächst plausibler als seine Behauptung, auch ein formunwirksames Rechtsgeschäft könne formlos bestätigt werden206 • Das rührt auch daher, daß für erstere These nicht der Grundsatz von Treu und Glauben herhalten muß, dessen Verwendung zuweilen den Verdacht erregt, man wolle mit seiner Hilfe fehlende Plausibilität ersetzen. Dennoch mag sich Graba nicht dazu durchringen,§ 141 Abs. 1 für den Fall der formlosen Bestätigung des inhaltsnichtigen formwirksamen Rechtsgeschäfts eigenständige Bedeutung zuzuerkennen. Er begründet dies erstaunlicherweise damit, daß die Bestätigung in diesem Fall auch als "Teil des ursprünglichen Errichtungstatbestandes" angesehen werden könne. Erstaunlich ist diese Begründung deshalb, weil er doch selbst vom Beginn seiner Ausführungen an 207 von der Bestätigung als Errichtung eines Rechtsgeschäfts in Form eines "gestreckten Tatbestandes" ausgegangen war. Nichts anderes aber ist die formlose Bestätigung des formwirksamen, inhaltsnichtigen Rechtsgeschäfts bei Graba. Nach Grabas Konzept müßte hier die Schaffung des Rechtsgeschäfts aus dem Formalakt in Verbindung mit der später nachfolgenden formlosen Bestätigung bestehen. Graba, S. 107. Graba, S. 108. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Problem der formlosen Bestätigung des inhaltsnichtigen Testaments erfolgt, nachdem die Bedeutung von Bestätigung erarbeitet worden ist, s.u. S. 213 ff. 202 Graba, S. 66 f. 203 Mit der- s.o. S. 40, 41 - falschen Begründung, hier liege noch keine Willensübereinstimmung vor. 204 Graba, S. 67. 205 Graba, S. 67. 206 Zur eingehenden Beschäftigung mit diesem Problem s.u. S. 211 ff. 207 Graba, S. 28 ff. 200 201

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problern

Neben dieser Widersprüchlichkeit im Ergebnis sei auch auf ein nicht bedenkenfreies Begründungsargument hingewiesen, das letztlich den Ausschlag für Grabas Zweifel am Vorliegen einer echten Bestätigung geweckt haben könnte. Gemeint sind die beiden genannten Urteile des Reichsgerichts. In der Entscheidung des Reichsgerichts vom 1.4.1891 108 ging es um einen schriftlichen Grundstückskaufvertrag, dem die behördliche Genehmigung versagt wurde. In Abänderung dieses Vertrages wurde, durch Streichungen und Ergänzungen auf dem alten Vertragsformular, ein neuer Vertrag geschlossen, den der Verkäufer nicht erneut unterzeichnete und der dann behördlich genehmigt wurde. Das Reichsgericht gelangt in dieser Entscheidung, noch unter der Geltung des 1.5 § 116 ALR, zunächst zu der Auffassung, auch eine vor schriftlicher Vertragsniederlegung "in blanco" geleistete Unterschrift erfülle das Schriftformerfordernis. Sind sich dann die Vertragspartner darüber einig, daß die frühere Unterschrift auch für den Abschluß des abändernden Vertrages gelten soll, so ist mit der Änderung der Vertragsurkunde dem Erfordernis der Schriftform genügt. Das Gericht prüft nicht, ob der zweite - abändernde - Vertrag eine Bestätigung des ersten ist. Auch ist der erste Vertrag mangels behördlicher Genehmigung formell unwirksam 209, der zweite Vertrag mangels Unterschrift des Verkäufers noch gar nicht zustande gekommen. Erklären die Parteien, sie wollten die Unterschrift des formungültigen Vertrages für diejetzige Vereinbarung gelten lassen, so ist das insofern ungenau, als der neue "Vertrag" erst durch diese Verabredung zustande kommt, und nicht ein nichtiger, in seinen Talbestandsvoraussetzungen aber vollständiger Vertrag dadurch "bestätigt" wird. Hier geht es vielmehr um einen Fall des Zustandekoromens eines Vertrages, und dies nicht einmal im von Graba behaupteten Sinne, denn es wird keine "formal ordnungsgemäße und den Willen der Parteien wiedergebende Urkunde durch formlose Erklärung auch inhaltlich" 210 wirksam. Nach dem Sachverhalt kam es zuerst zur Vereinbarung über die Geltung der Unterschrift und erst dann zur behördlichen Genehmigung. Es lag somit auch keine bereits formell wirksame "Urkunde" zum Zeitpunkt des materiellen Wirksamwerdens vor. Hier handelt es sich also nur um einen Sonderfall des Entstehens eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts, der kein Beleg für Grabas These von der formlosen Bestätigung formwirksamer, inhaltsnichtiger Rechtsgeschäfte ist. Gleiches gilt für die in Anlehnung an das erstgenannte Urteie 11 ergangene Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1911 212 • Hier wurde eine wegen Erlöschens des Pfandverhältnisses inhaltlich unwirksame Urkunde über eine Hypothekenverpfändung erneut verpfändet. Das Gericht erkennt an, daß der ws RGZ 27, 269 ff. VJ RGZ 27, 269, 272. 210 Graba, S. 63. 211 Vgl. RGZ 78, 26, 31. 212 RGZ 78, 26 ff.

III. Der Umgang mit § 141 in der Rechtsprechung

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Wille der Beteiligten darüber befinden könne, wofür die- echte- Unterschrift der alten Urkunde gelten solle und spricht von der "Wiederbenutzung einer inhaltlich vollkommenen alten Urkunde" 213 • Fest steht, daß es auch hier zum Entstehen eines neuen Rechtsgeschäfts - im alten Gewand - gekommen ist. Es liegt keine "Bestätigung" eines existenten, aber nichtigen Rechtsgeschäfts vor. Diese beiden Urteile vermögen somit Grabas These nicht ausreichend zu belegen. Sie wird jedoch noch einmal geprüft werden, wenn der Begriff Bestätigung im Rahmen dieser Arbeit hinreichend geklärt ist 214• Hingewiesen sei aber bereits hier darauf, daß sich in der gesamten einschlägigen Rechtsprechung zu§ 141 215 nur vier Fälle finden 216, in denen das Problem der Bestätigung eines formwirksamen, aber inhaltsnichtigen Rechtsgeschäftes (es geht meist um Testamente!) wenigstens am Rande erörtert wird. Dieser Fall ist daher nur von geringer praktischer Relevanz, wenngleich geeignet, die Bedeutung von Bestätigung und Neuvornahme zu veranschaulichen.

111. Der Umgang mit § 141 in der Rechtsprechung 1. Übersicht In diesem Abschnitt geht es vor allem um die Klärung der Frage, wie sich die Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme in der Praxis auswirkt. Darüber soll eine kurze Analyse der den§ 141 betreffenden gerichtlichen Entscheidungen Auskunft geben. Es wurden neun aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des BGB stammende217 und 94 218 seit dem Jahre 1900 ergangene einschlägige Urteile und Beschlüsse, m RGZ 78, 26, 28. 214 s.u. s. 211 ff. 215 Dazu s. sogleich. 216 Dabei handelt es sich um: KG JW 1916,607 ff. = OLG Rspr. 32,321 ff.; RGZ 94, 147 ff.; OLG Celle, NJW 1956,265mitAnm. v. Bremen-Kühne;BGHZ20, 71 ff. = LM § 138(Cd)Nr. 6 mit Anm. Johannsen = NJW 1956, 865 mit Anm. Rechenmacher. -Weiterhin wurden als in Betracht kommend geprüft; jedoch im Ergebnis als nicht einschlägig erkannt: RGZ 64, 146 ff.: Der formgültige Grundstückskaufvertrag war sittenwidrig. Zu der Frage, ob dieser Nichtigkeitsgrund überhaupt "wegfallen" kann, s.u. S. 202 ff.; RG JW 1912, 850 f.: Hier war der formgültige Grundstückskaufvertrag angefochten. Auch in diesen Fällen ist der Wegfall des Nichtigkeitsgrundes sehr zweifelhaft, denn § 142 wird ja nicht aufgehoben, s.u. S. 202ff. RGZ 146, 234 ff.; OLG Kiel, OLGRspr. 42, 264; BGH NJW 1985, 2579 ff. = MittBayNotV 1985, 111 weisen eine dem letztgenannten Urteil vergleichbare Problematik auf. 217 Auf diese Urteile aus der Zeit vor lnkrafttreten des BGB wird im folgenden Kapitel, S. 83 ff., näher eingegangen werden. 218 Es handelt sich eigentlich um 96 U.rteile, jedoch waren von RG JR 1926 Nr. 790 (keine Rückwirkungder Bestätigung) und RG JR 1926 Nr. 1231 (Kenntnis der Nichtigkeit erforderlich) nur die Leitsätze verfügbar, so daß eine genaue Untersuchung von Tatbestand und Entscheidungsgründen nicht möglich war.

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

insgesamt also 103 Entscheidungen, untersucht 219 • Auffällig ist dabei zunächst, daß aus der Zeit von 1900 bis 1945 52 Entscheidungen des Reichsgerichts und 15 von Instanzgerichten, insgesamt also 67 Entscheidungen stammen. Für einen fast gleichlangen Zeitraum, nämlich von 1945 bis 1987, ließen sich dagegen nur 16 Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, zehn von Instanzgerichten und eine des Bundesarbeitsgerichts, insgesamt also 27 Urteile und Beschlüsse finden. Diese unterschiedliche Quantität läßt sich damit erklären, daß es bei Inkrafttreten des BGB naturgemäß an Judikatur zu§ 141 überhaupt fehlte und deshalb eine Reihe streitiger Fragen bereits in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts geklärt werden mußten220• Die Rechtsprechung seit 1945 konnte dann darauf aufbauen. Wegen der häufigen Rückverweise auf Entscheidungen aus der früheren Zeit war es aber in dieser Arbeit nicht möglich, eine nach aktueller und früherer Judikatur differenzierende Betrachtung vorzunehmen. Vielmehr mußte eine Gesamtschau aller Urteile und Beschlüsse erfolgen. Um die Gemeinsamkeiten vorwegzunehmen, sei auf die bereits bei der Darstellung der Kommentarliteratur zitierte Rechtsprechung221 verwiesen222 • Schon ihre Fülle zeigt, daß wesentliche Einzelheiten des Tatbestandes von§ 141 durch die Gerichte entwickelt worden sind und die heute anzutreffenden Übereinstimmungen in der Literatur im wesentlichen hierauf beruhen. Die Entscheidungen wurden statistisch ausgewertet. Eine Übersicht über die Arten der Nichtigkeitsgründe 223 und die Häufigkeit der anzutreffenden Bestätigungshandlungen224 weist weder bei getrennter Betrachtung noch im wechselseitigen Bezug Besonderheiten auf. Die Art des Nichtigkeitsgrundes korrespondiert also nicht mit dem Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bestätigung. Zur Wirkung der Nichtigkeit findet sich nur in einem einzigen Urteil eine Äußerung: "... Wiederherstellung eines nichtig gewordenen und damit nicht mehr vorhandenen Vertrages ... " 225 • 219 Diese Zahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, bietet aber, zumal weitere Urteile nicht auffindbar waren, einen mindestens repräsentativen Überblick über die einschlägige Judikatur. 220 Eine vergleichbare Tendenz zeigt sich bei den aufS. 20 Fn. 27 erwähnten 8 Dissertationen aus dieser Zeit, denen nur die Arbeit Grabas aus dem Jahre 1967 gegenübersteht. 221 Im Gegensatz dazu fallt auf, daß in der Kommentarliteratur nahezu überhaupt nicht auf (Lehrbuch-)Literatur verwiesen wird. 222 Vgl. die in den Fußnoten der S. 20 ff. angegebene Judikatur. 223 § 104 = drei Urteile;§ 125 (teilweise in Verbindung mit Sondergesetzen) = 27; § 134 = 15; § 138 = 17; § 142 = 16; andere, wie die Nichtigkeitsgründe in den vor dem Jahre 1900 ergangenen Urteilen,§§ 126,306 BGB, 186Abs. I HGBa.F. (RGJW 1904, 182), Wuchernach Art. 3 des WucherG vom 19.6.1893 (BayOblG, BayOb!GZ 10, 253 ff.), etc. = 14. Einige Urteile gehen nicht von einem nichtigen Rechtsgeschäft aus (RGZ 68, 37 ff.; 76, 81 tf.; RG JW 1929, 731), wurden wegen ihrer Aussagen zu § 141 aber dennoch hier aufgenommen. 224 Bestätigendes Verhalten der Parteien (nach Wertung des Gerichts): Ja= 25; Nein= 56. Nach dem Sachverhalt offen= 12. In RGZ 68,37 ff. und 76,81 ff. findet sich keine Äußerung des Gerichts zur Bestätigung. 225 RGZ 74, I, 3 = JW 1910, 647, 648.

III. Der Umgang mit§ 141 in der Rechtsprechung

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Auffällig ist, daß die Parteien nur selten ausdrücklich das nichtige Rechtsgeschäft "bestätigen" 226 , vielmehr meist das Gericht ihrem Verhalten diese Wertung beimißt Solche Verhaltensweisen sind etwa: - Die Aufnahme zuvor nicht beurkundeter Vertragsbestandteile in eine neue notarielle Urkunde über einen Grundstückskauf unter Bezugnahme auf die frühere Urkunde 227 • - Die Ansicht der Parteien, der Vertrag sei wirksam, obwohl er nach Ansicht des Gerichtes nichtig ist 228 • - In einem späteren Kaufvertrag nehmen die Parteien auf eine frühere, wegen Wuchers nichtige Darlehensschuld des Beklagten Bezug und verrechnen den Kaufpreis mit ihr229• - Der Beklagte ficht den mit dem Kläger abgeschlossenen, zunächst wegen seiner (des Beklagten) Unzurechnungsfähigkeit nichtigen Vertrag über die Übertragung seiner Firma nach Wiedererlangung der Zurechnungsfähigkeit nicht an, läßt den Vertrag vom Kläger erfüllen, rechnet auf der Grundlage des Vertrages mit dem Kläger ab und macht auch das Ergebnis der Abrechnung gegen den Kläger geltend 230• - Der Käufer ficht den Kaufvertrag an, benutzt aber den Kaufgegenstand (eine Maschine) danach noch "ungebührlich lange und ausgiebig" 231 • - Der Käufer kauft angeblich echte, in Wahrheit jedoch unechte Goethebriefe, ficht den Kaufvertrag an, veröffentlicht sie später aber in einer Zeitschrift 232 • - Nach Abschluß eines gemäß § 1 a Nr. 2 Kriegswirtschaftsverordnung (KWV0) 233 verbotenen Kaufvertrages, nach teilweisem Austausch der Leistungen und nach Aufhebung des gesetzlichen Verbots schließen die Parteien einen zweiten Vertrag, in dem sie den Kaufpreis als bezahlt bezeichnen und eine Änderung der Leistung einer Partei vereinbaren234• - Nachdem unter der Geltung der KWVO nichtige Kompensationsgeschäfte abgewickelt und auch die Verteilung der daraus stammenden Gewinne vereinbart worden sind, verteilen die Parteien die Gewinne nach Wegfall des Verbotes noch einmal 235 • 226 Vgl. z.B. RG JW 1924, 404, 405 (mit Anm. Manigk) = Recht 1924 Nr. 1202; RG SeuffArch 78, 219 f. = Recht 1924 Nr. 1233.- Schon das Reichsgericht hat keine wörtliche "Bestätigung" verlangt, RG WamRspr 1921 Nr. 60 = Recht 1921 Nr. 1820. 217 RG LZ 1925, 206; RG Gruchot 71 Nr. 35. 228 RGZ 125, 3, 7. . 219 KG OLGRspr 9, 280 f. 230 OLG Hamburg, OLGRspr 13, 27 f. 231 OLG Dresden, OLGRspr 20, 176 f. Vgl. auch BGH WarnRspr 69Nr. 309; 0LG Düsseldorf, NJW 1971, 622, 623. 232 OLG München, OLGRspr 25, 266 f. 233 Vom 4.9. 1939, s. RGBI. I, S. 1609. 234 BGHZ II , 59 ff. = LM Nr. I zu§ 141 (LS) = NJW 1954, 549 f. = JZ 1954, 168. 235 BGH LM Nr. 2 zu § 141 = NJW 1961, 1204. Nach Staudinger-Coing, 11. Auf!., § 134, Rz. 23a, waren Kompensationsgeschäfte zur Zeit des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit vorgenommene Geschäfte, bei denen die Lieferung bewirtschafteter, d.h. in Bewirt-

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

- Die Vertragsparteien fügen ihren wegen fehlender Bauzeichnungen formunwirksamen Grundstückskaufverträgen nach Bekanntwerden der neueren BGH-Rechtsprechung diese Bauzeichnungen als ergänzende Vertragsbestandteile hinzu236 • Allen diesen Verhaltensweisen ist gemeinsam, daß in ihnen der Wille der Vertragsparteien erkennbar wird, das Rechtsgeschäft trotz der erkannten Nichtigkeit fortzusetzen, daran festzuhalten, es zwischen sich gelten zu lassen. Das entspricht ganz der schon rein sprachlichen Definition von "bestätigen" 237 • Wie äußert sich nun die Rechtsprechung zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme? Denn die Vereinbarung einer Neuvornahme kann nicht in allen soeben genannten Fällen gesehen werden. Und in der Tat findet sich nie238 eine Neuvornahme in den Tatbeständen derjenigen Entscheidungen 239, in denen die Parteien nach vorherigem Wegfall des Nichtigkeitsgrundes ihren Willen zum Ausdruck bringen, am nichtigen Rechtsgeschäft festzuhalten. Der Wegfall des Nichtigkeitsgrundes besteht bei diesen - in der Praxis allerdings seltenen Entscheidungen darin, daß ein Verbotsgesetz nachträglich aufgehoben wird oder die bei Abschluß des Rechtsgeschäfts vorhandene Geschäftsunfähigkeit später wegfällt. Schwierig waren diejenigen Tatbestände einzuordnen, in denen die Parteien ein Rechtsgeschäft nach Anfechtung bestätigen wollen240• Denn hier kann es schaftungsbestimmungen (z.B. Bewirtschaftungsnotgesetz vom 30.10.1947, Kriegswirtschaftsverordnung vom 4.9.1939) erfaßter Waren von der Gegenleistung entsprechender anderer Waren abhängig gemacht wurde. Unwirksam war- so Coing- nach herrschender Meinung und Rechtsprechung nur das Verpflichtungs-, nicht auch das Verftigungsgeschäft. Dagegen vertritt der BGH im hier behandelten Fall die Ansicht, auch das Erfüllungsgeschäft sei nichtig. 236 OLG Celle, DNotZ 1980, 414 f. Die Rechtsfolge der .~ichtigkeit wurde wenig später rückwirkend wieder ausgeschlossen durch§ 1 Abs. I BeurkAndG (vom 26.2.1980, BGBI. I, S. 157). Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt die rückwirkenden Heilungsvorschriften der §§I , 2 BeurkÄndG für verfassungsgemäß erklärt, NJW 1986, 2817 ff. Der spätere, rückwirkende Wegfall der Nichtigkeit ist aber ohne Einfluß auf die hier allein interessierende Frage, ob eine Bestätigung bzw. eine Neuvornahme vorliegt, mit anderen Worten: Wie das Gericht § 141 Abs. I versteht. 237 Vgl. dazu o. S. 17 f. Damit ist natürlich noch nicht gesagt, daß in diesen Fällen auch immer eine Bestätigung im Sinne des § 141 vorliegt. 238 Einzige Ausnahme könnte BGH LM Nr. 2 zu § 141 (abgedruckt als Nr. 38 zu § 134) = NJW 1961, 1204 sein (s. bereits o. S. 47 Fn. 235); in den wiedergegebenen Entscheidungsgründen fehlt es allerdings an Sachverhaltsangaben zur Kenntnis der Parteien von der Nichtigkeit und zu ihrem Bestätigungswillen. 239 Zu diesen Fällen von Bestätigung gehören: OAG Berlin, SeuffArch 29 Nr. 108 (von 1873); RGZ 55, 36 ff.; RG JW 1903, Beilage S. 42 (Nr. 87)- fraglich ist hier allerdings der Bestätigungswille; RG WarnRspr 1921 Nr. 60 =Recht 1921 Nr. 1820- ob Kenntnis der Nichtigkeit vorlag, mußte die Vorinstanz allerdings noch einmal klären; RGZ 125, 3 ff.; OLG Hamburg, OLGRspr 13,27 f.; BGHZ II , 59 ff. = LM Nr. 1 zu§ 141 = NJW 1954,549 f. = JZ 1954, 168 f. 240 Dazu gehören z.B.: RG JW 1911, 187; 1912, 850 f.; 1924, 404 f. (mit Anm. Manigk ) = Recht 1924 Nr. 1202; RGZ 146, 234 ff.; OLG Dresden, OLGRspr 20, 176 f.; OLG München, OLGRspr 25, 266 f.; BayObiG, Recht 1919 Nr. 207; BGH WarnRspr 69 Nr. 309; BGH LM Nr. 3 zu§ 141 = NJW 1971, 1795 ff. (mit Anm. Giesen) = JZ 1971,553 ff. = BB 1971,673 ff.;

Ill. Der Umgang mit § 141 in der Rechtsprechung

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einen "Wegfall des Nichtigkeitsgrundes vor Bestätigung" wohl nicht geben, es sei denn, der Gesetzgeber würde § 142 Abs. 1 aufheben. Immerhin läßt sich feststellen, daß es in diesen Fällen nie zu einer Neuvornahme kommt. Die Parteien verhalten sich bei "Bestätigung" nach Anfechtung vielmehr so, als ob das Rechtsgeschäft noch gültig sei. Ein anderes Parteiverhalten findet sich dagegen oftmals bei Formnichtigkeit und Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts. In Fällen der Formnichtigkeit kommt es häufig zu einer erneuten, formgemäßen Vornahme des Geschäfts. Ist es dagegen sittenwidrig, so liegt bei Wiederholung etwa des nichtigen Darlehensvertrages häufig die Sittenwidrigkeit immer noch vor. Ob hier jedoch überhaupt eine Bestätigung nach vorherigem Wegfall des Nichtigkeitsgrundes 241 möglich ist, erscheint sehr zweifelhaft. Denn wie soll der Nichtigkeitsgrund "Formnichtigkeit" oder "Sittenwidrigkeit" wegfallen, wenn nicht der Gesetzgeber das Formerfordernis (z.B. § 313) aufhebt oder sich die Sittenvorstellungen erheblich wandeln? 242 Und tatsächlich gibt es kein einziges Urteil, in dem der Nichtigkeitsgrund "Formwidrigkeit" bzw. "Sittenwidrigkeit" nachträglich weggefallen wäre. Hier kann der Nichtigkeitsgrund denknotwendig nur durch erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts vermieden werden, indem man es jetzt form- bzw. sittengemäß abschließt. Dann liegt aber keine Bestätigung vor. In den meisten Entscheidungen differenzieren die Gerichte nicht nach der Art der Nichtigkeitsgründe und danach, ob ein vorangehender Wegfall des Nichtigkeitsgrundesbei Bestätigung vorlag oder nicht. Sie sind vielmehr überwiegend 243 und pauschal der Ansicht, daß eine Bestätigung nur durch Neuvornahme des Rechtsgeschäfts erfolgen könne. Gleichwohl gelangen sie teilweise auch in Fällen, in denen nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes bestätigt wird, und bei "Bestätigung" nach Anfechtung zum Vorliegen einer Bestätigung im Sinne des § 141. Dabei ist dann entweder vom Erfordernis der Neuvomahme keine Rede244 oder man schwächt das Postulat der tatbestandliehen Neuvomahme ab bis zum Verzicht darauf245. Aber auch soweit die Parteien das Rechtsgeschäft wiederholen246, liegt es nicht in ihrer Hand, ob die- zum Beispiel formgemäße- WieBGH LM Nr. 6 zu§ 141 = NJW 1977, 1151 = WM 1977, 387 ff. = MDR 1977, 561 = BB 1977, 1729f.; BGH NJW 1985,2579 ff. = MittBayNotV 1985, 111; OLG Düsseldorf, NJW 1976, 1638 f. 241 Daß dieser für eine wirksame Bestätigung von Bedeutung ist, wurde schon o. S. 18 erwähnt. 242 Zum Sonderfall einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Falle der Sittenwidrigkeit s.u. S, 214 ff. 243 s. sogleich die Einteilung der Judikatur in Kategorien (u. S. 51 ff.), insbesondere S. 51 ff. (1. Kategorie). 244 Z.B.: RG JW 1911,187; RGZ 125,3 ff.; OLG Hamburg, OLGRspr 13,27f.;OLG Dresden, OLGRspr 20, 176 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1971, 622 ff. 245 Z.B.: OLG München, OLGRspr 25, 266 f.; BayOblG, Recht 1919 Nr. 207; BGHZ II, 59 ff. = LM Nr. I zu§ 141 = NJW 1954. 549 f. = JZ 1954, 168 f.; BGH WarnRspr 69 Nr. 309. 246 Z.B.: RG Gruchot 53 Nr. 25 = WarnRspr 1909 Nr. 62; RG HRR 1928 Nr. 1277; RG JW 4 Müller

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1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problern

derholung auch Neuvornahme im Sinne einer Bestätigung ist. Dazu seien zwei Beispiele genannt: (1) In einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 5.3.1931 haben die Parteien einen mündlich geschlossenen Grundstückskaufvertrag zwei Jahre später inhaltsgleich durch notarielle Beurkundung wiederholt. Das Reichsgericht wertet im Anschluß an die Rechtsansicht der Vorinstanz diese Wiederholung als Bestätigung des nichtigen mündlichen Vertrages. Es stellt diese Auffassung aber selbst durch eine vorher248 und eine später249 ergangene Entscheidung zu gleichliegenden Sachverhalten in Frage. Denn in ersterer wird für den Bestätigungscharakter einer formellen Wiederholung des Grundstückskaufvertrages verlangt, daß darin - etwa durch Bezugnahme250 - der Wille der Parteien zum Ausdruck kommen müsse, die mündliche Abrede solle neben (!) der jetzt beurkundeten noch Geltung haben. Anderenfalls enthalte nur der beurkundete Vertrag den endgültigen Parteiwillen, und liege eine "Wiederholung und Bestätigung" nicht vor251 • Demgegenüber ist es in der späteren Entscheidung völlig unerheblich, ob die Parteien den mündlichen Grundstückskaufvertrag als nichtig oder als "bindend" ansehen; denn§ 141 gelte einmal direkt, ein andermal "mittelbar". Das ist um so widersprüchlicher, als in diesem späteren Urteil wenige Sätze zuvor ausdrücklich Kenntnis der Nichtigkeit oder ihre Annahme gefordert wird 252 • Hier zeigt sich, daß allein das Gericht bestimmt, wann eine Wiederholungshandlung der Parteien als Bestätigung zu qualifizieren ist und nicht in jeder Wiederholung des Rechtsgeschäfts bereits dessen "erneute Vornahme" liegen muß 253 • (2) In einer weiteren Entscheidung vom 22.10.1965 254 wiederholen die Parteien das formungültige Rechtsgeschäft später formwirksam; dabei war ihnen dessen Nichtigkeit wohl bekannt. Das Gericht geht davon aus, daß eine Bestätigung vorliege, die jedoch lediglich als Neuvornahme "zu beurteilen" sei, also als Rechtsfolge der Bestätigung gewertet werde und daher nur ex nunc Wirkung 1931, 2227 f. (mit Anrn. Emmerich); 1935, 2041; BGH LM Nr. 2 zu§ 141 = NJW 1961, 1204; BGHZ 60, 120 ff. = LM Nr. 4 zu§ 141 = NJW 1973, 465 ff. = MDR 1973, 385; OLG Harnrn, NJW 1966, 561 f. 248 RG HRR 1928 Nr. 1277. 249 RG JW 1935, 2041. 250 Solche Fälle sind z.B. RG LZ 1925, 206; KG OLGRspr 9, 280 f. 251 RG HRR 1928 Nr. 1277. 252 RG JW 1935, 2041; auf Kenntnis stellt in einem Fall von Wiederholung noch RG JW 1912, 681 ab. m Vgl. RG Gruchot 53 Nr. 25 = WarnRspr 1909 Nr. 62, wo die Parteien einen sittenwidrigen Vertrag wiederholen, und das RG in der bloßen Wiederholung, ohne zwischenzeitliehen Wegfall des Nichtigkeitsgrundes, keine Bestätigung sieht, da der Nichtigkeitsgrund auch dem zweiten Vertrag anhafte. Ob die Parteien (!) unter der Wiederholung eine Bestätigung verstanden haben, wird nicht geprüft.- Mit ähnlichem Tatbestand auch BGHZ 60, 102 ff. = LM Nr. 4 zu § 141 = NJW 1973, 465 IT. = MDR 1973, 385. 254 OLG Harnrn, NJW 1966, 561 f.

