Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB - im Spannungsfeld zur Amtshaftung [1 ed.] 9783428533640, 9783428133642

Veröffentlichungen zu § 832 BGB beschäftigen sich fast ausschließlich mit der elterlichen Aufsichtshaftung. Aufsichtspfl

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German Pages 352 Year 2010

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Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB - im Spannungsfeld zur Amtshaftung [1 ed.]
 9783428533640, 9783428133642

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 407

Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB – im Spannungsfeld zur Amtshaftung Von

Franziska Oberhardt

Duncker & Humblot · Berlin

FRANZISKA OBERHARDT

Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB – im Spannungsfeld zur Amtshaftung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 407

Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB – im Spannungsfeld zur Amtshaftung

Von

Franziska Oberhardt

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 978-3-428-13364-2 (Print) ISBN 978-3-428-53364-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83364-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Mutter

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Die Arbeit am Manuskript wurde im Juli 2008 abgeschlossen. Die Drucklegung berücksichtigt die veröffentlichte Rechtsprechung bis einschließlich Juni 2010. Die nach Abschluss des Manuskripts erschienene Literatur enthält keine die Kernprobleme der Arbeit betreffenden inhaltlichen Veränderungen, so dass die zitierte Literatur auf dem Stand Juli 2008 verblieben ist. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Detlev W. Belling, M.C.L. (U. of Ill.), für seine Anregung zu diesem Thema und für die Betreuung der Arbeit. Er hat mir die größtmögliche inhaltliche Freiheit bei der Bearbeitung gewährt. Herrn Prof. Dr. Andreas Musil danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich an dieser Stelle auch den vielen Bediensteten und Leitern der verschiedenen öffentlichen Einrichtungen, die mir ihre Zeit für Gespräche über praktisch relevante Aspekte sowie Informationen und Unterlagen für meine empirische Untersuchung zur Verfügung gestellt haben. Mein inniger Dank gilt meinem Mann, Dr. Marc Oberhardt, der neben der mühevollen Arbeit des Korrekturlesens gekonnt mannigfache Hilfestellung zur Fertigstellung der Arbeit geleistet hat. Durch seine liebevolle, verlässliche und geduldige Art war er für mich die tragende Stütze während der Erstellung der Arbeit. Meinen Eltern danke ich nicht nur für die großzügige Finanzierung der Veröffentlichung, sondern insbesondere für die Gewissheit ihrer uneingeschränkten Rückhalt gewährenden Unterstützung. Vor allem danke ich herzlich meinem Vater, Prof. Dr. Michael Nierhaus, für seine stete Gesprächsbereitschaft, die ebenso fruchtbaren wie kritischen Dialoge sowie seine wertvollen Anmerkungen zu allen das öffentliche Recht betreffenden Problematiken der Arbeit. Von Herzen möchte ich mich bei meiner Großmutter, Brita Voss, bedanken, die meinen Weg mit geebnet und damit nicht zuletzt erheblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Abschließend möchte ich in besonderer Weise meiner Mutter, Birgit Nierhaus, danken. Ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie sich nach unserem schweren

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Vorwort

Schicksalsschlag durch ihre Stärke und ihren Willen zu ihrer Familie zurückgekämpft hat. Ohne sie hätte ich die Dissertation nicht zum Abschluss bringen können. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Köln, im August 2010

Franziska Oberhardt

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung des § 832 BGB in das Haftungssystem des BGB . . . . . . . . . . 1. Aufsichtsbedürftige Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die öffentliche Einrichtung als Aufsichtspflichtige . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff der öffentlichen Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlich-rechtliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anstalt des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regiebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigenbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Privatrechtliche Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organisationsprivatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktionelle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtspflicht kraft Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufsichtspflicht kraft Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Widerrechtliche Schadenszufügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verletzung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einordnung von § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG in das Haftungssystem . . 1. Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftungsausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anderweitige Ersatzmöglichkeit, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . b) Spruchrichterprivileg, § 839 Abs. 2 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schuldhafte Rechtsmittelversäumung, § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . .

31 31 31 31 32 33 33 34 35 35 35 35 36 36 36 37 39 40 40 41 43 44 44 44 45 45 45 46

§ 2 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsatz der Formenwahlfreiheit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Indizien für die Bestimmung des Nutzungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Schädigungen Dritter beim Betrieb öffentlicher Einrichtungen . . . . . . . . . 1. Ansichten der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Handlungsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mittelbare Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mittelbare Aufsichtspflicht der Eltern unter besonderer Berücksichtigung der Übertragung der Aufsicht an eine öffentliche Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswahlpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kontrollpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Instruktions- und Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtenreduzierung bei Übertragung der Aufsichtspflicht innerhalb der öffentlichen Einrichtung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtspflichten des Einrichtungsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organe und verfassungsmäßig berufene Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufsichtspersonal unterhalb der Organebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Rechtsgrundlagen der Aufsichtspflicht in einzelnen Haftungsbereichen . . I. Kinder- und Jugendhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tageseinrichtungen für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht einer Erzieherin . . . . . aa) Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erziehungsauftrag der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Öffentlicher Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Entwicklung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes . . (bb) Rechtsgrundlagen des öffentlichen Erziehungsauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhaltliche Anforderungen des öffentlichen und elterlichen Erziehungsauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gesetzliches Leitbild der elterlichen Erziehung . . . . . . . . . (2) Gesetzliche Vorgaben für den öffentlichen Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verhältnis zwischen öffentlichem und elterlichem Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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57 57 58 58 62 62 64 65 68 69 69 69 69 71 72 72 73 73 74 75 75 77 79

Inhaltsverzeichnis

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2. Kinderheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht in der Heimerziehung b) Öffentlicher Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Öffentliche Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht in einer öffentlichen Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlicher Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Psychiatrische Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 5 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht in einzelnen Haftungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tageseinrichtungen für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung des Nutzungsregimes durch Übertragung der zu Krankenhäusern ergangenen Rechtsprechung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgeleitete Erziehungs- und Bildungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmung des Nutzungsregimes am Beispiel GTK NW . . . . . . . . . . 5. Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft der Stadt Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kinderheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfahren zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung (Heimerziehung) nach dem SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen der rechtlichen Vorgaben des SGB VIII auf die Qualifizierung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des Nutzungsregimes am Beispiel eines städtischen Kinderheimes in Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Öffentliche Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Psychiatrische Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Benutzungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeinkrankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Psychiatrische Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kriterium der Heilbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kriterium der Unterbringung auf einer offenen/geschlossenen psychiatrischen Station . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kriterium der einverständlichen/freiwilligen Unterbringung . . dd) Konkrete Ausgestaltung der Rechtsbeziehung anhand des Einzelfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Praktische Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tageseinrichtungen für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitlicher Umfang der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beginn der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ende der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Alter des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklungsstand des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eigenart und Charakter des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gruppenverhalten des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Art der Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gefährliche Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spielgeräte im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Räumliche und örtliche Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verkehrssicherungspflicht des Trägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Exkursionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schwimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Dienstanweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Organisation der Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Gruppengröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterschiedliche Anforderungen aufgrund der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betrachtung der unterschiedlichen Ausgangslage . . . . . . . . . . . bb) Grundrechte als Maßstab für eine gehörige Aufsichtsführung cc) Staatliche Schutzpflicht als Maßstab für die Aufsichtspflicht . . dd) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Maßstab der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Geltung der öffentlich-rechtlichen Bindungen im Privatrecht ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiedliche Anforderungen aufgrund öffentlichen und privaten Erziehungsauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen der Aufsichtspflicht durch das Korrektiv der Zumutbarkeit . . a) Berücksichtigung von persönlichen Verhältnissen der Eltern . . . . . b) Berücksichtigung individueller Belange bei öffentlichen Einrichtungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ansicht von Eckert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Erziehungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Einfluss von §§ 1626 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 1631 Abs. 1 BGB, §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII auf § 832 Abs. 2 BGB . . . . . . . . (1) § 1631 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis von Aufsichtspflicht und Erziehungsziel . . . . . . . . . . cc) Praxisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beispielsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen bei öffentlicher und privater Erziehung und Auswirkungen auf die Aufsichtspflicht . . . f) Erziehungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorsorgliche Belehrung, Ermahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Elterliche Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Institutionalisierte Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsprechung zu den zeitlichen Intervallen der Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Notwendiges Eingreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kinderheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erhöhte Anforderungen an die Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erziehungsziel der Heimerziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zeitliche Intervalle der Beaufsichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Organisationsverschulden des Heimträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht eines öffentlichen Heimes und der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Öffentliche Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitlicher und örtlicher Umfang der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Organisationsverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht der öffentlichen Schule und der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Psychiatrische Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitlicher und örtlicher Umfang der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art der psychischen Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis aa) Krankheitsbilder in der Erwachsenenpsychiatrie . . . . . . . . . . . . bb) Krankheitsbilder in der Kinder- und Jugendpsychiatrie . . . . . . b) Fremdgefährdungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stadium der Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Therapieerfolg/Behandlungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Medizinische Grundsätze der stationären Psychiatrie . . . . . . . . . . . . aa) Unterbringung in einer offenen Station . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die offene Unterbringung als Problem des Organisationsverschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausgang und Beurlaubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bestimmungen der PsychKG und Unterbringungsgesetze . . . . . . . . h) Dienstanweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Überwachung des Freizeitverhaltens zu Aggressionen neigender psychisch kranker Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Anzahl des Pflegepersonals und der Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Organisationsmangel als Aufsichtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . 3. Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfordernisse und Zielsetzung der Therapie als aufsichtsbegrenzendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechte des Patienten als aufsichtsbeschränkendes Kriterium c) Spannungsverhältnis zwischen der Aufsicht im Drittinteresse und den therapeutischen Zielsetzungen sowie den Grundrechten des Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erlaubtes Risiko als Abwägungsmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufsichtsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 7 Haftung von öffentlichen Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung der öffentlichen Einrichtung bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 832 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 832 BGB i.V. m. §§ 89 Abs. 1, 31 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 831 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. § 280 Abs. 1 BGB i.V. m. § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung der öffentlichen Einrichtung bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . III. Eigenhaftung des Aufsichtspersonals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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251 251 252 254 255 255 255 256 257

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1. Haftung nach § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung nach § 832 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung aus Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verantwortlichkeit für den Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten der Haftung im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsmodell für privatrechtliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung der Haftungsprivilegien auf verfassungsmäßige Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sozialversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . aa) Geschädigter Nutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Geschädigter externer Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umfang des Haftungsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tageseinrichtungen für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kinderheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Psychiatrische Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbeschränkung der Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entstehungsgeschichte der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB . . II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . 1. Allgemeine Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung der Beweislastumkehr am Beispiel der Erziehungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verändertes Gesellschaftsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbesserte Möglichkeiten der Beweisführung einer öffentlichen Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechenschaftspflicht wegen vertraglicher Übernahme . . . . . . . . . . . aa) § 280 BGB n. F.; §§ 282, 285 BGB a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sozialstaatsprinzip als Rechenschaftspflicht gegenüber externen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Haftungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kommunalversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis bb) Geltung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284

§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Praktische Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung der gesetzlichen Schuldvermutung im Rahmen der Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsprechung zu § 18 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung zu § 833 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsprechung zu § 836 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsprechung zu § 832 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übertragbarkeit der Beweislastregelung des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 839 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung des OLG Köln vom 20.05.1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der Entscheidung des OLG Köln über die Einzelfallentscheidung hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratio der Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweiserleichterungen im Rahmen des Amtshaftungsanspruches . . c) Vermutung der Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsnatur der Beweislastnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30.03.2006 . . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsmethodische Übertragung der Beweislastregeln auf den Amtshaftungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analoge Anwendung der Beweislastregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sinngerechte Auslegung des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . d) Richterliche Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung . . . . . . . . . . a) Auswirkungen im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten im Rahmen der Aufsichtshaftung in psychiatrischen Kliniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beweisrecht im Arzthaftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragbarkeit der beweisrechtlichen Sonderregelungen auf die Aufsichtshaftung in psychiatrischen Kliniken . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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5. Kein Gleichlauf von privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Aufsichtspflicht hinsichtlich der Anforderungen an die Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 § 10 Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . I. Allgemeine Feststellungen zur Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begründung und rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . 1. Kindertageseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kinderheime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Öffentliche Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Psychiatrische Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In den einzelnen Haftungsbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Übertragbarkeit der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . .

325 325 327 327 328 329 329 329 330 330 331 333 334 335

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

Abkürzungsverzeichnis a. A. ABl.NW Abs. AcP ADO a. F. AG AGB AG KJHG NW AHRS allg. Anh Anm. AnwK-BGB ArbG ArbR. Art. ArztR. ASchO NW Az. BADK Bad.-Württ. BAG BASS‘ BAT Bay BayObLG BayVGH BB Bbg BBG BBiG Bd.

anderer Ansicht Amtsblatt des Kultusministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen Absatz Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Dienstordnung alte Fassung Amtsgericht, Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Ausführungsgesetz zum Kinder und Jugendhilfegesetz v. 26.6. 1990 Arzthaftpflicht-Rechtsprechung, Rechtsprechungssammlung allgemein (-e; -r; -es) Anhang Anmerkung Anwaltskommentar BGB Arbeitsgericht Arbeitsrecht Artikel Arztrecht Allgemeine Schulordnung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 8.11.1978 Aktenzeichen Bundesarbeitsgemeinschaft Deutscher Kommunalversicherer Baden-Württemberg Bundesarbeitsgericht Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen Bundesangestelltentarifvertrag Bayern Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerischer Verwaltungsgerichtshof in Zivilsachen Betriebs Berater Brandenburg Bundesbeamtengesetz i. d. Bek. v. 31.3.1999 Berufsbildungsgesetz v. 14.8.1969 Band

Abkürzungsverzeichnis bes. BGB BGBl. BGH BGHZ BK BKVO Bln Brem Brem.GBl BRRG BT-Dr. BtG BtPrax BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl. bzw. c. i. c. d. DAR DB DeliktsR. ders. d.h. dies. DIN Diss. DM DÖV dt. DVBl Einf. Einl. ErfK Erl. ESVGH etc. e. V. f.

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besondere (-er; -es) Bürgerliches Gesetzbuch i. d. Bek. v. 2.1.2002 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bonner Kommentar zum Grundgesetz Betriebskostenverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 11.3.1994 Berlin Bremen Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Beamtenrechtsrahmengesetz i. d. Bek. v. 31.3.1999 Bundestags-Drucksache Betreuungsgesetz v. 12.9.1990 Betreuungsrechtliche Praxis Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise culpa in contrahendo die; der; des Deutsches Autorecht Der Betrieb Deliktsrecht derselbe das heißt dieselbe Deutsches Institut für Normung Dissertation Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung deutsch (-e; -er; -es) Deutsches Verwaltungsblatt Einführung Einleitung Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Erläuterung (-en) Entscheidungssammlung des Hessischen und des WürttembergBadischen Verwaltungsgerichtshofes et cetera eingetragener Verein und folgende (Seite)

20 FamRZ ff. FGG FGPrax Fn. FS FuR GABl.NW

gem. GemO BW GemO RhPf Gem. RdErl. GG ggfs. GK-SGB VIII GmbH GO Bay GO Bbg GO LSA GO NW GO Schl.-H. GTK NW GUV GVBl GVG GV.NW GVOBl M-V GVOBl Schl.-H. GVV-Kommunal HADG Hdb. h. M. Hmb HOLG Hrsg. Hs. HStR ICD i. d. Bek. v.

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für das gesamte Familienrecht und folgende (Seiten) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 20.5.1898 Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Festschrift Familie und Recht Gemeinsames Amtsblatt des Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes NordrheinWestfalen gemäß Gemeindeordnung für Baden-Württemberg i. d. Bek. v. 24.7.2000 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz i. d. Bek. v. 31.1.1994 Gemeinsamer Runderlass Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.5.1949 gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern i. d. Bek. v. 22.8.1998 Gemeindeordnung für das Land Brandenburg i. d. Bek. v. 10.10. 2001 Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt v. 5.10.1993 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen v. 14.7.1994 Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein i. d. Bek. v. 28.2.2003 Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder v. 29.10.1991 Gesetzliche Unfallversicherung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz i. d. Bek. v. 9.5.1975 Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein GVV-Kommunalversicherung VVaG Haftpflichtschadenausgleich der deutschen Großstädte Handbuch herrschende Meinung Hamburg Hanseatisches Oberlandesgericht Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland International Classification of Diseases in der Bekanntmachung vom

Abkürzungsverzeichnis i. d. Pf. i. d. R. InsO i. S. d. i. S. v. i.V. m. JA JGG JHG JR JSchG JugendhilfeR. JuS JW JWG JZ KAG NW Kap. KG KGR KiTa KiTaRecht KJHG KommunalR. KrO NW KSA KSVG KV M-V LAG LG LKrO Bay LKrO Bbg Ls. LSA LT-Dr. NW LVerbO NW LVerf. NW MDR MedizinR.

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in der Pfalz in der Regel Insolvenzordnung v. 5.10.1994 im Sinne des (~ der) im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jugendgerichtsgesetz i. d. Bek. v. 11.12.1974 Gesetz für Jugendwohlfahrt i. d. Bek. v. 25.4.1977 Juristische Rundschau Jugendschutzgesetz i. d. Bek. v. 23.7.2002 Jugendhilferecht Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Jugendwohlfahrtsgesetz i. d. Bek. v. 11.8.1961 Juristenzeitung Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen v. 21.10.1969 Kapitel Kammergericht KG-Report Berlin; Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Kammergerichts Berlin Kindertageseinrichtung Fachzeitschrift für die Leitung von Kindertageseinrichtungen Kinder- und Jugendhilfegesetz v. 26.6.1990 Kommunalrecht Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen i. d. Bek. v 14.7. 1994 Kommunaler Schadenausgleich Kommunalselbstverwaltungsgesetz des Saarlandes i. d. Bek. v. 27.6.1977 Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern i. d. Bek. v. 13.1.1998 Landesarbeitsgericht Landgericht Landkreisordnung für den Freistaat Bayern i. d. Bek. v. 22.8.1998 Landkreisordnung für das Land Brandenburg v. 15.10.1993 Leitsatz Land Sachsen-Anhalt Drucksachen des Landtages Nordrhein-Westfalen Landschaftsverbandsverordnung v. 14.7.1994 Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen v. 16.6.1950 Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht

22 MedR Mrd. MRVG MünchArbR MünchKomm MünchKomm-InsO MünchKomm-ZPO M-V m.w. N. Nds Nds. GVBl Nds.RPfl NDV n. F. NGO NJW NJW-RR Nr. NStZ n. v. NVwZ NVwZ-RR NW NWVBl NZA NZA-RR öff. OLG OLGR OVG OVG NW PflR pr. ALR Praxishdb. PrivatR. Prot. PrüfungsR.

Abkürzungsverzeichnis Medizinrecht Milliarde (-n) Maßregelvollzugsgesetz Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Niedersachsen Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Niedersächsische Rechtspflege Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge neue Fassung Niedersächsische Gemeindeordnung i. d. Bek. v. 22.8.1996 Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungsreport Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, Rechtsprechungsreport öffentlich (-es; -en) Oberlandesgericht OLG-Report, Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Oberverwaltungsgericht Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Pflegerecht, Zeitschrift für Rechtsfragen in der stationären und ambulanten Pflege Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, gültig ab 1.6. 1794 Praxishandbuch Privatrecht Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs Prüfungsrecht

Abkürzungsverzeichnis PsychKG Bbg

PsychKG Bln PsychKG Brem PsychKG Hmb PsychKG M-V PsychKG Nds PsychKG NW PsychKG RhPf PsychKG Schl.-H. pVV PWW qm RBHG RdA RdErl. RdJB resp. RG RGRK

RG Warn RGZ Rh.-Pf. RJWG RKEG Rn. R&P Rspr. RVO S. SächsGemO Schl.-H. SchuldR.

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Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch Kranke v. 8.2.1996 Gesetz für psychisch Kranke v. 8.3.1985 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten und zur Änderung anderer Gesetze v. 19.12.2000 Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychisch Kranken v. 27.9.1995 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke i. d. Bek. v. 13.4.2000 Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke v. 16.06.1997 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychisch Kranken v. 17.12.1999 Landesgesetz für psychisch kranke Personen v. 17.11.1995 Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen v. 14.1.2000 positive Vertragsverletzung Prütting/Wegen/Weinreich, BGB-Kommentar Quadratmeter Gesetz über die Haftung des Reichs für seine Beamten v. 22.5. 1910 Recht der Arbeit Runderlass Recht der Jugend respektive Reichsgericht Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Kommentar Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Reichsgerichts, Hrsg. Warneyer Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Reichsjugendwohlfahrtsgesetz v. 9.7.1922 Gesetz über die religiöse Kindererziehung v. 15.07.1921 Randnummer Recht und Psychiatrie Rechtsprechung Reichsversicherungsordnung v. 19.7.1911 Satz; bei Literaturangabe: Seite Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen v. 18.3.2003 Schleswig-Holstein Schuldrecht

24 SchulG NW SchVG NW SGB VII SGB VIII SGB X SGV.NW sog. SorgeRG StaatshaftungsR. StaatsR. StGB StHG StHG-DDR StPO StrafR. StVG TAG

ThürKO TVöD u. u. a. u. ä. Urt. usw. u. U. v. Var. VerfGH NW VersR VerwR. VGH vgl. v. H. Vorb.

Abkürzungsverzeichnis Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 15.2.2005 Schulverwaltungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen i. d. Bek. v. 18.1.1985 Sozialgesetzbuch, Buch VII, Gesetzliche Unfallversicherung v. 7.8.1996 Sozialgesetzbuch, Buch VIII, Kinder- und Jugendhilfe i. d. Bek. v. 8.12.1998 Sozialgesetzbuch, Buch X, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz i. d. Bek. v. 18.1.2001 Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land Nordrhein-Westfalen so genannt (-e; -er; -es; -en; -em) Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge v. 18.7. 1979 Staatshaftungsrecht Staatsrecht Strafgesetzbuch i. d. Bek. v. 13.11.1998 Staatshaftungsgesetz v. 26.6.1981 Staatshaftungsgesetz der Deutschen Demokratischen Republik i. d. Bek. v. 14.12.1988 Strafprozessordnung i. d. Bek. v. 7.4.1987 Strafrecht Straßenverkehrsgesetz i. d. Bek. v. 19.12.1952 Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz) v. 27.12.2004 Thüringer Kommunalordnung i. d. Bek. v. 14.4.1998 Tarifvertrag öffentlicher Dienst und unter anderem und ähnliche (-s) Urteil und so weiter unter Umständen vor; vom Variante Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen Versicherungsrecht Verwaltungsrecht Verwaltungsgerichtshof vergleiche von Hundert Vorbemerkung (-en)

Abkürzungsverzeichnis Vorbem. VR VVzASchO VwGO VwVfG WGV WM WRV z. z. B. ZfJ Ziff. ZPO zugl. ZZP

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Vorbemerkung (-en) Verwaltungsrundschau Allgemeine Schulordnung, Verwaltungsvorschriften Verwaltungsgerichtsordnung i. d. Bek. v. 19.3.1991 Verwaltungsverfahrensgesetz i. d. Bek. v. 21.9.1998 Württembergische Gemeindeversicherung Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen Teil IV Weimarer Reichsverfassung v. 11.8.1919 zum zum Beispiel Zentralblatt für Jugendrecht Ziffer Zivilprozessordnung i. d. Bek. v. 5.12.2005 zugleich Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung Diese Arbeit befasst sich mit der Aufsichtspflicht und Haftung von öffentlichen Einrichtungen nach § 832 BGB in Abgrenzung zur öffentlich-rechtlichen Aufsichtshaftung, dem Amtshaftungsanspruch. Einen Schwerpunkt der bisherigen Veröffentlichungen zu § 832 BGB bildet die elterliche Aufsichtshaftung. Aufsichtspflichten über Minderjährige oder andere aufsichtsbedürftige Personen werden aber auch von öffentlichen Einrichtungen, z. B. Kindergärten, wahrgenommen. Eine öffentliche Einrichtung haftet kraft Gesetzes oder Vertrages für Schäden, die eine aufsichtsbedürftige Person widerrechtlich einem Dritten zufügt; die Haftung trifft in diesen Fällen den Einrichtungsträger und/oder das Aufsichtspersonal. Der Bereich der öffentlichen Einrichtungen wurde bisher – insbesondere im Schrifttum – vernachlässigt und nur am Rande bearbeitet. Die Thematik der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen, die mehrere Schnittstellen zum öffentlichen Recht aufweist, dreht sich im Wesentlichen um vier Kernprobleme: Die Qualifikation der Aufsichtspflicht als privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich in einzelnen öffentlichen Einrichtungen; die Bestimmung der Kriterien für eine gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht; die unterschiedlichen Anforderungen an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und der Eltern; sowie die Übertragbarkeit der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch. Der kommunalrechtlich besetzte Begriff der öffentlichen Einrichtung ist Ausgangspunkt der Prüfung und Einfallstor für das öffentliche Recht im weiteren Verlauf der Untersuchung. Im Rahmen des öffentlichen Handelns ist der Betrieb von öffentlichen Einrichtungen dem Bereich der Leistungsverwaltung zuzuordnen. Diese Arbeit befasst sich im Wesentlichen mit denjenigen öffentlichen Einrichtungen, die in öffentlich-rechtlicher Organisationsform betrieben werden und deren Träger eine Kommune ist. Diese Schwerpunktsetzung liegt in dem Umstand begründet, dass sich in dieser Konstellation weitere praxisrelevante Folgeprobleme stellen. Nach absolut herrschender Auffassung besteht bei öffentlichrechtlicher Trägerschaft der Einrichtung im Bereich der Leistungsverwaltung ein Wahlrecht zwischen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses der öffentlichen Einrichtung. Von dieser Einordnung in eines der beiden Rechtsgebiete hängt die entscheidende Frage der Qualifizierung der Aufsichtspflicht als öffentlich-rechtliche oder als privatrechtliche Aufsichtspflicht ab. Damit wird zugleich die wichtige Folgefrage mitbestimmt, welches Haftungsregime einschlägig ist. Bei der Einordnung

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Einleitung

als privatrechtliche Aufsichtspflicht ist § 832 BGB als Haftungsgrundlage einschlägig. Eine Besonderheit bei öffentlichen Einrichtungen ist, dass ein Dritter im Sinne des § 832 BGB entweder eine andere aufsichtsbedürftige Person aus der Einrichtung oder ein einrichtungsfremder externer Dritter sein kann. Diese beiden Fallkonstellationen sind wegen der unterschiedlichen Auswirkungen, insbesondere im Hinblick auf die Haftung der öffentlichen Einrichtung und die Beweislastverteilung, auseinander zu halten. Die privatrechtliche Wahrnehmung der Aufsichtspflicht bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die öffentliche Einrichtung von den verfassungsrechtlichen Bindungen befreit wird, die ihr der soziale Rechtsstaat bei der Erfüllung ihrer Aufgaben auferlegt. Ist die Aufsichtspflicht dagegen als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, stellt sie sich als Amtspflicht dar mit der Folge, dass sich die Aufsichtshaftung der öffentlichen Einrichtung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG richtet. Vor dem Hintergrund des den öffentlichen Einrichtungsträgern zustehenden Wahlrechts hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen, ist die hier beispielhaft angeführte Ausführung von Palandt/Sprau1, dass bei öffentlichen psychiatrischen Einrichtungen oder Heimen, öffentlichen Kindergärten und Schulen § 832 BGB durch die Amtshaftung verdrängt werde, ebenso ungenau wie insgesamt wenig hilfreich. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich eine weitere Schnittstelle zum öffentlichen Recht, die es erfordert, die notwendigen Abgrenzungsfragen zwischen öffentlichem und privatem Recht zu klären sowie einen Blick auf das Staatshaftungsrecht zu werfen. Oftmals bereitet es Schwierigkeiten, die jeweilige Benutzungsordnung bzw. die Rechtsbeziehung zwischen dem geschädigten Dritten und der Einrichtung dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen. Aus diesem Grund und wegen der Tatsache, dass der Anwendungsbereich der privatrechtlichen Aufsichtshaftung nach § 832 BGB durch das öffentliche Recht erheblich beschränkt wird, rechtfertigt sich die detaillierte rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht in einzelnen ausgewählten Haftungsbereichen. Aus dem Bereich der erzieherisch tätigen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wird die rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht in Kindergärten sowie in Kinderheimen vorgenommen. Bei den Erziehungseinrichtungen ergeben sich bereits bei der Begründung der Aufsichtspflicht zahlreiche Berührungspunkte mit dem Bereich der elterlichen Aufsichtspflicht. Auch im weiteren Verlauf der Arbeit wird eine Vergleichsbetrachtung zwischen der elterlichen Aufsichtspflicht und der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen vorgenommen, wodurch die bestehenden Unterschiede aufgezeigt werden, die gleichzeitig auch die divergierenden Anforderungen zwischen der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und rein privater Aufsichtspflicht aufdecken. Zu den in dieser Arbeit behandelten öffentlichen Einrichtungen gehören auch die öffentlichen Schulen sowie die psychiatrischen 1

Palandt/Sprau, § 832 Rn. 3.

Einleitung

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Krankenhäuser. Für diese Einrichtungen werden anhand der existierenden Rechtsprechung und Literatur, die im Vergleich zu der elterlichen Aufsichtsführung rar gesät ist, Kriterien aufgestellt, die als Maßstab zur Bestimmung der gehörigen Erfüllung der Aufsichtspflicht herangezogen werden können. Die bisherigen Veröffentlichungen beschäftigen sich fast ausschließlich mit der Konkretisierung der elterlichen Aufsichtsführung. Insbesondere für den Bereich der psychiatrischen Krankenhäuser findet sich nahezu keine dahingehende Bearbeitung. Die vorgenommene Auswahl an öffentlichen Einrichtungen deckt sich mit der praxisrelevanten Rechtsprechung zu der Aufsichtshaftung von öffentlichen Einrichtungen. Um die Bearbeitung praxisnah zu gestalten, wurde in den zuvor genannten öffentlichen Einrichtungen stichprobenartige Feldforschung betrieben, die einen Blick auf die praktische Handhabung ermöglicht sowie der Untermauerung von gefundenen Ergebnissen gedient hat. Von Bedeutung im Rahmen des Kontextes von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG ist ihr Konkurrenzverhältnis sowie die damit eng zusammenhängende Frage der Übertragung der Beweislastregel von § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch. Praktische Auswirkungen hat dieses Problem insofern, als der geschädigte Dritte im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs die volle Beweislast trägt, während ihm bei § 832 BGB die Beweislastumkehr hinsichtlich der schuldhaften Aufsichtspflichtverletzung und deren Kausalität für den Schaden zugute kommt. Diese Schlechterstellung des Geschädigten würde entfallen, wenn auch im Rahmen der Amtshaftung die Beweislastumkehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung fände. Auch wegen dieser unterschiedlichen Beweislastverteilung gewinnt eine rechtsdogmatische Einordnung in das öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Haftungsregime entscheidend an Bedeutung. Als Grundlage der Untersuchung werden in § 1 die entscheidenden Haftungsgrundlagen § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG kurz erläutert. Daran schließt sich die Darstellung der im öffentlichen Recht geltenden Grundsätze zur Bestimmung des Benutzungsverhältnisses an. In § 3 werden einige bei der öffentlichen Aufsichtsführung geltende Besonderheiten dargestellt, wobei insbesondere auf die Frage eingegangen wird, ob eine Übertragung der Aufsichtspflicht innerhalb der Einrichtung zu einer Pflichtenreduzierung des Einrichtungsträgers führt. Die Ausführungen in § 4 beschäftigen sich mit den Rechtsgrundlagen der Aufsichtspflicht in den ausgewählten Einrichtungen der Tageseinrichtungen für Kinder, Kinderheime, Schulen und psychiatrischen Krankenhäuser. Da die Eltern als originär Aufsichtspflichtige nicht nur die Beaufsichtigung, sondern auch die Erziehung auf die Erziehungseinrichtung für die Dauer des Aufenthaltes übertragen, ist es erforderlich, sowohl den öffentlichen wie auch den elterlichen Erziehungsauftrag darzustellen. Zudem ist das Verhältnis und der gegenseitige Einfluss von Aufsicht und Erziehung für die Bestimmung des Aufsichtsumfanges von entscheidender Bedeutung. In § 5 wird dann die rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht der ausgewählten Einrichtungen vorgenommen und anhand

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Einleitung

praktischer Beispiele untermauert. Daran anschließend beschäftigt sich § 6 mit dem Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht – einem der Kernprobleme der Norm des § 832 BGB. Hier werden für die einzelnen Einrichtungen anhand der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur Kriterien herausgearbeitet, die als Maßstab zur Bestimmung der gehörigen Erfüllung der Aufsichtspflicht herangezogen werden können. Bei den Erziehungseinrichtungen wird eine Vergleichsbetrachtung zwischen der elterlichen und der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen vorgenommen und es werden die unterschiedlichen Anforderungen aufgezeigt. Im darauf folgenden § 7 wird die Haftung von öffentlichen Einrichtungen im Einzelnen dargestellt, wobei zwischen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, der Haftung des Einrichtungsträgers und des Aufsichtspersonals unterschieden wird. In diesem Abschnitt wird ferner dargelegt, nach welchem Maßstab sich die Haftungsverteilung zwischen Einrichtungsträger und seinen Bediensteten richtet, wobei auch auf die Besonderheiten der Haftung im öffentlichen Dienst und den Versicherungsschutz eingegangen wird. Schließlich wird die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Aufsichtspflichtverletzungen des Aufsichtspflichtigen behandelt. Zur Vorbereitung von § 9 wird die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB untersucht. In Anlehnung an die Reformdiskussion bei der elterlichen Aufsichtspflicht wird die Frage der Rechtfertigung der Beweislastumkehr für den Kreis der aufsichtspflichtigen öffentlichen Einrichtungen am Beispiel der Erziehungseinrichtungen diskutiert. Der letzte Teil der Arbeit befasst sich schließlich mit dem Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Problem der Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch gewidmet. In diesem Kontext werden auch die konkreten Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung dargestellt, die für den Bereich der Aufsichtshaftung in psychiatrischen Kliniken eine kurze Auseinandersetzung mit dem Beweisrecht des Arzthaftungsprozesses erforderlich machen. Abschließend werden in § 10 die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst.

§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG I. Einordnung des § 832 BGB in das Haftungssystem des BGB § 832 BGB ist bei den Vorschriften der unerlaubten Handlungen normiert. § 832 BGB stellt einen eigenständigen Haftungstatbestand dar, nach dem der Aufsichtspflichtige für den Schaden verantwortlich ist, den der Aufsichtsbedürftige einem Dritten widerrechtlich zufügt. § 832 Abs. 1 S. 2 BGB schließt die Haftung aus, wenn der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht genügt hat oder der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Aufsicht entstanden sein würde.

1. Aufsichtsbedürftige Personen Der Aufsicht bedürfen Minderjährige sowie diejenigen, die wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes den Minderjährigen insofern vergleichbar sind, als auch hier eine Aufsichtsführung erforderlich ist. Hierunter fallen z. B. psychisch Kranke, geistig oder körperlich Behinderte, Blinde und Epileptiker1.

2. Die öffentliche Einrichtung als Aufsichtspflichtige Es haftet derjenige für die durch die Aufsichtsbedürftigen verursachten Schäden Dritter, dem kraft Gesetzes gem. § 832 Abs. 1 S. 1 BGB oder gem. § 832 Abs. 2 BGB kraft Vertrages die Aufsichtsführung obliegt. Aufsichtspflichtig können natürliche und juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie des Privatrechts sein2. Der Grund für die Haftung des Aufsichtspflichtigen besteht nach den Gesetzesmaterialien darin, dass die Minderjährigen und die ihnen wegen geistiger und körperlicher Mängel gleichgestellten Personen wegen ihrer „Beschaffenheit“ gefährlich seien3. Das Thema dieser Arbeit beschränkt den Gegenstand der Untersuchung auf die öffentlichen Einrichtungen als Aufsichtspflichtige. Eine Begrenzung des aufsichtsbedürftigen Personenkreises findet hingegen nicht statt. 1 2 3

Schoof, S. 24. Scheffen/Pardey, Rn. 169. Mugdan II, S. 1090.

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

Im Rahmen des öffentlichen Handelns ist die Errichtung und Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen dem Bereich der Leistungsverwaltung zuzuordnen4. Als Oberbegriff hat sich hier der Begriff der Daseinsvorsorge eingebürgert, unter den die vielfältigsten Funktionen der leistenden Verwaltung subsumiert werden können5. Mit den öffentlichen Einrichtungen stellt der Staat im weiteren Sinne (einschließlich der Kommunen) den Bürgern im Rahmen der Daseinsvorsorge Leistungen und Einrichtungen zur Benutzung zur Verfügung6. Diese dienen der Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen des einzelnen Bürgers7. Daraus ergibt sich gleichzeitig die Bandbreite des Leistungsangebotes, angefangen von Einrichtungen der Freizeitgestaltung wie Schwimmbäder oder Freizeitlager, über Förderungseinrichtungen, wie z. B. Kindergärten, Kinderheime und Schulen, bis hin zu Einrichtungen zur Sicherstellung menschlicher Grundbedürfnisse, wie beispielsweise öffentliche Krankenhäuser. Theoretisch und praktisch kann man in jeder dieser öffentlichen Einrichtungen den aufsichtsbedürftigen Kreis des § 832 BGB, insbesondere die Minderjährigen, antreffen. Wegen dieser Vielzahl öffentlich-rechtlicher Aufsichtspflichtiger muss sich die Untersuchung auf diejenigen Einrichtungen beschränken, die wegen des Praxisbezuges den Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung und wissenschaftlicher Diskussion bilden. a) Begriff der öffentlichen Einrichtung Die öffentliche Einrichtung ist ein kommunalrechtlich besetzter Begriff. Der Gesetzgeber erwähnt die öffentlichen Einrichtungen in einer Vielzahl von Normen der einzelnen Gemeindeordnungen der Länder8. Eine Legaldefinition findet sich hingegen nicht; es hat sich aber eine allgemein anerkannte Definition herausgebildet. Unter einer kommunalen öffentlichen Einrichtung ist eine Zusammenfassung personeller und sachlicher Mittel, d.h. eine organisatorische Einheit zu verstehen, die von einer Kommune im öffentlichen Interesse unterhalten und durch Widmung den Einwohnern zur bestimmungsgemäßen Nutzung zugänglich gemacht wird9. Die Kommune kann öffentliche Einrichtungen in eigener Trägerschaft unterhalten, aber auch juristische Personen des öffentlichen und des Privatrechts in die Leistungserbringung einbinden10. Für die Qualifikation als öffent4

Peine, Allg. VerwR., § 2 Rn. 37. Seit Forsthoff, VerwR., Vorbem. vor § 20, S. 370. 6 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 528; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 68. 7 Maurer, Allg. VerwR., § 1 Rn. 16. 8 § 8 Abs. 2 GO NW; § 10 Abs. 2 S. 2 GemO BW; Art. 21 Abs. 1 S. 1 GO Bay; § 14 Abs. 1 GO Bbg; § 22 Abs. 1 NGO; § 14 Abs. 2 GemO RhPf; § 19 Abs. 1 KSVG; § 22 Abs. 1 GO LSA; § 10 Abs. 2 SächsGemO; § 14 Abs. 1 ThürKO; § 14 Abs. 2 KV M-V; § 18 Abs. 1 S. 1 GO Schl.-H. 9 Dietlein, Jura 2002, 445 (446). 10 Erichsen, Jura 1986, 148 (150); Dietlein, Jura 2002, 445 (446). 5

I. Einordnung des § 832 BGB in das Haftungssystem des BGB

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liche Einrichtung ist es daher unerheblich, in welcher Rechtsform die Einrichtung errichtet und betrieben wird. Unter den Begriff der öffentlichen Einrichtung fallen daher nicht nur die in öffentlich-rechtlicher Organisationsform betriebenen Einrichtungen, wie z. B. der Regiebetrieb, Eigenbetrieb oder die öffentlich-rechtliche Anstalt; darunter können auch Einrichtungen der Gemeinde subsumiert werden, die von einem rechtlich verselbständigten privatrechtlichen Träger, wie beispielsweise einer AG, GmbH oder eines e. V., betrieben werden11. In Abgrenzung zur privaten Einrichtung ist für die Qualifizierung als öffentliche Einrichtung, die im öffentlichen Interesse von einer Kommune unterhalten wird, bereits begriffsnotwendige Voraussetzung, dass sich die Gemeinde bei privatrechtlicher Trägerschaft vertraglich oder durch Organisationsstatut maßgeblichen Einfluss auf die Zweckbestimmung und den Betrieb der Einrichtung vorbehält12. b) Öffentlich-rechtliche Organisationsformen Bei der Wahl einer der nachfolgenden öffentlich-rechtlichen Organisationsformen befindet sich die Einrichtung in Trägerschaft der Kommune. aa) Anstalt des öffentlichen Rechts Ein ebenso häufiges wie wichtiges Beispiel für eine öffentlich-rechtliche Organisationsform einer öffentlichen Einrichtung ist die öffentliche Anstalt. Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine verwaltungsrechtliche Organisationsform, mit der Gemeinden Aufgaben vorwiegend im Bereich der Daseinsvorsorge erfüllen13. Die öffentlich-rechtliche Anstalt ist ein Bestand von Mitteln, sachlichen wie persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind14. Die nichtrechtsfähige Anstalt ist – im Gegensatz zur rechtlich selbständigen und rechtsfähigen Anstalt – nur organisatorisch selbständig, aber rechtlich ein Teil des Bestandes oder Vermögens eines Verwaltungsträgers15. Dies bedeutet, dass die öffentliche Einrichtung regelmäßig in der Trägerschaft der Kommune bleibt16. Der Versuch einer Abgrenzung der öffentlichen Einrichtung von der öffentlichen Anstalt ist bis heute Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses17. Die 11

OVG Rheinland-Pfalz DÖV 1986, 153; Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 80. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR., Bd. 3, § 95 Rn. 202; OVG Rheinland-Pfalz DÖV 1986, 153; BVerwG NJW 1990, 134 (135); Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 529; Dols/Plate, KommunalR., S. 65; Pappermann, JZ 1969, 485 (489). 13 Maurer, Allg. VerwR., § 23 Rn. 46. 14 Wolff/Bachof/Stober/Müller, VerwR., Bd. 3, § 88 Rn. 2. 15 Battis, Allg. VerwR., S. 53. 16 Dietlein, Jura 2002, 445 (446). 17 Siehe dazu ausführlich Bartels, S. 70 ff. 12

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

Begriffe der Anstalt des öffentlichen Rechts und der öffentlichen Einrichtung dürfen nicht gleichgesetzt werden. Aufgrund der vorliegenden Gemeinsamkeiten – der organisatorischen Verselbständigung durch sachliche und persönliche Mittel – kann eine nichtrechtsfähige Anstalt einer Kommune bei Nutzbarkeit durch die Einwohner durchaus auch eine öffentliche Einrichtung sein18. Bestätigt wird dies z. B. durch die Vorschrift § 114a Abs. 1 S. 1 GO NW, nach der es im Ermessen der Gemeinde steht, eine öffentliche Einrichtung in der Organisationsform der öffentlichen Anstalt zu errichten. Steht die Anstalt der Nutzung durch die Einwohner nicht offen, wie z. B. bei Forschungs- und Versuchsanstalten19, besteht zwar eine öffentliche Anstalt, aber eine öffentliche Einrichtung liegt wegen fehlender Indienst- bzw. Bereitstellung für die Bürger nicht vor20. Als Beispiel für eine öffentliche Einrichtung, die in Form einer unselbständigen Anstalt organisiert ist, ist die öffentliche Schule zu nennen (§ 6 SchVG NW)21. Aufgrund des Befundes, dass die hier in Rede stehenden öffentlichen Einrichtungen in der Regel in der Form der öffentlichen Anstalten organisiert sind22, ist eine trennscharfe Abgrenzung der im Einzelnen noch zu behandelnden öffentlichen Einrichtungen – was auch nicht Ziel der Arbeit sein sollte – im Folgenden entbehrlich. bb) Regiebetrieb Der Regiebetrieb ist eine unselbständige Einheit der Gemeindeverwaltung. Er ist organisatorisch, personell und haushaltsrechtlich in die gemeindliche Verwaltung eingegliedert23. Die Kommune kann die öffentliche Einrichtung somit in eigener „Regie“ führen, die als funktionelle Einheit in der Trägerschaft der Kommune bleibt. In der Regel werden solche Einrichtungen in der öffentlich-rechtlichen Organisationsform des Regiebetriebes geführt, die nicht oder nur in geringem Umfange wirtschaftlich tätig sind und eine einfache Binnenstruktur aufweisen24.

18 Erichsen, Jura 1986, 148 (152); Wolff/Bachof/Stober/Müller, VerwR., Bd. 3, § 88 Rn. 7; Battis, Allg. VerwR., S. 53. 19 Wolff/Bachof/Stober/Müller, VerwR., Bd. 3, § 88 Rn. 7; Erbguth, VR 1982, 14 (16). 20 Erichsen, Jura 1986, 148 (152); Bartels, S. 89; Dietlein, Jura 2002, 445 (446); Erbguth, VR 1982, 14 (15 f.). 21 Erichsen, Jura 1986, 148 (152); Zacharias, Kommunalrecht NW, S. 223; OVG Münster NJW 1980, 901; Bartels, S. 224; Dietlein, Jura 2002, 445 (446); Peine, Allg. VerwR., § 2 Rn. 37; Dols/Plate, KommunalR., Rn. 134; Brehm, S. 9; a. A.: Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 531; Schmidt, Allg. VerwR., Rn. 104. 22 Staudinger/Rawert, § 89 Rn. 19; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 528. 23 Dietlein, Jura 2002, 445 (446). 24 Vgl. Steiner/Seewald, Bes. VerwR., Rn. 290.

I. Einordnung des § 832 BGB in das Haftungssystem des BGB

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cc) Eigenbetrieb Organisatorisch stärker verselbständigt ist demgegenüber der Eigenbetrieb, der eigene Organe und ein finanzielles Sondervermögen besitzt. Die rechtlichen Einzelheiten regeln Eigenbetriebsgesetze oder Verordnungen25. Diese Rechtsform eignet sich für größere öffentliche Einrichtungen. c) Privatrechtliche Organisationsformen Wenn die Kommune eine privatrechtliche Organisationsform für den Betrieb ihrer Einrichtung wählt, dann befindet sich die öffentliche Einrichtung in privatrechtlicher Trägerschaft. Die verschiedenen Möglichkeiten der privatrechtlichen Organisationsformen stehen in engem rechtssystematischen Kontext mit dem Themenkreis der Privatisierung26. Die in diesem Zusammenhang bestehenden vielfältigen Problemkreise sind nicht Gegenstand dieser Arbeit. Die Darstellung beschränkt sich daher auf eine kurze Skizzierung der Privatisierungsformen. aa) Organisationsprivatisierung Die Gemeinde erledigt ihre Aufgabe der Daseinsvorsorge durch die Errichtung oder Übernahme einer sog. kommunalen (Eigen-)Gesellschaft, in Form einer GmbH, AG oder eines e. V. Der Betrieb der Einrichtung ist zwar privatrechtlich organisiert, aber es liegt materiell öffentliche Verwaltung vor. Aufgrund dessen wird diese Form auch formelle Privatisierung genannt, da eben nur formal ein Wechsel des Einrichtungs- bzw. Aufgabenträgers stattfindet27. Ist die Trägerkommune zu 100% an der juristischen Person des Privatrechts beteiligt, liegt eine Eigengesellschaft vor28. bb) Funktionelle Privatisierung Bei der funktionellen Privatisierung bezieht der Staat einen unabhängigen privaten Drittunternehmer als Einrichtungsträger sowie als Erfüllungsgehilfen in die Leistungserbringung mit ein. Gleichwohl behält die Gemeinde sowohl die Zu25

Steiner/Seewald, Bes. VerwR., Rn. 289. Tettinger/Erbguth/Mann, Bes. VerwR., § 7 Rn. 246 f. 27 Dietlein, Jura 2002, 445 (447); BGH NVwZ-RR 2000, 703 (704): In dem diesem Beschluss zu Grunde liegenden Fall wurde ein Hallenbad durch ein von der Stadt beherrschtes privatrechtliches Unternehmen (hier: GmbH) errichtet, verwaltet und unterhalten: Das Hallenbad wurde von einer GmbH, deren Alleingesellschafterin die Stadt ist, errichtet. Die Verwaltung und Unterhaltung des Hallenbades obliegt einer 100%igen Tochter-GmbH, deren Geschäftsanteile die Stadt ebenfalls innehat. In allen den Bau und den Betrieb des Hallenbades betreffenden Fragen hat die Stadt mithin das Sagen. 28 Tettinger/Erbguth/Mann, Bes. VerwR., § 9 Rn. 308. 26

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

ständigkeit als auch die Verantwortung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe29. cc) Materielle Privatisierung Der Vollständigkeit halber ist abschließend die materielle Privatisierung bzw. Aufgabenprivatisierung zu nennen. Hier liegt bereits keine öffentliche Einrichtung mehr vor, da der Verwaltungsträger seine Aufgabenzuständigkeit vollständig aufgibt und dem privat organisierten Bereich überträgt30. Neben den dargestellten öffentlich-rechtlichen Möglichkeiten der Organisation beschränkt sich diese Arbeit auf diejenigen privatrechtlichen Organisationsformen von öffentlichen Einrichtungen, welche von der Kommune gegründet und/ oder vollständig beherrscht werden und die Gemeinde daher durch sie Leistungen an den Bürger erbringt. Den Standardfall und den wesentlichen Teil der Untersuchung bilden aber die von einer Kommune (d.h. einer Gemeinde oder eines Landkreises) in einer öffentlichen Organisationsform betriebenen Einrichtungen. Diese Schwerpunktsetzung ist dem Umstand geschuldet, dass sich einzig in dieser Konstellation weitere für diese Arbeit relevante Folgeprobleme stellen, welche in § 2 ausgeführt werden.

3. Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen Die Aufsichtspflicht resultiert zum einen daraus, dass der Aufsichtspflichtige die Entstehung von Schäden am wirksamsten verhindern kann, zum anderen aus dem Umstand, dass die Führung der Aufsicht originär kraft Gesetzes oder durch vertragliche Übernahme gerade dieser Person obliegt31. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Aufsichtspflicht in öffentlichen Einrichtungen sowohl originär kraft Gesetzes als auch vertraglich begründet werden kann. a) Aufsichtspflicht kraft Gesetzes § 832 Abs. 1 BGB normiert selbst keine gesetzliche Aufsichtspflicht. § 832 Abs. 1 S. 1 BGB setzt sie als normativ anderweitig bestehend voraus. In den Kommentierungen findet sich zu allererst der Hinweis auf die elterliche Aufsichtspflicht, die sich aus der Vorschrift des § 1631 Abs. 1 BGB ergibt, die Teil der Personensorge ist. Eine gesetzliche Aufsichtspflicht kann sich aber auch für öffentliche Einrichtungen aus dem einschlägigen Bundes- oder Landesrecht ergeben32. 29 30 31 32

Maurer, Allg. VerwR., § 23 Rn. 62. Zacharias, S. 229 f. Erman/Schiemann, § 832 Rn. 1. Palandt/Sprau, § 832 Rn. 5; Eckert, S. 14.

I. Einordnung des § 832 BGB in das Haftungssystem des BGB

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b) Aufsichtspflicht kraft Vertrages Nach § 832 Abs. 2 BGB haften auch die Personen, die durch Vertrag die Aufsichtspflicht übernommen haben. Die noch in den Entwürfen zum BGB zu findende Formulierung, die Aufsichtspflicht müsse „für den kraft Gesetzes Verpflichteten“ übernommen worden sein, ist von der Reichstagskommission in ihrer letzten Sitzung gestrichen worden. Damit wurde festgeschrieben, dass eine vertragliche Haftungsübernahme auch dann stattfinden soll, wenn es an einem kraft Gesetzes Verpflichteten fehlt33. Darin wird zugleich die dogmatische Besonderheit des § 832 BGB sichtbar. Sowohl die gesetzliche als auch die vertragliche Aufsichtspflicht begründen eine Pflicht, die dem eigentlichen deliktischen Verhältnis vorgelagert ist, aber gleichwohl eine Haftung für außenstehende Dritte begründet34. Dies stellt eine Konstellation dar, die sich sonst im Deliktsrecht nicht wieder findet. Das Deliktsrecht knüpft im Allgemeinen an die tatsächliche Verletzung von Rechtsgütern an, unabhängig von einer etwaigen schuldrechtlichen Verpflichtung. Sofern eine öffentliche Einrichtung die Aufsichtspflicht privatrechtlich wahrnimmt, womit der Anwendungsbereich des § 832 BGB eröffnet ist, liegt oftmals eine vertragliche Übernahme der Aufsicht nach § 832 Abs. 2 BGB vor. Für die Anwendbarkeit des § 832 Abs. 2 BGB ist nicht von Bedeutung, mit wem der Vertrag geschlossen wurde. Vertragspartner kann der kraft Gesetzes Aufsichtspflichtige, der Aufsichtsbedürftige bzw. sein gesetzlicher Vertreter oder aber ein Dritter sein35. Auf Seiten der öffentlichen Einrichtung wird regelmäßig der Rechtsträger der Einrichtung Vertragspartner und damit aufsichtspflichtig. Für die Anforderungen an das Zustandekommen eines Vertrages gelten die allgemeinen Regeln. Der Aufsichtsvertrag muss wirksam zustande gekommen sein. Er kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend erfolgen36. Gerade bei der Aufnahme einer aufsichtsbedürftigen Person in eine Einrichtung stellt sich das Problem, dass die Pflicht zur Beaufsichtigung oftmals nicht ausdrücklicher Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung ist37. Die Annahme eines stillschweigenden Aufsichtsübernahmevertrages setzt die Feststellung eines Rechtsbindungswillens voraus. Der für einen Vertrag erforderliche Rechtsbindungswille dient als Abgrenzungskriterium zu einer bloßen Gefälligkeit. Eine bloße Gefälligkeit hat nur dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der die Aufsicht Übernehmende den Willen zu einer vertragsrechtlichen Bindung hat38. Dieser Rechtsbindungswille 33

Prot. II, S. 596. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 2. 35 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 31; Bernau, S. 47; Eckert, S. 19; Palandt/Sprau, § 832 Rn. 6; Scheffen/Pardey, Rn. 192. 36 MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 16; Soergel/Krause, § 832 Rn. 13. 37 OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (409). 38 Palandt/Heinrichs, Einl. v. § 241 Rn. 7. 34

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

kann anhand eines Bündels von Indizien festgestellt werden39. Solche Indizien sind z. B. die Entgeltlichkeit der Aufsichtsübernahme oder die Einräumung einer umfassenden Personenfürsorge einschließlich Erziehungsauftrag40. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da § 832 Abs. 2 BGB den Vertrag als Haftungsvoraussetzung fordert. Die tatsächliche Übernahme der Haftung ist dagegen noch keine stillschweigende Vereinbarung, so dass sie als Vertragsgrundlage für eine Haftung nach § 832 Abs. 2 BGB ausscheidet41. Eine so weit reichende Außenhaftung dritten Personen gegenüber lässt sich mit einer faktischen Übernahme der Aufsichtshaftung nicht vereinbaren. Damit scheiden insbesondere gelegentlich kurzfristige Beaufsichtigungen für ein pflichtenbegründendes Aufsichtsverhältnis aus42. Bei der Aufnahme in erzieherisch tätige Einrichtungen oder in ein Krankenhaus wird regelmäßig ein stillschweigender Vertragsschluss hinsichtlich der Aufsichtsführung angenommen43. Das OLG Koblenz führte aus, dass der Heimträger mit Aufnahme des Aufsichtsbedürftigen eine vertragliche Verpflichtung zur Aufsichtsführung einging, ohne dass es insoweit noch einer besonderen Erklärung bedurfte44. Aus dem Vorgenannten folgt, dass sich der Anwendungsbereich des § 832 Abs. 2 BGB auch nicht durch eine Analogie erweitern lässt. Hier fehlt es bereits an den Voraussetzungen für eine Analogie. Eine planwidrige Regelungslücke für die Fälle tatsächlicher Aufsichtsübernahme lässt sich schon anhand der Entstehungsgeschichte des § 832 BGB verneinen. Im Gegensatz zu dem mit einer öffentlichen Einrichtung stillschweigend geschlossenen Aufsichtsvertrag fehlt es an einem solchen Verpflichtungswillen oder der Vertragsschluss scheitert wegen Unwirksamkeit45. Der Fall der tatsächlichen Aufsicht wurde gerade nicht mit in den Anwendungsbereich der Norm genommen. Auch eine vergleichbare Interessenlage liegt nicht vor. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass für die faktische Aufsichtsübernahme dann auch die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung finden würde. Damit würde die Beweislastumkehr diejenigen treffen, die eine vordeliktische Pflichtenbindung durch Vertrag oder Gesetz gerade nicht eingegangen sind46. Entlastungsmöglichkeiten werden sich aufgrund der häufig nicht auf Dauer angelegten Beaufsichtigungsverhältnisse als eher schwierig gestalten. Letztendlich würde § 832 BGB dadurch zu einem allgemeinen Haftungstatbestand für Aufsichtspflichtige jeder Art ausufern. Für die Fälle 39

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 32. Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 13; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 33. 41 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 41; Palandt/Sprau, § 832 Rn. 6; Erman/Schiemann, § 832 Rn. 5; RGRK/Kreft, § 832 Rn. 25; a. A.: Soergel/Krause, § 832 Rn. 14. 42 Schoof, S. 33. 43 OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (409). 44 OLG Koblenz NJW-RR 1997, 345; so auch AG Königswinter NJW-RR 2002, 748. 45 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 41. 46 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 44. 40

I. Einordnung des § 832 BGB in das Haftungssystem des BGB

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der tatsächlichen Aufsicht verbleibt es mithin bei der sachgerechten Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB. Im Rahmen der Aufsichtsführung in einer kommunalen öffentlichen Einrichtung besteht die Besonderheit, dass der Einrichtungsträger die von ihm übernommene Aufsicht auf seine Bediensteten oder Beamten weiter überträgt. Der mit dem Einrichtungsträger abgeschlossene Arbeitsvertrag verpflichtet den Angestellten, die seiner Obhut anvertrauten Personen so zu beaufsichtigen, dass sie und Dritte vor Schaden bewahrt werden47. Die Bediensteten übernehmen im Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse die Aufsichtspflicht zugleich als Dienstpflicht. Darin liegt eine vertragliche Übernahme der Aufsichtsführung i. S. v. § 832 Abs. 2 BGB48. Bei einer Aufsichtspflichtverletzung durch das Aufsichtspersonal haften die Bediensteten wegen der arbeitsvertraglichen Übernahme daher nach § 832 Abs. 2 BGB. Wie bereits ausgeführt wurde, ist für die Haftungsbegründung durch Vertrag keine Voraussetzung, dass dieser mit dem Aufsichtsbedürftigen selbst oder mit dem originär Verpflichteten abgeschlossen wird. Die im Rahmen des Arbeitsvertrages von dem eingesetzten Aufsichtspersonal zu beachtenden Verhaltens- und Schutzpflichten sind nach Art und Umfang identisch mit denen im Bereich der Deliktshaftung bestehenden Aufsichtspflichten49.

4. Widerrechtliche Schadenszufügung Der objektive Tatbestand des § 832 BGB setzt weiter voraus, dass der Aufsichtsbedürftige einem Dritten widerrechtlich einen Schaden zufügt. Widerrechtliche Schadenszufügung bedeutet, dass der Aufsichtsbedürftige den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB verwirklicht hat50. Ein schuldhaftes Verhalten der aufsichtsbedürftigen Person ist nicht erforderlich51. Das mangelnde Schulderfordernis beruht u. a. auf dem Gedanken, dass das Verschuldenserfordernis nach § 828 BGB fehlen kann, die Haftung des Aufsichtspflichtigen aber dennoch gewährleistet bleiben muss. Der verursachte Schaden muss eine adäquate Folge des Verhaltens des Aufsichtsbedürftigen sein52. Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist weder der Aufsichtsbedürftige selbst noch der Aufsichtspflichtige53. An dieser Drittreduktion wird deutlich, dass Schutzgut des § 832 BGB die Allgemeinheit ist; gerade diejenigen Personen werden geschützt, die außerhalb des Aufsichtspflichtverhältnisses von Aufsichtsführendem 47 48 49 50 51 52 53

Eckert, S. 187. Hartmann, VersR 1998, 22. OLG Hamm FamRZ 1995, 167 (168). Schoof, S. 34. Palandt/Sprau, § 832 Rn. 7. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 48. Bernau, S. 62 f.; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 47.

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

und Aufsichtsbedürftigem stehen54. Bei öffentlichen Einrichtungen muss hinsichtlich des geschädigten Dritten unterschieden werden. Dritter kann zum einen ein weiterer Aufsichtsbedürftiger aus der Einrichtung sein, zum anderen kann der geschädigte Dritte auch eine Person sein, die außerhalb des Benutzungsverhältnisses der Einrichtung steht55.

5. Verletzung der Aufsichtspflicht Ausgangspunkt für das Tatbestandsmerkmal der Aufsichtspflichtverletzung ist das Handlungsgebot des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB, welches zum Inhalt hat, dass der Aufsichtspflichtige seiner gesetzlichen oder vertraglichen Aufsichtspflicht „zu genügen hat“. Der Tatbestand des § 832 BGB gibt aber keine Auskunft darüber, unter welchen Voraussetzungen eine gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht vorliegt. In der einschlägigen Rechtsprechung findet sich immer wieder der stereotype Satz, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht über die Aufsichtsbedürftigen nach deren Alter, Eigenart und Charakter bestimmt, wobei sich die Grenze der erforderlichen Maßnahmen grundsätzlich danach richtet, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen Dritter zu verhindern56. Dem Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht von verschiedenen öffentlichen Einrichtungen wird ein eigener Abschnitt gewidmet57.

6. Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB tritt die Ersatzpflicht des Aufsichtspflichtigen nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre. Damit ist eine doppelte Beweislastumkehr normiert58. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass zunächst der Kläger darlegen und beweisen muss, dass dem Beklagten eine Aufsichtspflicht in der schadensträchtigen Situation oblag. Da es nicht um die ordnungsgemäße Erfüllung einer abstrakten Aufsichtspflicht geht, liegt eine Pflicht zur Aufsicht erst dann vor, wenn ein Aufsichtsanlass in der konkreten Situation bestand. Der Kläger wird seiner Darlegungs- und Beweislast in der Regel bereits durch den Vortrag des konkreten Schadensgeschehensablaufs und der äußeren Umstände, wie beispielsweise Alter der Kinder und Gefährlichkeit der Umgebung, genügen59. 54

Scheffen/Pardey, Rn. 170. Ollmann, ZfJ 2004, 1 (5); siehe Bernau, S. 63. 56 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; AG Flensburg NJW-RR 1999, 1041; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 671. 57 Unten § 6. 58 Schoof, S. 38. 59 Ausführlich dazu Bernau, S. 374 ff. 55

II. Einordnung von § 839 BGB in das Haftungssystem

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Der Aufsichtspflichtige trägt die Beweislast hinsichtlich der Aufsichtspflichtverletzung und der Kausalität zwischen der Handlung bzw. Unterlassung und dem Schaden. Auch wenn es dem Wortlaut so nicht zu entnehmen ist, geht damit die Haftung für vermutetes eigenes Verschulden einher60. Die Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt lässt sich bereits aus der Verletzung der Aufsichtspflicht herleiten61. Gelingt der Entlastungsbeweis nicht, ist von einer Beweislastumkehr hinsichtlich einer schuldhaften Aufsichtspflichtverletzung zu Lasten des Aufsichtspflichtigen auszugehen. Die Beweislastregel wird in § 8 ausführlich behandelt.

II. Einordnung von § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG in das Haftungssystem Der Anwendungsbereich des § 832 BGB wird durch das öffentliche Recht erheblich beschränkt. Sofern die Aufsicht im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit geführt wird, kommt als Haftungsgrundlage der Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG in Betracht62. Danach hat der Bürger gegen den Staat dann einen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Schäden, wenn ein Amtswalter eine ihm gegenüber dem Bürger als „Dritten“ obliegende Amtspflicht schuldhaft verletzt hat. Die geltende Rechtsgrundlage für den Anspruch aus Amtshaftung bildet § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG63. Anspruchsgrundlage ist weder § 839 BGB noch Art. 34 GG jeweils für sich allein genommen. Beide Vorschriften müssen vielmehr zusammen gelesen werden64. Der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG bildet einen Bestandteil des umfassenderen Staatshaftungsrechts65. Obwohl die Beamtenhaftung rechtssystematisch dem Bereich der unerlaubten Handlung angehört66 und für Amtshaftungsansprüche der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist67, gehört der Amtshaftungsanspruch als Rechtsmaterie dem öffentlichen Recht an68. Isoliert betrachtet regelt § 839 60

Palandt/Sprau, § 832 Rn. 1. Siehe Staudinger/Belling, § 832 Rn. 6. 62 Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 1056. 63 Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 10; Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 1054. 64 Detterbeck/Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 8 Rn. 2; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 20. 65 Ossenbühl, NJW 2000, 2945 (2948); Palandt/Sprau, § 839 Rn. 1. 66 Detterbeck/Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 8 Rn. 7. 67 Bei der persönlichen Inanspruchnahme des Beamten ergibt sich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte aus § 13 GVG. Sofern sich der Anspruch gegen die haftende Körperschaft richtet, folgt die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte unmittelbar aus Art. 34 S. 3 GG. Die Landgerichte sind streitwertunabhängig nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG erstinstanzlich zuständig. 68 Ossenbühl, NJW 2000, 2945 (2948); Detterbeck/Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 8 Rn. 1, 7; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 18. 61

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

BGB dagegen unmittelbar nur die Beamtenhaftung als einen Sondertatbestand des privatrechtlichen Deliktsrechts69. Danach haftet der Beamte im Rahmen seiner hoheitlichen oder fiskalischen Amtstätigkeit persönlich unabhängig davon, ob der Beamte seine Pflichten im Rahmen des hoheitlichen oder des privatrechtlichen Bereiches verletzt hat70. Die Beamtenhaftung ist erst später durch die Haftungsüberleitungsnorm des Art. 34 GG – die nur für den hoheitlichen Bereich gilt – modifiziert worden. Im Unterschied zu § 839 BGB, der nur Beamte im statusrechtlichen Sinn erfasst, erweitert Art. 34 GG einerseits die Haftung des Dienstherrn auf die Inanspruchnahme jedweden Amtswalters („jemand“), begrenzt andererseits aber die Haftung des Dienstherrn auf Amtspflichtverletzungen im hoheitlichen Tätigkeitsbereich („in Ausübung eines öffentlichen Amtes“)71. Art. 34 GG verlagert die den handelnden Amtswalter aus § 839 BGB persönlich treffende Schadensersatzverpflichtung auf den Hoheitsträger. Diese Überleitung auf den Staat ist zum einen aus dem Grund eingeführt worden, dass der Bürger in Gestalt des Staates einen leistungsfähigen Schuldner erhalten sollte72. Dieser Schutzzweck verleiht Art. 34 GG eine rechtsstaatliche Funktion73. Zum anderen sollte – im Interesse der Funktionsfähigkeit der Verwaltung – eine Beeinträchtigung der Initiative und Einsatzbereitschaft des Beamten durch das Risiko einer uneingeschränkten persönlichen Haftung gegenüber dem Geschädigten verhindert werden74. Aufgrund der personalen Anknüpfung der Amtshaftung handelt es sich um eine mittelbare und nicht um eine unmittelbare Staatshaftung75. Die Haftungsüberleitung schützt den Amtsträger nur vor einer Inanspruchnahme des Geschädigten im Außenverhältnis76. Im Innenverhältnis bleibt jedoch der Rückgriff gegen den Amtsträger gemäß Art. 34 S. 2 GG bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger Amtspflichtverletzung vorbehalten. Art. 34 S. 2 GG bildet keine eigenständige Anspruchsgrundlage, so dass spezialgesetzliche Vorschriften den Innenregress ermöglichen (z. B. § 78 Abs. 1 BBG; § 46 Abs. 1 BRRG)77. Die weitere Darstellung des Amtshaftungsrechts konzentriert sich im Wesentlichen auf die aufzuzeigenden Unterschiede zu der Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB. Die vielschichtigen weiteren Problemkreise des Amtshaftungsanspruchs werden nicht behandelt78. 69

MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 1. Soergel/Vinke, § 839 Rn. 6. 71 Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 9. 72 Palandt/Sprau, § 839 Rn. 1. 73 Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 9. 74 Soergel/Vinke, § 839 Rn. 8. 75 Soergel/Vinke, § 839 Rn. 6; MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 16. 76 Palandt/Sprau, § 839 Rn. 88. 77 Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 10. 78 Siehe dazu ausführlich m.w. N. die Kommentierung von Soergel/Vinke, § 839 Rn. 1 ff. 70

II. Einordnung von § 839 BGB in das Haftungssystem

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1. Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes Die Amtshaftung bildet nur dann die richtige Anspruchsgrundlage, wenn öffentlich-rechtlich gehandelt wurde79. Dieses Erfordernis folgt aus der Formulierung des Art. 34 GG „in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes“. Das „öffentliche Amt“ ist funktionell als öffentlich-rechtlicher Tätigkeitsbereich zu verstehen80. Hat ein Hoheitsträger privatrechtlich gehandelt, scheiden Amtshaftungsansprüche aus81. Es kommt mithin nicht auf die organisatorische Eingliederung oder auf die Rechtsstellung des Amtswalters, sondern entscheidend darauf an, ob jemand mit der Wahrnehmung hoheitlicher, einschließlich schlichthoheitlicher, Aufgaben betraut und in diesem Zusammenhang gehandelt hat82. Die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit ausgeübt wurde, tangiert die generelle Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht. Die rechtliche Qualifizierung im Einzelfall wird insbesondere dadurch erschwert, dass die öffentliche Verwaltung ihre öffentlichen Aufgaben auch in Anwendung und in den Formen des Privatrechts wahrnehmen kann83. Allgemein wird hinsichtlich der Handlungsarten der öffentlichen Verwaltung zwischen der Eingriffsverwaltung und der schlicht-hoheitlichen Leistungsverwaltung unterschieden. Die Unterhaltung einer öffentlichen Einrichtung ist in dem Bereich der Daseinsvorsorge des Staates und der Kommunen gegenüber den Bürgern angesiedelt84. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass die öffentliche Verwaltung in diesem Bereich ihre Aufgabe schlicht-hoheitlich wahrnimmt85. Allerdings fällt hier die Einordnung als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Tätigkeit besonders schwer, da nach gefestigter herrschender Auffassung im Bereich der Leistungsverwaltung ein Wahlrecht zwischen diesen beiden Handlungsformen besteht86. Speziell bei öffentlichen Einrichtungen ist der Anknüpfungspunkt für die Qualifizierung der Handlungsform die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses87. Anhand von Indizien ist zu ermitteln, welches Nutzungsregime die Verwaltung gewählt hat88. Die Darstellung der einzelnen Kriterien für die Qualifizierung des Benutzungsverhältnisses folgt im weiteren Verlauf der Arbeit in § 2 II. 79

Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 1056. Soergel/Vinke, § 839 Rn. 37. 81 Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 1056. 82 Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 12. 83 Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 9; Erichsen, Jura 1982, 537 (545). 84 Schmidt-Aßmann/Röhl, Bes. VerwR., Kap. 1 Rn. 104. 85 MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 149; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 53. 86 Schmidt-Aßmann/Röhl, Bes. VerwR., Kap. 1 Rn. 112; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 54. 87 Palandt/Sprau, § 839 Rn. 18. 88 Erbguth, VR 1982, 14 (17). 80

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

2. Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht Der Amtshaftungsanspruch setzt die Verletzung einer Amtspflicht, d.h. einer persönlichen Verhaltenspflicht, des Amtsträgers voraus89. Weder in § 839 BGB noch in Art. 34 GG sind die Amtspflichten im Einzelnen aufgezählt. Diese werden vielmehr vorausgesetzt und ergeben sich aus anderen Rechtsquellen90. Nach der Rechtsprechung macht es hinsichtlich des Inhalts der Aufsichtspflicht keinen Unterschied, welches Haftungsregime – entweder § 832 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG – zur Anwendung gelangt91. Die Begründung der Annahme, dass es sich auf die Aufsichtspflicht nicht auswirkt, ob die öffentliche Einrichtung ihr Benutzungsverhältnis privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet, ist Teil der nachfolgenden Untersuchung92.