Ill. Der Umgang mit§ 141 in der Rechtsprechung

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habe. Wiederum bestimmt das Gericht, wie die Wiederholung des Rechtsgeschäfts zu qualifizieren ist. Die Parteien haben es nicht in der Hand, ob ihre Wiederholung des Rechtsgeschäfts Bestätigung im Sinne des § 141 ist und können auch nicht darauf Einfluß nehmen, ob tatbestandlieh oder nur in der Rechtsfolge eine Neuvornahme vorliegt, obwohl dies für den Inhalt ihrer Willenserklärungen doch von größter Bedeutung ist. Diese Beispiele zeigen, daß die Rechtsprechung, wie die Literatur, vor begrifflichen und dogmatischen Schwierigkeiten hinsichtlich der Wechselbeziehung von Bestätigung und Neuvornahme steht. Es wird nicht klar, ob Neuvornahme und Bestätigung einander im Tatbestand gleichzusetzen sind oder ob die Bestätigung nur Rechtsfolge der Neuvornahme ist. Diese Schwierigkeiten zeigen sich im übrigen bereits an Fällen, die tatbestandlieh eindeutig eine Wiederholung des nichtigen Rechtsgeschäfts aufweisen. Da sich eine zweifelsfreie Aussage in der Judikatur anband dieser wenigen, aber deutlichen Sachverhalte nicht feststellen läßt, ist für diese Arbeit der Versuch unternommen worden, die Ansichten in der Rechtsprechung zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme anband einer möglichst großen Anzahl von Entscheidungen herauszuarbeiten, um auf diese Weise eventuell vorhandene gemeinsame Nenner zu erkennen. Hierfür wurden sämtliche Urteile auf Äußerungen zu erneuter Vornahme und Bestätigung untersucht. Dabei trat Erstaunliches zutage: Die Begriffsvielfalt stellte sich als so groß heraus, daß eine Klassifizierung aller Urteile und Beschlüsse es erforderlich machte, acht Kategorien zu schaffen. Diese Einteilung dient dazu, die Ansichten der Gerichte in referierender Weise darzustellen. Sie differenziert daher, ebensowenig wie die Gerichte, nicht nach den Arten der Nichtigkeitsgründe, obgleich davon die Anwendbarkeit der Bestätigung abhängen kann 255 •

2. Einteilung der Rechtsprechung in acht verschiedene Kategorien a) Kategorie 1: Bestätigung durch Neuvornahme256

In dieser Kategorie befinden sich 51 Entscheidungen, also nahezu die Hälfte der Gesamtzahl. Es wurden hier diejenigen Urteile aufgenommen, die davon ausgehen, daß eine Bestätigung nur durch erneute Vornahme des Rechts255 s.o. S. 48 f. Eine eingehende Prüfung der Frage, welche Bedeutung die unterschiedlichen Nichtigkeitsgründe ftir die Bestätigung in der gerichtlichen Praxis haben sollten, erfolgt im 5. Kapitel (s.u. S. 234 tf.). 256 Dazu gehören, nach Gerichten und chronologisch geordnet: RGZ 3, 254 ff.; RG JW 1903, BeilageS. 42(Nr. 87); RGZ 55, 36ff.; RG JW 1904, 182; RGZ61,264ff.; RG WarnRspr 1908 Nr. 121; RGZ 68, 37ff.; RG Gruchot 53 Nr. 25 = WarnRspr 1909 Nr. 62; RGZ 75, 114ff.; 76,81 ff.; RG JW 1912, 850f.; RG WarnRspr 1913 Nr.43= JW 1913, 128f. =Recht 1913Nr. 8, 9, 10; RG Recht 1913 Nr. 2839; RGZ 93, 227ff.; 94, 147ff.; RG WarnRspr 1921 Nr. 60 = Recht 1921 Nr. 1820; RG WarnRspr 1922 Nr. 64 = SeutfArch 77 Nr. 57 = LZ 1922, !58 tf. = Recht 1922 Nr. 404; RGZ 104, 50 ff.; RG Recht 1924 Nr. 1476; RG WarnRspr 1924 Nr. 163 = WarnRspr 1925 Nr. 20 = LZ 1924, 542; 1925, 206; RG SeutTArch 79 Nr. 102 =Recht 1925

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1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

geschäftsmöglich sei. Dabei findet sich eine große Variationsbreite von Formulierungen, die dies zum Ausdruck bringen. Beispielhaft seien hierzu einige Zitate angeführt: Beispie/1 257 : § 141 verlange ausdrücklich eine "Bestätigung", und als solche könne "die blos thatsächliche Fortführung des auf nichtigem Gesellschaftsvertrag beruhenden Betriebs keinesfalls dienen, da sie einen Bestätigungswillen der Betheiligten um so weniger erkennen läßt, als diese ja gerade mit dem Hintergedanken der Ungültigkeit ... den Betrieb einstweilen fortgesetzt haben können". Deshalb sei eine "neue Vereinbarung" der Parteien erforderlich. Beispiel 2 258 : "Zur Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts ist nach§ 141, soweit das Geschäft Formvorschriften unterliegt, Wiederholung der Form259, im übrigen aber der Wille, das Geschäft in allen seinen Einzelheiten aufrecht zu erhalten, und die Erklärung dieses Willens notwendig. Wörtliche Wiederholung der Vertragseinzelheiten ist nicht geboten." Beispiel 3 200 : "Eine spätere Vereinbarung (konnte) gemäߧ 141 BGB nur als erneute Vornahme des Geschäfts in Betracht kommen." 261 Nr. 902; RG Recht 1925 Nr. 2187; RGZ 115,6 ff. = JW 1927,965 f.; RG HRR 1928 Nr. 1277; RG Gruchot 71 Nr. 35; RG JW 1931,3549 f.; RG HRR 1934Nr. l105; RG WarnRspr 1934Nr. 184 = DJ 1935, 267; RGZ 146, 234 ff.; 150, 385 ff.; 168, 346 ff.; OLG Stuttgart, OLGRspr 6, 34 f.; OLG Braunschweig, OLGRspr 8, 25 ff.; KG OLGRspr 9, 280 f.; OLG Celle, OLGRspr 15, 315 f.; OLG Colmar, OLGRspr 18, 292 f.; BayObiG, BayObiGZ 10, 253 ff.; BayObiG, BayObiGZ 10,411 ff. = SeuffBl 75, 37 f. ; OLG München, OLGRspr 25, 266 f.; KG JW 1916, 607 ff. = OLGRspr 32, 321 ff.; OLG Kiel, OLGRspr42, 264; OLGStuttgart,JW 1923,1051 f.; BGHZ 20,71 ff. = LM § 138 (Cd) Nr. 6 mit Anm. Johannsen = NJW 1956,865 mit Anm. Rechenmacher = FamRZ 1956, 150; BGH DB 1968,479 = WM 1968,276 ff.; BGH WM 1969, 113 f.; BGHZ 60, 102 ff. = LM Nr. 4 zu § 141 = NJW 1973, 465 ff. = MDR 1973, 385 ff.; BGH WM 1976,907 ff.; BGH LM Nr. 7 zu§ 141 = NJW 1982, 1981 f. = MDR 1982,992 f. = BB 1982, 1260 = WM 1982,740 f. = ZIP 1982, 821 f. (dazuKohte, JuS 1984, S. 509 ff.); BGH NJW 1985, 2579 ff. = MittBayNotV 1985, 111; OLG Celle, NJW 1956, 265 mit Anm. v. Bremen-Kühne. 257 RG JW 1903, Beilage S. 42 (Nr. 87). 258 RG WarnRspr 1908 Nr. 121. Vergleiche zur Erweiterung dieser Rechtsprechung RG LZ 1925, 206. Dort wird das Erfordernis der Neuvornahme des formbedürftigen Rechtsgeschäfts dadurch entschärft, daß eine Bezugnahme auf die frühere, nichtige Urkunde zugelassen wird. Es genügt jetzt also, daß "in einer weiteren notariellen Urkunde die ursprünglich nicht beurkundeten Vereinbarungen beurkundet werden und im übrigen auf die frühere Urkunde Bezug" genommen wird. - Fortgeführt wird diese "Erleichterung durch Bezugnahme" in RG Gruchot 71 Nr. 35, wo zur Begründung auch auf Stimmen in der Literatur verwiesen wird und es abschließend heißt: "Die Forderung einer immer erneuten Wiederholungsachlich unverändert bleibender Bestimmungen würde eine Erschwerung bedeuten, für die das Gesetz keinen Anhalt bietet." 259 Vgl. RGZ 75, 114, 115: " ... schon aus dem Wortlaute dieses Paragraphen (sei!.: § 141), der die Bestätigung für eine Wiederholung des Vertrages in gesetzlicher Form erklärt, . . ." Eine Wiederholung der Form verlangen auch: RG WarnRspr 1922 Nr. 64 = SeuffArch 77 Nr. 57= LZ 1922, 158 ff. =Recht 1922 Nr. 404; RG Recht 1924 Nr. 1476; RG LZ 1925, 206; RGZ 146, 234 ff.; 168, 346 ff.; BGH WM 1976, 907 ff. 260 RG Gruchot 53 Nr. 25 = WarnRspr 1909 Nr. 62; s. bereits o. S. 50 Fn. 253. 26 1 Daß die Rechtsprechung das Erfordernis der Wiederholung auch großzügig verstehen kann, zeigt RG Recht 1913 Nr. 2839, wo der Schuldner eine Forderung aus Wuchergeschäft durch die Hingabe von Wechseln sichert, und- obwohl darin kaum eine "Wiederholung des

III. Der Umgang mit § 141 in der Rechtsprechung

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Beispiel 4 262 : Die nach Anfechtung eines Grundstückskaufvertrages durch die Parteien getroffene Vereinbarung, ",daß der Kauf bestehen bleiben solle, auch wenn die Anfechtung vom Gerichte als berechtigt anerkannt werde, . . ."', enthält nach Ansicht des Reichsgerichts "nach Form und Inhalt keine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts und daher keine nach§ 141 BGB wirksame Bestätigung". Beispiel 5 263 : Das Reichsgericht prüft, ob eine "Bestätigung des Kaufvertrages264 im Sinne einer erneuten Vornahme dieses Geschäfts nach§ 141 BGB" vorliege. "Die Bestätigung konnte nicht nur mit ausdrücklichen Worten geschehen, sondern auch durch sonstige Willensbetätigung und namentlich durch vollständige oder teilweise Erfüllung." Beispie/6265 : "Die Bestätigung ist ... (§ 141) als erneute Vornahme zu beurteilen, d.h. es kommen alle diejenigen Vorschriften zur Anwendung, die für das zu bestätigende Rechtsgeschäft gelten. Daraus folgt, daß die Bestätigung eines unsittlichen Vertrages eben wiederum ein gegen die guten Sitten verstoßendes Rechtsgeschäft und deshalb ebenfalls nichtig ist." 266. Beispiel 7267 : Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist die Bestätigung zwar gemäß § 141 Abs. I "als erneute Vornahme zu beurteilen". "Das bedeutet aber nicht ... , daß der zu bestätigende Vertrag in seinen Einzelheiten neu erklärt werden müßte. Es genügt vielmehr, daß sich beide Parteien nach der Anfechtung in Kenntnis aller Vereinbarungen auf den Boden des Vertrages stellen." Für die Prüfung, ob diese Voraussetzung hier vorliege, sei der "objektive Erklärungsgehalt des Verhaltens der Beklagten" maßgebend. "Diese haben sich -wie auch zum Teil schon vorher - nach der Anfechtung gerade nicht auf den Boden des Vertrages gestellt, sondern entgegen den in diesem Vertrag übernommenen Pflichten das Geschäft 268 im eigenen Namen und nicht im Namen des Klägers Rechtsgeschäfts" zu sehen ist- eine Bestätigung nicht daran scheitert, sondern an der Fortdauer des Nichtigkeitsgrundes. 262 RG JW 1912, 850 f. 263 RG WarnRspr 1921 Nr. 60 = Recht 1921 Nr. 1820. 264 Er war wegen Verstoßes gegen eine gesetzliche Vorschrift (§ 13b Satz I der Reichsgetreideordnung für die Ernte 1919) gemäߧ 134 BGB nichtig. Nach Aufhebung des Verbotes hatten die Parteien den Vertrag teilweise erfüllt. 265 OLG Celle, OLGRspr 15, 315 f. 266 OLG Celle, OLGRspr -15, 315. Vgl. auch andere Fälle, in denen der Nichtigkeitsgrund auch zum Zeitpunkt der Bestätigung noch vorlag, z.B. RGZ 64, 146, 149: "... ein unsittliches Geschäft (kann) durch Bestätigung niemals zu einem sittlichen werden."; RG Recht 1913 Nr. 2839; RG WamRspr 1922 Nr.64;RG HRR 1934Nr. 1105;BGH LMNr. 7zu § 141 = NJW 1982, 1981 = MDR 1982, 992 f. = BB 1982, 1260 = WM 1982,740 f. = ZIP 1982,821 f. Davon, daß der Nichtigkeitsgrund vor Bestätigung weggefallen sein müsse, sprechen RG Recht 1913 Nr. 2839 und OLG Colmar, Recht 1905 Nr. 1425. Andererseits genügt dieser Wegfall auch nicht, um das nichtige Rechtsgeschäft zu einem wirksamen zu machen, RG Recht 1925 Nr. 2187. 267 BGH DB 1968, 479 = WM 1968, 276 ff. 268 Es geht um die vertraglich vereinbarte Führung des Fischgeschäftes des Klägers durch die Beklagten in dessen Namen. Die Beklagten hatten den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.

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I. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

weitergeführt. Ein solches Verhalten kann aus Rechtsgründen nicht als eine Bestätigung des Vertrages angesehen werden ... Denn bei der Frage nach dem Vorliegen einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten kommt es in einem Fall der vorliegenden Art darauf an, ob das Verhalten der betreffenden Vertragspartei nach der Anfechtung in ihrem objektiven Erklärungsgehalt dahin zu verstehen ist, daß sich diese Partei . .. nunmehr auf den Boden des Vertrages stellen will. Das kann bei einem vertragswidrigen Verhalten ... nicht gesagt werden. " 269 Beispiel 8 270: "Ist das zu bestätigende Rechtsgeschäft formgebunden (§ 15 Abs. 3, 4 GmbHG), so muß auch die Bestätigung dieser Form genügen. Mit der herrschenden Meinung kann hiervon nicht etwa eine Ausnahme in den Fällen gemacht werden, in denen die Unwirksamkeit des zu bestätigenden Geschäfts nicht aus der Verletzung eines F ormgebots, sondern - wie hier- aus einem anderen Grund folgt ... Denn dem Wortlaut des Gesetzes, nach dem die Bestätigung als erneute Vornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts zu beurteilen ist (§ 141 I BGB), muß entnommen werden, daß die Bestätigung allen Erfordernissen an die Errichtung des Rechtsgeschäfts (vgl. Mot. I, 217) und mithin auch der für das Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form gerecht werden muß. Daran fehlt es hier. " 271 In "Kategorie 1: Bestätigung durch Neuvornahme" herrscht also eine bunte Vielfalt von Äußerungen zu Bestätigung und Neuvornahme. Sie sei abschließend in einer kleinen Blütenlese von hier zitierten und anderen Entscheidungen dieser Kategorie noch einmal dokumentiert. Es findet sich: ". . . neue Vereinbarung ... " 272; "es müssen in der nachträglichen Bestätigung eines nichtigen Vertrags alle Erfordernisse des Vertrages selbst erfüllt ... sein" 273; " ••• Wiederholung der Form, im übrigen aber der Wille, das Geschäft in allen seinen Einzelheiten aufrecht zu erhalten ... " 274; § 141, "der die Bestätigung für eine Wiederholung des Vertrages in gesetzlicher Form erklärt ..." 275; "Bestätigung ... im Sinne einer erneuten Vornahme" 276; "es ist grundsätzlich zu erfordern, daß im Zeitpunkte der als Neuvornahme zu beurteilenden Bestätigung ... volle Willensübereinstimmung über den Vertragsinhalt besteht .. ." 277 ; " • •• Wiederholung und Bestätigung ... " 278; Neuvornahme unter "Bezugnahme auf den alten Akt" 279; " ••• Be269 BGH WM 1968, 277 (in DB 1968, 479 nicht abgedruckt).- Die Formulierung "auf den Boden des Vertrages stellen" findet sich auch in BGH LM Nr. 7 zu§ 141 = NJW 1982, 1981 f. = MDR 1982, 992 f. = BB 1982, 1260 = WM 1982, 740 f. = ZIP 1982, 821 f. 270 BGH NJW 1985, 2579 ff. = MittBayNotV 1985, II!. 271 BGH NJW 1985, 2580. 272 RG JW 1903, Beilage S. 42 (Nr. 87), s.o. S. 52. 273 RGZ 61, 264, 266. 274 RG WarnRspr 1908 Nr. 121, s.o. S. 52. 27s RGZ 75, 114, 115, s.o. S. 52 Fn. 259. 276 RG WarnRspr 1921 Nr. 60 = Recht 1921 Nr. 1820, s.o. S. 53. 277 RGZ 104, 50, 54. 278 RG HRR 1928 Nr. 1277. 279 RG Gruchot 71 Nr. 35; sinngemäß schon RG LZ 1925, 206.

III. Der Umgang mit § 141 in der Rechtsprechung

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stätigung (Neuvornahme) ..." 280; " ••• bei formlosen Geschäften zur Neuvornahme ... auch schlüssige Handlungen genügen ... " 281 ; da die Bestätigung als erneute Vornahme zu beurteilen sei, "erfordert (sie) deshalb vom Bestätigenden auch den Willen (!), die bisher nichtige Rechtsgestaltung durch neue Vornahme des Rechtsgeschäfts wirksam zu machen" 282; für "als erneute Vornahme zu beurteilen ... genügt ... , daß sich beide Parteien nach der Anfechtung in Kenntnis aller Vereinbarungen auf den Boden des Vertrages stellen" 283; "Bestätigung und damit ... Neuvornahme" 284 • b) Kategorie 2: Neuvomahme als Rechtsfolge der Bestätigung285

Die neun Entscheidungen, die hier zusammengefaßt sind, zeigen eine gegenüber den bisher behandelten Urteilen andere Auffassung von Bestätigung und N euvornahme. Hier kommt mehr oder weniger klar zum Ausdruck, daß die Neuvornahme nach § 141 Abs. I auch Rechtsfolge der Bestätigung sein kann.

Beispie/1 286 : Das Reichsgericht schließt sich der Ansicht der Vorinstanz an, wonach "die Bestätigung als erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts gelte287 (§ 141 Abs. I) und deshalb, da das Verbotsgesetz noch in Kraft gewesen sei, ebenso der Nichtigkeit verfallen sei, wie das ursprüngliche Geschäft". Beispiel 2 288 : "Bestätigung . .. , die als erneuter Vertragsabschluß wirkte." Beispie/3 289 : Die verbotenen Kompensationsgeschäfte 290 hätten "nach Fortfall des Verbotes von den Parteien mit der Wirkung bestätigt werden können, daß sie als erneut vorgenommen zu beurteilen291 sind". RG JW 1931, 3549, 3550. RG WarnRspr 1934 Nr. 184 = Deutsche Justiz 1935, 267. 282 RGZ 150, 385, 388. 283 BGH OB 1968,479 = WM 1968,276 ff., s.o. S. 53 f. ; ähnlich BGH LM Nr. 7 zu§ 141 = NJW 1982, 1981 = MDR 1982, 992 f. = BB 1982, 1260. 284 BGHZ 60, 102, 107 = NJW 1973, 465, 466. 285 Dazu gehören: RG Recht 1923 Nr. 716; RG JW 1924,404 f. (mit Anm.Manigk)= Recht 1924 Nr. 1202; RG SeuffArch 78 Nr. 133 =Recht 1924 Nr. 1233; RG JR 1925, Bd. II, Nr. I 722 = JW 1925, 2230f. (mit Anm. Stil/schweig); BayOblG, Recht 1919 Nr. 207; BGH LM Nr. 2 zu § 141= NJW 1961, 1204; BGH LM Nr. 6 zu§ 141 = WM 1977, 387 ff. = NJW 1977, I 151 = MDR 1977, 561 ff. = BB 1977, 1729 ff.; OLG Hamm, NJW 1966, 561 f.; OLG München, FamRZ 1969, 285 ff. (Vorinstanz zu BGHZ 54, 38 ff. = LM Nr. 3 zu § 1378 (mit Anm. Johannsen = NJW 1970, 1183, s.u. S. 58 Fn. 301). 286 RG Recht 1923 Nr. 716. 287 Die Wendung "gilt als" in bezugauf die Neuvornahme als Rechtsfolge der Bestätigung erscheint auch in RG SeuffArch 78 Nr. 133 = Recht 1924 Nr. 1233; RG JR 1925, Bd. II, Nr. I 722 = JW 1925, 2230 f. (mit- hier nicht relevanter- Anm. Sti/lschweig). 288 BayObiG, Recht 1919 Nr. 207. 289 BGH LM Nr. 2 zu§ 141 = NJW 1961, 1204 (s. zu dieser Entscheidung bereits o. S. 47 mit Fn. 235). 290 Dazu o. S. 47 f. Fn. 235. 291 Der Ausdruck "zu beurteilen" zur Bezeichnung der Neuvornahme als Rechtsfolge einer Bestätigung findet sich auch in OLG Hamm, NJW 1966, 561 f. 280 281

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l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problern

c) Kategorie 3: Erklärter Bestätigungswille als Neuvomahme292

In dieser Kategorie befinden sich zwei Urteile des Bundesgerichtshofs (1. und 6. Senat), die sich dadurch von anderen Entscheidungen unterscheiden, daß hier der erklärte Wille, das nichtige Rechtsgeschäft zu bestätigen, als Neuvornahme gewertet wird. Dabei ist allerdings unklar, ob mit der Bestätigung tatbestandlieh eine Neuvornahme vorliegt oder ob diese nur Rechtsfolge der Bestätigung ist. Fa//1 193 : "Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, bedarfnach Wegfall des Verbots, um Gültigkeit zu erlangen, der Bestätigung i.S. einer erneuten Vornahme des Geschäfts(§ 141 BGB). " 294 - "Ist ein Vertrag, der gegen ein Verbotsgesetz verstößt, in der Vergangenheit geschlossen, so genügt es für eine Neuvornahme des bisher nichtigen Geschäfts, daß die Parteien in schlüssiger Form ihren Willen zum Ausdruck bringen, das bisher nichtige Geschäft solle nach Aufhebung der Verbotsgesetze weiterhin gelten. In einer dahingehenden Willensrichtung der Parteien liegt bereits eine Bestätigung im Sinne des § 141 BGB .. . Diesen Willen haben die Parteien ausweislich des Bestätigungsschreibens in dem Vertrag vom . . . , ihre Kenntnis von der Nichtigkeit des ersten Vertrages unterstellt, zum Ausdruck gebracht. Der Vertrag vom ... kann nur dahin gewürdigt werden, daß die Parteien in ihm anerkannten, noch zu dem ursprünglichen Geschäft zu stehen und dieses in vollem Umfange nach Maßgabe der vereinbarten Abänderung gelten zu lassen ... Das Zustandekommen einer besonderen Vereinbarung . . . zwingt zu der Annahme der Begründung eines neuen selbständigen Rechtsverhältnisses, da ein stärkerer Bestätigungswille als der kundgegebene nach den Umständen kaum denkbar ist." 295 Fall 2 296: "Da der Kläger ... den Vertrag ohne jede Einschränkung und ohne Vorbehalt . .. fortsetzte, konnte das Berufungsgericht dies rechtsfehlerfrei als Angebot zu erneutem Abschluß- mit der Rückwirkung des§ 141 Abs. 2 BGBansehen."

292 Dazu gehören: BGHZ ll, 59 ff. = LM Nr. 1 zu§ 141 = NJW 1954, 549 f. = JZ 1954, 168; BGH WarnRspr 1969 Nr. 309. 293 BGHZ 11, 59 ff. = LM Nr. 1 zu § 141 = NJW 1954, 549 f. = JZ 1954, 168. 294 Nur in NJW 1954, 549. 295 BGHZ 11, 59, 60 f. = NJW 1954, 549, 550.- Undeutlich ist die Äußerung Boschs in FarnRZ 1965, S. 240 Fn. 14a, wo er unter Hinweis auf das hier behandelte Urteil ausführt: ..... oder wenigstens Zweifel an der Gültigkeit und (kursiv) Betätigung eines Festhaltenwollens (Neuvornahrne) voraussetzen . . ." Seine Auffassung von der Beziehung der Bestätigung zur Neuvornahme wird dabei nicht klar. 296 BGH WarnRspr 1969 Nr. 309.

III. Der Umgang mit§ 141 in der Rechtsprechung

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d) Kategorie 4: Die ,)n § 141 gedachte Neuvornahme" 297

Hier wurde nur ein Urteil aufgenommen, in dem das Gericht von der "in § 141 gedachten Neuvornahme" spricht. Die Beziehung von Bestätigung und Neuvornahme bleibt unklar. e) Kategorie S: "Bestätigung oder Neuabschluß" 298

Auch hier findet sich lediglich eine Entscheidung. Von Interesse ist dabei nur, daß das Gericht im Hinblick auf eine denkbare Bestätigung von "Bestätigung oder Neuabschluß" spricht. Es wird nicht klar, ob nur in einem oder ob in beiden Fällen § 141 vorliegen, ob Bestätigung mit Neuvornahme gleichgesetzt werden und in welcher Beziehung die Bestätigung zur erneuten Vornahme überhaupt stehen soll. f) Kategorie 6: Unklare Äußerungen zu Bestätigung und Neuvornahme299

Unter dieser Kategorie wurden vier Urteile zusammengefaßt, deren Äußerungen zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme nicht eindeutig sind.

Beispie/300: "Der Kläger hat den Kaufvertrag auch nicht nachträglich bestätigt. Der Brief vom . . . ist hierzu nicht geeignet. In diesem Zeitpunkt war die Vorschrift, daß die Vereinbarungen der Parteien schriftlich niedergelegt werden müssen, noch in Kraft, die einseitige Erklärung des Klägers genügte also nicht, um den bisher nichtigen Vertrag zu bestätigen. Dazu wäre notwendig gewesen, daß beide Parteien den Vertrag nunmehr in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form neu abgeschlossen hätten (BGB § 141 Abs. 2) ... " Später wurde das Schriftformerfordernis aufgehoben. "Das hat aber nicht zur Folge, daß nunmehr der Kaufvertrag von selbst gültig wurde. Die Parteien konnten aber den Kaufvertrag seit dieser Zeit auch formlos bestätigen. Dazu könnte allerdings ein Verhalten des Klägers geeignet sein, aus dem sich ergibt, daß er dem Beklagten den Wagen unter den seinerzeitigen Bedingungen belassen wollte und daß der Beklagte damit einverstanden war .. ." Das Gericht meint also, daߧ 141 die Möglichkeit sowohl einer Bestätigung durch formgerechte Neuvornahme als auch, nach Wegfall des Formgebotes, einer formlosen Bestätigung zulasse.

RG Recht 1919 Nr. 880. RG LZ 1913, 153 f. = Recht 1913 Nr. 1850. 299 Dazu gehören: RGZ 74, I ff. = JW 1910, 647 f. (das einzige Urteil, das sich zu den Wirkungen der Nichtigkeit äußert, s.o. S. 46); RG JW 1912, 681; 1929,731 f. (mit Anm.Miller) = Recht 1929 Nr. 735; OLG Nürnberg, BayJMBI 1953, 33 ff. 300 OLG Nümberg, BayJMBI 1953, 33 ff. 297

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1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

g) Kategorie 7: Keine Äußerung des Gerichts zur Neuvornahme 301

In dieser Kategorie wurden 29 Urteile zusammengefaßt, die sich zum Begriff der Neuvornahme nicht äußern. Daß eine solche Äußerung fehlt, ist bei Entscheidungen, die das Vorliegen einer Bestätigung ablehnen, nicht erstaunlich. Es gibt aber in dieser Gruppe immerhin neun Urteile 302, die vom Vorliegen einer Bestätigung ausgehen und sich dennoch zur Neuvornahme nicht äußern. Darunter befinden sich Fälle von Wiederholung des Rechtsgeschäfts303 , solche, in denen die Parteien das Rechtsgeschäft nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes bestätigen304 und schließlich auch Urteile, in denen nach Anfechtung des Vertrages der Vertragsgegenstand (Kaufsache) von den Vertragsparteien weiterbenutzt wird 305 • Eine bunte Mischung verschiedener Fallkonstellationen, deren Erscheinung für die Gerichte in anderen Entscheidungen durchaus Anlaß zu Äußerungen über die Neuvornahme bzw. das Verhältnis der Bestätigung zur Neuvornahme geboten hat. Die Tatsache, daß Äußerungen zur Neuvornahme unterbleiben, steht bisweilen sogar in direktem Widerspruch zu Entscheidungen aus anderen, bereits behandelten Kategorien. Als Beispiel diene eine Entscheidung des OLG Celle aus dem Jahre 1980 306 • Dort hatte die Eigentümerin in notariell beurkundeten Kaufverträgen Teilflächen ihres Grundstücks verkauft und sich jeweils verpflichtet, auf den Teilflächen ein Reihenhaus gemäß Baubeschreibung schlüsselfertig zu errichten. Die Bauzeichnungen waren den Verträgen jedoch nicht beigefügt worden. Das fordert aber der Bundesgerichtshof307 gemäß § 9 Abs. I Nr. 2 BeurkG, um eine nähere Kennzeichnung des beabsichtigten Aussehens und der Gestalt der Bauwerke zu gewährleisten. Die Verträge waren mit-

301 Dazu gehören: RG SeuffArch 42 nr. 97 (1886); RGZ 27, 269 ff. (1891); 52, 161 ff.; 61, 76 ff.; 64, 146 ff. ; RG JW 1901, 11 ff.; RGZ 71,289 ff.; RG JW 1911, 187; 1929, 575; RGZ 125, 3ff.; RG JW 1931, 2227f. (mit Anm.Emmerich); RGZ 134,243 ff.; 138, 52ff.; RGJW 1935, 2041; OLG Colmar, Recht 1905 Nr. 1425; OLG Hamburg, OLGRspr 13,27f.; OLG Dresden, OLGRspr20, 176f.;BGHZ7, 161 ff. = NJW 1952, 1332; BGHZ32, 11 ff. = NJW 1960, 525f. = RPfleger 1960, 286 f.; BGHZ 54, 38 ff. = LM Nr. 3 zu§ 1378 (mit Anm.Johannsen) = NJW 1970, 1183 ff., s. dazu Vorinstanz OLG München, FamRZ 1969, 285 ff., o. S. 55 Fn. 285; BGH LM Nr. 3 zu§ 141 = NJW 1971, 1795 ff. (mit Anm. Giesen) = JZ 1971, 553 ff. = BB 1971, 673 ff.; BGH LM Nr. 5 zu§ 141 = NJW 1973, 1367 = MDR 1973, 748; OLG Oldenburg, RdK 1949/50, 91 f.; OLG Köln, MDR 1963, 498 (LS); OLG Düsseldorf, NJW 1971,622 ff.; OLG Düsseldorf, NJW 1976, 1638 f.; BAG, NJW 1976, 1766; OLG Düsseldorf, WuW 1978, 721 f.; OLG Celle, DNotZ 1980, 414 ff. 302 RG JW 1911, 187; RGZ 125,3 ff.; RG JW 1931, 2227 f. (mit Anm.Emmerich); 1935, 2041 ; OLG Colmar, Recht 1905 Nr. 1425; OLG Hamburg, OLGRspr 13,27f.; OLG Dresden, OLGRspr 20, 176 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1971, 622 ff.; OLG Celle, DNotZ 1980,414 ff. 303 Z.B. RG JW 1931, 2227 f.; 1935, 2041. 304 Z.B. RGZ 125, 3 ff.; OLG Hamburg, OLGRspr 13, 27 f. 305 OLG Dresden, OLGRspr 20, 176 f. ; OLG Düsseldorf, NJW 1971, 622 ff. 306 OLG Celle, DNotZ 1980, 415 f. Zu dieser Entscheidungs. bereits o. S. 48 (mit Fn. 236). 307 Vgl. BGH NJW 1979, 1496 = DNotZ 1979, 476.

III. Der Umgang mit§ 141 in der Rechtsprechung

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hin formunwirksam 308 • Nachdem die Parteien von dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfahren hatten, hefteten sie die Bauzeichnungen den Verträgen bei und erklärten in schriftlichen "Ergänzungen": "Wegen der neueren Rechtsprechung des BGH ergänzen wir den o.a. Vertrag dahin, daß die Bauzeichnung dieser Beurkundung beigeheftet wird und damit Bestandteil des obigen Vertrages auch in der Form der Beurkundung ist." Das OLG Ce!le sah hierin eine wirksame Bestätigung gemäߧ 141. Von einer Neuvornahme ist im Urteil nicht die Rede. Das steht jedoch im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in bezug auf die Bestätigung formunwirksamer Rechtsgeschäfte. Denn dort wurde vor309 und wird nach 310 der Entscheidung des OLG Celle immer eine formgerechte Wiederholung (!) des Geschäfts verlangt. Dagegen eröffnet das Urteil des OLG Celle den Parteien die Möglichkeit, einen formunwirksamen Vertrag durch bloße schriftliche "Ergänzung" wirksam und die "Ergänzung" zum "Bestandteil ... der Beurkundung" zu machen. h) Kategorie 8: Zur Bestätigung ist keine Neuvomahme erforderlich 31 1

In dieser Kategorie finden sich nur Urteile aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB. Ihre Einordnung in die letzte Kategorie erfolgte jedoch nicht wegen des Zeitpunktes ihres Ausspruchs. Sie weisen vielmehr gegenüber den späteren Entscheidungen sachliche Unterschiede hinsichtlich der in ihnen zum Ausdruck kommenden Ansicht zu Bestätigung und Neuvornahme auf, so daß die Einrichtung einer gesonderten Kategorie für sie geboten schien. In Kategorie 8 sind sechs Urteile zusammengefaßt; ihnen ist, bis auf eine Entscheidung 312 , gemeinsam, daß das Gericht bei der Bestätigung eine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht für erforderlich hält.

Beispie/313 : "In betreff der rückwirkenden Kraft der Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes besteht das Bedenken, daß an sich ein nicht vorhandenes auch nicht durch Bestätigung gültig werden kann, Rechtswirkungen also nur von dem neuen Geschäfte - der Genehmigung oder Bestätigung - ausgehen können ... Nach der Logik ist die rückwirkende Kraft der Bestätigung eines 308 Zur späteren, rückwirkehden Aufhebung der Nichtigkeit durch§ I Abs. I Beurk:ÄndG s.o. S. 48 Fn. 236. 309 BGH WM 1976, 907 ff. (Kategorie 1). 310 BGH NJW 1985, 2579 ff. = MittBayNotV 1985, 111 (s.o S. 54). 311 Dazu gehören: RGZ 3, 331 ff. (1880); 11, 324 ff. (1884); 27, 161 ff. (1891); OAG Berlin, SeuffArch 29 Nr. 108 (1873); OLG Braunschweig, SeuffArch 39 Nr. 288 (1884); BayObiG, SeuffArch 45 Nr. 238 (1890). 312 Das OLG Braunschweig läßt in SeuffArch 39 Nr. 288 (1884) dahingestellt, ob ein nichtiges Rechtsgeschäft "convalesciren", also erstarken könne - was nur durch Bestätigung (confirmatio) mit rückwirkender Kraft möglich wäre - oder ob es erneut vorgenommen werden müsse. 313 RGZ 27, 161 ff. (1891).

1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

60

nichtigen Geschäfts zu verneinen ... Der erkennende Senat nimmt aber mit Windscheid (Lehrbuch des Pandektenrechts § 83) und Dernburg (Pandekten Bd. 1 § 122) an, daß das positive Recht durch die in 1.25 Cod.d.vir.e.ux. 5, 16 getroffenen Bestimmungen die Rechtskonsequenz durchbrachen und mit den Ausnahmen, welche sich teils aus 1.25 cit., teils aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben, die rückwirkende Kraft der Genehmigung nichtiger Rechtsgeschäfte anerkannt hat. " 314 Insgesamt zeigen die unterschiedlichen Ansichten der Gerichte zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme, daß die Aussage von§ 141 begrifflich und dogmatisch ungeklärt ist. Das wird abschließend auch dadurch belegt, daß bisweilen Entscheidungen eines Senates in verschiedenen Kategorien erscheinen. So finden sich Entscheidungen des 5. Senats des Reichsgerichts, von dem allein 12 der in Kategorie 1 (Bestätigung durch Neuvornahme) aufgeführten Urteile und Beschlüsse stammen, auch in den Kategorien 2 (Neuvornahme als Rechtsfolge der Bestätigung) 315 , 6 (unklare Äußerungen zu Bestätigung und Neuvornahme)316 und 7 (keine Äußerung des Gerichts zur Neuvornahme) 317• Entscheidungen des 2. Senats, von dem drei Urteile in Kategorie 1 eingeordnet sind, finden sich auch in den Kategorien 5 ("Bestätigung oder Neuabschluß") 318, 6 319 und 7 320. Gleiches gilt für den Bundesgerichtshof. So lassen sich beispielsweise Entscheidungen des 2. Senats den Kategorien 1321 und 2322 zuordnen.

IV. Zusammenfassung und Kritik Der Versuch, die in § 141 verwendeten Ausdrücke "Rechtsgeschäft", "Nichtigkeit", "Bestätigung" und "als erneute Vornahme zu beurteilen" zu klären, war nur teilweise erfolgreich. "Rechtsgeschäft" wird übereinstimmend definiert als ein aus einer oder mehreren Willenserklärungen bestehender Tatbestand, der auf die Herbeiführung einer gewollten Rechtsfolge gerichtet ist.

RGZ 27, 161, 163. RG SeuffArch 78 Nr. 133 =Recht 1924 Nr. 1233; RG JR 1925 Nr. 1722 = JW 1925, 2230 f. (mit Anm. Stillschweig). 316 RG JW 1912, 681; 1929, 731 (mit Anm. Miller) = Recht 1929 Nr. 735 (LS). m RG Z 64, 146 ff.; RG JW 1935, 2041. 318 RG LZ 1913, 153 ff. =Recht 1913 Nr. 1850. 319 RGZ 74, I ff. = JW 1910, 647 f. 320 RG JW 1911, 187. 321 BGH DB 1968, 479 = WM 1968, 276 ff. 322 BGHZ 60, 102 ff. = LM Nr. 4 zu§ 141 = NJW 1973,465 ff. = MDR 1973, 385. BGH LM Nr. 6 zu§ 141 = WM 1977,387 ff. = NJW 1977, 1151 = MDR 1977, 561 ff. = BB 1977, 1729 ff. 314

315

IV. Zusammenfassung und Kritik (1. Kap.)

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Als nichtig wird dasjenige Rechtsgeschäft bezeichnet, das von Anfang an unwirksam ist und es auch auf die Dauer bleibt, doch ist die Terminologie des BGB hier uneinheitlich. Für die Klärung von Bestätigung wurde die Definition Grabas in leicht abgewandelter Form zugrundegelegt: ,"Bestätigung' ist die Billigung eines eigenen nichtigen Rechtsgeschäfts." Zweifel am Wert dieser Definition entstehen jedoch, wenn man sie mit dem Ausdruck "als erneute Vornahme zu beurteilen" in Beziehung setzt. Neuvornahme heißt nach dem Wortsinn wohl Wiederholung sämtlicher Tatbestandsmerkmale. "Zu beurteilen" wird im BGB nicht definiert und ist auf zweierlei Weise deutbar: Entweder als Forderung, das Rechtsgeschäft zum Zwecke der Bestätigung erneut vorzunehmen, also den gesamten Tatbestand des Geschäfts zu wiederholen. Oder als Bewertungsmaßstab für die Rechtsfolge einer Bestätigung. In beiden Fällen entstehen Probleme: Setzt man die Tatbestände von Bestätigung und Neuvornahme gleich, so würden beide Begriffe austauschbar, was ihrer Wortbedeutung widerspräche; § 141 enthielte dann die banale Aussage, die Rechtsfolgen eines nichtigen Geschäfts könnten nur durch dessen erneute Vornahme herbeigeführt werden. Ist die Neuvornahme als Rechtsfolge einer Bestätigung zu bewerten, so bleiben die tatbestandliehen Voraussetzungen von § 141 und die Frage offen, welchen Sinn diese Rechtsfolgenregelung haben soll. Zur Klärung der Problematik wurden Literatur und Rechtsprechung geprüft. Das führte zu folgenden Ergebnissen: Viele Tatbestandserfordernisse des § 141 hat die Rechtsprechung herausgearbeitet. Sie sind heute auch in der Literatur weitgehend unstreitig. Problematisch ist, welche Wirkung die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts hat. Im Gegensatz zur Kommentarliteratur vermitteln die in den Lehrbüchern vertretenen Ansichten zur Nichtigkeit kein geschlossenes Bild. Während die Mehrzahl der Autoren, nämlich Flume, Hübner, Larenz, Medicus, Wolf und - in extremer Weise - Pawlowski, in Übereinstimmung mit der Kommentarliteratur die Ansicht vertritt, das nichtige Rechtsgeschäft sei kein juristisches Nichts, sondern ein vollendetes Rechtsgeschäft, dem lediglich die von den Parteien beabsichtigten, nicht aber gewisse gesetzliche Rechtsfolgen versagt werden, sind Rüthers und Harry Westermann gegenteiliger Auffassung. Für sie ist ein nichtiges Rechtsgeschäft juristisch nicht existent. Unklar drücken sich Brox und Köhler aus, nach deren Ansicht das nichtige Rechtsgeschäft von Anfang an keine Rechtswirkungen hat; diese Aussage läßt weder den Schluß zu, das nichtige Rechtsgeschäft existiere und führe zwar nicht zu den beabsichtigten, doch zu gesetzlich angeordneten Rechtsfolgen (etwa Ansprüchen aus §§ 122; 307; 309; 812ff., culpa in contrahendo), noch einen Schluß dahingehend, das nichtige Rechtsgeschäft sei einjuristisches Nullum, denn die tatbestandliehe Existenz des Rechtsgeschäfts wird durch die Behauptung seiner Wirkungslosigkeit nicht in

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1. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

Frage gestellt. Von welchem Nichtigkeitsbegriff die Gerichte ausgehen, wird nicht immer klar. Aus der Zeit nach Inkrafttreten des BGB findet sich nur eine Entscheidung, die sich hierzu äußert und das nichtige Rechtsgeschäft als nicht existent bezeichnet. Ebenfalls im Gegensatz zur Kommentarliteratur findet sich in den Lehrbüchern eine eindeutige Mehrheit von Autoren, die die Bestätigung tatbestandlieh mit einer erneuten Vornahme des Rechtsgeschäfts gleichsetzen. Dies tun Brox, Flume, Hübner, Köhler, Rüthers und wohl auch Diederichsen und Harry Westermann. Kennzeichen der von Larenz und Medicus vertretenen Gegenansicht ist zum einen, daß sie sich nur aus sehr undeutlichen Formulierungen der beiden genannten Autoren entnehmen läßt und zum anderen keinen konkreten Alternativvorschlag für die Beziehung der Bestätigung zur Neuvornahme macht. Völlig unscharf und daher weder der einen noch der anderen Seite zuzuordnen ist Pawlowski. Ob die Bestätigung ein Rechtsgeschäft darstellt, bleibt in der Literatur unklar, während diese Ansicht in den Kommentaren vorherrscht. Die Ansicht der Literatur, die nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes mögliche Bestätigung stehe in ihren tatbestandliehen Erfordernissen einer Neuvornahme gleich, wird begründet teils als Folge der Nichtigkeit 323, teils mit dem Wortlaut von§ 141 Abs. 1324• Daߧ 141 Abs. I infolgedessen nichts anderes als die banale Feststellung enthält, ein nichtiges Rechtsgeschäft sei, wollten die Parteien die beabsichtigten Rechtswirkungen herbeiführen, neu vorzunehmen, sieht keiner dieser Autoren. Seltsamerweise wird ihnen das von den Vertretern der zugegebenermaßen nur undeutlich zum Ausdruck kommenden - Gegenmeinung auch nicht vorgehalten. Konsequent ist aber die Ansicht, das nichtige Rechtsgeschäft müsse erneut vorgenommen werden, zunächst nur für diejenigen, die meinen, ein nichtiges Rechtsgeschäft sei juristisch nicht existent, nämlich Rüthers und Harry Westermann 325 • Ist es jedoch existent und erzeugt lediglich nicht die beabsichtigten Rechtsfolgen, so stellt sich die Frage, weshalb es nicht soll bestätigt werden können. § 141 wird sogar für überflüssig gehalten, und dies von Graba, der mit seiner Vorstellung von einem "gestreckten Tatbestand" eine Gegenansicht zur herrschenden Meinung zu vertreten glaubt, während diese die in der tatbestandliehen Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme liegende, eigentliche Überflüssigkeit von § 141 gar nicht erkennt. Die Untersuchung von 103 Entscheidungen zu § 141 hat ergeben, daß in der Mehrzahl der Fälle auch hier eine Bestätigung nur durch Neuvornahme zugelassen wird (Kategorie 1). Es findet sich daneben aber auch Neuvornahme 323 324 325

Brox, Hübner, Köhler, Rüthers und wohl auch Westermann. Diederichsen, Flume. Das erkennt auch Flume, S. 551.

IV. Zusammenfassung und Kritik (1. Kap.)

63

als Rechtsfolge der Bestätigung (Kategorie 2) und die Ansicht, der erklärte Wille zur Bestätigung genüge für die Neuvornahme (Kategorie 3). Es ist von der "in § 141 gedachten Neuvornahme" die Rede (Kategorie 4) und von "Bestätigung oder Neuabschluß" (Kategorie 5). Manche Urteile sind nicht eindeutig (Kategorie 6). Wieder andere äußern sich gar nicht zur Neuvornahme, obwohl sich hierunter auch Entscheidungen befinden, die vom Vorliegen einer Bestätigung ausgehen (Kategorie 7). In Entscheidungen aus der Zeit vor lokrafttreten des BGB schließlich wird eine Neuvornahme nicht für erforderlich gehalten (Kategorie 8); darauf ist im folgenden Kapitel näher einzugehen. Sofern es die Entscheidungen ab 1900 betrifft, glaubt das Gericht regelmäßig, seine jeweilige Ansicht zum Verhältnis von Bestätigung und Neuvornahme dem Wortlaut von § 141 entnehmen zu müssen. Besonders kraß tritt das in Fällen zutage, in denen aus § 141 einmal das Erfordernis einer tatbestandlieh vorliegenden Neuvornahme, ein anderes Mal die Wirkung der Neuvornahme als Rechtsfolge der Bestätigung herausgelesen wird. Das geschieht bisweilen durch denselben Senat eines Gerichtes, der daneben durchaus auch noch andere, in den oben genannten Kategorien enthaltene Ansichten vertreten kann. Die einzelnen Senate haben also keine klare, kontinuierlich gewachsene beziehungsweise beibehaltene Auffassung von Bestätigung. Der Bedeutung des Satzes, daß der Nichtigkeitsgrund vor Bestätigung weggefallen sein müsse, schenken weder Literatur noch Rechtsprechung die nötige Beachtung. Denn in allen Fällen, bei denen zu dem Zeitpunkt, in dem die Parteien das Rechtsgeschäft "bestätigen" wollen, der Nichtigkeitsgrund noch nicht weggefallen ist, kann nicht "bestätigt" werden, da auch die Willenserklärung, am nichtigen Rechtsgeschäft festzuhalten, von der nach wie vor bestehenden Nichtigkeit erfaßt würde. Den Parteien bleibt, wenn sie die beabsichtigten Rechtsfolgen unbedingt herbeiführen wollen, keine andere Wahl, als ein neues, inhaltsgleiches Rechtsgeschäft vorzunehmen. Mag dabei auch ein Wille der Parteien, das ehemals nichtige Rechtsgeschäft jetzt gültig werden zu lassen, eine Rolle gespielt haben, so liegt doch eine erneute Vornahme eines Rechtsgeschäfts, ein neuer rechtsgeschäftlicher Tatbestand vor, und es ist fraglich, ob§ 141 Abs. I auch Ausdruck der ohnehin von der Rechtsordnung in den Fällen von Nichtigkeit immer zugelassenen Neuvornahme sein soll. Die Problematik wird besonders deutlich in Fällen von Sittenwidrigkeit oder Formnichtigkeit. Hier kann es eine Bestätigung nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes nur dann geben, wenn sich der sittliche Wertungsmaßstab zwischenzeitlich geändert oder der Gesetzgeber etwa das Formerfordernis aufgehoben hat, mithin in ganz seltenen Fällen. Unter den überprüften Entscheidungen befand sich jedenfalls keine, in der Sittenwidrigkeit oder Formnichtigkeit nachträglich weggefallen wären. Es kommt daher, wollen die Parteien die beabsichtigten Rechtsfolgen des nichtigen Rechtsgeschäfts herbeiführen, nur eine N euvornahme unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes in Betracht. Die dadurch entstehenden Rechtsfolgen sind jedoch nur solche des neuen Geschäfts. Das alte