3. Kausalität Hinsichtlich des Kausalitätserfordernisses muss – ebenso wie bei § 832 BGB – die Amtspflichtverletzung für den eingetretenen Schaden ursächlich sein. Insoweit ist allerdings eine korrigierende Wertung nach Maßgabe der sog. Theorie des sozialadäquaten Kausalzusammenhangs erforderlich93. Danach kann eine Ursächlichkeit nicht bereits dann angenommen werden, wenn die Amtspflichtverletzung conditio sine qua non für den Schadenseintritt ist. Hier wird bereits ein entscheidender Unterschied zu § 832 BGB sichtbar. Im Rahmen der Amtshaftung trägt der Geschädigte die Beweislast für die Ursächlichkeit des Schadenseintrittes, wohingegen dem Geschädigten bei § 832 BGB die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB zugute kommt. Hiernach muss gerade der Aufsichtspflichtige Umstände darlegen und beweisen, nach denen der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden wäre. Gelingt ihm dies nicht, so wird gemäß § 832 Abs. 1 S. 2 BGB die Kausalität zwischen der Aufsichtspflichtverletzung und dem Schaden vermutet.

4. Verschulden § 839 BGB setzt weiter voraus, dass der Beamte seine Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt haben muss. Dieses Verschuldenserfordernis gilt ebenfalls für die Amtshaftung des Staates nach Art. 34 GG, weil die vollständige Erfüllung des Tatbestandes des § 839 BGB Voraussetzung für die staatliche Haftungsüber89

Erman/Hecker, § 839 Rn. 41. Soergel/Vinke, § 839 Rn. 110. 91 OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 (858); LG Bremen NJW-RR 1999, 969; MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 5. 92 Siehe dazu unten § 6 I. 3. a) aa). 93 Erman/Hecker, § 839 Rn. 57; Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 26. 90

II. Einordnung von § 839 BGB in das Haftungssystem

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nahme ist. Die Amtshaftung ist demnach Verschuldenshaftung94. Die Ausgestaltung als Verschuldenshaftung bringt es mit sich, dass der durch eine Amtshandlung Geschädigte grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für alle Tatbestandsvoraussetzungen trägt. Er hat im Einzelnen die schuldhafte Amtspflichtverletzung, den Schaden sowie die Kausalität zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Schaden zu beweisen95.

5. Haftungsausschlüsse § 839 BGB sieht drei Haftungsbeschränkungen vor: Die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, das Spruchrichterprivileg gem. § 839 Abs. 2 BGB und den Haftungsausschluss wegen schuldhafter Versäumung eines Rechtsmittels nach § 839 Abs. 3 BGB. Sie schließen die Schadensersatzpflicht des Beamten und gleichzeitig die des Staates aus, da dieser gem. Art. 34 GG nur bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 839 BGB haftet. a) Anderweitige Ersatzmöglichkeit, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Hat ein Amtsträger fahrlässig gehandelt, kommt nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ein Amtshaftungsanspruch nur in Betracht, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz des Schadens verlangen kann. Bei dem Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit handelt es sich um ein negatives Tatbestandsmerkmal96. Als Folge dessen hat der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast auch für das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit zu tragen97. Da ein potentieller Mitschädiger das komplette Haftungsrisiko ohne Rückriffsansprüche im Innenverhältnis gegen den Amtsträger trägt, stellt die Subsidiaritätsklausel eine einseitige Haftungsprivilegierung des Staates dar98. Auf den historischen Hintergrund dieser Haftungsbeschränkung wird in § 9 III. 2. a) eingegangen. b) Spruchrichterprivileg, § 839 Abs. 2 S. 1 BGB § 839 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt die Haftung des Richters auf Pflichtverletzungen, die eine Straftat darstellen. Sinn und Zweck dieses „Spruchrichterprivilegs“ ist nicht der Schutz der richterlichen Unabhängigkeit, sondern die Gewährleistung des Rechtsfriedens auf der Grundlage der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen. Andernfalls stünde zu befürchten, dass bereits rechtskräftig ent94 95 96 97 98

MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 282. Tremml/Karger, Rn. 1087. Erman/Hecker, § 839 Rn. 66. Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 17. Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 30.

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§ 1 Erläuterung der Haftungsgrundlagen

schiedene Streitgegenstände unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung des Richters nochmals überprüft werden könnten99. c) Schuldhafte Rechtsmittelversäumung, § 839 Abs. 3 BGB Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine besondere Ausgestaltung des Mitverschuldensprinzips, welches in § 254 BGB seinen Niederschlag gefunden hat. Im Gegensatz zu § 254 BGB, der die Berücksichtigung von Umständen des Einzelfalles gestattet und so zu einer Verschuldensquotelung gelangen kann, geht § 839 Abs. 3 BGB von dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ aus100. Bei verschuldeter Nichteinlegung eines Rechtsmittels scheidet ein Amtshaftungsanspruch daher aus. Die Darlegungs- und Beweislast für die Kausalität der Rechtsmittelversäumung und des Verschuldens trifft den Staat, da es sich bei § 839 Abs. 3 BGB um einen rechtsvernichtenden Tatbestand handelt101. Auf die ratio dieses Haftungsausschlusses wird in § 9 III. 2. a) ausführlich eingegangen.

99

MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 323. MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 329. 101 Erman/Hecker, § 839 Rn. 76. 100

§ 2 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen im Allgemeinen Die Kommune trifft eine Haftung ihrer öffentlichen Einrichtungen bei Schädigungen anlässlich der Inanspruchnahme der Einrichtung. Das Rechtsregime der Aufsichtshaftung richtet sich grundsätzlich nach der Natur der Rechtsbeziehungen zum geschädigten Benutzer. Festgestellt werden muss daher, welcher Prüfungsmaßstab für die Qualifizierung der Aufsichtspflicht – insbesondere vor dem Hintergrund der Schädigung eines außerhalb des Benutzungsverhältnisses stehenden externen Dritten – in öffentlichen Einrichtungen gilt.

I. Grundsatz der Formenwahlfreiheit der Verwaltung Im Rahmen der Leistungsverwaltung ist die Verwaltung nach h. M. berechtigt, ihre gesetzlich zugewiesenen Aufgaben in den Formen des Privatrechts zu erfüllen, sofern die Rechtsordnung die Verwendung dieser Form nicht verbietet1. Die Wahlfreiheit bezieht sich sowohl auf die Organisationsform der Einrichtung als auch auf die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses2. Wird die öffentliche Einrichtung von einer juristischen Person des Privatrechts betrieben, deren Anteile sich ganz oder überwiegend in der Hand der Gemeinde befinden, dann ist auch das Benutzungsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Benutzer zwingend privatrechtlich ausgestaltet3. Diese rechtsqualitative Parallelität liegt darin begründet, dass dem privaten Rechtssubjekt die erforderliche Hoheitsgewalt fehlt, um die Nutzungsordnung dem Regime des öffentlichen Rechts zu unterstellen4. Haftungsgrundlage ist daher zwingend § 832 BGB5. Etwas anderes gilt nur, wenn die juristische Person durch oder aufgrund Gesetzes mit öffentlich1

Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 9; Erichsen, Jura 1982, 537 (545). Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 34 Rn. 33; von Danwitz, JuS 1995, 1 (2); Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 9; Peine, Allg. VerwR., § 3 Rn. 194. 3 Erichsen, Jura 1986, 196 (198); Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 81; Tettinger/Erbguth/Mann, Bes. VerwR., § 7 Rn. 250. 4 Erichsen, Jura 1986, 196 (198). 5 In den Urteilen, die eine Aufsichtshaftung einer Einrichtung nach § 832 BGB zum Gegenstand haben, kann oftmals anhand der im Urteilstatbestand enthaltenen Informationen letztlich nicht geklärt werden, ob es sich bei einer in privatrechtlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtung um eine autonome private Einrichtung handelt oder ob die Voraussetzungen für die Qualifikation als öffentliche Einrichtung vorliegen, deren privatrechtlicher Organisationsform sich die Kommune im Rahmen ihrer Wahlfreiheit bedient hat. 2

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§ 2 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht

rechtlichen Handlungs- und Entscheidungsbefugnissen ausgestattet ist6. Hat sich die Kommune hingegen für ihr daseinsvorsorgendes Leistungsangebot einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform bedient, dann besteht ein Wahlrecht zwischen einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses7. Angesichts dieser Wahlfreiheit kommen damit öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Haftungsgrundlagen in Betracht. Allerdings bedeutet die Wahl einer – von der Kommune beherrschten – privatrechtlichen Organisationsform oder die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses nicht zwangsläufig, dass der Einrichtungsträger keinerlei öffentlichen Bindungen unterliegt8. Die Kommune bedient sich bei der Ausübung öffentlicher Aufgaben lediglich privatrechtlicher Gestaltungsmittel, bleibt aber auch bei privatrechtlichem Handeln Zuordnungssubjekt von Normen des öffentlichen Rechts9. In einem solchen Fall werden die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht)10. Nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts bleibt die Kommune daher beim Betrieb ihrer öffentlichen Einrichtung nicht nur an die Grundrechte, sondern auch an die tragenden öffentlich-rechtlichen Grundsätze, insbesondere an die Zuständigkeitsnormen, die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden11. Der Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts erstreckt sich zudem auf die von der Kommune errichteten bzw. beherrschend unterhaltenen privatrechtlich organisierten Rechtssubjekte, die in die Leistungserbringung gegenüber den Bürgern einbezogen werden12. Durch die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses und die Beherrschung einer juristischen Person des Privatrechts kann sich die kommunale Gebietskörperschaft mithin den öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht entziehen („keine Flucht in das Privatrecht“). Erfüllt der Staat die öffentlichen Aufgaben weder in privatrechtlicher Organisations- noch Handlungsform (Verwaltungsprivatrecht) , dann findet eine echte Aufgabenverlagerung auf eine private Einrichtung statt (materielle Privatisierung), die das Vorliegen einer von der Kommune unterhaltenen öffentlichen Einrichtung ausschließt13.

6

Z. B. im Fall der Beleihung, so Erman/Hecker, § 839 Rn. 30. Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 34; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 29. 8 Zu den Auswirkungen der öffentlich-rechtlichen Bindungen auf die Aufsichtsführung siehe unten in § 6 I. 3. a). 9 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 80. 10 OVG Lüneburg NVwZ 1990, 91 (92); Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 80 f.; von Danwitz, JuS 1995, 1 (2); Ossenbühl, NJW 2000, 2945 (2947). 11 Bartels, S. 237; Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 81; siehe auch Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 535. 12 BGH DVBl 1984, 1118 (1119) = BGH NJW 1985, 197 (200). 13 Siehe zu den einzelnen Privatisierungsformen oben § 1 I. 2. c). 7

II. Indizien für die Bestimmung des Nutzungsregimes

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Oftmals bereitet es allerdings Schwierigkeiten, die jeweilige Benutzungsordnung dem öffentlichen oder privaten Recht und damit verbunden einem Haftungsregime zuzuordnen. Abzustellen ist hier auf den „Willen“ des Trägers der öffentlichen Einrichtung14. Er drückt sich regelmäßig in der rechtlichen Ordnung des Benutzungsverhältnisses aus. In der Benutzungsordnung ist daher nach Anhaltspunkten bzw. Indizien zu suchen, die auf das Vorliegen eines öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Nutzungsregimes schließen lassen15.

II. Indizien für die Bestimmung des Nutzungsregimes Von der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Einrichtung darf nicht auf eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung auch des Benutzungsverhältnisses geschlossen werden, da die öffentlich-rechtliche Organisationsform ja gerade die Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Nutzungsregimes eröffnet. Ein Kriterium für die Einordnung des Nutzungsregimes ist zunächst die rechtliche Form der Benutzungsordnung. Entscheidet sich die Kommune für eine öffentlich-rechtliche Gestaltung des Benutzungsverhältnisses, hat sie die Möglichkeit, die Benutzungsordnung in den Formen der Satzung, des öffentlich-rechtlichen Vertrages oder der Allgemeinverfügung zu erlassen16. Umgekehrt indiziert das Fehlen eines förmlichen Satzungsbeschlusses nicht bereits das Vorliegen eines privatrechtlichen Nutzungsregimes17. Die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen spricht hingegen für ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis18. Von Bedeutung ist weiterhin die Art der Gegenleistung19. Die Erhebung einer Benutzungsgebühr spricht für einen öffentlich-rechtlichen Nutzungswillen20. Im Gegensatz dazu indiziert die Entrichtung von einem privaten Entgelt ein privatrechtliches Benutzungsverhältnis21. Findet sich ein Hinweis in der Benutzungsordnung auf öffentlich-rechtliche Rechtsbehelfe, und nicht auf das privatrechtliche Mahn- und Vollstreckungsverfahren, ist dies ein weiteres Indiz für ein öffentlich-rechtliches Nutzungsregime22. Ebenso von Bedeutung für die Qualifizierung der Benutzungsordnung können Durchführungsmodalitäten, wie z. B. ein Widerrufsvorbehalt oder ein Kündigungsrecht, sein23. Wenn nun aber durch Auslegung nicht ein14

Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 39; Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 36. Erbguth, VR 1982, 14 (17). 16 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 177; Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 33; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 29. 17 VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 (268). 18 Erichsen, Jura 1982, 537 (545). 19 Dietlein, Jura 2002, 445 (451). 20 Erbguth, VR 1982, 14 (17). 21 Dietlein, Jura 2002, 445 (451). 22 Vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 (268). 23 Dietlein, Jura 2002, 445 (451). 15

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§ 2 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht

deutig ein privatrechtliches Benutzungsverhältnis festgestellt werden kann, so ist nach zutreffender herrschender Auffassung als Regelvermutung von einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis auszugehen24. Diese Vermutung für die öffentliche Rechtsnatur geht davon aus, dass jedes Handeln der öffentlichen Verwaltung, das im Zusammenhang mit der Erfüllung einer durch öffentlichrechtlichen Rechtssatz zugewiesenen Aufgabe oder Zuständigkeit erfolgt, nach öffentlichem Recht beurteilt werden muss, solange der Wille, in privatrechtlicher Handlungsform tätig zu werden, nicht eindeutig in Erscheinung tritt25. Bei der Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen einem Allgemeinkrankenhaus bzw. psychiatrischen Krankenhaus zu seinen Patienten folgen Rechtsprechung und Literatur bei der Bestimmung des Haftungsregimes teilweise allerdings Kriterien, die von den soeben dargestellten Grundsätzen abweichen26.

III. Schädigungen Dritter beim Betrieb öffentlicher Einrichtungen Im Vorfeld der rechtlichen Qualifizierung der Aufsichtspflicht sind zunächst zwei unterschiedliche Fallkonstellationen auseinander zu halten. Dritter im Sinne von § 832 BGB kann zum einen ein weiterer Aufsichtsbedürftiger aus der Einrichtung sein, zum anderen kann der geschädigte Dritte auch eine Person sein, die außerhalb des Benutzungsverhältnisses steht27. Es stellt sich in letzterer Hinsicht die Frage, ob die rechtliche Qualifizierung der Schäden, die gerade nicht im Benutzungsverhältnis, sondern außerhalb eines bestehenden Rechtsverhältnisses, etwa durch faktische Einwirkungen nach außen, ein Dritter erleidet, die Rechtsnatur der Benutzungsordnung teilen.

1. Ansichten der Literatur Nach einer Ansicht28 schlägt die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses auch auf die Bestimmung der Haftungsgrundlage durch. Der Einrichtungsträger habe durch die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses seinen Willen in einer Weise und mit der Folge geäußert, dass daraus insgesamt – in Bezug auf Nebenoder Folgewirkungen der Benutzung der Einrichtung – auf die Anwendung des ge24 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 36; Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 33; Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 39; Dietlein, Jura 2002, 445 (451); Soergel/Vinke, § 839 Rn. 70. 25 VGH Mannheim NVwZ 1987, 701 (702); VGH Bad.-Württ. DÖV 1978, 569 (570 f.); VGH Bad.-Württ. ESVGH 25, 203 (205); Roth, S. 215. 26 Siehe unten § 5 IV. 27 Ollmann, ZfJ 2004, 1 (5); Eckert, S. 164. 28 Soergel/Vinke, § 839 Rn. 74; Erman/Hecker, § 839 Rn. 30; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 153 f.; BGHZ 54, 384 (387 f.).

III. Schädigungen Dritter

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wählten Nutzungsregimes geschlossen werden könne29. Die andere Auffassung30 führt an, dass Anspruchsgrundlage und Haftungsumfang für außerhalb der Einrichtung stehende Dritte nicht davon abhängen können, ob die Einrichtung im Verhältnis zu ihren Benutzern öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestaltet ist. Die maßgeblichen Kriterien bilden vielmehr der Aufgabencharakter und der Funktionszusammenhang sowie die Organisationsform der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe31. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass der Verwaltung im Bereich der Leistungsverwaltung zwar ein Wahlrecht hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe zustehe, es aber dem Verwaltungsträger gleichwohl nicht gestattet sei, sich durch eine Flucht in das Privatrecht den öffentlich-rechtlichen Bindungen zu entziehen32. Ebenso wenig sollte es dem Verwaltungsträger durch eine Übertragung des Nutzungsregimes nach außen möglich sein, die öffentlich-rechtliche Haftung gegenüber außenstehenden Dritten abzustreifen.

2. Rechtsprechung Die Rechtsprechung zu dieser Fallkonstellation erscheint nicht eindeutig. Das OLG Dresden qualifiziert die Aufsichtspflicht in einem staatlichen Kinderheim bei Schädigung eines außenstehenden Dritten als Amtspflicht33. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Kindern und der Trägerin seien öffentlich-rechtlicher Art mit der Folge, dass die Heimleiterin und die Erzieherin gegenüber den Kindern und in Bezug auf diese gegenüber Dritten Aufgaben in Ausübung eines öffentlichen Amtes wahrnehmen. Nachfolgend macht das OLG Dresden sowohl kurze Ausführungen zu Inhalt und Zweck der Aufgabe der öffentlichen Jugendhilfe als auch zu einer fehlenden privatrechtlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses. Somit bleibt letztlich unklar, welche Kriterien das Gericht heranzieht und ob die Rechtsnatur der Benutzungsordnung auf die Beziehung zu Dritten durchzuschlagen vermag. Auch das OLG Karlsruhe hat bei der Schädigung von außenstehenden Dritten durch Kindergartenkinder den Amtshaftungsanspruch für einschlägig erachtet. Hinsichtlich der Qualifizierung der Aufsichtspflicht weist das Gericht zunächst auf die öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Gesetze hin. Weiterhin stellt der Senat auf die kommunale Trägerschaft der Einrichtung als Gebietskörperschaft des öffentli29

Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 153 f. BGH MDR 1983, 824; OLG Nürnberg NJW 1994, 2032 (2033); Staudinger/ Wurm, § 839 Rn. 87; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR., Bd. 2, § 67 III 2 Rn. 45; Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 39. 31 OLG Nürnberg NJW 1994, 2032 (2033); Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR., Bd. 2, § 67 III 2 Rn. 45. 32 Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 28. 33 OLG Dresden NVwZ-RR 1997, 857 (857 f.). 30

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§ 2 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht

chen Rechts ab. Zusätzlich hat das OLG Karlsruhe die gängigen Indizien der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Beiträgen und der Regelung des Benutzungsverhältnisses durch Satzung herangezogen34.

3. Stellungnahme Die Gerichte nehmen die von der Literatur vertretene Differenzierung hinsichtlich des geschädigten Dritten bei der Bestimmung der Aufsichtspflicht nicht vor. Sie wenden vielmehr in einer Art Gesamtschau alle zur Verfügung stehenden Indizien zur Qualifizierung der Aufsichtspflicht an. Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf das Schutzbedürfnis des geschädigten Dritten an sich nicht zu beanstanden. Insbesondere das Argument der Flucht vor dem öffentlich-rechtlichen Haftungsregime überzeugt in den Fällen der Aufsichtshaftung allerdings nicht. Stellt man auf das Schutzbedürfnis des an der Rechtsbeziehung zwischen Träger und Benutzern unbeteiligten externen Dritten ab, so ergibt sich die Besonderheit, dass die Einschlägigkeit eines Amtshaftungsanspruches für den geschädigten Dritten nicht unbedingt von Vorteil ist. Ihn trifft im Rahmen des Amtshaftungsanspruches die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer schuldhaften Aufsichtspflichtverletzung sowie der Kausalität für den eingetretenen Schaden. Im Gegensatz dazu wird bei § 832 Abs. 1 S. 2 BGB die Verletzung der Aufsichtspflicht sowie die Ursächlichkeit vermutet. Den Entlastungsbeweis zu führen, obliegt dem Aufsichtspflichtigen. Nicht von der Hand zu weisen ist dagegen, dass im Rahmen des Amtshaftungsanspruches mit dem Staat ein solventer Schuldner gegeben ist. Auch die Kommunen sind nach allen Gemeinde- und Landkreisordnungen insolvenzunfähig35. Die gesicherte Zahlungsfähigkeit nützt dem Geschädigten aber dann nichts, wenn er im Rahmen des Amtshaftungsanspruches bereits an der Darlegungs- und Beweislast der Anspruchsvoraussetzungen scheitert. Ein tragender Grund, der gegen die Anwendung aller zur Verfügung stehenden Indizien spricht, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis kann daher die rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses auf die Bestimmung der Haftungsgrundlage für Schäden von externen Dritten durchschlagen.

34

OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427). Zwar sind auch Gemeinden und Landkreise grundsätzlich insolvenzfähig. Jedoch sind die Länder gemäß § 12 Abs. 1 Ziff. 2 InsO ermächtigt, abweichende Regelungen zu treffen. § 12 Abs. 1 InsO bezweckt, die Funktionsfähigkeit des Staates und staatlicher Organisationen in finanziellen Krisen aufrechtzuerhalten, MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 12 Rn. 1. Sämtliche Gemeinde- und Kreisordnungen machen von dieser Ermächtigung Gebrauch und erklären ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinden und Kreise für unzulässig; siehe beispielhaft für Nordrhein-Westfalen § 128 Abs. 2 GO NW, § 57 Abs. 3 KrO NW i.V. m. § 128 Abs. 2 GO NW; Brandenburg § 129 Abs. 2 GO Bbg, § 67 Abs. 2 LKrO Bbg i.V. m. § 129 Abs. 2 GO Bbg; und Bayern Art. 77 Abs. 3 GO Bay, Art. 71 Abs. 3 LKrO Bay. 35

§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen I. Handlungsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung Zunächst ist abstrakt zu betrachten, welche Besonderheiten sich hinsichtlich der Erfüllung der Aufsichtspflicht dadurch ergeben, dass sich die öffentlichen Einrichtungen in Trägerschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, zu der auch die Organisationsform der Anstalt des öffentlichen Rechts zählt, befinden. Übernimmt ein Einrichtungsträger kraft Vertrages die Aufsichtspflicht über einen Aufsichtsbedürftigen, so kann die Kommune als juristische Person des öffentlichen Rechts naturgemäß die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen nicht persönlich wahrnehmen. Er ist rechtsfähig, aber nicht handlungsfähig1. Die Handlungsfähigkeit wird durch die jeweiligen Organe und die für sie handelnden individuellen Organwalter geschaffen. Organe sind in den Verwaltungsträger eingegliederte, aber organisatorisch selbständige Einrichtungen, die dessen Zuständigkeit für diesen wahrnehmen2. Organwalter sind diejenigen Menschen, die konkret die den Organen zugewiesenen Zuständigkeiten ausüben, z. B. Beamte oder Angestellte. Das Handeln des Organwalters wird seinem Organ und damit dessen Verwaltungsträger als Zurechnungsendsubjekt zugeordnet3. Ein weiterer verwaltungsorganisationsrechtlicher Begriff ist der des Amtes. Das Amt stellt die kleinste Verwaltungseinheit dar4. Der Aufgabenbereich eines Amtes wird von einem Amtswalter für den Verwaltungsträger wahrgenommen. Grundsätzlich können diejenigen Personen, die Amtswalter sind, auch als Organwalter bezeichnet werden5. Festzuhalten ist zunächst, dass den Einrichtungsträger aufgrund Gesetzes oder vertraglicher Übernahme die unmittelbare Aufsichtspflicht trifft, welche durch seine Organe, letztlich durch die Amtswalter, wahrgenommen wird6.

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte In der Kommentarliteratur findet sich – ohne jede Einschränkung bzw. Präzisierung – die Feststellung, dass sich die Aufsichtspflichtigen zur Erfüllung ihrer 1 2 3 4 5 6

Battis, Allg. VerwR., S. 64. Battis, Allg. VerwR., S. 64. Maurer, Allg. VerwR., § 21 Rn. 43. Battis, Allg. VerwR., S. 64. Battis, Allg. VerwR., S. 65. Stelkens, S. 147.

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

Aufsichtspflicht der Hilfe Dritter bedienen können, da die Aufsichtspflicht i. S. d. § 832 BGB nicht höchstpersönlicher Natur ist und daher auf Dritte übertragen werden kann7. Dritter in diesem Sinne kann nicht nur eine natürliche Person, sondern auch eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts sein8. Dementsprechend ist beispielsweise ein Kindergarten als öffentliche Einrichtung als externer Dritter zu betrachten, auf den die Aufsicht übertragen werden kann.

1. Mittelbare Aufsichtspflicht Nach Auffassung der Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung im Schrifttum mutiert durch diese Übertragung auf Dritte der Inhalt der Aufsichtspflicht von einer unmittelbaren zu einer mittelbaren Aufsichtspflicht9. Die unmittelbare Aufsichtspflicht hat nunmehr derjenige inne, der die konkrete Einwirkungsmöglichkeit auf den Aufsichtsbefohlenen hat. Die mittelbare Aufsichtspflicht erschöpft sich in einer Organisationspflicht, welche die ordnungsgemäße Auswahl, Instruktion, Kontrolle und Information des im Außenverhältnis tätigen Personals umfasst10. Eine andere Ansicht vertreten Belling11 und Hartmann12, nach der sich die Aufsichtspflicht durch die Übertragung auf Dritte nicht zu einer mittelbaren Aufsichtspflicht verkürzt. Vielmehr hafte der originär Aufsichtspflichtige auch dann, wenn der Dritte die in der konkreten Situation gebotene Maßnahme nicht treffe. Auch Spindler ist der Auffassung, dass bei Einschaltung Dritter der Aufsichtspflichtige auch weiterhin für die in der konkreten Situation eintretende Aufsichtspflichtverletzung einstehen müsse13. § 832 BGB beinhalte für den originär Aufsichtspflichtigen die Pflicht, dass die erforderlichen und angemessenen Aufsichtsmaßnahmen wahrgenommen werden, und zwar entweder durch den Pflichtigen selbst oder durch einen Dritten. Es finde der Gedanke des § 278 BGB Anwendung, wonach jemand, der eine Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten übernommen habe, diese nicht dadurch erfüllen könne, dass er einen geeigneten Dritten mit der Erfüllung beauftragt. Zudem handele es sich bei § 832 BGB um den Sonderfall einer ausdrücklich normierten außerdeliktsrechtlichen, dem Familienrecht entstammenden Pflicht. Damit sei die Pflicht bewusst in die Nähe einer Sonderverbindung gerückt worden. Weiterhin sei es angebrachter, das Insolvenz7

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 113; siehe auch MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 19. Hartmann, VersR 1998, 22. 9 Bernau, S. 171. 10 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 120; Eckert, S. 31, der sich allerdings nicht mit dem Problem der inhaltlichen Verkürzung der Aufsichtspflicht befasst. 11 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 122 ff. 12 Hartmann, VersR 1998, 22 (23 ff.). 13 Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 18. 8

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte

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risiko denjenigen tragen zu lassen, der den Dritten auswählt. Denn er stehe dem Dritten, der regelmäßig sein Vertragspartner ist, näher als der Geschädigte. a) Stellungnahme Diese alternative Konzeption vermag nicht zu überzeugen. Zum einen begegnet dieser Lösungsansatz systematischen Bedenken, da der Gedanke einer unbedingten Einstandspflicht nach § 278 BGB nach h. M. im Deliktsrecht keine Anwendung findet. Auch die Parallelbetrachtung zu den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten macht deutlich, dass ebenfalls überwiegend eine mit der Übertragung der Garantenpflicht verbundene Verkürzung der Pflicht zu einer Organisationspflicht angenommen wird14. Zum anderen zeigt sich speziell bei der Übernahme der Aufsicht durch eine öffentliche Einrichtung, dass sich die Alternativkonzeption auf diese Konstellation nicht übertragen lässt. Die konsequente Anwendung dieses Ansatzes würde dazu führen, dass die Eltern für die tatsächliche Gewährleistung der Aufsichtspflicht einer vom Staat/Kommune betriebenen öffentlichen Einrichtung haften müssten. Eine derartige Haftungsverschärfung der Eltern als originär Verpflichteten für eine staatliche bzw. kommunale Einrichtung widerspricht bereits der Funktion der leistenden Verwaltung, die im Rahmen der Daseinsvorsorge den Bürgern Leistungen und Einrichtungen zur Verfügung stellt und den Bürger auf der anderen Seite nicht mit einem derartigen Haftungsrisiko belasten kann. Besonders deutlich wird dieser Widerspruch, wenn sich der Staat für sein daseinsvorsorgendes Angebot einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform bedient und das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. Da die Aufsichtspflicht damit als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist, findet § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG als Haftungsgrundlage Anwendung. Belling führt zur Haftung aus, dass der die Aufsicht Übertragende aus § 832 BGB hafte, wenn der Dritte die in der konkreten Situation gebotenen Maßnahmen nicht treffe und daher im Ergebnis nicht die verlangte Aufsicht gewährleistet habe. Ob und inwieweit der Dritte selbst hafte, sei demgegenüber gleichgültig15. Nach Ansicht von Hartmann haften der originär Verpflichtete und der Dritte dem Geschädigten im Außenverhältnis als Gesamtschuldner (§ 840 Abs. 1 BGB). Im Innenverhältnis soll dann der übernehmende Dritte alleine haften. Das Regressrisiko verbleibe damit bei dem ursprünglich Aufsichtspflichtigen16. Wenn nun aber dem Geschädigten der Amtshaftungsanspruch zur Seite steht, so scheidet eine Haftung der öffentlichen Einrichtung bereits dann aus, wenn die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB einschlägig ist. Fällt dem Beamten im haftungsrechtlichen Sinn also nur Fahrlässigkeit zur Last – was den Regelfall darstellt – so kann

14 15 16

So bereits selbst Staudinger/Belling, § 832 Rn. 124. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 124. Hartmann, VersR 1998, 22 (26).

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Nach der Alternativkonzeption kann der Geschädigte von den originär Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB Ersatz für die Schäden verlangen, die durch die Aufsichtspflichtverletzung der Angestellten der öffentlichen Einrichtung entstanden sind. Beim Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht kann der geschädigte Dritte dann nicht vortragen, dass eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Rahmen des Amtshaftungsanspruches nicht gegeben ist, was die Haftungsbeschränkung des Staates bzw. der Kommune zur Folge hat. Konsequenz ist, dass die Eltern im Ergebnis das komplette Haftungsrisiko ohne Rückgriffsansprüche im Innenverhältnis gegen den Amtsträger tragen. Die Subsidiaritätsklausel stellt sich damit als einseitige Haftungsprivilegierung des Staates zu Lasten des Geschädigten dar. Dieses Ergebnis ist gerade bei öffentlichem Handeln im Verhältnis Staat-Bürger nicht hinnehmbar, da es unter Zugrundelegung des alternativen Konzeptes zu einer einseitigen Haftungsverlagerung zu Lasten der Eltern kommt, denen überdies die aufsichtspflichtverletzende Handlung zugerechnet wird. Zudem spricht das oft zitierte Insolvenzrisiko im Rahmen der Aufsichtshaftung von öffentlichen Einrichtungen nicht für die Anwendung der Alternativkonzeption. Dem Geschädigten steht mit dem Staat bzw. der Kommune ein solventer Schuldner gegenüber. Selbst im Bereich der Fiskalhaftung des Staates wird dieser entweder ausschließlich oder neben der Aufsichtsperson als Gesamtschuldner nach außen in Anspruch genommen. Insgesamt zeigt sich, dass neben der von Belling und Hartmann bereits zugestandenen notwendigen Einschränkung bei gemeinsam sorgepflichtigen Ehegatten17 auch für den praxisrelevanten Bereich der öffentlichen Einrichtungen dieses Alternativmodell keine Anwendung finden kann. Unabhängig davon, dass es an einer der Gesetzessystematik standhaltenden Begründung mangelt, wird durch diese beiden Einschränkungen deutlich, dass eine konsequente und friktionsfreie Übertragung dieses Lösungsansatzes auf die vielgestaltigen Möglichkeiten der Übertragung der Aufsicht auf Dritte nicht möglich ist. Der ebenfalls im Schrifttum vorherrschende Streit, ob auch für den Fall einer nur tatsächlichen Übernahme der Aufsicht von einer pflichtenreduzierenden Inhaltsänderung auszugehen ist, kann dahinstehen, da bei der Aufsichtsübertragung an eine öffentliche Einrichtung – sofern die Aufsichtspflicht als privatrechtlich zu qualifizieren ist – oftmals ein Vertrag im Sinne des § 832 Abs. 2 BGB zustande kommt.

17

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 125; Hartmann, VersR 1998, 22 (26).

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte

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b) Mittelbare Aufsichtspflicht der Eltern unter besonderer Berücksichtigung der Übertragung der Aufsicht an eine öffentliche Einrichtung Auch bei der Frage der pflichtenreduzierenden Inhaltsänderung der Aufsichtspflicht durch Übernahme Dritter fällt auf, dass diese Problematik nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit der Übertragung auf private Personen behandelt wird. Die Delegation der Aufsicht an eine öffentliche Einrichtung wird hingegen vernachlässigt. Eine Haftung der die unmittelbare Aufsichtspflicht übertragenden Eltern als originär Verpflichtete kann sich nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur aus § 832 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Organisationspflicht ergeben. Inhaltlich konkretisiert beinhaltet diese Pflicht die ordnungsgemäße Auswahl und Kontrolle sowie die Information und Instruktion des Dritten18. Nach einem Urteil des Amtsgerichts Nordhorn wird die elterliche Aufsichtspflicht beispielsweise dadurch verletzt, dass ein 8-jähriges Kind in fremde Obhut gegeben wird und hierbei mit der Aufsichtsperson nicht genau abgesprochen wird, wie weit das Kind sich vom Aufsichtsort entfernen und ob es hierfür sein Rad benutzen darf19. aa) Auswahlpflicht Bereits bei dem Merkmal der Auswahlpflicht der Eltern macht sich der Unterschied zwischen der Übertragung der Aufsichtspflicht auf eine natürliche Person und auf eine öffentliche Einrichtung bemerkbar. Die Eltern kommen ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Auswahl nach, wenn sie eine zuverlässige und gewissenhafte Person mit der Aufsicht betrauen20. Bei der Übertragung der Aufsichtspflicht an eine öffentliche Einrichtung kommt ein Auswahlverschulden der Eltern jedoch faktisch nicht in Betracht. Unabhängig davon, dass die Eltern die für eine Beurteilung der Aufsichtsperson erforderlichen Einblicke in die internen Arbeitsabläufe und Personalausstattung der jeweiligen Einrichtung nicht haben, handelt es sich um eine vom Staat (Kommune) unterhaltene Einrichtung, so dass von einer ordnungsgemäßen Beaufsichtigung durch die Bediensteten auszugehen ist. Die mit der Erziehung von Kindern betrauten Berufsgruppen sind – unabhängig von den Umständen des Einzelfalles – generell zur Aufsichtsführung geeignet21. Im Rahmen der Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII entfällt die Auswahlpflicht gänzlich, wenn das Jugendamt die Erziehungseinrichtung aus-

18

PWW/Schaub, § 832 Rn. 15. AG Nordhorn Urteil vom 10.02.2005, Az.: 3 C 1673/04, DAR 2007, IV (Ls.). 20 BGH VersR 1968, 903 = BGH NJW 1968, 1672 (1673); LG Heilbronn VersR 1975, 457. 21 Eckert, S. 41. 19

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

wählt. Wegen des Fachkräftegebots nach § 72 Abs. 1 SGB VIII dürfen die Eltern auf eine qualifizierte Auswahl durch das Jugendamt vertrauen22. bb) Kontrollpflicht Auch die Pflicht der Eltern zur Kontrolle der Einrichtung bzw. der Aufsichtsperson obliegt wegen des organisationsrechtlichen Aufbaus in einer öffentlichen Einrichtung zumindest auch dem Träger bzw. Leiter der Einrichtung sowie den für die Kommunalaufsicht zuständigen Behörden. Daraus folgt, dass die Kontrollpflicht über das angestellte Personal in der Praxis von dem Leiter der Einrichtung ausgeübt wird, zumal er die notwendigen Einblicke in die Arbeitsabläufe hat und letztlich nur so eine sachgerechte Überprüfung gewährleistet ist. Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die originär Aufsichtspflichtigen von der Kontrollpflicht völlig befreit sind, jedoch wird bei der Delegation der Aufsichtspflicht an eine öffentliche Einrichtung diese Pflicht inhaltlich wie faktisch stark verkürzt. cc) Instruktions- und Informationspflicht Hinsichtlich der Intensität und Reichweite der Instruktions- und Informationspflicht der Eltern ergeben sich Unterschiede zwischen den einzelnen öffentlichen Einrichtungen. Wenn das Kind einen Kindergarten besucht, dann schreibt § 22a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB VIII eine Zusammenarbeit zwischen Institution und Erziehungsberechtigten vor. Diese Zusammenarbeit beinhaltet auch, dass die Eltern die für die Zeit des Aufenthaltes aufsichtspflichtige Einrichtung über Eigenschaften, Charakter und gegebenenfalls bestehende Verhaltensauffälligkeiten unterrichten, wenn aus diesen Umständen Gefahren für Dritte erwachsen können. Anderenfalls kann gerade zu Beginn der Betreuung die Aufsicht und Erziehung der Kinder in der Einrichtung nicht sichergestellt werden. Auf der anderen Seite obliegt aber auch der Kindergartenleitung im Zuge der gehörigen Erfüllung ihrer unmittelbaren Aufsichtspflicht, sich über die Eigenheiten und Fähigkeiten der zu betreuenden Kinder zu informieren. Allein aufgrund ihrer Qualifikation und Berufserfahrung ist für Erzieher gefahrträchtiges Handeln von Kindern oftmals aber auch vorhersehbar, so dass sie im Hinblick auf die ordnungsgemäße Gewährleistung der Aufsichtsführung mit der Verhaltensweise des Aufsichtsbefohlenen rechnen und dementsprechend Vorsorge treffen müssen. Wenn beispielsweise die Eltern die Vorliebe ihres Kindes, mit Scheren zu hantieren, dem Kindergartenpersonal nicht mitteilen und es dann bei Bastelarbeiten zu der Verletzung eines anderen Kindergartenkindes kommt, ist bereits fragwürdig, ob in diesen oder vergleichba22

Staudinger/Salgo, § 1631 Rn. 42.

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte

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ren Konstellationen eine Haftung der originär Aufsichtspflichtigen angenommen werden kann. Zu klären ist zunächst, ob die Eltern überhaupt verpflichtet sind, eine derartige Verhaltensauffälligkeit ihres Kindes zu offenbaren. In Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Düsseldorf23 könnte dies entbehrlich sein, weil das pädagogisch geschulte Kindergartenpersonal bei dem Umgang mit gefährlichen Gegenständen und in Ansehung der damit verbundenen Gefahren mit der Verletzungsgefahr rechnen musste. Speziell vor dem Hintergrund, dass den Tageseinrichtungen neben der Beaufsichtigung der Kinder auch ein Erziehungsauftrag (§ 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII) zukommt, obliegt dem Personal die Erziehungspflicht, die Kinder – insbesondere bei erstmaligem Gebrauch – über die Gefahren zu belehren und die sich anschließenden Aufsichtsmaßnahmen dementsprechend zu erhöhen. Hier ergibt sich ein Unterschied hinsichtlich der Anforderungen an die Aufsichtsführung von Kleinkindern und Kindern im Schulalter. Bei Kindern im Grundschulalter und Schülern im jugendlichen Alter hat die Rechtsprechung ausgeführt, dass bei Kindern dieser Altersgruppe das Bewusstsein der Verursachung von Schäden an Personen und Sachen bei gefährlichen Verhaltensweisen besteht. Das Lehrpersonal darf sich zunächst auf eine elterliche Erziehung, die auf Belehrung und Verbote gefährlicher Verhaltensweisen gerichtet ist, verlassen. Erst wenn es zu konkreten Vorfällen auf dem Schulgelände kommt, obliegt es den Lehrern, erzieherische und aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu treffen, indem die Gefahren erneut erörtert werden und gegebenenfalls ein Verbot ausgesprochen wird24. Schoof stellt zutreffend fest, dass die Aufsichtspflicht von Eltern und Lehrern in keinem zeitlichen Ausschließlichkeitsverhältnis steht. Während der Schulzeit seien die Eltern nicht von jeglicher Aufsichtspflicht befreit, sondern sie müssten in allgemeiner und vorbeugender Weise für ein schadensverhinderndes Verhalten ihres Kindes sorgen25. 23 OLG Düsseldorf OLGR 1992, 58: In diesem Fall der Aufsichtsübertragung an private Dritte hat das OLG Düsseldorf an die Informationspflicht keine hohen Anforderungen gestellt. Die Frau des Klägers hatte den 4-jährigen Sohn der Beklagten kurz allein in einem auf abschüssiger Straße geparkten Fahrzeug zurückgelassen. Das Kind löste die Bremse und die Automatikparkstellung des Autos, wodurch dieses bergab rollte und gegen ein anderes Auto prallte. Nach der Auffassung des Gerichts waren die Eltern nicht verpflichtet, die ihnen bekannte Neigung ihres Kindes, die Schalthebel an Fahrzeugen zu bedienen, zu offenbaren. Mit einer solchen Verhaltensweise müsse ein Kraftfahrer stets bei einem im Auto zurückgelassenen 4-jährigen Kind rechnen. Nicht zu vergleichen und daher auf diese Fallkonstellationen nicht übertragbar, ist beispielsweise eine Entscheidung des OLG Düsseldorf VersR 1976, 1133: Das OLG Düsseldorf hielt der Mutter und dem Stiefvater eines 13-jährigen Jungen vor, dass sie es unterlassen haben, dem Arbeitgeber des Sohnes, der bei diesem die Wagenwäsche durchführte, auf dessen Neigung zu „üblen Streichen und Straftaten“ hinzuweisen, die sich schließlich darin äußerte, dass der Junge mit einem Kundenfahrzeug eine Spritztour unternahm und dabei das Fahrzeug beschädigte. 24 OLG Düsseldorf VersR 1997, 314; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620 (1621). 25 Schoof, S. 32.

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

Im Kindergartenalter liegt der Fokus dagegen auf der vorsorglichen Belehrung und Überwachung der Kinder; das Aufsichtspersonal darf sich gerade zu Beginn des Besuches der Einrichtung wegen des geringen Alters weder auf die erfolgte Erziehung im Elternhaus verlassen noch mit einem besonnenen und verständigen Verhalten der Kinder rechnen. Theoretisch kommt eine gesamtschuldnerische Haftung des Aufsichtspersonals wegen Verletzung der konkreten Aufsichtspflicht und der Eltern wegen Verletzung der Instruktionspflicht als mittelbare Aufsichtspflicht gemäß § 840 Abs. 1 BGB in Betracht26. Im Verhältnis dieser Personen zueinander gilt § 840 Abs. 2 BGB nicht, da es sich nicht um Dritte im Sinne dieser Vorschrift handelt27. Der Ausgleich im Innenverhältnis richtet sich nach dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis oder nach §§ 426 Abs. 1 S. 1, 2. Hs., 254 BGB analog. Scheffen/ Pardey nehmen bei ihren Ausführungen zu der gesamtschuldnerischen Haftung ausdrücklich Bezug auf sich überschneidende Zuständigkeiten von Erziehern und Eltern28. Ein mitentscheidendes Kriterium für die Haftungsverteilung ist nach ihrer Ansicht das Maß des faktischen Einflusses, wobei dieses nicht nur den internen Ausgleich bestimmen, sondern bereits die Haftung im Außenverhältnis ausschließen können soll. Dieser Ansatz überzeugt insofern nicht, als der die Aufsicht Übernehmende stets die unmittelbare Aufsichtsführung und damit auch die in der Aufsichtssituation tatsächliche Einflussmöglichkeit innehat. Damit bliebe kein Raum für eine mittelbare Aufsichtspflichtverletzung in Form der Instruktions- und Informationspflicht der originär Aufsichtspflichtigen, vor allem wenn diese dadurch bereits im Außenverhältnis von der Haftung befreit würden. Nach Scheffen/Pardey drängen sich für die interne Alleinbelastung die Entgeltlichkeit von Verträgen sowie das Vorliegen einer besonderen Qualifikation zur Aufsicht und Betreuung auf. Wie bereits erläutert, bringt die fachliche Eignung des Kindergartenpersonals erhöhte Anforderungen an die unmittelbare Aufsichtsführung mit sich, die letztlich eine ausschlaggebende Bedeutung für den haftungsrechtlichen Innenausgleich hat. Insbesondere gehen die von dem Kinderund Jugendhilfegesetz vorgeschriebene Zusammenarbeit und die wechselseitigen Informationspflichten aber nicht so weit, dass einzelne Aufsichtssituationen abgesprochen werden müssen. Die Eltern haben sich durch den Vertragsschluss mit dem pädagogischen Konzept der Einrichtung einverstanden erklärt und die alltägliche Erziehung und Beaufsichtigung des Kindes übertragen. Nur auf diese Weise kann die Einrichtung ihren gesetzlich normierten Erziehungsauftrag erfüllen und ihre pädagogische Handlungskompetenz erhalten. Eine umfassende Abstimmungsverpflichtung zwischen der Elternschaft und den Erziehern ist weder zumutbar noch praktikabel. Bei geplanten gefahrträchtigen Unternehmungen, wie 26 27 28

RGRK/Kreft, § 832 Rn. 55; Soergel/Krause, § 832 Rn. 15; Bernau, S. 61. Vgl. Erman/Schiemann, § 831 Rn. 28; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 47. Scheffen/Pardey, Rn. 220 f.

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte

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beispielsweise Exkursionen, bei denen die Kinder mit dem öffentlichen Verkehr in Berührung kommen, ist es den Erziehern anzuraten, die Eltern zu informieren und sich eine Einverständniserklärung unterschreiben zu lassen. Damit obliegt nachweislich auch den Eltern die Pflicht, die Erzieher über den Stand der Verkehrserziehung zu informieren. Selbst bei der Annahme einer unterstellten Verletzung der Instruktionspflicht, ist der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der Eltern am Zustandekommen der Aufsichtspflichtverletzung jedoch sehr gering. Der nach den Regeln des § 254 BGB damit in Beziehung zu setzende Verschuldensanteil des unmittelbar Aufsichtspflichtigen würde derart überwiegen, dass der mittelbare Beitrag der Eltern in den häufigsten Fällen dahinter vollständig zurückträte. Bei Verletzung der mittelbaren Aufsichtspflicht würden die Eltern damit im Ergebnis im Innenverhältnis nicht haften. Betrachtet man dagegen Einrichtungen, die nicht erzieherisch tätig werden und das Aufsichtsverhältnis nicht auf Dauer angelegt ist, wie z. B. bei einem Allgemeinkrankenhaus, so trifft die originär Aufsichtspflichtigen auch hier grundsätzlich eine Instruktionspflicht. Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob eine Verletzung der mittelbaren Aufsichtspflicht unter dem Gesichtspunkt der unterlassenen Instruktion in Betracht kommt. Bei einem Aufenthalt in einem Allgemeinkrankenhaus steht die Heilbehandlung im Vordergrund29. Der Aufsichtsbedürftige kommt im Rahmen des Anstaltszwecks weder bestimmungsgemäß noch üblicherweise mit besonderen Gefahrenlagen oder gefährlichen Gegenständen in Berührung. Insofern besteht für die Eltern kein Anlass über etwaige Verhaltensauffälligkeiten aus der alltäglichen häuslichen Umgebung aufzuklären. Zudem wäre diese Instruktionspflicht aufgrund fehlender Anhaltspunkte oder Vorhersehbarkeit von Schadenskonstellationen zu unbestimmt, um daraus eine Verletzung der mittelbaren Aufsichtspflicht herleiten zu können. Es kann den originär Aufsichtsverpflichteten nicht zugemutet werden, den aufsichtsübernehmenden Dritten auf alle möglichen Schadenseventualitäten hinzuweisen. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die mittelbare Aufsichtspflicht der Eltern bei Übertragung der Aufsicht an eine öffentliche Einrichtung im Gegensatz zu dem privaten Bereich faktisch erheblich verkürzt ist. Dieses Ergebnis wird auch durch die Rechtsprechung bestätigt, die eine Verletzung der mittelbaren Aufsichtspflicht der originär Verpflichteten – wenn überhaupt – dann äußerst restriktiv handhabt. Hinsichtlich der Instruktionspflicht der Eltern lässt sich feststellen, dass diese bei den neben der Betreuung auch erzieherisch tätigen Einrichtungen, dem Grunde nach ein höheres Maß an Bedeutung erlangt. Im Ergebnis wird aber die elterliche Verantwortung auch hinsichtlich dieser Komponente oftmals durch die Verletzung der konkreten Aufsichtspflicht des erzieherischen Personals gerade auch im Hinblick auf die Haftungsquoten verdrängt.

29

BGH FamRZ 1976, 210 (211).

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

2. Pflichtenreduzierung bei Übertragung der Aufsichtspflicht innerhalb der öffentlichen Einrichtung? Auch innerhalb der Einrichtung stellt sich die Frage der pflichtenreduzierenden Übertragung der Aufsichtspflicht. So hat Belling die Übertragung der Aufsichtspflicht eines Rechtsträgers auf das Personal seiner Einrichtung kurz angesprochen. Er führt aus, dass auch eine Haftung aus § 832 Abs. 2 BGB nach ganz h. M. (nur) in Betracht kommt, wenn dem Rechtsträger ein Auswahl-, Instruktions- oder Organisationsverschulden zur Last fällt und verweist sodann auf seine Kritik an der h. M. sowie auf die bereits dargestellte Begründung seines Alternativkonzeptes30. Die Übertragung der Aufsichtspflicht innerhalb der Einrichtung muss im Zusammenhang mit öffentlichen Einrichtungen etwas differenzierter behandelt werden. Die Beantwortung der Fragestellung einer Pflichtenreduzierung innerhalb einer öffentlichen Einrichtung setzt zunächst die abstrakte Umschreibung des Pflichteninhalts der Aufsichtspflicht eines Einrichtungsträgers voraus. a) Aufsichtspflichten des Einrichtungsträgers Bei privatrechtlicher Wahrnehmung der Aufsichtspflicht wird die Aufsichtsführung häufig durch Vertrag mit dem originär Aufsichtspflichtigen übernommen. Die Aufsichtspflicht muss nicht unbedingt unmittelbar durch Einwirkung auf die aufsichtsbedürftige Person ausgeübt werden. Sie kann auch durch Sicherung von Personen und Sachen erfüllt werden, die mit der aufsichtsbedürftigen Person in Berührung kommen oder die durch den zu Beaufsichtigenden gefährdet werden. Den Einrichtungsträger trifft als Teil der Aufsichtspflicht zunächst eine Organisationspflicht. Diese umfasst alle erforderlichen organisatorischen und personellen Maßnahmen, die einen ordnungsgemäßen Betrieb der öffentlichen Einrichtung sicherstellen31. Als Beispiel ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BGH vom 02.12.1975 anzuführen32. Der Senat hat in diesem Fall eine Haftung des Trägers des Krankenhauses aus § 832 Abs. 2 BGB angenommen, da aufgrund der schlechten organisatorischen Verhältnisse auf der Kinderstation ein Säugling dadurch zu Schaden gekommen ist, dass ein im Nebenzimmer untergebrachter 7-jähriger Junge den Säugling aus dem Bettchen nehmen konnte und ihn fallen gelassen hat. Der BGH führt aus, dass der Träger organisatorisch im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren – beispielsweise durch den Erlass von Anweisungen an die Schwestern – zu gewährleisten hat, dass die Aufsichtspflicht über aufgenommene Kinder ausreichend wahrgenommen werden kann. Ebenfalls im Zusammenhang mit der Pflicht, die Aufsicht organisatorisch zu gewährleisten, hat der BGH in einem späteren Urteil vom 30 31 32

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 39. Eckert, S. 195; siehe auch Scheffen/Pardey, Rn. 207. BGH NJW 1976, 1145 ff.

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte

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19.01.1984 entschieden, dass die beklagte Landesklinik einer offenen psychiatrischen Station Dienstanweisungen darüber zu erteilen hat, dass und in welchem Umfang die Freizeitgestaltung der Patienten zu beaufsichtigen ist33. Wegen der Einrichtungsstruktur umfasst die Aufsichtspflicht auch die Auswahl, Instruktion, Kontrolle sowie die Information der für sie handelenden Aufsichtspersonen. Eine Aufsichtspflichtverletzung des Einrichtungsträgers kann sich daraus ergeben, dass eine Aufsichtsperson nicht ausreichend fachlich qualifiziert, zuverlässig und gewissenhaft ist34. Daneben kann beispielsweise auch die zahlenmäßig fehlerhafte Verteilung zwischen Aufsichtspersonen und Aufsichtsbedürftigen oder eine fehlerhafte Personalplanung ein die Aufsichtshaftung begründender Umstand sein35. Ausgehend davon, dass die Aufsichtshaftung des § 832 BGB einen Sonderfall der Konkretisierung des allgemeinen deliktischen Sorgfaltsgebotes darstellt, rückt die abstrakte Umschreibung des Pflichteninhalts eines Einrichtungsträgers in die unmittelbare Nähe zur Verkehrssicherungspflicht. Der Einrichtungsträger hat die notwendigen Vorkehrungen zur Sicherheit und zum Schutz der Benutzer seiner Einrichtung sowie der außenstehenden Dritten zu treffen. Insoweit kann sich eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in ihrer konkreten Ausprägung, die ursächlich für die vom Aufsichtsbedürftigen verursachte Schädigung eines Dritten ist, gleichzeitig als eine Aufsichtspflichtverletzung darstellen36. In diesem Fall tritt die Haftung aus dem allgemeinen Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB hinter den spezielleren Tatbestand für die Aufsichtshaftung aus § 832 BGB zurück37. Wie bereits dargestellt, sind juristische Personen des öffentlichen Rechts als abstrakte Gebilde selbst nicht handlungsfähig. Was die gehörige Erfüllung der konkreten Aufsichtspflicht anbelangt, muss daher auf die Organe und Organwalter abgestellt werden, die aufgrund der fehlenden Handlungsfähigkeit des Einrichtungsträgers für diesen handeln. Die Frage der eigenen Aufsichtspflichtverletzung des Einrichtungsträgers ist aus diesem Grund eng mit der Übertragung der Aufsicht auf andere Personen bzw. auf sein Personal verbunden. Denn auch der Einrichtungsträger genügt allein mit der Übertragung der Aufsicht nicht seiner Aufsichtspflicht. Damit ist auch innerhalb der Einrichtung der Bereich der pflichtenreduzierenden Übertragung der Aufsichtspflicht tan33 BGH VersR 1984, 460 (462): Der Senat hat hier zunächst § 832 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage gegen den Klinikträger geprüft und den gebotenen Umfang der Aufsichtsführung dahingehend konkretisiert, dass das Freizeitverhalten der aggressiven jugendlichen Patienten stichprobenartig zu überwachen sei. Die Verpflichtung, eine Dienstanweisung entsprechenden Inhalts zu erlassen, hat der BGH auf § 831 BGB gestützt, wobei auch § 832 Abs. 2 BGB als Haftungsgrundlage in Betracht gekommen wäre. Dies zeigt der zuvor erwähnte Fall der Organisationspflichtverletzung eines Krankenhausträgers, dessen Haftung der BGH allein auf § 832 Abs. 2 BGB gestützt hat. 34 Marburger, VersR 1971, 777 (782); siehe auch Staudinger/Belling, § 832 Rn. 39. 35 OLG Frankfurt a. M. NVwZ-RR 2010, 479 (480); Eckert, S. 216. 36 Näher dazu unten § 6 I. 2. f) aa). 37 BGH NJW 1976, 1145 f.; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 3; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 163.

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

giert. Hinsichtlich des Personals, durch welches der Träger seine Aufsichtspflicht ausüben lässt, bestehen Unterschiede, die sich zugleich auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht des Einrichtungsträgers auswirken. b) Organe und verfassungsmäßig berufene Vertreter Die handelnden Organe bzw. die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der kommunalen Einrichtung sind nicht nur organisationsrechtlich, sondern auch haftungsrechtlich als Teile des Verwaltungsträgers anzusehen. Von der Übertragung der Aufsicht auf einen Dritten – d.h. eine nicht dem Einrichtungsträger zuzurechnende natürliche Person – kann daher nicht gesprochen werden. An eine Pflichtendelegation durch die Einschaltung externer Dritter könnte man allenfalls bei der so genannten Beleihung denken. Eine Beleihung liegt vor, wenn der Staat Privatpersonen oder juristischen Personen des Privatrechts Hoheitsbefugnisse überträgt, um einzelne Hoheitsaufgaben im eigenen Namen außerhalb des Behördenapparats zu erfüllen38. Sie erfolgt durch Gesetz oder durch Verwaltungsakt auf Grund eines Gesetzes (sog. institutionell-organisatorischer Gesetzesvorbehalt)39. Der Staat bedient sich dann des Beliehenen zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben, ohne selbst personelle und sachliche Mittel zur Verfügung zu stellen und beschränkt sich auf die Aufsicht. Der Beliehene wird selbständig tätig; er tritt nach außen im eigenen Namen als selbständiger Hoheitsträger auf40. Wegen der fehlenden Organstellung des Beliehenen kommt daher eine Reduzierung des Umfanges der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich in Betracht. Allerdings wird im Rahmen der Aufgaben von öffentlichen Einrichtungen, wie z. B. Kindergärten oder Kinderheimen, eine Beleihung – wenn überhaupt – recht selten zu finden sein. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass immer mehr öffentliche Einrichtungen von privaten Rechtsträgern unterhalten werden. Es bedarf daher einer Entlastungsmöglichkeit des Verwaltungsapparats durch die Beleihung nicht. Eine weitere Möglichkeit, Aufgaben auf Private zu übertragen, ist durch die Figur des Verwaltungshelfers gegeben. Verwaltungshelfer werden selbst nicht hoheitlich tätig, sondern sind unselbständig und handeln im Auftrag und nach Weisung der Behörde41. Prima facie ist anzunehmen, dass diese aufgrund fehlender Eigenkompetenzen wohl eher dem Einrichtungsträger zuzurechnen sind und daher nicht als Dritte gelten. Dieser Befund gilt auch, obwohl der Verwaltungshelfer kein Organ des Trägers ist. Da allerdings sein Handeln der Behörde, für die er tätig wird, zuzurechnen ist, liegt ein wertungsmäßig vergleichbarer Fall vor. Aber auch hier mangelt es an Praxisrelevanz, da auch diese Figur durch die

38 39 40 41

Peine, Allg. VerwR., § 2 Rn. 107. Battis, Allg. VerwR., S. 56. Maurer, Allg. VerwR., § 23 Rn. 59. Battis, Allg. VerwR., S. 56.

II. Übertragung der Aufsicht auf Dritte

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privatrechtliche Organisierung einer öffentlichen Einrichtung weitgehend obsolet geworden ist. Festzuhalten bleibt, dass die Organe des Einrichtungsträgers und die ihnen vergleichbar Handelnden bereits nicht als externe Dritte anzusehen sind. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen von Hartmann42, der sich mit der Übertragung der Aufsichtspflicht auf Dritte beschäftigt, ungenau. Es wird der Eindruck erweckt, dass eine Übertragung der Aufsicht auf Dritte vorliegt, wenn ein Kindergarten- oder Krankenhausträger als juristische Person die Aufsicht auf das von ihm angestellte Personal überträgt. Weder die juristische Person noch regelmäßig deren Organe seien zur persönlichen Aufsichtsführung in der Lage. Als Beispiel für die Übertragung der Aufsicht über den Aufsichtsbedürftigen auf eine andere Person nennt er unter anderem einen Kindergarten- oder Krankenhausträger, der die Aufsicht wiederum auf das von ihm angestellte Personal überträgt. Wegen der weiten Verbreitung der Übertragung der Aufsicht auf Dritte komme der Frage erhebliche Bedeutung zu, wie sich die Übertragung auf die Pflichtenstellung des Aufsichtspflichtigen auswirke. Auch wenn Hartmann die juristische Person nicht weiter ausdifferenziert, so gilt sowohl für die juristische Person des öffentlichen Rechts als auch für die des Privatrechts, dass diese naturgemäß durch ihre Organe handeln. Diese sind – wie bereits oben ausgeführt – allerdings nicht als externe Dritte anzusehen. Auch wenn innerhalb der Einrichtung eine Pflichtendelegation auf die einzelnen Organe bzw. Organwalter stattfindet, so geht damit aber gerade nicht eine Reduzierung der Aufsichtspflicht zu einer reinen Organisationspflicht einher. Das von Hartmann angeführte aufsichtsübernehmende angestellte Personal kann als verfassungsmäßig berufener Vertreter der kommunalen öffentlichen Einrichtung einzustufen sein. Auch für das Handeln von Verwaltungsträgern im Privatrechtsverkehr gelten Handlungen der Organe oder der verfassungsmäßig berufenen Vertreter als solche des Verwaltungs- bzw. Einrichtungsträgers, die ihm bei fiskalischem Handeln der öffentlichen Einrichtung haftungsrechtlich gemäß §§ 31, 89 Abs. 1 BGB als eigene Aufsichtspflichtverletzung nach § 832 BGB zugerechnet wird. c) Aufsichtspersonal unterhalb der Organebene Die Problematik der Pflichtenreduzierung bei Übertragung der Aufsichtspflicht stellt sich erst bei dem für die Einrichtung handelnden Aufsichtspersonal unterhalb der Organebene oder den verfassungsmäßig berufenen Vertretern. Hier lässt sich die Verletzung der unmittelbaren Aufsichtspflicht nicht als Pflichtverletzung des Einrichtungsträgers begreifen. Sowohl haftungsrechtlich als auch im Verhältnis zu der juristischen Person des öffentlichen Rechts kann man daher von der Übertragung auf Dritte sprechen. Insoweit reduziert sich z. B. mit der Über42

Hartmann, VersR 1998, 22 ff.

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

tragung auf eine angestellte Erzieherin die Aufsichtspflicht des Einrichtungsträgers auf eine mittelbare Aufsichtspflicht, die den bereits umschriebenen Charakter einer Organisationspflicht hat. Diese eintretende Pflichtenreduzierung erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen Trägerschaft nicht ganz unbedenklich: Die öffentliche Einrichtung wird von der Kommune im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge für die Einwohner zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Es handelt sich nicht um die Aufsichtsübertragung in den rein privatrechtlichen Bereich, wie z. B. bei einer Übertragung auf Verwandte, Nachbarn oder Babysitter. Die Daseinsvorsorge – als Teilbereich der Leistungsverwaltung – ist eine wesentliche Aufgabe des Staates und der Kommunen im sozialen Rechtsstaat43. Diese öffentliche Aufgabe erfüllen die Kommunen durch die Errichtung von öffentlichen Einrichtungen, welche einen Schwerpunkt gemeindlicher Tätigkeit zum Wohle der Einwohner darstellt. § 8 Abs. 1 GO NW beispielsweise normiert die – hinsichtlich der Leistungsfähigkeit im Ermessen stehende – Pflicht zur Schaffung der für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung ihrer Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen. Die Kommune als Einrichtungsträger ist durch die Errichtung einer öffentlichen Einrichtung in öffentlichrechtlicher Organisationsform zum Zwecke ihrer Aufgabenerfüllung auch im privatrechtlichen Verkehr den Bindungswirkungen des öffentlichen Rechts unterworfen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des sog. Verwaltungsprivatrechts kann und darf sie sich den Bindungen an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG), an die Zuständigkeitsordnung und an die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts nicht durch eine pflichtenreduzierende Übertragung – mit Ausnahme der Beliehenen – auf dritte Personen entziehen44. Der Bereich des Verwaltungsprivatrechts ist jedoch trotz der öffentlich-rechtlichen Bindungen haftungsrechtlich nicht der hoheitlichen Tätigkeit zugerechnet. Hoheitliches Handeln liegt bei der Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der Leistungsverwaltung nur dann vor, wenn der Staat bzw. die Kommune das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat45. Letztlich ist eine derartige Verkürzung von Pflichten – unabhängig von dem hier vorliegenden Problemkreis – aus § 831 BGB mit der im Gegensatz zu § 278 BGB und §§ 31, 89 Abs. 1 BGB bestehenden Exkulpationsmöglichkeit jedoch bekannt und liegt unserem Haftungssystem zu Grunde46. Dieses Haftungssystem gilt für privat-

43

Maurer, Allg. VerwR., § 1 Rn. 16a. Peine, Allg. VerwR., § 3 Rn. 196. 45 Coester-Waltjen, Jura 1995, 368 (369). 46 Speziell für den Bereich der Fiskalhaftung des Staates sah das Staatshaftungsgesetz vom 26.06.1981 in § 17 Abs. 3 StHG als Reformbestrebung – die letztlich jedoch gescheitert ist – vor, die persönliche Haftung des privatrechtlich Handelnden zu beseitigen und für die deliktische Haftung der öffentlichen Hand die Entlastung nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB auszuschließen. Siehe zu den Reformbestrebungen des StHG unten in § 9 III. 2. 44

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rechtliches Handeln einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleichermaßen47. In dem hier vorliegenden Fall, dass der Einrichtungsträger die Aufsichtspflicht nach § 832 Abs. 2 BGB durch den Arbeitsvertrag auf seine Bediensteten überträgt, entsteht die von der Alternativkonzeption befürchtete potentielle Haftungslücke aber gerade nicht. Da zwischen Einrichtungsträger und Personal eine vertragliche Beziehung besteht, kann sich der geschädigte externe Dritte nach § 832 Abs. 2 BGB an das Aufsichtspersonal und/oder wegen eigener mittelbarer Aufsichtspflichtverletzung gemäß §§ 832 Abs. 2, 831 BGB an den Einrichtungsträger halten. Wegen des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ist die Aufsichtsperson als Verrichtungsgehilfe einzustufen48. Bei der Schädigung eines internen aufsichtsbedürftigen Dritten aus der Einrichtung besteht überdies eine vertragliche Beziehung zu dem Rechtsträger der Einrichtung, so dass § 278 BGB unmittelbar zur Anwendung kommt. In dieser Konstellation bedarf es demnach des von der Mindermeinung befürworteten Rückgriffs auf eine entsprechende Anwendung des § 278 BGB schon nicht. Weder bei dem geschädigten internen noch externen Dritten besteht die haftungsrechtliche Konsequenz der fehlenden Zurechnung. Zudem stellt sich bei der vertraglichen Übernahme der Aufsichtspflicht das wertungsmäßig bestehende Problem der Verkürzung einer gesetzlichen Pflicht nicht49. Die haftungsrechtliche Entpflichtung der Einrichtung entspricht bei privatrechtlicher Wahrnehmung der Aufsichtspflicht dem unserer Rechtsordnung zu Grunde liegenden Haftungssystem. Den diesem System immanenten Nachteilen der verkürzten Pflicht mit Entlastungsmöglichkeit und des Insolvenzrisikos des geschädigten Dritten bei Inanspruchnahme der Aufsichtsperson, kann jedoch auf verschiedene Weise begegnet werden. Anzustreben ist eine Ausweitung der Annahme des verfassungsmäßig berufenen Vertreters nach §§ 89 Abs. 1, 31 BGB, die eine Haftung des Trägers nach §§ 832, 89 Abs. 1, 31 BGB zur Folge hat. Auch die Qualifizierung der Aufsichtspflicht als öffentlich-rechtlich und damit als Amtspflicht nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG verdrängt das zivilrechtliche Haftungsregime. Im Bereich des hoheitlichen Handelns stellt sich das Problem der pflichtenreduzierenden Aufsichtspflicht nicht, da hinsichtlich der Amtspflichtverletzung auf den handelnden Beamten abgestellt wird, dessen Haftung befreiend auf den Staat übergeleitet wird. Schließlich hat die mittelbare Aufsichtspflicht – im Gegensatz zu der im Verhältnis zur Einrichtung verbleibenden verkürzten mittelbaren Aufsichtspflicht der Eltern – wegen der Verpflichtung, organisatorisch im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles zu tun, 47 Stelkens, S. 283 f.; siehe ausführlich zu der Haftung von öffentlichen Einrichtungen unten in § 7. 48 Erman/Schiemann, § 832 Rn. 6 f.; Soergel/Krause, § 831 Rn. 19, Anh II § 823 Rn. 59. 49 Siehe zur Verkürzung gesetzlicher Aufsichtspflicht: Staudinger/Belling, § 832 Rn. 124; Hartmann, VersR 1998, 22 (25); MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 20.

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§ 3 Besonderheiten bezüglich der Aufsichtspflicht

um die Aufsichtspflicht zu gewährleisten, einen weit reichenden Pflichteninhalt, der die Haftung des Trägers aus § 832 BGB begründet50. d) Ergebnis Was den Pflichteninhalt der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen betrifft, bleibt festzuhalten, dass der Einrichtungsträger als Vertragspartner die Gesamtverantwortung für die unmittelbare und mittelbare Erfüllung der Aufsichtspflicht trägt51. Er kann sich seiner Aufsichtspflicht auch nicht teilweise dadurch entledigen, dass seine Organe bzw. diesen haftungsrechtlich gleichgestellte verfassungsmäßig berufene Vertreter diese Pflicht erfüllen. Letztendlich handelt es sich um ein und dieselbe juristische Person des öffentlichen Rechts. § 832 BGB verlangt dem Träger daher nicht nur eine Organisationspflicht ab, welche sich in der ordnungsgemäßen Auswahl, Instruktion, Kontrolle und Information erschöpft, sondern die konkrete Gewährleistung der Aufsichtspflicht durch die für ihn handelnden Organe und Organwalter. Die Verwaltungsträger benötigen ihre Organe und Organwalter nur, aber immerhin für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben, aber die Rechtsfähigkeit, d.h die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, obliegt den Trägern aufgrund ihrer Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts. Dies erfordert und rechtfertigt zugleich die unveränderte Reichweite ihrer Pflichtenstellung. Weder im Bereich des hoheitlichen Handelns der öffentlichen Einrichtung noch bei Wahrnehmung der Aufsichtspflicht in der Gestaltungsform des Privatrechts durch organähnliche Aufsichtspersonen kann daher von einer pflichtenreduzierenden Übertragung der Aufsicht ausgegangen werden. Bei der Erfüllung der Aufsichtspflicht durch Bedienstete der Einrichtung, die nicht als verfassungsmäßig berufene Vertreter eingestuft werden können, reduziert sich die eigene Aufsichtspflicht des Einrichtungsträgers zwar, jedoch ist die verbleibende mittelbare Aufsichtspflicht eine umfassende organisatorische Pflicht, die durch das Personal zu erfüllende ordnungsgemäße Aufsichtsführung ausreichend zu gewährleisten. Die Reichweite der privatrechtlichen Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch einen Hoheitsträger entspricht auch der Wertung sowie dem Haftungssystem des Gesetzes. Das Haftungssystem ermöglicht es, die Aufsichtspflichtverletzung der Aufsichtsperson dem Einrichtungsträger unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten zuzurechnen. Bei der Aufsichtsübertragung innerhalb einer öffentlichen Einrichtung bedarf es eines Rückgriffs auf die Alternativkonzeption mithin nicht.

50 Soergel/Krause, § 832 Rn. 13, führt aus, dass eine Weiterleitung auf die in diesen Einrichtungen tätigen Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen sei, aber voraussetze, dass die Anzahl der ihnen zugewiesenen Personen sowie die sonstigen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit eine effektive Aufsicht zulassen. 51 Vgl. Busch, ZfJ 1996, 456 (459).

§ 4 Rechtsgrundlagen der Aufsichtspflicht in einzelnen Haftungsbereichen I. Kinder- und Jugendhilfe Gegenstand der weiteren Betrachtung sind Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche betreut und erzogen werden. Bei der Betreuung von Kindern in institutionalisierten öffentlichen Einrichtungen handelt es sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge1. Die für die nachfolgenden Erörterungen interessierenden Leistungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 3, 4 SGB VIII werden gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 SGB VIII von Trägern der freien und der öffentlichen Jugendhilfe erbracht. Da sich diese Arbeit auf die in staatlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtungen beschränkt, sind Gegenstand der weiteren Bearbeitung die Einrichtungen in Trägerschaft der öffentlichen Jugendhilfe. Das Gesetz zur Neuordnung des Kinderund Jugendhilferechts, welches das Gesetz für Jugendwohlfahrt (JHG) ablöste, trat am 01.01.1991 in Kraft und fand Eingang in das Achte Buch des Sozialgesetzbuches2. Nach § 3 Abs. 2 S. 2 SGB VIII richten sich die durch das SGB VIII begründeten Leistungsverpflichtungen an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe.

1. Tageseinrichtungen für Kinder § 22 Abs. 1 S. 1 SGB VIII definiert Tageseinrichtungen für Kinder als Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztags aufhalten. Diese Definition umfasst bekannte Einrichtungsformen wie z. B. die Krippe, den Hort sowie auch den Kindergarten3. Der Kindergarten ist eine sozialpädagogische Einrichtung, die Kinder vom vollendeten dritten Lebensjahr an bis zum Schuleintritt besuchen4. a) Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht einer Erzieherin Ausgangspunkt der Betrachtung der gesetzlichen Grundlagen der Aufsichtspflicht in der institutionalisierten Erziehung ist die Normierung der elterlichen 1

KG Berlin VersR 1974, 368 (369). Wiesner/Wiesner, SGB VIII, Einleitung Rn. 6. 3 Wiesner/Struck, SGB VIII, § 22 Rn. 3. 4 Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Vor § 22 Rn. 10; Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 26, der unter anderem den Kindergarten als Beispiel für eine öffentliche Einrichtung anführt. 2

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§ 4 Rechtsgrundlagen in einzelnen Haftungsbereichen

Aufsichtspflicht. Die Eltern haben gemäß § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst zum einen die Personensorge und zum anderen die Vermögenssorge. In § 1631 Abs. 1 BGB wird der Inhalt der Personensorge näher konkretisiert. Die wesentlichen Elemente der Personensorge sind die Pflege des Kindes, Erziehung, Beaufsichtigung sowie das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Nach § 1631 Abs. 1 BGB ist demnach die Beaufsichtigung und die Erziehung der Kinder ein Teil der Personsorge. Die Aufsichtspflicht obliegt den Eltern als Personensorgeberechtigte originär kraft Gesetzes. Die Eltern trifft damit eine gesetzliche Aufsichtspflicht über ihre Kinder5. Der Erziehung als Teil der Personensorge wohnt auch die Befugnis inne, die Entscheidung zu treffen, ob ihr Kind einen Kindergarten besucht6. Im Gegensatz zum schulischen Bereich gibt es keine Kindergartenpflicht und damit keine staatliche Vorgabe. Das Angebot der Kindertagesstätten ist eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII und nach den entsprechenden Landesgesetzen. Geben die Personensorgeberechtigten ihre Kinder in eine Tageseinrichtung, so werden faktisch oder vertraglich Teile des tatsächlichen Personensorgerechts und die Ausübung einzelner Befugnisse der elterlichen Sorge für die Dauer des Aufenthaltes auf die Erziehungseinrichtung übertragen7. Indem die Personensorgeberechtigten ihr Kind anmelden, erklären sie, ihre Aufsichtspflicht und die Erziehung für die Dauer und den Umfang der jeweiligen Betreuung auf den Einrichtungsträger übertragen zu wollen. Vereinfacht ausgedrückt soll das Kind während seiner Anwesenheit in der Kindertagesstätte erzogen und beaufsichtigt werden. Auch wenn die Ausübung einzelner Befugnisse auf die Einrichtung übertragen wird und damit Aufgaben der Personensorge wahrgenommen werden, so bleiben die Eltern doch Inhaber des originären Personensorgerechts. Nach der gesetzlichen Terminologie des SGB VIII ist der Kindergarten bzw. das Personal für die Dauer des Aufenthaltes der Erziehungsberechtigte der Kinder. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 6 SGB VIII ist Erziehungsberechtigter der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt. Die Personen, die im Rahmen von Leistungen der Jugendhilfe Erziehungsaufgaben wahrnehmen, erhalten ihre Rechtsmacht daher nicht von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe, sondern durch die Ermächtigung des Personensorgeberechtigten. Eine vertragliche Abrede über die Ausübung des Personensorgerechts kann jederzeit widerrufen werden8. Durch die 5

Palandt/Sprau, § 832 Rn. 5; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 11; Bernau, S. 37. Siehe Palandt/Diederichsen, § 1631 Rn. 2; Erman/Michalski, § 1626 Rn. 15. 7 Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 Rn. 28. 8 KG Berlin FamRZ 1979, 1060 (1061); Erman/Michalski, § 1626 Rn. 11; MünchKomm/Huber, § 1626 Rn. 14, § 1631 Rn. 29; Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 Rn. 29; siehe auch Palandt/Diederichsen, § 1626 Rn. 2. 6

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Übertragung der elterlichen Sorge auf eine öffentliche Erziehungseinrichtung wird gleichzeitig das Personensorgerecht in das öffentliche Recht – das im achten Sozialgesetzbuch geregelte Kinder- und Jugendhilferecht und die landesrechtlichen Ausführungsgesetzte – eingebettet und den gesetzlichen Vorschriften unterstellt. Die öffentliche Einrichtung ist Inhaber einer eigenständigen Aufsichtspflicht, deren Aufgaben, Ziele und pädagogischen Leitlinien der Kinderbetreuung in öffentlich-rechtlichen Gesetzen geregelt sind9. In § 5 I. wird auf die Frage eingegangen, ob dieses Rechtsverhältnis und damit die Aufsichtspflicht öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu qualifizieren ist. aa) Aufsichtspflicht Obwohl das SGB VIII die Ziele und Aufgaben der öffentlichen Erziehung normiert, wird man in den einschlägigen Vorschriften vergebens nach dem Begriff der Aufsichtspflicht suchen. Eine gesetzliche Normierung, wie z. B. in den einschlägigen Schulgesetzen, findet sich nicht. In dem dritten Abschnitt des achten Sozialgesetzbuches, der die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege behandelt, ist in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII der Förderungsauftrag normiert. Er umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Ebenso wenig enthält die landesrechtliche Ausgestaltung des Kindergartenwesens in Nordrhein-Westfalen, (GTK NW), welches Inhalt und Umfang der in § 22 SGB VIII geregelten Aufgaben und Leistungen von Tageseinrichtungen gemäß § 26 SGB VIII näher regelt, eine Konkretisierung der Aufsichtspflicht. In § 2 Abs. 1 S. 1 GTK NW ist ausdrücklich nur die Betreuungsaufgabe normiert. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GTK NW ist der Kindergarten eine sozialpädagogische Einrichtung und hat neben der Betreuungsaufgabe einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag als Elementarbereich des Bildungssystems. Auch wenn die Aufsichtspflicht weder in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII noch in § 2 Abs. 1 S. 1 GTK NW explizit genannt wird, so beinhaltet die Betreuung des Kindes notwendigerweise auch seine Beaufsichtigung. In den Benutzungsordnungen der Kindertageseinrichtungen erschöpft sich die Behandlung des Themenkomplexes der Aufsicht in aller Regel in einer kurzen Erwähnung. Beispielhaft ist die Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen der Stadt Köln anzuführen, in der sich unter § 7 mit der Überschrift Aufsicht folgende Regelung befindet: Die sozialpädagogischen Mitarbeiter/-innen10 sind während der Öffnungszeiten der Tageseinrichtungen für die ihnen anvertrauten 9

Vgl. Bernau, S. 60; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427). Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit darauf verzichtet, zwischen weiblicher und männlicher Form zu differenzieren. Soweit nur die weibliche oder nur die männliche Form verwendet wird, soll damit zugleich auch das jeweils andere Geschlecht bezeichnet sein. 10

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§ 4 Rechtsgrundlagen in einzelnen Haftungsbereichen

Kinder verantwortlich. Für den Weg von und zur Tageseinrichtung für Kinder tragen die Personensorgeberechtigten die Verantwortung11. Abhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zwischen der Einrichtung und den Personensorgeberechtigten können neben den Vorschriften des SGB VIII und des GTK NW der Vertrag und/oder die Benutzungsordnung als rechtliche Grundlage für die Aufsichtspflicht von öffentlichen Kindergärten in Nordrhein-Westfalen angesehen werden12. bb) Erziehungsauftrag Auch hinsichtlich der Erziehungsaufgabe ist zunächst der rechtliche Bezugsrahmen der Eltern als Basis der weiteren Ausführungen von Bedeutung. (1) Erziehungsauftrag der Eltern Das Elternrecht ist im Grundgesetz verankert. Die Eltern sind Träger des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Der Begriff der Pflege betrifft die körperliche Seite der Betreuung, während die Erziehung die Sorge für die sittliche, geistige und seelische Entwicklung des Kindes zum Gegenstand hat13. Den Eltern obliegt die grundrechtlich verbürgte originäre umfassende Erziehungsverantwortung für das Kind. Sie sind der Erziehungsprimat. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG umfasst das Recht und die Pflicht der Eltern, die Pflege und Erziehung des Kindes nach ihren eigenen Vorstellungen frei zu gestalten14. Das Elternrecht dient dabei aber ausschließlich dem Wohl des Kindes und ist daher kindesinteressengerecht auszuüben, was gleichzeitig die Pflichtenbindung der Eltern gegenüber den Kindern deutlich werden lässt15. Dieser Freiraum findet seine – dem Grundrecht wesensimmanente – Grenze in einer Verletzung des Kindeswohls16. Über die Ausübung des Elterngrundrechts wacht die staatliche Gemeinschaft (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG). Dem Kind selbst wird durch das pflichtengebundene, den Interessen des Kindes dienende Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG demgegenüber kein 11 Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen der Stadt Köln vom 13.06. 2003. 12 In der Praxis stellt die Benutzungsordnung in der Regel die Grundlage des Vertrages dar; die Aufnahme des Kindes erfolgt unter den Bedingungen der Benutzungsordnung. 13 Dreier/Gröschner, Art. 6 Rn. 109; MünchKomm/Huber, § 1631 Rn. 3 f. 14 BVerfGE 59, 360 (376). 15 Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 94. 16 Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 Rn. 8.

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eigenes Grundrecht zugewiesen17. Da das Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem Recht auf eigene Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit ist, stehen dem Kind aber die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (Menschenwürde, Persönlichkeitsentfaltung) zur Seite18. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Elternrechts findet sich in §§ 1626 ff. BGB. Das Personensorgerecht obliegt gemäß § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB den Eltern, welches nach § 1631 Abs. 1 BGB neben der Pflege und Beaufsichtigung auch das Recht und die Pflicht zur Erziehung des Kindes umfasst. Da die öffentliche Erziehung und Beaufsichtigung im Rahmen einer Kindertagesstätte lediglich ein an die Eltern gerichtetes Leistungsangebot darstellt, können diese Rechte nur mit Zustimmung der Eltern ausgeübt werden19. (2) Öffentlicher Erziehungsauftrag Mit Übertragung der Personensorge wird neben der Aufsichtspflicht auch die Erziehungsbefugnis auf die Tageseinrichtung übertragen. Durch die Elternautonomie wird die Beaufsichtigung und Erziehung des Kindes in das öffentliche Recht transferiert und den rechtlichen Grundlagen der institutionalisierten Erziehung unterworfen, deren Inhalte als Basis der weiteren Überlegungen darzustellen sind. (aa) Entwicklung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) vom 26.06.1990 ist das Ergebnis rund dreißigjähriger Reformbemühungen zur inhaltlichen Neuordnung der Rechtsgrundlagen der Kinder- und Jugendhilfe20. Das KJHG ist als Artikelgesetz konzipiert, wodurch mit Art. 1 KJHG die Kinder- und Jugendhilfe systematisch in das Achte Sozialgesetzbuch eingegliedert wurde. Das SGB VIII kann daher als Kernstück des KJHG bezeichnet werden21. Es trat an die Stelle des Jugendwohlfahrtgesetzes (JWG) vom 11.08.1961, das in seiner Systematik und den wesentlichen Inhalten auf dem Reichsjugendwohlfahrtgesetz (RJWG) vom 09.07.1922 beruhte. Das RJWG war trotz seines sozialpädagogischen Ansatzes und dem in § 1 RJWG formulierten Programmsatz, dass jedes deutsche Kind ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit hat, im Wesentlichen ein Organisationsgesetz, welches polizei- und ordnungsrechtlich ausgerich17 BVerfGE 28, 104 (112); Staudinger/Peschel-Gutzeit, Vorbem zu §§ 1626 ff u RKEG Rn. 35. 18 BVerfGE 24, 119 (144); BVerfGE 72, 155 (172). 19 Siehe Sachs/Schmitt-Kammler, Art. 6 Rn. 48 und Fn. 239. 20 Eingehend zur Reformdiskussion Schellhorn, SGB VIII/KJHG, Einführung Rn. 1 ff.; zur Verabschiedung des KJHG Wiesner/Wiesner, SGB VIII, Einleitung Rn. 6. 21 Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Einl. Rn. 38.

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tet war22. Auch bei dem als Novelle zum RJWG konzipierten JWG von 1961 standen nach wie vor eingriffs- und ordnungsrechtliche Vorstellungen im Vordergrund23, wobei sich Ansätze zeigten, dass sich der Inhalt der Jugendhilfe von dem Instrumentarium des Eingriffs zu Hilfsmaßnahmen und zur Familienpädagogik wandelte24. Die Weiterentwicklung zu einem pädagogischen präventiv orientierten Leistungsgesetz fand erst mit dem Erlass des KJHG seinen Abschluss25. Dem Gesetz liegt ein verändertes Verständnis von Jugendhilfe zugrunde. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist nicht mehr Mittelpunkt des Gesetzes26. Ebenso wenig ist die Ausgrenzung verwahrloster Jugendlicher durch geschlossene Unterbringung und Arbeitserziehung oder die Rettung von Kindern vor dem gefährdenden Einfluss ihrer Eltern der zentrale Auftrag der Jugendhilfe mehr. Das SGB VIII sieht als Programmsatz die Förderung und Entwicklung junger Menschen und ihre Integration in die Gesellschaft durch allgemeine Förderungsangebote und Leistungen in unterschiedlichen – auch kritischen – Lebenssituationen. Es kann festgehalten werden, dass sich wegen der fehlenden „Kindergartenpflicht“ erst durch die Ermächtigung der Eltern für die öffentliche Einrichtung die Erziehungs- und Aufsichtsmöglichkeit ergibt. Durch die Inanspruchnahme der Leistungen einer Einrichtung der öffentlichen Jugendhilfe greift dann der im SGB VIII ausdrücklich normierte Erziehungsauftrag, der sich unabhängig von der vertraglichen Regelung kraft Gesetzes ergibt. (bb) Rechtsgrundlagen des öffentlichen Erziehungsauftrages Wie oben ausgeführt, lässt sich die rechtliche Grundlage der öffentlichen Erziehung nach geltender Gesetzeslage dem SGB VIII entnehmen. Im dritten Abschnitt des SGB VIII ist die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen, unter die auch der Kindergarten zu subsumieren ist, geregelt. Nach § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII umfasst der Förderungsauftrag in Tageseinrichtungen die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes. Damit ist auch für den Bereich der öffentlichen Erziehung auf Bundesebene ein Erziehungsauftrag ausdrücklich normiert. In Ausführung des Landesrechtsvorbehalts in § 26 SGB VIII, nach dem Inhalt und Umfang der in § 22 SGB VIII geregelten Aufgaben und Leistungen durch Landesrecht näher geregelt werden sollen, findet sich in § 2 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-Westfalen (GTK NW) ebenfalls eine Normierung des Erziehungsauftrages. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GTK NW ist dem Kindergarten als sozialpädagogische Einrichtung neben der Betreu22 Staudinger/Peschel-Gutzeit, Vorbem zu §§ 1626 ff u RKEG Rn. 40; Schellhorn, SGB VIII/KJHG, Einführung Rn. 8. 23 Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Einl. 39. 24 Staudinger/Peschel-Gutzeit, Vorbem zu §§ 1626 ff u RKEG Rn. 41. 25 Schellhorn, SGB VIII/KJHG, Einführung Rn. 8. 26 Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 138.

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ungsaufgabe ein eigenständiger Erziehungs- und Bildungsauftrag als Elementarbereich des Bildungssystems zugewiesen worden. cc) Inhaltliche Anforderungen des öffentlichen und elterlichen Erziehungsauftrages (1) Gesetzliches Leitbild der elterlichen Erziehung Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Erziehungsrechts der Eltern wurden bereits dargestellt27. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG trifft vordergründig keine Aussage darüber, welches Erziehungsziel von den Eltern angestrebt werden soll. Dies lässt sich damit begründen, dass nach der Wertordnung des Grundgesetzes eine staatlich gelenkte Erziehung unzulässig ist, da der Vorrang der elterlichen Erziehungsverantwortung verfassungsrechtlich verbürgt ist. Die einzige Ausnahme hierzu besteht im Schulrecht, da dem Staat durch Art. 7 Abs. 1 GG ein eigener schulischer Erziehungsauftrag eingeräumt und insoweit der Erziehungsvorrang der Eltern eingeschränkt wird. Allerdings darf das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht isoliert betrachtet werden, so dass sich die Schlussfolgerung verbietet, dass inhaltliche Erziehungswerte und Erziehungsziele im Grundgesetz nicht vorgegeben sind. Die gegenteilige Betrachtungsweise lässt außer Acht, dass auch die übrigen Grundrechte nach dem Grundgesetz insgesamt eine objektive Wertordnung enthalten, die Einfluss auf das Ziel der elterlichen Erziehungsaufgabe nimmt. Insoweit ist entscheidend auf das grundgesetzliche Menschenbild, das in Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, abzustellen. Das Menschenbild hat seinen Ausgangspunkt in der Garantie der Menschenwürde und findet entsprechenden Niederschlag in dem gesamten Grundrechtskatalog sowie den rechts- und sozialstaatlichen Zielbestimmungen28. Dieses durch Menschenwürde geprägte konstitutionelle Menschenbild beinhaltet sowohl die Respektierung der individuellen Selbstverwirklichung, das Prinzip der Gleichwertigkeit aller Menschen, als auch einen Anspruch auf staatlichen Schutz für ein menschenwürdiges Leben und die Möglichkeit der Mitgestaltung des Gemeinwesens29. Das Grundgesetz setzt mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde und dem eigenen Recht auch des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit eigene Wertmaßstäbe, die als verbindliche Grundwerte und verfassungsrechtliche Grundentscheidung ihre Geltung für das gesamte Gemeinwesen beanspruchen. Damit wirkt dieses Wertsystem auch auf das bürgerliche Recht ein30. Von der Rechtsprechung des BVerfG ist die Heranführung des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln als Ziel des elterlichen Erziehungsauftrages 27 28 29 30

Oben § 4 I. 1. a) bb) (1). Maunz/Dürig/Herdegen, Art. 1 Rn. 25. Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Art. 1 Rn. 6. Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 Rn. 114; Schoof, S. 82 f.

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anerkannt31. Daraus folgt gleichzeitig aber auch, dass die Eltern ihre Erziehungsverantwortung so wahrnehmen müssen, dass die Erziehung die Entfaltung und Entwicklung des Kindes zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit möglich macht und der Erreichung dieses Ziels dient. Dies beinhaltet zwingend, dass die Eltern bei der Erziehung die wachsende Einsichts- und Mitwirkungsfähigkeit des Kindes mit berücksichtigen32. Nur unter dieser Voraussetzung kann sich seine Selbständigkeit und Eigenverantwortung entwickeln und festigen. In dem Maße, in dem sich das Kind zu einem sozial selbstverantwortlichen und einsichtsfähigen Mitglied der Gesellschaft entwickelt, hat das Bestimmungsrecht der Eltern zurückzutreten33. Die Verwirklichung der dem Kind zustehenden Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sind daher wesensimmanenter Bestandteil des grundrechtlich geschützten Elternrechts, da dieses pflichtgebunden im Interesse des Kindeswohls auszuüben ist. Der einfache Gesetzgeber hat diese verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgefüllt und mit dem in § 1626 Abs. 2 BGB festgelegten Leitbild der Erziehung näher konkretisiert34. Das gesetzliche Leitbild sieht vor, dass es Aufgabe der Erziehungsberechtigten ist, ihre Kinder zu Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu erziehen. Dieses Erziehungsziel stellt das entscheidungsleitende rechtliche Kriterium des Kindeswohls dar35. Die vom Gesetz geforderte Rücksicht der Eltern auf die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln verlangt einen partnerschaftlichen Erziehungsansatz36. Dieser Ansatz beinhaltet, dem Kind, abhängig vom Reifegrad und Entwicklungsstand, die Möglichkeit einzuräumen, seine Persönlichkeit durch die Gewähr von Freiräumen zu entfalten, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen sowie sich selbstbestimmt zu verhalten. Mit zunehmender Selbstverantwortungs- und Selbstbestimmungsfähigkeit nimmt die lenkende Erziehung der Eltern zugunsten des in § 1626 Abs. 2 BGB normierten Erziehungsendziels schrittweise ab. In Übereinstimmung mit dem Leitbild trägt der Gesetzgeber der Entwicklung des Kindes auch in weiteren Vorschriften Rechnung, welche dem minderjährigen Kind bereits vor Eintritt der Volljährigkeit Rechte und Pflichten auferlegen (§§ 106, 107 BGB; § 828 BGB; §§ 1, 3 JGG), zu deren Wahrnehmung eine Erziehung zur Eigenverantwortung sachgesetzlich vorgeschaltet ist. Mit den gesetzlichen Vorgaben ist ein autoritärer Erziehungsstil, der sich durch Kontrolle und Führung der Eltern und Gehorsam

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BVerfGE 24, 119 (144). OLG Karlsruhe NJW 1989, 2398 (2399). 33 OLG Karlsruhe NJW 1989, 2398 (2399); siehe Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 Rn. 119. 34 MünchKomm/Huber, § 1626 Rn. 63; ausführlich Schoof, S. 76 ff.; Bernau, S. 277 ff. 35 Staudinger/Coester, § 1666 Rn. 68. 36 OLG Karlsruhe NJW 1989, 2398 (2399); Staudinger/Peschel-Gutzeit, § 1626 Rn. 119; Bamberger/Roth/Veit, § 1626 Rn. 30; Palandt/Diederichsen, § 1626 Rn. 22. 32

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und Unterwerfung des Kindes kennzeichnet, nicht vereinbar. Die autoritäre Erziehung ist entscheidend von einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Eltern und Kind geprägt, welches dazu führt, dass dem minderjährigen Kind der Entwicklungs- und Bewährungsspielraum genommen wird, um sich zu einer selbständig denkenden und verantwortungsbewusst handelnden Persönlichkeit zu entwickeln37. (2) Gesetzliche Vorgaben für den öffentlichen Erziehungsauftrag In § 1 Abs. 1 SGB VIII ist das für alle Aufgaben der Jugendhilfe geltende gesetzliche Leitbild institutioneller Erziehung normiert. Nach § 1 Abs. 1 SGB VIII hat jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Nach der Gesetzesbegründung hat § 1 SGB VIII die Funktion einer Generalklausel und Leitnorm, die über den Bereich der öffentlichen Jugendhilfe hinaus für alle Erziehungsträger von Bedeutung ist38. Der Programmsatz des § 1 Abs. 1 SGB VIII entspricht im Wesentlichen dem formalen Erziehungsziel der elterlichen Sorge gemäß § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB und geht damit auf das aus dem Menschenbild des Grundgesetzes abgeleitete Ziel der eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zurück. Im Gegensatz zu Art. 6, Art. 7 GG und §§ 1626 ff. BGB betont die Formulierung des Rechts auf Erziehung in § 1 Abs. 1 SGB VIII die Perspektive des erziehungsberechtigten Kindes. Hiermit soll die Subjektivität des jungen Menschen im Erziehungsprozess hervorgehoben werden, der gerade nicht als bloßes Objekt der Erziehung anzusehen ist39. Auch wenn eine Auslegung allein am Wortlaut einen Anspruch des Kindes auf Förderung und Erziehung nahe legt, so ergibt sich bereits aus der amtlichen Begründung, dass ein subjektiv-öffentliches Recht des jungen Menschen gegenüber dem Staat gerade nicht begründet werden soll. Der Norm fehle es an einer hinreichenden Konkretisierung des Leistungsinhalts und an der Bezeichnung des Leistungsverpflichteten40. Zudem spricht gegen ein eigenständiges Recht des Kindes auf Erziehung, dass die Erziehung außerhalb der Schule verfassungsrechtlich garantiert den Eltern und nicht dem Staat obliegt. Der Zuspruch eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Kindes würde aber gerade ein mit Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unvereinbares Erziehungsrecht des Staates voraussetzen41. Auch in § 9 Nr. 2 SGB VIII findet sich für die Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben 37 AnwK-BGB/Rakete-Dombek, § 1626 Rn. 24; MünchKomm/Huber, § 1626 Rn. 61; zu den Begrifflichkeiten der Erziehungsmethoden: Schoof, S. 96 ff.; vgl. auch Palandt/ Diederichsen, § 1626 Rn. 23. 38 BT-Dr. 11/5948, S. 47. 39 BT-Dr. 11/5948, S. 47. 40 BT-Dr. 11/5948, S. 47. 41 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 1 Rn. 11, 17; Kunkel/Steffan, SGB VIII, § 1 Rn. 4.

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der Jugendhilfe hinsichtlich der Grundaussage ein ähnlicher Satz wie für die familiäre Erziehung in § 1626 Abs. 2 BGB. In § 9 Nr. 2 SGB VIII ist normiert, dass die Jugendhilfe bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes oder des Jugendlichen zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln sowie die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Eigenarten junger Menschen und ihrer Familien zu berücksichtigen hat. Insgesamt ist auch für den Bereich der öffentlichen Erziehung das für die Eltern geltende Erziehungsziel ausdrücklich normiert, welches auch für die öffentliche Jugendhilfe das entscheidungsleitende rechtliche Kriterium für das Kindeswohl darstellt42. Insoweit enthalten die §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII auch eine sozialpädagogische Leitbildfunktion. Speziell für die Erziehung in Kindertageseinrichtungen greift § 22 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII das in § 1 Abs. 1 SGB VIII für alle Aufgaben der Jugendhilfe verankerte gesetzliche Leitbild institutioneller Erziehung auf, wonach in Kindergärten, Horten und anderen Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztags aufhalten (Tageseinrichtungen), die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden soll. Beispielhaft ist auch hier das Land Nordrhein-Westfalen zu nennen, welches auf landesrechtlicher Ebene den Auftrag des Kindergartens in § 2 GTK NW näher konkretisiert. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 GTK NW ist der Kindergarten eine sozialpädagogische Einrichtung und hat neben der Betreuungsaufgabe einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag als Elementarbereich des Bildungssystems. Die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und die Beratung und die Information der Erziehungsberechtigten sind von wesentlicher Bedeutung. Nach § 2 Abs. 2 GTK NW hat der Kindergarten seinen Erziehungsund Bildungsauftrag im ständigen Kontakt mit der Familie und anderen Erziehungsberechtigten durchzuführen und insbesondere 1. die Lebenssituation jedes Kindes zu berücksichtigen, 2. dem Kind zur größtmöglichen Selbständigkeit und Eigenaktivität zu verhelfen, seine Lernfreude anzuregen und zu stärken, 3. dem Kind zu ermöglichen, seine emotionalen Kräfte aufzubauen, 4. die schöpferischen Kräfte des Kindes unter Berücksichtigung seiner individuellen Neigungen und Begabungen zu fördern, 5. dem Kind Grundwissen über seinen Körper zu vermitteln und seine körperliche Entwicklung zu fördern, 6. die Entfaltung der geistigen Fähigkeiten und der Interessen des Kindes zu unterstützen und ihm dabei durch ein breites Angebot von Erfahrungsmöglichkeiten elementare Kenntnisse von der Umwelt zu vermitteln. 42

Staudinger/Coester, § 1666 Rn. 68.

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§ 2 Abs. 3 S. 1 GTK NW normiert, dass der Kindergarten dabei die Aufgabe hat, das Kind unterschiedliche soziale Verhaltensweisen, Situationen und Probleme bewusst erleben zu lassen und jedem einzelnen Kind die Möglichkeit zu geben, seine eigene soziale Rolle innerhalb der Gruppe zu erfahren, wobei ein partnerschaftliches, gewaltfreies und gleichberechtigtes Miteinander, insbesondere auch der Geschlechter untereinander, erlernt werden soll. Mit diesem in SGB VIII und GTK NW festgeschriebenen pädagogischen Leitbild ist ein autoritärer Erziehungsstil, der die Entwicklung zu eigenverantwortlichem und selbständigem Handeln auf Dauer unmöglich macht, unvereinbar. Welche Auswirkungen das öffentliche Erziehungsleitbild auf die Anforderungen an eine gehörige Aufsichtsführung hat, wird in § 6 I. 4. c) erörtert. dd) Verhältnis zwischen öffentlichem und elterlichem Erziehungsauftrag Das Verhältnis zwischen normativ institutionalisierter und elterlicher Erziehungsaufgabe ergibt sich bereits aus Aufbau und Wortlaut des SGB VIII. In § 1 Abs. 2 SGB VIII wird zunächst Art. 6 Abs. 2 GG wörtlich wiedergegeben. Durch die Wiederholung des Wortlautes des Art. 6 Abs. 2 GG wird hervorgehoben, dass die Erziehungsverantwortung der Eltern gegenüber der öffentlichen Erziehung vorrangig ist und damit im Kontext des höherrangigen Verfassungsrechts interpretiert wird43. Der Staat ist berechtigt und verpflichtet, um das Erziehungsziel des Heranwachsens des Kindes zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu gewährleisten, die elterliche Betätigung zu überwachen und bei einer Gefahrenlage die Lebensbedingungen zum Wohl des Kindes zu sichern. Diese Aufgaben des Staates sind in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 6 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich normiert. Die Grenzen des eine öffentliche Erziehung zurückdrängenden Elternprimats sind in §§ 1666, 1666a BGB als einfachgesetzliche Konkretisierung des staatlichen Wächteramts niedergelegt. Unterhalb der Gefährdungsgrenze bleibt der Staat darauf beschränkt, die Familie beispielsweise durch das Angebot der Einrichtungen der Jugendhilfe zu unterstützen, da sich der elterliche Erziehungsvorrang nicht nur auf die familiäre Erziehung, sondern auf die Gesamtheit aller erzieherischen Einflüsse erstreckt44. Aus den Normen §§ 1 Abs. 3 Nr. 2, 22 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII wird die familienunterstützende- und ergänzende Funktion der institutionalisierten Erziehung deutlich. Damit korrespondiert die in § 22a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII angeführte Zusammenarbeit zwischen Institution und Erziehungsberechtigten, die ein Mitwirkungsrecht entsprechend der vorrangigen Erziehungsverantwortung der Eltern vorsieht. In Ausgestaltung der verfassungs- und bundesrechtlichen Vorgaben wird auch auf landesrechtlicher Ebene gemäß §§ 2 Abs. 1 S. 2, 2. Hs., Abs. 2 GTK NW dementsprechend 43 44

MünchKomm/Strick, Vor § 1 SGB VIII Rn. 11. Siehe Wiesner/Wiesner, SGB VIII, Einleitung Rn. 61.

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der Erziehungsvorrang der Eltern und damit die familienunterstützende Aufgabe des örtlichen Kindergartens anerkannt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Eltern neben der Aufsicht auch die Erziehung für die Dauer des Kindergartenbesuches auf den öffentlichen Kindergartenträger übertragen. Erst dadurch greifen die im SGB VIII gesetzlich normierten Aufgaben und Ziele. Auch wenn der fachliche Arbeitsauftrag in Tageseinrichtungen die elterliche Erziehungsverantwortung rein faktisch partiell relativiert, so ist er jedoch im Endergebnis nicht mit einer originären staatlichen Erziehungsbefugnis verbunden, die mit der elterlichen Erziehungsverantwortung konkurriert. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers handelt es sich bei der öffentlichen Erziehung um eine von den Eltern abgeleitete Erziehungsaufgabe45 im Sinne eines elterlich-staatlichen Kondominiums. Dies bedeutet aber noch nicht zwangsläufig, dass die Anforderungen, die an die Aufsichtspflicht der Eltern gestellt werden, mit den Anforderungen an eine Erzieherin gleichgestellt werden können46.

2. Kinderheime Auch die Kinderheime sind öffentliche Einrichtungen47; die Heimerziehung fällt ebenfalls unter die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 SGB VIII. In § 34 SGB VIII ist die Heimerziehung normiert. Heimerziehung wird dadurch gekennzeichnet, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt außerhalb der eigenen Familie hat und seine Betreuung und Erziehung in einer Gruppe untereinander nicht verwandter Kinder durch Personen erfolgt, die diese Aufgabe als Beruf ausüben48. Die Heimerziehung ist nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII Hilfe zur Erziehung. Sie unterliegt den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 27 Abs. 1 SGB VIII und wird dann genehmigt, wenn gerade die Heimunterbringung zur Deckung des erzieherischen Bedarfs geeignet und notwendig ist. Die Unterbringung in einem Heim zählt zu dem nicht abschließenden Katalog der erzieherischen Hilfen nach Maßgabe der §§ 28–35 SGB VIII, die neben der familienersetzenden Hilfe auch ambulante und teilstationäre Angebote enthält. Bei den im Jahr 2003 beendeten Hilfen erfolgten 51% der Erziehungshilfe außerhalb der eigenen Familie49. Im ganzen Bundesgebiet sind ca. 90.000 Kinder und Jugendliche in einem Heim stationär untergebracht50.

45

BT-Dr. 11/5948, S. 47; Schellhorn, SGB VIII/KJHG, § 1 Rn. 5. Siehe hierzu unten § 6 I. 3. 47 VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 f.; Hofmann/Muth/Theisen, KommunalR. NW, S. 193. 48 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 34 Rn. 8. 49 Münder/Wiesner/Tammen, Kinder- u. JugendhilfeR., Kap. 3.5.2 Rn. 17. 50 Mrozynski, SGB VIII, § 34 Rn. 2. 46

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a) Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht in der Heimerziehung Ebenso wenig wie im Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder findet sich im SGB VIII oder z. B. im Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz Nordrhein-Westfalen (AG KJHG NW51) ausdrücklich der Begriff der Aufsichtspflicht. Unterhalb der Gefährdungsschwelle des § 1666 BGB entscheiden auch bei den Leistungsangeboten der Hilfe zur Erziehung die Eltern als originär Aufsichtspflichtige, ob diese in Anspruch genommen wird52. Da die Erziehungshilfe in einem Heim längstens 24 Stunden pro Tag geleistet wird, beinhaltet der Aufenthalt zwingend die Pflege, Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen. So findet sich beispielsweise in dem für die städtischen Kinderheime Köln geltenden Leitbild unter dem Unterpunkt Aufgaben und Ziele, dass der Schwerpunkt der Arbeit die Betreuung und Erziehung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in besonderen Problemlagen ist53. Ein Heimaufenthalt ändert aber nicht den sorgerechtlichen Status des Kindes54. Die Eltern bleiben Inhaber der Personensorge55. Da die Personensorgeberechtigten das Sorgerecht während der Heimunterbringung nicht persönlich ausüben können, berechtigt § 38 SGB VIII die Erziehungspersonen zur Wahrnehmung von Angelegenheiten der elterlichen Sorge56. Die Personensorge umfasst unter anderem die Erziehung und Beaufsichtigung des Kindes57. Aus dem Wortlaut von § 38 SGB VIII ergibt sich, dass diese Vorschrift im engen Sachzusammenhang mit der Grundregelung in § 1688 BGB zu sehen ist. Hiernach ist die verantwortliche Aufsichtsperson zur Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens befugt. Was unter dem Begriff der Angelegenheiten des täglichen Lebens zu verstehen ist, wird in § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB definiert. Demgemäß handelt es sich um solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Darunter fallen alle im üblichen Sozialisationsprozess anfallenden alltäglichen Entscheidungen in Erziehungs- und Betreuungsfragen58. Für die Dauer des Aufenthaltes obliegt dem Einrichtungsträger bzw. dem Aufsichtspersonal mithin sowohl die Aufsichts- als auch die Erziehungspflicht über die Kinder und Jugendlichen. Einer ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Vereinbarung über die Ausübung von Aufsicht und Erziehung während des Heimaufenthaltes bedarf es 51

AG KJHG NW vom 12.12.1990, GV.NW, S. 664/SGV.NW, S. 216. MünchKomm/Strick, § 9 SGB VIII Rn. 2. 53 Leitbild der städtischen Kinderheime vom 21.02.2002, n. v. 54 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 34 Rn. 54. 55 Palandt/Diederichsen, § 1688 Rn. 5 f., 12; siehe auch Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 38 Rn. 1. 56 Eckert, S. 10 f. 57 Oben § 4 I. 1. a). 58 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 38 Rn. 27, 28a; Kunkel/Kunkel, SGB VIII, § 38 Rn. 17. 52

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nicht; durch die Regelungen in § 38 SGB VIII und § 1688 Abs. 1, 2 BGB wird der Heimaufsicht bereits kraft Gesetzes die Entscheidungs- und Vertretungsbefugnis in Angelegenheiten der Alltagssorge eingeräumt59. Allein aufgrund des Umstandes des längerfristigen Heimaufenthaltes erhalten die Aufsichtspflichtigen diese Befugnisse auch ohne ausdrücklichen oder konkludenten Vertragsschluss automatisch von Gesetzes wegen. Dagegen führt eine Betreuung in einer Tageseinrichtung nicht zu der Anwendung von § 38 SGB VIII, § 1688 BGB. Wie bereits ausgeführt, werden hier die Ausübungsbefugnisse durch eine jederzeit widerrufliche (konkludente) vertragliche Vereinbarung begründet60. Auch im Bereich der Heimerziehung schließen § 38 SGB VIII, § 1688 BGB eine weitergehende sorgerechtliche Ausgestaltung des Betreuungsverhältnisses durch vertragliche Vereinbarungen nicht aus61. Auch wenn die Eltern während der Heimerziehung nach § 38 SGB VIII Inhaber der Personensorge bleiben, so entsteht in diesem speziellen Fall die Aufsichtspflicht gleichwohl nach § 832 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes. Es handelt sich hier nicht um die Konstellation der Aufsichtspflicht, die von der Personensorge gelöst ist. Die in diesem Zusammenhang oftmals zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf lag der Sachverhalt zu Grunde, dass den Eltern durch das Vormundschaftsgericht das Sorgerecht für ihr Kind entzogen wurde. Das Gericht führte aus, dass allein aufgrund des Umstands, dass das Kind trotz Entziehung der Personensorge in dem Haushalt lebt und dort beköstigt wird, die gesetzliche Aufsichtspflicht nicht wieder auflebe62. In dem Fall der Heimerziehung fällt die kraft Gesetzes angeordnete Berechtigung zur Ausübung der Alltagssorge von Erziehung und Beaufsichtigung vielmehr sachgerecht mit der tatsächlichen Möglichkeit der Aufsichtsführung zusammen. Auch der Umstand, dass die kraft Gesetzes eintretende Ausübungsbefugnis von Teilen der Personensorge letztlich auf die Inanspruchnahme der Hilfe von den Eltern zurückzuführen ist und daher nicht originär kraft Gesetzes begründet wird, spricht nicht gegen die Begründung einer Aufsichtspflicht nach § 832 Abs. 1 BGB. Entscheidend kann nur sein, ob die Handlungsbefugnisse erst aufgrund einer vertraglichen Übertragung entstehen können oder ob die Rechtsmacht ipso jure eintritt. Die aufgrund des BBiG eher veraltete Diskussion, ob den Ausbilder für seinen Lehrling eine gesetzliche Aufsichtspflicht trifft, macht deutlich, dass die originäre gesetzliche Begründung keine zwingende Voraussetzung für die Entstehung einer gesetzlichen Aufsichtspflicht ist. Auch der Ausbilder übernimmt die – wenn überhaupt existente – gesetzliche Aufsichtspflicht erst, wenn sich der Lehrling und der Ausbilder freiwillig für ein Ausbildungsverhältnis in dem Betrieb entschieden haben. Des Weiteren wurde früher eine gesetzliche Aufsichtspflicht auch wegen der patriarchalischen Stellung des Lehrherrn gegenüber seinen Lehr59 60 61 62

Staudinger/Salgo, § 1631 Rn. 16. MünchKomm/Finger, § 1688 Rn. 4; siehe auch Staudinger/Salgo, § 1688 Rn. 18. Siehe Staudinger/Salgo, § 1688 Rn. 13. OLG Düsseldorf NJW 1959, 2120 f.

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lingen angenommen63. Heutzutage ist ein Ausbildungsverhältnis jedoch nicht mehr von einer elternähnlichen Stellung des Ausbilders geprägt, so dass dieser Aspekt eine gesetzliche Aufsichtspflicht nicht mehr zu begründen vermag. Diesen Gesichtspunkt auf die Heimerziehung übertragend, spricht der Umstand der Erfüllung von Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung als wesentliche Teile der elterlichen Sorge anstelle der Eltern gerade für die Annahme einer gesetzlichen Aufsichtspflicht. Während in der Literatur unter dem Aspekt der gesetzlichen Aufsichtspflicht immer noch die Aufsichtspflicht des Ausbilders über seine Lehrlinge Erwähnung findet, wird sich der Frage der gesetzlichen oder vertraglichen Begründung der Aufsichtspflicht bei der Heimunterbringung nach § 34 SGB VIII hingegen nur unzureichend gewidmet. Fieseler/Herborth sowie Eckert gehen aufgrund der Vorschriften § 1688 Abs. 1, 2 und § 38 SGB VIII von einer kraft Gesetzes begründeten Aufsichtspflicht aus64. Spindler geht ohne nähere Begründung bei staatlichen Heimen für schwer erziehbare Jugendliche von einer vertraglichen Aufsichtspflicht aus65. Sprau, der ebenfalls von einer Aufsichtspflicht kraft Vertrages ausgeht, verweist auf eine Entscheidung des OLG Hamburg66, in welcher das Gericht nicht nur die Haftungsgrundlage – § 832 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG – offen gelassen hat, sondern sich entgegen Sprau auch nicht dazu geäußert hat, ob die Aufsichtspflicht bei einem staatlichen Heim nach § 832 BGB vertraglich oder gesetzlich begründet wird67. Belling führt zunächst unter dem Gliederungspunkt der kraft Gesetzes Aufsichtspflichtigen die Erziehungshilfe und die Erziehungsmaßregeln an. Ohne nähere Erläuterung richtet sich nach Ansicht von Belling die Haftung bei einer Unterbringung in einem in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft befindlichen Heim nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG68. Er verweist auf eine Entscheidung des OLG Dresden69, das zutreffend den Amtshaftungsanspruch als Haftungsgrundlage angenommen hat. Den Kindern wurde in diesem Fall nach den Vorschriften des KJHG Heimerziehung in einem Einrichtungsträger der öffentlichen Jugendhilfe gewährt. Die Auffassung wird zudem mit der Ansicht von Schoof belegt, die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27–35 SGB VIII die Vorschrift § 38 Abs. 1 SGB VIII nennt, aber daraus keine gesetzliche Pflicht zur Aufsichtsführung herleitet; bei privatrechtlicher Unterbringung richte sich die Haftung daher nach § 832 Abs. 2 BGB70. Unter dem Gliederungspunkt der vertraglichen Übernahme der Auf63 64 65 66 67 68 69 70

Schoof, S. 29. Fieseler/Herborth, Recht d. Familie u. Jugendhilfe, S. 404; Eckert, S. 10 f. Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 14. OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799. Palandt/Sprau, § 832 Rn. 6. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 19. OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 f. Schoof, S. 30.

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sichtsführung wird dann von Belling allgemein gehalten ausgeführt, dass bei einer Unterbringung in Anstalten, Krankenhäusern und Heimen regelmäßig eine vertragliche Aufsichtsübernahme vorliege71. Mit der bei einem Erziehungs- und Pflegeheim bei der Aufnahme begründeten Obhutsübernahme gehe der Heimträger die Verpflichtung zur Aufsichtsführung nach § 832 Abs. 2 BGB ein. Es wird unter anderem auf eine Entscheidung des OLG Koblenz72 verwiesen, in der eine Mutter als Gebrechlichkeitspflegerin eine vom Vormundschaftsgericht genehmigte Unterbringung ihres volljährigen Sohnes in einer geschlossenen Abteilung eines privaten Heimes verfügte. Anspruchsgrundlage konnte hier nur § 832 Abs. 2 BGB sein, da es sich um einen privaten Einrichtungsträger handelte und die Heimunterbringung nicht auf der Grundlage des SGB VIII erfolgte. Da eine ausdrückliche Begründung fehlt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Heimunterbringung eine gesetzliche oder vertragliche Aufsichtspflicht begründet, wird lediglich durch den Verweis auf Rechtsprechung und Literatur angedeutet, welche Auffassung Belling hinsichtlich der Entstehung der Aufsichtspflicht von öffentlichen Heimeinrichtungsträgern der Jugendhilfe vertritt. Offen bleibt aber, nach welchen Kriterien sich die Bestimmung der Haftungsgrundlage richtet, denn allein eine vertragliche Vereinbarung spricht nicht zwingend für die Anwendung von Privatrecht. Es kommt ein zivilrechtlicher oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Betracht. In diesem Fall weist allein die Handlungsform des Vertrages kein Unterscheidungsmerkmal auf73. Es kann beispielsweise auch eine Vereinbarung vorliegen, die insgesamt als öffentlich-rechtlich einzustufen ist und daher die Anwendung von § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG nach sich zieht74. Wagner führt zwar unter dem Punkt der gesetzlichen Aufsichtsverhältnisse aus, dass die Haftung für Heimkinder davon abhänge, in welcher Rechtsform die Anstalt betrieben wird. Hinsichtlich der Heimunterbringung nach §§ 33 ff. SGB VIII nimmt er auf eine gerichtliche Anordnung in einem Heim Bezug, lässt aber für den Fall der Haftung nach § 832 BGB zunächst offen, ob eine gesetzliche oder vertragliche Aufsichtspflicht besteht75. Erst bei den Ausführungen zu den vertraglichen Aufsichtspflichten führt er für die privatrechtlich betriebenen Pflegeund Betreuungsheime – ohne auf die Erziehungshilfen nach den §§ 27 ff. SGB VIII näher einzugehen – ohne Erläuterungen aus, dass der Anstaltsträger nach § 832 Abs. 2 BGB haftbar ist76. Insgesamt ist die Kommentarliteratur bei der

71

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 39. OLG Koblenz NJW-RR 1997, 345 f. 73 MünchKomm/Reuter, § 89 Rn. 16. 74 VGH Bad.-Württ. ESVGH 25, 203 (205); siehe auch VGH Mannheim NVwZ 1987, 701 (702). 75 MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 11. 76 MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 16. 72

II. Öffentliche Schule

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Heimunterbringung trotz der zahlreichen in der Rechtsprechungspraxis behandelten Fälle sehr ungenau und wenig ergiebig. Die Frage der rechtlichen Begründung der Aufsichtspflicht ist von der näheren Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zu trennen. Insoweit besagt die gesetzliche Begründung der Aufsichtspflicht noch nichts über die Qualifikation als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Aufsichtspflicht77. b) Öffentlicher Erziehungsauftrag Auch für die in § 34 SGB VIII normierte Heimerziehung gelten die allgemeinen Grundsätze und Programmsätze der §§ 1, 8, 9 SGB VIII78. Maßstab für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen ist die Vorschrift § 1 SGB VIII, die als Leitnorm Standards für die Erziehung und Entwicklung von Minderjährigen vorgibt79. Als zentrale Vorschrift für die Heimerziehung statuiert § 34 SGB VIII eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten, welche die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung fördern sollen. Als Zielsetzungen werden drei Varianten genannt: Die Förderung der Rückkehr in die Familie, die Vorbereitung der Erziehung in einer anderen Familie oder das Angebot einer auf längere Zeit angelegten Lebensform und die Vorbereitung auf ein selbständiges Leben. Ebenso wie im Kindertagesstättenbereich steht dem Staat auch hier unterhalb der durch § 1666 BGB gezogenen Schwelle allerdings kein eigenständiges öffentliches Erziehungsrecht zu, sondern beschränkt sich auf die Unterstützung der Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung80.

II. Öffentliche Schule Öffentliche Schulen sind Schulen, deren Träger eine kommunale Gebietskörperschaft oder eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ist81. Sie ist eine öffentliche Einrichtung, die in der Regel in der öffentlich-rechtlichen Organisationsform einer rechtlich unselbständigen Anstalt organisiert ist, wie sich z. B. aus § 6 SchVG NW entnehmen lässt.

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Siehe hierzu unten § 5 II. Fieseler/Schleicher/Busch/Häbel, SGB VIII, § 34 Rn. 1. 79 Insoweit kann auf die Ausführungen oben in § 4 I. 1. a) cc) verwiesen werden. 80 BT-Dr. 11/5948, S. 68; Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 34 Rn. 54. 81 Sachs/Schmitt-Kammler, Art. 7 Rn. 10: Das jeweilige Landesrecht regelt, was neben den Gebietskörperschaften unter den Begriff der öffentlichen Schule zu subsumieren ist. Gemäß § 3 Abs. 2 SchVG NW sind öffentliche Schulen auch Schulen, deren Schulträger eine Innung, eine Handwerkskammer, eine Industrie- und Handelskammer oder eine Landwirtschaftskammer ist. In Hessen sind auch die vom Landeswohlfahrtsverband getragenen Schulen als öffentliche Schulen anzusehen. 78

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§ 4 Rechtsgrundlagen in einzelnen Haftungsbereichen

1. Rechtliche Grundlagen der Aufsichtspflicht in einer öffentlichen Schule Im Schulrecht existieren zahlreiche Rechtsquellen. Neben dem Grundgesetz, Landesverfassungen und Schulgesetzen der Länder wird das Schulrecht durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften im Einzelnen geregelt. Da das Schulrecht der Länderkompetenz unterliegt, findet sich beispielsweise in § 57 Abs. 1 SchulG NW82, dass Lehrerinnen und Lehrer die Schülerinnen und Schüler unterrichten, erziehen, beraten, beurteilen, beaufsichtigen und betreuen. Die gesetzliche Normierung und Konkretisierung der Aufsichtspflicht findet sich weiterhin in § 12 Abs. 1 ASchO NW83 sowie in der Verwaltungsvorschrift zu § 12 ASchO NW (VVzASchO)84. Gemäß § 9 Abs. 2 ADO85 führen die Lehrer und Lehrerinnen im Rahmen der Aufsichtspflicht der Schule Aufsicht und es wird auf § 12 ASchO NW und § 12 VVzASchO NW verwiesen. Nach § 12 Abs. 1 ASchO NW erstreckt sich die Aufsichtspflicht der Schule auf die Zeit, in der die Schülerinnen und Schüler am Unterricht oder an sonstigen Schulveranstaltungen teilnehmen. Aufgrund der bestehenden allgemeinen Schulpflicht (vgl. §§ 34, 35 SchulG NW) entscheiden die Eltern nicht auf freiwilliger Basis, ob ihr Kind die Schule besucht. Der normierten Schulpflicht liegt vielmehr ein gesetzlicher Zwang zu Grunde, der neben Unterricht und Erziehung auch die Aufsichtspflicht über die Schüler gesetzlich normiert. Die Aufsichtspflicht im schulischen Bereich ist daher nicht von den Eltern abgeleitet; ein privatrechtlicher Vertrag liegt dem Schulverhältnis nicht zu Grunde86.

2. Öffentlicher Erziehungsauftrag Neben dem Bildungsauftrag und der Pflicht zur Aufsichtsführung kommt auch der öffentlichen Schule ein staatlicher Erziehungsauftrag zu, der sich aus Art. 7 Abs. 1 GG ergibt. Im Gegensatz zu den erzieherischen Angeboten des Kinderund Jugendhilferechts ist der staatliche Erziehungsauftrag im Schulbereich dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet87. Das Grundgesetz hat in Art. 7 Erziehungsziele nicht ausdrücklich formuliert. Unabhängig da82 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15.02.2005 (GV.NW S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.06.2006 (GV.NW S. 278). 83 Allgemeine Schulordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.02.2002, geändert durch Verordnung vom 08.04.2003 (SGV.NW S. 223). 84 Allgemeine Schulordnung; Verwaltungsvorschrift (VVzASchO) zu § 12 ASchO – Aufsicht-, RdErl. d. Kultusministeriums vom 26.03.1980 (GABl.NW S. 183). 85 Allgemeine Dienstordnung für Lehrer und Lehrerinnen, Schulleiter und Schulleiterinnen an öffentlichen Schulen (ADO), RdErl. d. Kultusministeriums vom 20.09.1992 (GABl.NW I S. 235; BASS’ 21-02 Nr. 4), zuletzt geändert am 31.05.2000. 86 Eckert, S. 96 f. 87 BVerfGE, 34, 165 (183); BVerfGE 47, 46 (72); BVerfGE, 52, 223 (236); Jarass/ Pieroth, Art. 7 Rn. 5.

II. Öffentliche Schule

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von beansprucht das sich aus dem Grundgesetz ergebende Menschenbild Geltung, woraus sich auch für den staatlichen Erziehungsauftrag im schulischen Bereich allgemeine Erziehungsziele ableiten lassen. Demgegenüber enthält ein Großteil der Landesverfassungen Vorgaben, welche die schulische Erziehung leitzielbestimmend lenken sollen88. Einigkeit besteht insofern, dass der staatliche Erziehungsauftrag nicht nur die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten beinhaltet, sondern Erziehungsziel auch ist, den einzelnen Schüler zu einem selbständigen und eigenverantwortlichen Mitglied der Gesellschaft heranzubilden89. Dahingehend findet sich auch in den Schulgesetzen eine entsprechende Formulierung dieses Erziehungsziels. In § 2 Abs. 4 SchulG NW heißt es: „Die Schule vermittelt die zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrages erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und Werthaltungen und berücksichtigt dabei die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Sie fördert die Entfaltung der Person, die Selbständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt. Schülerinnen und Schüler werden befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten.“ Nach § 2 Abs. 5 SchulG NW sollen die Schülerinnen und Schüler insbesondere lernen, „1. selbständig und eigenverantwortlich zu handeln, 2. für sich und gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen zu erbringen, [. . .] 5. die grundlegenden Normen des Grundgesetzes und der Landesverfassung zu verstehen und für die Demokratie einzutreten, 6. die eigene Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeit sowie musisch-künstlerische Fähigkeiten zu entfalten, 7. Freude an der Bewegung und am gemeinsamen Sport zu entwickeln, sich gesund zu ernähren und gesund zu leben“. Auch in der Schule dürfen Aufsichtspflicht und Erziehungsauftrag nicht isoliert betrachtet werden, sondern stehen vielmehr in einer sich gegenseitig beeinflussenden Wechselbeziehung zueinander, welche das Maß und die inhaltlichen Anforderungen der Aufsichtspflicht entscheidend mitbestimmt90. 88 Die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben die Bildungs- und Erziehungsziele in ihren Landesverfassungen näher bestimmt. Dagegen haben Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in den Schulgesetzen nähere Ausführungen gemacht. 89 BVerfGE 34, 165 (182); BVerfGE 47, 46 (72); siehe auch OLG Celle VersR 1968, 74 (75). 90 OLG Düsseldorf NWVBl 1998, 77; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; Margies/Rieger, RdJB 2000, 280.

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§ 4 Rechtsgrundlagen in einzelnen Haftungsbereichen

III. Psychiatrische Krankenhäuser Gegenstand der weiteren Betrachtung sind die öffentlichen psychiatrischen Krankenhäuser, in denen sich minderjährige oder volljährige Personen aufhalten, die insbesondere wegen ihres geistigen Zustandes der Beaufsichtigung bedürfen und damit zu dem aufsichtsbedürftigen Personenkreis des § 832 Abs. 1 BGB gehören. Die psychiatrischen Abteilungen bilden einen Teil der Krankenversorgung in Krankenhäusern. Kommunale psychiatrische Krankenhäuser sind öffentliche Einrichtungen91. Öffentliche Krankenhäuser befinden sich in Trägerschaft einer kommunalen Körperschaft (z. B. Stadt, Landkreis, Landschaftsverbände) oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts (z. B. Anstalt oder Stiftung)92. Die psychiatrischen Krankenhäuser als öffentliche Einrichtungen können in den verschiedenen in § 1 I. 2. b) dargestellten öffentlich-rechtlichen Organisationsformen betrieben werden93. Allgemein wird zwischen einer offenen bzw. halboffenen und einer geschlossenen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus unterschieden94. Die Unterbringung in einer offenen Station zeichnet sich im Gegensatz zu einer geschlossenen Abteilung durch verminderte Vorkehrungen gegen ein Entweichen der Patienten aus95. Psychisch Kranke können in psychiatrische Krankenhäuser aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen untergebracht werden. Es ist zu unterscheiden zwischen der zivilrechtlichen Unterbringung96 (§ 1906 BGB für Volljährige, § 1631b BGB für Minderjährige), der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach den landesrechtlichen PsychKG sowie der strafrechtlichen Unterbringung (§§ 63, 64 StGB; § 463 StPO i.V. m. MRVG)97. Auf die Problematik der Unterbringung psychisch kranker Straftäter wird im Rahmen dieser Bearbeitung jedoch nicht eingegangen. Die zuvor genannten Fälle von Unterbringungen sind mit einer Freiheitsentziehung verbunden, da sie – wie sich aus §§ 1906 Abs. 1, 1631b BGB, § 10 PsychKG NW ergibt – gegen oder ohne den Willen der betreffenden Person erfolgt. Wenn dagegen 91 Hofmann/Muth/Theisen, KommunalR. NW, S. 193; Peine, Allg. VerwR., § 2 Rn. 100. 92 Laufs/Uhlenbruck/Genzel, Hdb. ArztR., § 83 Rn. 38. 93 Siehe dazu auch Laufs/Uhlenbruck/Genzel, Hdb. ArztR., § 83 Rn. 39. Das Universitätsklinikum Köln wird z. B. als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes NW betrieben, Art. I § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Errichtung des Klinikums Köln der Universität Köln als Anstalt des öffentlichen Rechts vom 01.12.2000, GV.NW S. 721. 94 OLG Koblenz AHRS 3060/22, 67 (69 f.); Baumann, Unterbringungsrecht, S. 210 f.; siehe auch LG Bremen NJW-RR 1999, 969 f. 95 Vgl. Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, Teil B Rn. 242. 96 Die zivilrechtliche Unterbringung ist durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige, BtG vom 12.09.1990, BGBl I S. 2002, in verfahrens- und materiellrechtlicher Hinsicht neu geregelt worden. 97 Eine Übersicht zu den weiteren Unterbringungsmöglichkeiten gibt Soergel/Zimmermann, § 1906 Rn. 2 ff.

III. Psychiatrische Krankenhäuser

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eine Aufnahme in ein Krankenhaus auf freiwilliger Grundlage erfolgt, liegt keine freiheitsentziehende Unterbringung vor98. Die zivilrechtliche Unterbringung kann dann nicht als Rechtsgrundlage fungieren, wenn sie ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit dient, da sie nur zum Wohl des Betreuten erfolgt99. Der Schutz der Interessen der Allgemeinheit oder Dritter ist vielmehr eine Angelegenheit des öffentlichen Unterbringungsrechts. Das schließt jedoch nicht aus, dass ein auf der Grundlage des § 1906 Abs. 1 BGB untergebrachter Patient Rechtsgüter Dritter i. S. d. § 832 BGB schädigt. § 1906 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die freiheitsentziehende Unterbringung durch den Betreuer von seinem Aufgabengebiet umfasst ist100. Der Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmung“ rechtfertigt eine Unterbringung, nicht dagegen nur die Einräumung der „Gesundheitsfürsorge“101. Auch die Zuweisung der Personensorge reicht aus, da diese bereits die Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung beinhaltet102. Mit der Aufnahme in ein psychiatrisches Krankenhaus wird regelmäßig auch die Aufsichtspflicht über den aufsichtsbedürftigen Patienten begründet. Selbst in den Landesgesetzen über die öffentlich-rechtliche Unterbringung von psychisch Kranken wird man in den gesetzlichen Vorschriften vergebens nach dem Begriff der Aufsichtspflicht suchen. In § 10 Abs. 2 S. 3 PsychKG NW103 findet sich nur eine allgemeine Regelung, welche die Pflicht zur Aufsichtsführung mit umfasst. Hiernach haben die Krankenhäuser durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die Betroffenen der Unterbringung nicht entziehen. Ob und nach welchen Kriterien die Aufsichtspflicht in psychiatrischen Krankenhäusern als privatrechtlich einzustufen ist, und damit regelmäßig eine vertragliche Aufsichtsübernahme nach § 832 Abs. 2 BGB vorliegt, oder ob es sich um eine öffentlich-rechtliche Aufsichtspflicht nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG handelt, wird im nachfolgenden Teil behandelt.

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Erman/Roth, § 1906 Rn. 7. Soergel/Zimmermann, § 1906 Rn. 25; Erman/Roth, § 1906 Rn. 11; Staudinger/ Bienwald, § 1906 Rn. 13, 15, 25. 100 Erman/Roth, § 1906 Rn. 9; Bamberger/Roth/Müller, § 1906 Rn. 4. 101 PWW/Bauer, § 1906 Rn. 1; Palandt/Diederichsen, § 1906 Rn. 2. 102 Staudinger/Bienwald, § 1906 Rn. 20; Soergel/Zimmermann, § 1906 Rn. 12; Palandt/Diederichsen, § 1906 Rn. 2; a. A.: MünchKomm/Schwab, § 1906 Rn. 6. 103 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG NW vom 17.12.1999, GV.NW S. 662; geändert durch Gesetz vom 05.04. 2006, GV.NW S. 332). 99

§ 5 Rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht in einzelnen Haftungsbereichen Die rechtliche Einordnung der Aufsichtspflicht in das öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Haftungsregime ist nur dann problematisch, wenn die Kommune eine Einrichtung in eigener öffentlicher Trägerschaft unterhält, da ihr insofern die Wahlfreiheit hinsichtlich der Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse zugebilligt wird.

I. Tageseinrichtungen für Kinder In Literatur und Rechtsprechung ist die Qualifizierung der Aufsichtspflicht in Kindergärten als privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Pflicht im Einzelnen umstritten, wobei sich die Erörterungen größtenteils in der bloßen Feststellung der Einordnung erschöpfen1. Weder die Qualifizierung als privatrechtliche Aufsichtspflicht noch als Amtspflicht sind näher begründet worden. Einzig Ollmann widmet sich der Begründung und rechtlichen Einordnung der Aufsichtspflicht in Kindertagesstätten, dessen Ansätze Gegenstand der folgenden Untersuchung sind. Die Rechtsprechung lässt die Zuordnung in den Entscheidungsgründen aus 1 Palandt/Sprau, § 839 Rn. 125: Kindergärten öffentlicher Träger: Aufsichtspflicht ist nach wohl h. M. öffentlich-rechtlich. So auch OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 99 (100), für den Betrieb einer Kindertagesstätte. Böhm/Mütze, NDV 2002, 325 (326): Ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe wird in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig. Erman/Schiemann, § 832 Rn. 5, nimmt eine vertragliche Übernahme der Haftung an. Soergel/Krause, § 832 Rn. 13: Vertragliche Übernahme für Erzieher u. U. auch für Kindergärtnerinnen. Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 14: Bei vertraglich ausgestalteten Kinderhorts und Kindergärten handele es sich i. d. R. um vertragliche Aufsichtspflichten. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 39, führt aus, dass bei Unterbringung in Anstalten, Krankenhäusern, Heimen usw. wegen Aufsichtsbedürftigkeit, regelmäßig eine vertragliche Aufsichtsübernahme vorliege. Der Kindergarten ist in dieser Aufzählung, die allerdings nicht abschließend ist, nicht genannt. Scheffen/Pardey, Rn. 206, führt aus, dass die Betreuung in einer Krippe, Kindergarten oder Hort regelmäßig nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge, da keine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Besuch des Kindergartens bestehe und das Benutzungsverhältnis meist privatrechtlich geregelt sei. Sofern in Kindertagesstätten das (freiwillige) Benutzungsverhältnis aber öffentlichrechtlich ausgestaltet sei, gelten § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Albilt, S. 287 f.: Allein entscheidend sei die rechtliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Kindergartenträger und den Benutzern. Da es im Kindergarten keinen Besuchszwang und keine Disziplinargewalt gebe, entspreche das Rechtsverhältnis wie in anderen privaten Einrichtungen dem der Gleichordnung, bei dem die Betreuung schlussendlich ebenfalls auf der Grundlage eines privatrechtlichen Aufnahmevertrages erfolge.

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nachvollziehbaren Gründen offen, wenn eine rechtliche Zuordnung für die Streitentscheidung entbehrlich ist2.

1. Bestimmung des Nutzungsregimes durch Übertragung der zu Krankenhäusern ergangenen Rechtsprechung? Ollmann vertritt die Auffassung, dass die vom BGH entwickelten Grundsätze für Krankenhäuser für die Beurteilung des rechtlichen Charakters des Benutzungsverhältnisses einer Kindertagesstätte herangezogen werden können3. Unter den vom BGH entwickelten Grundsätzen versteht Ollmann, dass, vergleichbar der Heilbehandlung von Kindern in Krankenhäusern, auch die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen regelmäßig nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes darstelle4. Auch bei Kindertagesstätten sei ein insgesamt öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nur dann anzunehmen, wenn – über das Vorliegen der gängigen Abgrenzungskriterien hinaus – weitere öffentlich-rechtliche Elemente hinzuträten. Konsequenz daraus ist, dass auch die Aufsichtspflicht in Kindergärten nach dem Privatrecht, d.h. nach § 832 BGB zu beurteilen wäre. Auf den ersten Blick könnte man bei Kindergärten annehmen, dass die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern in derartigen öffentlichen Einrichtungen in der Regel mehr privatrechtliche als hoheitliche Züge aufweist. Unter Zugrundelegung der vom BGH anhand der für Allgemeinkrankenhäuser entwickelten Maßstäbe besteht für die Kinder eines öffentlichen Kindergartens keine Besuchspflicht. Der Besuch eines Kindergartens ist vielmehr freigestellt. Die Kinder sind dort, abgesehen von der auch in jedem privatrechtlich betriebenen Kindergarten bestehenden Hausordnung, keiner Zwangs- oder Disziplinargewalt im Sinne einer Eingriffsverwaltung unterworfen. Wenn man nun aber versucht, die vom BGH zu Krankenhäusern entwickelten Grundsätze auf Kindertagesstätten zu übertragen und konsequent weiter zu denken, dann müsste bei den übrigen öffentlichen Einrichtungen, wo weder Zwangs- noch Dis2 Das OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799, hat in einem Fall der Aufsichtspflicht eines staatlichen Heimes über schwer erziehbare Jugendliche die Qualifizierung der Aufsichtspflicht und damit die Haftungsgrundlage offen gelassen, da bereits keine Aufsichtspflichtverletzung vorlag. 3 Ollmann, VersR 2003, 302 (303). Auch Albilt, S. 287, hat die tragenden Entscheidungsgründe aus dem Urteil des BGH aus dem Jahre 1953 auf den kommunalen Kindergartenbereich projiziert. Er führt zwar zunächst aus, dass die Einordnung der Tätigkeit des Kindergartenpersonals als Ausübung eines öffentlichen Amtes entscheidend von der rechtlichen Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Kindergartenträger und den Benutzern abhängt, aber letztlich keine Zweifel bestehen, dass das Benutzungsverhältnis ausschließlich privatrechtlichen Kriterien unterliegt. Als Ergebnis hält Albilt fest, dass es im gesamten Kindergartenbereich daher keine Amtshaftung für Aufsichtspflichtverletzungen gibt. 4 Siehe ausführlich zur Rechtsprechung die Krankenhäuser betreffend unten in § 5 IV. 1.