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l. Kap.: Die Bestätigung als dogmatisches Problem

bleibt wirkungslos. Die Neuvornahme ließe das BGB aber auch ohne§ 141 zu, denn daß die Parteien ein nichtiges Rechtsgeschäft unter Vermeidung des Nichtigkeitsgrundes jederzeit neu vornehmen können, steht wohl außer Zweifel. Es besteht dann auch keine Veranlassung, die Neuvornahme als Bestätigung unter § 141 zu "pressen". Eine Sonderstellung mögen hier die Fälle der Nichtigkeit nach Anfechtung einnehmen (§ 142). Denn es fällt auf, daß sich die Parteien in diesen Situationen häufig so verhalten, als ob das Rechtsgeschäft noch gültig sei, es also bestätigen wollen und an eine Neuvornahme nicht denken. Ob ihrer Bestätigungsabsicht auch ohne Neuvornahme zum Erfolg verholfen werden kann, wird noch zu erörtern sein. Zu beachten gilt es auch hier, daß ein Wegfall des Nichtigkeitsgrundes (§ 142) in der Praxis nicht vorkommt. Obwohl in der Literatur und von den Gerichten so häufig die Ansicht vertreten wird, eine Bestätigung sei nur in Form einer erneuten Vornahme des Rechtsgeschäfts möglich, sind die Fälle einer Wiederholung des Geschäfts durch die Parteien in der Praxis selten326 • Andererseits ist allerdings auch die Zahl der Entscheidungen gering, in denen die Parteien das Geschäft nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes bestätigen 327• In der Mehrzahl der Fälle (57 von 103) ergänzen die Parteien das unvollständige Geschäft, wollen daran festhalten, indem sie sich so verhalten, als sei das Rechtsgeschäft gültig. Ob ihr Wille rechtswirksam ist, hängt zum Beispiel davon ab, ob der Nichtigkeitsgrund überhaupt wegfallen konnte, ob er tatsächlich weggefallen ist, ob alle Parteien in Kenntnis der Nichtigkeit handelten, etc. Nicht entscheidend kann aber die Forderung sein, sie hätten das Rechtsgeschäft neu vornehmen müssen, gefolgt von der Unterstellung sie hätten dies auch - subjektiv - tun wollen. Zwischen den aus § 141 herausgelesenen Anforderungen an das Parteiverhalten und der Lebenswirklichkeit besteht eine Diskrepanz. Denn in 14 von 62 Urteilen der Kategorien 1, 5, 6 328, in denen die Gerichte in unterschiedlichsten Formulierungen eine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts fordern, scheitert der Wille der Parteien, am nichtigen Rechtsgeschäft festzuhalten, also die Bestätigung, am Fehlen der Neuvornahme. Die Entscheidungen mögen im Ergebnis wohl zutreffend sein. Unzutreffend ist aber ihre Begründung, es ginge um einen Fall von Bestätigung, der nach § 141 zu entscheiden sei. Liegen die Voraussetzungen für eine Bestätigung nicht vor, wird§ 141 vielmehr völlig aus s. dazu o. S. 49 f. Fn. 246. s. dazu o. S. 48 Fn. 239. 328 Dabei handelt es sich um: RGZ 3, 254 ff. (Kat. 1); RG JW 1903, Beilage, S. 42 (Nr. 87) (Kat. 1); RGZ 55,36 ff. (Kat. I); RG JW 1912, 850f.(Kat.I); RG WarnRspr 1913Nr.43=JW 1913, 128 f. =Recht 1913 Nr. 8, 9, 10 (Kat. I); RG LZ 1913, !53 ff. =Recht 1913 Nr. 1850(Kat. 5); RG Recht 1924 Nr. 1476 (Kat. 1); RGZ 146,234 ff. (Kat. I); OLG Braunschweig, OLGRspr 8, 25 f. (Kat. I); OLG Kiel, OLGRspr 42, 264 (Kat. I); BGH WM 1976, 907 ff. (Kat. !); BGH NJW 1985,2579 ff. = MittBayNotV 1985, 111 (Kat. I); OLG Nürnberg, BayJMBI1953, 33 f. (Kat. 6). 326 327

IV. Zusammenfassung und Kritik (1. Kap.)

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dem Spiel zu bleiben haben. Es geht dann nur um die von einer Bestätigung unabhängige Frage, ob eine Neuvornahme des Rechtsgeschäfts vorliegt oder nicht. Eine Beziehung zur Bestätigung kann dann nicht bestehen. Die Problematik, die durch das Nebeneinander von Bestätigung und Neuvornahme entstanden ist, wird auch nicht dadurch entschärft, daß die Rechtsprechung vielfältige Erleichterungen hinsichtlich der Neuvornahme geschaffen hat, bis hin zur Formel "auf den Boden des Vertrages stellen". Der Widerspruch, der durch die Gleichsetzung von Bestätigung und Neuvornahme begründet wird, stellt ein unwägbares Moment der Rechtsunsicherheit für die Parteien dar. Müssen sie vortragen, auch den Willen(!) zur Neuvornahme gehabt zu haben? Wie weit dürfen sie sich "auf den Boden des Vertrages stellen"? Unter welchen Voraussetzungen können sie überhaupt wirksam bestätigen? Inwieweit haben sie die Folgen ihres Bestätigungswillens selbst in der Hand, wie weit darf das Gericht bei dessen Interpretation gehen? Die Frage, ob die erneute Vornahme des R~chtsgeschäfts Tatbestandsvoraussetzung oder Rechtsfolge der Bestätigung ist, hat somit nicht nur akademischen Rang. Es gilt vielmehr, den Gerichten mit§ 141 ein taugliches Instrument an die Hand zu geben, mittels dessen sie das bestätigende Parteiverhalten zutreffend und in vorhersehbarer, rechtssicherer Weise würdigen können. Nachdem nun die Unklarheiten herausgearbeitet sind, die in Literatur und Rechtsprechung in bezugauf die Auslegung von § 141 bestehen, stellt sich die Frage, wie es zu dieser gedanklich und begrifflich verworrenen Situation überhaupt kommen konnte. Eine Betrachtung des entstehungsgeschichtlichen Hintergrundes von § 141 soll hierüber Aufschluß geben 329•

329 Die historische Untersuchung von§ 141 wurde nicht zuletzt durch einen Hinweis in der Rechtsprechung selbst veranlaßt Denn das OLG Stuttgart verweist in OLGRspr 6, 34 (zur Begründung für das Erfordernis einer Neuvornahme bei§ 141 auf die Motive zum damaligen § 110 und die zeitgenössische Lehrbuchliteratur.

5 Müller

2. Kapitel

Die Entstehungsgeschichte von § 141 im 19. Jahrhundert und ihre Auswirkungen In diesem Kapitel wird die Frage untersucht, aufwelchen historischen Grundlagen § 141 unmittelbar beruht 1 und inwiefern diese über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift am 1.1.1900 in unser Jahrhundert hinein gewirkt haben. Dabei werden zahlreiche Unklarheiten aufgeklärt werden können. Doch zunächst soll das Augenmerk auf das 19. Jahrhundert gerichtet werden.

I. Die Behandlung der Bestätigung in Lehre und Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts 1. Die Behandlung der Bestätigung in der Lehre a) Entstehen des Begriffs Bestätigung aus der ratihabitio des römischen Rechts

aa) Die Situation vor dem 19. Jahrhundert

Inhalt und Bedeutung des Begriffs Bestätigung wurden erst im 19. Jahrhundert herausgebildet. Zuvor war eine begrifßiche Trennung von Bestätigung und Genehmigung noch unbekannt. Die Jurisprudenz beschäftigte sich nur mit dem römischrechtlichen Begriff "ratihabitio", unter dem sowohl Bestätigungswie auch Genehmigungsfalle verstanden wurden2 • Auf eine dogmatische Durchdringung der verschiedenen Institute legten die Juristen wenig Gewicht 3 • Schon die kommentierenden Anmerkungen des Accursius zu den justinianischen Digesten weisen keine gesonderte Betrachtung von ratihabitio als Bestätigung auf'. Eine stichprobenartige Überprüfung von einzelnen Werken aus dem 17. Zu Bestätigungsfällen im klassischen römischen Recht s.u. S. 163 ff. s. nur Heumann/ Secke/ unter "ratus". Inwiefern ratihabitio auch Bestätigung heißt (das bezweifeln Windscheid/ Kipp. S. 440 Fn. 8, da nicht von "confirmatio" die Rede sei) und welche anderen Begriffe ftir "bestätigen" im klassischen römischen Recht ebenfalls verwendet wurden (etwa ,.perseverare", vgl. Sintenis, Civilrecht, 3. Aufl., S. 156 Fn. 41) ist im folgenden Kapitel der Arbeit, S. 143 ff., zu klären. 3 Vgl. Harder, AcP 173, S. 210. 4 Untersucht wurde insbesondere die Glosse zum Digestentitel46.8 (Ratam remhaberiet de 1

2

I. Bestätigung in Lehre und Rspr. des 19. Jhrdts.

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und 18. Jahrhundert ergibt folgendes Bild: Der Begriff "Bestätigung" als ein auf ein eigenes, unwirksames Rechtsgeschäft bezogener, billigender Akt erscheint in der seltenen deutschsprachigen Literatur nicht. In den überwiegend lateinisch verfaßten Werken findet sich bisweilen der Ausdruck "ratihabitio" gar nicht 5, wird nur oberflächlich6 oder nur im Sinne von Genehmigung7 behandelt. Nur selten verstehen die Juristen darunter ein bestätigendes Verhalten8• Dabei gelangen sie aber nicht zu einer dogmatischen Erfassung dieser Form der ratihabitio, etwa hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und Rechtsfolgen, sondern zählen nur Fälle auf, in denen die römischen Juristen eine Ratihabition- auchzugelassen haben. Dementsprechend hart kritisiert Seuffert im Jahre 1868 die wissenschaftliche Bedeutung monographischer Abhandlungen über die ratihabitio aus dem 17. und 18. Jahrhundert: "Der wissenschaftliche Werth der benutzten Abhandlungen ist, soweit sie vor Busse's Schrift 9 fallen, ganz außerordentlich gering. Im gewöhnlichsten Dissertationenstyl ihrer Zeit geschrieben, mit hohltönenden Phrasen um sich werfend, dabei oft sehr umfangreich (Heroldt's Dissertation 10 enthält allein 563 engbedruckte Quartseiten!) und vollständig geistlos, lohnen dieselben in der That nicht der näheren Betrachtung." 11 ratihabitione). Gerade bei der Definition Ulpians in D.46.8.12.1 "Rem haberi ratam hoc est comprobare adgnoscereque quod actum est a falso procuratore" fehlt eine erläuternde Anmerkung zu anderen denkbaren Fällen von ratihabitio (S. 386). Im übrigen war die Wissenschaft der Glossatoren zu sehr praxisorientiert, um das römische Recht in systematischen Denkkategorien aufzubereiten (Harder, AcP 173, S. 210). 5 So bei Heineccius; N ettelbladt, Praktische Rechtsgelahrtheit; ders., Systema; Pufendorf (obwohl er bei Verträgen auch Heilungsmögüchkeiten von fehlerhaften Verträgen behandelt und z.B. ausdrücklich die Novation nennt ). 6 Heise, S. 32, zählt die "Ratihabition" unter "Einzelne Arten von Rechtsgeschäften", ohne dann näher darauf einzugehen. 7 So bei Cujaz, z.B. Bd. I, Sp. 863; Bd. 6, Sp. 371 f.; Bd. 10, Sp. 565; Glück, Bd. 5, S. 325 ff. (Genehmigung fremder Geschäftsführung) und undeutlich in Bd. 17, S. 3 ff.; Grotius, S. 414 Fn. 12 (Genehmigung fremder Geschäftsführung) und S. 889 (Genehmigung von Handlungen eines Adligen in Kriegszeiten durch den Kaiser); Hel/feld. Bd. I, S. 245 (Genehmigungfremder Geschäftsführung); Bd. 2, S. 1276 (Versprechen der späteren Genehmigung); Stryck, S. 112 f. (Aufzählung verschiedener Genehmigungsfälle); Voet, S. 19 f. (ratihabitio als Genehmigung des Vaters zur unerlaubten Eheschließung seines Kindes). - Böhmer, S. 123, versteht unter "ratificatio" nur die freiwillige Wiederholung eines unter Folter abgelegten Geständnisses innerhalb von zwei oder drei Jahren. 8 So z.B. bei Glück, Bd. 17, S. 3 ff. Dort werden im Rahmen der "Ratihabition beyeinem ungültigen Kaufe" auch Fälle genannt, die heute unter "Bestätigung" fielen. Glück spricht aber nur allgemein von "Genehmigung". -Hel/feld. Bd. I, S. 265 (Bestätigung eines unter Gewalteinwirkung abgeschlossenen Geschäfts nach Wegfall der Gewalt). - Pothier, S. 327: "approbation" oder "ratification" werden auch als Fälle von Bestätigung angesehen. 9 Von 1834. 10 Von 1687. 11 Seuffert, S. 7 f. - Ein anderes Bild von der Existenz des Begriffs Bestätigung vor dem 19. Jahrhundert vermittelt Coing. Europäisches Privatrecht: Hier erscheinen "Bestätigung", "Genehmigung" oder "ratihabitio" nicht einmal als Stichworte. Auch im Text, insbesondere im Kapitel über "Unwirksamkeit von Verträgen (Mängel des Vertragsabschlusses)" (S. 413 ff.), wo ihre Behandlung am ehesten zu erwarten ist, tauchen sie nicht auf. Daß dieser Schein trügt, belegen die oben, Fn. 8, angeführten Werke.

s•

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2. Kap.: Entstehungsgeschichte von § 141 im 19. Jhrdt.

Bei diesem Zustand blieb es bis weit in die erste Hälfte des 19. J ahrhunderts 12• bb) Die Entwicklung im 19. Jahrhundert

Die Pandektistik des 19. Jahrhunderts ging wiederum vom römischrechtlichen Begriff der ratihabitio 13 aus 1\ unter der ganz allgemein eine "nachfolgende Willenserklärung" verstanden wurde, die sich "conservativ", also "erhaltend" in bezugauf ein früheres Rechtsgeschäft auswirke und "welche man gemeinhin mit dem Namen Genehmigung- Ratihabition zu bezeichnen pflegt" 15• Die im klassischen römischen Recht vorgenommene unterschiedslose Zusammenfassung der verschiedensten Fallgruppen unter diesen Begriff der ratihabitio 16 versuchte die um Systembildung bemühte Dogmatik des 19. Jahrhunderts aufzuheben, sofern sie sich mit dem Begriff "ratihabitio" überhaupt auseinandersetzte 17 • So findet sich etwa bei Girtanner 18 im Jahre 1848 folgende Aufteilung: Die Fälle von Genehmigung der Handlungen eines procurator (Vermögensverwalter), eines negotiorum gestor (Geschäftsführer ohne Auftrag), des Besitzerwerbs durch einen Dritten (mit Wirkung "in rem"), von Verfügungen eines Nichtberechtigten und schließlich von der Bestätigung eigener, anfechtbarer(!) Rechtsgeschäfte 19• Seine Monographie behandelt aber dann im wesentlichen nur die im heutigen Sprachgebrauch sogenannten Genehmigungsfälle20• Immerhin unterscheidet er Genehmigungs- und Bestätigungsfälle schon so scharf, daß er für letztere, als Fälle der ratihabitio "im weiteren Sinne" 2\ einen eigenen terminus technicus einführt, nämlich "confirmatio" 22• 12 So setzt sich zwar im Jahre 1815 Hufeland, S. 299 ff., auch mit dem Fall einer "Genehmigung" des eigenen, unwirksamen Geschäfts auseinander, ist aber nur daran interessiert, ob die Genehmigung auch in diesen Fällen rückwirkende Kraft habe, was er letztlich (S. 319 ff.) verneint. Später spricht er zwar von der "später hinzugekommene(n) zur Bestätigung des Geschäfts hinreichende(n) Genehmigung", aber nicht flir den Fall einer "Genehmigung" des eigenen Geschäfts (S. 322). Im Ergebnis kommt es Hufeland nicht auf die Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Geschäften, sondern auf Nichtigkeit und Anfechtbarkeil an. 13 Dazu s.o. S. 66 Fn. 2. 14 Seuffert, S. 6 f.; Sigerist, S. 1 ff.; Windscheid Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 204 Fn. 8 und wortgleich WindscheidI Kipp, S. 440 Fn. 8. 15 Seujfert, S. 2, 117; Sintenis, Civilrecht, 3. Aufl., S. 155: "Genehmigung (ratihabitio) von etwas Vorangegangenem ... ". 16 So z.B. Staudinger-H Dilcher, § 141, Rz. 1. Schon zu dieser Zeit war also Ulpians Definition nur von eingeschränkter Bedeutung: "Rem haberi ratam hoc est comprobare adgnoscereque quod actum est a falso procuratore." (Uip.D.46.8.12.1). " Savigny z.B. erwähnt ihn nicht, sondern handelt die üblicherweise der ratihabitio zugeordneten Fälle unter "Convalescenz" ab, vgl. System, S. 554 ff. 18 s. 1-4. 19 Girtanner, S. 3: "Qui contractum a se negotium rescindere potest ob vim vel dolum, si id potius confirmat, hoc quoque interdum appellatur ratihabitio." l1l Girtanner, S. 4: "Hoc loco autem de ratihabitione solo eo sensu verba faciemus, quem supra . .. proprium statuimus, non tarnen prorsus praetermissa lata illa notione." 21 Girtanner, S. 3: ". . . ratihabitio sensu lato . .. "

I. Bestätigung in Lehre und Rspr. des 19. Jhrdts.

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Auch Windscheid23 zerlegt den hypertrophen Begriff der ratihabitio in einzelne Fallgruppen und spricht im Zusammenhang damit von "dieser schwierigen und bestrittenen Lehre" 24• Zur "Bestätigung" führt er aus: "Gewöhnlich wird die Bestätigung als Genehmigung bezeichnet, und so auch die Quellen, welche regelmäßig von ratihabitio und nicht von confirmatio sprechen. So ergibt sich also wieder ein neuer Sinn ... des Ausdrucks Genehmigung (ratihabitio). Bei der ohnehin hinreichend großen Vieldeutigkeit desselben ist es gewiß gerechtfertigt, ihn von der Bestätigung fernzuhalten ... " 25 • Sintenis schließlich klassifiziert fünf Fälle von Genehmigung26: "1. Die Handlungen der Stellvertreter eines Anderen ... 2. Die Verfügungen Anderer, welche dazu nicht ermächtigt waren, über uns gehörige Sachen ... 3. Die Handlungen und die Verfügungen Anderer über ihre Sachen, welche (sie) entweder wegen ... der väterlichen Gewalt ... oder wegen bestehender Rechte Dritter ... nicht mit der beabsichtigten Wirksamkeit vornehmen können. 4. Die eigenen obligatorischen Handlungen, welche man zu einer Zeit vorgenommen hat, wo sie aus Gründen, welche die Handlungsfahigkeit beschränken, keine vollständige, sondern nur eine neutrale Wirkung haben, während die Genehmigung unter solchen Umständen geschieht, wo jene mit vollem Erfolg hätten vorgenommen werden können. 5. Die eigenen Handlungen, deren Wirksamkeit überhaupt angefochten werden konnte, welche nun durch die später erfolgte Genehmigung unanfechtbar wird." 27

Vor diese Situation28 sah sich Seujfert im Jahre 1868 gestellt 29 , als er einen erneuten Versuch unternahm, die ratihabitio des römischen Rechts sprachlich Girtanner, S. 3. Schon im Pandektenrecht, 3. Aufl. (1873), S. 176 Fn. 3, S. 195 Fn. 8; S. 203 Fn. 4, 5, 6; S. 204 f. mit Fn. 8, 9. Nahezu identisch Windscheid/Kipp, S. 365 Fn. 3; S. 422 Fn. 8; S. 438 Fn. 4; S. 440 Fn. 8. 24 So schon Windscheid Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 176 Fn. 3, und unverändert Windscheid/ Kipp, S. 365 Fn. 3. 25 Windscheid/ Kipp, S. 440 Fn. 8. 26 Civilrecht, 3. Aufl., S. !58 f. 27 Ihm folgt Heimbach Rechtslexikon, S. 455. 28 Wenngleich Seuffert die Habilitationsschrift Girtanners ausweislich seiner Literaturangaben nicht bekannt gewesen zu sein scheint. Selbst Zimmermann bezeichnet schon 1876 Girtanners Schrift als "heutzutage fast verschollen" (S. 195). 29 Seuffert, S. 9; vgl. auch die Rezension dieses WerksdurchRegelsberger in KVJS II (1870), S. 361 ff., insbesondere S. 375 f.- In der Tat sind die im 19. Jahrhundert entstandenen Monographien zur ratihabitio aus der Zeit vor 1868 (abgesehen von der Seuffert wohl nicht bekannten Arbeit Girtanners) für die Herausarbeitung einer eigenständigen Lehre von der Bestätigung wenig hilfreich gewesen. - So erkennt Busse (1834), daß es auch eine ratihabitio eigener Geschäfte geben kann (S. II f.), unterscheidet dann (S. 15) aber zwischen wiederbaltem Konsens (iteratus consensus) bei vernichtbaren und vorangehendem (!) Konsens (posterior consensus) bei nach heutiger Terminologie nichtigen Geschäften, spricht hier also nicht mehr von "Bestätigung" im heutigen Sinne. Seine Einteilung der verschiedenen ratihabitiones (S. 20 ff.) trennt nicht zwischen Genehmigung und Bestätigung. Das gilt auch für den Rest der Arbeit (vgl. z.B. die Behandlung der ratihabitionsberechtigten Personen, S. 22 ff.). - Auch 22 23

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und inhaltlich aufzuspalten. Das Resultat dieser eigentlichen "Geburtsstunde" der Bestätigung war eine Dreiteilung, die die entscheidende Grundlage für die auch im BGB vorgenommene Differenzierung bildete: "1. Für den Fall der Ratihabition einer Geschäftsführung der Ausdruck Genehmigung. 2. Für den Fall der Ratihabition einer von einem Anderen vorgenommenen Handlung, die fremder Einwilligung bedarf, der Ausdruck n a c h f o 1g e n d e Ein w i 11 igu n g. 3. Für den Fall der Ratihabition des eigenen Geschäfts der Ausdruck Bestätigung. " 30 Nach der bahnbrechenden Arbeit Seufferts waren die Fallgruppen der ratihabitio so aufbereitet, daß die Einordnung ins dogmatische System möglich wurde. Die Herausarbeitung der Typen war nur von wenigen Autoren bewerkstelligt worden. Nahezu alle jedoch beschäftigten sich - wenngleich nicht in jedem Falle mit der nun gebotenen scharfen Differenzierung zwischen den einzelnen Fallgruppen der ratihabitio - mit anderen, wesentlichen Fragen dieses Instituts, nämlich, ob es überhaupt nötig sei und, bejahendenfalls, welche Wirkungen es habe. Die Beantwortung der ersten Frage nach dem Bedürfnis für das Rechtsinstitut ratihabitio ist eng verknüpft mit der Bedeutung des Begriffs Nichtigkeit und der Parömie "Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere" 31 • Der vehement geführte und bis zum Inkrafttreten von § 141 nicht beigelegte Streit um die Wirkungen der ratihabitio beschränkt sich im wesentlichen auf das Problem, ob sie ex tune oder lediglich ex nun wirke.

Agrico/a ( 1848) erwähnt die ratihabitio eigener Rechtsgeschäfte nur beiläufig (z.B. S. 8, 21, 39) und ohne daraus Folgerungen für eine eventuell unterschiedliche Behandlung in Bestätigungsund Genehmigungsfällen zu ziehen. Schon bei der Definition der ratihabitio (S. 7 ff.) liegt der Schwerpunkt seiner Erörterungen bei ihren Rechtsfolgen (Wirkung ex nunc/ex tune). - Das gilt auch für Heckhaus (1859), der aufgrundder vermeintlich zwingenden Rückwirkung der Ratihabition bei nach heutiger Terminologie "nichtigen" Rechtsgeschäften die Möglichkeit zur Bestätigung verneint (S. II ff., 27 ff. ), ohne die Bestätigung eigener nichtiger Rechtsgeschäfte als besonderen Anwendungsfall der Ratihabition hervorzuheben (S. 13, 14, 27 ff., insbesondere S. 34). Immerhin wird nun erstmals der Genehmigung fremder Geschäftsft.ihrung (negotiorum gestio) besondere Aufmerksamkeit geschenkt (S. 44 ff.).- Bei Griesinger (1862) hat die Ratihabition eigener unwirksamer Rechtsgeschäfte ebenfalls nur nebensächliche Bedeutung (S. 37, 38), da er die Ratihabition allein auf die Lehre von der Stellvertretung glaubt zurückführen zu müssen (S. 37). Daher steht auch hier die Genehmigung fremder Geschäftsft.ihrung im Vordergrund (S. 57 ff.)- Gregory (1864) schließlich erwähnt die ratihabitio eigener Geschäfte weder bei der Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen dieses Instituts (S. II ff.) noch bei der Nennung seiner Wirksamkeitserfordernisse (S. 17 ff. ). Erst in der Aufzählung der zur ratihabitio berechtigten Personen findet sich ein eher beiläufiger Vermerk über die Berechtigung desjenigen, der das Rechtsgeschäft vorgenommen hat (S. 49). Immerhin widmet auch Gregory der ratihabitio fremder Geschäftsft.ihrung eine gesonderte Betrachtung (S. 206 ff.). X> Seuffert, S. 7. 31 Paui.D.50.17.29: Was von Anfang an ungültig ist, kann nicht durch Zeitablaufwirksam werden.

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b) Die Ansichten zu den Wirkungen der Nichtigkeit in der zeitgenössischen Lehre

aa) Unklare Äußerungen bei Savigny, Windscheid, Dernburg, Gradenwitz und Rege/sberger Savigny bezeichnet mit dem "anerkannten Kunstausdruck" Nichtigkeit diejenige Art der Ungültigkeit von Rechtsgeschäften, die das Gegenstück zur Anfechtbarkeit 32 bilde33 und "welche in einer reinen Verneinung der Wirksamkeit besteht, also an Kraft und Umfang der Tatsache selbst, worauf sie sich verneinend bezieht, völlig gleich steht" 34• Könnte man hier noch der Auffassung sein, unter Nichtigkeit werde nicht die Nichtexistenz des Rechtsgeschäfts verstanden, sondern die Versagung seiner rechtlichen Wirkungen, so heißt es dennoch wenig später: "... daß die Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses in der bloßen Verneinung desselben bestand . .. " 35 • Savigny macht also nicht deutlich, ob unter Nichtigkeit nicht eher die juristische Nichtexistenz des Rechtsgeschäfts zu verstehen ist.