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ziplinargewalt ausgeübt wird, von einer privatrechtlichen Handlungsform auszugehen sein. Dies führt letztendlich zu einer nicht zu rechtfertigenden Aushöhlung der Grundsätze der Formenwahlfreiheit der Verwaltung. Zudem kann der Hinweis auf die Krankenhäuser als üblicherweise privatrechtlich ausgestaltete andere öffentliche Einrichtung nichts über das in jedem Einzelfall zu prüfende Benutzungsverhältnis eines kommunalen Kindergartens aussagen. Soweit keine gesetzlichen Einschränkungen bestehen, entscheidet jede Gemeinde selbständig über die rechtliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen ihrer öffentlichen Einrichtungen zum Benutzer. Eine generelle Qualifizierung des Benutzungsverhältnisses von Tageseinrichtungen als privatrechtlich ist damit nicht zu vereinbaren5. Selbst wenn man mit einem Teil der Literatur6 dem Grundsatz der Formenwahlfreiheit seine Berechtigung abspricht, vermag dies dem Ansatz von Ollmann nicht zum Durchbruch zu verhelfen. Denn dieser Teil der Literatur interpretiert die Beziehungen zwischen der Einrichtung und dem Benutzer insgesamt als öffentlichrechtlich und verneint deshalb eine Wahlfreiheit. Diese Auffassung knüpft daran an, dass der Nutzungsanspruch selbst öffentlich-rechtlicher Natur ist; das gesamte Benutzungsverhältnis folge einem einheitlichen öffentlich-rechtlichen Modell. Eine privatrechtliche Ausgestaltung kann es nach dieser Ansicht gar nicht geben. Die Heilbehandlung von Kindern mit der Betreuung, Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten hinsichtlich der Qualifizierung der Aufsichtspflicht gleich zu setzen, begegnet bereits unter dem Aspekt der rechtlichen Ausgangsgestaltung Bedenken. Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sind – im Gegensatz zu den kommunalen Allgemeinkrankenhäusern – sowohl bundes- als auch landesrechtliche Regelungen vorhanden. Rechtsgrundlage für das Jugendhilferecht ist das SGB VIII, welches Aufgaben, Maßnahmen, Einrichtungen und Angebote der öffentlichen Jugendhilfe enthält. Weiterhin passt das entscheidende Abgrenzungskriterium bei Krankenhäusern – die Heil- oder Zwangsbehandlung – für die Einordnung der Aufsichtspflicht nicht auf andere öffentliche Einrichtungen. Eine Übertragung der vom BGH entwickelten Grundsätze scheitert bereits an diesem nicht verallgemeinerungsfähigen Kriterium. Selbst der Versuch, ein vergleichbares Kriterium für den Besuch einer Kindertageseinrichtung zu finden, ist zum Scheitern verurteilt. Die von dem BGH zu den öffentlichen Krankenhäusern ergangene Rechtsprechung kann mithin unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt, vor allem nicht pauschal, auf andere öffentliche Einrichtungen übertragen werden.

2. Abgeleitete Erziehungs- und Bildungsbefugnis Aus der von Eltern im Bereich von Kindertageseinrichtungen abgeleiteten Erziehungs- und Bildungsbefugnis zieht Ollmann den Schluss, dass im Tages5 6

Vgl. VGH Bad.-Württ. DÖV 1978, 569 (570). Ossenbühl, DVBl 1973, 289 (291 ff.); v. Mutius, JuS 1978, 396 (400).

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stättenbereich die grundsätzlich gegebene Wahlmöglichkeit zwischen öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen nicht bestehe. Mit dieser Schlussfolgerung begründet er eine Ausnahme von dem Grundsatz der Formenwahlfreiheit der Verwaltung. Festzuhalten ist demgegenüber, dass die Wahlfreiheit der Gemeinden nur dann nicht gegeben ist, wenn ein öffentlich-rechtliches Nutzungsregime spezialgesetzlich zwingend vorgeschrieben ist7. Beispielhaft sind hier das Schulverhältnis und das Strafvollzugsrecht zu nennen. Eine vergleichbare Regelung, welche die Wahlfreiheit im Bereich der Kindertagesstätten begrenzt, ist nicht ersichtlich. Vielmehr gelten die Einrichtungen des Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitswesens als ausdrücklich gestattete, fiktiv-gesetzlich nicht als wirtschaftliche Unternehmen geltende Einrichtungen8. Mithin liegt keine Ausnahme von dem Grundsatz der Formenwahlfreiheit vor. Der öffentliche Einrichtungsträger hat im Bereich der Kindertagesstätten demnach ein Wahlrecht. Weiterhin schließt Ollmann aus der von den Eltern abgeleiteten und durch Vertrag übertragenen Erziehungs- und Bildungsbefugnis, dass die Aufsichtspflicht aufgrund Sachzusammenhangs auch dieser Rechtsgrundlage zuzuordnen sei. Dieser ergebe sich aus der in § 22 Abs. 2 SGB VIII (§ 22 Abs. 3 SGB VIII n. F.) neben der Erziehung genannten Betreuung, welche die Beaufsichtigung mit umfasse. § 1631 BGB und auch § 42 Abs. 1 S. 4 SGB VIII9 (§ 42 Abs. 2 S. 4 SGB VIII n. F.) zeigten, dass Beaufsichtigung und Erziehung als Bestandteile der elterlichen Sorge in einem engen funktionalen Zusammenhang stehen. Der Teil der Nutzerbeziehungen, der die Ausübung des Bildungs- und Erziehungsrechts zum Gegenstand habe, sei somit unzweifelhaft privatrechtlicher Natur. Der enge Zusammenhang zwischen Erziehungsrecht und Aufsichtspflicht spreche dafür, beide Bereiche gleich zu behandeln und auch die Aufsichtspflicht als privatrechtlich zu qualifizieren10. Diese These überzeugt bereits im Ansatzpunkt nicht, da allein das Vorliegen eines Vertrages noch nicht den Rückschluss auf ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zulässt. Der Kommune steht zur Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen als öffentlich-rechtliches Instrumentarium der öffentlichrechtliche Vertrag zur Seite. Sofern ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt, ist von einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung auszugehen11. Zuzustimmen ist Ollmann allerdings insoweit, dass diese beiden Pflichten Erziehung und Beauf-

7 VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 (268); Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 34; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 176; Bartels, S. 229; Erbguth, VR 1982, 14 (16). 8 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR., Bd. 1, § 23 Rn. 13; vgl. nur § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GO NW. 9 Gemeint ist wohl § 42 Abs. 1 S. 3 SGB VIII a. F. 10 Ollmann, VersR 2003, 302 (304). 11 Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 34; vgl. auch VGH Mannheim NVwZ 1987, 701 (702).

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sichtigung gerade in dem Bereich der Aufsichtspflichtverletzung in einem engen Zusammenhang stehen. Auf der einen Seite ist es Aufgabe der Erziehungsberechtigten, ihre Kinder zu Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu erziehen (Art. 6 Abs. 2 GG, §§ 1626 Abs. 2, 1631 Abs. 1 BGB), auf der anderen Seite sind die Kinder von ihren Eltern ausreichend zu betreuen und zu beaufsichtigen, um sich nicht dem Vorwurf einer Aufsichtspflichtverletzung auszusetzen12. Diese wechselseitige Beeinflussung kann jedoch nicht dazu führen, hoheitliches Handeln von vorneherein auszuschließen. Der von Ollmann selbst zitierte § 42 Abs. 1 S. 4 SGB VIII a. F.13 (§ 42 Abs. 2 S. 4 SGB VIII n. F.)14, der die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen als Schutzmaßnahme regelt, beweist, dass die Aufsichtspflicht und die Erziehungspflicht in einem ausschließlich öffentlichrechtlichen Kontext gegeben sein können. Ferner ist es nicht überzeugend, für die Qualifikation der Aufsichtspflicht entscheidend auf die abgeleitete Erziehungsund Bildungsfunktion abzustellen; denn die bloße Verletzung von Erziehungsoder Bildungspflichten begründet keine Haftung im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Der Erziehungsberechtigte haftet Dritten gegenüber ausschließlich für die Verletzung seiner Aufsichtspflicht, nicht dagegen für ein Erziehungsversagen15. Lediglich als Grenze der Aufsichtspflicht findet das Erziehungsziel der Eltern im Rahmen der Bestimmung des Aufsichtsmaßes Anwendung16. Was den Sachzusammenhang betrifft, lässt Ollmann weiter außer Acht, dass sich gem. § 3 Abs. 2 S. 2 SGB VIII die Leistungsverpflichtungen des SGB VIII ausschließlich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe richten. Der staatliche Gesetzgeber hat die Träger der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einseitig verpflichtet. Daraus ergibt sich bereits der hoheitliche Charakter der Leistungen nach dem SGB VIII17. Die Aufgaben der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe werden als Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung eingestuft18. Auch die subsidiäre Zuständigkeit der öffentlichen Träger nach § 4 Abs. 2 SGB VIII spricht nicht für einen privatrechtlichen Charakter der Aufsichtspflicht. Diese Regelung bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe, nicht aber auf das Verhältnis zwischen öffentlicher Jugendhilfe und dem Bürger19. Vor allem reduzieren sich da12

Unten § 6 I. 4. c) bb). Gemeint ist wohl § 42 Abs. 1 S. 3 SGB VIII a. F. 14 Nach § 42 Abs. 1 S. 3 SGB VIII a. F. übte das Jugendamt während der Inobhutnahme das Recht der Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung aus; § 42 Abs. 2 S. 4 SGB VIII n. F. normiert noch umfassender, dass das Jugendamt während der Inobhutnahme berechtigt ist, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind, Jans/Happe/Saurbier/Maas, Erl. § 42 Art. 1 KJHG Rn. 47. 15 Fuchs, S. 120. 16 Unten § 6 I. 4. c). 17 Mrozynski, SGB VIII, § 3 Rn. 6. 18 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, Vor § 11 Rn. 25. 13

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mit nicht die Leistungsverpflichtungen der öffentlichen Jugendhilfe20. Die Gesamtverantwortung für die Schaffung und Erhaltung eines bedarfsdeckenden Angebotes verbleibt gem. §§ 85 Abs. 1, 79 SGB VIII bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe21. Schließlich ist kein Grund dafür ersichtlich, dass bei Annahme einer von den Eltern abgeleiteten Erziehungsbefugnis die Aufsichtspflicht durch den Einrichtungsträger vor dem Hintergrund nicht hoheitlich wahrgenommen werden könnte. Um die privatrechtliche Wahrnehmung der Aufsichtspflicht von Kindergartenträgern zu untermauern, wird oftmals der direkte Vergleich zur öffentlichen Schule gezogen. Hier wird die Schulpflicht angeführt, deren Nichtbefolgung mit Bußgeld bewehrt ist und notfalls mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden kann. Hoheitliches Handeln erschöpft sich aber nicht allein in den Formen des Über- und Unterordnungsverhältnisses mit seinem Sanktionensystem; daneben gibt es auch den Bereich des schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandelns, der nicht von der Eingriffs-, sondern von der Leistungsverwaltung geprägt ist. Zudem wird in solchen Fällen, in denen eine Besuchspflicht der öffentlichen Einrichtung vorgeschrieben ist, regelmäßig ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis gesetzlich festgelegt sein. Dies führt dazu, dass der Anwendungsbereich der Formenwahlfreiheit der Verwaltung schon nicht eröffnet ist. Der Hinweis auf die Schulpflicht oder vergleichbare Fälle der Ausübung von Zwangs- oder Disziplinargewalt kann daher zur Qualifizierung der Aufsichtspflicht in eines der beiden Rechtsgebiete nichts beitragen. Im Hinblick auf die vorrangige Erziehungsverantwortung der Eltern und einem fehlenden eigenständigen Erziehungsauftrag der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe fungiert die Jugendhilfe deshalb in weiten Teilen als Unterstützung und Stärkung der elterlichen Erziehungsverantwortung22. Dies spricht allerdings nicht gegen die Ausübung von hoheitlicher Gewalt. Die Eltern üben ihr Erziehungsrecht aus, indem sie ihr Kind in die Obhut eines Kindergartenträgers geben. Auch wenn z. B. die Kindergartenordnung erst durch die freiwillige Inanspruchnahme der Einrichtung ihre Wirkung entfalten kann, so werden hierdurch bereits die Rechtsbeziehungen zu den Benutzern mit verbindlicher Wirkung geregelt23. Der Unterschied zur Schule besteht lediglich darin, dass das elterliche Erziehungsrecht im Schulverhältnis neben dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsrecht verwirklicht wird, während im Kinder- und Jugendhilferecht die Wahrnehmung der Erziehungs- und Bildungsbefugnis in den öffentlichen Einrichtungen von den Eltern abgeleitet wird. In beiden Fällen wird das elterliche Erziehungsrecht nicht verdrängt. 19 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 4 Rn. 16; siehe auch Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 4 Rn. 1. 20 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 4 Rn. 16. 21 Wiesner/Struck, SGB VIII, Vor § 22 Rn. 25; Mrozynski, SGB VIII, § 2 Rn. 1. 22 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, Einleitung Rn. 61. 23 Vgl. VGH Bad.-Württ. DÖV 1978, 569 (571).

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3. Zwischenergebnis Der Auffassung von Ollmann, dass die Aufsichtspflicht in Kindergärten stets privatrechtlich zu qualifizieren ist, kann weder von dem Ergebnis noch von dem Begründungsansatz gefolgt werden. Die zu den öffentlichen Krankenhäusern ergangene Rechtsprechung ist auf Kindertagesstätten nicht übertragbar. Die Ansicht von Ollmann führt zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis, dass die kommunalen Einrichtungen ihre öffentlichen Aufgaben bei der Wahl einer öffentlichrechtlichen Organisationsform nicht hoheitlich wahrnehmen können. Damit findet eine unzulässige Aushöhlung des Geltung beanspruchenden Grundsatzes der Formenwahlfreiheit der Verwaltung zu Lasten der öffentlichen Hand statt. Die abgeleitete Erziehungsbefugnis der Kindergärten von den Erziehungsberechtigten vermag den privatrechtlichen Charakter der Aufsichtspflicht nicht zu begründen. Der Sachzusammenhang spricht vielmehr für die Einordnung in das öffentlichrechtliche Haftungsregime.

4. Bestimmung des Nutzungsregimes am Beispiel GTK NW Da dem Begründungsansatz von Ollmann nicht gefolgt werden kann, ist die Qualifizierung der Aufsichtspflicht in Kindergärten anhand der gängigen Auslegungskriterien zu überprüfen. Der Kommune steht im Bereich der Daseinsvorsorge ein Wahlrecht hinsichtlich der Ausgestaltung des Nutzungsregimes zu24. Für Schäden, die ein Aufsichtsbedürftiger erleidet, hängt die Qualifizierung der Aufsichtspflicht als Amtspflicht oder als privatrechtliche Pflicht entscheidend von der rechtlichen Gestaltung des Benutzungsverhältnisses ab25. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Bestimmung der Nutzungsform ist die vom Bürger zu erbringende Gegenleistung für die Benutzung der Einrichtung. Die Wahlfreiheit hinsichtlich des Benutzungsverhältnisses kann sich allerdings auch unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Beispielhaft ist § 6 KAG NW zu nennen, der die Erhebung von Benutzungsgebühren regelt, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. In § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII findet sich für die Inanspruchnahme von Kindertageseinrichtungen eine unmittelbare Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Kostenbescheids, in dem Teilnahmebeiträge oder Gebühren erhoben werden können26. Nach § 17 Abs. 1 GTK NW, welches das zweite Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilferecht ist, haben die Personensorgeberechtigten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit monatlich öf24

Oben § 2 I. In diesem Zusammenhang verwundern die Ausführungen von Ollmann, der sich mit dem Aufgabencharakter und dem Sachzusammenhang der Tätigkeit von Kinderund Jugendhilfe befasst, ohne die oben in § 2 III. angeführte Differenzierung hinsichtlich des geschädigten Dritten vorzunehmen. 26 Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 90 Rn. 3. 25

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fentlich-rechtliche Beiträge zu den Jahresbetriebskosten zu entrichten. Mithin hat sich der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen für die Erhebung eines öffentlich-rechtlichen Beitrages entschieden, der unabhängig davon erhoben wird, ob das Kind einen Kindergarten in freier oder in öffentlicher Trägerschaft besucht27. Die Wahl eines öffentlich-rechtlichen Beitrages indiziert einen entsprechenden Regelungswillen der Gemeinde28. In diesem Zusammenhang sind auch die Vorschriften der § 90 Abs. 3 SGB VIII, § 17 Abs. 3 S. 4 GTK NW zu beachten, die unter bestimmten Voraussetzungen den Verzicht auf die Elternbeiträge durch den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorsehen. Durch die Freistellung von den Kosten wird die Rolle des Staates deutlich, der grundsätzlich seine öffentlichen Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge in öffentlich-finanzieller Eigenverantwortung zu erfüllen hat. Die Inanspruchnahme von Kindergärten soll nicht durch finanzielle Hürden erschwert oder gar verhindert werden. Der Beitragserlass ist damit nicht einer vertraglichen Vereinbarung überlassen, sondern ist der hoheitlichen Entscheidungsgewalt des öffentlichen Jugendhilfeträgers unterstellt. Verfahrensrechtlich ist die Entscheidung über den Erlass der Beiträge ein Verwaltungsakt. Gegen ablehnende Bescheide sind die Rechtsmittel des Widerspruchs und der Klage zulässig29. Für eine öffentlich-rechtliche Wahrnehmung der Aufsichtspflicht könnte auch die Regelung des § 28 Abs. 1 GTK NW sprechen. Die in § 28 Abs. 1 GTK NW vorgesehene Verweisung auf die Vorschriften des SGB X über das Verwaltungsverfahren spricht für sich genommen noch nicht für eine öffentlich-rechtliche Aufsichtspflicht. Die Anwendung des SGB X setzt zunächst einmal eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden voraus. Eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit ist dann anzunehmen, wenn Rechtssätze des öffentlichen Rechts ausgeführt werden oder wenn ein Hoheitsträger auf Grund besonderer, speziell ihn berechtigender oder verpflichtender Rechtsvorschriften handlungsbefugt ist30. Nicht darunter fällt daher die rein fiskalische Tätigkeit von Behörden31. Der Verweisung auf das SGB X wird man wohl den Willen des Landesgesetzgebers NW entnehmen können, die Wahrnehmung dieser Aufgabe – die Errichtung und Unterhaltung von Kindertagesstätten – soweit möglich dem öffentlichen Recht zu unterstellen. Ein gewichtiges Kriterium ist darüber hinaus die äußere Form, in der die jeweilige Benutzungsordnung geregelt wird32. Auch insoweit lässt sich die der Gemeinde grundsätzlich zustehende Wahlfreiheit anhand der Gesetzestexte der meisten Gemeindeordnungen 27

Moskal/Foerster, GTK NW, Erl. § 17 GTK Rn. 1. Siehe VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 (268). 29 Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 90 Rn. 13; siehe zu der Reform des Widerspruchsverfahrens in NW und zu einer Übersicht über die Regelungen in den anderen Bundesländern Kamp, NWVBl 2008, 41 ff. 30 v. Wulffen/Roos, SGB X, § 1 Rn. 4. 31 v. Wulffen/Roos, SGB X, § 1 Rn. 4; siehe auch v. Wulffen/Engelmann, SGB X, § 31 Rn. 12. 32 Palandt/Sprau, § 839 Rn. 18. 28

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der Länder belegen. So formuliert z. B. § 7 Abs. 1 GO NW, dass die Gemeinden, soweit die Gesetze nichts anderes bestimmen, berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, ihre Angelegenheiten durch Satzung und damit öffentlich-rechtlich zu regeln. Das Vorliegen einer Satzung als typische Handlungsform zur Begründung öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen spricht eindeutig für eine öffentlichrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses. Fehlt dagegen ein förmlicher Satzungsbeschluss, so ist nicht zwingend im Gegenzuge von einem privatrechtlichen Nutzungsregime auszugehen33. Vor dem Hintergrund der öffentlichrechtlichen Organisationsform ist vielmehr die Benutzungsordnung nach Maßgabe des Willens des Einrichtungsträgers auf eine privatrechtliche Ausgestaltung zu überprüfen. Diese Vorgehensweise liegt nicht zuletzt in der allgemeinen Vermutungsregel begründet, dass die Kommunen beim Betrieb öffentlicher Einrichtungen öffentliche Aufgaben wahrnehmen und sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auch der Handlungs- und Organisationsformen des öffentlichen Rechts bedienen34. Auch hier vertritt Ollmann – den für Krankenhäuser aufgestellten Grundsätzen folgend – die Ansicht, dass die Gemeinwohlorientierung der Kindertagesstätten und die Erhebung von im Verwaltungszwangsverfahren einzuziehenden Gebühren, für sich allein noch nicht genügen, um das Benutzungsverhältnis insgesamt als hoheitlich zu qualifizieren. Die Vermutungsregel für das öffentliche Recht gelte nur dann, wenn ein auf öffentlich-rechtliche Wahrnehmung der Aufgabe gerichteter Wille zum Ausdruck gebracht werde35. Die Vermutungsregel wird nicht richtig dargestellt. Es gilt vielmehr umgekehrt, dass die Vermutungsregel für die öffentliche Handlungsform nur dann nicht gilt, wenn der eindeutige Wille, in privatrechtlicher Handlungsform tätig zu werden, in Erscheinung tritt36. Mithin bleibt festzuhalten, dass der Versuch von Ollmann, die Vermutungsregel in ihrer Reichweite abzuschwächen, nicht zu überzeugen vermag. In gleicher Weise hat das OLG Karlsruhe in einer Entscheidung, in der Nachbarn Schadensersatz von der Kommune wegen Verletzung der Aufsichtspflichten von Erzieherinnen verlangten, die Rechtsbeziehungen zwischen den Kindern und der beklagten Gemeinde als öffentlich-rechtlich qualifiziert37. Einschlägige Haftungsgrundlage war damit § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Als Begründung führt der Senat aus, dass es sich bei der Einrichtung von Kindergärten um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge handelt. Aufgaben, Ziele und pädagogische Leitlinien der Kinderbetreuung seien öffentlich-rechtlich geregelt und bestimmten sich nach dem Landesgesetz über die Betreuung von Kindern in Kindergärten und anderen 33 34 35 36 37

VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 (269). Dietlein, Jura 2002, 445 (451); Erichsen, Jura 1986, 196 (200). Ollmann, VersR 2003, 302 (304). VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 267 (268); Erichsen, Jura 1982, 537 (544). OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427).

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Tageseinrichtungen i.V. m. dem Kinder- und Jugendhilfegesetz Baden Württemberg sowie den Vorschriften des SGB VIII. Träger der Einrichtung sei die beklagte Gemeinde als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts, die den Kindergarten in ihrer Eigenschaft als örtliche Trägerin der öffentlichen Jugendhilfe eingerichtet und betrieben habe. Als weiteres Kriterium führt der Senat die Erhebung von gestaffelten öffentlich-rechtlichen Beiträgen an, die durch Satzung geregelt seien. Vor diesem Hintergrund komme dem Umstand, dass der Besuch des Kindergartens, anders als der Schulbesuch, auf freiwilliger Basis erfolgt, für die Einordnung des Benutzungsverhältnisses keine entscheidende Bedeutung zu.

5. Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft der Stadt Köln Wegen der zahlreichen Benutzungsordnungen von Kindergärten der Kommunen der einzelnen Bundesländer wird beispielhaft die Ausgestaltung der Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen der Stadt Köln angeführt38. In § 2 Nr. 4 der Benutzungsordnung ist ausdrücklich geregelt, dass der Besuch der städtischen Tageseinrichtung für Kinder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses erfolgt. § 6 der Benutzungsordnung nimmt direkt Bezug auf § 17 Abs. 1 GTK NW, da er die Überschrift Elternbeitrag trägt. Nach § 6 Nr. 1 haben die Eltern einen monatlichen Elternbeitrag in der im GTK NW jeweils festgesetzten Höhe zu entrichten. Weiterhin ist in Nr. 1 auch das Essensgeld geregelt, dessen Höhe durch einen Beschluss des Rates der Stadt Köln festgesetzt wird. Unter § 8 ist die Haftung geregelt: „Die Stadt Köln haftet für Personenund Sachschäden nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten des Aufsichtspersonals. Weitergehende gesetzliche Haftungsausschlüsse bleiben unberührt.“ In Übereinstimmung mit der Ausgestaltung als öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis ist als Haftungsgrundlage der Amtshaftungsanspruch bestimmt worden. Nach § 12 tritt diese Benutzungsordnung am Tage ihrer öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt der Stadt Köln in Kraft. Nicht ganz unbedenklich ist hingegen die von der Stadt Köln vorgenommene Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz. Der Haftungsausschluss verhindert für den Fall der fahrlässigen Amtspflichtverletzung die Haftungsüberleitung auf den Staat. Es tritt dann eine Eigenhaftung des Beamten nach Maßgabe des § 839 BGB ein. Da § 839 BGB von dem statusrechtlichen Beamtenbegriff ausgeht, greift bei fehlender Beamteneigenschaft die allgemeine Deliktshaftung nach § 832 Abs. 2 BGB ein. Bei Vorliegen einer leicht fahrlässig begangenen Aufsichtspflichtverletzung bewirkt der Haftungsausschluss, dass eine Klage gegen die Kommune unzulässig bzw. unbegründet ist. Der Wortlaut des 38 Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen der Stadt Köln vom 13.06. 2003.

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Art. 34 GG gibt keinen ausdrücklichen Aufschluss über die Frage, ob und durch welchen Rechtssatz die Haftung des Staates beschränkt werden kann. Art. 34 GG besagt nur, dass bei Amtspflichtverletzungen, die sich in Ausübung eines öffentlichen Amtes ereignen, die Verantwortlichkeit „grundsätzlich“ den Staat oder die Körperschaft trifft, in deren Dienst der Schädiger steht. Aus der normierten grundsätzlichen Verantwortlichkeit folgert die h. M. in Literatur und Rechtsprechung, dass in Ausnahmefällen ein sondergesetzlicher Ausschluss der Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG auf den Staat zulässig ist39. Streit herrscht insbesondere darüber, welche Anforderungen in formeller Hinsicht an eine Haftungsbeschränkung gestellt werden müssen. Nach herrschender und vorzugswürdiger Auffassung kann der Staatshaftungsanspruch nur durch ein förmliches Gesetz beschränkt werden; eine Haftungsbeschränkung durch rangniedere Satzungen ist demnach nicht zulässig40. So ist beispielsweise nach § 5 des vorkonstitutionellen Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten (RBHG) für Gebührenbeamte41 ein Ausschluss der Staatshaftung gegeben, womit die persönliche Beamtenhaftung eintritt. Den Gemeinden wird zwar Satzungshoheit verfassungsunmittelbar durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG42 sowie durch die in den Gemeindeordnungen enthaltenen Satzungsermächtigungen verliehen, jedoch steht die Rechtssetzung durch Satzung als Gesetz im materiellen Sinn im Rang unter den formellen Gesetzen43. Das gesamte Beamten- und Staatshaftungsrecht liegt mithin außerhalb der Reichweite des kommunalen Satzungsrechts44. Die Gemeinden können daher ohne besondere gesetzliche Grundlage die sich aus § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG ergebende Staatshaftung nicht mit der Folge ausschließen, dass die sich aus § 839 BGB ergebende persönliche Verantwortlichkeit auf den Beamten zurückfällt45. Auch in sachlicher Hinsicht ist ein Ausschluss nur bei gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls zulässig46. Bei der Aufsichtspflicht in einem Kindergarten in Trägerschaft der Stadt Köln handelt es sich wegen der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungs39 BGHZ 9, 289 (290); 25, 231 (237); 61, 7 (14); BayVGH DVBl 1985, 903 (904); MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 125; Erichsen, Jura 1986, 196 (207); a. A.: BayVGH DVBl 1985, 903 (904). 40 Mittermeier, S. 253 ff.; Dietlein, Jura 2002, 445 (453); MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 126; Erichsen, Jura 1986, 196 (207); Maurer, Allg. VerwR., § 29 Rn. 8. 41 Ein Gebührenbeamter ist z. B. der Bezirksschornsteinfeger, der bei der Bauabnahme und der Feuerstättenschau Gebühren erhebt. Ebenfalls zu den Gebührenbeamten zählen die Notare, für die nach § 19 BNotO eine besondere Haftungsgrundlage besteht, wonach eine Amtshaftung des Staates für Notare ausgeschlossen ist. 42 Sachs/Nierhaus, Art. 28 Rn. 43 f. 43 Becker/Sichert, JuS 2000, 144 (147). 44 BGHZ 61, 7 (14); Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 38; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 548. 45 BGH NJW 1963, 1041 (1043); BGH NJW 1984, 615 (617); Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 96; Maunz/Dürig/Papier, Art. 34 Rn. 242. 46 Tremml/Karger, Rn. 243.

II. Kinderheime

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verhältnisses um eine Amtspflicht. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Haftungsausschluss der Stadt Köln bei einer fahrlässigen Amtspflichtverletzung der Erzieher nicht zulässig, mit der Konsequenz, dass sich der Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG), als einschlägige Haftungsgrundlage ausschließlich gegen den Staat richtet.

6. Ergebnis Was den Landesgesetzgeber in NW betrifft, ist deutlich geworden, dass er auf die öffentlich-rechtliche Wahrnehmung der Aufgaben im Kindergartenbereich abzielt. Insoweit greift die Vermutungsregel für öffentlich-rechtliches Handeln ein, die nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn die Benutzungsordnung eindeutig privatrechtlich ausgestaltet ist. Dies wird – was das GTK NW anbetrifft – eher selten vorkommen, da der Landesgesetzgeber öffentlich-rechtliche Elternbeiträge vorgesehen hat und das Fehlen eines förmlichen Satzungsbeschlusses nicht zwingend die Anwendung der Privatrechtsordnung indiziert. Im Übrigen verbleibt es auch bei Kindergärten bei der Einordnung der Aufsichtspflicht nach § 832 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG über den Weg einer konkreten Einzelfallbetrachtung des Benutzungsverhältnisses anhand objektivierbarer Indizien47. Im Rahmen des hier vorgenommenen Prüfungsumfanges ist sowohl bei der Schädigung eines aufsichtsbedürftigen Dritten als auch eines außerhalb der Einrichtung geschädigten Dritten von einer öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht auszugehen. Damit findet das Haftungsregime § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG Anwendung.

II. Kinderheime Auch in dem Bereich der Heimunterbringung steht dem kommunalen Träger grundsätzlich ein Wahlrecht zu, das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich zu regeln. Die Erörterungen in der Kommentarliteratur erschöpfen sich zumeist in der Aussage, dass die Haftung davon abhänge, in welcher Rechtsform die Anstalt betrieben werde48. Diese Aussage ist jedoch insofern ungenau und wird der Problematik nicht gerecht, weil eine öffentlich-rechtliche Organisationsform aufgrund des von der h. M. zugebilligten Wahlrechts noch nicht gleichzeitig die Anwendung des öffentlichen Haftungsregimes bedeutet. Ein anderer Teil der Literatur nimmt ohne jede differenzierende Erläuterung eine Haftung von Kinderheimen nach § 832 Abs. 2 BGB an49. Einzig Eckert unter47

So auch Stein/Itzel/Schwall, Praxishdb. Amts- u. StaatshaftungsR., Rn. 496. MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 11; Scheffen/Pardey, Rn. 206; Palandt/Sprau, § 832 Rn. 6. 49 Soergel/Krause, § 832 Rn. 13, und Deutsch/Ahrens, DeliktsR., § 20 Rn. 333, nennen bei der vertraglichen Begründung der Aufsichtspflicht lediglich die (Kinder-) 48

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scheidet ausdrücklich zwischen der Haftung für Aufsichtspflichtverletzungen im öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Benutzungsverhältnis50. Das OLG Dresden hat die Aufsichtspflicht in einem Kinderheim, als einer Einrichtung der öffentlichen Jugendhilfe, zu Recht als öffentlich-rechtliche Pflicht qualifiziert51. Als Begründung führt das OLG Dresden an, die Durchführung der Jugendhilfe obliege der Kommune als Selbstverwaltungsaufgabe52. Aus § 3 Abs. 2 SGB VIII ergebe sich zum einen die Leistungsverpflichtung des öffentlichen Trägers, zum anderen fehle die privatrechtliche Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses. Das OLG Hamburg konnte demgegenüber offen lassen, ob sich die Aufsichtshaftung über schwer erziehbare Jugendliche in einem staatlichen Heim nach § 832 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG richtet, da es bereits an einer Aufsichtspflichtverletzung fehlte53.

1. Verfahren zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung (Heimerziehung) nach dem SGB VIII Da die Gewährung der Hilfe zur Erziehung von einem öffentlichen Träger der Jugendhilfe auf der Grundlage des SGB VIII erfolgt, sind die rechtlichen Vorgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes zu beachten und deren Auswirkungen auf die Qualifizierung des Nutzungsregimes zu klären. Die Besonderheit gegenüber den Leistungsangeboten im Rahmen der Tageseinrichtungen für Kinder ist bei der Heimerziehung die Beteiligung des Jugendamtes, das von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe (Landkreise bzw. kreisfreie Städte) nach § 69 Abs. 3 SGB VIII zu errichten ist. Das SGB VIII enthält wesentliche Regelungen für das Verfahren über die Gewährung von Erziehungshilfe54. Einen förmlichen Antrag auf Hilfe zur Erziehung sehen die Verfahrensregelungen des SGB VIII allerdings Heime; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 14, hält bei staatlichen Heimen eine vertragliche Aufsichtsübernahme für gegeben; RGRK/Kreft, § 832 Rn. 24, macht bei seinen Ausführungen zu § 832 Abs. 2 BGB ebenfalls lediglich den Zusatz der privaten Erziehungs- und Kinderheime; Geigel/Haag, Kap. 16 Rn. 35, führt bei § 832 Abs. 2 BGB Vorsteher von Erziehungsanstalten an. 50 Eckert, S. 191 ff. 51 OLG Dresden NJW-RR 1997, 857; Haftung nach § 832 BGB, da privater Träger: OLG Hamm NJW-RR 1988, 798 sowie AG Flensburg NJW-RR 1999, 1041; offen gelassen von OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799; Scheffen/Pardey, Rn. 214; nach Geigel/ Kapsa, Kap. 20 Rn. 21, handelt es sich bei der Durchführung der öffentlichen Kinderund Jugendhilfe der Städte und Landkreise im Rahmen des SGB VIII um eine hoheitliche Tätigkeit aus dem Bereich der sog. schlichten Hoheitsverwaltung, insbesondere bei der Heimerziehung unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 ff. 52 So auch Böhm/Mütze, NDV 2002, 325 (326); Münder/Wiesner, Kinder- u. JugendhilfeR., Kap. 4.3 Rn. 3. 53 OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799. 54 Einen schematischen Überblick über den Planungsprozess gibt Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 36 Rn. 22.

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nicht vor; aus den allgemeinen Regelungen des SGB I und des SGB X lässt sich ebenfalls kein Antragserfordernis ableiten. Nach h. M. ist ein förmlicher Antrag daher keine Verfahrensvoraussetzung. Für die Einleitung des Verfahrens auf Gewährung von Erziehungshilfe bedarf es aber einer eindeutigen Willenserklärung der Personensorgeberechtigten, dass die Inanspruchnahme der Hilfe zur Erziehung gewollt ist55. Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung von Amts wegen ist daher nicht zulässig. Die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramts kann es jedoch gebieten, den Eltern die Erziehungshilfe anzubieten bzw. eine Antragsstellung anzuregen56. Die Vorschrift § 36 SGB VIII schreibt dagegen die Durchführung eines Hilfeplanverfahrens vor. § 36 Abs. 2 SGB VIII normiert eine qualifizierte Planung und Überprüfung des Hilfeprozesses im Zusammenwirken mit mehreren Fachkräften, den Personensorgeberechtigten und den Kindern. Der Hilfeplan als Zwischenergebnis des Planungsprozesses enthält nach § 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII Feststellungen über den erzieherischen Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen. In der Regel werden in dem Hilfeplan Feststellungen über die Art der zu gewährenden Hilfe und die notwendigen Leistungen getroffen; es werden hier Aussagen zu Beginn, voraussichtlicher Dauer und gegebenenfalls zeitlicher Intensität der Hilfen gemacht. Festgelegt werden die Verteilung der Aufgaben zwischen Eltern und Einrichtungsträger ebenso wie Besuchsmodalitäten zwischen Eltern und Kind bzw. Jugendlichem57. Teilweise ist auch die Kostentragungspflicht und eine Rechtsbehelfsbelehrung mitgeregelt58. Die abschließende Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zur Erziehung wird vom Jugendamt als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch einen Leistungsbescheid geregelt. Der Hilfeplan enthält Regelungen zum „Ob“ und „Wie“ der Erziehungshilfe und bildet Grundlage und Begründung der Bewilligung59. Auch der bestehende Streit hinsichtlich der Rechtsnatur des Hilfeplans60 macht deutlich, dass das Verfahren zur Gewährung von Erziehungshilfe 55 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 27 Rn. 26; Kunkel/Kunkel, SGB VIII, § 27 Rn. 1; Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 27 Rn. 37. 56 Jans/Happe/Saurbier/Maas/Werner, Erl. § 27 Art. 1 KJHG Rn. 44. 57 Umfassend zu dem Inhalt des Hilfeplans Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 58; Jens/Happe/Saurbier/Maas/Werner, Erl. § 36 Art. 1 KJHG Rn. 45. 58 Siehe Jens/Happe/Saurbier/Maas/Werner, Erl. § 36 Art. 1 KJHG Rn. 45. 59 Münder/Wiesner/Tammen, Kinder- u. JugendhilfeR., Kap. 3.5.2 Rn. 11; Jens/ Happe/Saurbier/Maas/Werner, Erl. § 36 Art. 1 KJHG Rn. 46; Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 62. 60 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 63, nimmt an, dass es sich bei dem Hilfeplan um eine Nebenbestimmung sui generis handelt. Kunkel/Kunkel, SGB VIII, § 36 Rn. 42, qualifiziert den Hilfeplan als lediglich schlichtes Handeln in Form eines Realaktes. Mrozynski, SGB VIII, § 36 Rn. 12, unterscheidet die Rechtsnatur des Hilfeplanes nach seinen verschiedenen Funktionen. Soweit der Hilfeplan Qualität und Autonomie sichere, sei er Inhaltsbestimmung des Verwaltungsaktes. Sofern bei der Entscheidung auf den Hilfeplan Bezug genommen werde, sei er Bestandteil der Begründung.

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der Rechtsmaterie des öffentlichen Rechts angehört. Nach einhelliger Auffassung ist der Hilfeplan kein eigenständiger Verwaltungsakt, da erst mit dem Leistungsbescheid die konkrete Hilfeart gewährt und auch über die Kosten eine verbindliche Regelung mit Außenwirkung getroffen wird61. Weitgehende Einigkeit besteht auch darin, dass der Hilfeplan lediglich eine vorbereitende Grundlage sowie eine sachliche Begründung für den abschließenden Bescheid liefert62. Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel können daher ausschließlich gegen den abschließenden Leistungsbescheid eingelegt werden63. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist außerdem umstritten, in welchem Umfang die Entscheidungen des öffentlichen Jugendhilfeträgers über die Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung gerichtlich überprüfbar sind64. In den §§ 91 ff. SGB VIII findet sich zudem eine detaillierte Regelung hinsichtlich der Kostenbeiträge für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe. § 91 Abs. 5 SGB VIII normiert die Kostentragungspflicht der öffentlichen Träger für die Heimerziehung. Danach bestimmt § 92 SGB VIII den Personenkreis, der nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII zur Kostentragung heranzuziehen ist. Nach § 92 Abs. 2 SGB VIII wird ausdrücklich bestimmt, dass die Heranziehung durch Erhebung eines Kostenbeitrages erfolgt, der durch einen Leistungsbescheid festgesetzt wird.

2. Auswirkungen der rechtlichen Vorgaben des SGB VIII auf die Qualifizierung der Aufsichtspflicht Nach herrschender Ansicht wird die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen der Kommune rechtlich durch die Anwendung der sog. Zweistufentheorie geregelt65. Auf der ersten Stufe geht es um den Anspruch auf Zugang zu der Einrichtung. Die zweite Stufe betrifft die nähere Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen der Einrichtung und dessen Nutzer. Der Anspruch auf Zulassung zu der Einrichtung, die Frage des „Ob“ der Benutzung, gehört immer dem öffentlichen Recht an. Dies vor allem und gerade auch dann, wenn sich die Kommune ihrer Wahlfreiheit bedient und das Benutzungsverhältnis, das „Wie“, privatrechtlich ausgestaltet66. Die Zweistufentheorie hat vielfach Kritik erfahren, 61 Kunkel/Kunkel, SGB VIII, § 36 Rn. 42; Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 62; Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 36 Rn. 34; Mrozynski, SGB VIII, § 36 Rn. 10. 62 Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 36 Rn. 34; Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 62; Kunkel/Kunkel, SGB VIII, § 36 Rn. 42. 63 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 63c; Kunkel/Kunkel, SGB VIII, § 36 Rn. 42; Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 36 Rn. 34. 64 Dazu ausführlich Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 27 Rn. 63 ff. 65 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR., Bd. 1, § 22 Rn. 55; von Danwitz, JuS 1995, 1; Peine, Allg. VerwR., § 2 Rn. 102; siehe auch Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 26. 66 BVerwG NJW 1990, 134 f.; Erbguth, VR 1982, 14 (18).

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weil die Unterscheidung in zwei Rechtsverhältnisse der Realität nicht gerecht werde und daher konstruiert wirke; sie führe zusätzlich zu Rechtsunsicherheit sowie zu einer Erschwerung des Rechtsschutzes67. Nicht durchgesetzt hat sich auch die Theorie der einheitlichen öffentlich-rechtlichen Deutung der Leistungsabwicklung68. Allerdings kann die Zweistufentheorie bei der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich tatsächlich zwei Rechtsverhältnisse unterscheiden lassen. Grundsätzlich lässt sich das Hilfeplanverfahren und die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen Eltern/Kind und Einrichtung rechtskonstruktiv trennen. Da der Hilfeplan nach den Vorgaben des SGB VIII, auf den sich der abschließende Verwaltungsakt bezieht, die Art der zu gewährenden Hilfe sowie Einzelheiten des Benutzungsverhältnisses des Kindes zum Einrichtungsträger regeln kann, werden sich häufig die beiden Rechtshandlungen nicht trennen lassen. Oftmals sind daher in dem Bewilligungsbescheid bzw. dem Hilfeplan bereits alle wesentlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme und Ausgestaltung des Heimplatzes festgeschrieben. Diese Regelungen über die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses stehen in einem so engen sachlichen Zusammenhang zum Verfahren über die Gewährung von Erziehungshilfe, dass sie an dessen öffentlich-rechtlichem Charakter teilnehmen. In jedem Einzelfall ist daher zusätzlich zu überprüfen, ob neben dem Hilfeplan eine separate Benutzungsordnung und/ oder ein Vertrag mit der Einrichtung existiert, die das Verhältnis zwischen Eltern bzw. Kind zum Einrichtungsträger näher ausgestalten69. Wenn neben dem Hilfeplan weder ein über die inhaltlichen Regelungen des Hilfeplans hinausgehender separater Vertrag noch eine Benutzungs- oder Hausordnung existiert, dann sind alle wesentlichen Bestimmungen für das Benutzungsverhältnis in dem Hilfeplan enthalten. Im Ergebnis überlagert das Verfahren zur Gewährung von Erziehungshilfe nach dem SGB VIII den privatrechtlichen Charakter des Erziehungsvertrages. Neben einem/-r fehlenden über den Hilfeplan hinausgehenden Vertrag/Benutzungsordnung ist auch aufgrund der rechtlichen Vorgaben im SGB VIII, der Entscheidung über die Hilfegewährung im Verwaltungsverfahren, der Erhebung eines Kostenbeitrages durch Leistungsbescheid sowie der öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfe die Qualifizierung als privatrechtliches Benutzungsverhältnis zweifelhaft70. Jedenfalls ist die bestehende Regelung – gleich welcher Art – an67

Siehe dazu vertiefend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 184 ff. Vgl. Ossenbühl, DVBl 1973, 289 (291 ff.); Pappermann, JZ 1969, 485 (487 f.). 69 Müller-Alten, ZfJ 2003, 467 (480 f.), stellt fest, dass das Verhältnis des Kindes zum Einrichtungsträger rechtlich fast nicht existent sei. Der Erziehungsvertrag zwischen Eltern und Träger nach den Vorgaben des Hilfeplanes sei in den Absprachen des Hilfeplanes enthalten und werde als Vertrag nicht bewusst. 70 So im Ergebnis auch Müller-Alten, ZfJ 2003, 467 (480), nach dem die Vorgaben des KJHG den privatrechtlichen Charakter des Erziehungsvertrages völlig überlagern und eine autonome Aushandlung der Modalitäten der Fremderziehung nahezu unmöglich machen. Vgl. auch VGH Kassel NJW 1977, 452, der in einem Fall, in dem es u. a. 68

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hand der bereits dargestellten Indizien zu überprüfen. Auch die Beteiligung und die Zusammenarbeit von Kindern und Sorgeberechtigten spricht nicht zwingend für die Ebene der privatrechtlichen Gleichordnung, da die Kooperation zwischen Jugendamt, Einrichtungsträger sowie Eltern und Kindern ebenso als kooperatives Verwaltungshandeln qualifiziert werden kann71. Fehlt es an eindeutigen Indizien, die für ein öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Benutzungsverhältnis sprechen, so greift auch in diesem Fall wiederum die Vermutungsregelung zugunsten des öffentlichen Rechts. Dasselbe gilt auch dann, wenn eine Nutzungsordnung fehlt und die Rechtsbeziehung zwischen Einrichtungsträger und Kindern bzw. Eltern stattdessen durch individuelle Absprachen erfolgt72. Festzuhalten bleibt, dass anhand eines jeden Einzelfalles zu überprüfen ist, welche Regelungen im Hilfeplan bzw. im abschließenden Bewilligungsbescheid getroffen wurden sowie ob und in welchem Umfang daneben eine Benutzungsordnung existiert. Anhand der vorhandenen Indizien ist sodann das Nutzungsregime zu ermitteln.

3. Bestimmung des Nutzungsregimes am Beispiel eines städtischen Kinderheimes in Köln Auch die nachfolgende rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht der kommunalen Kinderheime der Stadt Köln soll einen Einblick in die praktische Handhabung geben, ist aber nicht verallgemeinerungsfähig und kann daher letztlich nur als Beispielsfall dienen. Die Feldforschung hat ergeben, dass der Hilfeplan auch inhaltliche Regelungen und die nähere Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen dem Träger der Einrichtung und den Eltern bzw. Kindern enthält. Es wird die Problemstellung erörtert und die Hilfeart konkret begründet. Der Hilfeplan enthält regelmäßig Aussagen über den therapeutischen Bedarf und den Gesundheitszustand des Kindes. Des Weiteren werden ein Erziehungsauftrag für die Einrichtung formuliert sowie Maßnahmen und Angebote im Rahmen der Erziehungsplanung festgelegt. Gerade bei den Hilfen außerhalb der Familie findet eine Aufgabenverteilung zwischen Eltern und Einrichtung statt. Davon sind beispielsweise auch die Besuchsmodalitäten zwischen Eltern und Kind umfasst. Geregelt wird auch, wann das nächste Hilfeplangespräch stattfindet. Am Schluss auch um die Qualifizierung des Benutzungsverhältnisses eines Kindergartens ging, ausführt, dass in der Kindergartenordnung keine privatrechtliche Entgeltregelung getroffen worden sei. Es begründet dies damit, dass die Entgeltregelung mit der öffentlich-rechtlichen Zulassung, die in den Vorschriften über Aufnahme und Abmeldung enthalten sind, in einem so engen sachlichen Zusammenhang stehe, dass sie an deren öffentlich-rechtlichem Charakter teilnehme. Denn sie enthalte der Sache nach eine wesentliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme eines Kindergartenplatzes. 71 Siehe Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 36 Rn. 24. 72 Siehe Erichsen, Jura 1986, 196 (200); vgl. auch Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 529.

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des von dem Jugendamt aufgesetzten Hilfeplanprotokolls findet sich folgende Formulierung: „Eine Ausfertigung des vorstehenden Protokolls des Hilfeplangespräches erhalten die am Gespräch Beteiligten zur Kenntnisnahme mit der Bitte um Bekanntgabe etwaiger Änderungswünsche innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt. Werden innerhalb des genannten Zeitraumes keine Änderungswünsche angemeldet, gilt das erstellte Protokoll als angenommen.“ Im Anschluss daran werden die entsprechenden Abteilungen des Jugendamtes benannt, verbunden mit der Bitte um Kenntnisnahme und Erlass des erforderlichen Bescheides. Teilweise wird der Hilfeplan neben dem Jugendamt zusätzlich noch von den Personensorgeberechtigten und der Einrichtung unterschrieben. Sodann wird von dem Jugendamt der abschließende Verwaltungsakt erlassen, der die in dem Hilfeplan angesetzte Hilfeart formell bewilligt sowie eine Kostenentscheidung und Rechtsbehelfsbelehrung enthält. In gleicher Weise wird auch bei der Fortschreibung des Hilfeplans, welcher seiner Überprüfung dient, verfahren. Die getroffenen Vereinbarungen werden gegebenenfalls aktualisiert und an den Entwicklungsstand angepasst. Die Fortschreibung des Hilfeplans enthält Unterpunkte wie z. B.: Aktueller Sachstand, familiäre Situation, Situation im Heim, schulische Situation, die bisher eingetretenen Veränderungen, Zielkontrolle (Welche Ziele/Teilziele wurden erreicht? Welche Ziele/Teilziele konnten nicht oder nur teilweise erreicht werden und warum? Welche neuen bzw. zusätzlichen Ziele/Teilziele werden festgelegt und warum?). Unter dem Punkt Hilfeart ist auszuführen, ob die gewährte Hilfe weiterhin unverändert notwendig ist, verändert werden muss oder beendet werden kann. Für jede Möglichkeit ist eine Begründung zu liefern. Auch das weitere Verfahren der Fortschreibung des Hilfeplans zeigt, dass die getroffenen inhaltlichen Regelungen das Benutzungsverhältnis betreffend von den rechtlichen Vorgaben des SGB VIII durchzogen sind. Unabhängig von der exakten Qualifizierung der Rechtsnatur des Hilfeplans hat sich auch in der Praxis bestätigt, dass der Hilfeplan die Grundlage des zu erlassenen Bescheides darstellt und als Teil des Verfahrens dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Obwohl das Hilfeplanverfahren und die konkrete Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses in der Einrichtung zumindest formal bzw. rechtskonstruktiv trennbar sind, hat sich nach Gesprächen mit Heimleitungen gezeigt, dass neben dem Hilfeplan weder ein separater Erziehungs- und/oder Aufsichtsvertrag noch eine Benutzungs- oder Hausordnung existiert73. Es werden ausschließlich individuelle Absprachen getroffen, die jedoch keine für die Bestimmung des Nutzungsregimes relevanten Fragen behandeln. Auch wenn die Einleitung des Verfahrens auf Inanspruchnahme von Erziehungshilfe unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung von den Eltern bestimmt und abgeleitet wird, so steht an

73 Die Personensorgeberechtigten unterschreiben lediglich Einverständniserklärungen, welche beispielsweise Arztbesuche oder die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zum Gegenstand haben.

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dessen Abschluss eine behördliche Entscheidung in Form eines Verwaltungsaktes, der alle für die Bestimmung des Nutzungsregimes wesentlichen Gesichtspunkte enthält. Bei Kinderheimen in Trägerschaft der Stadt Köln ist die Aufsichtspflicht daher als Amtspflicht zu qualifizieren. Die Vermutungsregel ist nur dann entkräftet, wenn der Wille der Stadt Köln, in privatrechtlicher Form zu handeln, eindeutig zu erkennen ist.

III. Öffentliche Schule Bezüglich der Einordnung der Aufsichtspflicht in das Haftungssystem des BGB ist in der Spruchpraxis eine Änderung zu verzeichnen. Das Reichsgericht hat ursprünglich bei einer Aufsichtspflichtverletzung eines Lehrers § 832 BGB und nicht § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG für einschlägig erachtet74. Die gesetzliche Pflicht zur Beaufsichtigung wurde aus § 88 II 10 pr. ALR75 hergeleitet, wonach jeder Beamte auf die pflichtgemäße Führung seines Amtes die genaueste Aufmerksamkeit zu wenden hat. Es liege in der Natur der Sache, dass zur Ausübung der „Schulzucht“ auch die Aufsichtsführung gehöre. Offensichtlich wurde die Aufsichtspflicht beamteter Lehrer noch nicht in Zusammenhang mit der Ausübung öffentlicher Gewalt und der Abgrenzungsproblematik zu § 832 BGB gebracht. Das Reichsgericht führte vielmehr in dieser Entscheidung aus, dass die Sachlage hier ganz entsprechend dem Falle liege, wo ein Kind in die zeitweilige Obhut eines Privatlehrers gegeben ist. Ein solcher würde Dritten ohne Zweifel aus § 832 Abs. 2 BGB haften, weil nach § 157 BGB die Aufsichtsführung nach Treu und Glauben als von ihm vertraglich mit übernommen gelten müsste. Demnach wurde sogar eine Parallele zwischen der Obhut eines Privatlehrers und eines – so in der Entscheidung bezeichnet – „öffentlichen“ Lehrers befürwortet. Nach nunmehr h. M. in Schrifttum76 und Rechtsprechung77 wird im Bereich der öffentlichen Schule die Aufsichtspflicht als öffentlich-rechtlich und damit als Amtspflicht qualifiziert. Die Aufsichtspflicht obliegt dem Lehrpersonal mithin in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Die Aufsichtspflicht stellt demnach zwar eine gesetzlich normierte Pflicht dar, jedoch ist diese nicht als Aufsichtspflicht kraft Gesetzes gemäß § 832 Abs. 1 BGB zu begreifen. Bei Verletzung der Aufsichtspflicht ist somit die einschlägige Haftungsgrundlage § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG und nicht die Regelung des § 832 Abs. 1 BGB. Trotz der in öffentlichen Schulen regelmäßig anzutreffenden öffentlichen-rechtlichen Organisations-

74

RGZ 65, 290 ff. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten vom 01.06.1794. 76 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 22; Palandt/Sprau, § 832 Rn. 3; MünchKomm/ Wagner, § 832 Rn. 5, 12; Erman/Schiemann, § 832 Rn. 3; Soergel/Krause, § 832 Rn. 9; Geigel/Haag, Kap. 16 Rn. 32. 77 LG Aachen NJW 1992, 1051; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620. 75

IV. Psychiatrische Krankenhäuser

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form der unselbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts steht dem Einrichtungsträger dennoch kein Wahlrecht hinsichtlich der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses zur Verfügung. Die Wahlfreiheit besteht dann nicht, wenn kraft Gesetzes ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis normiert wurde78. Als Beispiel ist hier § 42 Abs. 1 SchulG NW zu nennen, nach dem die Aufnahme der Schülerin oder des Schülers in eine öffentliche Schule ein öffentlich-rechtliches Schulverhältnis begründet. An dieser rechtlichen Einordnung hat sich trotz der Überwindung des sog. besonderen Gewaltverhältnisses79 nichts geändert. Bei den Privatschulen wird die Aufsichtspflicht kraft Vertrages gem. § 832 Abs. 2 BGB begründet80. Dies folgt bereits aus der privatrechtlichen Trägerschaft der Schule; ihnen fehlt die Befugnis, sich der Handlungsformen des öffentlichen Rechts zu bedienen. Da es sich bei den Privatschulen nicht um öffentliche Einrichtungen handelt, wird auf sie nicht näher eingegangen81. Noch nicht behandelt wird an dieser Stelle die Frage, ob die Haftung bei einer Aufsichtspflichtverletzung in § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG abschließend geregelt ist. Dies betrifft den Problemkreis des Konkurrenzverhältnisses von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG und wird in § 9 eingehend behandelt.

IV. Psychiatrische Krankenhäuser Auch die Unterhaltung von Krankenhäusern als öffentliche Einrichtungen fällt in den Bereich der Leistungsverwaltung82. Damit steht auch dem öffentlichen Krankenhausträger die Wahlmöglichkeit offen, ob er die Rechtsbeziehungen zu seinen Patienten öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgestalten will. Konsequenterweise müsste auch hier die Qualifizierung der Aufsichtspflicht von der konkreten Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen Krankenhausträger und Patient abhängen.

78 Erbguth, VR 1982, 14 (16); Erichsen, Jura 1986, 196 (198); siehe auch VGH Bad.-Württ. DÖV 1978, 569; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 29; nach Tettinger/Erbguth/Mann, Bes. VerwR., § 7 Rn. 250, weisen bestimmte Einrichtungen eine einheitliche Benutzungsordnung auf, zu denen auch die Schulen zu zählen sind. 79 Ipsen, StaatsR. II, Rn. 311, 622. 80 Schoof, S. 29; Eckert, S. 128 f. 81 Da im Schulbereich die Einrichtung regelmäßig in Form der unselbständigen öffentlichen Anstalt und damit von der Kommune bzw. dem Land betrieben wird, kommt eine beherrschende Beteiligung an einer Schule in privatrechtlicher Trägerschaft praktisch nicht in Betracht. Dementsprechend bestimmt z. B. § 100 Abs. 7 SchulG NW, dass Träger öffentlicher Schulen keine Ersatzschulen – als Teil der Schulen in freier Trägerschaft – errichten oder betreiben können. 82 Roth, S. 40.

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1. Benutzungsverhältnis Rechtsprechung und Literatur erkennen dies offenbar grundsätzlich an. So finden sich in den einschlägigen Entscheidungen Ausführungen dazu, dass die öffentliche Organisationsform eines Krankenhauses allein noch keinen Aufschluss über die Einordnung der Rechtsbeziehung zwischen Patient und Krankenhausträger geben kann83. Im Anschluss daran werden zwar die in § 2 dargestellten Kriterien teilweise aufgegriffen, letztlich aber deren Entscheidungserheblichkeit verneint. In seinen Entscheidungen vom 26.03.195384 und vom 19.01.198485 stellt der BGH fest, dass die öffentlichen Krankenhäuser zwar keine fiskalischen, vorrangig auf Gewinn gerichteten, sondern für das Allgemeinwohl arbeitende Betriebe seien. Sie könnten zwar ihre Gebühren im Verwaltungszwangsverfahren einziehen. Insbesondere die Erhebung öffentlich-rechtlicher Benutzungsgebühren schließe aber nicht aus, dass im Übrigen das Benutzungsverhältnis bürgerlichrechtliche Züge trägt. Dem BGH genügen diese Elemente für sich allein noch nicht, um ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis annehmen zu können. Die öffentlichen Krankenhäuser wiesen vielmehr in der Form ihrer Organisation, so wie sie ihren Patienten gegenübertreten, in der Regel mehr privatrechtliche als hoheitsrechtliche Züge auf86. Daher sei ein insgesamt öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nur dann anzunehmen, wenn weitere öffentlich-rechtliche Elemente hinzuträten, was bei öffentlich-rechtlichen Krankenanstalten indes in der Regel nicht der Fall sei87. Für die Qualifizierung der Aufsichtspflicht in öffentlichen Krankenhäusern – speziell auch für die psychiatrischen Abteilungen – als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Pflicht, wird danach unterschieden, ob eine Heilbehandlung oder eine Zwangsbehandlung bzw. die Behandlung in einer offenen oder geschlossenen Anstalt stattgefunden hat. Sowohl in der Spruchpraxis als auch in der Kommentarliteratur wird dieses Merkmal fast durchgehend als ausschlaggebendes Kriterium für die Einordnung der Aufsichtspflicht in eines der beiden Rechtsgebiete angeführt. Die Heilbehandlung von Kranken – auch in Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft – wird regelmäßig nicht als hoheitliches Handeln eingestuft, auch wenn die Einweisung auf Vorgängen des öffentlichen Rechts beruht88. Die Aufsichtspflicht ist aber dann als Amtspflicht nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG zu qualifizieren, wenn eine öffentlich-rechtliche Unter-

83

BGH NJW 1953, 778 (779); BGH NJW 1985, 677 (678). BGH NJW 1953, 778 f. 85 BGH NJW 1985, 677 ff. 86 BGH NJW 1985, 677 (678). 87 BGH NJW 1953, 778 (779); BGH NJW 1985, 677 (678). 88 BGHZ 4, 138 (151 f.); BGH NJW 1953, 778 (779); Bamberger/Roth/Reinert, § 839 Rn. 27; PWW/Kramarz, § 839 Rn. 83. 84

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bringung nach den PsychKG des jeweiligen Landes vorliegt89. Bei der Einweisung, Behandlung und Beaufsichtigung des aufsichtsbedürftigen Patienten gegen bzw. ohne seinen Willen tritt ihm der Träger des psychiatrischen Krankenhauses in einem Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber. Er handelt auf der Grundlage der psychiatrischen Landes-Unterbringungsgesetze und nimmt die durch diese Gesetze eingeräumten hoheitlichen Zwangsbefugnisse wahr, wodurch das Rechtsverhältnis insgesamt als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist90. Dies gilt auch dann, wenn es sich um einen mit hoheitlicher Gewalt beliehenen privatrechtlichen Krankenhausträger handelt91. Öffentliches Recht findet ferner dann Anwendung, wenn sich die ärztliche Maßnahme unmittelbar als Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe darstellt, wie z. B. die Tätigkeit von Amtsärzten oder Bediensteten der Gesundheitsämter92. In der Literatur beschränken sich die Ausführungen zumeist darauf, dass sich die Haftung für eine Aufsichtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG richtet, wenn eine Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt erfolgt ist93. Wenn sich der Aufsichtsbedürftige dagegen in einer offenen psychiatrischen Anstalt befindet, sei § 832 Abs. 2 BGB durch vertragliche Übernahme als Haftungsgrundlage einschlägig94. Nach einem Urteil des LG Bremen95 soll dies selbst dann gelten, wenn eine Patientin entgegen einer gerichtlichen Anordnung nicht in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht bleibt, sondern in einer überwiegend offenen Station einer Heilbehandlung mit dem Ziel der alsbaldigen Befähigung zu einem Leben außerhalb der Klinik unterzogen wird. Der BGH hat in seinem in diesem Kontext viel beachteten und zitierten Urteil vom 19.01.1984 entschieden, dass sich die Haftung für Aufsichtspflichtverletzungen über Patienten der Kinderund Jugendpsychiatrie einer Landesklinik, die sich freiwillig oder im Einverständnis ihrer gesetzlichen Vertreter in einer offenen psychiatrischen Klinik befinden, ebenfalls nach § 832 Abs. 2 BGB richtet96.

89 BGHZ 38, 49 (51); BGH NJW 1985, 677 (678); LG Bremen NJW-RR 1999, 969; Marburger, VersR 1971, 777 (778 f.). 90 BGHZ 38, 49 (51); Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil A Rn. 112; Fischer/Mann, NJW 1992, 1539 (1540). 91 Parensen, PsychKG NW, S. 160; Marburger, VersR 1971, 777 (779). 92 Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 620. 93 MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 5; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 39; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 619; Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 84. 94 PWW/Schaub, § 832 Rn. 5; Geigel/Haag, Kap. 16 Rn. 27; Erman/Schiemann, § 832 Rn. 5; Palandt/Sprau, § 832 Rn. 6; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 14; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 27. 95 LG Bremen NJW-RR 1999, 96; ohne weitere Kommentierung auch von Staudinger/Belling, § 832 Rn. 39 zitiert. 96 BGH NJW 1985, 677 (678) = BGH VersR 1982, 460 (461).

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2. Zwischenergebnis Es bleibt somit zunächst festzuhalten, dass die herrschende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung das teilweise Vorliegen der sonst gängigen Indizien für die Qualifizierung der Aufsichtspflicht nicht genügen lässt. Jedenfalls werden sie im Ergebnis zur Auslegung der rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses bei öffentlichen Krankenhäusern nicht herangezogen. Grundsätzlich wird daher angenommen, dass das Benutzungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Krankenhausträger und dem einzelnen Patienten privatrechtlich ausgestaltet ist, was die Anwendbarkeit des privatrechtlichen Haftungsregimes zur Folge hat. Es verbleibt daher letztlich bei der immer wieder anzutreffenden Formulierung, dass die öffentlichen Krankenhäuser in der Form ihrer Organisation, so wie sie ihren Patienten gegenübertreten, in der Regel mehr privatrechtliche als hoheitsrechtliche Züge aufweisen. Die ausschlaggebenden Kriterien für die Einordnung der Aufsichtspflicht in eines der beiden Rechtsgebiete sind das Vorliegen einer Heil- oder Zwangsbehandlung bzw. die Unterbringung in einem offenen oder geschlossenen Krankenhaus. Festgestellt werden kann, dass den kommunalen Krankenhausträgern in mittlerweile gefestigter und ständiger Rechtsprechung die Wahlfreiheit in dem Bereich der Leistungsverwaltung zwar hinsichtlich der Organisationsform der Leistungserbringung, nicht jedoch hinsichtlich der Ausgestaltung von Benutzungsverhältnissen zusteht. Bei der Ausgestaltung von Benutzungsverhältnissen von Krankenhäusern gibt es – abgesehen von einer Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung – faktisch kein öffentlich-rechtliches Nutzungsregime.

3. Stellungnahme Hinsichtlich der Qualifizierung als öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Aufsichtspflicht ist zunächst zwischen den Allgemeinkrankenhäusern und den psychiatrischen Kliniken zu unterscheiden. a) Allgemeinkrankenhäuser Die Auslegungskriterien, die bei einer Heilbehandlung in einem Allgemeinkrankenhaus zu einer privatrechtlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses führen, werden nicht hinreichend deutlich. Allein in der Entscheidung des BGH vom 26.03.195397 klingt an, dass von einem privatrechtlichen Verhältnis zwischen Patient und öffentlichem Krankenhaus auszugehen ist, da die Patienten wie in jedem privatrechtlich organisierten Krankenhaus keiner Zwangs- oder Disziplinargewalt unterworfen sind. Mit diesem Argument auf ein privatrechtliches 97

BGH NJW 1953, 778 f.

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Nutzungsverhältnis zu schließen, begegnet jedoch Bedenken. Von einer Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung und damit einhergehend von öffentlich-rechtlichem Handeln ist nicht nur dann auszugehen, wenn Eingriffsverwaltung vorliegt, d.h. wenn hoheitlich-einseitige Entscheidungen mit belastender Wirkung für den Bürger getroffen werden. Die Verwaltung greift in diesen Fällen mit Ge- oder Verboten und notfalls mit Verwaltungszwang in Freiheit, Gleichheit und Eigentum des Bürgers ein98. Allerdings beschränkt sich die öffentliche Verwaltung nicht auf ein Handeln in Über- und Unterordnungsverhältnissen zwischen Staat/Kommune einerseits und Bürger andererseits. Vielmehr gibt es daneben auch den hier thematisch interessierenden Bereich der Leistungsverwaltung99. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass die Verwaltung nicht freiheitsverkürzend in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift, sondern durch Entscheidungen mit begünstigender Wirkung die Rechte und das Lebensumfeld des Einzelnen sozialmotiviert plant und gestaltet100. Kennzeichnend für die Leistungsverwaltung ist, dass sie Menschen entweder finanziell oder durch Sachleistungen unterstützt oder die Lebensbedingungen der Bürger allgemein durch Errichtung und Betrieb von öffentlichen Einrichtungen gewährleistet und verbessert101. Die Daseinsvorsorge stellt das Herzstück der Leistungsverwaltung dar. Die moderne Verwaltung mit ihren vielgestaltigen weiteren Verwaltungsformen zeichnet sich durch ein Nebeneinander von Eingriffsund Leistungsverwaltung aus. Damit wird deutlich, dass sich öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung gerade nicht nur in der Ausübung von Zwangsoder Disziplinargewalt erschöpft. Zudem fällt die Unterhaltung von öffentlichen Einrichtungen in den der Eingriffsverwaltung fremden Aufgabenbereich der Leistungsverwaltung. Das Fehlen von Verwaltungszwang kann daher nicht schon ohne Weiteres gegen das Vorliegen von öffentlich-rechtlichem Handeln sprechen, da die begünstigende, unterstützende und helfende, ja dienende Wirkung gerade die Charakteristika der Leistungsverwaltung ausmachen, die ebenfalls öffentliches Handeln darstellen. Zuzugestehen ist zwar, dass Elemente der Eingriffs- und Leistungsverwaltung auch miteinander verbunden sein können102. Mit dem Besuch einer öffentlichen Schule als öffentliche Einrichtung, ist gleichzeitig die Schulpflicht (Art. 8 Abs. 2 LVerf. NW) und auch Benutzungszwang verbunden. Wenn nicht durch Gesetz eine Benutzungspflicht der öffentlichen Einrichtung besteht, dann ist es dem Wesen der öffentlichen Einrichtung immanent, dass der Benutzer sich auf freiwilliger Basis entscheidet, ob er Zugang zu der jeweiligen Einrichtung sucht. Liegt Freiwilligkeit der Benutzung vor, so kann im Umkehrschluss nicht automatisch auf eine privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses geschlossen werden, zumal die hier sonst gängigen Kriterien 98

Maurer, Allg. VerwR., § 1 Rn. 20. Vgl. BGHZ 4, 139 (150); siehe auch Wagner, JZ 1968, 245 (248). 100 Peine, Allg. VerwR., § 2 Rn. 37. 101 Maurer, Allg. VerwR., § 1 Rn. 16. 102 Maurer, Allg. VerwR., § 1 Rn. 21; Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 1 Rn. 50. 99

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und Auslegungshilfen gerade nicht herangezogen werden. Ebenso wenig liegt ein das Formenwahlrecht beschneidender Umstand vor, wenn bei bestimmten kommunalen Einrichtungen (z. B. Kanalisation, Friedhöfe) ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht. Selbst bei öffentlich-rechtlicher Organisation kann in diesen Fällen das Leistungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet werden103. Bei öffentlicher Trägerschaft des Krankenhauses kommt das privatrechtliche Benutzungsverhältnis zudem nur durch eine Umkehrung der sonst herrschenden Vermutungsregel für das öffentliche Recht zustande. Herrschende Ansicht ist hier, dass aufgrund der öffentlich-rechtlichen Organisationsform eine Vermutung für eine öffentliche Handlungsform besteht, sofern nicht der eindeutige Wille, in privatrechtlicher Form tätig zu werden, in Erscheinung tritt104. Wenn nun aber ein kommunaler Krankenhausbetrieb, der als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahrgenommen wird105, ausschließlich Benutzungsgebühren anstatt privatrechtlicher Entgelte erhebt, dann kann man anhand dieser Auslegung keinen eindeutigen Willen zur privatrechtlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses erkennen. Dementsprechend müsste es bei der öffentlich-rechtlichen Regelvermutung verbleiben. Die in den Entscheidungen zu findende Aussage, dass ein öffentlichrechtliches Benutzungsverhältnis insgesamt nur dann anzunehmen ist, wenn weitere öffentlich-rechtliche Elemente hinzutreten, ist im Hinblick auf die von der herrschenden Meinung vertretenen Vermutungsregel wenig überzeugend. Vor allem wird durchgängig der verfassungsrechtliche Hintergrund und Grundlagenbefund übersehen oder zumindest in den Hintergrund gedrängt: Welche Einrichtungen Kommunen auch immer errichten und betreiben, sie dürfen es nach Art. 28 Abs. 2 GG immer nur im Rahmen der (öffentlichen) Selbstverwaltung tun. Diese Einsicht hat sich mittlerweile auch und sogar für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Wettbewerb mit Privaten durchgesetzt106. In diesem Zusammenhang haben sich bereits erste Folgeprobleme dieser Rechtsprechung gezeigt. Das OVG Hamburg hat mit Urteil vom 17.08.1992 entschieden, dass öffentlich-rechtliche Gebühren für eine Benutzung der staatlichen Krankenhäuser auch dann gefordert werden können, wenn die Krankenbehandlung in privatrechtlicher Form stattfindet107. Der Gebührengesetzgeber habe die Erhebung von Gebühren nicht von der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Leistungsaustauschverhältnisses (Benutzungsverhältnisses) abhängig gemacht. Das beklagte Land gehe mit den Krankenhausbenutzern keine privatrechtlichen 103 Erbguth, VR 1982, 14 (16); Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR., Bd. 1, § 22 Rn. 57. 104 VGH Mannheim NVwZ 1987, 701 (702); VGH Bad.-Württ. DÖV 1978, 569 (570 f.); VGH Bad.-Württ. ESVGH 25, 203 (205); Roth, S. 215. 105 BVerfGE 83, 363 (365). 106 Sachs/Nierhaus, Art. 28 Rn. 49. 107 OVG Hamburg NJW 1984, 683 f.; siehe auch BVerwG NJW 1986, 2387.