Ähnlich sibyllinisch drückt sich Windscheid aus: "... ist ein Rechtsgeschäft ungültig in der Weise, daß es die von ihm beabsichtigte rechtliche Wirkung gar nicht erzeugt, ebensowenig, als wäre es nie abgeschlossen worden; ein solches Rechtsgeschäft nennt man ein nichtiges Rechtsgeschäft. " 36 Das steht aber im Gegensatz zu: "Das nichtige Rechtsgeschäft existiert für das Recht nicht; tatsächlich ist es vorhanden. Es ist ein Körper ohne Seele; aber deswegen nicht weniger ein Körper." 37 Entweder ist das nichtige Rechtsgeschäft juristisch vorhanden und erzeugt lediglich die gewollten rechtlichen Wirkungen nicht, oder es wird als nichtexistent angesehen. Beides gleichzeitig anzunehmen, ist widersprüchlich. Überdies spricht Windscheid an späterer Stelle38 davon, daß die "Rechtskonsequenz" eine Rückwirkung der Bestätigung nicht zulasse. Damit kann nur gemeint sein, daß eine Rückwirkung angesichts der Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts logisch ausgeschlossen sei.

32 Die Differenzierung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit geht auf Savigny zurück, vgl. Harder, AcP 173, S. 2ll;Schubert, S. 211,215. 33 Den Gegensatz von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit will die gemeinrechtliche Doktrin aus der Unterscheidung des klassischen römischen Rechts zwischen Ungültigkeit ipso iure und Ungültigkeit aufgrund von actio oder exceptio herleiten, vgl. Savigny, System, S. 536 ff.; Puchta, Pandekten, S. 156 ff.; Gradenwitz, S. 257. Dagegen Dernburg, Pandekten, S. 281 f. und ders., System, S. 213. Hiergegen wiederum Mitteis, JherJahrb 28, S. 93 f. 34 Savigny, System, S. 536. 3l Savigny, System, S. 537. 36 So schon Windscheid, Pandektenrecht, 3. Aufl. (1873), S. 196, und Windscheid/ Kipp. s. 424. 37 Windscheidl Kipp, S. 424 Fn. 2. 38 S. 441 Fn. 10.

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Undeutlich39 äußert sich auch Dernburg, wenn er ausführt: "Nichtige Geschäfte haben zwar den Anschein, nicht aber das Wesen eines Rechtsgeschäftes. " 40 Hier bleibt offen, ob das nichtige Rechtsgeschäftjuristisch existent ist oder nicht. Gradenwiti 1 spricht von der "Fiction, das nichtige Rechtsgeschäft existire für das Recht nicht", die "in dieser Allgemeinheit nicht durchzusetzen" sei, denn sonst könne zum Beispiel eine auf nichtigem Rechtsgeschäft beruhende Wette "von dem positiv Wettenden nie gewonnen werden". Später heißt es in definitorischer Absicht: "1. Es tritt eine Wirkung gar nicht ein: Nichtigkeit. " 42 Auch hier bleibt unklar, ob das nichtige Rechtsgeschäft nun juristisch als vorhanden betrachtet wird oder nicht 43 •

In klarer Weise äußert sich zunächst Regelsberger: "Nichtig wird ein Rechtsgeschäft genannt, wenn ihm wegen des anhaftenden Mangels jede oder wenigstens die normale Wirkung schlechthin versagt ist. " 44 Das nichtige Rechtsgeschäft existiert also- obwohl Regelsbergerselbst als Ausdrücke für Nichtigkeit im klasischen römischen Recht "nullius momenti, negotium nullum" 45 nennt, die aber auch für die Anfechtbarkeit gebraucht würden -, ihm bleiben lediglich die (beabsichtigten) rechtlichen Wirkungen versagt. Gleichwohl spricht er später46 der ratihabitio die Fähigkeit ab, das nichtige Geschäft "ins Leben zu rufen" und sieht sie unter bestimmten Voraussetzungen als "Errichtung eines neuen Geschäfts mit gleichem Inhalt" an. Auch Regelsbergers Ansicht ist also im Ergebnis undeutlich. bb) Die herrschende Ansicht: Ein nichtiges Rechtsgeschäft ist juristisch nicht vorhanden

Diesen Autoren, die ihre Meinung nur unklar zum Ausdruck bringen, steht die ganz herrschende Ansicht gegenüber: Das nichtige Rechtsgeschäft existiertjuristisch47 - nicht 48 • Dabei war die Frage, was Nichtigkeit bedeute, umstritten. 39 s. aber die ldarere, vom Bestand des nichtigen Rechtsgeschäfts ausgehende Äußerung in seinem "Preussischen Privatrecht", S. 145; vgl. u. S. 93. 40 Dernburg, Pandekten, S. 282; ders. , System, S. 213. 41 S. 199. 42 S. 319. 43 Ganz unverständlich ist endlich der Nichtigkeitsbegriff von Sintenis, Civilrecht, 3. Aufl., s. 2ll ff. 44 Regelsberger, Pandekten, S. 632. 45 Rege/sberger, Pandekten, S. 632 Fn. 5. 46 Rege/sberger, Pandekten, S. 641, 642. 47 Die Tatsache, daß eine (mehrere) Willenserklärung(en) abgegeben wurde( n), konnte man natürlich nicht bestreiten; vgl. Windscheid/Kipp, o. S. 71. Dennoch vertrat Sch/oßmann, S. 13 IT., diese Extremposition (s. dazu u. S. 113).

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So wurde zum Teil Nichtigkeit nur dann angenommen, wenn die ,.gewollten" Rechtsfolgen ausblieben, das Eintreten unbeabsichtigter Folgen (etwa Ersatzansprüche) dagegen für unschädlich erklärt 49 • Rechtsgeschäfte mit solchen Rechtsfolgen wurden aber auch als lediglich ,.ungiltig" bezeichnet 50 oder gar als wirksam, da es genüge, daß die Rechtsfolge durch die Willenserklärung ,.bedingt" sei 5 1• Meist wurde insofern gar nicht differenziert und die Möglichkeit des Eintretens unbeabsichtigter Rechtsfolgen nicht erkannt. Auch über die Tatbestände, die zur Nichtigkeit führten, war man uneins. Nach Puchta trat Nichtigkeit ein bei Fehlen von ,.Handlungsfähigkeit, Dispositionsfähigkeit, Wille, ernstliche(r) Absicht, Erklärung" und gesetzlichem Verbot 52• Nach Wächter war dies beispielsweise bei Formverstoß, Handlungsunfähigkeit und Dissens der Fall 53 • Köppen erkennt Nichtigkeit nur an bei Handlungsunfahigkeit, Formmangel und Gesetzwidrigkeit 54. Bei Leonhard Jacobi schließlich liegt Nichtigkeit nur in den Fällen von gesetzlichem Verbot, Formmangel, willensausschließendem Mangel (Zwang, Bewußtlosigkeit) vor 55 • Den Zwang hält Schloßmann wiederum für einen bloßen Anfechtungsgrund 56 • Erstaunt hier die undurchdachte Konzeption des Begriffs Nichtigkeit, so verwirrt andererseits die subtile und doch von Autor zu Autor verschiedene Nomenklatur der Lehre von der Unwirksamkeit 57• Dazu schreibt Ludwig Mitteis: ,.Wer sich heute mit der Lehre von der Ungiltigkeit der Rechtsgeschäfte befassen will, dem wird vor allem der Mangel an einheitlicher Systematik auffallen, welcher auf diesem Gebiete Platz gegriffen hat." 58 Und nur wenige Jahre später klagtlacobi: ,.Trotz oder in Folge übergroßer Fruchtbarkeit der Literatur befindet sich, was ihnen (sei!.: Verfasser des Entwurfs des BGB) unmöglich entgehen konnte, die Terminologie in einer fast als chaotisch zu bezeichnenden Ver48 In diesem Sinne äußern sich: Arndts, S. 130; Baron, S. 121; Bekker, S. 219 Fn. c; Brinz IV, S. 397; Enneccerus, S. 140, 145; Jacobi, AcP 86, S. 7I;Jhering, JherJahrb I, S. 296 f.; Lütteken, S. 9; Mitteis, JherJahrb 28, S. 86; Puchta, Pandekten, S. 105; ders., Vorlesungen, S. 156; Sigerist, S. 89; Seuffert, S. 119 f.; Wächter, S. 421.- Durch beide Lager aber zieht sich die ganz herrschend vertretene Ansicht, die Nichtigkeit sei von Amts wegen zu beachten und es bedürfe deshalb keiner Nichtigkeitsklage (querela nullitatis), vgl. Baron, S. 121; Brinz IV, S. 408; Dernburg, Pandekten, S. 283; ders., System, S. 214; Gradenwitz, S. 257; Puchta, Pandekten, S. 105 Fn. c; Regelsberger, Pandekten, S. 632; Wächter, S. 421 f. Fn. 6; Windscheid/ Kipp, s. 426. 49 So Enneccerus, S. 141; Lütteken, S. 10. 50 Seuffert, S. 119. 51 Köppen, JherJahrb II, S. 152 Fn. 27. 52 Vorlesungen, S. 156. 53 S. 421. 54 JherJahrb II, S. 389. 55 AcP 86, S. 81. 56 S. 8 f. 51 Zahlreiche Beispiele stellt Milleis, JherJahrb 28, S. 97 ff., dar. 58 Milleis, JherJahrb 28, S. 85; s. auch seinen Überblick über Einzelheiten der Begriffsverwirrung, a.a.O., S. 86 f.; dazu auch Jacobi, AcP 86, S. 86 ff.

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wirrung. Es war eine wenig hoffnungsvolle Aufgabe, hier das Richtige zu treffen. " 59 Die Begriffsverwirrung, die sich in einem unübersichtlichen Nebeneinander der termini "Gültigkeit, Ungültigkeit, Nichtigkeit, Wirksamkeit, Unwirksamkeit, Anfechtbarkeit, Fehlerhaftigkeit" 60 und "einseitige- allseitige, bedingte- unbedingte, heilbare- unheilbare Ungültigkeit" 61 zeigt, ist die Frucht von Systematisierungsbestrebungen der Dogmatik des 19. Jahrhunderts62 • Um noch einmal Mitteis zu Wort kommen zu lassen: "Im Großen und Ganzenwenn auch nicht völlig unbestritten - herrscht zwar daselbst (scil.: auf dem Gebiet der Lehre von der Ungültigkeit) auch heute noch der bekannte Gegensatz von Nichtigkeit und AnfechtbarkeiL Verfolgt man aber die feinere Durcharbeitung dieser Begriffe, so wird man auf die größten Divergenzen stoßen. Es sind eben wenige so enthaltsam gewesen wie Savigny, der unter Anfechtbarkeit einfach den contradictorischen Gegensatz von Nichtigkeit verstand, ohne im übrigen näher zu definieren .. ." 63 Das von Mitteis geforderte gegenteilige Extrem, die Enthaltsamkeit, findet sich nicht nur bei Savigny, sondern beispielsweise im Ansatz auch bei Gradenwitz, der zunächst zum Begriff des Rechtsgeschäfts schreibt: "1. Der Begriff des Rechtsgeschäfts ist kein durch die Gesetzgebung fixirter und kein durch die römische Rechtswissenschaft festgestellter. Darum dürfen wir nicht fragen: was ist Rechtsgeschäft? sondern: was nennt man am zweckmässigsten Rechtsgeschäft? ... " Und weiter: "II. Dasselbe gilt von dem Begriff der Ungültigkeit." 64 Gradenwitz differenziert aber dann doch und will unter den Begriff der Ungültigkeit nur diejenigen Fälle fassen, "wo im Widerspruch mit den allgemeinen Regeln ausnahmsweise der beabsichtigte Erfolg nicht oder nicht vollständig eintritt" 65 (zum Beispiel Schenkung unter Ehegatten66). Fehle ein allgemeines Erfordernis für das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts (zum Beispiel im Falle von Wahnsinn oder Irrtum67), so fielen diese Fälle nicht unter die Ungültigkeitslehre, da sie "schon an anderer Stelle im System genügend beleuchtet worden (sind), nämlich bei den Erfordernissen des Zustandekoromens oder der Gültigkeit von Rechtsgeschäften" 68• 69•

Jacobi, AcP 86, S. 53. Jacobi, AcP 86, S. 54. 61 Mitteis, JherJahrb 28, S. 165. 62 Selbst Mitteis, JherJahrb 28, S. 165, spricht von,. . .. theilweise recht scholastischen Kategorien ... " 63 Mitteis, JherJahrb, 28, S. 85; immerhin eine Erklärung für die oben (S. 71) kritisierte Undeutlichkeit bei Savigny. 64 Gradenwitz, S. 326. M Gradenwitz, S. 327. 66 Gradenwitz, S. 301. 67 Gradenwitz, S. 301. 68 Gradenwitz, S. 301. 69 Dieser Differenzierung widerspricht heftig (,.geradezu irreführend") und mit überzeugenden Argumenten Mitteis, JherJahrb 28, S. 97 ff. 59

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Die scharfsinnig geführte Diskussion um die Fehlerhaftigkeit des Rechtsgeschäfts führte also in den ,juristischen Begriffshimmel", den der einsichtig gewordene Jhering in seinen späten Lebensjahren verspottete 70 • Die Not der Pandektistik war verständlich. Man hatte sich mit dem römischen Recht auseinanderzusetzen und es für eine zeitgemäße Anwendung fruchtbar zu machen. Im römischen Recht aber war der Begriff der Unwirksamkeit unausgebildet 71 , eine feste Terminologie fehlt 72• Kaser13 und Mitteis14 sprechen von "rund" bzw. "über dreißig Ausdrücken", deren gemeinsamen Sinn Kaser darin sieht, daß "dem Geschäft die ihm wesensgemäßen Wirkungen versagt" 75 seien, wobei er beispielhaft nennt: "nullum, nullius momenti, non esse, invalidum (non valere), nihil agere (nihil acti esse), inutile, inane, irritum (non ratum), imperfectum, infectum, vitiosum." 76 Diese unterschiedlichen Fallgestaltungen sauber voneinander zu trennen und zu klassifizieren, machte sich die Pandektistik zur Aufgabe. Ein nahezu unmögliches Unterfangen! 77 Denn man mußte erkennen, daß die termini nach zeitgenössischer Terminologie des 19. Jahrhunderts mehrfache Bedeutung haben konnten, daß also derselbe lateinische Ausdruck nun einmal "Nichtigkeit'', ein anderes Mal "Anfechtbarkeit" bedeuten konnte78 • Puchtas frühe lapidare Äußerung: "Nichtig ist das Geschäft, wenn es in Folge eines gewissen Mangels ipso iure nicht besteht, so gut als wenn gar nichts geschehen wäre (nullum negotium, kein Geschäft)" 79 ist also schon hinsichtlich ihrer Begründung mit einem terminus technicus des römischen Rechts fragwürdig 80 • GleichScherz und Ernst, S. 245 tr. Kaser, RPR I, S. 246: ,.Wenig durchgebildet ...". Jacobi, AcP 86, S. 54:,.. . . nicht schwer zu entdecken, weshalb das römische Recht eine fiir uns brauchbare Lehre von den fehlerhaften Rechtsgeschäften nicht hat hervorbringen können. Es fehlte ihm eben die einheitliche Rechtsordnung." - Auch Schloßmann, S. 9 Fn. 14, spricht von den ,.lediglich praktischen Erwägungen", von denen sich die Römer hätten leiten lassen.- Zum Unwirksamkeitsbegriff auch Harder, AcP 173, S. 210: ,.Dem römischen Recht war er fremd." 72 Kaser, RPR I, S. 246. 73 RPR I, S. 247. 74 Römisches Privatrecht, S. 237. 75 Kaser, RPR I, S. 246. 76 Kaser, RPR I, S. 247. Im einzelnen s. dazu 3. Kapitel, S. 143 ff. 77 Jacobi, AcP 86, S. 96: ,. . . . hoffnungsloses Unternehmen ..."- Bei Bekker meint man gar Verzweiflung über diese selbstgestellte Aufgabe herauszuhören, wenn er S. 219 Fn. c schreibt: ,.Leider sind wir noch nicht.darüber hinaus, mit den Ausdrücken ,nichtig' u.s.w. nach dem schlechten Römischen Vorgange gar verschiedenartige Dinge zu bezeichnen." 78 Das erkennen deutlich z.B. Regelsberger, Pandekten, S. 632 Fn. 3; Seuffert, S. 119 Fn. 8; Sintenis, Civilrecht, 3. Aufl., S. 211 Fn. 1; Windscheid/ Kipp, S. 424 f. Fn. 2; Jacobi, AcP 86, S. 96 ff.; auch Schloßmann, S. 9, kritisiert die Differenzierung fiir das klassische römische Recht. 79 Vorlesungen, S. 156. 80 Vgl. auch Siebenhaar/Siegmann, § 103, S. 141 Fn. I, wo aus ,.negotium nullum" die Übersetzung ,.kein Rechtsgeschäft" hergeleitet wird, um eine spezielle ,.querela nullitatis", also eine auf Feststellung der Nichtigkeit gerichtete Klage, auszuschließen. Gleichwohl wird gefordert, man müsse ,.stets im Auge behalten, daß in der Nichtigkeit die Nichtexistenz des Rechtsgeschäfts liegt und es unserer, juristisch nicht ausgebildeten, Sprache an einem dem römischen ,nullum' entsprechenden Wort fehlt". 70 71

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wohl wurde, Puchta folgend, das Begriffssystem immer weiter ausgebaut 81 • Es ist hier nicht der Ort und auch überflüssig, diese Entwicklung aus heutiger Sicht zu kritisieren. Festzuhalten ist das mehrheitlich vertretene Ergebnis, von dem Mitteis 82 sogar behauptet, daß sich hierüber "alle einig" seien: Das nichtige Rechtsgeschäft ist juristisch nicht existent 83 • cc) Konsequenz der herrschenden Ansicht: Ratihabition eines nichtigen Rechtsgeschäfts ist nicht möglich

Der Satz von der Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts hat für die Frage nach der Existenzberechtigung einer Bestätigung (ratihabitio) ganz entscheidende Bedeutung: Etwas juristisch nicht Vorhandenes kann logisch niemals "bestätigt" werden, gleich, ob der Nichtigkeitsgrund inzwischen weggefallen ist oder nicht. Dem Willen der Parteien, am Rechtsgeschäft festzuhalten, fehlt es bereits am Bezugsobjekt "Rechtsgeschäft". Das wird von den Vertretern dieser Auffassung von Nichtigkeit auch zutreffend erkannt 84• Wo in den Quellen dennoch eine Ratihabition möglich gewesen sei, handele es sich nicht um nichtige, sondern um "schwebende" Rechtsgeschäfte 85 , um "Ausnahmen" von der Regel 86 oder um Neuvornahmen 87• Jhering schreibt: "Ein von vornherein nichtiges Geschäft kann nicht ratihabirt werden, es ist juristisch noch nichts vorhanden, was durch die Ratihabition aufrecht erhalten werden könnte; unter dem Schein einer Ratihabition des alten Geschäfts verbirgt sich hier in der That nur der Abschluß eines neuen Geschäfts mit demselben Inhalt ... " 88 Eine solche Ratihabition will Jhering "unächte" genannt wissen. Für den Fall einer "ächten" Ratihabition nennt er nur das unter Zwang abgeschlossene Rechtsgeschäft, aber keinerlei allgemeingültige Kriterien, nach denen sich "ächte" und "unächte" Ratihabition voneinander trennen ließen. Auch hier scheint der Hang zu Begriffsbildung und Konstruktivismus den Ausschlag für die Einteilung gegeben zu haben. Seuffert drückt sich ähnlich aus und meint zur Ratihabition eines Vertrages: "Wenn aber beide Theile die Absicht haben, das früher schon versuchte Geschäft nunmehr rechtlich zu 81 Als ein gewisser Höhepunkt dieser Systematisierungssucht sei gerade Jacobi, AcP 86, S. 80 ff. genannt. Von seiner Klage über die "chaotische Begriffsverwirrung" (s.o. S. 73 f.) verfallt er nun in das gegenteilige Extrem übertriebener und spitzfmdiger Begriffshierarchie. 82 JherJahrb 28, S. 86. 83 Symptomatisch ist auch die umgekehrte Formulierung Mitteis' in JherJahrb 28, S. 86: "Nichtig ist dasjenige Rechtsgeschäft, welches für die Rechtsordnung nicht existiert." 84 Vgl. nur Bekker, S. 219 Fn. c; Jhering, JherJahrb I, S. 296 f.; Lütteken, S. 18, 51; Puchta, Vorlesungen, S. 119 f.; Sigerist, S. 89; Seuffert, S. 120 f.; Wächter, S. 428. 85 Brinz IV, S. 447. 86 Baron, S. 122. 87 Regelsberger, Pandekten, S. 640; Seuffert, S. 135 ff.; Wächter, S. 430. 88 JherJahrb I, S. 296.

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Stande zu bringen, so liegt eben nicht mehr und nicht weniger als der Abschluß eines vollständig neuen zweiseitigen Rechtsgeschäftes vor, welches außer allem rechtlichen Zusammenhang mit dem früheren Versuche steht." 89 Und später: "Hieraus folgt, daß es eine eigentliche Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes nicht geben kann, und daß dasjenige, was man etwa mit diesem Namen im Verkehr zu bezeichnen beliebt, juristisch genommen keine Bestätigung ist." 90 Schließlich findet sich bei Seuffert auch die Äußerung: "Wenn unter dem Namen der Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäftes die Abschließung eines neuen Geschäftes .. . vorkommt . . ." 91 Es ist also eine tatbestandliehe Neuvornahme erforderlich. Daraus folgt für Seuffert, daß ein formgerechtes, aber aus einem anderen Grunde nichtiges Rechtsgeschäft auch formgerecht wiederholt werden muß. "Dies folgt daraus, daß ein neuer Abschluß vorliegt" 92 • Wächter schreibt: "Von selbst versteht es sich aber, daß die Genehmigung in solchen Fällen zu einem gültigen Rechtsgeschäfte führen kann, sobald sie auf eine Weise gegeben wurde, welche alle Erfordernisse der Errichtung des Geschäfts an sich trägt, z.B. wenn jener Geisteskranke nach erlangter Gesundheit den Vertrag von Neuern schließt ... " 93•

Und Puchta: "Die Ratihabition ist in der That neue Schließung des Geschäfts, mit allen Erfordernissen und mit der Wirkung der gegenwärtigen Schließung" 94 • Das sind - gerade hinsichtlich der heutigen Literatur und den Äußerungen in der Rechtsprechung95 - scheinbar klare Worte. Doch trübt sich das Bild der konsequenten Ablehnung einer Bestätigung in Fällen nichtiger Rechtsgeschäfte rasch wieder. Denn es fallt die sprachliche Verwirrung auf, die durch das Nebeneinander des Begriffs Bestätigung (ratihabitio) und seiner "juristischen" Qualifizierung entsteht. Jhering spricht von "unter dem Schein einer Ratihabition", S euffert, S. 121. Seuffert, S. 121. 91 s. 137. 92 Er geht, S. 137, sogar so weit, daß nach Eintritt von Gesetzesänderungen, die früher verbotene Geschäfte nun erlauben, die Bezeichnung "Bestätigung des nichtigen Geschäfts" "nicht das Zustandekommen des neuen Rechtsgeschäftes, welches unter die Herrschaft des neuen Gesetzes fallt", hindere. Aufgrund einer "solchen sog. Bestätigung" wirke das Rechtsgeschäft "erst vorn Mornent6 seiner Errichtung an". 93 Wächter, S. 430. 94 Puchta, Vorlesungen, S. 120. 95 Obwohl unsere gegenwärtige Auffassung von Nichtigkeit eine andere ist, täte es der heutigen Literatur und Rechtsprechung gut, sich fiir den Fall der Formnichtigkeit auf diese bereits historische Ansicht zu besinnen. Denn Lütteken, S. 51 f., schreibt: "Rechtsgeschäfte, deren Ungültigkeit auf einem Formfehler beruht, sind der Konvalescenz überhaupt entzogen; die Bestätigung, welche die vorgeschriebene Form nachzuholen hat, bewirkt hier keine Konvalescenz: sie enthält den Vollzug eines neuen Rechtsgeschäfts." Kurz: Ein formnichtiges Rechtsgeschäft kann nicht bestätigt werden. Man muß es erneut vornehmen. Wenigstens dieses eindeutige Ergebnis - wenn auch nicht mit der Unwahrscheinlichkeit eines Wegfalls des Nichtigkeitsgrundes begründet (s. dazu o. S. 63 f.), sondern mit der Nichtexistenz des Rechtsgeschäfts - hat die damalige Zeit der unseren voraus. 89 'lO

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Seuffert meint, daß "dasjenige, was man mit (Bestätigung) im Verkehr zu bezeichnen beliebt, juristisch keine Bestätigung ist", für Puchta "ist" Ratihabition gleich Neuvornahme und Wächter läßt nur eine Genehmigung in Form der Neuvornahme gelten. Sie alle bekennen nicht Farbe und lassen die Neuvornahme unter dem Deckmantel einer "Bestätigung" ein für den Laien unerkanntes Dasein fristen. Auch das juristische Konstruktionsmittel, mit Hilfe dessen man in der Bestätigung eine Neuvornahme sehen will, bleibt unklar. Fingiert man, deutet man um? Eine angesichts der im übrigen so großen Detailfreude der Doktrin merkwürdige Lücke! c) Die Bedeutung des Satzes "Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere" (Paui.D.50.17.29)

Die herrschende Ansicht von der Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts leidet nicht nur an der soeben gezeigten Undeutlichkeit im sprachlichen Ausdruck. Hinzu kommt, daß man sich zur Begründung -logisch ohne erkennbaren Grund, aber wohl deshalb, weil man dem Problem nicht ausweichen konnte auf den Satz des Paulus stützt: "Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere." 96 Der Satz behandelt eigentlich nur die Unmöglichkeit der Heilung eines fehlerhaften bzw. ungültigen ("vitiosen") Rechtsgeschäfts durch bloßen Zeitablauf97 • Er ist der Wissenschaft des 19. Jahrhunderts aber auch genereller Beleg für die Unheilbarkeit nichtiger Rechtsgeschäfte durch späteren Wegfall des Nichtigkeitsgrundes98 • Dabei wird er durchaus unterschied96 Lenel I, Sp. 1276, ordnet diesen aus dem achten Buch von Pau/us' Sabinuskommentar stammenden Satz unter der Überschrift .,De tute1is" ein. Einen Interpolationsverdacht äußern weder er noch Mommsen/Krüger. - Auch im Index lnterpolationum findet Paul.D.50.17.29 keine Erwähnung (Sp. 592).- Zur Übersetzungs. bereits o. S. 70 Fn. 31; vgl. auch Licinnius Rufus, D.50.17.210: .. Quae ab initio inutilis fuit institutio, ex postfacto convalescere non potest", Iav.D.50.17.201 und Cels.D.34.7.1 pr. (de regula Catoniana). 97 Das erkennt auch zutreffend Brinz IV, S. 444 Fn. 1; Liebs, S. 176, übersetzt ebenso, behauptet dann aber - in einer ganz neuen Auslegungsvariante -, der Satz richte sich .,gegen den Verjährungsgedanken bzw. seine Ausweitung". Inwiefern der Ausschluß einer Heilung durch Zeitablauf etwas mit .,Verjährung" zu tun haben soll, ist unerklärlich. Was soll (nicht) verjähren? Ansprüche aus einem ohnehin unwirksamen Rechtsgeschäft? Meint Liebs, wie seiner Aufzählung der §§ 121, 124, 1954, 2082, 2083 BGB entnommen werden könnte, den Ausschluß (.,Verjährung") der Möglichkeit zur Anfechtung des Rechtsgeschäfts? Aber Pau/us sagt gar nicht, daß es sich um ein vernichtbares Geschäft handele, im Gegenteil, er nennt es .,initio vitiosum"! -Im übrigen hatte Paulus den Satz auf das Vormundschaftsrecht bezogen (s.o. Fn. 96); erst Justinion hat ihn in das 50. Buch der Digesten unter den Titel .. De diversis regulis iuris antiqui" übernommen. Man wird sich also davor hüten müssen, die Bedeutung der Parömie allzu stark zu verallgemeinern. 98 Der Satz stammt wohl aus dem römischen Vormundschaftsrecht (s.o. Fn. 96). Ob er allerdings vom Wegfall des Nichtigkeitsgrundes spricht, ist zweifelhaft. Denn Lenell, Sp. 1276 Fn. 5 setzt ihn in Bezug zu Gai D.26.8.9.5. Dort aber geht es um den Geschäftsabschluß durch einen Minderjährigen, bei dem der Vormund nicht anwesend war. Der Vormund soll das Geschäft auch nicht nachträglich billigen (genehmigen) können. - Läßt man aber den von Lenel selbst mit Fragezeichen versehenen Hinweis auf Gai D.26.8.9.5 außer Betracht, so könnte die

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lieh angewandt. Savigny99 sieht ihn noch als Ausschlußgrund für die "Convalescenz" des Rechtsgeschäfts, demgegenüber er manche Ausnahme zuläßt 100• Zu beachten ist dabei, daß die Heilung des ursprünglichen, nichtigen Rechtsgeschäfts gemeint ist, das dann in Konsequenz auch juristisch Bestand haben mußte, um geheilt werden zu können. Ähnlich wie Savigny legen die Parömie denn auch diejenigen aus, die nicht - oder nicht ausdrücklich - eine Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts annehmen 101 , wobei jedoch ein vorheriger Wegfall des Nichtigkeitsgrundes als Voraussetzung für eine wirksame ratihabitio nicht immer scharf erkannt wird 102 , sondern der Sinn des Satzes in den "bedenklichen Ergebnissen 103 gesehen wird, zu denen sein Fehlen führen würde, also in der Rechtsunsicherheit Die Regel soll aber nur die Heilung durch Wegfall des Nichtigkeitsgrundes, nicht die ratihabitio ausschließen. Diejenigen jedoch, die von der begrifflichen Nichtexistenz des Rechtsgeschäfts ausgehen, haben keine Veranlassung, zur Begründung der Wirkungslosigkeit einer Ratihabition auf die genannte Parömie des römischen Rechts zurückzugreifen. Denn etwas nicht Vorhandenes kann nicht bestätigt werden. Daher ist für sie auch jeder Gedanke an einen Wegfall des Nichtigkeitsgrundes vor Bestätigung überflüssig. Denn das nicht vorhandene, nichtige Rechtsgeschäft kann nur neu vorgenommen werden, sollen die mit dem ursprünglichen Geschäft beabsichtigten Rechtsfolgen jetzt doch eintreten. Immerhin ist es auch für eine Neuvornahme von Bedeutung, daß der Nichtigkeitsgrund zuvor weggefallen ist 104 bzw. bei der Neuvornahme nunmehr vermieden wird 105 • Parömie durchaus den Zeitablauf bis zur vollen Geschäftsfähigkeit des Mündels betreffen. Zum Schutz des Mündels sollte sein Geschäftsfähigwerden (also dieser Zeitablauf allein) nicht zur Wirksamkeit des nichtigen Geschäfts führen. Es bedurfte zusätzlich einer freiwilligen Erklärung des Mündels. Insofern könnte also in dem Paulus-Satz generell derUrsprungfür das wichtige Erfordernis des Wegfalls des Nichtigkeitsgrundes zu sehen sein. 99 System, S. 555 (Fn. rn) ff. 100 D iese Ausnahmen werden gleichwohl nie der ratihabitio zugeordnet, s.o. S. 68 Fn. 17. 101 Z.B. Dernburg, Pandekten, S. 285; ders., System, S. 216 (Fn. l);Regelsberger, Pandekten, S. 639 (Fn. 1); Thibaut, S. 65; Windscheid, Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 202 Fn. 2 und Windscheid/Kipp, S. 437 f. 102 Immerhin spricht Thibaut, S. 65, davon, daß zur Gültigkeit noch "neue Handlungen hinzukommen" (!) müßten, un9 Dernburg, Pandekten, S. 285, nimmt Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts nach Genehmigung an, "wenn sie ... unter Umständen erfolgt, unter denen sie (sei!.: die Beteiligten) das Geschäft gültig schließen könnten". Auch Girtanner, der die ratihabitio fremder Geschäftsführung nur zur Behebung von Willensmängeln anerkennt, fordert, daß zuvor der Fehler aufhöre zu existieren (S. 35). Vangerow hingegen geht ausdrücklich vorn Wegfall des Nichtigkeitsgrundes vor ratihabitio aus (S. 130). Windscheid ist der Ansicht, es verstehe "sich von selbst, daß die Bestätigung, um wirksam zu sein, nicht ihrerseits an einem Ungültigkeitsgrunde, und namentlich nicht an demselben Fehler leiden darf, welcher der bestätigten Willenserklärung anklebt" (Wortgleich in Windscheid, Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 204 und in Windscheidl Kipp. S. 440). 103 Regelsberger, Pandekten, S. 639 (Fn. 1). 104 Arndts, S. 129; Seuffert, S. 134; Puchta, Vorlesungen, S. 119; Wächter, S. 430. 105 Seuffert, S. 135 (zum Formmange1).

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Doch nicht in diesem Sinne wird die Rechtsregel verstanden, sondern sie wird in die Argumentation dieser Autoren gegen die ratihabitio des nichtigen Geschäfts überhaupt eingebaue06 • So schließt die Regel bei Baron 107 unter dem Oberbegriff der Convalescenz auch die Bestätigung aus. Brinz1f18 sieht in ihr ebenfalls den Ausschluß der Heilung, wobei er später doch wieder eine "Ratihabition (nachträglichen Consens)" in bestimmten Fällen (auch der Nichtigkeit!) zuläßt, wodurch das Geschäft "gekräftiget" werde, obwohl er doch von der Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts ausgegangen war 109• Einige Autoren, die davon ausgehen, daß das nichtige Rechtsgeschäft nicht existiere, verwenden den Satz des Paulus auf ganz eigentümliche Weise: Er schließe, so behaupten sie, die rückwirkende Kraft der Bestätigung und damit die Bestätigung überhaupt aus 110• Sintenis endlich, dessen Auffassung von Nichtigkeit nicht klar wird 111 , folgert aus der Regel, daß jede spätere Handlung als "ganz neue von gleicher Art" wie die nichtige vorgenommen werde und läßt nur wenige Ausnahmen zu 112 • Auch die Genehmigung (von Bestätigung ist hier nicht die Rede) führe nur zu einer "neuen, anderen Handlung" und mache nicht das nichtige Rechtsgeschäft wirksam. Die Parömie wird also, soweit ersichtlich, von keinem Autor in ihrem Wortsinn angewandt 113 • Vielmehr ist sie einmal Beleg für die Unmöglichkeit einer Heilung ("Convalescenz") des nichtige Rechtsgeschäfts durch späteren Wegfall des Nichtigkeitsgrundes, ein anderes Mal gar ein Argument gegen die Ratihabition des nichtigen Rechtsgeschäfts und für die Erforderlichkeit einer Neuvomahme, was ihrem Wortlaut überhaupt nicht zu entnehmen ist 114 • Convalescenz und Ratihabition werden undifferenziert neben- und durcheinander gebraucht 115 • 106 Baron, S. 122; Brinz IV, S. 444; Lütteken, S. 18; Seuffert, S. 121 f.; Sigerist, S. 89 f.; Wächter, S. 126. 107 Baron, S. 122. 108 S. 444, 447. 109 S. 397 und o. S. 73 Fn. 48. 110 Lütteken, S. 18; Seuffert, S. 121 f. 111 s.o. S. 72 Fn. 43. 112 Civilrecht, 3. Aufl, S. 216 f. Fn. 19. 113 Selbst Brinz, der den Wortlaut immerhin herausstellt, tut das nicht (s.o. S. 78 Fn. 97 und soeben im Text). 114 Ein Hinweis auf sein Unbehagen bei der extensiven- und neben der Prämisse der Nichtexistenz des nichtigen Geschäfts überflüssigen - Deutung der Rechtsregel findet sich bei Sigerist, S. 89 f., wenn er schreibt: ,.Dieser aus der Natur der Sache sich ergebende Satz (scil.: keine Ratihabition nichtiger und damit nichtexistenter Rechtsgeschäfte) ist auch in den Quellen zum unzweifelhaften Ausdruck gebracht. Wenn auch auf Aussprüche wie (folgt Parömie) nicht viel Gewicht gelegt werden will, so ergibt sich der Satz unzweifelhaft aus einer Reihe anderer Entscheidungen . .." 115 Vgl. nur Bekker, S. 228; Brinz IV, S. 447 f.; Dernburg, Pandekten, S. 285; ders., System, S. 216: Dort wird die ,.Genehmigung" als Unterfall der ,.Konvalescenz" behandelt; Lütteken, S. 42: ,.Konvalescenz durch Bestätigung ..."; Wächter, S. 428, wo die ratihabitio eine neben der ,.Konvalescenz" (S. 426 f.) eigenständige Kategorie bildet.

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d) Der Streit um die Rückwirkung der Ratihabition

Die Interpretation des römischrechtlichen Satzes als Ausschluß einer ratihabitio mit rückwirkender Kraft führt zu einem dritten, markanten Punkt in der Diskussion um dieses Rechtsinstitut: Die Frage nämlich, ob die Ratihabition überhaupt Rückwirkung habe. Hier nun schlugen die Wogen bis zum Inkrafttreten des BGB hoch; denn: "Diese rückwirkende Kraft ist das eigenthümliche Merkmal der . . . ratihabitio ..." 116 Dabei scheint der jeweils eingenommene Standpunkt unabhängig von der bezüglich der Frage der Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts vertretenen Auffasssung zu sein. Wer der Ansicht ist, das nichtige Rechtsgeschäft seijuristisch nicht vorhanden, kann in Konsequenz nicht zu einer Rückwirkung der- ohnehin undenkbaren - Ratihabition kommen. Dennoch vertritt Brinz 117 diesen Standpunkt, während aus dem "gegnerischen" Lager Regelsberger 118 die Rückwirkung ablehnt. Im übrigen aber sind die Mehrheitsverhältnisse deutlich: Die überwiegende Anzahl der Autoren lehnt eine Rückwirkung der Ratihabition im Falle der Bestätigung eines nichtigen Geschäfts 119 ab 120, nur wenige sprechen sich dafür aus 121 , und manche schließlich äußern sich nur undeutlich 122• Grund für die mehrheitliche Ablehnung der rückwirkenden Kraft einer Bestätigung ist - natürlich - die Nichtexistenz des nichtigen Rechtsgeschäfts. Jhering schreibt: "Darum kann hier auch von keiner rück116 Sintenis, Civilrecht, S. !56 Fn. 41; vgl. auch die Definition der ratihabitio vonBeckhaus (S. 6), der sie als ,.nachfolgende billigende Willensäußerung" bezeichnet, ,.wodurch einfaktisch existent gewordenes Rechtsgeschäft hinterher vom Augenblicke seines Abschlusses an rechtlich existent und so wirksam wird, als ob es schon damals rechtliche Wirkung gehabt hätte." 117 Mit der Behauptung, in den Fällen möglicher Ratihabition handele es sich um ,.schwebende" Rechtsgeschäfte, S. 447. 118 In Konsequenz seiner Ansicht, das nichtige- aber wohl existente- Rechtsgeschäft könne durch die Bestätigung ,.nicht ins Leben gerufen werden" (S. 639, 640 und o. S. 72). 119 Da in Genehmigungsfai.len keine Nichtigkeit angenommen wurde (s.u. S. 83), war dort eine Rückwirkung zugelassen. 120 Das beginnt schon 1848 mit Girtanner, S. 39, und wird weiterhin vertreten von Arndts, S. 129; Baron, S. 122; Jhering, JherJahrb I, S. 296 f.; Lütteken, S. 51, der allerdingsAusnahmen (nämlich die Belege der Gegenansicht) anerkennt; Puchta, Pandekten, S. 79 Fn. c; ders., Vorlesungen, S. 119 f.; Regelsberger, Pandekten, S. 640; Seuffert, S. 121 ff., 130 f.; Sigerist, S. 89 f.; Vangerow, S. 130; Wächter, S. 428, 430; Zimmermann, S. 214 Fn. 282. 121 Ein frühes Zeugnis findet sich bei Thibaut, S. 149; andere Vertreter sind: Dernburg, Pandekten, S. 285 (Ausnahrile: Nichtigkeit wegen Verbotsgesetzes oder Formmangels); ders., System, S. 216; Sintenis, Civilrecht, 3. Aufl., S. 156 mit Fn. 41; Windscheid, Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 205 Fn. 10, und identisch Windscheid/Kipp, S. 438, 441 Fn. 10. 122 So Bekker, S. 228, der zwar die einzelnen Ratihabitionstypen nicht exakt unterscheidet, aber einmal von den ,.nicht unkritischen" Äußerungen Seufferts und Zimmermanns (die sich ja gegen die Rückwirkung erklärt hatten) spricht, ein anderes Mal behauptet, die ,.Konvaleszenz" entstehe durch den ,.späteren Akt der Ratihabition", und "diejenigen Rfolgen des früheren Geschäfts, die jetzt nicht mehr ins Leben gerufen werden können, die bleiben einfach aus." Auch Brinz IV, S. 447, zählt hierher, wenn er ausfUhrt: "... denn die Ratihabition . . . wirkt zurück, läßt also das Geschäft insolange als Ratihabition möglich ist, vielmehr als ein schwebendes denn als ein nichtiges erscheinen." Die zurückwirkende Ratihabition schließt also den Nichtigkeitscharakter des Geschäfts aus, obwohl ihre Rückwirkung umstritten ist und Brinz von der Nichtexistenz des nichtigen Geschäfts ausgeht (S. 397).

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wirkenden Kraft die Rede sein; sie würde den logischen Widerspruch involviren, daß das Geschäft bereits zu einer Zeit existirt hätte, wo der Thatbestand desselben noch nicht völlig vorlag." 123 Seuffert spricht vom "ziemlich allgemein anerkannten Satz von der begrifflichen Unmöglichkeit der Beseitigung nichtiger Geschäfte." 124 Wie konnte es dennoch zu einem vehement geführten Streit um diesen angeblich allgemein anerkannten Satz kommen? Die Gegenansicht stützt sich auf zwei Konstitutionen Justinians, nämlich Iust.C.4.28.7 pr. (530) und Iust.C.5.16.25 (528). In Iust.C.5.16.25 (528) geht es um die Wirksamkeit von grundsätzlich verbotenen Ehegattenschenkungen in bestimmten Fällen. Dabei wird zwischen Fällen von Wirksamkeit ex nunc und ex tune differenziert, und es heißt dann bezüglich letzterer am Ende der Stelle: " . .. sicut et alias ratihabitiones negotiorum ad illa reduci tempora oportet, in quibus contracta sunt. Nec in ceterum subtilem divisionem facti vel iuris introduci passe"("... so wird man auch andere Ratihabitionen von Geschäften auf diejenigen Zeitpunkte zurückbeziehen müssen, in denen sie vereinbart worden sind. Und im übrigen kann eine feinere Unterscheidung hinsichtlich der Tatsachen oder der Rechtslage nicht getroffen werden"). In Iust.C.4.28.7 pr. (530) geht es um die Genehmigung von Rechtsgeschäften des Haussohnes durch den Vater, und die Stelle endet mit: "... cum nostra novella lege et generaliter omnis ratihabitio prorsus trahitur et confrrmat ea ab initio quae subsecuta sunt" (" ... weil durch unser neues Gesetz 125 allgemeinjede Ratihabition zurückbezogen wird und das von Anbeginn an bekräftigt, was ihr gefolgt ist"). Der Streit entbrannte hauptsächlich um die Frage, welche Allgemeingültigkeit diese beiden Stellen für die Ratihabition haben können. Die Verfechter einer grundsätzlichen Rückwirkung der ratihabitio dehnten ihre Bedeutung auf alle Fälle von Ratihabition, also auch auf die Bestätigung, aus. Herausragender und bis zum Inkrafttreten des BGB vom Gegenteil nicht zu überzeugender Vertreter dieser Ansicht war Windscheid, der gleichwohl eingestand 126, daß "die Rechtskonsequenz" eine Rückwirkung der Bestätigung eigentlich nicht zulasse, "aber die Rechtskonsequenz wird ... überwunden durch die ausdrückliche Vorschrift der . .. (folgen die zitierten Stellen)" 127• Allerdings relativierte er seinen Standpunkt sogleich wieder. Denn einmal könnten durch die rückwirkende Kraft der Bestätigung zwischenzeitlich entstandene Rechte Dritter nicht beseitigt werden. JherJahrb I, S. 296 f. s. 122. 125 Darunter wird allgemein C.5.16.25 verstanden. Näheres zu diesen beiden Stellen s.u. S. 153 ff. 126 Daß hiermit seine Ansicht über die Bedeutung der Nichtigkeit vollends undeutlich wird, wurde schon o. S. 71 gezeigt. 127 Windscheid Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 205 Fn. 10, und Windscheidl Kipp. S. 441 Fn. 10. 123

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Zum anderen sei zu differenzieren zwischen Fällen der Nichtigkeit wegen Formmangels oder im Interesse der öffentlichen Ordnung und anderen Nichtigkeitsgründen 128 • In den beiden erstgenannten Fällen sei aufgrund der zitierten Codexstellen eine Rückwirkung ausgeschlossen. Der Kampf um die Rückwirkung der Ratihabition wurde mit dem denkbar größten Scharfsinn geführt, und jede Seite glaubte, aus den genannten Stellen durch subtile Auslegung das ihr genehme Resultat herauslesen zu können. Auch fallt die Konzentration der Auseinandersetzung auf die Fälle der Ratihabition eigener, nichtiger Rechtsgeschäfte auf. Für die anderen Fallgruppen (Genehmigungsfälle) war die Rückwirkung der ratihabitio weit weniger umstritten 129• Der Grund dafür wird darin liegen, daß in lust.C.5.16.25 (528) gerade von einer ratihabitio des eigenen nichtigen Geschäfts die Rede ist und ausgerechnet in dieser angeblich einzigen Stelle, in der die ratihabitio im Sinne von Bestätigung verwendet wird 130, eine Rückwirkung angeordnet ist; im übrigen werden nicht die Genehmigungsfälle, sondern nahezu ausschließlich die Bestätigungsfälle im Zusammenhang mit der Nichtigkeit erörtert 131 • Was genehmigungsfähig ist, ist nicht nichtig. Was nichtig ist, kann nicht bestätigt werden. Eine angesichts der undifferenziert verwendeten Begriffe für Unwirksamkeit im römischen Recht sehr zweifelhafte Einteilung. Immerhin gelangt ein kleiner Teil derjenigen Autoren, die die rückwirkende Kraft der ratihabitio verneinen, zu einer ganz dem heutigen § 141 Abs. 2 entsprechenden, obligatorischen Rückwirkung 132• Hier soll nun nicht noch näher auf den Streit eingegangen werden 133 • Es gilt lediglich festzuhalten, von welchen Fragen diejenigen Autoren bewegt waren, die sich mit der Ratihabition der Rechtsgeschäfte befaßten. Denn ihre Differenzen und Übereinstimmungen bildeten die wissenschaftliche Grundlage, auf der das BGB aufbaut. 2. Die Behandlung der Bestätigung in der Rechtsprechung Nach Darstellung der Streitfragen um die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte in der Lehre sei nun ein Blick auf die Behandlung des Instituts in derzeitgenössischen Rechtsprechung geworfen. 128 Windscheid, Pandektenrecht, 3. Aufl., S. 205, und Windscheidl Kipp, S. 442. Diese Differenzierung findet sich auch bei Dernburg, Pandekten, S. 285 f. und System, S. 216. 129 Vgl. z.B. Seujfert, S. 69 ff., 105. 130 Das behauptet Sintenis, Civilrecht, 3. Aufl., S. 156 Fn. 41; es wird im folgenden 3. Kapitel auf seine Richtigkeit zu überprüfen sein. V gl. auch die aufschlußreicheUnterteilungbei Puchta, Pandekten, S. 79 Fn. c (beginnt S. 78). 131 Dernburg, Pandekten, S. 285; ders., System, S. 216; Puchta, Pandekten, S. 79 Fn. c (beginnt S. 78); Seuffert, S. 117, 120; Vangerow, S. 129 f. Anm. 1-3; Wächter, S. 429 f.; Windscheid/ Kipp, S. 440, 441 Fn. 10. 132 Rege/sberger, Pandekten, S. 640; Seuffert, S. 136. 133 Eine eingehende Untersuchung der genannten Stellen folgt im 3. Kapitel, S. 153 ff.

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Es wurden neun Urteile ausgewertet 134• Zwei Urteile 135 äußern sich nicht zu Bestätigung und Neuvornahme, und die Fallgestaltung legt dies auch nicht zwingend nahe. Sie wurden daher zwar aufgrundmehrfacher Nennung im Zusammenhang mit Bestätigung hier aufgenommen, jedoch in Kategorie 7: Keine Äußerung des Gerichts zur Neuvornahme, eingeordnet 136• Fast alle 137 übrigen Urteile jedoch unterscheiden sich, wie bereits oben 138 angemerkt, von den anderen im 1. Kapitel genannten Entscheidungen so stark, daß es erforderlich erschien, für sie die Kategorie 8: Zur Bestätigung ist keine Neuvornahme erforderlich, einzurichten 139• Ein für diese Gruppe typisches Urteil des Reichsgerichts wurde bereits dargestelle40. Es zeigt die Schwierigkeiten, die durch die Annahme, ein nichtiges Rechtsgeschäft sei juristisch nicht vorhanden, entstanden waren. Denn dem Willen der Parteien, am nichtigen Rechtsgeschäft nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes festzuhalten, mußte man nun eine Neuvornahme des Geschäfts unterstellen. Eine Rettung aus dem Dilemma von juristischer Prämisse und Lebenswirklichkeit konnten nur die Vertreter der Ansicht bieten, die, in Durchbrechung der "Rechtskonsequenz" 141 , von einer rückwirkenden Kraft der ratihabitio ausging. Dann konnte, entgegen aller "Logik", das nichtige Rechtsgeschäft nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes durch die Bestätigung doch wieder zum Leben erweckt werden. Mit dieser Problematik setzt sich auch eine der beiden instanzgerichtlichen Entscheidungen in dieser Kategorie auseinander 142• Dort geht es um die Bestätigung eines mit einem unerkannt Geisteskranken notariell geschlossenen Grundstückskaufvertrages durch dessen Erben. Das Gericht stellt zunächst den Meinungsstreit um die Rückwirkung der Ratihabition dar, um dann unter Berufung auf die oben zitierten Codexstellen zu dem Ergebnis zu gelangen: "Nach diesen Gesetzesstellen hat die Ratihabition retroactive Wirkung und erheischt keine neue Schließung des Rechtsgeschäfts." Eine weitere Frage ist dann die Vererblichkeit des Rechts zur Ratihabition, die das Gericht positiv beantwortet 143 • 134 Dabei handelt es sich um: RGZ 3, 254 ff. (1880); 331 ff. (1880); 11, 324 ff. (1884); RG SeuffArch 42 Nr. 97 (1886); RGZ 27, 269 ff. (1891); 161 ff. (1891); OAG Berlin, SeuffArch 29 Nr. 108 (1873); OLG Braunschweig, SeuffArch 39 Nr. 288 (1884); BayObiG, SeuffArch 45 Nr. 238 (1890). 135 RG SeuffArch 42 Nr. 97; RGZ 27, 269 ff. (zu diesem Urteil ausfuhrlieh o. S. 44). 136 Zum Inhalt dieser Kategorie s.o. S. 58 f. 137 Nur RGZ 3, 254 ff. konnte bereits in Kategorie 1: Bestätigung durch Neuvornahme, eingeordnet werden. 138 s.o. S. 59 f. 139 Die Entscheidungen, um die es dabei geht, sind o. S. 59 Fn. 311 und 312 genannt. 140 RGZ 27, 161 ff. (1891), s.o. S. 59 f .. 141 So Windscheid/Kipp, s.o. S. 71, 82. 142 BayObiG, SeuffArch 45 Nr. 238 (1890). 143 Unter Berufung auf Pomp.D.46.8.18, wo allerdings von einem- nach heutiger Terminologie - Genehmigungsfall die Rede ist.