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Dienstverträge ein, sondern gewähre kraft öffentlichen Rechts eine Zulassung zur Anstaltsnutzung, wobei lediglich die Anstaltsleistung als Krankenbehandlung in den Formen des Privatrechts ausgestaltet sei. Durch die gebührenrechtlichen Vorschriften werde nicht in das bürgerliche Recht eingegriffen, so dass der entstandene privatrechtliche Vergütungsanspruch nicht verdrängt werde. Auch verstoße die vorgesehene Verknüpfung nicht gegen höherrangiges Recht. Das OVG Hamburg geht davon aus, dass die Zulassung zur Krankenbehandlung kraft öffentlichen Rechts erfolge, wohingegen das Benutzungsverhältnis privatrechtlich geregelt sei. Diese Beurteilung erfolgt in Übereinstimmung mit den soeben dargestellten Grundsätzen; die Erhebung einer Gebühr reiche nicht aus, um das Benutzungsverhältnis insgesamt dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dieses Begründungsmuster enthält insgesamt eine bedenkliche Aufspaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen den Polen des öffentlichen und privaten Rechts. Damit werden die Bemühungen unterlaufen, eine ganzheitliche und eindeutige Zuordnung des Benutzungsverhältnisses zu einem der beiden Rechtsgebiete zu ermöglichen108. Zumindest problematisch ist ferner, ob die auf der Ebene des Verwaltungsprivatrechts handelnde Verwaltung überhaupt eine privatrechtliche Leistung mit einem öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruch koppeln darf109. Zudem spricht gegen eine Aufteilung des Leistungsaustauschverhältnisses das Prinzip der Rechtsmittelklarheit (Aufspaltung der Rechtswege)110. Im Hinblick darauf sollte auch bei den Allgemeinkrankenhäusern in staatlicher Trägerschaft die Einordnung der Aufsichtspflicht nach § 832 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG über den Weg einer konkreten Einzelfallbetrachtung des Benutzungsverhältnisses anhand objektivierbarer Indizien vorgenommen werden. Bei den übrigen öffentlichen Einrichtungen entspricht es der gängigen Praxis, anhand der konkreten Ausgestaltung der Benutzungsordnung die Einordnung in den Bereich des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts vorzunehmen. Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings der Umstand, dass die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses in Krankenhäusern in der Regel mehr privatrechtliche als hoheitsrechtliche Züge aufweist. Trotz der aufgezeigten Bedenken, ist mit der zivilrechtlichen Spruchpraxis die ärztliche Heilbehandlung sowie die Aufsichtspflicht in Krankenhäusern letztlich in einer Art Gesamtschau als privatrechtlich nach § 832 Abs. 2 BGB einzuordnen. Die weitergehende Schlussfolgerung ist, dass hier – obwohl ein öffentlich-rechtliches Nutzungsregime gerade nicht spezialgesetzlich vorgeschrieben ist – eine von der ständigen Rechtsprechung gebilligte Ausnahme von dem Grundsatz der Formenwahlfreiheit der Verwaltung vorliegt. Damit kann die öffentliche Verwaltung – obwohl eine öffentlich-rechtliche

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Rogosch, NVwZ 1988, 903 f. Bejahend OVG Hamburg NJW 1984, 683 f.; offen gelassen von BVerwG NJW 1986, 2387; siehe dazu auch Rogosch, NVwZ 1988, 903 f. 110 Rogosch, NVwZ 1988, 903 (904). 109

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Organisationsform vorliegt – nicht ohne Weiteres öffentlich-rechtlich handeln. Die in der Leistungsverwaltung unstreitig geltende Wahlfreiheit wird damit zu Lasten der Ausgestaltung eines öffentlich-rechtlichen Nutzungsregimes in bedenklicher Weise verkürzt. b) Psychiatrische Krankenhäuser Bei den psychiatrischen Krankenhäusern bedarf es im Gegensatz zu der gängigen Praxis bei Allgemeinkrankenhäusern einer strengen Einzelfallbetrachtung dahingehend, ob sich die hoheitliche Tätigkeit bzw. die Ausübung von hoheitlichem Zwang nicht auch auf das Behandlungs- bzw. das Benutzungsverhältnis erstreckt. Selbst unter Zugrundelegung der Verkehrung der Vermutungsregel wird man für die psychiatrische Behandlung häufig die geforderten weiteren öffentlich-rechtlichen Elemente111 annehmen können. Als Kriterien für die Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen einem psychiatrischen Krankenhaus und seinen Patienten in das öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechtsregime werden die Heil- oder Zwangsbehandlung in einer offenen oder geschlossenen Station sowie die Freiwilligkeit der Unterbringung angeführt. Dazu fällt zunächst auf, dass mit dem Begriff der Heilbehandlung die stationäre Betreuung in einer offenen bzw. halboffenen Station eines psychiatrischen Krankenhauses auf freiwilliger Basis anscheinend gleichgesetzt wird. Nach dem bereits zitierten Urteil des LG Bremen richtet sich die Haftung einer psychiatrischen Klinik nach § 832 BGB und nicht nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG, wenn eine Patientin entgegen der gerichtlichen Anordnung nicht in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht, sondern einer Heilbehandlung unterzogen wird112. An späterer Stelle wird dann mitgeteilt, dass die Patientin in einer überwiegend offenen Station behandelt wurde. Im Folgenden wird dargestellt, dass eine freiwillige Heilbehandlung in einer offenen Station nicht zwangsläufig gegen das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses spricht. aa) Kriterium der Heilbehandlung Als entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Anwendung des Haftungsregimes wird angeführt, ob lediglich eine Unterbringung oder aber darüber hinaus eine Heilbehandlung vorgenommen wird. Dieses Unterscheidungsmerkmal überzeugt insofern nicht, da selbst auf der Grundlage der psychiatrischen Landesgesetze Ziel der Unterbringung nicht nur die Abwendung von Selbst- und Drittgefährdung, sondern auch die Heilung der psychischen Krankheit ist. Dementsprechend nennt z. B. § 9 Abs. 1 S. 1 PsychKG Bbg113 zuerst die Heilbehandlung als 111

BGH NJW 1985, 677 (678). LG Bremen NJW-RR 1999, 969. 113 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch Kranke (Brandenburgisches Psychisch-Kran112

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Zweck der Unterbringung und erst danach in § 9 Abs. 1 S. 2 PsychKG Bbg die Sicherung vor Eigen- und Fremdgefährdung. Gemäß § 9 Abs. 1 PsychKG Bbg ist Zweck der Unterbringung die Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung der psychischen Krankheit oder seelischen Behinderung der untergebrachten Person, welche dazu geführt hat, dass die Voraussetzungen der Unterbringung gegeben waren. Zweck der Unterbringung ist auch die Sicherung der untergebrachten Person vor der Gefahr der Selbstschädigung und der Öffentlichkeit vor einer Gefährdung durch die untergebrachte Person. §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1, 2 PsychKG NW bestimmt als Ziel der Unterbringung, die Selbst- und Fremdgefährdung abzuwenden und die Betroffenen nach Maßgabe dieses Gesetzes zu behandeln. Nach § 18 Abs. 1 PsychKG NW wird während der Unterbringung eine ärztlich und psychotherapeutisch gebotene sowie rechtlich zulässige Heilbehandlung vorgenommen. Ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen Unterbringung und Heilbehandlung liegt nicht vor; beide Faktoren sind gesetzlich normierte Unterbringungsziele. Daraus folgt die Untauglichkeit beider Unterbringungszwecke als letztlich entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Bestimmung des öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Rechtsregimes. Im Übrigen entspricht allein die Verwahrung psychisch kranker Patienten überdies auch nicht dem Selbstverständnis der modernen Psychiatrie. Entsprechend den stetig fortschreitenden medizinischen Erkenntnisprozessen steht in der modernen Psychiatrie nicht mehr der Anstalts- und Verwahrungscharakter, sondern die ärztliche Behandlung und Therapie des psychisch Kranken im Vordergrund114. bb) Kriterium der Unterbringung auf einer offenen/geschlossenen psychiatrischen Station Ferner spricht die Tatsache der Unterbringung bzw. Verlegung auf eine offene oder halboffene Station für sich genommen nicht für das Vorliegen einer durch Vertrag begründeten privatrechtlichen Aufsichtspflicht. Auch schließt die Unterbringung auf einer offenen Station nicht zwingend die Anwendung der psychiatrischen Unterbringungsgesetze aus115. Dies zeigt bereits die in der Mehrzahl der Unterbringungsgesetze der Länder normierten Sicherheitsanforderungen an die Unterbringungseinrichtung. Gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 PsychKG NW liegt eine Unterbringung im Sinne des Gesetzes vor, wenn Betroffene gegen ihren Willen oder gegen den Willen Aufenthaltsbestimmungsberechtigter oder im Zustand der Wilken-Gesetz, PsychKG Bbg) vom 08.02.1996, GVBl I 1996, S. 26, zuletzt geändert durch Gesetz vom 06.12.2001, GVBl I 2001, S. 242. 114 So bereits Marburger, VersR 1971, 777 (785); Deutsch/Spickhoff, MedizinR., Rn. 827; OLG Frankfurt/M. VersR 1994, 483; Bohl, S. 245. 115 Bernardi, R & P 1994, 11 (12 f.); siehe auch Marschner, R & P 1998, 68 (70 f.); Baumann, Unterbringungsrecht, S. 210 f., der für das Vorliegen des Freiheitsentzuges die Unterbringung in einer offenen oder geschlossenen Anstalt nicht für entscheidend hält.

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lenlosigkeit in ein psychiatrisches Fachkrankenhaus, eine psychiatrische Fachabteilung eines Allgemeinkrankenhauses oder einer Hochschulklinik (Krankenhaus) eingewiesen werden und dort verbleiben. Nach § 10 Abs. 2 S. 3 PsychKG NW haben die Krankenhäuser durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich die Betroffenen der Unterbringung nicht entziehen. Eine Unterbringung im Sinne dieses Gesetzes kann auch auf einer offenen Station ohne verschlossene Eingangstür erfolgen. § 10 Abs. 1 PsychKG Bln116 normiert: „Die Unterbringung wird als geschlossene Unterbringung in Einrichtungen durchgeführt, die durch geeignete Maßnahmen gegen Entweichen des Untergebrachten gesichert sind. Eine geeignete Maßnahme kann auch darin bestehen, dem Untergebrachten zu untersagen, die Einrichtung zu verlassen.“ Auch das Hamburgische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten117 verzichtet auf den Begriff der geschlossenen Unterbringung als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gesetzes. Nach § 8 Abs. 1 PsychKG Hmb liegt eine Unterbringung vor, wenn eine Person gegen ihren natürlichen Willen in den abgeschlossenen Teil einer psychiatrischen Krankenhausabteilung oder in eine sonstige geeignete Einrichtung eingewiesen wird oder dort verbleiben soll. Eine Unterbringung liegt auch dann vor, wenn einer Person untersagt wird, eine nicht abgeschlossene Einrichtung der in Satz 1 genannten Art zu verlassen oder wenn sie daran gehindert wird. § 12 Abs. 3 PsychKG RhPf 118 formuliert ebenfalls deutlich: „Die Einrichtungen sind durch geeignete Maßnahmen gegen Entweichen der untergebrachten Personen zu sichern. Sie sollen auch für eine offene Unterbringung geeignet sein.“ Auch in § 13 Abs. 5 PsychKG Brem119 fehlt das Attribut der geschlossenen Unterbringung ganz, während die offene Unterbringung dagegen als Regelform der Unterbringung vorgesehen ist. Die bloße Bezeichnung der Einrichtung als „offen“ oder „halboffen“ als solche ist mithin nicht aussagekräftig. Für die Einordnung als geschlossene Abteilung kommt es gleichfalls auf die Umstände des Einzelfalles an. Parensen führt dazu aus, dass eine geschlossene Abteilung auch dort gegeben sei, wo der zuständige Arzt die Einrichtung jederzeit abschließen könne. Das träfe insbesondere für die sog. „offenen Abteilungen“ der Nervenheilanstalten zu; die Unterbringung in diesen „offenen Abteilungen“ sei rechtlich als Unterbringung in geschlossener Anstalt zu werten120. 116 Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG) vom 08.03.1985, geändert durch Gesetz zur Ausführung des Betreuungsgesetzes und zur Anpassung des Landesrechts vom 17.03.1994, GVBl (BE) 1994, S. 86. 117 PsychKG Hmb vom 27.09.1995, GVBl 1995, S. 235. 118 Landesgesetz für psychisch kranke Personen (PsychKG) vom 17.11.1995, GVBl S. 473, geändert durch Gesetz vom 06.02.2001, GVBl S. 29. 119 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) vom 19.12.2000, Brem.GBl 2000, S. 471, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28.05.2005, Brem.GBl 2005, S. 306. 120 Parensen, PsychKG NW, S. 98, 160.

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Ebenso liegt eine Unterbringung nach den PsychKG dann vor, wenn der Patient im Verlaufe einer freiwilligen Behandlung die Einwilligung widerruft und am Verlassen der Einrichtung gehindert wird121. Die Beaufsichtigung der Patienten muss – wie die Formulierung in den PsychKG belegen – nicht zwingend durch die Sicherheitsanforderungen einer geschlossenen Abteilung erfolgen. Das erforderliche Sicherheitsbedürfnis kann auf einer offenen Station durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen – z. B. Beobachtung durch das Klinikpersonal oder elektronische Überwachung – kompensiert werden122. Auf diesem Gedanken basierend, hat der Direktor des Landeskrankenhauses Merzig die geschlossene Station öffnen lassen, obwohl sich dort sowohl Patienten auf freiwilliger Basis als auch nach dem Saarländischen Unterbringungsgesetz oder mit vormundschaftlicher Genehmigung gegen oder ohne ihren Willen befanden. Die freiheitsentziehende Unterbringung wurde auf der offenen Station durch alternative Sicherheits- und Aufsichtsmaßnahmen gewährleistet123. Gegen die rein formal-begriffliche Abgrenzung einer offenen von einer geschlossenen Station spricht letztlich auch der sich in der klinischen Psychiatrie vollzogene Wandel, die Behandlung von psychisch Kranken nicht hinter abgeschlossenen Stationstüren, sondern verstärkt auf offenen Stationen vorzunehmen124. cc) Kriterium der einverständlichen/freiwilligen Unterbringung Auch das Merkmal der Freiwilligkeit bzw. des Einverständnisses mit der Einweisung in eine psychiatrische Klinik schließen das Vorliegen von öffentlicher Gewalt nicht aus. Die Einwilligung ist gerade auf die Legitimation der einseitigen Regelungen und Vorgaben in der Klinik bezogen, denn ansonsten müsste eine Einverständniserklärung mit der Unterbringung von dem Patienten nicht abgegeben werden. Wenn sich die Patienten freiwillig in die psychiatrische Behandlung begeben haben, dann sind die PsychKG und Unterbringungsgesetze nicht einschlägig, da es an einer Einweisung gegen bzw. ohne den Willen fehlt125. Die übrigen Voraussetzungen der psychischen Erkrankung sowie der Eigen- oder Fremdgefährdung sind regelmäßig gegeben. Die fehlende Anwendbarkeit der PsychKG bedeutet aber wiederum nicht, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem psychiatrischen Krankenhaus und seinen Insassen nicht öffentlich-recht121

Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 10 Rn. 2. Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 10 Rn. 4; vgl. Bernardi, R & P 1994, 11 (13). 123 Diesen Fall hat Bernardi, R & P 1994, 11 ff., seinen Ausführungen zu Grunde gelegt. 124 Arnold/Kloß, FuR 1996, 263 (264); Marburger, VersR 1971, 777 (786 f.); Panse, S. 338 ff. 125 Marschner/Volckart, Freiheitsentziehung u. Unterbringung, Teil B Rn. 106 f.; Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 1 Rn. 1; Fischer/Mann, NJW 1992, 1539 (1540). 122

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licher Art sein können. Der BGH hat in seinem Urteil vom 24.09.1962 die Beziehungen zwischen einem psychiatrischen Landeskrankenhaus und seinen Patienten als öffentlich-rechtlich qualifiziert, mit der Folge der Anwendung des öffentlichen Haftungsregimes § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG für eine Aufsichtspflichtverletzung126. Der Patient war auf einer geschlossenen Station untergebracht, befand sich dort aber auf freiwilliger Grundlage. Der 3. Senat führte aus, dass es entscheidend darauf ankomme, wie das Rechtsverhältnis der Anstalt zu seinen Benutzern rechtlich geordnet sei. Die Patienten waren durch die Regelungen in einer Hausordnung sowie einer Dienstanweisung weitgehenden Beschränkungen ihrer persönlichen Freiheit unterworfen, die nötigenfalls mit staatlichen Machtmitteln durchgesetzt werden konnten. Diese Regelungen seien ganz allgemein und in gleicher Weise für die zwangsweise Eingewiesenen wie für die übrigen Patienten getroffen worden. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Rechtsbeziehungen der auf freiwilliger Grundlage auf der geschlossenen Station befindlichen Patienten gegenüber den Zwangseingewiesenen privatrechtlich zu beurteilen seien, bestehe nicht. Die Auffassung des BGH ist auch aus dem Grunde zutreffend, weil der einzige Unterschied in der Rechtsgrundlage der Unterbringung besteht, nicht jedoch in der Behandlung der Patienten, die bei einer geschlossenen Unterbringung von der Ausübung hoheitlicher Gewalt und nicht von den Regeln der Gleichordnung geprägt ist. Durch die Einwilligungserklärung in den Klinikaufenthalt wird aber nicht automatisch ein privatrechtliches Rechtsverhältnis begründet, denn der Aufenthalt, die Regelungen sowie die Behandlung weisen unverändert hoheitliche Züge auf. § 26 PsychKG NW regelt den freiwilligen Krankenhausaufenthalt. Die Patienten haben die Möglichkeit, nach Aufhebung der Untersuchungsanordnung, Ablauf der angeordneten Unterbringungszeit oder Eintritt der Entlassungsverpflichtung nach § 14 Abs. 2 PsychKG NW aufgrund rechtswirksamer Einwilligung in dem Krankenhaus zu verbleiben. Der Patient muss entweder begreifen können, dass er sich nach der Einwilligung nicht mehr frei bewegen kann oder gar nicht den Willen haben, das Krankenhaus zu verlassen127. Die Anwendung von Privatrecht bei freiwilliger Unterbringung ist daher nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Zu Recht führt der Senat auch an, dass die Einverständniserklärung keinen bürgerlich-rechtlichen Vertrag begründet. Insoweit fungiert die Einverständniserklärung nur, aber immerhin als Rechtsgrundlage, welche die Grundrechtseingriffe legitimiert. Insgesamt verbleibt der BGH bei der Vermutungsregel, wonach eine öffentliche Einrichtung – einschließlich der psychiatrischen Landeskrankenhäuser – bei Erfüllung ihrer Aufgaben den Benutzern im Zweifel als Trägerin öffentlicher Aufgaben und Befugnisse gegenübertritt128. Die zu fordernden besonderen und eindeutigen Anhaltspunkte für 126

BGHZ 38, 49 ff. Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 26 Rn. 1. 128 So auch Marburger, VersR 1971, 777 (780). Unter Verweis auf die Entscheidung des BGHZ 38, 49 ff. hat auch das BayObLG bei einer einverständlichen Unterbringung 127

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eine privatrechtliche Regelung lagen gerade nicht vor. Die Entscheidung hat auch gezeigt, dass sich die Kombination des Merkmals der Behandlung in einer geschlossenen Station auf freiwilliger Basis nicht ausschließt. Nach der Untersuchung der Rechtsbeziehung im Einzelfall bestanden für den Aufenthalt in einer geschlossenen Abteilung – abhängig von der Einweisung mit oder gegen den Willen – verschiedene Rechtsgrundlagen für die Ausübung von hoheitlicher Gewalt. In dem bereits zitierten späteren Urteil des BGH vom 19.01.1984 hat der 3. Senat dann § 832 Abs. 2 BGB als Haftungsgrundlage bei einem einverständlichen Aufenthalt in einer von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts getragenen offenen psychiatrischen Klinik angenommen. Der Unterschied zu der vorgenannten Entscheidung besteht lediglich in der offenen Unterbringung anstatt in einer geschlossenen Einrichtung. Der Senat geht zunächst auf die Rechtsprechung zu den Allgemeinkrankenhäusern ein und nimmt unter Umkehrung der für alle sonstigen öffentlichen Einrichtungen geltenden Vermutungsregel für das öffentliche Recht in der Regel ein privatrechtliches Benutzungsverhältnis an129. Nicht vollständig deutlich wird allerdings, ob der BGH in der neueren Entscheidung allein das Kriterium offen/geschlossen bzw. Heilbehandlung/Zwangsbehandlung oder zusätzlich das Merkmal der Freiwilligkeit als entscheidend für die Qualifizierung der Rechtsbeziehungen ansieht. Er führt dazu aus, dass ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nur dann anzunehmen sei, wenn sich die ärztliche Maßnahme als Zwangsbehandlung darstelle. Unklar bleibt auch, was der Senat unter den Begriff der Zwangsbehandlung subsumiert. Eine Zwangsbehandlung bezieht sich im engeren definitorischen Sinn auf die ärztliche psychotherapeutische Heilbehandlung des Patienten und liegt nur dann vor, wenn die Behandlung gegen oder ohne den Willen des Patienten vorgenommen wird. § 18 Abs. 4 PsychKG NW beispielsweise zählt die Fälle abschließend auf, in denen Zwangsbehandlungen zulässig sind. Davon begrifflich zu unterscheiden ist die Einweisung gegen den Willen des Patienten in die psychiatrische Klinik sowie die freiheitsentziehenden Unterbringungsmaßnahmen, welche die körperliche Bewegungsfreiheit aufheben. Sofern der BGH den Begriff der Zwangsbehandlung einheitlich gebraucht und damit generell Handlungen gegen bzw. ohne den Willen des Patienten definieren wollte, verwundert es, dass er seine Rechtsprechung aus dem Jahre 1962 nicht ausdrücklich aufhebt bzw. als überholt kennzeichnet130. Stattdessen bezieht er sich für das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses auf diese Entscheidung. Dies geschieht allerdings ausdrücklich nur im Hinblick auf die allgemeinen, d.h. unabhängig von der Besonderheit in einem Nervenkrankenhaus die Rechtsbeziehung als (schlicht-)hoheitlich qualifiziert und daher § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG für einschlägig erachtet, BayObLG VersR 1980, 872. 129 Oben § 5 IV. 1. 130 Dies bemerken auch Fischer/Mann, NJW 1992, 1539 (1541).

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des Falles der freiwilligen Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt, angestellten Ausführungen, dass in dem betreffenden geschlossenen Krankenhaus insbesondere psychisch Kranke nach Maßgabe des Unterbringungsgesetzes untergebracht werden. Weiter führt der Senat aus, dass es sich bei der betreffenden Landesklinik aber gerade nicht um eine geschlossene Anstalt handele. Es bestehe keine Möglichkeit, die Patienten während ihrer Freizeit ständig in der Klinik festzuhalten. Damit gehe es um Heilbehandlung und nicht um die Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. An dem privatrechtlichen Charakter der Beziehung ändere auch der Umstand einer Einweisung aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen nichts. Der BGH hat von dem Merkmal der offenen Station bzw. der Heilbehandlung auf eine privatrechtliche Rechtsbeziehung geschlossen. Insbesondere das vom BGH angewandte Kriterium der Heilbehandlung im Gegensatz zu der Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, hat vor dem Hintergrund der heutigen Formulierungen der PsychKG und der Unterbringungsgesetze keinen Bestand mehr. Die psychiatrischen Kliniken sind bekanntlich keine „reinen Verwahranstalten“ mehr. Die Heilbehandlung ist fester Bestandteil der Unterbringung. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Gesetzen steht in den gegenwärtigen PsychKG der Länder zudem nicht mehr die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern die Gefährdung des Betroffenen selbst oder Dritter im Mittelpunkt. Die Unterbringungsvoraussetzungen werden nicht mehr in polizeirechtlichen Kategorien, sondern als Krisenhilfe bei akuten psychischen Krankheiten verstanden131. Dementsprechend findet sich auch in dem vom BGH zitierten § 11 Abs. 1 PsychKG NW vom 02.12.1969 in der aktuellen Fassung vom 17.12.1999 nicht mehr der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Konsequenterweise ist das Abgrenzungsmerkmal der Heilbehandlung/Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kein entscheidendes Bestimmungsmerkmal für die Rechtsbeziehungen zu psychiatrischen Krankenhäusern mehr. Für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung zu der psychiatrischen Klinik bedarf es – entgegen der Ausführung des BGH – auch nicht eines ständigen Festhaltens auf der Station. Eine lückenlose Überwachung der Patienten ist selbst auf geschlossenen Stationen mit der Grundrechtsbindung des Staates und der Grundrechtsverwirklichung des Patienten (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vereinbar und dementsprechend in den PsychKG nicht mehr vorgesehen und überdies auch rein tatsächlich nicht zu gewährleisten132. Auf den faktischen Grad der Ausübung von hoheitlicher Gewalt kommt es überdies ohnehin nicht an.

131

Müller, R & P 1999, 107 (108); Marschner, R & P 1998, 68 (69). Zu den Möglichkeiten des Ausgangs und der Beurlaubung siehe unten in § 6 IV. 2. f) cc). 132

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Mit dem vorliegenden Einverständnis hat der BGH dagegen nur die vertragliche Übernahme der Aufsicht nach § 832 Abs. 2 BGB begründet. Hierzu ist anzumerken, dass allein das Einverständnis bzw. die Einverständniserklärung für den Abschluss eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages nicht ausreicht. Die in den psychiatrischen Krankenhäusern regelmäßig vorhandenen Einverständniserklärungen, welche die Rechtsgrundlage der Unterbringung darstellen, sind keine rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen, mit denen die Rechtsverhältnisse zum Krankenhaus zum Gegenstand eines privatrechtlichen Vertrages werden. Selbst bei der Annahme einer auf Abschluss eines Aufnahmevertrages gerichteten Willenserklärung ist deren rechtliche Wirksamkeit nach §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 2 BGB in der Regel ohnehin nicht gegeben133. Die Einverständniserklärung fungiert daher als Rechtsgrundlage, welche das förmliche Unterbringungsverfahren entbehrlich macht und die Grundrechtseingriffe, unerlaubte Handlungen und strafrechtliche Handlungen legitimiert134. Außerdem besagt das Vorliegen eines freiwilligen stationären Aufenthaltes insofern nichts, als sich die Ausübung von hoheitlicher Gewalt auch nicht in Anordnungen in einem Über- und Unterordnungsverhältnis erschöpft. Auch der öffentlich-rechtlichen Verwaltung stehen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Regelungsinstrumente der Gleichordnung zur Verfügung (insbesondere der koordinationsrechtliche öffentliche Vertrag nach § 54 S. 2 VwVfG des Bundes und der Länder). Aus diesem Grund ist das Zustandekommen eines schriftlichen Vertrages für sich genommen nicht aussagekräftig, da er sowohl bürgerlich-rechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Natur sein kann. Abzulehnen ist daher die Ansicht von Fischer/Mann, die aus dem BGH-Urteil einen Rechtsprechungswandel dahingehend herauslesen wollen, dass im Falle eines freiwilligen stationären Aufenthaltes in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Patienten in der Regel privatrechtlicher Natur sind. Dies überzeugt bereits insofern nicht, da Fischer/Mann selbst feststellen, dass der BGH seine vorherige Rechtsprechung gerade nicht ausdrücklich aufgehoben hat. Mit Beschluss vom 31.01.2008 hat sich nunmehr der 3. Senat des BGH selbst klarstellend dahingehend geäußert, dass die in der Entscheidung vom 24.09.1962 aufgestellten Grundsätze nicht durch das spätere Senatsurteil vom 19.01.1984 modifiziert worden seien. Der BGH hält ausdrücklich daran fest, dass die Behandlung eines Patienten in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Landeskrankenhauses auch dann öffentlichrechtlicher Natur ist, wenn sie mit Einverständnis des Patienten und seines Betreuers und nicht etwa auf Grund einer hoheitlichen Unterbringung erfolgt. Konsequenterweise ist nach Auffassung des Senats Grundlage für Schadensersatzan-

133 134

873 f.

So auch Marburger, VersR 1971, 777 (779). BGHZ 38, 49 (53 f.); BGH NJW 2008, 1444 (1445); BVerwG NVwZ 1989,

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sprüche aus Behandlungsfehlern daher die Amtshaftung und nicht etwa eine privatrechtliche Haftung135. Damit hat auch die Annahme ihre Bestätigung gefunden, dass die Begrifflichkeiten des offenen psychiatrischen Krankenhauses mit dem Einverständnis einer Unterbringung nicht synonym gebraucht werden dürfen. Dies zeigte bereits die zutreffende und nunmehr vom BGH ausdrücklich bestätigte Begründung des Senats in seiner Entscheidung vom 24.09.1962 sowie der vollzogene Wandel in der klinischen Psychiatrie, der auch durch die PsychKG belegt wird, da nunmehr auch die Behandlung in einer offenen Station als Möglichkeit der Unterbringung nach dem PsychKG vorgesehen ist. Ebenso wenig überzeugt der Versuch von Fischer/Mann, der BGH-Rechtsprechung aus dem Jahre 1962 aufgrund der Annahme der rechtlichen Konstruktion des – mittlerweile aufgegebenen – besonderen Gewaltverhältnisses seine Relevanz abzusprechen136. Der Senat beruft sich weder inhaltlich noch ausdrücklich auf die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis. Unabhängig davon geht es bei der Thematik des besonderen Gewaltverhältnisses um die Einschränkung des Grundrechtsschutzes und die fehlende Notwendigkeit eines Gesetzesvorbehalts in Rechtsverhältnissen mit besonderer Nähe zum Staat137. Der vom BGH entschiedene Fall berührt diesen Themenkreis jedoch nicht, da es nur um die Bestimmung des Haftungsregimes ging. Er nimmt daher in seinen Entscheidungsgründen richtigerweise Bezug auf die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung und die Vermutungsregel für öffentliches Handeln. Nach der gängigen Methode hat der Senat für die Qualifizierung des Benutzungsverhältnisses die vorhandenen internen Regelungen auf Indizien für die Ausübung von hoheitlichem Zwang untersucht. Er hat weder die Hausordnung noch die Dienstanweisung als ausreichende Ermächtigungsgrundlagen für Grundrechtseingriffe angesehen, sondern gerade die Einverständniserklärung als legitimierende Rechtsgrundlage angeführt. Aufgrund dieser Rechtsgrundlage ist durch die Hausordnung/Dienstanweisung eine nähere Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses vorgenommen worden. Für die Frage der Qualifizierung der Rechtsbeziehungen zwischen einem psychiatrischen Landeskrankenhaus und seinen Patienten ist die BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1962 – letztlich durch den aktuellen Beschluss des BGH vom 31.01.2008 nunmehr auch bestätigt – für die Rechtsprechungspraxis und Literatur nach wie vor von Bedeutung138. 135

BGH NJW 2008, 1444 f. Die Lehre von dem besonderen Gewaltverhältnis wurde durch die Entscheidung des BVerfG NJW 1972, 811 (812), welche die Einschränkung der Grundrechte von Strafgefangenen zum Gegenstand hat, aufgehoben. 137 Ipsen, StaatsR. II, Rn. 311, 622; Jarass/Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 39. 138 BGH NJW 2008, 1444 f.; VGH Mannheim NJW 1991, 2985; VGH Mannheim NJW 1991, 2986; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 619; a. A.: OLG Oldenburg VersR 1997, 117 (118), das bei einer Selbstschädigungshandlung auf einer halboffen geführten gerontopsychiatrischen Station eines Landeskrankenhauses unter Verweis auf BGH NJW 1985, 677 ff. (= BGH VersR 1984, 640 ff.) ein privatrechtliches Behandlungsverhältnis 136

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dd) Konkrete Ausgestaltung der Rechtsbeziehung anhand des Einzelfalles Entscheidendes Kriterium für die rechtliche Qualifizierung des Benutzungsverhältnisses und damit der Aufsichtspflicht ist die konkrete Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses (gegebenenfalls durch eine Hausordnung/Dienstanweisung) resp. ob dieses durch die Ausübung von hoheitlichem Zwang geprägt ist139. Hausordnungen regeln den inneren Betrieb der psychiatrischen Station. Für die öffentlich-rechtliche Unterbringung ist in einigen PsychKG der Länder (z. B. § 30 PsychKG Brem, § 27 PsychKG Bbg, § 29 PsychKG M-V140, § 15 PsychKG Schl.-H.141, der den Erlass einer Satzung vorsieht) der Erlass einer Hausordnung ausdrücklich vorgesehen. Nach § 27 Abs. 1 S. 2 PsychKG Bbg kann die Hausordnung insbesondere Regelungen über die Einbringung von Sachen, Ausgestaltung der Räume, Einkaufsmöglichkeiten, Rauch- und Alkoholverbot, Besuchszeiten, Telefonverkehr, Freizeitgestaltung und den regelmäßigen Aufenthalt im Freien sowie über den Umgang der untergebrachten Personen untereinander enthalten. In § 27 Abs. 2 PsychKG Bbg ist geregelt, dass die Hausordnung auch Disziplinarmaßnahmen bei vorsätzlichen Verstößen gegen ihre Regelungen vorsehen kann. Auch in einer offenen Einrichtung eines psychiatrischen Krankenhauses kann beispielsweise auf die persönliche Freiheit (Art. 2 Abs. 2 GG) mittels einseitiger hoheitlicher Regelung eingewirkt werden. Es genügt die Beschränkung des Patienten auf einen räumlichen Bereich und die Reglementierung des Klinikalltages und des Kontaktes nach außen142. Für die Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen einem psychiatrischen Krankenhaus und seinen Patienten als öffentlich-rechtlich ist auch nicht die umstrittene Frage entscheidend, ob der Aufenthalt in einem offenen psychiatrischen Krankenhaus die Qualität einer freiheitsentziehenden Unterbringung hat143. Die mit der Unterbringung verbundene Freiheitsentziehung liegt vor, wenn die durch Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 Abs. 1 S. 1 GG geschützte körperliche Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben

angenommen hat; Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 84; BGH NJW 1994, 794: In dieser Entscheidung hat der Senat die Frage der Rechtsnatur der Beziehungen zwischen der Patientin und dem psychiatrischen Krankenhaus ausdrücklich offen gelassen. 139 So auch Marburger, VersR 1971, 777 (780). 140 Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (PsychKG MV), Bekanntmachung der Neufassung des Psychischkrankengesetzes vom 13.04.2000, GVOBl M-V, S. 182, geändert durch Gesetz vom 21.03.2001, GVOBl M-V, S. 59. 141 Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (PsychischKranken-Gesetz – PsychKG), vom 14.01.2000, GVOBl Schl.-H., S. 106, zuletzt geändert durch Gesetz vom 03.01.2005, GVOBl Schl.-H., S. 21. 142 Siehe Marschner, R & P 1998, 68 (70). 143 Erman/Roth, § 1906 Rn. 10; Arnold/Kloß, FuR 1996, 263 (264).

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wird, wenn sie also auf einen eng umgrenzten Raum beschränkt wird144. Sie ist ein Unterfall der Freiheitsbeschränkung sowie deren schwerste und intensivste Form145. Auch wenn bei freiheitsentziehenden Maßnahmen regelmäßig öffentliche Gewalt ausgeübt wird, bedeutet das Nichtvorliegen einer Freiheitsentziehung im Umkehrschluss nicht, dass kein hoheitliches Handeln vorliegt. Der Begriff der Freiheitsentziehung ist lediglich tatbestandliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der dargestellten Rechtsgrundlagen der freiheitsentziehenden Unterbringung. Für die Qualifizierung als hoheitliche Maßnahme ist der Begriff der Freiheitsentziehung indes nicht ausschlaggebend. Unterhalb der Schwelle von freiheitsentziehenden Maßnahmen gibt es zahlreiche Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten durch den Einrichtungsträger, welche der Rechtsbeziehung zwischen psychiatrischem Krankenhaus und Patienten den privatrechtlichen Charakter zu nehmen geeignet sind. Auch bei nur freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in einer offenen Station kann öffentlicher Zwang ausgeübt werden146. Auf den faktischen Grad der hoheitlichen Einwirkung, der auf die persönliche Freiheit des aufsichtsbedürftigen Kranken in einer geschlossenen, offenen oder halboffenen Station ausgeübt wird, kommt es für die Annahme von staatlichem Zwang nicht an147. Ein weiterer Aspekt, der für die Ausübung von hoheitlicher Gewalt auch in offenen psychiatrischen Krankenhausabteilungen spricht, ist mittelbar das in den §§ 70 ff. FGG normierte Verfahren in Unterbringungssachen, welches einheitlich sowohl die zivilrechtliche als auch die öffentlich-rechtliche Unterbringung regelt. Die zivilrechtliche Unterbringungsmaßnahme wird von dem Gericht genehmigt; bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ordnet das Gericht die freiheitsentziehende Unterbringung durch Beschluss an. Von diesen das Unterbringungsverfahren betreffenden gerichtlichen Entscheidungen kann sich aber auch ein psychischer Zwang auf das Behandlungsverhältnis dergestalt auswirken, dass der Patient allein wegen der gerichtlichen Anordnung oder Genehmigung seiner Unterbringung in der (offenen) psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses verbleibt und sich den dort geltenden Regeln unterwirft148. Nach Dürig liegt eine Freiheitsentziehung neben der Anwendung von äußerem physischem Zwang auch dann vor, wenn aufgrund der rechtlichen Verbindlichkeit einer Anordnung der öffentlichen Gewalt psychischer Zwang auf die körperliche Bewegungsfreiheit 144 Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Schmahl, Art. 104 Rn. 14; Sachs/Degenhart, Art. 104 Rn. 5. 145 Sachs/Degenhart, Art. 104 Rn. 5. 146 Vgl. Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 2 II Rn. 102. 147 Vgl. Arnold/Kloß, FuR 1996, 263 (264). 148 AG Wolfshagen BtPrax 1998, 83 (84), in diesem Beschluss geht es allerdings um die rechtliche Fragestellung, ob die zur Heilbehandlung notwendige zivilrechtliche Unterbringung nach § 1906 BGB in einer offenen psychiatrischen Station mit einer Freiheitsentziehung verbunden sein kann, mit der Folge, dass die Unterbringung gerichtlich genehmigt werden muss; Bernardi, R & P 1994, 11; Arnold/Kloß, FuR 1996, 263 (264).

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ausgeübt wird149. Auch Gusy fasst den Begriff der Freiheitsentziehung weiter. Als Beispiel führt er die Pflicht bestimmter Asylbewerber an, sich während der Durchführung ihres Anerkennungsverfahrens im Transitraum eines Flughafens aufzuhalten. Nach Ansicht von Gusy liegt darin eine Freiheitsentziehung, wenn die Betroffenen faktisch oder rechtlich nicht in der Lage sind, den Transitraum zu verlassen150. Er sieht als entscheidendes Kriterium den Erfolg des Eingriffs an. Der Erfolg eines Ausschlusses der Bewegungsfreiheit trete aber sowohl dann ein, wenn eine Person in einem Raum eingesperrt wird, dessen Tür abgeschlossen ist, als auch dann, wenn vor der unverschlossenen Tür eine Wache sitzt, die Sanktionen für den Fall des Entweichens ergreifen kann151. Dieser Aspekt hat insbesondere in solchen Fällen entscheidende Relevanz, in denen ein Patient entgegen der gerichtlichen Anordnung nicht in einer geschlossenen, sondern in einer offenen Station eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht oder im Verlaufe seiner Behandlung dorthin verlegt wird152. In diesen Fällen betrifft der hoheitliche Einweisungsakt nicht nur die Begründung des Rechtsverhältnisses, sondern erstreckt sich auch auf die Durchführung des Behandlungsverhältnisses. ee) Praktische Handhabung Die stichprobenartige Untersuchung hat gezeigt, dass es in den psychiatrischen Kliniken sowohl geschlossene als auch (halb)offene Stationen sowie eine teilstationäre und ambulante Behandlung gibt. Die praktische Analyse hat zudem ergeben, dass für alle verschiedenen Rechtsgrundlagen der Aufenthalte und Unterbringungen sowie der Unterbringungsformen einseitig hoheitliche Regelungen existieren, welche das Rechtsverhältnis in der Klinik im Einzelnen bestimmen. Als Beispiel ist der Landschaftsverband Rheinland zu nennen, der eine Satzung über die Unterbringung in den Rheinischen Landeskrankenhäusern erlassen hat153. Da die Satzung überwiegend allgemeine Regelungen enthält, wird diese durch eine Hausordnung ergänzt, welche den inneren Betrieb des Krankenhauses regeln. In der Hausordnung ist z. B. bestimmt, dass die Patienten das Krankenhaus nur durch den Haupteingang unter gleichzeitiger An- bzw. Abmeldung beim Pförtner verlassen dürfen. Unter dem Punkt der „Unterbringung“ – welcher nicht den Zusatz „offen“ oder „geschlossen“ enthält – wird ausgeführt, dass der Direktor die Unterbringung auf den Abteilungen des Krankenhauses bestimmt. Bei der 149

Maunz/Dürig, Art. 104 Rn. 6. v. Mangoldt/Klein/Starck/Gusy, Bd. III, Art. 104 Rn. 19. 151 v. Mangoldt/Klein/Starck/Gusy, Bd. III, Art. 104 Rn. 21. 152 LG Bremen NJW-RR 1999, 969 f., das dennoch die Haftung der Klinik nach § 832 BGB und nicht nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG für gegeben hält. 153 Satzung des Landschaftsverbandes Rheinland über die Unterbringung in den Rheinischen Landeskliniken vom 20.12.1963, die am 07.01.1964 bekannt gemacht wurde. 150

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Unterbringung sind der Krankheitszustand, die Gegebenheiten des Einzelfalles und die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen. Nach der Hausordnung entscheidet der Direktor des Krankenhauses auch über den Aufenthalt der Kranken auf dem Krankenhausgelände sowie über deren Ausgang. Daneben existiert z. B. eine Allgemeine Rundverfügung, welche unterteilt nach der zivilrechtlichen, öffentlich-rechtlichen und strafrechtlichen Unterbringung die freiheitsentziehenden Maßnahmen, unter anderem die Anordnung einer Fixierung/Isolierung, und deren Durchführung behandelt154. Eine andere Allgemeine Rundverfügung hat die Behandlungsrichtlinien für die Zwangsbehandlung zum Gegenstand155. In anderen psychiatrischen Kliniken existieren Hausordnungen, die auch für die Unterbringung in einer offenen Station einseitige Regelungen und Vorgaben über den Ausgang der Patienten, die Einteilung des Tages in Beschäftigungs- und Behandlungszeiten, die Freizeitgestaltung, die Besuchszeiten, den Telefonverkehr, die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Patientenzimmer sowie ein Rauch-, Alkohol- und Drogenverbot sowie die Verfügung über Geld enthalten. Oftmals sind Disziplinarmaßnahmen bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Regelung der Hausordnung vorgesehen. Bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sind weitere Einzelheiten und Behandlungs- sowie Aufsichtsmaßnahmen in den einschlägigen PsychKG geregelt. Die Unterbringung nach den PsychKG – auch in einer geschlossenen Station – sieht den unbegleiteten Ausgang bzw. Beurlaubungen vor (z. B. §§ 16 Abs. 1 S. 3, 25 PsychKG NW). Über die Beurlaubung entscheidet die ärztliche Leitung in jedem Einzelfall. Auf der anderen Seite bedeutet eine offene Station nicht, dass keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Gespräche mit Stationsärzten und Krankenhausleitungen haben ergeben, dass die Patienten in der Regel entsprechend der Hausordnung und individuellen Absprachen die Station nicht beliebig verlassen dürfen. Vorgeschrieben ist eine Unterrichtung des Krankenhauspersonals darüber, wohin die Patienten gehen und wann sie wieder zurück sind. Verbindlich vorgegeben ist auch eine bestimmte Uhrzeit, in der sich die Patienten spätestens wieder auf dem Klinikgelände einzufinden haben. Ebenfalls geregelt ist die Anwesenheit der Patienten zum Mittagessen, zur Therapie sowie während der Nacht. Abhängig von dem Stadium und dem Verlauf des Krankheitsbildes können darüber hinaus Ausgangsbeschränkungen ausgesprochen werden. Nach den Aussagen von verschiedenen Stationsärzten wird z. B. eine Auflage dahingehend erteilt, dass sich ein Patient in einer akuten Krankheitsphase nicht von der Station entfernen darf, weil er instabil ist und von Außenreizen abgeschirmt werden soll. 154 Allgemeine Rundverfügung Nr. 1 des Landschaftsverbandes Rheinland, Dezernat Gesundheitspflege/Heilpädagogische Heime, 5. Fassung vom 09.05.2000, Freiheitsentziehende Maßnahmen in den Rheinischen Kliniken, n. v. 155 Allgemeine Rundverfügung Nr. 1 des Landschaftsverbandes Rheinland, Dezernat Gesundheitspflege/Heilpädagogische Heime, 3. Fassung vom 09.05.2000, Einwilligung in die Behandlung – Zwangsbehandlung – Behandlungsrichtlinien, n. v.

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Zugeschnitten auf die Aufsichtssituationen werden gezielter Personaleinsatz und einzelne Aufsichtsmaßnahmen (Durchsuchung von Taschen nach dem Ausgang oder Verlegung in ein anderes Zimmer und Abschirmung von den Mitpatienten) angeordnet. Dass eine offene Station an sich nicht das beliebige Verlassen der Klinik erlaubt, wird auch durch ein Urteil des LG Bremen bestätigt, in welchem die Patientin in einer überwiegend offenen Station behandelt wurde. Die beklagte Klinik hat der Patientin nach dem Behandlungskonzept lediglich kurze Ausgänge „im Hause“, keineswegs aber das ungenehmigte und unbeaufsichtigte Verlassen der Station oder des Klinikgeländes, gestattet156. Auch das OLG Frankfurt hat in einem Urteil bei einem psychiatrischen Krankenhaus mit offenen Abteilungen eine Organisation dergestalt gefordert, dass kein Patient „unbemerkt“ vom Personal seine Station oder gar das Haus verlassen kann157. Der BGH hat diese Entscheidung bestätigt, da er die Revision der Klägerin durch Beschluss zurückgewiesen hat158. Das OLG Saarbrücken hat hinsichtlich der Aufsichtspflicht einer Klinik bei stationärer jugendpsychologischer Behandlung in einer offenen Abteilung festgestellt, dass bei einem solchen Aufenthalt das unbemerkte Entweichen hinreichend verlässlich unterbunden werden muss. Die Behandlung und der Aufenthalt in einer offenen Abteilung diene gerade der Krisenbewältigung; das aufsichts- und behandlungsbedürftige 13-jährige Kind entzog sich durch das Entweichen jeglicher Aufsicht und machte diese wirkungslos. Trotz des Hinweises der Beklagten auf eine Gefährdung des Behandlungs- und Erziehungsziels sowie auf die nicht geschlossen geführte Einrichtung verlangte das Gericht wirksamere Maßnahmen, weil unterhalb dieser Schwelle vielfache Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten einem Entweichen hinreichend entgegenwirken können159. Auch im Hinblick auf die in den meisten Krankenhäusern vorhandene Möglichkeit, sich wegen der psychischen Krankheit teilstationär in einer Tagesklinik oder ambulant behandeln zu lassen, spricht bereits gegen einen Aufenthalt in einer offenen psychiatrischen Abteilung ohne jede reglementierenden Beschränkungen. Unabhängig von der Tatsache, dass die offene Unterbringung in einigen PsychKG als Form der Unterbringung ausdrücklich vorgeschrieben ist, hat die praxisorientierte Untersuchung zudem ergeben, dass bei Verlegung auf eine of156

LG Bremen NJW-RR 1999, 969 (970). OLG Frankfurt AHRS 3060/7, 17 (19), auch wenn es in diesem Fall um einen Selbstmordversuch ging, gelten diese Ausführungen auch für den hier interessierenden Bereich der Schädigung Dritter, da sich der Schutzbereich der Unterbringung auch auf die Fremdgefährdung erstreckt. Das OLG Koblenz AHRS 3060/22, 67 (70 f.), hat ausgeführt, dass auch eine offene Station hinsichtlich des baulichen Sicherheitsstandards gewisse Mindestanforderungen erfüllen müsse. Dazu gehörten eine Sicherung der Fenster, die verhindert, dass ein Patient heraussteigen oder herausspringen kann sowie verschließbare Stationstüren. Nach Ansicht des Gerichts hätte eine der beiden Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden müssen. 158 BGH Beschluss vom 06.12.1977, Az.: VI ZR 170/75, n. v. 159 OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (410). 157

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fene Station die Unterbringung nach PsychKG formal nicht aufgehoben wird. Dies liegt aus ärztlicher Sicht in der Befürchtung begründet, dass sich der gesundheitliche Zustand des Patienten wieder verschlechtern kann und er erneut den erhöhten Sicherheitsanforderungen einer geschlossenen Unterbringung bedarf, welche die Einhaltung des Unterbringungsverfahrens voraussetzt. Dieser Handhabung in der Praxis werden – wie bereits aufgezeigt – einige PsychKG und Unterbringungsgesetze der Länder durch das fehlende Attribut der geschlossenen Unterbringung gerecht. Sollte die Überprüfung der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen offener psychiatrischer Krankenhausabteilung und Patient jedoch ergeben, dass weder einseitig hoheitliche Regeln noch freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Maßnahmen vorgesehen sind, so kann eine privatrechtlich begründete Aufsichtspflicht nach § 832 Abs. 2 BGB vorliegen. Die forensische Untersuchung hat ferner die Ausführungen des BGH aus dem Jahre 1962 und nunmehr auch aus dem Jahre 2008 dahingehend bestätigt, dass sich in den geschlossenen Stationen nicht nur die Patienten befinden, die auf der Grundlage des PsychKG bzw. der §§ 70 ff. FGG zwangsweise eingewiesen wurden, sondern auch diejenigen, die sich dort auf freiwilliger Rechtsgrundlage befinden. Insgesamt zeichnet sich die Rechtsbeziehung zwischen der Klinik und den Patienten – unabhängig von der Rechtsgrundlage der Unterbringung – gerade nicht durch die für die bürgerlich-rechtliche Beziehung charakterisierende Ebene der Gleichordnung aus. Die Anwendung von Privatrecht bei freiwilliger Unterbringung ist daher nach allem nicht gerechtfertigt.

4. Ergebnis Unabhängig von dem Vorliegen der Voraussetzungen nach den PsychKG und Unterbringungsgesetzen können die Rechtsbeziehungen zwischen einem psychiatrischen Landeskrankenhaus und seinen Patienten im Gegensatz zu den Allgemeinkrankenhäusern in der Regel nicht ohne Weiteres als privatrechtlich qualifiziert werden. Selbst unter Zugrundelegung der bei Krankenhäusern eher bedenklichen Verkehrung der Vermutungsregel, dass ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nur dann anzunehmen ist, wenn weitere öffentlich-rechtliche Elemente hinzutreten, wird dies bei den psychiatrischen Krankenhäusern – insbesondere bei der einverständlichen Unterbringung in einer geschlossenen Station – regelmäßig der Fall sein. Selbst bei der freiwilligen Unterbringung auf einer offenen Station weist die interne Ordnung der Rechtsbeziehungen häufig überwiegend hoheitliche Züge auf. Die Überlegenheit der Verwaltung gegenüber dem Patienten wird nicht schon durch die Unterbringung in einer offenen Station aufgehoben. Auch bei einer freiwilligen Unterbringung auf einer offenen Station existieren Hausordnungen, die z. B. Regelungen über den Aufenthalt der Patienten im Freien, die

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Freizeitgestaltung, die Besuchszeiten, den Telefonverkehr, die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Räume, die Verfügung über Geld sowie den Umgang der untergebrachten Personen untereinander enthalten. Zusätzlich werden im Rahmen der erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung der psychischen Krankheit einseitige Regelungen und Vorgaben verbindlich festgelegt. Derartige Regelungen sind keineswegs kennzeichnend für bürgerlich-rechtliche Rechtsbeziehungen, sondern deuten mehr auf Maßnahmen im Rahmen eines hoheitlichen Verhältnisses hin. Spätestens mit Vorliegen des formalen Unterbringungsverfahrens nach §§ 70 ff. FGG, welches mit einer gerichtlichen Genehmigung oder einer Unterbringungsanordnung abschließt, tritt ein öffentlich-rechtliches Element schon insofern hinzu, als dieser staatliche Zwang als psychisches Hindernis auf das Behandlungsverhältnis durchschlägt. Die genannten Kriterien der Heil- oder Zwangsbehandlung in einer offenen oder geschlossenen Station sowie die Freiwilligkeit der Unterbringung sind im Rahmen der psychiatrischen Behandlung ohne die zwingend erforderliche Einzelfallbetrachtung an sich keine für die rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht ausschlaggebenden Indizien. Dies liegt zum einen in dem Umstand begründet, dass bei Vorliegen der Kriterien die Ausübung von hoheitlicher Gewalt nicht ausgeschlossen ist und sie daher auch nicht als entscheidende Bestimmungsmerkmale fungieren können. Zum anderen ist zusätzlich durch den zu verzeichnenden Wandel in der klinischen Psychiatrie und dem psychiatrischen Verständnis das Vorliegen der Abgrenzungsmerkmale allein anhand der bloßen Begrifflichkeiten und Bezeichnungen nicht mehr aussagekräftig. Unerlässlich für die Einordnung der Rechtsbeziehungen zwischen einem psychiatrischen Landeskrankenhaus und seinen Patienten ist daher die Untersuchung der konkreten Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses anhand des Einzelfalles dahingehend, ob die Unterbringung durch hoheitliche Regelungen und Handlungen geprägt ist. Insoweit müssen die Entscheidungsgründe die genaue Ausgestaltung insbesondere der offenen Stationen erkennen lassen. Damit wird gleichzeitig der Gefahr begegnet, dass die Begrifflichkeiten – wie z. B. geschlossene Station und Zwangsbehandlung oder offene Station und Freiwilligkeit/Heilbehandlung – gleichgesetzt resp. synonym gebraucht werden. Jedenfalls sollte zukünftig auch die Rechtsprechungspraxis und die Kommentarliteratur – ebenso wie bei den PsychKG und Unterbringungsgesetzen geschehen – den Wandel in der forensischen Psychiatrie bei der Qualifizierung der Rechtsbeziehungen zwischen einem psychiatrischen Krankenhaus und seinen Patienten berücksichtigen. Dies schließt einen starren Rückgriff auf die Abgrenzungskriterien ohne eine Einzelfallbetrachtung aus. Es macht wenig Sinn, die Anwendung des Haftungsregimes durch Abgrenzungsmerkmale zu bestimmen, die durch den Wandel in der Psychiatrie mittlerweile weder im Gesetz noch in der psychiatrischen Praxis eine Stütze finden.

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Da die psychiatrischen Krankenhäuser im Gegensatz zu den Allgemeinkrankenhäusern in der Form ihrer Organisation, wie sie ihren Patienten gegenübertreten, in der Regel mehr hoheitsrechtliche als privatrechtliche Züge aufweisen, rechtfertigt sich für die Behandlung in psychiatrischen Krankenhäusern die Beibehaltung der Regelvermutung, dass die sich in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtungen im Zweifel auch hoheitlich handeln und sich dabei öffentlich-rechtlich fundierter Mittel bedienen. Im Verhältnis eines in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft befindlichen psychiatrischen Krankenhauses gilt daher auch bei freiwilliger Unterbringung in einer offenen oder geschlossenen Station öffentliches Recht, wenn das Benutzungsverhältnis hoheitlich ausgestaltet ist, und zwar gleichgültig, ob die Voraussetzungen der PsychKG und Unterbringungsgesetze vorliegen. Bei verbleibenden Zweifeln hinsichtlich der rechtlichen Einordnung ist ausgehend von der bei psychiatrischen Krankenhäusern geltenden Vermutungsregel für das öffentliche Recht ein privatrechtliches Rechtsverhältnis nur dann anzunehmen, wenn eindeutige Anhaltspunkte für den Willen einer privatrechtlichen Ausgestaltung der rechtlichen Beziehung vorliegen.

§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht Die Bestimmung des Inhalts und des Umfanges der deliktischen Aufsichtspflicht stellt eines der Kernprobleme des § 832 BGB dar1.

I. Tageseinrichtungen für Kinder Im Folgenden werden Kriterien herausgearbeitet, die für die Bestimmung der Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen heranzuziehen sind. Da die Eltern als originär Aufsichtspflichtige für die Dauer des Aufenthaltes in der öffentlichen Einrichtung die Aufsicht und die Erziehung auf diese mittels Vertrag übertragen, ist zugleich auch der Bereich der elterlichen Aufsichtspflicht tangiert. Es wird eine Vergleichsbetrachtung zwischen der Aufsichtspflicht der Eltern zu der Aufsichtspflicht in einer öffentlichen Einrichtung vorgenommen, wodurch die bestehenden Unterschiede aufgezeigt werden, die gleichzeitig auch die divergierenden Anforderungen zwischen öffentlicher und privater Aufsichtspflicht aufzudecken vermögen.

1. Zeitlicher Umfang der Aufsichtspflicht Im Gegensatz zu der elterlichen Aufsichtspflicht handelt es sich bei der Beaufsichtigung eines Kindes in einem Kindergarten um ein räumlich und zeitlich begrenztes Angebot. Problematisch ist daher, wann die Aufsichtspflicht beginnt und wann sie endet. a) Beginn der Aufsichtspflicht Da die Personensorgeberechtigten die Aufsichtspflicht in der Regel durch Vertrag auf den Einrichtungsträger übertragen, richtet sich der zeitliche Umfang der Aufsichtspflicht in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen2. Gegenstand dieses Vertrages wird in aller Regel auch eine Vereinbarung darüber sein, wann die Aufsicht über die Kinder beginnt und wann sie endet. Ausdrücklich vereinbart ist dort meist die Öffnungszeit, d.h. der zeitliche Beginn, und das Ende der Betreuungszeit. Zumeist ist auch geregelt, dass für den Weg zu und von 1 2

Erman/Schiemann, § 832 Rn. 6. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 87; Albilt, S. 167 ff., 175 ff.; Bernau, S. 60 f.

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der Einrichtung die Eltern verantwortlich sind3. Aber auch wenn der Vertrag eine solche Regelung nicht enthält, folgt die zeitliche Begrenzung der Aufsichtspflicht aus dem Umstand, dass die Personensorgeberechtigten die originär Aufsichtsverpflichteten sind und die Aufsicht nur für eine bestimmte Zeit auf die Einrichtung übertragen wurde. Dies kann, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, nur für die Zeit gelten, während die Einrichtung ihr Betreuungsangebot eröffnet. Möglich ist freilich auch, dass die Kindertageseinrichtung ausdrücklich die Aufsicht für den Hin- und Rückweg der Minderjährigen übernimmt. Stellt sie beispielsweise einen Bus als Zubringerdienst zur Verfügung, obliegt ihr die Aufsicht auch während der Busfahrt. Das Landgericht Bielefeld hat in diesem Zusammenhang die Haftung einer Erzieherin für den Umstand abgelehnt, dass ein aufsichtsbedürftiges Kind vor dem Kindergarten durch den die Kinder befördernden Bus angefahren wurde. Das Gericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass in der Kindergartenordnung ausdrücklich geregelt war, dass für den Weg zu der Einrichtung die Personensorgeberechtigten die alleinige Verantwortung tragen. Eine Aufsichtspflicht für den Hinweg war damit von der vertraglichen Abrede nicht umfasst4. Eine andere, darüber hinausgehende Frage ist, wo genau der Verantwortungsbereich der Einrichtung beginnt. Je nach den örtlichen Gegebenheiten beginnt die Aufsichtspflicht einer Tageseinrichtung grundsätzlich hinter der Haus- oder Gartentür, da sie den Verfügungs- und Verantwortungsbereich der Einrichtung nach außen abgrenzt. Noch eindeutiger ist die Verantwortungsabgrenzung, wenn der Zugang zur Einrichtung grundsätzlich geschlossen gehalten wird und nur auf Klingeln zu öffnen ist. Festzuhalten ist damit, dass der Einrichtungsträger verpflichtet ist, die seine Einrichtung besuchenden Kinder bereits bei ihrem Eintreffen zu beaufsichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Kinder noch in Begleitung eines Elternteils sein sollten; bereits hier besteht die Aufsichtspflicht der Erzieherin neben derjenigen des Personensorgeberechtigten5. In der Praxis ergeben sich aus dem täglichen Eintreffen der Kinder bereits zahlreiche potentielle Gefähr3 Wie bereits oben in § 4 I. 1. a) aa) aufgeführt, ist in der Benutzungsordnung der Stadt Köln die Aufsicht während der Öffnungszeiten und die Verantwortung für den Weg von und zur Tageseinrichtung geregelt. Die Benutzungsordnung für die Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft der Stadt Bielefeld vom 02.04.2001 enthält unter § 7 mit der Überschrift „Aufsicht“ folgende Regelung: „Die Aufsichtspflicht des Personals der Tageseinrichtung für Kinder beginnt bei Übergabe des Kindes durch die/den Personensorgeberechtigte/n an das pädagogisch tätige Personal. Sie endet, wenn das Kind am Ende oder während der Öffnungszeit mit Zustimmung der/des Personensorgeberechtigten das Gelände der Einrichtung verlassen hat bzw. dem/der/den Personensorgeberechtigten wieder übergeben worden ist. Ausnahmen hiervon (z. B. andere Personen, die das Kind bringen oder abholen) sind schriftlich mit der Tageseinrichtung für Kinder zu vereinbaren.“ 4 LG Bielefeld Urteil vom 21.03.1979, Az.: Ns 10 Ls 21 Js 929/77, n. v., zitiert nach Claussen/Vent, S. 118. 5 Janssen/Dreier/Selle, Kindertagesbetreuung in NW, 23.00 Aufsichtspflicht, S. 4.

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dungssituationen. Dies liegt darin begründet, dass manche Eltern ihre Kinder in der morgendlichen Hektik einfach vor der Türe des Kindergartens absetzen oder die Kinder beispielsweise nur bis in den Eingangsbereich des Kindergartens begleiten. Hier stellt sich dann das Problem, dass die einzelne Erzieherin faktisch keine Aufsicht führen kann, bevor sich das betreffende Kind in ihrem Blickfeld befindet. Dieser Umstand befreit die Erzieherin allerdings nicht von ihrer Aufsichtspflicht, die sie zu gewährleisten hat. Deshalb bestehen gerade bei Kindern im Kindergartenalter oftmals mit den Eltern – meist mündliche – Absprachen, dass das Kind von den Personensorgeberechtigten in die Einrichtung gebracht und dort der verantwortlichen Erzieherin übergeben wird. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass eine Erzieherin die Kinder in Empfang nimmt und auf dem Weg in ihre Gruppe beaufsichtigt. Diese letztgenannte Variante wird wohl oft am fehlenden Personal scheitern, da die anwesenden Erzieherinnen zahlreiche andere Aufgaben zu erledigen haben. Eine klare Vereinbarung hat den Vorteil, dass tatsächlich eine lückenlose Aufsicht sichergestellt wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass an Übergangsstellen der Aufsichtsbereiche Gefährdungssituationen deshalb entstehen, weil sich weder die Eltern noch die Erzieherin verantwortlich fühlen. b) Ende der Aufsichtspflicht Auch das Ende der Aufsichtspflicht richtet sich nach der entsprechenden Regelung in der Kindergartenordnung oder einer gesonderten Vereinbarung mit den Eltern. Es wird festgelegt, ob das Kind abgeholt wird und wer zur Abholung berechtigt ist oder ob es alleine nach Hause gehen darf. Ist eine Abholpflicht vereinbart, dann endet die Aufsichtspflicht nicht automatisch mit dem Ende der Öffnungszeit der Einrichtung. Sie endet erst dann, wenn eine autorisierte Abholperson die Obhut über das Kind wieder übernimmt und das Kind die Einrichtung verlässt6. Problematisch kann der Fall werden, wenn Eltern ihre Kinder nicht vereinbarungsgemäß abholen. Den Kindergartenträger und damit die Erzieher trifft auch die Verpflichtung, die Kinder ordnungsgemäß aus ihrem Aufsichtsbereich wieder in den Aufsichtsbereich der Eltern zu übergeben7. In diesem Fall kann die Erzieherin nach Ende der Öffnungszeit das Kind nicht einfach sich selbst überlassen; sie hat auf zu spät kommende Eltern zu warten, anzurufen oder zu veranlassen, dass eine andere geeignete Person, z. B. die Mutter eines Nachbarkindes, das Kind mit nach Hause nimmt. Erklären die Eltern, dass ihr Kind den Heimweg nunmehr alleine bewältigen kann, so sind ab dem Verlassen der Einrichtung die Personensorgeberechtigten für den Heimweg verantwortlich. Den Träger trifft insbesondere kraft Gesetzes keine Verantwortung für den Heimweg. Die Einrichtung ist jedoch verpflichtet, die vereinbarten Endzeiten der Betreuung einzuhal6 7

Janssen/Dreier/Selle, Kindertagesbetreuung in NW, 23.00 Aufsichtspflicht, S. 4. OLG Hamm VersR 1981, 339 (340).

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ten und das Kind nicht ohne Absprache vorzeitig auf den Heimweg zu schicken. In der Praxis gibt es dann Konflikte, wenn die Eltern möchten, dass ihr Kind alleine nach Hause geht, die Einrichtung dies jedoch nicht dulden will, für nicht sinnvoll oder zu gefährlich für das Kind und die Rechtsgüter Dritter hält. Dem Grunde nach steht den Sorgeberechtigten das Entscheidungsrecht hinsichtlich dieser Frage zu, welches von der Einrichtung in der ausgeübten Form zu respektieren ist. Entgegen einer bestehenden Vereinbarung darf ein Kind dann nicht alleine nach Hause geschickt werden, wenn besondere gefahrenerhöhende Umstände eingetreten sind, die den Eltern nicht bekannt waren und die es nach vernünftiger und verantwortungsbewusster Einschätzung der Erzieherin nicht erlauben, das Kind ohne Begleitung nach Hause gehen zu lassen. In diesem Fall muss die Einrichtung dafür Sorge tragen, dass das Kind ungefährdet in die Obhut eines Erziehungsberechtigten gelangt. Können Einrichtung und Eltern keine Einigung in dem Punkt des Verlassens des Kindergartens erzielen, dann bleibt dem Träger oder den Eltern nur die Konsequenz, den Betreuungsvertrag zu kündigen.

2. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht Wegen der vertraglichen Übertragung der Aufsicht im Rahmen von § 832 BGB ist grundsätzlich für das Maß der gebotenen Aufsicht der Inhalt bzw. Umfang des Übernahmevertrages maßgeblich8. Der Umfang der übernommenen Aufsicht kann nicht über das hinausgehen, was vertraglich vereinbart wurde, da an diese verbindliche vertragliche Regelung die deliktsrechtliche Außenhaftung anknüpft und in ihrer Reichweite folgerichtig nicht über die vertraglichen Verpflichtungen hinausgehen kann. Die Regelung erschöpft sich in den Benutzungsordnungen unter dem Stichwort Aufsicht zumeist in der Nennung der Öffnungszeiten sowie der Verantwortlichkeit für Hin- und Rückweg zur Einrichtung9. Da der zeitliche Rahmen der Beaufsichtigung lediglich grob umrissen wird, ist für die Bestimmung der gebotenen Aufsichtsmaßnahme im Rahmen des vertraglich festgelegten Umfanges der Aufsichtsübernahme auf einzelne konkretisierende Kriterien zurückzugreifen. Aus § 832 Abs. 1 S. 2 BGB lässt sich nur, aber immerhin entnehmen, dass eine gehörige Aufsichtsführung die Ersatzpflicht ausschließt. Der Tatbestand des § 832 BGB gibt darüber hinaus jedoch keine Auskunft, in welchem Umfang die Aufsichtspflicht für eine gehörige Aufsichtsführung zu gewährleisten ist. Aufgrund der Vielfalt der Umstände des Einzelfalles und der denkbaren Vorkommnisse kann der Gesetzgeber keine allgemeingültigen Voraussetzungen aufstellen, die eine gehörige Erfüllung der Aufsicht sicherstellen. Sie müssten entweder sehr

8 9

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 87; Albilt, S. 167 ff., 175 ff.; Bernau, S. 60 f. Oben § 4 I. 1. a) aa).

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allgemein gehalten sein, hätten dann aber kaum Aussagekraft, oder würden die Erziehungsarbeit zu stark einschränken und reglementieren. Es ist somit den Gerichten und der Lehre überlassen, Maßstäbe für die gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht aufzustellen. Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht werden von zahlreichen Variablen bestimmt und hängen von der konkreten Aufsichtssituation ab. Zu verzeichnen ist allerdings, dass die Gerichte in der Vielzahl der Urteile über eine elterliche Aufsichtspflichtverletzung zu entscheiden hatten. Deutlich weniger Entscheidungen sind zu Aufsichtspflichtverletzungen von öffentlichen Einrichtungen ergangen. Ausgangspunkt für die Bestimmung der gebotenen Aufsicht ist die in der Rechtsprechung immer wieder verwandte generalklauselartige Formulierung, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht über die Aufsichtsbedürftigen nach deren Alter, Eigenart und Charakter bestimmt, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen grundsätzlich danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen Dritter zu verhindern10. In der einschlägigen Rechtsprechung zu der Aufsichtspflichtverletzung von Erziehern ist die stereotyp verwandte Generalklausel nur dahingehend modifiziert, dass an Stelle der Eltern ohne nähere Konkretisierung auf die verständigen Aufsichtspflichtigen abgestellt wird11. Im Folgenden werden die Anforderungen der Aufsichtspflicht einer kommunalen Kindertagesstätte herausgearbeitet, die als Prüfungsmaßstab für die Frage der gehörigen Aufsichtsführung im Einzelfall herangezogen werden können. a) Alter des Kindes Aus der von der Rechtsprechung verwandten Generalklausel lässt sich zunächst das Alter des Kindes als Kriterium entnehmen. Das Alter gibt einen Anhaltspunkt dafür, dass ein Kind bestimmte für diese Altersgruppe typische Verhaltensweisen zeigt. Die Kindergartenkinder sind Kleinkinder, die zwischen drei und sechs Jahre alt sind. Es ist selbstverständlich, dass ein drei Jahre altes Kind anders zu beaufsichtigen ist, als ein zehnjähriges Kind. Ebenso ist ein gerade in den Kindergarten aufgenommenes, zuvor gut- oder sogar „überbehütetes“ dreijähriges Kind in jeder Hinsicht anders zu behandeln, als ein den Kindergarten verlassender Sechsjähriger. Gerade bei Kleinkindern sind hinsichtlich der Aufsichtsführung die typischen altersspezifischen Faktoren zu beachten. Dazu zählen u. a. die Unverständigkeit der Kleinkinder und die Unberechenbarkeit ihres Verhaltens12. Erst Schritt für Schritt lernen die Kindergartenkinder die Folgen ihres 10 Bernau, S. 74 ff., unterscheidet zwischen alter und neuer Aufsichtsformel. Diese Unterscheidung wirkt sich allerdings bei der von den Gerichten vorgenommenen fallbezogenen Subsumtion nicht aus und ist deshalb zu vernachlässigen. 11 OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428); OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http://www.beck-online.de. 12 BGH FamRZ 1956, 340; siehe auch BGH FamRZ 1968, 454 (455).