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Ohne Auseinandersetzung mit dem Problem der Rückwirkung gelangt das zweite Instanzgericht dieser Kategorie 144 dennoch sinngemäß zum gleichen Ergebnis. Es war die Frage zu beantworten, ob ein von einer unter väterlicher Gewalt stehenden Tochter formell ordnungsgemäß abgeschlossener, materiell mangels Verfügungsbefugnis jedoch "nichtiger" Vertrag von der Tochter, nachdem sie gewaltfrei und damit verfügungsbefugt geworden war, "genehmigt" werden konnte. Die Verwendung des Begriffs "genehmigen" dokumentiert, daß sich zum Zeitpunkt der Entscheidung, 1873, die exakte Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten der ratihabitio noch nicht überall durchgesetzt hatte 145• Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, daß nach Erlangung der Verfügungsbefugnis zu dem formell bereits vorliegenden Vertrag zwecks seiner Wirksamkeit nur die Erklärung des Willens hinzutreten mußte, "den Vertrag aufrecht erhalten" zu wollen, und es deshalb "eines erneuerten formellen Abschlusses desselben" nicht bedurfte. In diesem frühen Zeugnis aus der Rechtsprechung wird klar die Konsequenz aus dem Bestätigungswillen der Parteien gezogen: Ist der Vertrag formwirksam geschlossen, leidet das Rechtsgeschäft jedoch an einem anderen Nichtigkeitsgrund, so bedarf es nach Wegfall desselben eben nicht einer erneuten, wiederum formbedürftigen Vornahme des Vertrages, sondern es genügt der zum Ausdruck kommende Wille der Parteien, am nichtigen Rechtsgeschäft nunmehr festzuhalten, es als gültig zu behandeln. Darin kommt gleichzeitig die Ansicht des Gerichts zum Ausdruck, die Ratihabition habe rückwirkende Kraft. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch sowohl zur damals vorherrschenden Ansicht in der Literatur, für die eine Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts denknotwendig immer eine erneute Vornahme erforderte, wie auch zur heute überwiegenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung, die aus der in§ 141 Abs. 1 geforderten "Beurteilung" der Bestätigung als erneute Vornahme auch deren tatbestandliehe Erforderlichkeit folgert. Die letztgenannte Entscheidung soll aber auch Anknüpfungspunkt sein für eine kurze Betrachtung von Unklarheiten in der Rechtsprechung. Abgesehen von der Frage, ob das von einem unter väterlicher Gewalt stehenden Kind geschlossene Rechtsgeschäft nach heutiger Terminologie tatsächlich "nichtig" und nicht nur "schwebend unwirksam" ist, hat sich nämlich das Reichsgericht in einer nur wenig später (1880) ergangenen Entscheidung 146 unter Berufung aufl.5 §§ 37, 38 ALR für eine gegenteilige Wirkung der Bestätigung, nämlich im Sinne der Kategorie 1: Bestätigung durch Neuvornahme, entschieden. Die genannten Vorschriften normierten für die als "Anerkenntniß" bezeichnete Bestätigung: "§ 37. Ein Vertrag, welcher wegen der Unfähigkeit des einen Teils unverbindOAG Ber1in, SeuffArch 29 Nr. 108 (1873). Die Ungenauigkeit gerade für Fälle der vorliegenden Art setzt sich auch im BGB fort, vgl. § 108 Abs. 3 (dazu bereits o. S. 17 f.). 146 RGZ 3, 254 ff. (1880). 144

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lieh 147 ist, erlangt durch ein nach gehobner Unfähigkeit erfolgendes Anerkenntniß nur in so fern verbindliche Kraft, als dies Anerkenntniß selbst für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden kann. § 38. Ein solcher neuer Vertrag erstreckt sich nur alsdann auf den Anfang des Geschäftes zurück, wenn dieses zugleich ausdrücklich verabredet worden." Das Gericht will die Vorschriften nicht nur auf "willensunfähige", sondern auch auf "in ihrer Handlungsfähigkeit nur eingeschränkte" Personen anwenden und spricht daher einem bloß konkludenten Anerkenntnis eines inzwischen gewaltfrei und damit verfügungsbefugt Gewordenen die Wirksamkeit ab. Eine Rückwirkung müsse ausdrücklich vereinbart werden. Da das Anerkenntnis einen neuen rechtsgültigen Vertrag darstellen solle, müsse das Rechtsgeschäft nochmals wiederholt oder darauf Bezug genommen werden. Im Ergebnis entspricht dieses Urteil im wesentlichen der zeitgenössischen, vorherrschenden Ansicht in der Literatur. Die Begründung ist jedoch unterschiedlich. Während die Literatur glaubt, sie aus dem römischen Recht herleiten zu müssen, kann sich das Reichsgericht auf Bestimmungen des ALR stützen 148 • Im Jahre 1875 trat dann das preußische "Gesetz betreffend die Geschäftsfahigkeit Minderjähriger ... " 149 in Kraft. Zwar haben die Rechtswirkungen von Verträgen Minderjähriger und von denjenigen, die unter väterlicher Gewalt stehen, nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun. Doch soll in beiden Fällen ein solches Rechtsgeschäft "ungültig" sein, soll der inzwischen Volljährige bzw. Gewaltfreie es "anerkennen" können. Zu diesem Anerkenntnis im Sinne des neuen Gesetzes sagt das Reichsgericht 150, nun wieder unter Kategorie 8: Zur Bestätigung ist keine Neuvornahme erforderlich, einzuordnen: "Hierin ist nicht, wie in dem landrechtliehen § 37, ein die Elemente eines neuen Vertrages enthaltendes qualifiziertes Anerkenntnis des wegen Minderjährigkeit des einen Kontrahenten unwirksamen Vertrages erfordert, sondern zur Behebung dieses Mangels ein an keine Form gebundenes Anerkenntnis jenes Kontrahenten nach erlangter Großjährigkeit, woraus seine Kenntnis vom Inhalte desselben und seine Absicht und sein Wille, im eigenen Interesse dabei stehen zu bleiben, zweifellos erhellt, für genügend erklärt, wodurch .. . dasselbe (scil.: Rechtsgeschäft) vom Abschlusse an (!) rechtsverbindlich wird." Dem Bestätigungswillen des Volljährigen wird also Rechnung getragen, der gewaltfrei Gewordene

147 Dagegen heißt es in 1.5 § 192 ALR: "In wie fern ein wegen persönlicher Unfahigkeit eines Contrahenten ungültiger(!) Vertrag durch desselben nachheriges Anerkenntniß zur Gültigkeit gelange, ist in § 37.38 festgesetzt." Von "ungültig(!) gemachten Schulden" des unter väterlicher Gewalt stehenden Kindes, die "gültig werden, wenn sich der Schuldner nach aufgehobener väterlicher Gewalt zu deren Bezahlung verpflichtet", sprechen auch die 11.2 §§ 136, 137 ALR. 148 Zur näheren Betrachtung der zeitgenössischen Kodifikationen und Kodifikationsversuche s.u. S. 87 ff. 149 Vollständig: "Gesetz betreffend die Geschäftsfahigkeit Minderjähriger und die Aufhebung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Minderjährigkeit" vom 12.7.1875, in: Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1875, S. 518 f.

Il. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen

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muß das Rechtsgeschäft erneut vornehmen. Diese Rechtslage ist angesichts der vergleichbaren Fallgestaltungen widersprüchlich. Damit aber nicht genug der Unklarheiten. Denn eine letzte hier zu nennende Entscheidung 151 läßt die in der Literatur so heftig umstrittene Frage, ob das nichtige Rechtsgeschäft "convalesciren" könne, offen und erweckt den Eindruck, vor der Unlösbarkeit des Problems zu kapitulieren, wenn bestätigendes Parteiverhalten nicht als solches geprüft und bezeichnet, sondern darin lediglich eine die Geltendmachung der Nichtigkeit ausschließende "Dispositivhandlung" gesehen wird, "und daß in Folge dessen unter Umständen wenigstens mittelbar(?) das nichtige Geschäft aufrecht erhalten wird" 152 • Auch in der Rechtsprechung spiegelt sich somit der um die ratihabitio auf verschiedenen Ebenen geführte Streit wider. Im Gegensatz zur Literatur wird aber nicht mehrheitlich eine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts für erforderlich gehalten, sondern eine Bestätigung mit rückwirkender Kraft anerkannt. Die Bestätigung wird also in Wissenschaft und Praxis uneinheitlich behandelt. Vor diese schwierige Situation sah sich der BGB-Gesetzgeber gegen Ende des 19. Jahrhunderts gestellt. Doch nicht nur das BGB fußt auf dem Boden eines vielschichtigen Meinungsstreits, sondern auch andere, vorangegangene Kodifikationen, auf die sich wiederum das BG B stützt. Inwiefern diese hier Lösungen bieten konnten oder nur Fortsetzung der Differenzen auflegislatorischer Ebene waren, wird im folgenden Abschnitt untersucht.

II. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen In diesem Abschnitt soll untersucht werden, ob die Diskussion um den Begriff "Bestätigung" (ratihabitio) auch einen Niederschlag in zeitgenössischen Kaditikationen gefunden hat. Herangezogen wurden hierfür das preußische ALR von 1794, der französische Code civil von 1804, der Bayerische Entwurf von 186111864, das Sächsische BGB von 1863/1865 und der Dresdener Entwurfaus dem Jahre 1866. Diese Kodifikationen 153 verdienen deshalb besonderes Interesse, weil sie im Vorschlag des Redaktors Gebhard für die "Erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs" von 1875 154, in der Redaktionsvorlage (Teilentwurf) dieser 1. Kommission 155 und 150 RGZ ll, 324; s. auch RGZ 3, 331 ff. (Kategorie 8: Zur Bestätigung ist keine Neuvornahme erforderlich). 151 OLG Braunschweig, SeuffArch 39 Nr. 288 (s. dazu bereits o.S. 59 Fn. 312). 152 OLG Braunschweig, SeuffArch 39 Nr. 288. 153 Mit diesem gemeinsamen Begriff werden die genannten Gesetze und auch die im Versuchsstadium stehengebliebenen bloßen Entwürfe der Einfachheit halber im folgenden bezeichnet. 154 Jakobs/ S chubert, AT, S. 744.

2. Kap.: Entstehungsgeschichte von § 141 im 19. Jhrdt.

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schließlich auch in den "Motiven" zum Entwurf des BGB 156 als Begründung für die dort getroffenen Regelungen zur Bestätigung erscheinen 157• Dabei ist ihre undifferenzierte Aufzählung aus historischer Sicht durchaus nicht unproblematisch.

1. Überblick Das ALR 158 ist das Produkt und der Abschluß 159 der vom Geist der Aufklärung geprägten Epoche 160 des aus der Naturrechtslehre entstandenen 161 Vernunftrechts162. In ihm kam der gesetzgebefische Anspruch des aufgeklärten Absolutismus auf "obrigkeitsstaatliche Aufklärung" 163 zum Ausdruck, verbunden mit Mißtrauen gegenüber der Jurisprudenz als Wissenschaft. Der Gesetzgeber glaubte, alle Fallgestaltungen bis ins Detail regelungstechnisch einer bestimmten, ständisch geprägten Ordnung unterwerfen zu können. Daher enthält das ALR "Staats-, Stände-, Lehn-, Kirchen-, Straf- und Privatrecht" 164 in etwa 19.000 Paragraphen. Vernunftrechtlichen Ursprungs ist auch der Code civil, wenngleich hier kein aufgeklärter Absolutismus, sondern die in der Französischen Revolution erworbene Volkssouveränität prägend gewirkt hae65 . Die drei übrigen, obengenannten Kodifikationen stammen dagegen aus einer Zeit mit ganz anderen Vorbedingungen. Sie sind die Frucht der pandektistischen Rechtswissenschaft, die aus der "historischen Rechtsschule" hervorgegangen war, und des politischen Zeitgeistes, der gegen die schwindende Tendenz zu Rechtspartikularismus im Deutschen Bund und im frühen Bismarckreich 166 nach nationalen Kodifikationen strebte. Die mit dem Begriff "historische Schubert, S. 212, 214 (gedruckt zwischen 1881 und 1885). Motive, S. 217 f. 157 Ihre Verwendung in den BGB-Materialien geht in dieser Zusammenstellung vermutlich auf Seujfert, S. 154 ff., zurück.- Andere, vom BGB-Gesetzgeber nicht herangezogene Kodifikationen, wie etwa das Österreichische ABGB von 1811 oder "hessische Entwürfe der 40er und 50er Jahre" ( Wieacker; S. 464), bleiben auch in dieser Arbeit außer Betracht. 158 Ein Werk der Juristen Carmer, Suarez und Klein, vgl. ALR, Einführung (von Hattenhauer), S. 15 f. 159 Wieacker, S. 334. 160 Sie dauerte von ca. 1600-1800 (Wieacker, S. 249), ihre wichtigsten juristischen Vertreter sind: Hugo Grotius (1583-1645), Samuel Pufendorf(l632-1694), Christian Thomasius (16551728), Christian Wo(ff ( 1679-1754). 161 Wieacker, S. 250 f. 162 Wieacker, S. 333. 163 Wieacker, S. 334. 164 Laufs, S. 127. 165 Wieacker, S. 339. 166 Wieacker, S. 443. 155

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II. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen

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Rechtsschule" bezeichnete und durch Savigny begründete Rechtsentwicklung baute ihr Begriffssystem in historischer Rückbesinnung auf dem römischen Recht auf und bildete mit diesem unterschiedlichen Verständnis der Bedeutung der Rechtsquellen den Gegensatz zum Naturrecht 167• Die historische Rechtsschule strebte, insbesondere durch den Einfluß von Savignys Schüler Puchta, nach einem geschlossenen System der Zivilrechtswissenschaft 168 und versuchte, dies anhand der "Pandekten" 169 des Kaisers Justinion aus dem Jahre 533/534 n. Chr. aufzubauen ("Pandektenwissenschaft"). Sie war vom rechtswissenschaftliehen Positivismus gekennzeichnet, der Rechtssätze ausschließlich aus System, Begriffen ("Begriffsjurisprudenz") und Lehrsätzen der Rechtswissenschaft ableitete, ohne außerjuristische-etwa soziale- Wertungen zuzulassen 170• In einem geschlossenen und lückenlosen System von Institutionen und Rechtssätzen war der Fall allein durch logische Subsumtion zu lösen 171 • Der Richter war an dieses wissenschaftliche Ideal gebunden, es hattejustizpolitische Funktion 172• Daß sich diese auf dem römischen Recht basierende Dogmatik in der Praxis nur noch auf einen unbedeutenden Teil der Länder Deutschlands bezog, deren Recht noch nicht kodifiZiert war 173, focht Savigny und seine Schule nicht an. Der Einfluß der gemeinrechtlichen Doktrin wuchs und vereinnahmte selbst Kodifikationen vernunftrechtlichen Ursprungs, wie ALR 174 und Code civil 175• Auch die fortschreitende Pandektisierung der folgenden Kodifikationen gab Savigny recht. Das ist insofern erstaunlich, als die Zielsetzung der Pandektistik, nämlich das geschlossene Rechtssystem, eine Kodifikation geradezu überflüssig' erscheinen ließ 176 • Koschaker, S. 281. Wieacker, S. 420. 169 Oder .. Digesten" (= aufbereitete Schriften klassischer römischer Juristen), ein Teil des aus vier Teilen bestehenden Corpus iuris civilis, das daneben noch "Institutionen" (Einführungslehrbuch für den Rechtsunterricht) und .,Codex" (Kaiserkonstitutionen) enthielt. Spätere Einzelgesetze Justinions sind heute in den .,Novellen" zusarnrnengefaßt (vgl. zu allemDulckeit/ Schwarz/ Wa/dstein, S. 277 fT.). 170 Wieacker, S. 431. Er stellt diesem rechtswissenschaftliehen Positivismus den Gesetzespositivismus und den allgerneinen wissenschaftlichen Positivismus gegenüber. 171 Wieacker, S. 433. 172 Wieacker, S. 439. 173 Koschaker, S. 267 f.; im übrigen war das Gerneine Recht nur noch subsidiäre Rechtsquelle. 174 Das zeigt sich besonders in Savignys romanistisch geprägten Vorlesungen über das ALR (vgl. Koschaker, S. 263 f. rn.w.N.); Demburg schreibt in der Vorrede zur 4. Aufl. des I. Bandes seines "Preußischen Privatrechts" (abgedr. in der 5. Aufl., Bd. 1, S. X): "Bei der Neubearbeitung dieses Bandes mußte ich häufig auf die allgerneinen grundlegenden Fragen zurückgehen; doch für deren volle Entwicklung und Begründung war hier kein Raum. Sie konnte nur in einer Darstellung der Pandekten geschehen . . . Die Pandekten bilden gleichsam eine Einleitung zu diesem Werke." 175 Vgl. nur die .,pandektistische" Bearbeitung des Code civil durch Zachariä I Crome und durch Crome, Allgerneiner Theil, wobei anzumerken ist, daß es im Code civil selbst keinen "Allgemeinen Teil" gibt! 176 Das kommt besonders im Streit von Thibaut (.,Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland", 1814, in: Hattenhauer, S. 61 ff.) und Savigny 167 168

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2. Kap.: Entstehungsgeschichte von § 141 im 19. Jhrdt.

Die Pandektistik war die alleingültige Rechtswissenschaft neben einer Vielzahl von Partikularrechten, zu denen auch das Gemeine (römische) Recht als subsidiäre Rechtsquelle zu zählen ist 177• Dennoch war das Streben nach nationaler Rechtseinheit durch die Gründung des Deutschen Bundes (1815-1866) gefördert worden, und man versuchte, dies in einheitlichen Kodifikationen, insbesondere seit dem Revolutionsjahr 1848 178 , zum Ausdruck zu bringen. Obwohl dem Bund als solchem die Kompetenz zur Zivilgesetzgebung abgesprochen wurde, schuf seine Tätigkeit doch ein Klima, in dem Rechtsvereinheitlichung durch parallele Gesetzgebungsakte der Länder erstrebt werden konnte 179• Die staatliche Rechtsetzung gewann die Oberhand über die wissenschaftliche Rechtsfortbildung, der rechtswissenschaftliche Positivismus wurde vom Gesetzespositivismus abgelöst 180• Die entscheidende gesetzgeberische Kraft war aber eine "streng wissenschaftlich gesonnene Ministerialbürokratie" 181 • Auch sie war beherrscht von den Zielen der pandektistischen Dogmatik, so daß diese wenigstens mittelbar ihren Einfluß 182 auf die neuen Kodifikationen geltend machen konnte 183 • In ihnen kam, im Gegensatz zum ALR, das den Adel zu einer wichtigen Zielgruppe erhoben hatte 184, der Einfluß der "bürgerlichen Unternehmerklasse" 185 stärker zum Tragen. Bei diesen Kodifikationen handelt es sich, neben den drei hier in Rede stehenden, um die Wechselordnung von 1848, das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861, das Aktiengesetz von 1870, das StGB von 1871 und viele andere 186, die allesamt die wirtschaftliche, soziale und rechtsstaatliche Entwicklung dieser Zeit zum Ausdruck bringen. Zu Dresdener Entwurf, Bayerischem Entwurf und Sächsischem BGB ist im einzelnen anzumerken: Der Dresdener Entwurf, die jüngste der drei Kodifikationen, bei der die beiden älteren ausgewertet wurden 187, war ein Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes 188• Er trat aufgrundder Auflösung des ("Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft", 1814, in: Hattenhauer, S. 95 ff.) zum Ausdruck, in dem Savigny die schließlich siegreiche Ansicht vertrat, daß die Herleitung des Rechts aus dem historischen Volksgeist seine Schaffung durch Gesetz ausschließe, es sich vielmehr zunächst aus Gewohnheit, dann aus Jurisprudenz entwickele (vgl. auch Laufs, s. 157 f.). 177 Laufs, S. 163. 178 Wieacker, S. 416. 179 Laufs, S. 167. 180 Wieacker, S. 459; Coing, S. 108. 181 Wieacker, S. 460. 182 Koschaker, S. 257, 258, spricht von "Professorenrecht". 183 Das gilt weit weniger für die Reichsjustizgesetze von 1877 (ZPO, GVG, KO), vgl. Wieacker, S. 467. 184 Laufs, S. 128. 185 Wieacker, S. 462. 186 Dazu Wieacker, S. 464 fi.; Laufs, S. 222 f. 187 Coing I Dölemeyer, S. 1481. 188 An der Kommission beteiligt waren Österreich, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Frankfurt (Coing/ Dölemeyer, S. 1563).

II. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen

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Deutschen Bundes im Jahre 1866 nicht in Kraft 189, hat aber als Regelungskonzept, das von der Pandektistik mittelbar, nämlich über als "Leitfaden" zugrunde gelegte Kodifikationen, wie Bayerischen Entwurf und Sächsisches BGB 190, stark beeinflußt war 19 \ entscheidend auf das Schuldrecht des BGB gewirkt 192• Dagegen handelt es sich beim Bayerischen Entwurf und dem Sächsischen BGB um dem Dresdener Entwurf vorangehende, privatrechtliche Kodifikationsvorhaben der deutschen Einzelstaaten, die parallel zur Bundesgesetzgebung fortgeführt wurden 193• Der Bayerische Entwurf, vom Pandektensystem beeinflußt 19\ ist im Hinblick auf die erwartete Bundesregelung nie in Kraft getreten. Demgegenüber erreichte Sachsen im Jahre 1865 noch das lokrafttreten des Sächsischen BGB. Es ist so stark von der Pandektenwissenschaft geprägt 195 , daß Koschaker der Ansicht ist, es sei "fast ein in Paragraphen umgegossenes Pandektenlehrbuch" 196• Wenn Wieacker es als "Generalprobe des kommenden deutschen Gesetzbuchs" 197 bezeichnet, so macht er damit deutlich, vor welchem rechtswissenschaftliehen Hintergrund das BGB zu sehen ist. Der Einfluß dieser Doktrin auf§ 141 wird sich im Fortgang der Untersuchung auch immer deutlicher zeigen. Für die Betrachtung der fünf genannten Kodifikationen bedeutet dies, daß neben den unterschiedlichen historischen und rechtspolitischen Voraussetzungen, unter denen ALR und Code civil einerseits, Dresdener Entwurf, Bayerischer Entwurf und Sächsisches BGB andererseits entstanden sind, auch folgendes zu beachten ist: Das ALR ist aufgrund seines Entstehungszeitpunktes von Einflüssen der historischen Rechtsschule, insbesondere der Pandektistik, frei. Ihr Einfluß auf die übrigen drei Kodifikationen darf aber hinsichtlich des Instituts der Bestätigung (Ratihabition) auch nicht überschätzt werden. Denn erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts hat eine exakte Unterscheidung der einzelnen Ratihabitionsarten stattgefunden 198 und konnte die Diskussion um den Gehalt des Begriffs Bestätigung einsetzen. Vielleicht ist das der Grund für die bereits bei erster Lektüre der Gesetze augenfällige Tatsache, daß nur im Dresdener Entwurf (Art. 138)- der jüngsten der fünf Kodifikationen (von 1866)- von "bestätigen" Wieacker, S. 463; Coing/ Dölemeyer, S. 1568. Hedemann, S. 22 f.; Coingl Dölemeyer, S. 1563, 1565. Auch auf den- hier nicht interessierenden, weil in den Materialien zum BGB nicht erwähnten- hessischen Entwurfund andere Kodifikationen wird zurückgegriffen, so daß Hedemann, S. 23, vom "Fluch des Übermasses" spricht. 191 Coing/Dölemeyer, S. 1565; Laufs, S. 172. 192 Coing/ Dölemeyer, S. 1568; Laufs, S. 173; Wieacker, S. 464. 193 Wieacker, S. 464. 194 Coingl Dölemeyer, S. 1480. 195 Coingl Dölemeyer, S. 1550. 196 s. 258. 189

190

197

198

s. 464.

s.o. S. 66 ff.