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Handelns zu bedenken und Gefahren richtig einzuschätzen13. Das Handeln der Kinder ist vorwiegend von ihren Bedürfnissen bestimmt und daher oftmals von Spontanreaktionen geprägt14. Die Kinder neigen dazu, im Eifer des Spiels selbst eindringlich erteilte Mahnungen und Weisungen schlicht zu vergessen oder gar bewusst gegen sie zu verstoßen15. Diesem Erfahrungssatz trägt auch § 828 Abs. 1 BGB Rechnung, der normiert, dass Kinder unter sieben Jahren ausnahmslos schuldunfähig sind. Daraus folgt nun zugleich, dass gerade in dieser Altersgruppe die besondere Beobachtung der Kinder ein nicht unwesentliches Element der Aufsichtspflicht darstellt16. b) Entwicklungsstand des Kindes Das Alter ist nur ein erster (widerlegbarer) Anhaltspunkt dafür, dass das Kind die für sein Alter typische Reife hat, d.h. dass seine körperliche, seelische und soziale Entwicklung den für ein durchschnittliches Kind seines Alters regelmäßig anzunehmenden Stand erreicht hat. Entscheidend kommt es daher auf den konkreten Entwicklungsstand des zu beaufsichtigenden Kindes an. Hier zeigt sich der erste große Unterschied zwischen den Pflichten einer elterlichen und einer öffentlichen Aufsichtsperson. Der konkrete Entwicklungsstand lässt sich in erster Linie anhand des bisherigen Verhaltens des Kindes ermitteln. Eltern beobachten die Entwicklung ihres Kindes seit der Geburt und können deshalb den jeweiligen Entwicklungsstand einschätzen. Bei der Frage des Inhalts und Umfanges der Aufsichtspflicht einer Erzieherin ist somit der Umstand wichtig, wie lange und wie genau die Erzieherin das Kind kennt, um dessen Entwicklungsstand beurteilen zu können. Betreut eine Erzieherin ein ihr unbekanntes Kind oder übernimmt sie eine neue, fremde Gruppe, so sind die Aufsichtsanforderungen erhöht, da sie sich von den Kindern noch ein entsprechendes Bild machen muss. c) Eigenart und Charakter des Kindes Eng mit der Frage des Entwicklungsstandes sind die Besonderheiten in der Person des Kindes verbunden. Jedes Kind zeichnet sich durch spezifische Charaktereigenschaften und Eigenarten aus. Auch diese gilt es bei dem Maß der anzuwendenden Aufsicht zu berücksichtigen. So hat das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung, in der Kindergartenkinder durch Steinwürfe ein Fahrzeug beschä13

Vgl. BGH VersR 1964, 313 (314). OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http:// www.beck-online.de; OLG Düsseldorf VersR 1992, 1233. 15 OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http:// www.beck-online.de. 16 Auf die von der Rechtsprechung für erforderlich gehaltenen zeitlichen Intervalle der Beaufsichtigung wird unten in § 6 I. 5. b) cc) eingegangen. 14

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digt hatten, hinsichtlich des gebotenen Aufsichtsmaßes ausgeführt, dass die beiden Kinder altersgerecht entwickelt waren, vor dem schadensstiftenden Ereignis keine Verhaltensauffälligkeiten gezeigt haben und eher als ruhige Kinder bekannt waren17. In diesem Punkt wird auch die Mitwirkung der Eltern und unter Umständen ihre mittelbare Aufsichtspflicht relevant. Stellen die Eltern bei ihrem Kind Verhaltensauffälligkeiten, bestimmte Neigungen oder aber körperliche Leiden fest, so gehört es zu ihrem Pflichtenkreis, dass sie trotz Übertragung der Aufsicht während der Dauer des Besuches in der Einrichtung die Aufsichtsperson über solche Besonderheiten informieren. Auch das Unterrichten über das aktuelle Befinden des Kindes kann neben den notwendigen eigenen Beobachtungen der Erzieherin im Einzelfall ausschlaggebend für das Maß der erforderlichen Aufsicht sein. Diese Informationspflichten gelten nicht etwa nur bei der Aufnahme in die Einrichtung, sondern bestehen während der gesamten Dauer des Kindergartenaufenthaltes fort. d) Gruppenverhalten des Kindes Während sich die meisten Urteile zur Aufsichtspflicht mit dem Verhalten von Eltern gegenüber der meist geringen Zahl eigener Kinder beschäftigen, haben es die Beschäftigten in Kindergärten fast ausnahmslos mit Kindern in Gruppen zu tun. Es liegt auf der Hand, dass Gruppen von Kindern anders zu beaufsichtigen sind als einzelne Kinder. Zu den individuellen Faktoren der Art und Weise, wie Kinder ihre Lebenswelt wahrnehmen und aktiv bewältigen, kommen gruppenspezifische Faktoren hinzu. In der Gruppe trifft das Kind auf Bedingungen, die neue, veränderte Strategien und Aktivitäten herausfordern. Ein Kind in einer Gruppe unterliegt einer speziellen Gruppendynamik, die – im Gegensatz zu einem individuellen Spielverhalten – veränderte Verhaltensweisen zu Tage treten lassen. Kinder hecken untereinander oftmals gefährliche Spiele aus, ohne an bestehende Verbote zu denken. Der Gruppenzwang kann dann dazu führen, dass sich ein Kind an einem gefährlichen Spiel beteiligt, um nicht hinter seinen Spielkameraden zurückzustehen. In diesen Situationen besteht dann beispielsweise die erhöhte Gefahr, dass Kinder eine sog. Mutprobe durchführen. Ebenso kann beim Miteinanderspielen ein Streit um Spielzeug entfachen, worauf kleinere Kinder nicht selten mit Aggressionen in der Form reagieren, dass sie den betreffenden Gegenstand als Schlagwerkzeug einsetzen, um sich zur Wehr zu setzen. In der Einschätzung solcher Situationen sind gerade die fachliche Ausbildung und die berufliche Erfahrung der Erzieherin gefragt, die durch rechtzeitiges Einschreiten einen Schaden Dritter verhindern muss. Bei der öffentlichen Erziehung ist diese pädagogische Beurteilung ein Teil der Hauptpflichten des Arbeitsvertrages mit der öffentlichen Einrichtung. Die Eltern hingegen müssen das Spielverhalten ih17 OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http:// www.beck-online.de.

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res Kindes mit einem Spielkameraden nicht so intensiv und zeitlich engmaschig beobachten. Insofern kann man in der institutionalisierten Erziehung im Gegensatz zu der elterlichen Aufsichtsführung von einer gesteigerten Aufsichtspflicht ausgehen, da gerade das Gruppenverhalten eines Kindes eine der relevanten Besonderheiten in einer Kindertagesstätte ist. Lediglich für das konkrete Einschreiten bedarf es eines gefahrerhöhenden Aufsichtsanlasses, der die pädagogische Einschätzung der Gesamtsituation zwingend vorausgeht. e) Art der Beschäftigung aa) Gefährliche Gegenstände Das Maß der geforderten Aufsicht wird auch durch die Art der Beschäftigung mitbestimmt. Gerade bei Kleinkindern kann man überspitzt davon sprechen, dass es keine völlig risikolosen Beschäftigungen gibt. Auch wenn Kinder beispielsweise friedlich am Tisch sitzen und mit Buntstiften malen, kann ein Kind ein anderes Kind mit dem Stift am Auge verletzen. Nicht verkannt werden darf allerdings, dass ein erhöhtes Maß an Aufsicht nur dann gefordert werden kann, wenn ein Aufsichtsanlass besteht. Hier bildet zunächst die objektive Gefährlichkeit der Gegenstände einen ersten Anhaltspunkt, der geeignet ist, die Anforderungen an die Aufsichtsführung einer Erzieherin zu erhöhen. Es erscheint nur folgerichtig, wenn die Intensität der Aufsichtspflicht beim Klettern der Kinder auf dem Außengelände eines Kindergartens höher ist, als wenn die Kinder in dem Gruppenraum gerade ein Brettspiel spielen. Als gefährliche Gegenstände sind nicht schon solche Gegenstände anzusehen, die ausnahmsweise durch Verkettung unglücklicher Umstände zu einem Schadensfall führen können18. Es handelt sich grundsätzlich vielmehr um Spielzeug/Werkzeug, durch das erfahrungsgemäß leicht und häufig ein anderes Kind aus der Einrichtung (Dritter i. S. d. § 832 BGB) verletzt werden kann. In diesem Kontext ist eine Entscheidung des OLG Nürnberg19 einzuordnen, die das Kinderspiel Mikado zum Gegenstand hat. In den ersten beiden Leitsätzen dieses Urteils heißt es: „Bei dem Spiel „Mikado“ handelt es sich, jedenfalls soweit es von Kindern unter 7 Jahren gespielt wird, um ein gefährliches Spielzeug. Aufsichtspflichtige genügen deshalb, wenn sie schon dieses Spiel Kindern in diesem Alter überlassen, ihrer Aufsichtspflicht nur, wenn sie diese nicht nur darauf hinweisen, dass stets ein genügender Abstand zwischen den Gesichtern der Kinder und dem im Gemenge liegenden Spielstäbchen einzuhalten ist, sondern auch die Einhaltung dieses Gebots ununterbrochen überwachen.“ Wenn die Kinder Bastelarbeiten mit Scheren oder Sägen durchführen oder beim Schwimmen sind, dann erhöht sich das Potential der Selbst- oder Fremdgefähr-

18 19

LG Frankfurt NJW-RR 1986, 112. OLG Nürnberg NJW 1975, 1130.

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dung. Das erforderliche Maß an Aufsicht zu gewährleisten, bedeutet aber keinesfalls, sich auf solche Beschäftigungen beschränken zu müssen, bei denen der Eintritt eines Schadensfalles praktisch ausgeschlossen ist. Dies ist nicht mit dem – auch in der öffentlichen Erziehung geltenden – Erziehungsziel, dem Kind zur Entwicklung einer Persönlichkeit und zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu verhelfen, in Einklang zu bringen20. Der BGH21 hatte im Zusammenhang mit der elterlichen Aufsichtshaftung einen Fall zu entscheiden, der von der Grundaussage auch auf die Erziehung in einer öffentlichen Einrichtung übertragen werden kann. In dieser Entscheidung ging es um die Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht, wenn die Eltern ihrem 12-jährigen Jungen das selbständige Grillen unter Verwendung von Spiritus zum Anzünden von Holzkohle gestatten. Hinsichtlich der Gefährlichkeit des Gegenstandes – der Umgang mit Brennspiritus beim Grillen – hat der BGH ausgeführt, dass nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, der bei unsachgemäßem Umgang gefährlich werden kann, sondern gerade die Erziehung des Kindes zu verantwortungsbewusstem Hantieren mit einem solchen Gegenstand oft der bessere Weg sein wird, das Kind und Dritte vor Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die Notwendigkeit frühzeitiger praktischer Schulung des Kindes, das seinen Erfahrungsbereich möglichst ausschöpfen soll22. Bei Kindern im Kindergartenalter stehen sicherlich keine Grillunfälle im Vordergrund, sondern vielmehr das Hantieren mit Gegenständen, wie z. B. Scheren, Werkzeugen oder Küchenmessern, deren Umgang von den Kindern noch nicht sicher beherrscht wird. Die Erzieherin ist hier also nicht gehalten, auf pädagogisch sinnvolle Aktivitäten zu verzichten, auch wenn sie ihrer Natur nach Gefahrenpotential in sich bergen. Überlässt die Aufsichtspflichtige den Kindern gefährliches Spielzeug, so liegt darin kein Verstoß gegen die Aufsichtspflicht. Entscheidend für eine gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht ist vielmehr, dass die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden: Die Erzieherin hat die Gefährlichkeit der Tätigkeit einzuschätzen und ihr Handeln daran auszurichten. Sie muss die Kinder anleiten, Hinweise erteilen und Absprachen treffen, um sie beim Einüben einer neuen Fertigkeit sachgerecht zu unterstützen. Hinzu kommt dann der bei Kleinkindern wesentliche Aspekt der Kontrolle des Verhaltens. Auch für die Einschätzung für zukünftige Verhaltensweisen ist es von Nöten, dass die Aufsichtsperson überprüft, ob das jeweilige Kind nach der Anleitung mit dem Gegenstand weitgehend sicher umgehen kann. Diese Anforderungen an die Aufsichtsführung dienen damit insgesamt dem Ziel, den Kindern unter Abwägung von Erziehungsziel und den erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen in vertretbarem Rahmen die Chance zu geben, zu lernen mit gegenstandsspezifischen Gefahren umzugehen. 20

Siehe unten § 6 I. 4. c) bb). BGH NJW 1976, 1684 f. 22 Die Auswirkungen des Erziehungsauftrages auf den Umfang der Aufsichtspflicht werden unten in § 6 I. 4. c) bb) dargestellt. 21

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Davon zu unterscheiden sind die Fälle, wenn der gefährliche Gegenstand den Kindern nicht zur Verfügung gestellt wird, sondern von diesen ohne Wissen der Erzieherin mit in die Einrichtung gebracht wird. Die Verletzung der Aufsichtspflicht liegt darin begründet, dass die Kinder – von der Erzieherin unbemerkt – Zugang zu gefährlichen Gegenständen in der Einrichtung haben und mit diesen hantieren. In den meisten Kindergartenordnungen ist ausdrücklich geregelt, dass die Kinder von zu Hause kein Spielzeug oder andere Gegenstände mit in den Kindergarten nehmen dürfen. Die Mitnahme wird – als Ausnahme – mindestens von dem vorherigen Einverständnis der Erzieherin abhängig gemacht. Dementsprechend besteht für die Erzieher die Pflicht, die Einhaltung der Regelung zu kontrollieren. Ferner versteht es sich von selbst, dass ein Erzieher gefährliche Gegenstände (z. B. ein Feuerzeug), die er in seinem Besitz hat, so zu verwahren hat, dass die Kinder darauf keinen Zugriff haben. Insgesamt lässt sich die Faustformel aufstellen, dass die Kinder umso intensiver zu beaufsichtigen sind, je gefährlicher der Spielgegenstand ist und desto weniger der Umgang mit ihm erprobt wurde. bb) Spielgeräte im Allgemeinen Auch hier gibt es keine allgemeingültigen Vorgaben, wie die Erzieherin die Kinder beim Spiel anzuleiten oder zu beaufsichtigen hat. Unter den Begriff der Spielgeräte fallen zudem nicht nur technisch speziell für Kinderspiele konstruierte Gegenstände, sondern auch solche Objekte, die sich im Umfeld einer Kindertagesstätte befinden. Als Spielzeug werden auch Bäume zum Klettern, Büsche zum Verstecken und Stöcke oder Steine eingesetzt. Die Aufsichtspflicht erfordert hier, dass die Erzieherin beobachtet, ob das Spiel mit besonderen gefahrenerhöhenden Elementen verbunden ist, die ein erhöhtes Verletzungsrisiko in sich bergen. Wenn nun beispielsweise auf dem Außengelände eines Kindergartens neben einer Rutsche ein Baum zum Klettern steht, unter dem sich weicher Sandboden befindet, dann ist die Erzieherin grundsätzlich nicht gehalten, den Kindern das Klettern zu verbieten, weil lediglich die Rutsche als „offizielles“ Spielgerät zur Verfügung steht. Zusätzlich ist darauf zu achten, ob die jeweiligen Kinder aufgrund ihrer individuellen Voraussetzung (Kraft/Wahrnehmung/Koordination) dem Spiel gewachsen sind. Gegebenenfalls sollte das Klettern zunächst eingeübt werden. Als fast schon selbstverständliche Faustregel ist festzuhalten, dass die Erzieherin jede vom pädagogischen Ziel her nicht gebotene Erhöhung der Gefahr vermeiden sollte. Einige Gespräche mit Kindergartenleiterinnen haben insoweit ergeben, dass das Fachpersonal die Spielmöglichkeiten und Variationen erst durch das Spiel der Kinder entdeckt und die Gefahrenlage erst erkennt, wenn ein Unfall passiert. Im Anschluss daran werden die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Als Beispiel hierzu hat eine Kindergartenleiterin der Verfasserin einen Baum auf dem Außengelände eines Kindergartens gezeigt, der hoch gewachsen ist und im

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obersten Bereich nicht mehr so dicke Äste wie im unteren Teil des Baumes aufweist. Da sich der Baum grundsätzlich zum Klettern eignet, wurde der Baum für die Kinder als Kletterbaum frei gegeben. Die Kinder haben dann den Baum jahrelang ausschließlich im unteren Bereich zum Klettern benutzt. Dann haben drei kleine Jungs eine Mutprobe dergestalt gemacht, dass derjenige gewinnt, der den Baum am höchsten heraufklettern kann. Da die Äste in der Kuppe des Baumes nicht kräftig genug waren, um den einen Jungen zu halten, ist dieser heruntergefallen. Auch wenn hier kein Dritter zu Schaden gekommen ist, und daher Haftungsgrundlage nicht § 832 BGB sein kann, so zeigt dieses Beispiel doch, dass mit der potentiellen Gefährlichkeit des Baumes vor dem Unfallereignis von dem Aufsichtspersonal nicht gerechnet und die Aufsichtsmaßnahmen daher auf stichprobenartige Kontrollen des Spiels der Kinder beschränkt wurde. An dieser Stelle schließt sich dann folgerichtig die Frage an, ob die Erzieherin diese potentielle Gefährlichkeit nicht hätte erkennen und dementsprechende Vorsorge treffen müssen. Nunmehr befindet sich etwa auf Höhe der Hälfte rund herum des Baumstammes ein dicker roter Strich als begrenzende Markierung. Jedem Kind werden nun die Gefahren erläutert, die mit einem Klettern in die Kuppe des Baumes verbunden sind. Damit wird gleichzeitig das Verbot ausgesprochen, höher als die rot markierte Stelle zu klettern. Nach dieser erfolgten Belehrung überprüfen die Erzieher regelmäßig, ob sich die spielenden Kinder an das ausgesprochene Verbot halten. f) Räumliche und örtliche Gegebenheiten Räumlichkeit und Umgebung sind ebenfalls wichtige Bestimmungsfaktoren für die Konturierung einer Aufsichtssituation. Der Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungsauftrag einer Kindertagesstätte ist als ganzheitliche Förderung ausgerichtet und umfasst auch die Bewegungs- und Gesundheitsförderung. Vielfältig und attraktiv gestaltete Spielflächen fördern Wahrnehmung, Motorik und Koordinationsfähigkeit der Kinder und leisten damit einen wichtigen Beitrag für ihre körperliche, geistige und seelische Entwicklung. So steht den öffentlichen Erziehern neben dem Innenbereich des Kindergartens regelmäßig auch ein Außengelände mit Spielgeräten zur Verfügung. Neben dem Spielwert ist auch der Sicherheitsaspekt bei den Außenspielflächen und Spielplatzgeräten von Bedeutung. aa) Verkehrssicherungspflicht des Trägers Grundsätzlich sind die Begriffe und Rechtsinstitute der Verkehrssicherungspflicht und der Aufsichtspflicht auseinander zu halten. Haftungsgrundlage bei Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ist § 823 Abs. 1 BGB. Die allgemeine Verkehrssicherungspflicht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der für eine mögliche Gefahrenquelle verantwort-

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lich ist, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz von Dritten zu treffen hat. Grundsätzlich ist der Träger dafür verantwortlich, dass die Räume und das Gelände der Einrichtung verkehrssicher sind und auch bleiben. Die sicherheitstechnischen Anforderungen an Anlage und Ausstattung eines Kindergartens ergeben sich neben den Bauordnungen aus den von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung herausgegebenen Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen. Die gesetzliche Unfallversicherung ist neben der Krankenund Rentenversicherung eine wichtige Säule der sozialen Absicherung von Arbeitnehmern. Nach § 1 SGB VII ist es Aufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten. Ursprünglich waren lediglich Arbeitnehmer gesetzlich unfallversichert. Der Kreis der versicherten Personen wurde dann zunächst auf Kinder während des Besuchs von Kindergärten sowie Schüler und Studierende beim Besuch einer Schule oder Hochschule erweitert. Mit Wirkung zum 01.01.1997 wurde der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII auf sämtliche Tageseinrichtungen für Kinder ausgedehnt; danach sind Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen mit Betriebserlaubnis gegen Unfälle gesetzlich versichert. In dem Bereich des öffentlichen Dienstes sind die regionalen Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbände zuständig23. Die Unfallversicherungsträger erlassen gemäß § 15 SGB VII Unfallverhütungsvorschriften, Richtlinien, Informationen und Merkblätter, welche Sicherheitsanforderungen für Kinder in Tageseinrichtungen enthalten. So hat beispielsweise der Bundesverband der Unfallkassen eine Unfallverhütungsvorschrift erlassen, die Sicherheitshinweise für Außenspielflächen und Spielplatzgeräte enthält24. Die Unfallversicherungsträger in Nordrhein-Westfalen haben eine Informationsschrift herausgegeben, die Hilfestellungen zum Gestalten von sicheren Kindertagesstätten zum Inhalt hat25. Der Träger hat also die ursprüngliche Verantwortung inne, dass die 23 Für Nordrhein-Westfalen ist die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, St.-FranziskusStr. 146, 40470 Düsseldorf, zuständig, welche mit Wirkung zum 1. Januar 2008 als neuer Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand aus einer Fusion der bisherigen vier Unfallversicherungsträger hervorgegangen ist (früher: Rheinischer Gemeindeunfallversicherungsverband, Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe, Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen, Feuerwehrunfallkasse Nordrhein-Westfalen). Für das Land Brandenburg ist die Unfallkasse Brandenburg, Müllroser Chaussee 75, 15236 Frankfurt (Oder), zuständig. 24 Unfallverhütungsvorschrift für Außenspielflächen und Spielplatzgeräte (GUV-SI 8017), Ausgabe Mai 2005. 25 Gemeindeunfallversicherungsverband Westfalen-Lippe, Rheinischer Gemeindeunfallversicherungsverband und Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen, Informationsschrift „Hilfestellungen zum Gestalten von sicheren Kindertagesstätten“, 1. Auflage 8/ 2004. Weiteres Regelwerk der Unfallversicherungsträger: Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften“ (GUV 0.1/GUV-V A1), April 1979, in der Fassung von Oktober 2002; Unfallverhütungsvorschrift „Lärm“ (GUV 9.20/GUV-V B3), Ausgabe 1998; Richtlinie für Kindergärten-Bau und Ausrüstung (GUV 16.4/GUV-SR 2002),

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bestehenden Vorschriften beachtet und bei der baulichen Ausstattung des Kindergartens berücksichtigt werden. Er überträgt dann die weitergehende Verkehrssicherungspflicht – die Einrichtung in einem verkehrssicheren Zustand zu er- und unterhalten – in der Regel ausdrücklich auf den Leiter bzw. die Erzieher der Einrichtung, da diese die räumlichen und ausstattungsbezogenen Gegebenheiten vor Ort überwachen und den Träger auf Sicherheitsmängel hinweisen können. Bei dem Träger verbleibt eine allgemeine Aufsichtspflicht, welche die fortlaufende Überwachung der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht zum Gegenstand hat26. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann gleichzeitig eine Aufsichtspflichtverletzung darstellen. Insbesondere in dem Bereich der örtlichen Gegebenheiten sind Fallkonstellationen denkbar, in denen sich die Verkehrssicherungspflicht und die Aufsichtspflicht in ihrem Pflichtenkreis zumindest teilweise überschneiden. So kann es z. B. aufgrund von Sicherheitsmängeln durch Handlungen des Aufsichtsbedürftigen zu Schädigungen Dritter kommen. Denkbar ist beispielsweise der Fall, dass der Zaun, der das Außengelände des Kindergartens von dem angrenzenden Parkplatz abtrennt, ein Loch hat, so dass die Kinder unbemerkt das Kindergartengelände verlassen und ein parkendes Auto beschädigen. Wenn nun die Kindergartenleitung in diesem Beispiel den Träger zuvor über dieses Loch als Sicherheitsrisiko informiert und um Beseitigung gebeten hat, dann ist eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht gegeben. Die Mängelanzeige der Leitung bzw. die Versäumnisse des Trägers befreien die Erzieher jedoch nicht von der Wahrnehmung ihrer unmittelbaren Aufsichtspflicht. Eine Haftung wegen Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 832 BGB kommt dann in Betracht, wenn der defekte Teil des Zaunes für die Kinder nicht sichtbar gegen ein Verlassen abgesichert und eine Belehrung über diese Gefahrenquelle unterblieben ist, obwohl die Kinder unbeobachtet auf dem Außengelände spielen. Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses von § 823 Abs. 1 BGB und § 832 BGB gilt, dass § 823 Abs. 1 BGB in seinem Anwendungsbereich von dem spezielleren Tatbestand des § 832 BGB verdrängt wird, wenn sich die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zugleich als eine Aufsichtspflichtverletzung darstellt27. Sofern eine andere Pflicht als die Aufsichtspflicht verletzt wurde, kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht28. Ausgabe 1992, in der Fassung von März 2001; Richtlinie „Mehr Sicherheit bei Glasbruch-Sicherheit bei Bau und Einrichtung“ (GUV 56.3/GUV-SI 8027), Ausgabe 1998; Merkblatt für Fußböden in Arbeitsräumen und Arbeitsbereichen mit Rutschgefahr (GUV 26.18/GUV-R 181), Ausgabe 1994; Merkblatt für Treppen (GUV 26.19/GUV-I 561), Ausgabe 1992; Information der gesetzlichen Unfallversicherung „Naturnahe Spielräume“ (GUV-SI 8014); Information der gesetzlichen Unfallversicherung „Giftpflanzen-Beschauen, nicht kauen“ (GUV-SI 8018). 26 Palandt/Sprau, § 823 Rn. 51 f. 27 Siehe oben § 3 II. 2. a). 28 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 162.

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bb) Exkursionen Von besonderer Bedeutung für Inhalt und Grenzen der Aufsichtspflicht sind die örtlichen Bedingungen bei Ausflügen, Wanderungen und Besichtigungen. Derartige Unternehmungen gehören zum pädagogischen Konzept und Alltag in Kindergärten. Sie ergänzen und bereichern vielfältig die Umwelterfahrungen von Kindern, fördern den Sinn für Gemeinschaft und sollen den Kindern Entspannung und Freude bereiten. Die Aufsicht ist bei solchen Unternehmungen so zu führen, wie es die Besonderheiten der Umgebung erfordern. Eine elementare Anforderung an eine gehörige Aufsichtsführung ist es deshalb, dass die Erzieher die örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die Gefahrenquellen kennen. Hierunter fällt z. B. die abzuklärende Frage, in welchem Umfang öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden müssen. Ohne derartige Kenntnisse sind sie nicht in der Lage, die anvertrauten Kinder vor den Gefahren der Umgebung zu bewahren und die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Generell empfehlenswert ist es daher, im Vorhinein den Ausflug sorgfältig zu planen und einen Erkundungsgang bzw. eine Vorbesichtigung durchzuführen. Von den meisten Trägern existieren Richtlinien oder Dienstanweisungen, welche die äußeren Rahmenbedingungen eines Ausflugs näher regeln. Als ein Beispiel für die Festlegung äußerer Rahmenbedingungen einer Exkursion kann die aktuelle Richtlinie der städtischen Tageseinrichtungen des Jugendamtes Köln herangezogen werden29. Darin ist festgeschrieben, dass die Leitung grundsätzlich vorab folgende Faktoren berücksichtigen und am Ausflugstag sorgfältig abklären muss: „1. Welche Kinder in welchem Alter/Entwicklungsstand nehmen teil? 2. Wie „verkehrssicher“ sind die Kinder (sind die Kinder Ausflüge gewohnt, wurde mit den Kindern Verkehrserziehung eingeübt)? 3. Wie ist das Gruppenverhalten des Kindes/der Gruppe (Fähigkeiten, Regelverständnis – Einhaltung, Tagesform des Kindes, wie lange besucht das Kind schon die Einrichtung)? 4. Sind Ziel und Dauer der Exkursion den teilnehmenden Kindern angemessen (Alter, Interessen, Fähigkeiten, Ausdauer)? 5. In welchem Umfang werden öffentliche Verkehrsmittel genutzt/wie häufig und unter welchen örtlichen Bedingungen muss das Verkehrsmittel gewechselt werden? 6. Sind die Örtlichkeiten des Ausflugszieles bekannt/unbekannt (z. B. Besonderheiten/Gefahrenquellen)?

29 Richtlinie zu Exkursionen für städtische Tageseinrichtungen für Kinder, Stadtjugendamt Köln, n. v.

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7. Welche pädagogischen Kenntnisse und Erfahrungen bringt die begleitende Erzieherin mit (berufserfahrene Erzieherin/Berufsanfängerin/neu in Gruppe/ Tagesform/körperliche Fähigkeiten)? 8. Sind den Mitarbeitern die Richtlinien für die Aufsichtspflicht bekannt/ist das Verhalten in Krisensituationen abgesprochen/sind technische Hilfsmittel/Sicherheitsaspekte vorhanden (Handy, Sanitätstasche etc.)? 9. Ist ausreichend Personal zur Begleitung der Exkursion sowie zur Aufrechterhaltung des Betriebs in der Kita unter dem Aspekt der Richtlinie der tariflich festgelegten Arbeitszeit für Fachkräfte in städtischen Tageseinrichtungen für Kinder vorhanden?“ Basierend auf diesem Fragenkatalog wird als Orientierungshilfe für die Leitung zur Festlegung des Erzieher/Kind-Schlüssels ferner folgendes empfohlen: Bei einer Exkursion der Gesamtgruppe sollen mindestens 3 Fachkräfte teilnehmen, weiterhin können Eltern/Praktikanten den Ausflug begleitend unterstützen. Begründete Ausnahmen sind vorab mit der Fachberatung abzuklären. Nach Auskunft von Kindergartenleiterinnen hat sich in der Praxis hinsichtlich der Wahrnehmung der Aufsichtspflicht bewährt, dass jedenfalls ein Erzieher an der Spitze der Gruppe geht und das Tempo vorgibt und ein anderer Erzieher am Schluss geht, um die Langsameren zum Schritthalten zu animieren. Auf diese Weise wird ein zu großes Auseinanderziehen der Gruppe verhindert. Außerdem hat der Erzieher am hinteren Ende der Gruppe alle Kinder in seinem Blickfeld und kann, wenn sich gefährliche Verhaltensweisen abzeichnen, frühzeitig eingreifen. Ebenso kann dadurch überwacht werden, dass sich ein Kind nicht unerlaubt von der Gruppe entfernt. Dennoch sollte von den Aufsichtspersonen in regelmäßigen Abständen die Vollzähligkeit überprüft werden. Diese beispielhaft herangezogene Richtlinie der Stadt Köln erhebt nicht den Anspruch eines allgemein gültigen Maßstabes, da es einen solchen wegen der konkreten Situationsgebundenheit der Aufsichtspflicht nicht geben kann, jedoch kann diese Richtlinie eine nützliche Orientierungshilfe für Exkursionen anderer Tageseinrichtungen bieten. Anhand dieser Richtlinie wird deutlich, dass einige von den bereits für die Aufsichtspflicht genannten Faktoren sich auch in der praktischen Umsetzung wieder finden. cc) Schwimmen Ein für Aufsichtsstreitigkeiten praxisbedeutsamer Bereich ist der Schwimmbadbesuch mit einer Gruppe von Kindergartenkindern. Abgesehen von dem spielerischen Gesichtspunkt und dem gesundheitlichen Aspekt ist der Schwimmbadbesuch mit besonderen Gefahren verbunden, womit sich die Frage nach den konkreten Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht in dieser Fallkonstellation stellt. Häufig zu beobachten ist beispielsweise, dass ein Kind ein

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anderes beim Spiel unter Wasser drückt und festhält. Wegen des Spieleifers sind auch die Situationen besonders gefahrträchtig, in denen mehrere Kinder gleichzeitig die Schwimmbadrutsche oder die Sprungbretter benutzen. Um gefährliche Situationen zu vermeiden und das Risiko zu minimieren, werden von den Gemeindeunfallversicherungsverbänden als Hilfestellung Informationsschriften herausgegeben, die Sicherheitsregeln für den Schwimmbadbesuch enthalten. Ebenso existieren vielfach Dienstanweisungen/Richtlinien der Träger, welche die Aufsichtspflicht hinsichtlich Inhalt und Umfang näher konkretisieren. Beispielhaft ist hier die Richtlinie für das Schwimmen im Rahmen von Veranstaltungen des Jugendamtes der Stadt Köln heranzuziehen, die nachfolgende – verkürzt wiedergegebene – Vorgaben enthält30: „1. Schwimmen mit Minderjährigen als Veranstaltung des Jugendamtes darf nur bei ausreichender Betreuung und Aufsicht stattfinden. 2. Als Betreuer/-innen dürfen nur solche Personen eingesetzt werden, – die das 18. Lebensjahr vollendet haben, – sichere Schwimmer (mindestens Nachweis des Deutschen Jugendschwimmabzeichens-Bronze/Freischwimmer-Zeugnis) – und zugleich rettungsfähig sind. [. . .] 4. Die Anwesenheit von Schwimmmeister/-innen entbindet die Betreuer/-innen nicht von ihrer Aufsichtspflicht. Sie haben ihren Standort so zu wählen, dass sie alle im Wasser befindlichen Gruppenmitglieder sehen und jederzeit eingreifen können. Sie sollen sich nicht gleichzeitig mit den Kindern und Jugendlichen im Wasser aufhalten, sofern dies nicht in besonderen Fällen aus pädagogischen Gründen erforderlich ist. [. . .] 8. Weitergehende Schwimmaktivitäten, wie etwa Wasserspringen oder Tauchen, bedürfen einer besonderen Aufsicht. [. . .] 10.1 Eine Schwimmgruppe muss von maximal 2 Betreuer/-innen begleitet werden und darf maximal 8 Kinder umfassen.“ Aus dieser Richtlinie ergeben sich Vorgaben für die Gewährleistung der Aufsichtspflicht, die in der Praxis von Erzieherinnen noch ergänzt werden. Die Kinder sind vorab über die wichtigsten Baderegeln eindringlich zu belehren. Auf die Einhaltung dieser Regeln muss geachtet werden. Gerade bei Kindergartenkindern

30 Richtlinie für das Schwimmen im Rahmen von Veranstaltungen des Jugendamtes der Stadt Köln, n. v.

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müssen die Erzieher durch eine intensive Beobachtung sicherstellen, dass sich die Nichtschwimmer ihrer Gruppe nur im Nichtschwimmerbereich des Schwimmbades aufhalten. Steht kein abgetrenntes, ausschließlich für Nichtschwimmer vorgesehenes Becken zur Verfügung, muss ständig die Linie im Auge behalten werden, an der das Becken für die Kinder faktisch zum Schwimmerbecken wird, sie also nicht mehr sicher stehen können, ohne Wasser zu schlucken. Als Sicherheitsmaßnahme empfiehlt es sich, den Nichtschwimmern dennoch Schwimmflügel anzuziehen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Erfüllung der Aufsichtspflicht nicht ausschließlich von den geforderten formalen, generell-abstrakten Nachweisen abhängt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Aufsichtsperson tatsächlich über die notwendigen Fähigkeiten verfügt. Die Aufsichtspflicht kann demnach auch dadurch verletzt werden, dass zwar die entsprechenden Schwimmzeugnisse vorliegen, aber der Aufsichtspflichtige beispielsweise infolge körperlicher Einschränkungen nicht mehr über die erworbenen Fähigkeiten verfügt. g) Dienstanweisungen Wie an den vorherigen Beispielen deutlich wurde, spielen gerade im Bereich von öffentlichen Einrichtungen Richtlinien und Dienstanweisungen der Einrichtungsträger oder der Unfallversicherung für die Bestimmung des Inhalts und Umfangs der Aufsichtspflicht eine bedeutende Rolle. In der Praxis werden Dienstanweisungen auch als Richtlinien, Allgemeine Rundverfügungen, Erlasse oder Anordnungen bezeichnet. Sie setzen oftmals die Mindestanforderungen des sicherheitsrechtlichen Standards fest. Die Richtlinien und Dienstanweisungen regeln typische Gefahrenlagen und enthalten Anweisungen, wie sich die Aufsichtsperson zu verhalten hat, um Gefahren für die aufsichtsbedürftigen Minderjährigen zu vermeiden und einer Verletzung der Aufsichtspflicht zu entgehen. Die Dienstanweisungen können naturgemäß nicht jede Einzelsituation genau regeln. Die Aufsichtsperson hat gleichwohl zu prüfen, ob die Beachtung der Dienstanweisung den besonderen Umständen der jeweiligen Situation genügt. Je nach den örtlichen und persönlichen Gegebenheiten muss die Aufsichtsperson über die Anforderungen der Dienstanweisung hinausgehen, um die Aufsichtspflicht ordnungsgemäß zu gewährleisten31. Die Dienstanweisungen, Richtlinien, Rundverfügungen und Erlasse sind Verwaltungsvorschriften32. Sie sind generell-abstrakte Regelungen oder Anordnungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen33. Kennzeichnend für Verwaltungsvorschriften ist, dass sie sich auf den verwaltungsinternen Bereich beschränken34. Durch Ver31 32 33 34

Eckert, S. 140. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR. Bd. 1, § 24 Rn. 19. Detterbeck, Öff. Recht, Rn. 1295. Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 2 Rn. 64.

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waltungsvorschriften werden die Auslegung und Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe, die Handhabung von Beurteilungsspielräumen sowie die Ermessensausübung der Bediensteten gesteuert35. Im Streitfalle entscheidet das Gericht, ob die konkret getroffenen Aufsichtsmaßnahmen zur Gewährleistung einer genügenden Aufsichtsführung ausreichend waren. Soweit sich eine Verwaltungsvorschrift innerhalb des durch Gesetz und Recht gezogenen Rahmens hält, ist hinzunehmen, wenn das Aufsichtspersonal die Dienstanweisung zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufsichtspflicht heranzieht. Diese Mitbestimmung des Inhalts und Umfangs der Aufsichtspflicht durch Dienstanweisungen liegt nicht in dem Umstand begründet, dass es sich bei diesen um Außenrecht, sondern weil Dienstanweisungen die Spielräume des außenwirksamen Rechts entsprechend den objektiven Sorgfaltsanforderungen gesetzeskonform ausfüllen36. In einem gerichtlichen Verfahren prüft das Gericht die Einhaltung des außenrechtlichen Rahmens; die Verwaltungsvorschriften sind Gegenstand, nicht aber Maßstab der Prüfung. h) Organisation der Einrichtung Im Gegensatz zu dem rein häuslich-privaten Bereich spielt im Rahmen der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen der Gesichtspunkt der Organisation der Einrichtungen eine bedeutende Rolle37. Die Organisationspflicht als Teilbereich der Aufsichtspflicht des Trägers erfasst alle erforderlichen organisatorischen, sachlichen und personellen Maßnahmen, die eine ordnungsgemäße Aufsichtsführung sicherstellen. Darunter kann auch die Pflicht zum Erlass einer Dienstanweisung an das Personal fallen, welche eine bestimmte Aufsichtssituation regelt. Wegen des räumlich und zeitlich begrenzten Aufsichtsbereiches eines Kindergartenträgers und dem damit verbundenen geringeren Regelungsbedarf, gewinnt dieser Punkt insbesondere bei der Aufsichtshaftung eines Heimträgers und Krankenhausträgers an Bedeutung38. i) Gruppengröße Im Gegensatz zu der elterlichen Aufsichtspflicht spielt bei der öffentlichen Erziehung die Relation zwischen der Anzahl der Aufsichtspersonen und der Anzahl der Kinder eine wichtige Rolle. Beispielhaft ist auf die Betriebskostenverordnung

35

Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR. Bd. 1, § 24 Rn. 20. Vgl. Erichsen/Ehlers/Möstl, Allg. VerwR., § 19 Rn. 20. 37 Oben § 3 II. 2. a). 38 Zum Organisationsverschulden von Heimträgern siehe unten § 6 II. 5.; zum Organisationsverschulden von Krankenhausträgern siehe unten § 6 IV. 2. f) bb); h); k). 36

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(BKVO) des Landes NW zu verweisen, die auf Grund des § 26 Abs. 1 Nr. 1b, c GTK NW erlassen wurde. Diese Verordnung enthält unter anderem eine Regelung der Gruppenstärken in Tageseinrichtungen für Kinder. Nach § 3 Abs. 1 BKVO betragen die Gruppenstärken in Kindergartengruppen bis zu 25 Kinder. Die Kindergartentagesstättengruppen umfassen 20 Kinder. Um eine Tagesstättengruppe handelt es sich dann, wenn mindestens die Hälfte der Kinder über Mittag betreut wird (§ 3 Abs. 2 BKVO). Die Öffnungszeiten betragen in der Regel mindestens 8,5 Stunden ohne Unterbrechung. Für Horte ist eine Gruppenstärke von 20 Kindern vorgesehen (§ 3 Abs. 1 BKVO). Der Hort ist eine Tageseinrichtung für Schüler bis zum vollendeten 14. Lebensjahr. Als Anlage zur BKVO ist in Ausführung des § 45 Abs. 2 S. 4 SGB VIII sowie auf Grund des § 21 Abs. 5 AG KJHG NW zwischen den Trägerzusammenschlüssen der Freien und Öffentlichen Jugendhilfe und der Obersten Landesjugendbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen eine Vereinbarung über die erforderliche Ausbildung und Zahl der in Tageseinrichtungen für Kinder tätigen Kräfte abgeschlossen worden. Insoweit regelt § 5 dieser Vereinbarung die Mindestanzahl der pädagogisch tätigen Kräfte in einer Tageseinrichtung für Kinder. Nach § 5 Abs. 1 muss in jeder Gruppe einer Tageseinrichtung für Kinder neben dem/der Gruppenleiter/in eine Ergänzungskraft oder ein/e Berufspraktikant/in tätig sein. In eingruppigen Einrichtungen und in jeder Hortgruppe sind zwei sozialpädagogische Fachkräfte einzusetzen. § 5 Abs. 2 bestimmt, dass in einer Tageseinrichtung für Kinder, in welcher in drei oder mehr Gruppen mindestens 50 v. H. der Kinder über Mittag betreut werden, eine zusätzliche sozialpädagogische Fachkraft tätig sein soll. In Nordrhein-Westfalen findet somit hinsichtlich der Gruppengröße und der Personalzuordnung die BKVO und die Vereinbarung als Anlage zur BKVO Anwendung. Ein weiteres in der Praxis auftretendes Problem besteht darin, bis zu welcher Gruppengröße ein Erzieher eine noch ordnungsgemäße Aufsicht gewährleisten kann. Diese Frage ist grundsätzlich mit den dargestellten gesetzlichen Vorgaben zu beantworten, auch wenn die dort genannten Richtwerte von dem Grundsatz bestimmt sind, bei den Betriebskosten Einsparungen vorzunehmen. Auch mit einer Absenkung der Zahl der Gruppenstärke ist nicht zu rechnen, da es an Kindergartenplätzen mangelt. Letztlich scheidet eine Aufsichtspflichtverletzung dann aus, wenn die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Gruppengröße und Personalschlüssel eingehalten werden. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kommt nur dann in Betracht, wenn ein Missverhältnis zwischen Gruppengröße und Aufsichtsperson unterhalb der gesetzlichen Anforderungen auftritt. Hierfür wird dann regelmäßig allein der Einrichtungsträger zur Verantwortung gezogen, da diesem die Organisationspflicht obliegt, für ausreichende Personalstärke in Bezug auf die Kindergartengruppe zu sorgen.

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3. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und der Eltern Da der öffentliche Erziehungsauftrag von dem elterlichen Erziehungsrecht abgeleitet ist und damit auch die Beaufsichtigung übertragen wird, liegt zunächst die Vermutung nahe, dass Umfang und Intensität der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen sich mit derjenigen der elterlichen Aufsicht decken und nicht über das für die elterliche Aufsichtspflicht erforderliche Maß hinausgehen können. Auch der Gesetzeswortlaut des § 832 Abs. 2 BGB, wonach den Übernehmenden die gleiche Verantwortung trifft, wie den kraft Gesetzes nach § 832 Abs. 1 BGB Aufsichtsverpflichteten, nährt zunächst diese Vermutung. Auch Hundmeyer stellt die These auf, dass sich Erzieherinnen bei der Erfüllung der Aufsichtspflicht daran orientieren dürfen, was auch von den Eltern an Aufsicht für ihre Kinder erwartet wird39. Scheffen/Pardey führen aus, dass es der Amtsund Staatshaftung an den Schärfen der Haftung aus § 832 BGB fehle, aber inhaltlich dennoch die Pflichten zu erfüllen seien, die in entsprechenden Situationen § 832 BGB den Eltern abverlange40. Das OLG Koblenz hat in einer Entscheidung, in der es um die Anforderungen an die Aufsichtspflicht der Betreuer einer Feriengruppe zwischen acht bis zwölf Jahre alten Kindern ging, mit denen sie ein Freibad besuchten, folgendes ausgeführt: „Die Beklagten traf in Bezug auf den Aufsichtsbedürftigen eine Aufsichtspflicht, da sie für die Zeit des Ferienlagers seine Betreuung gegenüber seiner Mutter übernommen hatten. Die Aufsichtspflicht, die bei Übernahme der Betreuung durch einen Dritten in ihrem Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht entspricht, soll einerseits das Kind vor Selbstgefährdung und vor Gefährdung durch Dritte schützen und soll andererseits verhindern, dass das Kind Dritte gefährdet oder schädigt41.“ Obwohl auch die öffentlichen Einrichtungen zu den übernehmenden Dritten zählen, folgt aus der Überleitung der Erziehungsaufgaben und der gesetzlich normierten inhaltlichen Gleichschaltung von Erziehungsziel und Erziehungsgrundrichtung öffentlicher und privater Erziehung aber gerade noch nicht zwangsläufig, dass die öffentliche und private Aufsichtspflicht den selben Anforderungen unterliegen. a) Unterschiedliche Anforderungen aufgrund der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht Die Betrachtung der unterschiedlichen Ausgangslage von öffentlicher und privater Erziehung und Beaufsichtigung von Kindern macht deutlich, dass Pflichtenkreis und Pflichteninhalt im Einzelfall voneinander abweichen können. Wie

39 40 41

Hundmeyer, S. 30. Scheffen/Pardey, Rn. 204. OLG Koblenz VersR 1995, 50.

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bereits dargestellt, besteht bei öffentlich-rechtlicher Trägerschaft der Einrichtung die Besonderheit, dass die Kommune ein Wahlrecht hat, ob sie das Benutzungsverhältnis privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich gestaltet. Bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses handelt der Einrichtungsträger auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. aa) Betrachtung der unterschiedlichen Ausgangslage Die Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht liegt unserer Rechtsordnung zu Grunde42. Es wird allgemein eine Zweiteilung des Rechts in öffentliches und privates Recht vorgenommen. Diese beiden Rechtsgebiete differieren darüber hinaus auch qualitativ, da öffentliches Recht und Privatrecht sowohl unterschiedliche Ausgangspunkte als auch Funktionen haben43. Für den Staat gelten andere Regelungen und Bindungen als für den Bürger. Das liegt darin begründet, dass Träger von Staatsgewalt nicht in Wahrnehmung menschlicher Freiheit, sondern in Ausübung von Zuständigkeiten und Kompetenzen tätig werden44. Privatpersonen können ihre Vertragsbeziehungen im Rahmen der gesetzlichen Grenzen frei gestalten, genießen Privatautonomie und Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Im Gegensatz dazu bedarf jedes staatliche Handeln einer verfassungsrechtlich fundierten gesetzlichen Rechtfertigung (Gesetzesvorbehalt). Dementsprechend unterliegt das öffentliche Handeln nach dem Grundgesetz prinzipiell anderen Anforderungen als die Handlung eines einzelnen Bürgers. Das Demokratie-, Rechtsstaats-, Sozialstaats- und Gesetzmäßigkeitsprinzip binden ebenso wie die Grundrechte nur den Staat, nicht die sonstigen Rechtssubjekte45. Auch bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses der öffentlichen Einrichtungen bedeutet das jedoch nicht, dass der Kommune als Einrichtungsträger auch alle Möglichkeiten und Freiheiten des Privatrechts bzw. der Privatautonomie zustehen46. Die Kommune bleibt nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts beim Betrieb ihrer öffentlichen Einrichtung nicht nur an die Grundrechte, sondern auch an die tragenden öffentlich-rechtlichen Grundsätze, insbesondere an die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden47. Aus diesen selbst bei der Wahl einer privatrechtlichen Organisations- oder Handlungsform bestehen bleibenden verfassungsrechtlichen Bindungen rechtfertigt sich auch der in Entscheidungen immer wiederkehrende Satz, dass zwischen den Haftungsgrundlagen § 839 BGB 42 43 44 45 46 47

Battis, Allg. VerwR., S. 5; Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 11. Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 13. BVerfGE 61, 82 (101). Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 11. Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 9. Oben § 2 I.

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i.V. m. Art. 34 GG und § 832 BGB hinsichtlich des Inhalts der Aufsichtspflicht kein Unterschied besteht48. bb) Grundrechte als Maßstab für eine gehörige Aufsichtsführung Die Eltern sind Träger des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Sie legen die Erziehungsmethode und Erziehungsweise fest und entscheiden, welche erzieherischen Maßnahmen im Einzelfall geboten sind und inwieweit eine Beaufsichtigung des Kindes erforderlich ist. Aus der umfassenden Elternverantwortlichkeit folgt ein großer Ermessens- und Gestaltungsspielraum. Den Eltern steht zur Rechtfertigung ihrer Handlungsweise das Elterngrundrecht zur Seite, da sie innerhalb ihres verfassungsrechtlich geschützten Erziehungsvorrangs, der seine Grenze in Art. 6 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG und deren einfachgesetzlicher Umsetzung in §§ 1666, 1666a BGB findet, frei in der Entscheidung darüber sind, wie sie ihr Kind beaufsichtigen sowie erziehen und damit ihrer Elternverantwortung nachkommen. Die Kommune hingegen, die eine öffentliche Einrichtung in Erfüllung der Zielbestimmungen der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) und des demokratischen Sozialstaates (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) unterhält, kann sich als Teil des Staates nicht auf Grundrechte berufen. Dies gilt unabhängig davon, ob das Benutzungsverhältnis der öffentlichen Einrichtung privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist49. Der Staat (Kommune) ist im Gegensatz zu den Eltern bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ausschließlich Grundrechtsverpflichteter. Deshalb stellt sich die prinzipielle Frage nach den grundrechtlichen Grenzen der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen. Die Grundrechte binden nach Art. 1 Abs. 3 GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Als Beispiel für das Bewusstsein der Grundrechtsbindung einer in kommunaler Trägerschaft befindlichen öffentlichen Einrichtung ist an dieser Stelle das für die städtischen Kinderheime in Köln geltende Leitbild zu nennen, das bereits in der Präambel festschreibt, dass die Grundlage des Handelns der Mitarbeiter das Grundgesetz und die Sozialgesetze sind50. Die verschiedenen Grundrechte schützen den Einzelnen gegenüber staatlichen Eingriffen und verlangen für einen solchen eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Im Rahmen des Schadensersatzanspruches aus Amtshaftung kann ein Grundrechtsverstoß das Begehren begründen, da eine Aufsichtspflichtverletzung als Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht immer dann anzunehmen ist, wenn der Grundrechts48 OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 (858); OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 671; OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75; LG Bremen NJW-RR 1999, 969; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427). 49 BVerfGE 21, 362 (369 f.); BVerfG NJW 1990, 1783; Steiner/Seewald, Bes. VerwR., Rn. 92, 94; siehe auch v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, Art. 1 III Rn. 227. 50 Leitbild der städtischen Kinderheime Köln vom 21.02.2002, n. v.

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eingriff nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigungslast für staatliche Eingriffe ist damit der Kommune aufgebürdet. Der im Einzelfall zu rechtfertigende Eingriff beschränkt sich nicht auf den so genannten klassischen Grundrechtseingriff, der in einem finalen staatlichen Handeln durch Rechtsakt liegt, das mit Befehl und Zwang durchsetzbar ist und unmittelbar das grundrechtliche geschützte Verhalten einschränkt51. Dieser klassische Eingriffsbegriff ist zu eng und wird dem modernen Grundrechtsverständnis und dem staatlichen Handeln in der heutigen Zeit nicht mehr gerecht. Die Entwicklung zum sozialen Rechtsstaat hat es mit sich gebracht, dass der Staat der Gesellschaft nicht mehr isoliert gegenübersteht, sondern Leistungen erbringt und vielfältig mit ihr verwoben ist. Dadurch sind mehr Berührungspunkte von Staat und Bürger sowie dementsprechendes Konfliktpotential entstanden, welches die Frage nach der Eingriffsqualität von Teilhabe- und Leistungsrechten aufgeworfen hat52. Nach dem modernen Eingriffsverständnis ist ein Eingriff jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten unmöglich macht, unabhängig davon, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt53. Danach können auch unmittelbar-faktische Maßnahmen Eingriffscharakter haben54. Grundrechtsrelevante Eingriffe liegen darüber hinaus auch dann vor, wenn die Einwirkung der öffentlichen Gewalt zurechenbare Ursache für eine Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Rechtsguts ist55. Letztlich wird die Ausweitung des Eingriffsbegriffs von der umfassenden Grundrechtsbindung des Staates aus Art. 1 Abs. 3 GG gefordert und zugleich gerechtfertigt. Sofern die öffentliche Einrichtung bei Erfüllung der staatlichen Aufgabe auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung – z. B. Beaufsichtigung der Minderjährigen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe – in den Schutzbereich von Grundrechten eingreift, muss diese nach allem eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung vorweisen. Grundrechtseingriffe sind sowohl im Hinblick auf Dritte innerhalb und außerhalb der Einrichtung als auch in Bezug auf den Aufsichtsbedürftigen denkbar. Wenn ein Kind aufgrund einer Aufsichtspflichtverletzung des Erziehers durch ein anderes Kind der Einrichtung einen körperlichen Schaden erleidet, dann kommt eine Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Betracht. Der Verstoß gegen das Kindeswohl könnte zugleich eine Verletzung des Elterngrundrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG begründen56. Bei der Beschädi51

Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rn. 238. Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rn. 239. 53 Dreier/Dreier, Vorb. Rn. 125; Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rn. 240. 54 Badura, StaatsR., S. 102; v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, Art. 1 III Rn. 222; zu mittelbar-faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen: BVerfGE 105, 252 ff.; BVerfGE 105, 279 ff. 55 v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, Art. 1 III Rn. 265. 56 Maunz/Dürig/Badura, Art. 6 Rn. 133. 52

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gung des Eigentums eines außenstehenden Dritten, z. B. eines Nachbarn der Kindertagesstätte, kommt eine Verletzung des Grundrechts auf Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG in Betracht. Bei Verursachung eines Gesundheitsschadens ist die Verletzung des aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisteten Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit in Erwägung zu ziehen. Da auch das aufsichtsbedürftige Kind ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit ist57, kommt bei einer das Erziehungsziel zur Selbständigkeit zurückdrängenden Aufsichtsführung eine Verletzung des Kindesgrundrechts aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht. Schließlich können strenge Aufsichtsmaßnahmen auch freiheitsbeschränkende oder freiheitsentziehende Wirkung haben und damit in das Grundrecht des Kindes auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) eingreifen58. Es bedarf dann der Prüfung im Einzelfall, ob die jeweiligen Grundrechtseingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt und ggfs. wie Grundrechtskollisionen im Wege eines schonenden Ausgleichs im Sinne praktischer Konkordanz59 aufzulösen sind. Bei der Prüfung einer Eigentumsverletzung des außenstehenden Dritten ist unter anderem auch das Ausmaß der Beeinträchtigung von entscheidender Bedeutung. Der Nachbar muss nicht hinnehmen, dass sein Eigentum dauerhaft und nachhaltig durch die Kinder gestört wird. Dagegen gehört es zum allgemeinen Lebensrisiko, dass beispielsweise ein fehlgeleiteter Ball eine Fensterscheibe zerstört. Dies kann selbst dann passieren, wenn das Grundstück des Nachbarn nicht an einen Kindergarten angrenzt. Dieses Risiko hat der Eigentümer grundsätzlich hinzunehmen. Jedoch muss der Eigentümer keine dauerhafte und absehbare Störung seines Eigentums, wie z. B. zerstörte Blumenbeete und Fensterscheiben wegen fehlgeleiteter Bälle, durch die Kinder dulden, da die Erziehung der Kinder nicht auf Kosten und zu Lasten von Rechtsgütern Dritter zu erfolgen hat. Die Erziehung der Kinder zu eigenverantwortlichen, verantwortungsbewussten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten beinhaltet als Teil der Wertevermittlung, auf Rechtsgüter anderer Rücksicht zu nehmen60. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Fragestellung der Grundrechtsverletzung als Prüfungsmaßstab und Grenze für eine ordnungsgemäße Wahrnehmung der Aufsichtspflicht fungiert. Gerade bei Aufsichtspflichtverletzungen in erzieherischen Einrichtungen wird von dem geschädigten Dritten im Prozess oftmals vorgetragen, dass es einer strengeren Aufsichtsführung über die Kinder bedurft hätte. Abhängig von den einzelnen Umständen wird z. B. eine ständige Beobachtung der Kinder, die Unterbindung von spielerischen Aktivitäten oder sogar freiheitsentziehende Maßnahmen verlangt. Hier ist bei der Bestimmung des Auf57

BVerfGE 1986, 769 (772). Näher dazu unten § 6 I. 3. a) ee). 59 Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rn. 124; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 ff. 60 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 80. 58

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sichtsmaßes der Verwirklichung des Erziehungsziels – die Entwicklung der Kinder zu einer eigenständigen und verantwortungsvollen Persönlichkeit zu fördern – hinreichend Rechnung zu tragen (Art. 2 Abs. 1 GG)61. Die Aufsicht innerhalb der Einrichtung ist so zu führen, dass Recht und Gesetz beachtet werden und zugleich der Einrichtungszweck erfüllt werden kann. Jedenfalls können keine Aufsichtsmaßnahmen verlangt werden und sind daher auch nicht geboten, die nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grundsätzen entsprechen, deren Beachtung für die öffentliche Einrichtung nach Art. 1 Abs. 3 GG verbindlich vorgeschrieben ist. cc) Staatliche Schutzpflicht als Maßstab für die Aufsichtspflicht Da die Grundrechte nicht nur subjektive Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat sind, sondern aus ihnen vom BVerfG auch objektiv-rechtliche Schutzpflichten abgeleitet werden, stellt sich die im Folgenden zu beantwortende Frage, ob auch die staatlichen Schutzpflichten der Konkretisierung des Umfanges der Aufsichtspflicht dienen können. Der grundrechtliche Schutzauftrag begründet die Rechtspflicht des Staates, zum Schutz grundrechtlich geschützter Rechtsgüter gegenüber Gefährdungen und Verletzungen einzuschreiten, die nicht- bzw. nicht ausschließlich staatlichen Ursprungs sind62. Das BVerfG sieht den grundrechtlichen Schutzauftrag des Staates in mehreren Zusammenhängen für gegeben. Eine erste Fallgruppe bildet der Schutz vor Gefahren für menschliches Leben und menschliche Gesundheit. Grundlegend hierzu war das erste Abtreibungsurteil63. In dieser Entscheidung wertete das BVerfG nicht nur unmittelbare Eingriffe in das werdende Leben als verboten, sondern nahm an, Art. 2 Abs. 2 GG gebiete dem Staat auch, „sich schützend und fördernd vor dieses Leben zu stellen“. Eine ähnliche Argumentation hat das BVerfG seitdem mehrfach im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der technischen Entwicklung und des Umweltschutzes gewählt64. Ein weiterer Bereich, in dem die Notwendigkeit besteht, den Staat zum Schutz vor Gefahren zu verpflichten, stellen die staatlichen Einrichtungen dar. Wenn eine staatliche Einrichtung nach außen wichtige gesellschaftliche Funktionen zu erfüllen hat und gleichzeitig mit kollidierenden grundrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten konfrontiert wird, besteht die Verpflichtung, die beteiligten Grundrechte derart zu berücksichtigen, dass sie geschützt und gleichzeitig die Funktion der Einrichtung erhalten bleibt65. Die grundrechtlichen 61 Zu dem Spannungsverhältnis zwischen Aufsichtspflicht und Erziehungsziel siehe ausführlich unten in § 6 I. 4. c) bb). 62 Jeand’Heur, JZ 1995, 161 (163); siehe auch Sachs/Sachs, Vor Art. 1 Rn. 37. 63 BVerfGE 39, 1 (41 ff.). 64 BVerfGE 49, 89 (141 ff.); BVerfG NJW 1987, 2287 f.; BVerfG NJW 1988, 1651 (1653 f.). 65 Pieroth/Schlink, StaatsR II, Rn. 94.

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Schutzpflichten richten sich gemäß Art. 1 Abs. 3 GG an alle Staatsorgane nach Maßgabe ihres spezifischen Funktionskreises66. Für den Gesetzgeber bedeutet die Schutzpflicht den Auftrag, die dem Schutzbedarf genügenden Regelungen zu erlassen und für einen ausreichenden Standard an Schutznormen zu sorgen (sog. Untermaßverbot)67. Die deliktsrechtlichen Normen der §§ 823 ff. BGB setzen den geforderten legislativen Schutz im Privatrecht grundsätzlich um68. Dem Gesetzgebungsauftrag entspricht die Verwirklichung der Schutzpflicht und der dementsprechende Vollzugs- und Kontrollauftrag an Verwaltung und Gerichte69. Dem Staat wird insgesamt ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt, wie er dieser Schutzpflicht nachkommt70. Es ist eine Abwägung zwischen den kollidierenden Rechten und der Schutzpflicht des Staates vorzunehmen. Es bestehen allerdings Bedenken, den Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflichten auf die Konstellation des § 832 BGB zu übertragen, in denen ein Dritter wegen eines Aufsichtsversäumnisses des kommunalen Einrichtungsträgers durch den aufsichtsbedürftigen Minderjährigen geschädigt wird. Der Schutzpflichtenansatz stellt vornehmlich auf die Übergriffe Privater ab. In den Fällen des § 832 BGB ergeben sich Abgrenzungsprobleme dahingehend, ob die staatliche Einrichtung oder der Aufsichtsbedürftige selbst die Verantwortung für den entstandenen Schaden an den Rechtsgütern Dritter trägt. Auch wenn die schädigende Handlung nicht unmittelbar von der Aufsichtsperson, sondern von dem Kind ausgeht und daher nach dem erweiterten Eingriffsbegriff allenfalls ein mittelbarer staatlicher Eingriff in grundrechtlich geschützte Rechtsgüter durch pflichtwidriges Unterlassen vorliegt, so folgt daraus gleichwohl ein Abwehrrecht gegen den Staat. Die Annahme eines staatlichen Grundrechtseingriffs schließt gleichzeitig die Begründung einer Schutzpflicht aus, da der Tatbestand der grundrechtlichen Schutzpflicht ausschließlich nichtstaatlich verursachte Gefährdungslagen erfasst71. Wegen der Abwehrfunktion der Grundrechte bedarf es eines Rückgriffs auf die ungeschriebene Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten nicht72. Gegen die Anwendung der Schutzpflichtenlehre auf die Fälle des § 832 BGB spricht letztlich auch die bisherige Judikatur zu den grundrecht66

Stern, StaatsR Bd. III/1, S. 950. BVerfGE 88, 203 (254 ff.); Isensee/Kirchhof, HStR Bd. V, § 111 Rn. 90, 165 f. 68 Isensee/Kirchhof, HStR Bd. V, § 111 Rn. 128; Staudinger/Hager, Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 71. 69 Dietlein, S. 71 f.; siehe auch v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, Art. 1 III Rn. 193. 70 BVerfGE 46, 160 (164 f.); BVerfG NJW 1988, 1651 (1653). 71 Dietlein, S. 87 f. 72 Isensee/Kirchhof, HStR Bd. V, § 111 Rn. 117. Ders., § 111 Rn. 116, hält den Schutzpflichtenansatz bei den Einrichtungen nicht für anwendbar, die vom Staat beherrscht als juristische Person des Privatrechts betrieben werden. Als Beispiel nennt er die als Kapitalgesellschaften organisierten Verkehrs- und Energieunternehmen. Diese seien zwar grundrechtsverpflichtet, aber nicht zu schutzpflichterheblichen Eingriffen fähig. 67

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lichen Schutzpflichten, die hinsichtlich der Art und grundrechtlichen Intensität mit den Fällen der Aufsichtshaftung nicht vergleichbar ist73. Unabhängig von der Annahme einer grundrechtlichen Schutzpflicht gegenüber Dritten folgt aus dem in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG normierten staatlichen Wächteramt und dem Umstand, dass die Eltern ihr Kind dem Staat bzw. der Kommune zur Erziehung und Beaufsichtigung anvertraut haben, die Verpflichtung für den Staat zu eigenem kindeswohlgerechten Handeln74. Diese Verpflichtung bedeutet, die Aufsichtspflicht dergestalt wahrzunehmen, dass weder das Kind selbst noch Dritte durch das Kind zu Schaden kommen. Kindeswohlgerechtes Verhalten bedeutet aber auch, dass die in Art. 1 Abs. 1 S. 2 und Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Schutzverpflichtung erfüllt wird. Geschützt wird aber nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sondern auch das aus dem Grundgesetz abgeleitete Menschenbild, zu einer eigenverantwortlichen und selbständigen Persönlichkeit heranzuwachsen. dd) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Maßstab der Aufsichtspflicht Ebenso wie die Grundrechte stellt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als tragender rechtsstaatlicher Verfassungsgrundsatz ein Kriterium für die Prüfung der gebotenen Aufsichtsmaßnahme dar. Wie bereits dargelegt, ist die Kommune unabhängig von der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses immer an die substantiellen öffentlichrechtlichen Grundsätze gebunden. Neben der zuvor erläuterten Grundrechtsbindung ist das Demokratie-, Rechtsstaats-, Gesetzmäßigkeits- und Sozialstaatsprinzip zu beachten. Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) folgt als Leitregel, dass jedes staatliche Handeln dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen muss75. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genießt daher Verfassungsrang und gilt für alle staatlichen Maßnahmen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip – auch als Übermaßverbot bezeichnet – besagt, dass der verfassungslegitime Zweck jedes staatlichen Handelns in einem angemessenen Verhältnis zu dem gewählten Mittel stehen muss. Die Freiheit des Einzelnen darf nur soweit eingeschränkt werden, wie dies im Interesse des Allgemeinwohls unabdingbar ist. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip findet seine klassische Anwendung im Staat-Bürger-Verhältnis in der Grundrechtsprüfung76. Ein Grundrechtseingriff 73 Vgl. AnwK-BGB/Katzenmeier, Vor §§ 823 ff., der eine Schutzpflicht bei typischerweise schwerwiegenden Gefahren annimmt. 74 Sachs/Schmitt-Kammler, Art. 6 Rn. 66. 75 Stern, StaatsR Bd. I, S. 861; siehe auch Schnapp, JuS 1983, 850 (852). 76 Schnapp, JuS 1983, 850 (851); Hirschberg, S. 28 ff., führt aus, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch auf die Leistungsverwaltung, auf Eingriffe in Verfassungsprinzipien und sehr häufig auch im Privatrecht angewendet wird; Bleckmann, JuS 1994, 178.

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ist nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt und damit rechtmäßig, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wurde. Die staatliche Maßnahme ist dann verhältnismäßig, wenn der vom Staat verfolgte Zweck legitim und der Einsatz des Mittels zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen ist. Für die Ermittlung des Zwecks des staatlichen Handelns ist zunächst auf das zu Grunde liegende Gesetz abzustellen77. Es geht um die Erfüllung eines Gesetzeszwecks durch Vollzugshandlungen der Exekutive. Der Gesetzeszweck lässt sich zumeist aus dem Gesetz selbst oder den Gesetzesbegründungen entnehmen. Schutzzweck des § 832 BGB ist, Schädigungen der Allgemeinheit durch die der Aufsicht unterworfenen Personen zu vermeiden78. Im Rahmen des Amtshaftungsanspruches kann sich die Verletzung aus der drittbezogenen Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln ergeben. Der Amtsinhaber hat die Gesetze zu beachten und deliktische Schädigungen zu unterlassen. Dazu gehört, unerlaubte Handlungen i. S. d. §§ 823 ff. BGB zu unterlassen; hoheitliche Aufgaben sind so zu erledigen, dass Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum Dritter, insbesondere unbeteiligter Personen, nicht verletzt werden79. Auch die Pflicht zu verhältnismäßigem Handeln stellt eine Amtspflicht dar, dessen Verletzung eine Haftung aus § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG begründen kann80. Geeignet ist die staatliche Maßnahme, wenn mit ihrer Hilfe das angestrebte Ziel zumindest gefördert werden kann81. Allein maßgeblich ist, ob die Aufsichtsmaßnahme ein zwecktaugliches Mittel darstellt. Auf die Frage der Effektivität der Maßnahme kommt es an dieser Stelle noch nicht an. Die gewählte Maßnahme ist dann erforderlich, wenn sie nicht durch eine andere, gleich wirksame, aber im Ergebnis mildere, die betroffenen Grundrechte schonendere, Maßnahme ersetzt werden kann82. Der Erforderlichkeitsprüfung liegt damit der Gedanke des Interventionsminimums zu Grunde. Schließlich muss die Maßnahme auch angemessen bzw. zumutbar sein83. Angemessenheit der Maßnahme liegt vor, wenn das mit ihr verfolgte Ziel in seiner Wertigkeit nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs steht. Hier erfolgt eine Abwägung zwischen dem erforderlichen Mittel und dem Zweck bzw. mit den Rechtsgütern, die es zu schützen gilt. Durch die Aufsichtshandlung zur Vermeidung von Drittschädigungen darf die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder nicht unangemessen eingeschränkt werden. Insbesondere bei Einschlägigkeit des Amtshaftungsanspruches als Haftungsgrundlage bei Schädigung eines anderen Kindes aus der Einrichtung kann sich die Kommune im Rahmen der Prüfung ihrer Amtspflicht zu verhältnismäßigem 77 78 79 80 81 82 83

Schnapp, JuS 1983, 850 (855). Staudinger/Belling, § 832 Rn. 4; Schoof, S. 35. Erman/Hecker, § 839 Rn. 46. Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 135 f. Schnapp, JuS 1983, 850 (852). Detterbeck, Öff. Recht, Rn. 82. Wilms, StaatsR. I, Rn. 210.