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2. Kap.: Entstehungsgeschichte von § 141 im 19. Jhrdt.

die Rede ist, sich im übrigen aber nur Ausdrücke wie "Anerkenntniß" 199, "genehmigen"200 oder keinerlei Äußerungen201 zu Bestätigung bzw. Ratihabition finden 202• Auch spricht nur der Bayerische Entwurf von nichtigen "Rechtsgeschäften", in den anderen Kodifikationen ist stets von nichtigen "Verträgen" und einem sie betreffenden Parteiverhalten die Rede. Das einseitige Rechtsgeschäft wird somit von der Betrachtung meist ausgenommen. Damit sich aber der BG B-Gesetzgeber zur Begründung der in § 141 getroffenen Regelung auf die entsprechenden Vorschriften in den fünf Kodifikationen stützen konnte, muß, unabhängig vom Sprachgebrauch, deren Sinngehalt für die Heranziehung ausschlaggebend gewesen sein. Daraufhin sind die einzelnen Vorschriften im folgenden zu untersuchen. 2. Das ALR von 1794

Im ALR handelt es sich bei den zu untersuchenden Vorschriften um 1.3 §§ 43, 44 und 1.5 §§ 37, 38, 192. 1.3 § 43 : "Eine Handlung, die wegen Verabsäumung der gesetzmäßigenForm von Anfang an nichtig war, kann in der Folge niemals gültig werden." 1.3 § 44 :"Wird die Handlung in der gesetzmäßigen Form wiederholt, so gilt sie nur von dem Zeitpunkt dieser Wiederholung an." 1.5 § 37 203 : "Ein Vertrag, welcher wegen der Unfähigkeit des einen Theils unverbindlich ist, erlangt durch ein nach gehobner Unfähigkeit erfolgendes Anerkenntniß nur in so fern verbindliche Kraft, als dies Anerkenntniß selbst für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden kann." 204 1.5 § 38 :"Ein solcher neuer Vertrag erstreckt sich nur alsdann auf den Anfang des Geschäftes zurück, wenn dieses zugleich ausdrücklich verabredet worden." I. 5 § 192 : ",n wie fern ein wegen persönlicherUnfähigkeiteines Cantrahenten ungültiger Vertrag durch desselben nachheriges Anerkenntniß zur Gültigkeit g~lange, ist in § 37.38 festgesetzt." Alle zitierten Vorschriften stehen im "Ersten Theil" des ALR, 1.3 §§ 43, 44 unter der Überschrift "Form der Handlungen" (§§ 40-44) des Dritten Titels "Von 1.5 § 37 ALR. § 848 Sächsisches BGB. 201 Im Bayerischen Entwurf. 202 Die Übersetzung der im Code civil verwendeten Begriffe "confrrmation" und "ratification" (vgl. art. 1338, 1340) müßte im Hinblick auf den dort vertretenen Nichtigkeitsbegriff erfolgen und soll deshalb hier, um eine verfrühte Auslegung zu vermeiden, noch unterbleiben. 203 Zu 1.5 §§ 37, 38 ALR vgl. schon o. S. 85 f. aw s. auch die auf 1.5 § 37 verweisenden Vorschriften I.l1 § 713 (Schuldanerkenntnis) und 11.2 §§ 136, 137 (Rechtsgeschäfte mit dem unter väterlicher Gewalt stehenden Kind). 199

200

li. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen

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Handlungen und den daraus entstehenden Rechten", 1.5 §§ 37, 38, 192 unter dem Fünften Titel "Von Verträgen", wobei die§§ 37, 38 der Überschrift "1. Persönliche Fähigkeit, Verträge zu schließen"(§§ 9-38), § 192 der Überschrift "V. Von Verstärkung der Vert~äge 1.) durch Anerkenntniß" (§§ 185-192) zugeordnet sind. Eine § 141 BGB vergleichbare allgemeine Vorschrift über die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte besteht nicht. Wie im BGB, so fehlt auch im ALR eine Regelung über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit. In der Redaktionsvorlage für den BOB-Entwurf von Gebhard heißt es dazu im Hinblick auf das ALR: "Allgemeine Regeln über die Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte werden (sei!.: im ALR) nicht gegeben. Welche Wirkungen die Mangelhaftigkeit eines Rechtsgeschäfts äußert, wird bei den einzelnen Instituten zwar angegeben, aber dabei werden so verschiedene Ausdrücke von so unbestimmter Vieldeutigkeit gebraucht, daß man aus dem Wort des Gesetzes häufig nicht schließen kann, welche Art und welcher Grad von Ungültigkeit anzunehmen ist. Diese Unbestimmtheit ermöglicht der preußischen Doktrin die gemeinrechtliche Lehre als in der Natur der Sache begründet darzustellen ... " 205 Und so schreibt Dernburl1l6, ganz in Übereinstimmung mit seiner in den "Pandekten" geäußerten Ansicht 207 : "Nichtig sind Geschäfte, welche zwar als abgeschlossen erscheinen, aber wesentlicher rechtlicher Voraussetzungen ermangeln. Es ist also Abgabe einer Willenserklärung und Wahrung der Form bis zu dem Maße vorausgesetzt, daß der Anschein des Geschäfts erwächst, ohne daß dasselbe rechtsgiltig entsteht." Folgerichtig erkennt er dem "Anerkenntniß" grundsätzlich rückwirkende Kraft zu, "wie eine solche auch gemeinrechtlich für die Ratihabition gilt" 208 • Allerdings gelte im Falle von 1.5 §§ 37; 38 ALR, also bei "persönlicher Unfähigkeit" 209 , eine Ausnahme. Auf den Grund für diese Ausnahme, für die nach Dernburgs Auffassung von Nichtigkeit kein Anlaß besteht, geht er nicht ein. Für Koch rechtfertigt sich die in 1.5 §§ 37, 38 getroffene Regelung durch eine andere Definition von Nichtigkeit: "Von selbst kann das neue Geschäft nicht zurückwirken, weil das alte nicht einmal zum constitutum taugte, denn hierzu muß wenigstens eine natürliche Verbindlichkeit vorhanden sein. Aber verabreden können die Parteien in dieser Hinsicht, was sie wollen. Durch diese Wirkung ex nunc unterscheidet sich dieses Anerkenntniß (eigentlich neue Geschäft) von der bloßen Genehmigung, welche retrotrahirt wird. " 210 Immerhin geht Koch also von einer obligatorischen Rückwirkung des Anerkenntnisses aus. Schubert, S. 212. Preußisches Privatrecht, S. 145. m s.o. S. 72. 208 Dernburg, Preußisches Privatrecht, S. 167 f.; Rechtsgrundlage flir diese Aussage sind 1.5 §§ 186-188 ALR. 200 Zwischen Geschäftsunfahigkeit und eingeschränkter Geschäftsfahigkeit wird nicht unterschieden, vgl. Koch, 1.5 § 37, Anm. 42. 210 Koch, 1.5 § 38, Anm. 45; vgl. auch Bomemann, S. 264 (zu 1.5 § 37): " ... da gegen den Unflihigen eine Verbindlichkeit bisher nicht existirte .. ." 205

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Wie 1.5 §§ 37, 38 das Anerkenntnis in dem konkreten Fall des Mangels der Geschäftsfahigkeit regeln, sind auch 1.3 § 43, 44 auf einen bestimmten Fall, den Form mange!, zugeschnitten. In 1.3 § 43 wiederhole sich, so Koch 211 , die Parömie des Paulus in D.50.17.29 "Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis convalescere". Dem ist unter dem Vorbehalt zuzustimmen, daß der römischrechtliche Satz extensiv interpretiert wird 212• Gleichwohl beschränkt sich 1.3 § 43 auf die Unheilbarkelt des Formmangels. Koch 213 will sie aber auch auf diejenigen Rechtsgeschäfte bezogen wissen, "welche in der gesetzlichen Form errichtet, aber wegen Mangels wesentlicher Erfordernisse nichtig sind". Auch in 1.3 § 44 fordert das ALR eine erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts. Diese wird also verlangt sowohl im Falle von Geschäftsunfähigkeit - trotz vorangegangenem Wegfall derselben (1.5 §§ 37, 38)- wie auch im Falle der Formnichtigkeit, ohne daß hier vom Wegfall des Nichtigkeitsgrundes, etwa Aufhebung der Formvorschrift, die Rede wäre (1.3 §§ 43, 44). Dabei ist die Notwendigkeit der Neuvornahme im Hinblick auf das unklare Nichtigkeitsverständnis des ALR, das sich in gegenteiligen Ansichten der Sekundärliteratur widerspiegelt, zweifelhaft. Im ALR findet sich auch eine dem problematischen Ausdruck "als erneute Vornahme zu beurteilen" in§ 141 Abs. 1 BGB ähnliche Wendung. Nach 1.5 § 37 erlangt "ein nach gehobner Unfähigkeit erfolgendes Anerkenntniß nur in so fern verbindliche Kraft, als dies Anerkenntniß selbst für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden kann". Daraus folgert Koch, daß ein stillschweigendes Anerkenntnis unwirksam sei und ein ausdrückliches in der Form zu erfolgen habe, "welche der Vertrag, der durch dasselbe wirksam werden soll, als Konsensualvertrag zu seiner Vollgültigkeit erfordert haben würde .. ." Und: "Das Anerkenntniß muß entweder selbst die wesentlichen Punkte des Geschäfts einzeln in sich aufnehmen und wiedergeben, oder eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Vertrag als Anlage enthalten, mit der bestimmten Erklärung: daß es eben jetzt noch Absicht sei, das Geschäft in allen Stücken, wie solche in dem Relatum niedergeschrieben worden, für gültig anzuerkennen. " 214• Das Dilemma der Interpretation von§ 141 BGB bestand also schon in entsprechender Weise zu Zeiten des ALR. Man folgerte aus: "... für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden kann" das Erfordernis einer tatbestandliehen Neuvornahme des Vertrages, ließ allenfalls eine Bestätigung mit Bezugnahme gelten. Dennoch sah man gleichzeitig das "Anerkenntniß" zutreffend als Erklärung der Vertragsparteien, am nichtigen Rechtsgeschäft festhalten zu wollen. Eine saubere Trennung von Bestätigung (Anerkenntnis) und Neuvornahme fand mithin nicht statt. Die Schwierigkeit bestand darin, daß man das gesetzliche - von der § 43, Anm. 38. s. dazu o. S. 78 ff. 213 § 43, Anm. 38. 214 Koch, 1.5 § 37, Anm. 44. Dernburg, Preußisches Privatrecht, S. 168 Fn. 14, 166 Fn. 3, widerspricht dem nicht, sondern will allenfalls das Erfordernis der Wiederholung der Form auf den jeweiligen Einzelfall einschränken. 211

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li. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen

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Doktrin beeinflußte- Erfordernis der Neuvornahme in Einklang mit einem auf ein anderes Ziel - Bestätigung - gerichteten Parteiwillen bringen mußte. Auch das römische Recht stand im Wege. Denn dort ist von ratihabitio (Genehmigung) die Rede, worunter keinesfalls eine Neuvornahme verstanden werden kann215• Die Frage bleibt offen, weshalb der Gesetzgeber nicht von vornherein nur(!) eine Neuvornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts zugelassen hat, um der Bestätigung damit jegliche Bedeutung abzusprechen. Dabei war eine undifferenzierte Forderung der Neuvornahme nicht notwendig. Bereits aus der oben dargestellten Regelungstechnik, einmal (Geschäftsunfähigkeit) vom Wegfall des Nichtigkeitsgrundes auszugehen, ein anderes Mal (Formmangel) nicht, erhellt, daß hier unterschiedliche Fallgestaltungen vorliegen. Nur wo von vorangegangenem Wegfall des Nichtigkeitsgrundes die Rede ist (1.5 § 37), taucht das Wort ..Anerkenntniß" auf. Im Falle des Formmangels ist dagegen nur von ,.Wiederholung" die Rede. Ohne vorherigen Wegfall des Nichtigkeitsgrundes gibt es eben keine Möglichkeit, das nichtige Rechtsgeschäft anzuerkennen. Es muß erneut- und formgerecht-vorgenommen werden. Hätte der Gesetzgeber auch nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes eine Neuvornahme des Rechtsgeschäfts verlangt, wäre die Verwendung des Begriffs ,.Anerkenntniß" überflüssig gewesen 216 • Soll es also eine sinnvolle Unterscheidung zwischen Neuvornahme ohne und Anerkenntnis nach Wegfall des Nichtigkeitsgrundes geben, hätte dem Anerkenntnis nicht das- vom Gesetzestext nicht zwingend geboteneErfordernis einer Neuvornahme abverlangt werden dürfen. Ob allerdings die Gesetzgebungskommission, bestehend aus den Juristen Carmer, Suarez und Klein, diese Differenzierung deutlich erkannt hat, ist zweifelhaft. Die Unterscheidung zwischen ,.Anerkenntniß" (mit Wirkung ex tune) und erneuter Vornahme (mit Wirkung ex nunc)- wenngleich ebenfalls als ,.Anerkenntniß" bezeichnet - war zwar dem Gesetzgeber des ALR ausweislich der Materialien wohlbekannt 217• Aber es ist nicht mit letzter Sicherheit erkennbar, welche Bedeutung er der Wendung in 1.5 § 37 ..... für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden kann" im Hinblick auf den Unterschied von Wiederholung und Anerkenntnis beimißt. Immerhin deutet manches daraufhin, daß auch der Gesetzgeber des ALR unter ,.Anerkenntniß" im Falle des 1.5 § 37 eine Neuvornahme verstand 218 • s.o. S. 66 (mit Fn. 2). Wenngleich nicht verkannt werden soll, daß sich das ALR häufig einer nicht sonderlich exakten Ausdrucksweise bedient, vgl. ALR, Einführung (Hattenhauer), S. 35 f.; Harder, AcP 215

216

173,

s. 213.

Bornemann, S. 264, Anm. ••, wo eine Äußerung von Suarez zum Unterschied von unverbindlichen und nichtigen Verträgen mit jeweils unterschiedlichen Wirkungen eines darauf bezogenen Anerkenntnisses (im ersten Fall genüge "bloße Agnition", im zweiten "müsse ein ganz neues negotium geschlossen weq:len") referiert wird. 218 Nach Bornemann, S. 264, Anm. ••, will Suarez das "Anerkenntniß" (!)eines nichtigen (Gegensatz: unverbindlichen) Vertrages nur insofern gelten lassen, "als dasselbe für einen neuen rechtsgültigen Vertrag angesehen werden kann" (vgl. Wortlaut 1.5 § 37!). Später heißt es 217

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Die Unklarheiten spannen sich also vom Gesetzgeber über den Text bis hin zur wissenschaftlichen und didaktischen Bearbeitung des Gesetzes. 3. Der Code civil von 1804 Aus dem Code civil wird gemeinhin art. 1339 angeführt. Zum besseren Verständnis dieser Norm sei hier auch ein Teil von art. 1338 zitiert. art. 1338: "L'acte de confirmation ou ratification d'une obligation contre laquelle Ia loi admet l'action en nullite ou en rescision, n'est valable que ... " art. 1339: "Le donateur ne peut reparer par aucun acte confrrmatif !es vices d'une donation entrevifs; nulle en Ia forme, il faut qu'elle soit refaite en Ia forme legale." Da art. 1339 Code civil als übereinstimmend mit der im BGB getroffenen Bestätigungsregelung herangezogen wird 219, ist es von entscheidender Bedeutung, welche Auffassung von Nichtigkeit- mit Konsequenzen für das Institut der Bestätigung- die deutschsprachige, gemeinrechtlich orientierte220 Literatur im Code civil vorzufinden glaubte. Von grundlegender Bedeutung221 war hier die Habilitationsschrift 222 Windscheids über die Ungültigkeit der Rechtsgeschäfte im Code civil. Er stellt zunächst dar 223 , daß die französischsprachigen Bearbeiter des Code den seit Savigny in Deutschland so geläufigen Unterschied zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit nicht gekannt hätten 224 • Im Code sei ihrer Ansicht nach nur von absoluter und relativer Nichtigkeit die Rede, und letztere müsse mit der "action en nullite ou en rescision" geltend gemacht werden. Nach Windscheids Ansicht dagegen kennt der Code sehr wohl die Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts225 • Er begründet dies in eingehender Auseinandersetzung mit der französischen Lehre mit art. 1117 226, wo für Verträge, die nicht "nulle de plein

in bezug auf nichtige Verträge, hier "müsse ein ganz neues negotium geschlossen werden" (s.o. Fn. 217). "Ansehen" bedeutet aber nicht zwingend auch tatsächlich "neu abschließen". 219 Vgl. Gebhards "Vorschlag", wiedergegeben in Jakobs/Schuber/, AT, S. 739 ff., 744 (behandelt unten ab S. 108 ff.) 220 s.o. S. 89 mit Fn. 175. 221 Vgl. Zachariäl Anschütz, I, S. 83 Fn. 1. 222 Harder, AcP 173, S. 211. 223 Ungültigkeit, S. 30 ff. 224 Das gilt sogar noch fiir das Handbuch von Zachariäl Anschütz ( 1853), I, S. 83 Fn. 1, denn dort werden die Konsequenzen aus der grundsätzlichen Anerkennung von Windreheids Werk (o. Fn. 221) noch nicht vollständig gezogen. 225 Ungültigkeit, S. 44 ff. - Dagegen meintHarder, AcP 173, S. 211: " ... diese Interpretation ... pfropfte dem französischen Gesetzbuch schon eine modernere Terminologie auf, die es selbst noch nicht kannte." 226 art. 1117: "La convention contractee par erreur, violence, ou dol, n'est pointnulle de p1ein droit; elle donne seu1ement lieu a une action en nullite ou en rescision, ..."

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droit" sind, die Möglichkeit der "action en nullite ou en rescision" 227 eröffnet wird, was im Falle absoluter, "propria vi" 228, also von selbst eintretender Nichtigkeit nicht notwendig gewesen wäre. Diese "action", bei der, wie auch im Code allgemein, die Ausdrücke "nul, nullite" "keineswegs nothwendig die Nichtexistenz des Rechtsgeschäfts" bezeichnen, sondern "es unbestimmt lassen, ob sie (sei!.: die Ungültigkeit) Nichtigkeit oder bloß Anfechtbarkeit ist", stellt eine auf Ungültigkeitserklärung gerichtete Klage dar229• Die unbestimmte Form der Ungültigkeit wird durch den Zusatz "ou en rescision" auf den Fall der Anfechtbarkeit reduziert und konkretisiert 230• Der Ausdruck "action en nullite ou en rescision" bezeichnet also nicht zwei verschiedene, sondern nur eine Klage231 • Diese ist mithin eine Anfechtungsklage 232 • Zu diesem der herrschenden Ansicht zuwiderlaufenden Ergebnis kommt Windscheid unter anderem auch mit der Begründung, daß im Gesetzgebungsverfahren "die relative Nichtigkeit mit der Anfechtbarkeil zusammengeworfen" worden sei und man daher nun lediglich die relative Nichtigkeit sehe 233• Einen weiteren Beweis für seine These, die "action en nullite ou en rescision" sei lediglich eine Anfechtungsklage, sieht Windscheid in der Entstehungsgeschichte von art. 1338 234• Das hat Konsequenzen für die Bedeutung von art. 1339: Nach dem Wortlaut von art. 1338 ist die Bestätigung nur bei solchen Schuldverhältnissen zugelassen, gegen die eine "action en nullite ou en rescision" möglich ist, also, nach Windscheid, bei anfechtbaren Rechtsgeschäften. Die Bestätigung des absolut nichtigen Rechtsgeschäfts ist mithin ausgeschlossen 235• Windscheid hält das auch für sachgerecht, denn "die Bestätigung im strengen Sinne vermag nicht ein juristisch nicht Vorhandenes in's Leben zu rufen ... " "Einem juristisch nicht Vorhandenen Leben geben heißt nicht es bestätigen, sondern es neu schaffen." 236 Allerdings gebe es auch eine "Bestätigung im weiteren Sinne", doch "ist" sie "streng genommen nur der Abschluß eines neuen Rechtsgeschäfts desselben Inhalts, wie das früher abgeschlossene" 237 • Diese Unterscheidung habe der Gesetzgeber allgemein mit "confirmation ou Harder, AcP 173, S. 213: ". .. nur ein prozessuales Hilfsmittel ... " Windscheid Ungültigkeit, S. 45. 229 Ungültigkeit, S. 52 f. 230 Ungültigkeit, S. 53. 231 Ungültigkeit, S. 46. 232 Vgl. Ungültigkeit, S. 44, 159 et al. Dem Beweis dieser These und ihren Folgen dient der wesentliche Teil der Schrift, vgl. Ungültigkeit, Vorrede, S.l ff. Die These ist für spätere Autoren unproblematisch: Vgl. Zachariä/Crome, S. 363; Crome, Allgemeiner Theil, S. 245; anders noch Zachariäl Anschütz, II (1853), S. 310 Fn. 6, wo die "demande en nullite" überflüssigerweise auf Verbindlichkeiten bezogen wird, "die ipso jure nichtig sind". 233 Ungültigkeit, S. 62. 234 Ungültigkeit, S. 69 ff., 173. 235 Ungültigkeit, S. 173. 236 Ungültigkeit, S. 173. 237 Ungültigkeit, S. 174. 127

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ratification" ausdrücken wollen, am Ende des Gesetzgebungsverfahrens von art. 1338 sei dort jedoch mit dem doppelten Ausdruck nur noch die "Bestätigung im strengeren Sinne" gemeint gewesen238• Lasse aber art. 1338 bei anfechtbaren Rechtsgeschäften nur eine "Bestätigung im strengeren Sinne" nicht zu, so stehe nichts im Wege, eine "Bestätigung im weiteren Sinne" nicht nur hier, sondern auch für die Fälle absoluter Nichtigkeit anzuerkennen 239 • Dieser Bestätigung mit "Wirkung" eines Neuabschlusses erkennt Windscheid auch rückwirkende Kraft zwischen den Parteien- nicht gegenüber Dritten- zu 240• Aufwelchem konstruktiven Wege die von den Parteien gewollte Bestätigung juristisch zur Neuvornahme wird ("... ist ... "), bleibt allerdings ungeklärt. Art. 1339 war somit ursprünglich eine Regelung, die gegenüber der früheren Anerkennung der Bestätigung auch absolut nichtiger Geschäfte in art. 1338 die Einschränkung machte, daß jedenfalls eine "Bestätigung im strengeren Sinne" (confirmation, hier: "acte confrrmatif') von absolut nichtigen Geschäften nicht möglich war. In diesen Fällen konnte nur erneut vorgenommen werden. Nachdem der letztlich in Kraft getretene art. 1338 nur noch anfechtbare Rechtsgeschäfte betraf, ist art. 1339 als einschränkende Vorschrift gegenüber art. 1338 überflüssig geworden. Er hat aber nun selbständige Bedeutung, indem er bei absolut nichtigen Geschäften nur eine "Bestätigung im weiteren Sinne", also "streng genommen" eine Neuvornahme des Geschäfts zuläßt 241 • Eine solche Neuvornahme ist natürlich242 nur wirksam, wenn der Nichtigkeitsgrund nun nicht mehr vorliegt. Fraglich ist allerdings, warum der Code diesen Grundsatz in art. 1339 nur für die Schenkung und nur für den Nichtigkeitsgrund "Formmangel" normiert. Windscheid243 gelangt zu der Ansicht 244 , art. 1339 wolle die Regel zum Ausdruck bringen, daß diejenigen Rechtsgeschäfte, deren Formen zugunsten Dritter vorgeschrieben sind, nicht durch formlose Bestätigung geheilt werden könnten 245 • In Verbindung mit seiner oben dargelegten grundsätzlichen Meinung zur Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte lautet Windscheids Ergebnis also: Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann zwar bestätigt werden. Diese Bestätigung ist aber juristisch nichts anderes als eine Neuvornahme des Geschäfts. Ungültigkeit, S. 175. Ungültigkeit, S. 175. 240 Ungültigkeit, S. 176. 241 Ungültigkeit, S. 141 f.; Crome. Allgemeiner Theil, S. 309 Fn. 4. 242 Ungültigkeit, S. 183; im Code aber ausdrücklich geregelt, art. 1338 Abs. 2. 243 Ungültigkeit, S. 184fT. 244 Ungültigkeit, S. 186. 245 Anders, wenn die Dritten, in deren Interesse das Formerfordernis besteht, in die formlose Bestätigung einwilligen, was in art. 1340 wiederum nur für den Fall der Schenkung zum Ausdruck kommt: .,La confirmation ou ratification, ou execution volontaire d'une donation par les heritiers ou ayant-cause du donateur, apres son deces, emporte leur renonciation a opposer soit les vices de forme, soit toute autre exception." 238 239

II. Die Bestätigung in zeitgenössischen Kodifikationen

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Andere Autoren folgen ihm und gehen teilweise noch mehr ins Detail: Das nichtige Rechtsgeschäft ist juristisch nicht vorhanden 246. Folglich kann es nicht geheilt werden, weder durch Zeitablauf noch durch nachträglichen Wegfall des Nichtigkeitsgrundes 247 noch durch Bestätigung248. Die Unheilbarkeit des nichtigen Rechtsgeschäfts durch Bestätigung wird art. 1339 Code civil entnommen249. Eine obligatorische Rückwirkung ist möglich250. In diesem Sinne von der deutschsprachigen Lehre entsprechend der gemeinrechtlichen Doktrin von Nichtigkeit und Bestätigung aufbereitet, konnte art. 1339 Code civil alsparspro totozum Vergleich für eine Regelung der Bestätigung im BGB herangezogen werden. 4. Der Bayerische Entwurf von 1861/1864 251 Im Bayerischen Entwurf geht es um Teil I., Art. 81 Abs. 2. Zum besseren Verständnis des Kontextes seien I. Art. 80 und 81 im Zusammenhang zitiert. Sie finden sich in "Theill. Hauptstück . . . Rechtsgeschäfte" unter "Fünfte Abtheilung. Nichtigkeit und Anfechtbarkeil der Rechtsgeschäfte". I. Art. 80: "Ein nichtiges Rechtsgeschäft ist hinsichtlich seiner rechtlichen Wirkung als nicht abgeschlossen oder vorgenommen zu betrachten. Nichtig sind außer den Rechtsgeschäften, welche das Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnet, diejenigen, welche gegen ein gesetzliches Verbot, gegen die Sittlichkeit oder die öffentliche Ordnung abgeschlossen sind, sowie diejenigen, welche eines zu ihrer Entstehung wesentlichen Erfordernisses ermangeln." I. Art. 81: "Ein nichtiges Rechtsgeschäft kann, vorbehaltlich der Artikel 24 u. 29 252 , weder durch einen Verzicht auf die Nichtigkeit von Seite der Parteien noch durch den späteren Wegfall des Nichtigkeitsgrundes Giltigkeit erlangen. Wird das Geschäft bei dem Daseyn aller zur Giltigkeit desselben gehörigen Erfordernisse von N euem vorgenommen, so ist es als ein neues Geschäft anzusehen und hat keine rückwirkende Kraft." Zachariä/ Crome, S. 352; Crome, Allgemeiner Theil, S. 240. Crome, Allgemeiner Theil, S. 240, zitiert Paul.D.50.17.29. 248 Crome, Allgemeiner Theil, S. 308 f.; Zachariä/ Crome, S. 357 und schon Zachariä/ Anschütz, II, S. 330 mit Fn. 5 (im Widerspruch zu I, S. 88). 249 Crome, Allgemeiner Theil, S. 309 Fn. 4; Zachariä/ Crome, S. 357. 150 Crome, S. 309 mit Fn. 5; Zachariäl Anschütz, II, S. 330 Fn. 5. 251 In den Jahren 1861 und 1864 wurden die vorliegenden Teile des Entwurfs in gedruckter Form veröffentlicht (vgl. Coing I Dölemeyer, S. 1478). 252 Nach I. Art. 24 können die Parteien eines unter "wesentlichem Irrthum" zustandegekommenen Rechtsgeschäfts dasselbe nach Kenntniserlangung vom Irrtum aufrechterhalten. Ein solches Rechtsgeschäft ist aber gemäß I. Art. 23 Abs. I nicht nichtig, sondern nur "ungiltig", so 246

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7•

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Die Vorschriften folgen ganz der "gemeinrechtlichen Doktrin" 253 und enthalten alle ihre bereits bekannten Wesenselemente254: Das nichtige Rechtsgeschäft ist- juristisch (1. Art. 80 Abs. I: "... zu betrachten") 255 - nicht vorhanden. E