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Handeln auch auf den sich aus dem SGB VIII folgenden legitimen Zweck berufen. Das SGB VIII schreibt für die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe einen Schutz- und Förderungsauftrag der Familie und der Kinder vor. Das Erziehungsziel, die Kinder- und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen, verantwortungsbewussten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit heranzubilden, ist als Programmsatz ausdrücklich normiert. Dieser Zweck ist auch legitim, da die angestrebte Persönlichkeit dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht. Auch hier ist die jeweilige Aufsichtsmaßnahme nur dann verhältnismäßig, wenn sie zur Verwirklichung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist. Da das geschädigte Kind ein Teil der Gruppe ist und auch ihm gegenüber das Erziehungsziel gilt, liegt auch eine drittbezogene Amtspflicht vor. Bei der Schädigung eines außerhalb der Einrichtung stehenden Dritten kommt dagegen nur die Verletzung der allgemeinen Amtspflicht, unerlaubte Handlungen zu unterlassen, als drittbezogene Amtspflicht in Betracht, die sich einzig auf die nicht ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht der Kinder bezieht. Sofern sich der unbeteiligte Dritte auf die Amtspflicht zu verhältnismäßigem Verhalten beruft, ist hinsichtlich der Ermittlung des legitimen Zwecks – wie oben ausgeführt – an die Vermeidung von Drittschädigungen anzuknüpfen. ee) Geltung der öffentlich-rechtlichen Bindungen im Privatrecht Die in öffentlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtungen unterliegen den dargestellten verfassungsrechtlichen Bindungen, deren Missachtung bzw. Verletzung eine gebotene Aufsichtsführung ausschließt. Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben enthalten zugleich einen Prüfungsmaßstab, der den Inhalt der Aufsichtspflicht im Einzelnen konkretisiert. Die Aufsichtsperson als ausführender Organwalter der Exekutive ist bei der Aufsichtsführung unmittelbar an die Grundrechte und damit zugleich auch an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, da ihr wegen den fehlenden gesetzlichen Vorgaben für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht ein eigener Entscheidungsspielraum zusteht84. Um die Frage beantworten zu können, ob sich bei rein privater oder öffentlicher Aufsichtsführung unterschiedliche Anforderungen an den Inhalt der Aufsichtspflicht ergeben, wird nachfolgend geklärt, ob und inwieweit auch Privatrechtssubjekte verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegen. Die Frage der Grundrechtsbindung von Privaten hängt eng mit dem Rechtsinstitut der Drittwirkung von Grundrechten zusammen85. Unter Drittwirkung der Grundrechte wird die Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander, im Gegensatz zu dem Verhältnis Bürger zum Staat, verstan84 Siehe allgemein zu der Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt Isensee/ Kirchhof/Rüfner, HStR Bd. V, § 117 Rn. 19 ff. 85 Dreier/Dreier, Vorb. Rn. 118.

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den86. Dass die Grundrechte überhaupt keine Auswirkung auf das Privatrecht haben, wird von keiner Ansicht vertreten. Im Wesentlichen besteht Streit darüber, ob von einer unmittelbaren oder einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrechtsverhältnis auszugehen ist. Bei Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung kommt es analog zur Staatsgewalt zu einer vollständigen Grundrechtsbindung der Bürger im Verhältnis untereinander87. Hauptbegründung für die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ist, dass die Grundrechte die Funktion von objektiven Grundsatznormen für die gesamte Rechtsordnung bereithalten88. Herrschend ist jedoch die Lehre der nur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, derzufolge die grundrechtlichen Wertungen über ausfüllungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln bei der Auslegung und Anwendung der jeweiligen privatrechtlichen Norm zu berücksichtigen sind89. Auf diesem dogmatischen Wege fließt auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in die Auslegung und Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln ein. Auch bei der rein privatrechtlichen Aufsichtspflicht wird in der Literatur bei den Ausführungen zu der gebotenen Aufsichtsmaßnahme im Einzelfall auf die Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Bezug genommen. Belling hält fest, dass sich die Frage, welche der unterschiedlich intensiven Maßnahmen im Einzelfall geboten sind, nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bestimme90. Albilt führt dazu aus, dass die Erforderlichkeit eines oder mehrerer bestimmter Aufsichtsmittel unter dem Einfluss des „Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit“ stehe. Nach Bernau bestimmt sich nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten, welche der unterschiedlich intensiven Maßnahmen im Einzelfall geboten seien. Die Aufsichtsmaßnahme müsse also geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den Aufsichtszweck zu erfüllen91. Auch Schoof führt aus, dass die Aufsichtsmaßnahmen einem aus dem öffentlichen Recht bekannten Grundsatz, dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, folgen, wonach das eingesetzte Mittel in Wechselwirkung zu der dadurch erfolgenden Einschränkung des Betroffenen gesetzt werde92. In der Rechtsprechung zu § 832 BGB klingen verschiedene Aufsichtsmaßnahmen abgestufter Intensität an93. Das OLG Koblenz führt in einer Entscheidung aus, dass die Aufsichtsmöglichkeiten abgestuft die Belehrung, die Überwachung, das Verbot sowie das Unmöglichmachen schadensgeneigter Handlungen umfass86

v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 1–19 Rn. 28. Siehe zu den Anhängern dieser Lehre bei v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 1–19 Rn. 30. 88 Siehe dazu weiter im Einzelnen v. Mangoldt/Klein/Starck, Bd. I, Art. 1 III, Rn. 305. 89 Dreier/Dreier, Vorb. Rn. 9; v. Münch/Kunig, Vorb. Art. 1–19 Rn. 31. 90 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 90. 91 Bernau, S. 206 f. 92 Schoof, S. 67. 93 Zu den einzelnen Aufsichtsmaßnahmen siehe unten in § 6 I. 5. 87

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ten, sofern dies erforderlich sei94. Auch das OLG Celle umreißt die abgestuften Aufsichtsmaßnahmen. Welche Erziehungs- und Aufsichtsmaßnahmen jeweils in Betracht kommen, sei situativ abzustufen. Die jeweils gebotenen Maßnahmen reichen von Gefahraufklärungen über Ermahnungen bis hin zu Verboten95. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird in den Urteilen bei den Intensitätsabstufungen allerdings nicht ausdrücklich beim Namen genannt. Außerhalb der Rechtsprechung zu § 832 BGB finden sich im Zivilrecht allerdings auch Urteile, in welchen ausdrücklich auf den Gedanken des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zurückgegriffen und die Güter- und Interessenabwägung nach dessen Maßgabe vorgenommen wird96. Diesen Entscheidungen liegen zumeist Fälle erheblich gestörter Vertragsparität zu Grunde, die aufgrund der für die eine Vertragspartei vorliegenden Härte eines Ausgleichs bedürfen. In einem Fall der Pflichtteilsentziehung wegen körperlicher Misshandlung hat der BGH ausgeführt, dass das verfassungsrechtliche Übermaßverbot auch in das Zivilrecht hineinwirke, welches eine Entziehung des Pflichtteils ohne konkrete Abwägung der Vorwürfe gegen den Abkömmling mit dem Gewicht der Pflichtteilsentziehung nicht zulasse97. Im Rahmen des Deliktsrechts wird die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips allerdings auch kritisch betrachtet. Wagner98 und Katzenmeier99 geben zu Bedenken, dass die Determinationskraft verfassungsrechtlicher Wertungen für die Ordnung privatrechtlicher Beziehungen nicht überschätzt werden dürfe, insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip keine verlässliche normative Richtschnur beim Ausgleich von Interessenkonflikten unter Privatrechtssubjekten geben könne. Hager ist der Ansicht, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit modifiziert werden müsse, da zuerst ein Ausgleich herzustellen sei und erst dieses Ergebnis dann anhand der Verhältnismäßigkeit im traditionellen Sinne überprüft werden könne100. Hierzu bedarf es keiner vertiefenden Ausführungen, da letztlich Einigkeit darüber besteht, dass die verfassungsrechtlichen Wertungen Einfluss auf das Deliktsrecht haben und es einer Interessenabwägung bedarf101. Ein weiterer methodischer Weg der Einwirkung von Grundrechten auf die Bestimmung der Aufsichtspflicht im Rahmen des § 832 BGB stellt das von den El94

OLG Koblenz NJW-RR 2002, 900. OLG Celle FamRZ 1998, 233. 96 ArbG Karlsruhe NZA-RR 2006, 516 (518); LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 07.10.2004, Az.: 11 Sa 279/04, im Volltext unter http://beck-online.de; OLG Rostock OLGR 2000, 418 f. 97 BGH NJW 1990, 911 (912 f.). 98 MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 59. 99 AnwK-BGB/Katzenmeier, Vor §§ 823 ff. Rn. 63. 100 Staudinger/Hager, Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 72. 101 MünchKomm/Wagner, Vor § 823 Rn. 60; AnwK-BGB/Katzenmeier, Vor §§ 823 ff. Rn. 63; Bamberger/Roth/Spindler, Vor § 823 Rn. 0.10; Staudinger/Hager, Vorbem zu §§ 823 ff Rn. 72. 95

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tern gemäß § 1626 Abs. 2 BGB zu beachtende Erziehungsziel dar. Mit dem in § 1626 Abs. 2 BGB normierten Leitbild der Erziehung des Kindes zu einer selbständigen verantwortungsbewussten Persönlichkeit hat der Gesetzgeber das im Grundgesetz zum Ausdruck kommende Menschenbild sowie die Pflichtenbindung des elterlichen Grundrechts zum Wohl des Kindes aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG einfachgesetzlich konkretisiert102. Die Norm des § 1626 Abs. 2 BGB dient damit neben der Konkretisierung des elterlichen Erziehungsrechts auch der Verwirklichung der Kindesgrundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG103; sie stellt Verfassungsrecht im Gewande des einfachen Rechts dar. Auch die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Bestimmung des gebotenen Aufsichtsmaßes nach § 832 Abs. 1 BGB den Entwicklungsprozess des Kindes zur Selbständigkeit über die Anwendung der familienrechtlichen Vorschriften der §§ 1626 Abs. 2, 1631 BGB104. Sowohl die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten als auch § 1626 Abs. 2 BGB als konkretisiertes Verfassungsrecht führen somit im Ergebnis gleichermaßen zu einer Einwirkung von Grundrechten resp. der verfassungsrechtlichen Vorgaben auf die privatrechtliche Aufsichtspflicht des § 832 BGB. Letztlich bedarf es des Rückgriffs auf die Figur der mittelbaren Drittwirkung jedoch nicht, da § 1626 Abs. 2 BGB als konkretisiertes Verfassungsrecht auch von den Gerichten bereits unmittelbar bei der Bestimmung des Aufsichtsmaßes Berücksichtigung findet. Insoweit wirken die grundgesetzlichen Wertungen auch in das Privatrecht ein. Sowohl bei der Konkretisierung der elterlichen als auch der öffentlichen Aufsichtspflicht ist das inhaltlich gleichlautende Erziehungsziel105 der § 1626 Abs. 2 BGB und §§ 1 Abs. 2, 9 Nr. 2 SGB VIII mitbestimmend106. Die spezifischen Unterschiede zwischen öffentlicher und elterlicher Aufsichtspflicht wirken sich im Einzelfall erst dann aus, wenn die öffentliche Einrichtung aufgrund der sich aus dem öffentlichen Recht ergebenden Grenzen daran gehindert ist, die an sich erforderliche Aufsichtsmaßnahme vorzunehmen. Denkbar ist der Fall, dass nur eine solche Aufsichtsmaßnahme der Aufsichtspflicht genügt, die einen Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeutet. In einer Kindertagesstätte kann sich beispielsweise die Situation ergeben, dass eine Erzieherin ihre Gruppe für kurze Zeit alleine lassen muss. Sie spricht ein Verbot aus, dass kein Kind den Gruppenraum verlassen darf bis sie zurückkommt. Wenn nun während der Abwesenheit der Erzieherin ein Kind das Gelände des Kindergartens verlässt und auf die Straße vor ein fahrendes Fahrzeug rennt, stellt sich die Frage, welche Aufsichtsmaßnahmen die Erzieherin hätte ergreifen müssen, um den Schadens102 103 104 105 106

MünchKomm/Huber, § 1626 Rn. 63; MünchKomm/Olzen, § 1666 Rn. 71. Siehe Schoof, S. 82 f. BGH NJW 1980, 1044 (1045); BGH NJW 1984, 2574 (2575). Siehe oben § 4 I. 1. a) cc). Siehe unten § 6 I. 4. c).

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eintritt zu verhindern. Sofern im konkreten Fall eine Aufsichtsführung durch andere Aufsichtspersonen ausgeschlossen ist, kommt als denkbare Aufsichtsmaßnahme das Verschließen der Türe des Gruppenraumes in Betracht. Diese Aufsichtsmaßnahme tangiert neben Art. 2 Abs. 1 GG den grundrechtssensiblen Bereich der Freiheitsbeschränkung und des Freiheitsentzuges des Kindes (Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG). Wenn ein Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit des Kindes vorliegt, bedarf dieser nach dem grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalt in Art. 2 Abs. 2 S. 3, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung durch ein förmliches Gesetz107. Damit scheidet bereits die Kindergartensatzung als legitimierende Rechtsgrundlage aus108. Ebenso wenig kann in der vertraglichen Vereinbarung mit der öffentlichen Einrichtung eine Einwilligung der Eltern in grundrechtsverletzende freiheitsentziehende oder freiheitsbeschränkende Aufsichtsmaßnahmen gesehen werden. Umstritten ist bereits, ob allein die Einwilligung der Eltern eine relevante Grundrechtsbeeinträchtigung ausschließt109. Unabhängig davon spricht schon die regelmäßig fehlende ausdrückliche, und die schon aufgrund der Intensität der Maßnahme nicht ohne Weiteres anzunehmende konkludente, vertragliche Vereinbarung über die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht gegen die Annahme einer Einwilligung. Auch das SGB VIII sieht – abgesehen von dem Fall der Inobhutnahme nach § 42 Abs. 5 SGB VIII – keine Eingriffsbefugnisse für die Einrichtungsträger der öffentlichen Jugendhilfe vor110. Durch die Übertragung der Aufsicht und Erziehung auf die Kindertageseinrichtung wird der öffentlichen Einrichtung auch nicht etwa eine durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Rechtsstellung eingeräumt111. Eine Teilhabe der öffentlichen Einrichtung am Grundrechtsschutz verbietet sich bereits aufgrund der Stellung als Grundrechtsverpflichteter. Im Gegensatz zu der öffentlichen Einrichtung wäre das Einschließen des Kindes durch die Eltern von dem in Art. 6 Abs. 2 GG garantierten elterlichen Erziehungsrecht zumindest grundsätzlich gedeckt und käme damit als im Einzelfall gebotene Aufsichtsmaßnahme in Betracht. Mithin kann es aufgrund der Besonderheiten des öffentlichen Rechts zu unterschiedlichen Grenzen der Aufsichtspflicht kommen, da die elterlichen Aufsichtsmaßnahmen bis zu der in den §§ 1631b, 1666 f. BGB zum Ausdruck kommenden Grenze des Kindeswohls gedeckt sind. 107 Siehe ausführlich unten in § 6 II. 6. zu der Frage, wann ein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 Abs. 1 GG vorliegt. 108 Vgl. zu kommunaler Rechtssetzung gemeindlicher Benutzungssatzungen Becker/ Sichert, JuS 2000, 144 (147). 109 Ablehnend: BVerfGE 10, 302 (309 f.); Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 116; Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 42 Rn. 50; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 2 II Rn. 103; v. Mangoldt/Klein/Starck/Gusy, Bd. III, Art. 104 Rn. 18; bejahend: Stern/ Sachs, StaatsR. Bd. IV, § 106 S. 1099 Fn. 203; Maunz/Dürig, Art. 104 Rn. 10 f. 110 Zu der Inobhutnahme siehe unten in § 6 II. 6. 111 BK/Jestaedt, Art. 6 Rn. 90.

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ff) Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich aufgrund der Verschiedenheit der beiden Teilrechtsordnungen Öffentliches Recht und Privatrecht die Ausgangslage unterschiedlich darstellt. Der Staat ist Grundrechtsverpflichteter, womit eine unmittelbare Bindung an die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für Grundrechtseingriffe besteht, die zugleich den Maßstab und die Grenze für eine gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht bilden. Nur innerhalb der öffentlich-rechtlichen Grenzen bleibt Freiraum für die Auswahl der Aufsichtsmaßnahmen und der pädagogischen Gestaltung. Die Eltern sind demgegenüber Grundrechtsträger und in ihrem grundrechtlich gewährleisteten Handlungsspielraum bis zur Grenze der Kindeswohlgefährdung frei. Sowohl bei der Konkretisierung der elterlichen als auch der öffentlichen Aufsichtspflicht ist das inhaltlich gleichlautende Erziehungsziel der § 1626 Abs. 2 BGB und §§ 1 Abs. 2, 9 Nr. 2 SGB VIII bei der Bestimmung der Aufsichtspflicht zu beachten. Da auch die Gerichte in neuerer Zeit verstärkt die Leitnorm des § 1626 Abs. 2 BGB bei dem auszufüllenden unbestimmten Rechtsbegriff der genügenden Aufsichtspflicht berücksichtigen, fließen die in § 1626 Abs. 2 BGB verfassungsrechtlich konkretisierten Wertungen auch in die privatrechtliche Aufsichtspflicht der Eltern ein. Unterschiede können sich aber z. B. dann ergeben, wenn die Aufsichtspflicht resp. die Auswahl einzelner Aufsichtsmaßnahmen aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage begrenzt ist, wohingegen diese bei der elterlichen Aufsichtsführung durch Art. 6 Abs. 2 GG gedeckt sind. Unterschiedliche Anforderungen aufgrund der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht ergeben sich also durch die verfassungsrechtlichen Bindungen, die bei öffentlichen Einrichtungen eine bei der Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht zu beachtende Grenze darstellt.

b) Unterschiedliche Anforderungen aufgrund öffentlichen und privaten Erziehungsauftrages Die Eltern trifft die originäre umfassende Verantwortung für ihre Kinder. Diese Verantwortung umfasst nicht nur die Erziehung des Kindes in der Familie, sondern alle erzieherischen Einflüsse auf das Kind in ihrer Gesamtheit. Aus diesem umfänglichen Verantwortungsbereich folgt ein weit gefasster Aufsichtsbereich. Das macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn die Kinder von ihren Eltern im Zuge der Erfüllung der Aufsichtspflicht über mögliche nahe liegende Gefahren aufzuklären und über das richtige Verhalten in diesen Situationen zu belehren sind. Die Rechtsprechung fasst den Kreis der nahe liegenden Gefahren, die eine Belehrung als Aufsichtsmittel erforderlich machen, weit. Beispielsweise hat das OLG Düsseldorf Eltern wegen einer Aufsichtspflichtverletzung verurteilt, weil sie ihr 6 Jahre altes Kind nicht eindringlich auf die Gefahren hingewiesen haben,

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die beim Umgang mit Spielzeugpistolen insbesondere dann drohen, wenn anstelle der dazugehörigen Pfeile mit Saugknöpfen Stöcke oder andere Gegenstände verwendet werden. Das Kind hatte auf einem Nachbargrundstück mit der Spielzeugpistole eines anderen Kindes dieses Kind so schwer verletzt, dass es ein Auge verlor112. Auffällig ist hier insbesondere, dass die unterlassene Belehrung über die Gefahren beim Umgang mit Spielzeugpistolen als Aufsichtspflichtverletzung gewertet wurde, obwohl das Kind selbst überhaupt keine derartigen Pistolen besaß. Das Gericht führte aus, dass angesichts der weiten Verbreitung und Beliebtheit solcher Spielzeugwaffen unter Kindern eine Belehrung erfolgen müsse. Hieran kann man bereits einen gewichtigen Unterschied zwischen den Anforderungen an die elterliche Aufsichtsführung und der öffentlichen Erziehung festmachen. Im Gegensatz zu Eltern, die für das gesamte Lebensumfeld ihrer Kinder die Verantwortung tragen, treffen demgegenüber die Erzieher eine Belehrungspflicht jedenfalls nur insoweit, als die möglichen Gefahren in einem Zusammenhang mit dem Besuch der Tageseinrichtung stehen. Darüber hinaus sind sie für die Aufklärung und Anleitung der Kinder nicht verantwortlich. Das Gefahrenpotential, was gefährliche Gegenstände betrifft, ist auf einem Kindergartengelände im Gegensatz zum häuslichen Bereich zudem erheblich minimiert. Dies liegt vor allem daran, dass den Kindern in der Regel kraft der Kindergartenordnung nicht gestattet ist, Spielzeuge von zu Hause mit in die Einrichtung zu bringen oder es der vorherigen Genehmigung durch die Kindergartenleitung bedarf. Ein gefahrerhöhender Aspekt ist das Zusammentreffen von in der Regel 25 Kindern in einer Kindergartengruppe. Da auch die Kinder innerhalb der Einrichtung zu dem von § 832 BGB haftungsrechtlich geschützten Personenkreis zählen, besteht bereits die konkrete Gefahr der Verletzung eines Dritten und damit die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Haftung aus Aufsichtspflichtverletzung. Der BGH hat in einem Urteil vom 21.12.1956 zu den Anforderungen an die Überwachung von Kindern in Kinderheimen ausgeführt, dass die Aufsichtspflichten wegen der zu schützenden anderen Kinder besonders streng wahrzunehmen seien. Durch das Zusammentreffen vieler Kinder in einem Heim sei die Gefahr, die durch ein unachtsam handelndes Kind drohe, naturgemäß größer113. Hinzu kommt das gruppendynamische Verhalten der Kinder, welches eine gegenüber der häuslichen Aufsichtssituation verschärfte Aufsichtsführung erforderlich macht, da sich die Kinder dadurch größeren Verletzungsgefahren aussetzen und auch eher zu gruppendynamischen Dummheiten neigen, die auch Dritte schädigen können114. Im Gegensatz zur elterlichen Aufsichtspflicht handelt es sich bei der Aufsicht in einem Kindergarten zwar um einen überschaubaren und abge112 113 114

OLG Düsseldorf VersR 1998, 721 (722). BGH FamRZ 1957, 207 (208). OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428); OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75.

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grenzten räumlichen Bereich, jedoch ist dieser im Ergebnis nicht risikoärmer. Aus dem Vorgenannten folgt, dass der Sicherheitsaspekt in einer öffentlichen Einrichtung eine weitaus größere Rolle spielt als im privaten Umfeld. Für den Einrichtungsträger ergeben sich im Gegensatz zum privaten Bereich umfassendere Organisationspflichten, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht durch das Personal zu gewährleisten. Dies zeigt unter anderem auch die Existenz von Unfallverhütungsvorschriften der Unfallversicherungsträger sowie der Dienstanweisungen und Richtlinien der Kindergartenträger, deren Inhalte die Anforderungen an die Aufsichtsführung zumindest teilweise mitbestimmen. Eine vom Staat betriebene und unterhaltene Einrichtung bringt zudem einen erweiterten Verantwortungsbereich mit sich. Der Leiter eines kommunalen Kindergartens ist hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlich normierten Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe dem Träger (Kommune) verantwortlich. Die öffentliche Einrichtung trägt ebenfalls die Verantwortung für die Kinder in der Einrichtung und die sich außerhalb der Einrichtung befindlichen „Dritten“ (Allgemeinheit). Aufgrund des abgeleiteten Erziehungsauftrages und seiner Wahrnehmung während der Dauer des Aufenthaltes in der Einrichtung bestehen schließlich auch Pflichten gegenüber den primär Erziehungsberechtigten. Die vorrangige Erziehungsverantwortung der Eltern entbindet den Staat bzw. die Kommune zudem nicht von der ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Schutz- und Förderungspflicht gegenüber der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG). Eine institutionalisierte öffentliche Einrichtung unterliegt öffentlichen Beschränkungen, welche diese wegen ihres Schutz- und Fürsorgeauftrages und der Verantwortlichkeit gegenüber den Aufsichtsbedürftigen zu beachten und abzusichern hat. Hinsichtlich des Erziehungsauftrages führt die Vergleichsbetrachtung zu dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, das einen weiten Handlungs- und Ermessensspielraum gewährleistet, für die Aufsichtsführung zu einem deutlich geringeren Ermessensspielraum der öffentlichen Einrichtung.

4. Grenzen der Aufsichtspflicht durch das Korrektiv der Zumutbarkeit Die Aufsichtspflicht findet ihre Grenzen an dem Merkmal der Zumutbarkeit. Es versteht sich von selbst, dass es hinsichtlich der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht eines regulierenden Korrektivs bedarf; denn schließlich kann von einem Aufsichtspflichtigen kein Verhalten erwartet werden, das einen Menschen physisch und psychisch überfordert. Auch im Rahmen der institutionalisierten Aufsichtsführung kann der Aufsichtspflichtige seine Augen nicht überall haben und nicht an mehreren Stellen gleichzeitig sein. Es stellt sich die Frage, welche Faktoren für die Frage der Zumutbarkeit mitbestimmend sind. Hier ist ebenfalls eine Vergleichsbetrachtung mit der Zumutbarkeit bei der elterlichen Aufsichtspflicht angebracht.

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a) Berücksichtigung von persönlichen Verhältnissen der Eltern Vor allem in früheren Entscheidungen findet sich die – zuweilen leicht abgewandelte – generalklauselartige Formel, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach dem Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach bestimmt, was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern115. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass auch die persönlichen Verhältnisse der Eltern bei den Anforderungen an die Aufsichtspflicht mit einzubeziehen sind116. Als berücksichtigungsfähige Faktoren lassen sich die wirtschaftlichen, sozialen und häuslichen Verhältnisse der Eltern und ihre beruflichen Pflichten nennen117. Ende der siebziger Jahre hat die vorgenannte Formel in der Formulierung eine leichte Abwandlung erfahren, welche jedoch keine inhaltliche Veränderung mit sich gebracht hat118. Danach bestimmt sich der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige nach Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern119. In einigen Entscheidungen werden auch ausdrücklich die jeweiligen Verhältnisse der Eltern mit in die Formel aufgenommen120. So wird in der Entscheidung des LG Lüneburg121, bei der es um eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern eines vierjährigen Kindes ging, das allein auf einer öffentlichen Straße spielte und von dort auf ein Grundstück gelangt ist, wo das Kleinkind mit einem Stein Schäden an einem dort abgestellten Pkw verursacht hatte, ausgeführt: „Ob der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht genügt hat, richtet sich danach, ob er zur Verhinderung der Schädigung Dritter das getan hat, was von einem verständigen Aufsichtspflichtigen in seiner Lage und nach den Umständen des Einzelfalles vernünftiger- und billigerweise verlangt werden konnte. Maßgebend sind dabei hauptsächlich die Eigenschaften des Aufsichtsbedürftigen (Alter, geistige Fähigkeiten, Eigenart, Charaktereigenschaften), die Art und das Maß der von ihm drohenden Gefahr einerseits und die jeweiligen eigenen Verhältnisse des Aufsichtspflichtigen sowie die ihm nach seiner eigenen Lebenslage, nach seinen wirtschaftlichen 115

BGH VersR 1962, 783. BGH VersR 1957, 340 (341). 117 LG Duisburg MDR 1966, 235; OLG Köln FamRZ 1962, 124 (125). 118 Bernau, S. 74 ff., unterscheidet in diesem Kontext zwischen sog. „alter“ und „neuer“ Formel, wobei der praktische Ertrag der Differenzierung als eher gering einzuschätzen ist. 119 BGH NJW 1980, 1044 (1045). 120 BGH NJW 2009, 1952 (1953); OLG Koblenz NJW-RR 2002, 900; OLG Oldenburg FamRZ 1994, 833 (834); OLG Frankfurt MDR 2001, 752 (753). 121 LG Lüneburg NJW-RR 1998, 97 (98). 116

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Verhältnissen und seinen Kräften möglichen und vernünftigerweise zumutbaren Abwehr- und Überwachungsmaßnahmen andererseits.“ In diesem Kontext kann beispielsweise eine Rolle spielen, dass ein aufsichtspflichtiger Elternteil mehrere minderjährige Kinder versorgen muss und den Haushalt zu führen hat. So hat der BGH122 eine Aufsichtspflichtverletzung in dem Fall verneint, in dem eine Mutter, der die alleinige Haushaltsführung sowie die Beaufsichtigung und Erziehung der drei Kinder im Alter von 1/2, 3 und 5 Jahren oblag, das über die Verkehrsgefahren belehrte 5-jährige Kind allein auf dem vor dem Haus befindlichen Bürgersteig hat spielen lassen. Die Mutter hatte das Kind lediglich von Zeit zu Zeit beobachtet. In einem vergleichbaren Fall hat der BGH123 die Aufsichtspflicht einer Mutter auch nicht als verletzt angesehen, die einen Haushalt mit fünf minderjährigen Kindern zu versorgen hatte und die ihren 11-jährigen Sohn beim Rollschuhlaufen auf der Straße nicht ständig überwacht hat. Diese Fälle dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch ein stark be- bzw. überlasteter Elternteil grundsätzlich die ordnungsgemäße Aufsicht zu gewährleisten hat. Sofern es also das Alter und die charakterlichen Eigenarten des Kindes erfordern, hat der originär Aufsichtspflichtige die Aufsicht notfalls durch einen Dritten ausüben zu lassen. Erst wenn eine anderweitige Beaufsichtigung nicht möglich ist, könnte darin ein die Aufsichtsanforderungen mildernder Umstand erblickt werden. Allerdings bedarf es auch dann einer umfassenden Gesamtabwägung aller vorliegenden besonderen Umstände. Deshalb wird ein Elternteil, der mehrere minderjährige Kinder zu betreuen hat, aber eine Unterstützung durch Dritte nicht erlangen konnte, haftungsrechtlich nicht entlastet, wenn es ein Kleinkind (2–3 Jahre) allein auf der Straße spielen lässt124. Streng genommen kann eine ständige Beaufsichtigung eines von mehreren Kindern nur selten gewährleistet werden, da sich die Kinder nicht immer im selben Raum aufhalten und ein Elternteil nicht mehr als zwei Augen besitzt und sich bekanntlich nicht zweiteilen kann, so dass scheinbar faktisch Unmögliches von den Eltern verlangt wird. Wenn nun diese vermeintliche faktische Unmöglichkeit der Aufsichtsführung ohne Weiteres unter das einschränkende Merkmal der Zumutbarkeit fällt, dann könnte sich jede kinderreiche Familie hinsichtlich der Aufsichtspflichtver122

BGH VersR 1957, 340 f. BGH VersR 1965, 385 (386). 124 Nach den Maßstäben der heutigen Rechtsprechung zu der Beaufsichtigung von Kleinkindern im Straßenverkehr ist in diesem Kontext ein Urteil des OLG Bremen VersR 1958, 64 ff. nicht haltbar. Hier ließ eine Mutter ihre erst knapp 2-jährige Tochter allein auf der Straße, die „nur“ von Lieferwagen befahren wurde, spielen und schaute nur „von Zeit zu Zeit“ nach ihr. Da die Mutter neben dem 2-jährigen Kind noch weitere zwei minderjährige Kinder zu versorgen und zusätzlich noch den Hausputz zu verrichten hatte, verneinte das erkennende Gericht eine Haftung aus § 832 BGB; so auch Scheffen/Pardey, Rn. 255. 123

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letzung folgenlos entlasten. Abschließend ist daher festzuhalten, dass in der heutigen Zeit mit dem stetig wachsenden Angebot von Kindertageseinrichtungen für die verschiedensten Altersgruppen in der Notwendigkeit der Beaufsichtigung von mehreren Kindern neben der Haushaltsführung nur in äußerst restriktiv zu handhabenden Fällen ein entlastender Umstand gesehen werden kann. Bei anderer Betrachtung würde die subjektive Überforderung der Eltern oder die mangelhafte Organisation der Delegation der Aufsichtspflicht an Dritte zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Damit einher geht auch die Entwicklung in der Spruchpraxis, die zunehmend Entscheidungen fällt, die solche individuellen Belange bei dem Zumutbarkeitsmaßstab unberücksichtigt lässt. b) Berücksichtigung individueller Belange bei öffentlichen Einrichtungen? In den Entscheidungen zu Aufsichtspflichtverletzungen in öffentlichen Einrichtungen findet sich zumeist auch die oben angeführte, seit Anfang der siebziger Jahre verwandte generalklauselartige Formel, wobei anstatt auf die verständigen Eltern allgemein auf die verständigen Aufsichtspflichtigen abgestellt wird. Allerdings findet sich nicht der Zusatz der Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse der Aufsichtsperson. Dies lässt sich damit begründen, dass die Aufsichtsführung der Kindertageseinrichtungen aufgrund eines Vertrages mit den Eltern übernommen worden ist. Es kommt ein Vertrag mit gegenseitigen Rechten und Pflichten zustande. Für die Erziehung, Betreuung und Beaufsichtigung des Kindes entrichten die Eltern abhängig von der Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses eine Gebühr oder ein Entgelt. Die Aufsichtspflicht wird wissen- und willentlich übernommen, so dass sich bei der Beurteilung des zumutbaren Maßes der Beaufsichtigung bei Aufsichtspflichtigen der institutionalisierten Erziehung die Berücksichtigung persönlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse verbietet125. Eine Erzieherin wird von dem Träger der Einrichtung ausschließlich zur Betreuung, Beaufsichtigung und Erziehung beschäftigt. Die Einrichtung schuldet die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Pflichten. Insoweit ist bei einer Zumutbarkeitsprüfung die Anwendung eines rein objektiv zu bestimmenden Sorgfaltsmaßstabes geboten. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen zum Sorgfaltsmaßstab nach § 276 Abs. 2 BGB, wonach die Zumutbarkeit nach einem 125 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 76; Albilt, S. 169 f.; OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 ff.: In der Entscheidung geht es um eine Aufsichtspflichtverletzung einer Anstalt gegenüber einem in offener stationärer kinder- und jugendpsychologischer Behandlung befindlichen 13 Jahre alten Jugendlichen. Der Junge ist aus der Klinik entwichen und hat auf einem Schulgelände einen Brand verursacht. Der Senat führte unter anderem aus, dass es die Klinik nicht entlaste, dass Maßnahmen gegen das Entweichen des Jungen wegen zu hoher Personal- oder sonstiger Kosten ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überstiegen hätten. Die Klinik habe ihre Dienste sowie die damit erhöhte Aufsichtspflicht freiwillig angeboten und damit für deren ordnungsgemäße Erfüllung gem. § 832 BGB einzustehen.

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objektiven Maßstab zu bestimmen ist126. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass wegen der fehlenden Berücksichtigung von subjektiven Belangen bei dem objektiv zu bestimmenden Zumutbarkeitsmaßstab der Aufsichtspflichtigen in öffentlichen Einrichtungen eine Verschärfung der Haftung gegenüber der elterlichen Aufsichtspflicht vorliegt. aa) Ansicht von Eckert Demgegenüber vermag die Ansicht von Eckert nicht zu überzeugen, der eine gewisse Verschärfung der Haftung der Erzieher gegenüber den Eltern nur insoweit befürwortet, wie sich tatsächlich bessere Möglichkeiten zur Beaufsichtigung aufgrund der unterschiedlichen Situationen ergeben127. Eine Begründung für diese Einschränkung liefert Eckert nicht. Um zu dieser Ansicht Stellung nehmen zu können, bedarf es der Veranschaulichung anhand eines praxisrelevanten Gegenbeispieles. Die Kinder einer Gruppe spielen in zwei unterschiedlichen Gruppenräumen. Die Einrichtung ist wegen kurzfristiger Erkrankung der zweiten Fachkraft personell unterbesetzt. Die Leiterin der Einrichtung kümmert sich um eine der beiden Kindergruppen, während sich beim Spiel in der anderen Gruppe ein Streit entfacht, in dessen Verlauf ein Kind ein anderes verletzt. Die Ansicht von Eckert zugrunde gelegt, liegt hier aufgrund der personellen Unterbesetzung tatsächlich keine bessere Aufsichtsmöglichkeit vor, da sich die Leiterin gerade um eine Kindergruppe gekümmert und deshalb die Gefahrensituation in der anderen Gruppe nicht bemerkt hat. bb) Eigene Stellungnahme Diese beispielhaft aufgezeigten Umstände können nicht haftungsmildernd herangezogen werden. Der Kindergartenträger kann sich nicht mit dem Argument der nicht ausreichenden personellen Besetzung entlasten. Bei Erkrankung einer Erzieherin hat der Träger kurzfristig eine Krankheitsvertretung zu organisieren. Notfalls ist der Kindergarten sogar zu schließen. Trifft der Einrichtungsträger derartige Maßnahmen nicht, haftet er für die Aufsichtspflichtverletzung aus Organisationsverschulden, da er dafür Sorge zu tragen hat, dass die Beaufsichtigung der 25-köpfigen Kindergartengruppe durch zwei Fachkräfte sichergestellt wird. In diesem Fall wird der „Überforderer“ zur Verantwortung gezogen. Personelle Unterbesetzung darf nicht zu Lasten des Geschädigten gehen. Unabhängig davon stellt sich aber auch die Frage, ob innerhalb öffentlicher Erziehungseinrichtungen generell von einer tatsächlich besseren Möglichkeit zur Beaufsichtigung im Gegensatz zu der häuslichen Situation gesprochen werden kann, wenn zwei Fachkräfte eine 25-köpfige Kindergartengruppe zu beaufsichtigen haben. 126 127

Erman/Westermann, § 276 Rn. 10. Eckert, S. 134 f.

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Fest steht jedenfalls, dass der geschädigte Dritte bei Schädigung durch Aufsichtsbedürftige einer öffentlichen Einrichtung insoweit privilegiert ist, da aufgrund des Organisationsaufbaus und der damit einhergehenden Verteilung der Pflichten neben der konkreten Aufsichtsperson mit dem Träger ein zusätzlicher Verantwortlicher gegeben ist. Bei der elterlichen Aufsichtspflicht hingegen kann bei subjektiver Überforderung und Organisationsmängeln eine Haftungsbeschränkung durch das Korrektiv der Zumutbarkeit drohen, während die Organisationsmängel in einer öffentlichen Einrichtung durch den Träger als zusätzlichen Haftungsschuldner aufgefangen werden. c) Der Erziehungsauftrag Demgegenüber wird das Maß der gebotenen Aufsicht sowohl bei der elterlichen als auch bei der öffentlichen Aufsichtspflicht durch den Erziehungsauftrag beschränkt. Der Auftrag einer Kindertagesstätte erschöpft sich nicht in der Beaufsichtigung der Kinder128. Der Träger einer Kindertagesstätte übernimmt nicht nur die Verpflichtung, im Rahmen der Aufsichtspflicht Schaden vom Kind abzuwenden und Dritte vor Schäden durch das Kind zu schützen. Denn dann wäre der Kindergarten eine reine „Aufbewahrungsanstalt“. Der gesetzliche Auftrag sieht vielmehr vor, dass das Kind neben der Beaufsichtigung und Betreuung gleichzeitig gefördert und erzogen werden soll. Das Ziel der institutionalisierten Erziehung, welches es zu verwirklichen gilt, ist, dass sich die Kinder zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln (§ 1 Abs. 1 SGB VIII). Bei der Ausgestaltung und Erfüllung dieser Aufgaben ist die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen (§ 9 Nr. 2 SGB VIII). Auch die Formulierung in § 1 Abs. 1 SGB VIII, welche das erziehungsberechtigte Kind in den Mittelpunkt rückt, bestätigt, dass der Erziehungsauftrag unter Beachtung der Subjektivität des Kindes im Erziehungsprozess wahrzunehmen ist. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Erfüllung der Aufsichtspflicht die Verwirklichung des Erziehungsziels nicht verhindern darf und dieses daher ein zu beachtendes Korrektiv darstellt. aa) Einfluss von §§ 1626 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 1631 Abs. 1 BGB, §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII auf § 832 Abs. 2 BGB Bei der privatrechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses und damit der Anwendung von § 832 BGB kann der Erziehungsauftrag aber nur dann bei der Bestimmung des gebotenen Aufsichtsmaßes nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Berücksichtigung finden, wenn die das Erziehungsziel statuierenden Grundsatz128

Oben § 4 I. 1. a) bb) (2).

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normen an die deliktische Aufsichtspflicht des § 832 BGB anknüpfen. Einfallstor ist § 832 Abs. 2 BGB, wonach die Aufsichtspflicht demjenigen obliegt, der die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt. Die originär nach §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1631 Abs. 1 BGB personensorgeberechtigten Eltern und daher kraft Gesetzes Aufsichtspflichtigen übertragen für die Dauer des Aufenthaltes in dem Kindergarten durch den Betreuungsvertrag die Pflicht zur Aufsicht und Erziehung auf die öffentliche Einrichtung. Sowohl die Aufsichtspflicht als auch die Erziehung sind daher ursprünglich von den Eltern abgeleitet und entstammen den familienrechtlichen Vorschriften. Da es keinen elternkonkurrierenden Erziehungsauftrag im Kindergartenbereich gibt, ist der Staat originär weder erziehungs- noch aufsichtsbefugt. Erst durch die vertragliche Übernahme der Aufsicht werden die übertragenen Befugnisse der elterlichen Sorge den Vorschriften des SGB VIII unterstellt129. Aufgrund der von den Eltern abgeleiteten bzw. übertragenen Befugnisse sind im Folgenden neben den Schutzrichtungen der Aufsichtspflichten von § 832 Abs. 2 BGB und § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII zunächst diejenigen von § 1631 Abs. 1 BGB darzulegen. Die Grundsatznorm § 1626 Abs. 2 BGB fließt über § 1631 Abs. 1 BGB in die Bestimmung des Aufsichtsmaßes ein. Diese Vorschriften, welche die Beaufsichtigung bzw. Betreuung von Kindern beinhalten, müssen zumindest einen teilweise identischen Schutzzweck haben, damit die Leitbilder der familienrechtlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Erziehung auf den Aufsichtsmaßstab des § 832 BGB einwirken können. (1) § 1631 BGB Nach einhelliger Auffassung ist § 832 BGB ausschließlich drittschützender Natur130. Bei der familienrechtlichen Vorschrift § 1631 BGB ist dagegen der Schutzzweck der Norm umstritten. Eine Ansicht im Schrifttum beschränkt die Schutzrichtung von § 1631 BGB ausschließlich auf das Kind, da die elterliche Sorge nur dem Wohle und den Interessen des Kindes, aber nicht der Allgemeinheit diene131. Die andere Meinung in der Literatur erweitert den Schutzbereich von § 1631 BGB auch auf Dritte132. In der Rechtsprechung finden sich nur vereinzelt Hinweise auf die Schutzrichtungen von § 1631 BGB und § 832 BGB. Die frühe Rechtsprechung sah von der familienrechtlichen Aufsichtspflicht ausschließlich

129

Oben § 4 I. 1. a) dd). BGH VersR 1958, 85 (86); BGHZ 73, 190 (194); Soergel/Krause, § 832 Rn. 1. 131 RGRK/Wenz, § 1631 Rn. 14; MünchKomm/Huber, § 1631 Rn. 6; Staudinger/ Salgo, § 1631 Rn. 34. 132 Erman/Michalski, § 1631 Rn. 12; Bamberger/Roth/Veit, § 1631 Rn. 6; Soergel/ Strätz, § 1631 Rn. 15; Palandt/Diederichsen, § 1631 Rn. 3; AnwK-BGB/Rakete-Dombek, § 1631 Rn. 8; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 11. 130

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die Interessen des Kindes geschützt133. Der BGH hingegen nahm in einer Entscheidung, in der es um die elterliche Belehrung des Kindes über die Gefahren im Straßenverkehr ging, an, dass die familien- und deliktsrechtliche Aufsichtspflicht insofern deckungsgleich sind, als die erfolgten Belehrungen zugleich dem Schutz des Kindes und der Verkehrsteilnehmer dienen134. In dem – soweit ersichtlich – aktuellsten Urteil hierzu führt das OLG Celle in seinen Entscheidungsgründen aus, die familienrechtliche Aufsichts- und Erziehungspflicht sei hinsichtlich Dritter gleichzeitig eine haftungsrechtliche Pflicht mit Außenwirkung135. § 832 BGB begründet keine eigenständige Aufsichtspflicht, sondern setzt die gesetzliche Aufsichtspflicht der Eltern vielmehr voraus, die sich allgemein anerkannt aus den Vorschriften §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1631 Abs. 1 BGB ergibt und damit als gesetzliche Aufsichtspflicht Grundlage der Aufsichtshaftung aus § 832 BGB ist. Bereits daraus folgt zwingend der drittschützende Charakter der familienrechtlichen Aufsichtspflicht aus § 1631 BGB. Wenn man den Schutzzweck der familienrechtlichen Aufsichtspflicht nur auf das Kind beschränkt, dann wäre es widersprüchlich diese Aufsichtspflicht mit § 832 BGB in das Deliktsrecht zu transferieren und daran eine drittschützende haftungsrechtliche Verantwortlichkeit zu knüpfen. Zudem begründet § 832 BGB gerade einen Schadensersatzanspruch eines Dritten wegen Verletzung der Aufsichtspflicht, womit die Aufsichtsführung der Eltern zwangsläufig über den familieninternen Bereich hinaus auch in den „Außenbereich“ von Dritten hinein wirkt. Da sich gerade in dem Fall der Berührung der familienrechtlichen Aufsicht mit potentiell gefährdeten Dritten die umfassende familienrechtliche Aufsichtsführung der Eltern in ihrem ursprünglichen verstandenen Sinne nicht ändert und sich in den zahlreichen alltäglichen Beaufsichtigungssituationen die Aufsichtsführung nicht in eine drittschützende deliktsrechtliche und in eine familienrechtliche Aufsicht aufspalten lässt, können die Eltern auch nicht auf verschiedene Art und Weise beaufsichtigen136. Die den ausschließlichen Kindesschutz befürwortende Ansicht führt zu einem unlösbaren Widerspruch, der sich unabhängig von der Anknüpfung der haftungsrechtlichen Aufsichtspflicht im Familienrecht daraus ergibt, dass die Bestimmung des Aufsichtsmaßes in § 1631 Abs. 1 BGB anhand der von der Rechtsprechung zu § 832 BGB entwickelten Kriterien erfolgt137. Außerdem ist insbesondere im Hinblick auf das Zusammentreffen von 25 Kindern in einer Kindergartengruppe davon auszugehen, dass die Eltern bei der Übertragung der Aufsicht durch Vertrag die Beaufsichtigung ihres Kindes auch auf den Schutz der anderen Gruppenkinder (Dritte im Sinne des § 832 BGB) vor Schäden erstrecken 133

RG Warn 1914 Nr. 217, S. 307 (308). BGH VersR 1965, 606 (607). 135 OLG Celle FamRZ 1998, 233. 136 So auch Schoof, S. 87; Bernau, S. 280. 137 RGRK/Wenz, § 1631 Rn. 16; MünchKomm/Huber, § 1631 Rn. 8–13; Soergel/ Strätz, § 1631 Rn. 15. 134

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wollen, die ihr Kind anrichten kann. Da die Beaufsichtigung des Kindes während des Aufenthaltes in einer öffentlichen Einrichtung unstreitig von den Eltern abgeleitet bleibt, ist es in sich widersprüchlich, wenn die Eltern eine auch auf den Drittschutz gerichtete Aufsicht übertragen können, sich der Schutzzweck ihrer familienrechtlichen Aufsichtspflicht darauf aber nicht erstreckt. Auch bei den Beratungen zu § 832 BGB bestand Einigkeit, dass die Aufstellung und Aufzählung der gesetzlichen Aufsichtspflichten nicht die Aufgabe des Deliktsrechts ist, sondern sich vielmehr aus den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Fachgebiete ergibt und daher von diesen wahrzunehmen ist138. Auch der Gesetzgeber hat neben dem Schutz des Kindes auch den Schutz Dritter von der familienrechtlichen Aufsichtspflicht in § 1631 Abs. 1 BGB umfasst gesehen139. Allein das Verständnis eines umfangreichen Schutzzweckes von § 1631 Abs. 1 BGB wird auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht. Die Beaufsichtigung ist neben der Erziehung ein Teil der Personensorge, die in § 1626 Abs. 2 BGB nicht nur einfach gesetzlich, sondern auch verfassungskonform konkretisiert wird. Das Erziehungsleitbild des § 1626 Abs. 2 BGB entspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes, welches die familienrechtliche Aufsicht im Hinblick auf die Entwicklung einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit des Kindes nicht nur auf seine Interessen beschränken darf, sondern wegen der gebotenen Rücksichtnahme auf Rechtsgüter anderer Menschen (Sozialgebundenheit des Menschen) auch auf den Schutz vor Gefährdung oder Verletzung Dritter durch das zu beaufsichtigende Kind zu erstrecken hat140. Da mit jeder Aufsichtsmaßnahme – wie im Folgenden noch ausgeführt wird – wegen der wechselseitigen Beeinflussung von Erziehung und Aufsicht auch eine erzieherische Wirkung verbunden ist, wird dem Kind letztlich auch vermittelt, dass kein Mensch die Rechtsgüter anderer verletzen darf (vgl. den Grundgedanken in Art. 2 Abs. 1 GG). Letztlich entspricht die Berücksichtigung des in § 1626 Abs. 2 BGB normierten Erziehungsziels bei der Bestimmung des gebotenen Maßes der Aufsichtspflicht in § 832 Abs. 1 BGB der ständigen Rechtsprechung, wobei diese Einwirkung allerdings von der Rechtsprechung in rechtlicher Hinsicht weder hergeleitet noch thematisiert wird141. Als Zwischenergebnis bleibt festzustellen, dass die von den Eltern abgeleitete familienrechtliche Aufsichtspflicht auch drittschützend ist, womit nunmehr der Schutzzweck der sich aus dem SGB VIII ergebenden Aufsichtspflicht dargestellt werden kann.

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Motive II, S. 735 = Mugdan II, S. 411. Mugdan IV, S. 400. 140 v. Münch/Kunig/Coester-Waltjen, Art. 6 Rn. 64. 141 Siehe zur Herleitung in der Literatur ausführlich Schoof, S. 75 ff.; Bernau, S. 277 ff. 139

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(2) §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII Der Inhalt der Leitnormen §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII entspricht im Wesentlichen dem in § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB festgelegten Erziehungsziel der Eltern. Diese Grundsatznormen können neben der vertraglichen Grundlage über den Begriff der Betreuung in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII in die Bestimmung des Aufsichtsmaßes einfließen. Der Schutzzweck der kinder- und jugendhilferechtlichen Aufsichtspflicht wird im Schrifttum zum SGB VIII kaum thematisiert. Einzig Gerstein führt aus, dass die Beaufsichtigung dem Schutz des Kindes und dem Schutz Dritter vor Schäden dient, die das Kind anrichten kann142. Unabhängig von den Vorschriften des SGB VIII hat nach Eckert der Mitarbeiter in den Einrichtungen für Kinder- und Behindertenbetreuung die Minderjährigen so zu beaufsichtigen, das sie selbst und Dritte so weit wie möglich vor Schäden bewahrt werden143. Das Landgericht Berlin hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Kind in einer Kindertagesstätte durch ein anderes Kind während des Spiels mit einer Eisenstange verletzt wurde. Der Schmerzensgeldanspruch des verletzten Kindes wurde nicht auf § 832 BGB, sondern auf §§ 823 Abs. 1, 831, 847 BGB gestützt. Die Kammer wies die Klage ab, weil der Kläger nicht nachweisen konnte, dass das Personal der Kindertagesstätte des beklagten Landes Berlin seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Das Gericht führte in seinen Entscheidungsgründen aus, dass es insbesondere zu der Schutzpflicht der Erzieher in der Kindertagesstätte gehöre, die Kinder zu beaufsichtigen und sie hierbei auch vor Schädigungen durch andere Kinder zu bewahren. Dies sei für die Aufsichtspflichten von Lehrern anerkannt144. Dass neben dem Kindesschutz auch der Schutz Dritter von der Aufsichtspflicht in einer öffentlichen Einrichtung umfasst ist, lässt sich ferner mit der in § 823 Abs. 1 BGB statuierten allgemeinen Rechtspflicht, Schädigungen Dritter zu vermeiden, begründen, da § 832 BGB einen Sonderfall der Verkehrspflichtverletzung regelt145. Darüber hinaus lässt sich der Drittschutz auch durch die verfassungsrechtlichen Bindungen begründen, die ihr 142

Fieseler/Schleicher/Busch/Gerstein, GK-SGB VIII, § 22a Rn. 6. Eckert, S. 130. 144 LG Berlin Urteil vom 08.12.1976, Az.: 7 O 247/75, n. v., zitiert nach Preissing/ Prott, Hdb. für Erzieherinnen, S. 302 f. 145 OLG Düsseldorf VersR 1976, 1133 (1134). In einem vom BGH VersR 1957, 340 f., entschiedenen Fall, in dem ein 3-jähriger Junge ein 4 Jahre altes Kind in einem Kinderheim mit einer Schaufel ins Auge geschlagen hat, wurde die Aufsichtspflichtverletzung – gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB – der Erzieherin bejaht. Der Senat führt in den Gründen aus, dass sich die Pflicht der Beaufsichtigung der Kinder nicht nur aus dem mit dem Träger abgeschlossenen Vertrag ergebe. Die Erzieherin habe vielmehr auch aufgrund der Stellung, die sie als Kindergärtnerin in der Heimgemeinschaft inne hat, auch die allgemeine Rechtspflicht, die Kinder im Heim vor Schaden zu bewahren. Das OLG München NJW 1966, 404 (405), führt hinsichtlich der Aufsichtspflicht eines offenen Pflegeheimes aus, dass die Aufsichtspflicht auf Gesetz oder Vertrag beruhen oder sich auch aus der allgemeinen Rechtspflicht ergeben könne, Schädigungen Dritter zu vermeiden. 143

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der soziale Rechtsstaat bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben auferlegt. Der mit der Beaufsichtigung zu gewährleistende Drittschutz ist bei der Aufsichtsführung in einer öffentlichen Kindertageseinrichtung insofern verschärft wahrzunehmen, weil auch die anderen minderjährigen Kinder anspruchsberechtigte Dritte im Rahmen der Aufsichtshaftung sind. Das OLG Karlsruhe führt in einem Urteil, in dem die Eigentümer eines an einen von der beklagten Gemeinde betriebenen Waldkindergartens angrenzenden Grundstücks Schadensersatz wegen Verletzung von Aufsichtspflichten durch Kindergärtnerinnen im Dienst der beklagten Gemeinde verlangen, aus, dass sich wegen der Gruppendynamik die Kinder größeren Verletzungsgefahren aussetzen und auch tendenziell eher zu Dummheiten neigen, die auch Dritte schädigen könnten146. Die Aufsichtsführung in einer Kindertageseinrichtung hat damit zwangsläufig in jeder Aufsichtssituation einen Drittbezug. Daraus folgend lässt sich im Hinblick auf die Schutzrichtung der Aufsicht ohnehin nicht trennen, ob die Aufsichtsmaßnahme lediglich das einzelne Kind oder die anderen Gruppenkinder vor potentiellen Gefahren schützen soll. Ist die Rechtsbeziehung zwischen der Kommune und den Eltern bzw. Kindern dagegen öffentlich-rechtlich geregelt, so wird die Aufsichtspflicht als Amtspflicht wahrgenommen, mit der Folge, dass als Haftungsgrundlage der Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG einschlägig ist. Die Aufsichtspflicht als Amtspflicht schützt neben dem zu beaufsichtigenden Kind auch die Allgemeinheit vor Schäden durch die Aufsichtsbedürftigen. Zu dem Katalog der Amtspflichten, deren Verletzung einen Amtshaftungsanspruch auslösen kann, gehört unter anderem die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln. Der Amtswalter hat die Gesetze zu beachten und deliktische Schädigungen zu unterlassen. Eine Verletzung der deliktsrechtlichen Aufsichtspflicht zu Lasten eines Dritten ist damit zugleich auch eine Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht. Ebenfalls und ausschließlich drittschützend ist die Amtspflicht zur Schonung unbeteiligter Dritter, auf die sich die außerhalb der Einrichtung geschädigten Dritten berufen können147. Ebenso wie bei der Aufsichtsführung im rein privatrechtlichen Bereich ist auch in der Rechtsprechung zur Aufsicht in öffentlichen Kindertageseinrichtungen die Berücksichtigung des auch in der institutionalisierten Erziehung zu beachtenden Erziehungsziels bei der Bestimmung des Aufsichtsmaßes anerkannt148.

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OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428). Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 779. 148 Bei den nachfolgend genannten Entscheidungen wurde der Amtshaftungsanspruch, § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG, als Haftungsgrundlage angenommen: OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 f.; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/ 99, im Volltext unter http://www.beck-online.de; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803. 147

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(3) Zusammenfassung Hinsichtlich der privatrechtlichen Wahrnehmung der Aufsichtspflicht einer öffentlichen Einrichtung war wegen der fehlenden originären Erziehungs- und Aufsichtspflicht von kommunalen Erziehungseinrichtungen in die Betrachtung, ob das Erziehungsziel bei dem Umfang der Aufsichtspflicht mitbestimmend ist, auch die familienrechtliche Aufsichtspflicht als Ausgangspunkt mit einzubeziehen, da diese durch Vertrag übertragen und erst dadurch die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe des Kinder- und Jugendhilferechts im Rahmen der Leistungsverwaltung ermöglicht wird. Da der Auffassung gefolgt wird, die neben dem Kindesschutz auch den Schutz Dritter von der familienrechtlichen Aufsichtspflicht umfasst sieht und den Staat als öffentliche Fürsorgeeinrichtung ebenfalls eine Pflicht zum Schutz von außenstehenden Dritten trifft, kann bei der Prüfung des Umfanges der gebotenen Aufsichtsführung auch das Erziehungsziel als regulierendes Korrektiv Berücksichtigung finden. Beim Amtshaftungsanspruch nehmen die Erzieherinnen bei der Ausübung der Aufsichtspflicht gegenüber den Kindern und außenstehenden Dritten ein öffentliches Amt im Sinne von § 839 BGB wahr. bb) Verhältnis von Aufsichtspflicht und Erziehungsziel Auch wenn Aufsicht und Erziehung der öffentlichen Einrichtung anvertraut wurden, so sind beide Aspekte auch und gerade im Hinblick auf die Schutzrichtung und den Haftungsgrund der Aufsichtspflichtverletzung voneinander abzugrenzen. Anknüpfungspunkt der Haftung aus § 832 BGB ist nicht ein Erziehungsversagen, sondern die Verletzung der Aufsichtspflicht149. Gegen die Haftung für ein Erziehungsverschulden spricht bei der Ausübung von Erziehung durch einen öffentlichen Träger insbesondere, dass der institutionalisierten Erziehung kein eigenständiges elternkonkurrierendes, sondern ein abgeleitetes elternunterstützendes Erziehungsrecht zur Seite steht, dessen Fehlen gerade keine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit begründen kann. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Aufgaben der öffentlichen Erziehung nicht miteinander vereinbar zu sein. Die Aufsichtsperson, die den gesetzlichen Auftrag, das Kind und die Allgemeinheit vor Schäden zu bewahren, unbedingt erfüllen will, wird möglichst allen Gefahren durch andauernde Belehrungen, eingehende Verhaltensregeln und ständige Bewachung vorzubeugen versuchen. Damit werden zwar manche Gefahrensituationen vermieden, aber dem Kind wird gleichzeitig auch jede Entwicklung zur Selbständigkeit verwehrt. Sowohl der gesetzlich normierte Erziehungsauftrag als auch das Erziehungsziel können so nicht erfüllt werden. Nicht die Vermeidung jeglichen Risikos ist der Auftrag der Erzieherin, sondern die Erwei149 Soergel/Krause, § 832 Rn. 17; RGRK/Kreft, § 832 Rn. 11; OLG Koblenz VersR 1980, 752 (753).

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terungen der kindlichen Kompetenzen bis hin zur eigenständigen Persönlichkeit. Aufgrund der Übertragung der Erziehungsbefugnis als Teil der elterlichen Sorge, die sich ebenfalls an dem für Eltern geltenden Erziehungsleitbild und den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientiert, würden sich die Erzieher damit sogar insgesamt vertragswidrig verhalten. In Literatur150 und Rechtsprechung151 besteht Einigkeit, dass die Aufgaben „Aufsicht“ und „Erziehung“ nicht isoliert nebeneinander stehen. So finden sich in Entscheidungen zu Aufsichtspflichtverletzungen in öffentlichen Kindergärten immer häufiger folgende Ausführungen: „Das Maß der Aufsicht muss mit dem Erziehungsziel, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zum selbständigen verantwortungsbewussten Handeln einzuüben, in Einklang gebracht werden152.“ Daraus wird ersichtlich, dass der Erziehungsauftrag das Maß der gebotenen Aufsichtsmaßnahmen mitbestimmt und regulierend beeinflusst153. Da Selbständigkeit und Selbstverantwortung insbesondere unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes konstituierende Elemente im Erziehungsprozess sind, darf das Recht auf Erziehung zur Selbständigkeit nicht vorschnell den Schutzinteressen Dritter aufgeopfert werden. Entscheidend kommt hinzu, dass Kindergärten heute den Verlust der kindlichen Erfahrungsräume ausgleichen helfen sollen. Im Achten Jugendbericht der Bundesregierung wurde hierzu ausgeführt: „Die Bedeutung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen nimmt angesichts zurückgehender Kinderzahlen in Familie und Nachbarschaft und angesichts der Entwertung des öffentlichen Raumes als Spielraum für Kinder zu. Kinder sind heute weitgehend aus dem öffentlichen 150 Die Ausführungen in der Literatur beziehen sich fast ausschließlich auf die enge Verknüpfung der elterlichen Aufsichts- und Erziehungspflicht. Lediglich Staudinger/ Belling, § 832 Rn. 80, sowie Eckert, S. 2 f., nennen in diesem Zusammenhang auch die öffentlichen Einrichtungen. Da die Einrichtung für die Zeit des dortigen Aufenthaltes der Kinder die Erziehung übernimmt und das gesetzliche Erziehungsleitbild identisch ist, können die Ausführungen der übrigen Literaten zu der Beziehung zwischen Aufsicht- und Erziehungspflicht auf die institutionalisierte Erziehung übertragen werden. Da sowohl Schoof, S. 88 ff., als auch Bernau, S. 282 f. die einzelnen Meinungen im Schrifttum zu dem Verhältnis zwischen elterlicher Aufsichts- und Erziehungspflicht bereits umfassend aufgeführt haben, wird auf eine erneute Darstellung verzichtet. 151 OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http://www.beck-online.de; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 ff. Aufsichtpflicht über Grundschüler: OLG Düsseldorf VersR 1997, 314. Aufsichtspflicht über 15-jährigen Schüler: OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620. Aufsichtspflicht über ein 10-jähriges Kind in einem Kinderheim: OLG Düsseldorf Urteil vom 24.06.1993, Az.: 13 U 88/92, OLG Düsseldorf OLGR 1993, 256 (Ls.). Aufsichtspflicht von Betreuern eines Ferienlagers über 11–15 Jahre alte Kinder: OLG Hamm FamRZ 1995, 167. 152 OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428); OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http:// www.beck-online.de. 153 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 80.

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Raum verschwunden. Unter diesen Bedingungen sind Kinder auf Orte wie Tageseinrichtungen angewiesen, um in kontinuierlichen Gruppen elementare Sozialerfahrungen machen zu können. Tageseinrichtungen für Kinder bekommen zunehmend die Funktion, zu Orten zu werden, an denen Kinder andere Kinder treffen und in denen solchen Erfahrungen Raum gegeben werden muss, die sich früheren Generationen außerhalb der Aufsicht von Erwachsenen in der Geschwistergruppe, in der Nachbarschaft und auf der Straße erschlossen haben154.“ Auf der anderen Seite dürfen die Erziehung und der pädagogische Handlungsfreiraum die berechtigten Schutzinteressen Dritter nicht schlechthin verdrängen. Kinder können aber nur dann Risiken und Gefahren selbständig bewältigen, wenn ihnen der pädagogische Freiraum belassen wird, eigenständig zu lernen, mit den Gefahren umzugehen. Diese Überlegungen entsprechen den modernen gesetzlichen Leitbildern der Erziehung, die im Laufe der Zeit wegen der sich verändernden pädagogischen, sozialen und gesellschaftlichen Beurteilungsmaßstäbe einem Wandel unterlegen haben. Bereits mit Inkrafttreten des KJHG wurde den Kindergärten ein eigenständiger, aber nicht elternkonkurrierender Erziehungsauftrag zugesprochen. Bestimmend für die Inhalte von Erziehung für Eltern und öffentliche Einrichtungen ist, dass die Kinder individuelle Förderung erfahren. Das Gebot der Förderung beinhaltet, Kinder an neue Erfahrungen heranzuführen. Ihre Wissens- und Handlungskompetenz soll erweitert und ihre Selbständigkeit ausgebaut werden155. Dies dient zugleich dem Drittschutz. Untrennbar mit diesen pädagogischen Zielsetzungen verbunden ist, dass sich die Kinder im Rahmen ihrer Fähigkeiten bewegen und auch frei entfalten können. Die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht kann daher nicht bedeuten, die Kinder zu jeder Zeit möglichst umfassend zu behüten, zu bewachen und zu kontrollieren. Auch ist seit langem die körperliche Züchtigung in erzieherisch tätigen Einrichtungen kein erlaubtes Mittel zur Durchsetzung von Geboten und Verboten mehr. Gerade in einer Zeit, in der die Freiräume der Kinder gefährdet sind, dürfen diese aus Angst vor Risiken nicht noch weiter eingeschränkt werden. Wichtiger als eine ausschließlich auf den Moment zielende Absicherung ist die langfristig angelegte, aktive Vorbereitung der Kinder auf den Umgang mit Gefahren. Es wäre ein Widerspruch, Kindern das Aufwachsen in einer Risikogesellschaft zuzumuten und sie zugleich daran zu hindern, mit den damit verbundenen Anforderungen und Risiken (altersentsprechend) umzugehen. Jedes Kind kommt bekanntlich irgendwann zwangsläufig in eine gefährliche Situation, die es dann wegen der übervorsichtigen Erziehung aber nicht zu meistern im Stande ist. Ein solches überbehütendes Fernhalten von jeglicher Gefahr wird von den Entwicklungspsy-

154 Achter Jugendbericht, Dt. Bundestag 11. Wahlperiode, Drucksache 11/6576 vom 06.03.1990 aus dem Bericht der Sachverständigenkommission unter Leitung von Prof. Dr. Hans Bertram. 155 Preissing/Prott, Hdb. für Erzieherinnen, S. 58.

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chologen durch den Begriff „overprotection“ definiert156. Der Erziehungsauftrag muss dann als gescheitert angesehen werden. Da Risiken ohnehin unvermeidbar sind, müssen Kinder vor allem in geeigneter Form auf die Beherrschung von Risiken vorbereitet werden. Der Umgang mit Gefahrensituationen muss unter entsprechender Anleitung erlernt und wiederholt geübt werden. Nur dadurch kann das Lernziel, sich auch in gefährlicheren Situationen richtig zu verhalten, erreicht werden. Damit hat auch die Aufsichtspflicht an Bedeutung gewonnen. Früher stand bei einem Kindergartenaufenthalt im Wesentlichen Pflege und Versorgung der Kleinkinder im Vordergrund. Heute steht die Förderung der emotionalen, psychischen und sozialen Entwicklung im Mittelpunkt der Arbeit, die im besonderen Maße Aktivität impliziert. Diese Form pädagogischer Arbeit entspricht nicht nur dem gesetzlich normierten Erziehungsauftrag, sondern ist zum Allgemeingut geworden. In der bereits zitierten richtungsweisenden Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1976 hat der Senat die Erziehung zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Gefahren propagiert, wodurch das Kind in seiner Entwicklung gefördert wird157. Auch das OLG Hamburg führt in seinen Entscheidungsgründen aus: „Auch in der normalen Familienerziehung sind die Kinder von mancherlei Gefahren bedroht, von denen die Eltern sie auch bei Anwendung der üblichen Sorgfalt nicht schützen können. Jede Aufsicht findet ihre Grenzen in der Notwendigkeit, den Kindern ein ständig steigendes Maß von Freiheit zu gewähren. Ohne einen gewissen Spielraum der freien, d.h. unbeaufsichtigten Betätigung kann sich ein Mensch nicht zur Selbständigkeit entwickeln, auf die er angewiesen ist, um später im Leben bestehen zu können. Jede Freiheitsgewährung ist aber bei unausgereiften Menschen mit Gefahren verbunden. Diese müssen im Rahmen der Erziehung in Kauf genommen werden, da andernfalls die weit schwerwiegendere Gefahr besteht, dass ein ständig beaufsichtigtes Kind, wenn es bei Erreichung der Volljährigkeit aus der Aufsicht entlassen wird, plötzlich vor Aufgaben gestellt wird, denen es in keiner Weise gewachsen ist158.“ Auch die spätere Rechtsprechung wird in zunehmendem Maße von den heute geltenden Erziehungsleitbildern beeinflusst. In den Urteilen zu Aufsichtspflichtverletzungen in öffentlichen Einrichtungen wird ausgeführt: Das Maß der Aufsicht müsse mit dem Erziehungsziel, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zum selbständigen verantwortungsbewussten Handeln einzuüben, in Einklang gebracht werden. Dieser erwünschten Persönlichkeitsentwicklung wäre eine dauernde Überwachung hinderlich; deshalb dürften und müssten Kindern in diesem Alter im Rahmen einer verantwortlichen Erziehung auch Freiräume eingeräumt werden, bei denen ein sofortiges Eingreifen 156 Auch von der juristischen Kommentarliteratur ist der Begriff „overprotection“ übernommen worden: MünchKomm/Huber, § 1631 Rn. 8; Staudinger/Salgo, § 1631 Rn. 43. 157 BGH NJW 1976, 1684. 158 OLG Hamburg Urteil vom 22.06.1965, Az.: 7 U 38/65, n. v.

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des Aufsichtspflichtigen nicht mehr möglich ist159. Den Aufsichtspflichtigen steht bei der Auswahl der Aufsichtsmaßnahmen ein gewisser Freiraum für vertretbare pädagogische Maßnahmen zu160. Mit dem Begriff der Aufsichtspflicht bestimmt das Recht daher nicht die pädagogischen Inhalte erzieherischen Handelns, sondern zeigt lediglich die Grenzen erzieherischen Ermessens auf, die aufgrund der berechtigten Schutzinteressen des Kindes und der Allgemeinheit nicht überschritten werden dürfen. Mit Einhaltung der pädagogischen Grenzen ist zugleich der von der Rechtsprechung postulierte Einklang zwischen Aufsicht und Erziehungsziel geschaffen161. cc) Praxisgestaltung In einigen Bereichen wird der Sicherheitsaspekt der vom Staat bzw. der Kommune betriebenen Einrichtung durch die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften gewährleistet, die in einigen Bereichen den äußeren Rahmen der zu beachtenden Anforderungen an die Aufsichtspflicht vorgeben162. Neben dem Erlass von Unfallverhütungsvorschriften werden von den Gemeindeunfallversicherungsverbänden regelmäßig Seminare veranstaltet, die auch den Themenkreis der Aufsichtspflichtverletzung behandeln. Gemäß § 23 Abs. 1 SGB VII haben die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Verpflichtung, solche Seminare abzuhalten. An diesen Seminaren nehmen Leiter und Mitarbeiter von Kindertagesstätten teil. Um diese Arbeit auch praxisnah gestalten zu können, hat die Verfasserin neben den mit Leiterinnen und Erzieherinnen von kommunalen Kindertagesstätten geführten Gesprächen an einem Seminar des Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes (seit 01.01.2008 Unfallkasse NW) mit dem Thema Kindertageseinrichtungen (Grundkurs) teilgenommen. Zu dem Punkt Merkmale der Aufsichtsführung wurde auf Folgendes hingewiesen163: 159 OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http://www.beck-online.de; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428). Aufsichtpflicht über Grundschüler: OLG Düsseldorf VersR 1997, 314. Aufsichtspflicht über 15-jährigen Schüler: OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620. Aufsichtspflicht über ein 10-jähriges Kind in einem Kinderheim: OLG Düsseldorf Urteil vom 24.06.1993, Az.: 13 U 88/92, OLG Düsseldorf OLGR 1993, 256 (Ls). Aufsichtspflicht von Betreuern eines Ferienlagers über 11–15 Jahre alte Kinder: OLG Hamm FamRZ 1995, 167. 160 OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428); siehe zur Heimunterbringung: OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 (858); OLG Hamm NJW-RR 1988, 798; siehe zur stationären jugendpsychologischen Behandlung in einer offenen Klinikabteilung OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (409). 161 Eine andere Ansicht im Schrifttum, die sich mit der elterlichen Aufsichtspflicht befasst, geht vom Vorliegen einer Pflichtenkollision der Eltern aus, die durch die Vorrangstellung des § 1626 Abs. 2 BGB aufgelöst werde: Schoof, S. 94 f.; Fuchs, S. 157; Großfeld/Mund, FamRZ 1994, 1504 (1507); Jayme, S. 154; Deerberg, S. 43 f. 162 Oben § 6 I. 2. f) aa); g). 163 Rheinischer Gemeindeunfallversicherungsverband, Ordner zu dem Seminar: Kindertageseinrichtungen (Grundkurs), n. v.

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„> Kontinuierlich Ununterbrochene Aufsicht, damit die Kinder sich jederzeit beaufsichtigt fühlen. > Aktiv Darauf achten, dass Warnungen und Weisungen eingehalten werden. > Präventiv Aufsicht umsichtig und vorausschauend wahrnehmen.“

Unter dem weiteren Unterpunkt Grundsätze der Aufsichtsführung wurde erläutert: „> jedes Kind unterliegt der Aufsichtspflicht, > zeitliche Dauer umfasst alle Veranstaltungen, > Organisation der Aufsicht ist Aufgabe der Leitung, > Aufsicht muss von den Mitarbeiter/-innen wahrgenommen werden, > alle denkbaren Maßnahmen ergreifen, um Schäden zu vermeiden, > Aufsicht muss kontinuierlich, aktiv und präventiv sein.“

Erschreckenderweise findet sich bei den an Leiter/-innen und Mitarbeiter/-innen einer Kindertageseinrichtung gerichteten Leit- und Merksätze mit keinem Wort der neben der Aufsicht zu verwirklichende Erziehungsauftrag, geschweige denn wie Aufsichtspflicht und Erziehungsauftrag miteinander in Einklang zu bringen sind. Aus zahlreichen Gesprächen mit Leiterinnen und Erzieherinnen einer Kindertageseinrichtung hat sich ergeben, dass das Thema Aufsichtspflicht große Verunsicherung und teilweise auch Überängstlichkeit wegen befürchteter Haftungsfolgen sowie Vorwürfe der Eltern und des Trägers der Einrichtung verursacht. Die Verunsicherung resultiert zunächst daraus, dass die Erzieherinnen wegen fehlender gesetzlicher Anhaltspunkte hinsichtlich der Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht nicht genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Dass Rechtsprechung und Literatur den erforderlichen Umfang der Aufsichtspflicht anhand von Einzelfällen überprüfen und sich auf diese Weise Maßstäbe für die Anforderungen an die Aufsichtspflicht herauskristallisieren, weiß das pädagogische Personal oftmals überhaupt nicht. Jedenfalls aber setzen sich Erzieherinnen nicht mit der Entwicklung der Rechtsprechung zu der Aufsichtspflicht in öffentlichen Einrichtungen auseinander. Sie orientieren sich vielmehr an den vom Träger der Einrichtung herausgegebenen Richtlinien und Dienstanweisungen, die sich aber zumeist nicht mit der allgemeinen Frage der Aufsichtspflicht beschäftigen, sondern häufig nur die Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen einzelner Bereiche regeln164. Besonders problematisch wird es dann, 164 So existiert beispielsweise eine Dienstanweisung der Stadt Köln (Einsatz von Autoreifen vom 19.08.2004, n. v.), gerichtet an die Leiter/-innen der städtischen Tageseinrichtungen für Kinder, die den Einsatz von Autoreifen als Spielgeräte verbietet. Noch im vorläufigen Bildungsplan für Kindertagesstätten der Stadt Köln ist der Einsatz von Autoreifen für den Bereich Bewegung als Anregung bei der Materialausstattung aufge-

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wenn die Unfallversicherungsträger das die Aufsichtspflicht beschränkende Merkmal des Erziehungsauftrages und Erziehungsziels, die Kinder zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu erziehen, außer Acht lassen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in der Praxis häufig die Sicherheitsinteressen und damit die Aufsichtspflicht über die in den Hintergrund geratene Erziehungsaufgabe gestellt werden. Die bestehende Verunsicherung steigt weiter, wenn sich die Erzieherinnen die Frage stellen, wie sie den Empfehlungen der Unfallversicherungsträger nachkommen sollen, da allein aufgrund der mangelnden personellen Besetzung eine Überwachung eines jeden Kindes auf „Schritt und Tritt“ nicht gewährleistet werden kann. Trotz des – im Vergleich zu den Eltern – geringeren Ermessensspielraums hinsichtlich des Erziehungsauftrages der öffentlichen Einrichtung ändert sich jedoch nichts an dem auch für Erzieherinnen geltenden Erfordernis, die pädagogischen Gesichtspunkte zur Erfüllung des Erziehungsauftrages und die Sicherheitsaspekte zur Gewährleistung der Aufsichtspflicht im konkreten Einzelfall gegeneinander abzuwägen und in Einklang zu bringen, was gleichzeitig impliziert, dass weder Aufsichtspflicht noch Erziehungsauftrag verdrängt werden dürfen. Was die formalen Sicherheitsmaßnahmen betrifft, so hat sich die Einrichtung an die jeweiligen Dienstanweisungen und Richtlinien des Trägers sowie an die Unfallverhütungsvorschriften des Unfallverbandes zu halten, da diese den Mindeststandard an Unfallverhütung gewährleisten. dd) Beispielsfall Eine Erzieherin möchte als Teil der ihr obliegenden Erziehungspflicht mit den Kindern eine Waldschule besuchen, um den Kindern die Angst vor Insekten zu nehmen und ihnen den Umgang mit Kleintieren näher zu bringen. Bei dieser Exlistet worden. Eine Überprüfung hat dann ergeben, dass die Verwendung von Autoreifen (neu/alt) als Spielgerät in Kindergärten vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin sehr kritisch gesehen und von einer Verwendung, insbesondere in Innenräumen, abgeraten wird. Die in Autoreifen verwendeten chemischen Stoffe haben zum Teil eindeutig krebserzeugendes und allergenes Potential. Das Jugendamt als Träger der Kindergärten der Stadt Köln bittet zur Vermeidung von möglichen gesundheitlichen Gefährdungen für die Kinder, auf den Einsatz von Autoreifen und Autoschläuchen in den Kindertagesstätten zu verzichten und die bereits vorhandenen Autoreifen vorsorglich zu entsorgen. Dagegen enthält die Dienstanweisung über Gefahrenstoffe in Kindergärten (Gefahrenstoffe in Kindertagesstätten vom 25.01.2002, n. v.) indirekt auch eine Regelung über die Ausübung der Aufsichtspflicht. Der Arbeitssicherheitstechnische Dienst hat bei Begehungen von Kindergärten verschiedene Gefahrenstoffe, wie u. a. Spiritus, Lacke, Lösungsmittel, Umdruckflüssigkeit (Kopierflüssigkeit) und Reinigungsmittel vorgefunden. Der Arbeitssicherheitstechnische Dienst moniert, dass oft sorglos mit diesen chemischen Produkten umgegangen wird und diese nicht selten den Kindern zugänglich sind. In dieser Dienstanweisung weist der Träger der städtischen Kindertagesstätten darauf hin, dass alle Gefahrenstoffe, für Kinder nicht erreichbar, in einem abschließbaren Raum bzw. Schrank, aufbewahrt werden müssen.

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kursion muss sie die Kinder auch so beaufsichtigen, dass weder die Kinder noch Dritte durch die Kinder zu Schaden kommen. Da die Aufsichtspflicht und die Erziehungspflicht in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, ist zu überlegen, wie die Erzieherin die Kinder beaufsichtigen muss, ohne ihre Erziehungspflicht zu verletzen, und wie sie die Kinder erziehen muss, ohne gleichzeitig ihre Aufsichtspflicht zu verletzen. Denn Wechselbeziehung bedeutet gerade nicht, dass nur die Aufsichtspflicht den Inhalt der Erziehungspflicht beeinflusst oder nur die Erziehungspflicht den Inhalt der Aufsichtspflicht. Der Erzieherin wäre es im Hinblick auf ihre Erziehungsaufgabe nicht zumutbar, von dem Besuch der Waldschule abzusehen, nur weil diese Exkursion abstrakt mehr Gefahrenpotential in sich birgt, als ein Spiel im Kindergarten. Die Möglichkeit einer Verletzung der Aufsichtspflicht erhöht sich auch dann, wenn die Erzieherin mit der Kindergruppe die Waldschule besucht, ohne zuvor an die Schadensrisiken zu denken und ihrer Verwirklichung vorzubeugen. Eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht würde in diesem Fall bedeuten, dass die Besichtigung der Waldschule so vorzubereiten und so durchzuführen ist, dass sich das abstrakte Schadensrisiko minimiert. Dazu sollte die Aufsichtsperson zunächst sicherstellen, dass sie die von dem Träger herausgegebenen Richtlinien und Dienstanweisungen für die Durchführung einer Exkursion beachtet. Bereits hieraus werden sich einige Anforderungen (z. B. Anzahl der Begleitpersonen) ergeben, die einer Aufsichtspflichtverletzung vorbeugen. Die Erzieherin sollte die Waldschule vorher besuchen, um sich einen Überblick über die Besonderheiten der Örtlichkeit zu verschaffen. Anhand dieser gewonnenen Eindrücke sind dann die Kinder auf den Besuch in der Waldschule vorzubereiten. Solche Anforderungen werden von Eltern nicht erwartet. Aus Gesprächen mit Kindergartenleiterinnen hat sich ergeben, dass viele von ihnen solche Ausflüge nicht durchführen, da die Angst vor Sicherheitsrisiken, der Gefahr, die Aufsicht nicht gewährleisten zu können, und den damit verbundenen potentiellen Folgen, zu hoch ist. Insofern muss man auch hinsichtlich des pädagogischen Auftrages, der sich auf Aktivitäten außerhalb der Einrichtung bezieht, die Einschränkung machen, dass tatsächlich in der Praxis die Aufsichtspflicht die Erziehungspflicht in diesem Bereich häufig verdrängt. Festzuhalten bleibt, dass noch viel Aufklärungsarbeit hinsichtlich der von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht zu leisten ist, damit die Aufsichtsführung nicht dominierend von den Sicherheitsinteressen bestimmt wird und der Erziehungsauftrag und das Erziehungsziel vollständig verdrängt werden. d) Zusammenfassung Die zu Beginn aufgestellte Vermutung, dass als Folge der Ableitung der Elternrechte die öffentliche Aufsichtspflicht nicht über das Maß der elterlichen Aufsichtspflicht hinausgehen kann, ist widerlegt. Trotz des für institutionalisierte

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und elterliche Erziehung inhaltlich gleichlautenden Erziehungsziels ergibt sich hinsichtlich der Anforderungen an die Aufsichtspflicht gleichwohl Differenzierungsbedarf. Der staatliche Erziehungsauftrag sowie die bewusste Übernahme der Aufsichtspflicht durch öffentliche Einrichtungen verbieten bei der Ermittlung der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht die Berücksichtigung subjektiver Belange. Es ist allein die Anwendung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes geboten. Der Erfüllung des Erziehungsauftrages liegen bei öffentlichen Aufsichtspersonen auch nicht subjektive Erziehungsvorstellungen zu Grunde, da sich die Erziehung der Kinder hinsichtlich verbotener Erziehungsmaßnahmen nach den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben sowie nach den gesellschaftlich allgemein anerkannten Erziehungsmethoden richtet. Auch die von der Einrichtung zu beachtende Grundrichtung der von den Personensorgeberechtigten bestimmten Erziehung belegt die fehlende subjektive Ausrichtung der institutionalisierten Erziehung. Da bei einer öffentlichen Erziehungseinrichtung auch wegen der vertraglichen Übernahme der Aufsichtspflicht individuelle Belange die Zumutbarkeit nicht beschränken können, ist trotz des begrenzten Aufsichtsbereiches im Gegensatz zu der umfassenderen, aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG folgenden, elterlichen Aufsichtsund Erziehungspflicht wegen der konkreten Gefahr der Verletzung anderer Gruppenkinder und der im öffentlichen Recht wurzelnden besonderen Anforderung an staatliches Handeln insgesamt von erhöhten Anforderungen an die Aufsichtspflicht auszugehen. Insoweit sind auch nicht die von der Rechtsprechung für einzelne Kinder entwickelten Grundsätze zum Umfang der Aufsichtspflicht auf die Beaufsichtigung einer Gruppe von Kindern in einer öffentlichen Kindertageseinrichtung übertragbar. Auch hinsichtlich des unter Berücksichtigung des pädagogischen Auftrags zu konturierenden gebotenen Aufsichtsmaßes können zudem leicht verschärfte Anforderungen an eine öffentliche Erziehungseinrichtung gestellt werden. Da schon für die elterlichen Rechte und Pflichten gilt, dass Erziehung und Aufsicht in Einklang gebracht werden müssen, um das Ziel der eigenständigen verantwortungsbewussten Persönlichkeit anzustreben, müssen die pädagogischen Erfordernisse erst recht in einer Institution, die eigens der professionellen Erziehung von Kindern dient, gewährleistet werden. Bei Fehleinschätzungen in dieser Abwägung ist von einer erschwerten Entlastungsmöglichkeit auszugehen, da diese bei ausgebildetem pädagogischem Fachpersonal schwerer als bei Eltern wiegen. e) Unterschiedliche Erziehungsvorstellungen bei öffentlicher und privater Erziehung und Auswirkungen auf die Aufsichtspflicht Aus der Übertragung des Erziehungsrechts der Eltern kann nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Kinder in einer Tageseinrichtung erzieherisch zumindest nicht mehr eingeschränkt werden dürfen als zu Hause. Auch die öf-

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fentlichen Erzieher haben einen pädagogischen Auftrag, der mittels des der Einrichtung zu Grunde liegenden pädagogischen Konzeptes verwirklicht wird. So kann es zwischen öffentlicher und privater Erziehung zu unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen und Erziehungsmethoden kommen. Da der Erziehungsauftrag für die Anforderungen an die Aufsichtsführung mitbestimmend ist, kann sich eine Auseinandersetzung hinsichtlich der Frage der Erziehungsmethode zu einer Frage der Aufsicht zuspitzen. Gespräche mit Erziehern aus der Praxis haben offen gelegt, dass Konflikte über Umfang und Intensität der Aufsichtspflicht oftmals im Kern nicht ausgetragene Auseinandersetzungen über unterschiedliche pädagogische Vorstellungen und Erziehungsmethoden sind. In der Rechtsordnung und insbesondere den gesetzlichen Vorschriften des SGB VIII spiegelt sich dagegen eine Kollision zwischen institutionalisierter und privater Erziehung nicht wider. Nach § 9 Nr. 1 SGB VIII hat die öffentliche Erziehung bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben die von den Personensorgeberechtigten bestimmte Grundrichtung der Erziehung zu beachten. Die Beachtung der Grundrichtung der Erziehung ergibt sich auch aus der familienunterstützenden und -ergänzenden Funktion der Kinder- und Jugendhilfe sowie aus der verfassungsrechtlich verankerten vorrangigen Erziehungsverantwortung der Eltern. Die klärungsbedürftige Frage ist, ob von der zu beachtenden Grundrichtung der Erziehung auch die alltäglichen Aufsichtssituationen und die ihnen zugrunde liegenden Erziehungsmethoden erfasst werden, da es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der auf Einzelfallkonstellationen anzuwenden ist. Der Begriff Grundrichtung beinhaltet grundsätzliche und lebensbestimmende Entscheidungen. Darunter fallen Entscheidungen, die für den weiteren Lebensweg der Kinder prägend sind und diesen dauerhaft beeinflussen165. Als Beispiele sind die Ausbildung, Berufswahl, Aufenthaltsbestimmung und weltanschaulich-religiöse Fragen zu nennen166. Darunter können schon begrifflich die alltäglichen Erziehungsaufgaben nicht subsumiert werden. Außerdem liegt der Einrichtung ein pädagogisches Konzept zu Grunde, das den Eltern vorgestellt wird und mit welchem sie sich bei Abschluss des Betreuungsvertrages einverstanden erklärt haben. Da mit diesem Vertrag die Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder für die Dauer des Aufenthaltes der Einrichtung obliegt, werden mit Übertragung dieser Teilbereiche der elterlichen Sorge auch die zu deren Verwirklichung notwendigen Erziehungsmethoden konkludent der Einrichtung überlassen167. Eine andere Betrachtungsweise würde eine fachlich qualifizierte Arbeit der erzieherischen Einrichtung unterlaufen und den pädagogischen Freiraum unzulässig verkürzen, da die Eltern dann jede pädagogische Handlungsweise und die damit 165 166 167

Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 9 Rn. 4. Mrozynski, SGB VIII, § 9 Rn. 2. Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 9 Rn. 4.

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korrespondierende Aufsichtssituation zuvor genehmigen müssten. Dies ist bei einer Gruppenstärke von 25 Kindern ohnehin nicht realisierbar. Eine weitere faktische Grenze für die Berücksichtigung der individuellen Erziehungsvorstellungen der Eltern ergibt sich daraus, dass es sich um eine erzieherische Arbeit in einer Kindergartengruppe handelt. In einer pluralistischen Gesellschaft ist es jedoch unmöglich, allen elterlichen Erziehungsauffassungen und Erziehungsmodellen in umfassender Weise Rechnung zu tragen und sie bei der Ausgestaltung der Aufgaben und Leistungen der Jugendhilfe zu berücksichtigen168. In der praktischen Erziehungsarbeit findet mithin hinsichtlich des alltäglichen Erziehungsprozesses eine tatsächliche Begrenzung des Erziehungsrechts der Eltern statt. Kommt es allerdings tatsächlich zu Auseinandersetzungen zwischen den Eltern und dem Einrichtungsträger hinsichtlich Erziehungsvorstellungen, die auch das Maß der Aufsichtsführung entscheidend mitbestimmen, so können die Eltern bei Unvereinbarkeit der Erziehungsmethoden und fehlgeschlagener Einigung die Übertragung der Teilbereiche der elterlichen Sorge widerrufen und den Betreuungsvertrag kündigen. Um dies jedoch zu vermeiden, sieht das SGB VIII und auch die landesrechtliche Ausgestaltung im GTK NW eine Zusammenarbeit mit den Eltern vor. In diesem Kooperationsmodell ist es Aufgabe der Elternarbeit, Erziehungsinhalte zu thematisieren. § 22a Abs. 2 S. 2 SGB VIII sieht vor, dass die Erziehungsberechtigten an den Entscheidungen und wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung zu beteiligen sind. Der Wortlaut dieser Vorschrift bestätigt die für die praktische Arbeit einer Erzieherin unabdingbare Voraussetzung, dass die öffentliche Einrichtung im Rahmen der Erfüllung ihres pädagogischen Auftrages und Konzeptes Entscheidungen trifft und auch wesentliche Angelegenheiten hinsichtlich Erziehung und Beaufsichtigung regelt. Aus dem Inhalt des § 9 Nr. 1 SGB VIII folgt, dass die wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung nicht mit der Grundrichtung der Erziehung gleichgesetzt werden können. Im Gegensatz zu der Grundrichtung der Erziehung sind unter wesentlichen Angelegenheiten beispielsweise die Grundsätze oder Änderung des pädagogischen Konzeptes der Einrichtung, sachliche Ausstattung und die bauliche Gestaltung sowie die Öffnungszeiten zu verstehen169. Diese pädagogischen Kompetenzen begründen jedoch ebenfalls kein elternkonkurrierendes eigenständiges Erziehungsrecht, da der Vorrang der elterlichen Erziehung von der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe anerkannt und verfassungsrechtlich verbürgt ist170. Ferner werden im täglichen Erziehungs- und Beaufsichtigungsprozess ohnehin keine lebensbestimmenden Entscheidungen getroffen, welche die Grundrichtung der elterlichen Erziehung in ihrem Kernbereich tangieren können. Auf der anderen Seite wird durch § 22a Abs. 2 S. 2 SGB VIII noch einmal deutlich, dass die El168

Schellhorn, SGB VIII/KJHG, § 9 Rn. 6. Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 22 Rn. 11; Schellhorn/Fischer, SGB VIII/KJHG, § 22 Rn. 13. 170 Fieseler/Schleicher/Busch/Gerstein, GK-SGB VIII, § 22a Rn. 6. 169

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tern an Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten zu beteiligen sind, woraus im Umkehrschluss die Beteiligung an den alltäglichen Aufsichtssituationen einschließlich der damit verbundenen erzieherischen Maßnahmen zu verneinen ist. Diese Begrenzung des elterlichen Erziehungsrechts durch den Aufenthalt in einem öffentlichen Kindergarten ist hinzunehmen, da der zeitweilige Verlust von Teilen der elterlichen Personensorgebefugnisse von den Eltern gewollt ist und diese überdies an den die pädagogische Arbeit gewährleistenden Entscheidungskompetenzen der Erzieher beteiligt werden. Bereits mit der Auswahl der Einrichtung entscheiden die Eltern, ob sich das pädagogische Konzept der Einrichtung mit ihren Erziehungsvorstellungen vereinbaren lässt. Art und Inhalt der Elternbeteiligung wird in den Landesausführungsgesetzen mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Mitwirkung näher geregelt. Beispielhaft sind auch hier wieder die Vorschriften des GTK NW anzuführen, welche die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten konkretisieren. Nach § 2 Abs. 2 GTK NW hat der Kindergarten seinen Erziehungs- und Bildungsauftrag im ständigen Kontakt mit der Familie durchzuführen. Des Weiteren sieht das GTK NW die Bildung eines Elternrates vor. Dieser hat nach § 6 Abs. 2 GTK NW unter anderem die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den Erziehungsberechtigten, dem Träger der Einrichtung und den in der Einrichtung pädagogisch tätigen Kräften zu fördern und das Interesse der Erziehungsberechtigten für die Arbeit der Einrichtung zu beleben. Um die Zusammenarbeit zu gewährleisten, ist zudem in § 7 GTK NW ein Rat der Tageseinrichtung vorgesehen. Der Träger und die in der Einrichtung pädagogisch tätigen Kräfte bilden zusammen mit dem Elternrat den Rat der Tageseinrichtung. Dieser berät unter anderem die Grundsätze für die Erziehungs- und Bildungsarbeit. In § 7 Abs. 2 GTK NW betont der Landesgesetzgeber die Möglichkeit weitergehender Formen der Elternmitwirkung und ermuntert dazu, solche auch anzustreben. Festzuhalten bleibt, dass aus Sicht des Gesetzgebers aufgrund des Vorranges der elterlichen Erziehungsverantwortung und der angestrebten Zusammenarbeit zwischen Eltern und Einrichtung keine Konfliktlagen zwischen öffentlicher und elterlicher Erziehung entstehen. Zahlreiche Gespräche mit Erziehern haben gezeigt, dass es gleichwohl oftmals zu Konflikten über Erziehungsfragen kommt. Die Erzieher versuchen diesen Konflikten entgegenzuwirken, indem sie das pädagogische Konzept ausführlich und in schriftlicher Form vorstellen, die Eltern fortwährend informieren und bei außergewöhnlichen Aktivitäten die Einwilligung der Erziehungsberechtigten einholen. Zudem finden regelmäßig Elternabende statt, in denen über die unterschiedlichen Erziehungsvorstellungen diskutiert und versucht wird, eine Einigung zu erzielen. Lässt sich kein gemeinsamer Konsens finden, können die Eltern ihr Kind in letzter Konsequenz aus der Einrichtung nehmen. Denn letztlich bleibt es dabei, dass es weder eine Erziehung gegen den Willen der Eltern geben noch eine neue Erziehungsrichtung gegen den Willen der Eltern erzwungen werden kann.

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f) Erziehungserfolg Ein weiterer Teilaspekt der Wechselbeziehung zwischen Erziehung und Aufsicht ist, dass sich das Maß der anzuwendenden Aufsicht nach dem bisherigen Erziehungserfolg richtet. Der BGH führt in seiner viel zitierten Entscheidung zum Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht aus, dass es insbesondere von den Besonderheiten des Kindes und seinem Erziehungsstand abhänge, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden müsse. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Erziehungserfolg und das Maß der anzuwendenden Aufsicht in einer Wechselbeziehung stünden: Je geringer der Erziehungserfolg, umso intensiver müsse die Aufsicht und Überwachung sein171. Im Rahmen der Aufsichtspflicht der Eltern finden sich zahlreiche weitere Entscheidungen, in denen die Gerichte ausführen, die Aufsicht müsse um so intensiver sein, je geringer der bisherige Erziehungserfolg sei, da beide in Wechselbeziehung zueinander stehen172. In den Urteilen, die eine Aufsichtspflichtverletzung in Kindertagesstätten zum Gegenstand haben, findet sich der vorgenannte stereotype Satz nicht. In diesen Entscheidungen wird vielmehr die generalklauselartige Formel zitiert173. Zusätzlich wird darauf abgestellt, ob die Kindergartenkinder vor dem schädigenden Ereignis (Steinewerfen der Kinder) Verhaltensauffälligkeiten gezeigt haben174. Zu überlegen ist, ob in einer Kindertageseinrichtung der bisherige Erziehungserfolg das Maß der öffentlichen Aufsichtspflicht mitbestimmen kann. Hierzu bedarf es im Gegensatz zur elterlichen Aufsichtspflicht einer differenzierteren Betrachtung. Zunächst muss danach unterschieden werden, wie lange das Kind den Kindergarten besucht. Wurde das Kind gerade erst in die Einrichtung aufgenommen, stellt sich bei der Aufsichtsführung die Frage, ob auf den Erziehungserfolg der Eltern oder der Erzieherin abgestellt werden muss. Stellt man auf den Erziehungserfolg der Eltern ab, schließt sich die Problematik an, inwieweit sich die Erzieher darauf verlassen dürfen, dass eine derartige Erziehung in der Regel im Elternhaus erfolgt ist. Als Beispiel ist das Steinewerfen von Kindern zu nennen. Auch Kindergartenkindern ist die Gefahr der Entstehung von Schäden an Personen oder Sachen bei Steinwürfen bereits bewusst. Dies wird den Kindern erfahrungsgemäß von den Eltern schon im frühsten Kindesalter immer wieder einge171

BGH NJW 1984, 2574 (2575). BGH NJW 1980, 1044 (1045); OLG Hamm VersR 1990, 743 (744); OLG München VersR 1989, 1302; LG Saarbrücken NJW-RR 1991, 543 (544); LG Mannheim VersR 1999, 103. 173 OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http://www.beck-online.de; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428); OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75. 174 OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http://www.beck-online.de; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75. 172

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schärft und mit dem Verbot derartiger „Spiele“ verbunden. Bei nachgewiesenem Unterlassen der Erziehung der Eltern in diesem Punkt würde der Erzieher dann im Endeffekt für ein abstraktes Erziehungsverschulden der Eltern haften. Dieses Ergebnis kann nicht richtig sein. § 832 BGB normiert eine Haftung für ein Aufsichtsverschulden des Aufsichtspflichtigen in einer konkreten Situation. Demgegenüber ist ein Erziehungsverschulden haftungsrechtlich irrelevant175. Kommt es dennoch im Bereich des Kindergartengeländes dazu, dass Kinder mit Steinen werfen, gebietet es die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht, dass die Erzieher die davon ausgehenden Gefahren erneut erörtern und ein diesbezügliches Verbot aussprechen. Auch nach erfolgter Belehrung ist eine erhöhte Aufsicht gegenüber den betreffenden Kindern angezeigt. Daraus folgt, dass die Erzieherin bereits ab dem ersten Tag die konkrete Aufsichtspflicht zu gewährleisten hat. Umfang und Intensität der Aufsicht werden allerdings in diesem Stadium nicht durch das Kriterium des bisherigen Erziehungserfolges der Eltern mitbestimmt, da ausschließlich auf die Erzieherin abzustellen ist. Da diese zu Beginn jedoch den der öffentlichen Einrichtung zu Grunde liegenden Erziehungsauftrag noch nicht ausgeführt hat und auch das Kind und seinen Erziehungsstand in den jeweiligen Einzelsituationen noch nicht kennt, kann das Kriterium des Erziehungserfolges zu Beginn des Einrichtungsbesuches keine Anwendung finden. Konsequenz ist wiederum eine gesteigerte Aufsichtspflicht und damit eine Verschärfung der institutionalisierten Aufsicht gegenüber dem Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht. Je länger das Kind die Einrichtung besucht, desto mehr kann die Erzieherin hinsichtlich des Umfanges der Aufsichtspflicht auf ihren bisherigen Erziehungserfolg zurückgreifen. In diesem Stadium nähern sich die elterliche und die institutionalisierte Aufsichtspflicht bezüglich des Einflusses des bisherigen Erziehungserfolges auf das Maß der anzuwendenden Aufsicht wieder an. Eine Haftung der originär Erziehungsberechtigten für eine unterbliebene Erziehung scheitert bereits an dem Anknüpfungspunkt der Vorwerfbarkeit, eines denkbaren Erziehungsverschuldens, da zum einen die unmittelbare Aufsichtspflicht der Einrichtung obliegt und zum anderen § 832 BGB keine Haftung für ein Erziehungsverschulden normiert. Eine sog. mittelbare Aufsichtspflichtverletzung der Eltern kommt allenfalls unter dem Gesichtspunkt der unterlassenen Information über die im Elternhaus erfolgte Erziehung in Betracht. Ein solcher Fall ist jedoch, soweit ersichtlich, weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bisher diskutiert worden. Ein Anknüpfungspunkt für eine Verletzung der mittelbaren Aufsichtspflicht wird vielmehr angenommen, wenn Kinder relevante Verhaltensauffälligkeiten zeigen, die Einrichtung von den Eltern darüber aber nicht informiert wurde. Übertragen auf die vorliegende Konstellation kann keine Mittei-

175

Eckert, S. 1.

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lungspflicht über den Erziehungsstand im Allgemeinen bestehen, da der Erziehungsauftrag zahlreiche Bereiche und Themen umfasst, so dass die Mitteilungsund Informationspflicht ausufern würde. Ein haftungsrechtlich relevanter Ansatz kann daher nur dann angenommen werden, wenn sich der Erziehungsmisserfolg erkennbar manifestiert. Dann besteht für die Erziehungsberechtigten hinreichender Anlass, die Einrichtung über die aufgetretenen Schwierigkeiten im Erziehungsprozess zu informieren. Da sich dieses Erziehungsdefizit häufig durch Verhaltensauffälligkeiten des Kindes äußert, kann die Information über einen Erziehungsmisserfolg unter die Fallgruppe der Mitteilungspflicht über Besonderheiten im Verhalten des Kindes subsumiert werden.

5. Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht Abhängig von den in jedem Einzelfall vorliegenden Bestimmungsfaktoren der Aufsicht und der Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen Dritter und dem öffentlichen Erziehungsauftrag, stehen der Aufsichtsperson Aufsichtsmaßnahmen unterschiedlicher Art und Intensität zur Verfügung. Die Aufsichtsmaßnahmen lassen sich im Wesentlichen in vier Gruppen aufteilen, die wegen ihrer unterschiedlichen Beschränkungen für das Kind und den Erzieher in einer Art Stufenverhältnis stehen176. Bei der Beaufsichtigung von Kindern im Kindergartenalter ist eine präventiv vorausschauende Aufsichtsführung von wesentlicher Bedeutung. Es bedarf einer generellen Aufmerksamkeit, damit Situationen rechtzeitig erfasst werden, die aufgrund der Unerfahrenheit von Kindern in dieser Altersstufe für Dritte zu einer Gefahr werden können. Bei älteren Kindern steht im Gegensatz dazu die Beaufsichtigung wegen eines konkreten Anlasses im Vordergrund. Unabhängig von der privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses unterliegen die in einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform betriebenen öffentlichen Einrichtungen den Bindungen des öffentlichen Rechts. Die öffentliche Einrichtung hat die Grundrechte und die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts zu beachten. Danach müssen die Aufsichtsmaßnahmen den Anforderungen an ermessensfehlerfreies und verhältnismäßiges Handeln genügen. Die Schutz- und Sicherheitsinteressen Dritter sind im konkreten Einzelfall mit den Rechten des aufsichtsbedürftigen Kindes und dem Erziehungsziel abzuwägen. Dabei steht der Aufsichtsperson ein gewisser Freiraum für vertretbare pädagogische Maßnahmen zu177. Stehen verschiedene gleich effektive Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden zur Wahl, ist diejenige verhältnismäßig, die unter Berücksichtigung der pädagogischen Zielsetzungen das Kind am wenigsten beschränkt.

176 177

Schoof, S. 64 ff. OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428).

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a) Vorsorgliche Belehrung, Ermahnung In Anbetracht der kindlichen Unverständigkeit wird das aufsichtsbedürftige Kind mit der vorsorglichen Belehrung und Mahnung auf die Gefährlichkeit bestimmter Situationen und Verhaltensweisen aufmerksam gemacht, damit es eigenständig Gefahrensituationen erkennen und meistern kann. Da Kleinkinder häufig Gefahrensituationen in ihrem ganzen Umfang nicht überschauen können, müssen von den Erziehern auch nicht ganz entfernt liegende Eventualitäten berücksichtigt werden, insbesondere solche, die sich aus der Unberechenbarkeit des Verhaltens von Kleinkindern ergeben können. b) Überwachung Kleinkinder bedürfen im Allgemeinen auch ohne besonderen Anlass einer intensiven Überwachung, eben weil sie Gefahren noch nicht richtig erkennen und einschätzen können und entsprechend ihrem Alter und Entwicklungsstand zu unbesonnenen und unberechenbaren Handlungen neigen. Aus diesem Grund kann es gerade im Hinblick auf einen drohenden Schaden erforderlich sein, die zuvor erfolgte Belehrung zu überwachen. So hielt etwa das OLG Nürnberg die Belehrung, bei dem Spiel „Mikado“ müsse stets ein Sicherheitsabstand zwischen den Gesichtern der Kinder und den liegenden Stäbchen eingehalten werden, bei unter 7-jährigen Kindern wegen der schwerwiegenden Verletzungsgefahr der Augen für nicht ausreichend, sondern forderte, die Einhaltung des Gebotes müsse ununterbrochen überwacht werden178. Auch im Übrigen ist die Überwachung eine Aufsichtsmaßnahme, die oftmals als begleitende Maßnahme zu anderen Aufsichtsmitteln eingesetzt wird. So wird eine Erzieherin beispielsweise auch ohne eine potentielle Gefahrenlage nach erfolgter Belehrung durch Überwachung überprüfen, ob das Kind die Belehrung verstanden und beachtet hat. Erfolgt die Überwachung unauffällig in einer Weise, dass die Kinder sie nicht bemerken und sich daher unbeobachtet fühlen, stellt sie für die Kinder keinen beschränkenden Eingriff dar. Demgegenüber stellt die gewollt offene und damit auch für die Kinder präsente Aufsicht eine durchaus intensive Aufsichtsmaßnahme dar. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich Kinder anders verhalten, wenn sie sich beobachtet fühlen179. Die geforderte intensive Überwachung der Kleinkinder bedeutet aber nicht, dass sie auf „Schritt und Tritt“ beobachtet werden müssen. Eine ständige Beobachtung ist wegen der erwünschten Persönlichkeitsentwicklung weder pädagogisch vertretbar noch zumutbar180 und überdies wegen der geringen personellen Besetzung praktisch auch nicht durchführbar. Selbst Kleinkindern sind im Rahmen einer verantwortlichen Erziehung daher Freiräume ohne direkten Blick178 179 180

OLG Nürnberg NJW 1975, 1130. OLG Oldenburg VersR 1963, 491. OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428).

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kontakt einzuräumen. Hierbei sind zwei Fragen von rechtlicher Bedeutung für die Annahme bzw. den Ausschluss einer Aufsichtspflichtverletzung: Wann darf der Erzieher die Kinder aus den Augen lassen und für welchen Zeitraum? Nach den bisherigen Ausführungen darf der Erzieher die Kinder dann unbeobachtet lassen, wenn unter Berücksichtigung der genannten Faktoren mit einem Schadenseintritt vernünftigerweise nicht zu rechnen ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine Gruppe von drei bis vier Kindern ruhig am Tisch im Kindergarten sitzt und ein Würfelspiel spielen. Folgerichtig nahm der BGH eine Aufsichtspflichtverletzung einer Kindergärtnerin an, die sich nicht bei der Kindergruppe, sondern in der Küche aufhielt, während ein Kind ein anderes mit einer Kinderschaufel am Auge verletzte. Entscheidungserheblich war in diesem Fall, dass die Kindergärtnerin kurz vor dem Unfall bemerkt hatte, dass sich die beiden Kinder um die Schaufel zankten181. Hinsichtlich der Frage, in welchen zeitlichen Abständen die Kinder zu beaufsichtigen sind, ist erneut eine Vergleichsbetrachtung mit der Rechtsprechung zur elterlichen Aufsichtspflicht anzustellen. aa) Elterliche Aufsichtspflicht Auch bei der Beaufsichtigung durch die Eltern wird eine Rund-um-die-UhrÜberwachung abgelehnt. Der BGH hat mehrfach darauf hingewiesen, dass er bei Kleinkindern eine regelmäßige Kontrolle in kurzen bzw. höchstens halbstündigen Zeitabständen für ausreichend hält182. Diese Zeitspanne bezieht sich auf eine gefahrlose Aufsichtssituation ohne konkreten Anlass. bb) Institutionalisierte Aufsichtspflicht Diese vom BGH für einzelne Kinder entwickelten zeitlichen Maßstäbe lassen sich nicht auf die Beaufsichtigung einer Kindergartengruppe übertragen. Es muss auch an dieser Stelle wieder berücksichtigt werden, dass in Kindergruppen eine an sich harmlose Situation oder Beschäftigung schnell gefahrträchtige Formen annehmen kann. Die Gruppenkinder sind intensiver zu beaufsichtigen als einzelne Kinder, da hier zu den individuellen Eigenschaften auch gruppenspezifische Faktoren hinzukommen, welche die Unberechenbarkeit des Verhaltens erhöhen183. Bekanntlich ist der Ideenreichtum einer Gruppe immer größer als der einer Einzelperson; durch gegenseitige Anregungen, Bekräftigungen und Anstachelungen kann es zu Überreaktionen kommen. Gruppendynamische Prozesse wirken sich schnell in gefährlichen Verhaltensweisen, Streichen und handgreif181 182 183

BGH VersR 1956, 520 (521). BGH NJW 2009, 1952 (1953 f.); BGH NJW 1984, 2574 (2575). OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428); OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75.

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lichen Streitereien aus. Die unterschiedliche Anforderung an das zeitliche Intervall der Überwachung erklärt sich zudem aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Der Kindergärtnerin ist eine intensivere Aufsicht zumutbar, da die Betreuung der Kindergruppe ihre alleinige Aufgabe ist und sich der Rückgriff auf subjektive Belange bei der öffentlichen Erziehung verbietet184. Im Kindergarten ist deshalb die Zeitspanne der unbeobachteten Betätigung der Kinder deutlich geringer anzusetzen. cc) Rechtsprechung zu den zeitlichen Intervallen der Überwachung Auch die Rechtsprechung hat sich mit der Frage der zeitlichen Abstände der Beaufsichtigung auseinander gesetzt. Hierzu haben das OLG Düsseldorf185 und das OLG Köln186 in ähnlich gelagerten Fällen judiziert. Auch hier bildet der Ausgangspunkt für die zeitliche Dichte der Kontrolle zunächst der Entwicklungsstand, der Charakter und die Eigenart des jeweiligen Kindes sowie in der Vergangenheit liegende Verhaltensauffälligkeiten187. In den Entscheidungen haben Kinder vom Außengelände des Kindergartens Steine auf Autos geworfen, die dadurch beschädigt wurden. Einigkeit besteht in der Judikatur dahingehend, dass eine ständige Überwachung auf „Schritt und Tritt“ auch bei Kindern im Kindergartenalter nicht erforderlich ist. Die Ansichten darüber, in welchen Zeitabständen eine Überwachung aber nun konkret erforderlich ist, gehen jedoch weit auseinander. Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung vom 12.10.1995 die Länge der Zeit, in der Kindergartenkinder unbeaufsichtigt sich selbst überlassen werden können, lediglich dahingehend präzisiert, dass bei verhaltensunauffälligen Kindern eine ständige Überwachung nicht erforderlich ist. Aus dem in den Entscheidungsgründen zu findenden Satz, dass sich das „Verdrücken“ der Kinder ins Gebüsch, Aufsammeln der Steine und Bewerfen des Autos durchaus in einem relativ kurzen Zeitraum von 10 bis 15 Minuten abgespielt haben kann, ist allerdings keine – auch nicht indirekte – Konkretisierung der Zeitspanne der Beaufsichtigung auf 10 bis 15 Minuten zu entnehmen188. In welchen zeitlichen Abständen eine Beaufsichtigung erfolgen muss, lässt der erkennende Senat offen. Das LG Krefeld hielt es dagegen für unbedenklich, sechsjährige Kinder, die bald eingeschult werden und sich dann ohnehin frei und unbeaufsichtigt auf der Straße bewegen, für eine halbe Stunde unbeaufsichtigt auf dem Außengelände eines Kindergartens

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Oben § 6 I. 4. b). OLG Düsseldorf Urteil vom 19.08.1999, Az.: 18 U 20/99, im Volltext unter http://www.beck-online.de; OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803. 186 OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75 f. 187 OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75. 188 A. A.: Ollmann ZfJ, 2004, 1 (2). 185

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zu lassen. Auch diese Kinder hatten Steine auf ein parkendes Auto geworfen189. Der 18. Senat des OLG Düsseldorf hat in einem Urteil vom 19.08.1999 dann den zeitlichen Abstand der Beaufsichtigung näher konkretisiert. Er stellte fest, dass die Erzieherinnen des Kindergartens unstreitig im zeitlichen Abstand von weniger als 15 Minuten nach den fünf draußen spielenden Kindern geschaut haben. Diese Zeitspanne sei ausreichend, um zu überprüfen, ob die Kinder den ihnen eingeräumten Freiraum so wie von den Erzieherinnen gewünscht und erwartet genutzt haben. Bei diesen Kontrollen habe sich aus dem Spielverhalten der Kinder kein Anlass ergeben einzuschreiten. Das OLG Köln hingegen hat die Länge der Zeit, in der Kindergartenkinder unbeaufsichtigt sich selbst überlassen werden können, deutlich kürzer gefasst. Es trat der Ansicht des LG Krefeld entgegen und forderte, dass Kinder, die sich in einer größeren Gruppe auf dem Außengelände eines Kindergartens aufhalten, so zu beaufsichtigen seien, dass eine relativ engmaschige Kontrolle sichergestellt sei. Dies bedeute zwar keine Beaufsichtigung „auf Schritt und Tritt“, aber Kinder im Kindergartenalter dürften auch bei fehlender Verhaltensauffälligkeit nicht über einen längeren Zeitraum, der im vorliegenden Fall 15 bis 20 Minuten betrug, sich selbst überlassen bleiben. Geboten sei vielmehr eine engmaschigere Kontrolle im Abstand von wenigen Minuten. dd) Eigene Stellungnahme Die durchgeführte Feldforschung hat ergeben, dass in den besuchten Kindergärten weder Richtlinien des Trägers noch Unfallverhütungsvorschriften existierten, welche die Mindestanforderungen an das pädagogische Personal hinsichtlich des Aufenthaltes der Kinder im Außengelände des Kindergartens verbindlich regeln. Deshalb erfolgt zunächst eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung, um im Anschluss daran die Anforderungen mit der praktischen Handhabung zu vergleichen. Abzulehnen ist zunächst die Ansicht des LG Krefeld, nach der Kontrollintervalle von einer halben Stunde für ausreichend erachtet werden. Durch dieses Zeitfenster wird die Grenze zulässiger Freiräume deutlich überschritten. Eine halbstündige Kontrolle läuft letztlich auf eine stichprobenartige Überwachung hinaus, die bei Kleinkindern, auch wenn sie kurz vor der Einschulung stehen, im Hinblick auf die Sicherheitsinteressen Dritter nicht hinnehmbar sind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass zu den geschützten Dritten im Sinne der Aufsichtshaftung auch die übrigen Kinder aus der Gruppe zählen. Aufgrund der bereits angesprochenen gruppendynamischen Prozesse kann eine spielerische Si189 LG Krefeld Urteil vom 14.03.1996, Az.: 3 O 128/95, n. v.; entgegen den Ausführungen von Ollmann, VersR 2003, 302 (Fn. 2), handelt es sich bei diesem Urteil nicht um die Vorinstanz zu der Entscheidung des OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75 f. Das vorinstanzliche Urteil war vielmehr eine Entscheidung des Landgerichts Aachen vom 02.12.1998, Az.: 4 O 213/98.

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tuation gefährliche Formen annehmen. Die Anbahnung dieser Situation kann bei einer halbstündigen Kontrolle nicht unterbunden werden. Wie viele Minuten dagegen präzise eine engmaschige Kontrolle umfasst, lässt das OLG Köln offen. Ein Grund dafür könnte die Situationsbezogenheit der Aufsicht sein, deretwegen eine minutiöse Zeitangabe nicht sinnvoll ist. Eine Obergrenze der zulässigen Freiräume sollte nach der Rechtsprechung des OLG Köln im Hinblick auf die Anforderungen an das zeitliche Maß der Beaufsichtigung jedoch festgelegt werden. Da das Gericht eine Beaufsichtigung auf „Schritt und Tritt“ ablehnt, aber eine engmaschige Kontrolle im Abstand von wenigen Minuten fordert und der nicht akzeptierte längere Zeitraum 15 bis 20 Minuten betrug, dürften wenige Minuten einen unbeobachteten Zeitrahmen von maximal 5 Minuten umfassen. Beim Vergleich der Rechtsprechung der beiden Gerichte wird die Forderung des OLG Köln, die Beaufsichtigung im Abstand von wenigen Minuten durchzuführen, den Sicherheitsinteressen Dritter eher gerecht. Bedenken gegen eine engmaschige Kontrolle ohne konkreten Aufsichtsanlass bestehen jedoch insofern, weil die Kinder bei ihrer spielerischen Beschäftigung, die regelmäßig länger als 5 Minuten andauert, beobachtet werden. Bei dieser Aufsicht wird es sich im Regelfall um eine für die Kinder präsente Beobachtung handeln, da sich die Aufsichtspersonen den Kindern in dem jeweiligen Bereich des Geländes nähern muss, um sich einen Überblick über die spielerischen Aktivitäten der Kinder zu verschaffen. Durch die Beobachtung der Kinder wird die freie Entfaltung ihres Spiels sowie die des eigenen Verhaltens gehemmt. Im Hinblick auf die erforderliche Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen Dritter und der erwünschten Persönlichkeitsentwicklung der Kinder wäre die indirekte Beaufsichtigung das gleich geeignete, aber mildere Mittel, was sich in der Praxis jedoch nicht in jeder Situation umsetzen lässt. Zudem lassen sich die vom OLG Köln geforderten zeitlichen Intervalle in der praktischen Arbeit nicht durchsetzen, da mit in der Regel zwei Aufsichtskräften zu wenig Personal vorhanden ist, um die Beobachtung im Abstand von wenigen Minuten sicherzustellen. Ein Teil der Kinder halten sich oftmals zumindest kurzfristig auch in den Gruppenräumen auf oder benötigen eine individuelle Hilfestellung, so dass sich die alleinige Aufmerksamkeit nicht auf die einzelnen spielenden Gruppen richten kann. Diese Bedenken werden von Gesprächen mit Kindergartenleitungen getragen. Diese haben bestätigt, dass sich eine Beaufsichtigung aller Kinder auf dem Außengelände im Abstand von wenigen Minuten schon wegen des Personalmangels nicht gewährleisten lässt. Die Kinder würden sich meist in kleineren Gruppen an völlig unterschiedlichen Stellen des Außengeländes aufhalten, wie z. B. im Sandkasten, auf dem Klettergerüst, der Wiese oder im Schuppen, wo sich die Spielzeuge befinden. Zusätzlich scheitert eine Beaufsichtigung in kurzen zeitlichen Intervallen oftmals bereits an den räumlichen Gegebenheiten des Außengeländes. Teilweise sind die Außenbereiche der Kindergärten so konzipiert, dass sich das Gelände einmal um das gesamte Kindergartengebäude erstreckt, so dass ein

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Rundgang erforderlich ist und die übrigen Bereiche nicht überschaubar sind. Dazu kommt nach Aussage von Erziehern, dass sie sich den Kindern bei dem Rundgang auch als Spiel- und Redepartner anbieten, um bei diesem Kontakt zu erfahren, ob der pädagogische Einfluss der Einrichtung den gewünschten Erfolg hat. Auch aus diesem Grunde sei eine Beaufsichtigung aller Kinder ohne konkreten Aufsichtsanlass in Abständen von wenigen Minuten in der Praxis nicht durchführbar. Mithin ist die engmaschige Kontrolle der Kinder im Hinblick auf die Sicherheitsinteressen Dritter zwar wünschenswert, aber letztlich wegen des pädagogischen Aspektes und des Personalmangels sowie der räumlichen Gegebenheiten, in der praktischen Arbeit nicht umsetzbar und damit den Erziehern letztlich auch nicht zumutbar. So gesehen kann die Forderung des OLG Köln auch keinen realistischen Maßstab bilden. Somit ist im Endergebnis der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf beizupflichten, die eine Beaufsichtigung in zeitlichen Abständen von weniger als 15 Minuten für ausreichend erachtet. Sollte sich indes die Pflicht zur Beaufsichtigung in einem Zeitabstand von wenigen Minuten in der Rechtsprechungspraxis durchsetzen, würde es bei der Trägerverantwortung aus § 832 Abs. 2 BGB wegen Organisationsverschuldens verbleiben. Der Einrichtungsträger muss sowohl organisatorisch als auch personell die gehörige Möglichkeit der Aufsichtsführung gewährleisten. Eine personelle Unterbesetzung darf jedenfalls nicht zu Lasten des geschädigten Dritten gehen. Insgesamt ist unter Berücksichtigung der pädagogischen Zielsetzung der Einrichtung vom Erzieher zu verlangen, dass er sich ohne konkreten Aufsichtsanlass in etwa 10- bis 15-minütigen Abständen vom Tun und Treiben der Kinder überzeugt. Diese Zeitspanne trägt insbesondere der pädagogischen Situationsbezogenheit der Aufsicht ausreichend Rechnung. c) Verbote Wegen der Beschränkung für das Kind stellt ein Verbot einen stärkeren Eingriff dar als die Belehrung und Überwachung190. Durch ein Verbot wird dem Kind unmissverständlich und eindringlich ein bestimmtes Verhalten untersagt. Da die Eigenverantwortung des Kindes in diesem Fall vollständig zurücktritt, muss das Verbot als Aufsichtsmittel in der konkreten Abwägung mit den Kindesinteressen angemessen sein. Ein Verbot kann beispielsweise dann erforderlich und angemessen sein, wenn das Kind wegen seines Alters, seiner Reife und seines Charakters eine bestimmte Situation nicht beherrschen kann und deshalb weder die Belehrung noch die Überwachung von vorneherein nicht ausreichen191. Ein Verbot kommt auch dann in Betracht, wenn ein Kind Belehrungen und Mahnungen nicht beachtet und sich daraus die Notwendigkeit ergibt, das Verhalten zu 190 191

Schoof, S. 65. Albilt, S. 117 f.

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unterbinden. Das Verbot ist auch dann das geeignete, erforderliche und zumutbare Aufsichtsmittel, wenn ein Schadenseintritt sehr wahrscheinlich ist oder der Eintritt eines besonders schweren Schadens droht192. d) Notwendiges Eingreifen Das stärkste, aber zugleich auch das sicherste Aufsichtsmittel ist, die Handlung des Kindes unmöglich zu machen. Hierbei handelt es sich um jede Form der direkten Intervention seitens der Erzieher193. Auch diese Maßnahme muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einem angemessenen Verhältnis zur Gefahr stehen. Im Hinblick auf die Verletzung eines anderen Kindergartenkindes kann die Erzieherin bei einem Spiel, das bedrohliche Formen annimmt, beispielsweise zunächst versuchen, den Kindern beschützende Spielregeln zu vermitteln und zu deren Beachtung anzuhalten, bevor sie entweder einzelne Kinder von diesem Spiel ausschließt oder das Spiel gänzlich abbricht. Handelt es sich um besonders gefährliche Gegenstände, wie z. B. Feuerzeuge oder Streichhölzer, Messer, spitze Stöcke oder Wurfpfeile, so ist insbesondere bei Kleinkindern das Aussprechen eines Verbotes als milderes Aufsichtsmittel nicht ausreichend. Wegen der beträchtlichen Schadenshöhe und der erfahrungsgemäß leichten Verletzungsgefahr kann das Risiko der Nichtbefolgung des Verbotes nicht in Kauf genommen werden. Der unbeaufsichtigte Umgang mit diesen gefährlichen Gegenständen ist daher von vorneherein durch eine sichere Verwahrung unmöglich zu machen.

II. Kinderheime Die Darstellung des Umfanges der Aufsichtspflicht bei einer Heimunterbringung beschränkt sich auf eine kurze Skizzierung der wesentlichen Unterschiede zu der Aufsichtsführung in einer Kindertagesstätte. Abgesehen von den Fällen, in denen eine Heimerziehung wegen persönlicher Umstände der Personensorgeberechtigten angestrebt wird, sammeln sich in Heimen größtenteils problembeladene und schwer erziehbare Kinder und Jugendliche, deren kindeswohlgerechte Erziehung durch die Personensorgeberechtigten nicht zu gewährleisten ist194. 192

Eckert, S. 56. Schoof, S. 66. 194 Die in § 34 SGB VIII normierte Heimerziehung hat insofern einen Bezug zum Jugendstrafrecht, da nach § 12 JGG im Rahmen des Jugendstrafverfahrens der Jugendliche verpflichtet werden kann, Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII in Anspruch zu nehmen; dadurch wird das Jugendamt jedoch nicht verpflichtet, die Erziehungshilfe auch zu gewähren. Nach § 71 Abs. 2 JGG kann das Gericht die einstweilige Unterbringung in einem geeigneten Heim und gemäß § 72 Abs. 4 JGG zur Vermeidung der Untersuchungshaft die einstweilige Unterbringung anordnen. 193

II. Kinderheime

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Dementsprechend formuliert das Leitbild für die städtischen Kinderheime Köln, dass der Schwerpunkt der Arbeit die Betreuung und Erziehung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in besonderen Problemlagen, wie familiäre Problematiken, Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen und Behinderungen ist195. § 27 Abs. 1 SGB VIII setzt tatbestandlich aber nicht voraus, dass die Gefährdungsgrenze des § 1666 BGB erreicht sein muss196. Der Hilfe zur Erziehung ist aber in vielen Fällen eine vorausgegangene Fehlentwicklung immanent.

1. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht Auch im Rahmen der Heimerziehung lassen sich die jeweiligen Handlungsanforderungen hinsichtlich des Maßes der gehörigen Aufsichtsführung wegen der Vielgestaltigkeit der Aufsichtsbedürfnisse und Betreuungssituationen nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ermitteln. Ausgangspunkt für die Beurteilung der ordnungsgemäßen Aufsichtsführung ist auch in Kinderheimen die ausfüllungsbedürftige Generalklausel sowie die einzelnen – bereits dargestellten – Bestimmungsfaktoren. Wegen des im Gegensatz zum Kindergarten erweiterten zeitlichen und räumlichen Aufsichtsbereiches ist von Bedeutung, wie das Heimgrundstück – in einem Wald, in der Stadt oder an einer viel befahrenen Straße – gelegen ist. Ebenso von Einfluss auf das Maß der Beaufsichtigung kann sein, wie das Außengelände ausgestaltet ist, ob es sich z. B. um ein großes unübersichtliches Gelände oder um einen gut überschaubaren Bereich handelt. Die vorgeschriebene Gruppengröße sowie die Relation zwischen Aufsichtspersonal und Aufsichtsbedürftigen werden unter anderem bei der Hilfe zur Erziehung nach § 27 SGB VIII in der Regel durch eine Vereinbarung in einem Rahmenvertrag vorgegeben. Der dritte Abschnitt des SGB VIII sieht in §§ 78a–f SGB VIII Regelungen für eine Vereinbarung über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung vor. Nach § 78c Abs. 1 S. 1 SGB VIII müssen die Leistungsvereinbarungen unter anderem den zu betreuenden Personenkreis und die dafür erforderliche sachliche und personelle Ausstattung enthalten. Gemäß § 78f SGB VIII schließen die kommunalen Spitzenverbände auf Landesebene mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe und den Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer auf Landesebene den Rahmenvertrag ab. Beispielhaft ist an dieser Stelle der Rahmenvertrag I NW zu nennen197. In der Anlage II dieses Vertrages findet sich eine Tabelle, welche die verschiedenen Angebote der Unterbringung und davon abhängig die Relation zwischen der Anzahl der zu betreuen195

Leitlinie der städtischen Kinderheime Köln vom 21.02.2002, n. v. Münder/Wiesner/Tammen, Kinder- u. JugendhilfeR., Kap. 3.5.1 Rn. 3. 197 Der Rahmenvertrag I NW ist im Internet unter http://www.lvr.de/jugend/fachthemen/erziehungshilfe/entgeltejugendhilfe.htm abrufbar (Stand: 28.07.2008). 196

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

den Kinder und dem Aufsichtspersonal aufschlüsselt. In einem sog. Regelangebot einer Einrichtung haben die Wohngruppen in der Regel 9 Plätze bei einer personellen Besetzung von 4,7. Damit ergibt sich ein Personalschlüssel von 1 Fachkraft zu 1,91 Kindern und Jugendlichen. Eine Gruppe mit 10 Plätzen und 4,7 Erziehern hat einen Personalschlüssel von 2,13. Bei der Verteilung von 4,7 Erziehern auf 10 Kinder ist aber zu bedenken, dass diese 4,7 Fachkräfte auf 7 Tage pro Woche à 24 Stunden verteilt werden müssen. Von einer hohen pädagogischen Dichte für die 10 Kinder kann daher keine Rede sein. Wird die Anzahl der Fachkräfte wegen Personalmangels aufgrund Krankheit oder Urlaub unterschritten, so ist im Falle einer Aufsichtspflichtverletzung der Einrichtungsträger aus Organisationsverschulden haftbar. Die Erzieher haben die Kinder bei einer vollstationären Unterbringung 24 Stunden täglich zu beaufsichtigen. Die den kommunalen Kinderheimen obliegende Aufsichtspflicht erfordert daher, dass die Kinder und Jugendlichen auch während der Abend- und Nachtstunden betreut werden. In den Kinderheimen der Stadt Köln wird die Aufsicht durch einen Nachtbereitschaftsdienst gewährleistet198. Wenn die Kinder ihre Eltern besuchen oder dort sogar übernachten, dann obliegt die Aufsichtspflicht den Personensorgeberechtigten, die für die Zeit des Aufenthaltes wieder die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf ihr Kind haben199.

2. Erhöhte Anforderungen an die Aufsichtspflicht Wenn die Minderjährigen Erziehungs- und soziale Verhaltensdefizite dahingehend aufweisen, dass sie sich den Aufsichtsmaßnahmen verschließen und ein für die Allgemeinheit schadensträchtiges Verhalten zu befürchten ist, sind erhöhte Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht zu stellen. An die Aufsichtspflicht eines Heimes für – nach allgemeinem Sprachgebrauch – schwer erziehbare Kinder ist mithin ein besonders strenger Maßstab anzulegen200. Ein aufsichtserhöhender Faktor liegt in der aufsichtsbedürftigen Person begründet, da Entwicklungsstand und Charakter Verhaltens- und Sozialisationsdefizite aufweisen. 198 Es existiert eine Richtlinie für Mitarbeitende der städtischen Kinderheime Köln die u. a. den Nachtbereitschaftsdienst zum Gegenstand hat. Es wird ausgeführt, dass die den städtischen Kinderheimen obliegende Aufsicht es erfordere, dass die Kinder und Jugendlichen auch während der Abend- und Nachtstunden betreut würden. Diese Betreuung sei in allen Kinder- und Jugendgruppen durch einen Nachtbereitschaftsdienst gewährleistet. Aus diesem Grunde sei für alle pädagogischen Mitarbeitenden die Dienstaufnahme in den städtischen Kinderheimen mit der gleichzeitigen Verpflichtung verbunden, sich an dem Nachtbereitschaftsdienst zu beteiligen. 199 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 19. 200 OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 (858); AG Flensburg NJW-RR 1999, 1041; AG Königswinter NJW-RR 2002, 748.

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Ein weiterer, die Anforderungen an die Aufsichtsführung verschärfender Umstand, wird oftmals der tatsächliche Erziehungserfolg sein, mit dem die Aufsichtspflicht in einer sich wechselseitig beeinflussenden Beziehung steht. Je geringer der Erziehungserfolg ist, desto intensiver ist die Aufsicht zu führen. In vielen Fällen spricht die Notwendigkeit einer Heimunterbringung bereits für ein Misslingen des bisherigen Erziehungserfolges. Auch hier ist gerade zu Beginn der Unterbringung ein strenger Maßstab an die gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht anzulegen, da sich die bereits im Elternhaus als schwer erziehbar erwiesenen Jugendlichen zunächst auch gegen Erziehungsmaßregelungen des Heimes wehren und Verhalten sowie Reaktionen nach kurzer Zeit noch nicht verlässlich einzuschätzen sind. Gespräche mit verschiedenen Heimleitungen haben die Feststellung des AG Flensburg bestätigt, dass sich verhaltensauffällige Kinder der Heimerziehung nur schwer anpassen bzw. unterordnen201. In diesem Fall beanspruchte der Kläger Schadensersatz wegen einer Aufsichtspflichtverletzung von einem privaten nicht geschlossenen Kinderheim für schwer erziehbare, verhaltensauffällige Kinder, wovon zwei Jugendliche im Alter von 11 und 13 Jahren den Wohnwagen des Klägers mit einer Axt und einem Hammer beschädigten. Die Notwendigkeit eines Heimaufenthaltes stellt damit insbesondere zu Beginn der Unterbringung einen an sich bereits hinreichenden Aufsichtsanlass dar. Abhängig von der Vorgeschichte und dem Verhalten des Jugendlichen sowie der charakterlichen Entwicklung ist das erforderliche Maß der Aufsicht zu gewährleisten. Erst wenn sich in der Einrichtung Erziehungserfolge zeigen und die Verhaltens- und Sozialisationsdefizite abgebaut werden konnten, gewinnt das Kriterium des konkreten Aufsichtsanlasses wieder an Bedeutung. Mit der Frage des Anlasses zur (erhöhten) Aufsichtsführung hängt im Übrigen auch die Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens des Aufsichtsbedürftigen eng zusammen. Die Vorhersehbarkeit des Schadenseintrittes kann sich insbesondere für pädagogisch geschultes Fachpersonal beispielsweise aus einer beobachteten Verhaltensauffälligkeit oder einer erfolgten Auseinandersetzung mit dem Aufsichtsführenden ergeben. Wie sich aus mehreren geführten Gesprächen mit Erziehern und Heimleitern ergeben hat, ist ein weiterer Ansatzpunkt für eine mangelnde Vorhersehbarkeit oftmals die fehlende Kenntnis des Personals von einer bestimmten Neigung des Jugendlichen. Häufig ist dem Heim trotz der erfolgten Zusammenarbeit mit Eltern und Jugendamt hinsichtlich der Auswahl der konkreten Erziehungseinrichtung eine der schadensträchtigen Neigungen des Jugendlichen nicht bekannt. Die fehlende Kenntnis oder das nicht vorhersehbare schadensträchtige Verhalten des Kindes entheben die professionellen Aufsichtskräfte jedoch nicht von ihren Kontroll- und Belehrungspflichten hinsichtlich des Umganges mit besonders gefährlichen Gegenständen. Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung die Haftung des aufsichtspflichtigen Kinderheimes nach § 832 BGB für den 201

AG Flensburg NJW-RR 1999, 1041 (1042).

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

durch Brandstiftung eines 10-jährigen Heimkindes verursachten Schaden folgerichtig verneint, weil die Aufsichtspersonen das Kind regelmäßig über die Gefährlichkeit des Umgangs mit Feuer belehrt haben, seine Kleidung auf Feuerutensilien durchsucht wurde und das Kind zuvor keine Zündelneigung gezeigt hat202. Sind schädliche Neigungen des Kindes nicht bekannt, so bleibt letztlich zu klären, welcher der Beteiligten positive Kenntnis von den Umständen hatte oder sich diese hätte verschaffen und offenbaren müssen. Danach bestimmt sich, wer eine haftungsrelevante Mitverantwortung an dem Schadensfall trägt. Ein aufsichtserhöhender Faktor in einer bestimmten Aufsichtssituation kann neben der Beaufsichtigung einer Gruppe von Kindern und Jugendlichen das Aufeinandertreffen von Problemkindern sein, deren Gemeinsamkeit darin besteht, in einem professionellen Kontext erzogen werden zu müssen203. Gerade bei schwer erziehbaren oder sogar zu üblen Streichen oder Straftaten neigenden Jugendlichen stellt sich die Problematik der Gruppendynamik im Hinblick auf die Rechtsgüter Dritter in besonderer Weise. Die Rechtsprechungspraxis zeigt, dass in nahezu allen Fällen von einer kleineren Gruppe von aufsichtsbedürftigen Minderjährigen ein Schaden verursacht wurde. Auch die mit verschiedenen Heimleitungen geführten Gespräche haben bestätigt, dass in den seltensten Fällen ein Kind oder Jugendlicher allein aus dem Heim entweicht und einen Schaden an fremden Rechtsgütern anrichtet. Neben den auch aus der Rechtsprechung bekannten Fallgruppen der Beschädigung und Entwendung von Autos, Kleinkrafträdern, Vandalismus sowie Brandstiftung hat eine Heimleitung von einem Fall berichtet, in dem Jugendliche einen erheblichen Schaden verursacht haben. Es waren drei Jugendliche im Alter zwischen 12 und 14 Jahren aus einer nicht geschlossenen Heimgruppe entwichen. Bei ihrem Ausflug haben sie einen auf einem Kindergartengelände abgestellten Bagger in Betrieb gesetzt und damit sowohl das Dach als auch das Gebäude des Kindergartens erheblich beschädigt. Für diesen Schadensfall kam die Haftpflichtversicherung der Jugendlichen auf, die entweder über ihre Eltern, das Jugendamt oder der Heimeinrichtung versichert waren. Die verschärfte Aufsichtspflicht über die Heimkinder, deren Sozialisationsdefizite an sich den Aufsichtsanlass begründen, hat der geschädigte Kläger darzulegen und zu beweisen. Die Steigerung im Rahmen der Aufsichtsführung von einer erforderlichen Kontrolle zu einer ständigen Beobachtung bedarf konkreter Feststellungen im Prozess. Formelhafte Aussagen wie „milieugeschädigt“ reichen hierfür nicht aus, da nicht nachvollzogen werden kann, ob und auf202

OLG Düsseldorf OLGR 1993, 256 (Ls.). Siehe BGH VersR 1965, 48 (49). Generell zur strengeren Aufsichtsführung in einem Kinderheim wegen der zu schützenden anderen Kinder BGH FamRZ 1957, 207 (208), der als Begründung anführt, dass die Gefahr, die durch ein unachtsam handelndes Kind droht, wegen des Zusammentreffens vieler Kinder naturgemäß größer ist. Für den Fall der Beaufsichtigung von psychisch auffälligen Jugendlichen in einer offenen psychiatrischen Klinik siehe die Ausführungen des BGH VersR 1984, 460 (462). 203

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grund welcher Verhaltensstörungen jederzeit mit gefahrträchtigem Handeln des Jugendlichen zu rechnen war204.

3. Erziehungsziel der Heimerziehung Trotz dieser erhöhten Anforderungen an die Aufsichtspflicht erkennt die Rechtsprechungspraxis an, dass gerade bei älteren Kindern und Jugendlichen auch bei einer Heimbeaufsichtigung der Überwachung naturgemäß Grenzen gesetzt sind. So hat der BGH in einem Urteil vom 21.12.1956 zu den Anforderungen an die Überwachung von Kindern in einem Kinderheim ausgeführt, dass der Überwachung eines 11-jährigen Jungen auch in einem Kinderheim gewisse Grenzen gesetzt sind205. Im Gegensatz zu den Kindertagesstätten halten sich die Minderjährigen nicht ständig in einem umzäunten Aufsichtsbereich auf, sondern besuchen die Schule/Ausbildungsstätte und bekommen unbegleiteten Ausgang gewährt. Dementsprechend verlangt das von der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe vorgegebene Erziehungsziel, dem Minderjährigen zur Entwicklung einer eigenständigen und verantwortungsbewussten Persönlichkeit zu verhelfen. Die Erziehung zur Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ist auch der Auftrag der Heimerziehung, der wiederum den Maßstab für die Ausgestaltung der Heimordnung bildet206. Grundsätzlich ist der aufsichtspflichtigen Fachkraft daher auch im Rahmen eines strengeren Aufsichtsmaßstabes ein gewisser Freiraum für vertretbare pädagogische Maßnahmen zu belassen207. Bei der Heimerziehung ist insbesondere die Zielformulierung nach § 34 S. 1 SGB VIII zu berücksichtigen. Hiernach soll die Heimerziehung Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. In vielen Einrichtungen existiert – zugeschnitten auf die jeweilige Betreuungsform – ein spezielles pädagogisches und therapeutisches Konzept, welches teilweise bereits im Hilfeplan festgehalten wird. Bereits die gesetzliche Normierung der Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Leistungen will im Interesse der Entwicklungsförderung des Kindes verhindern, dass eine Heimunterbringung eine gefängnisartige Einschließung und damit eine bloße Verwahrung der Kinder bedeutet208. Da den Aufsichtspersonen die Alltagssorge über die Kinder und Jugendlichen obliegt, welche auch die Erziehung und Aufsicht beinhaltet, kommt den Aufsichtspflichtigen 204 BGH VersR 1997, 750; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 21; Geigel/Haag, Kap. 16 Rn. 28. 205 BGH FamRZ 1957, 207 (208). 206 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 34 Rn. 56. 207 OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (409); OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 (858); OLG Koblenz NJW-RR 1997, 345; OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799; LG Zweibrücken NJW-RR 2005, 1546 (1547); OLG Hamm NJW-RR 1988, 798. 208 Fieseler/Schleicher/Busch/Häbel, GK-SGB VIII, § 34 Rn. 17.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

insoweit ein eigener Ermessensspielraum zu, soweit er sich im allgemein anerkannten vertretbaren pädagogischen Rahmen hält und die Eltern ihr Einverständnis nicht widerrufen.

4. Zeitliche Intervalle der Beaufsichtigung Die Feststellung einer erhöhten Aufsichtspflicht von schwer erziehbaren Kindern impliziert also nicht zwangsläufig eine ständige Überwachung und Kontrolle der Heimkinder. Die Frage, in welchen zeitlichen Abständen die Jugendlichen einer Beaufsichtigung bedürfen, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern richtet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles. Im Gegensatz zu Kleinkindern ist bei älteren Kindern, die sich während des Heimaufenthaltes gut und konstant entwickelt haben und keinen konkreten Anlass zur Vorsorge geben, der Aufenthalt im Freien auch dann gestattet, wenn den Aufsichtspflichtigen ein sofortiges Eingreifen nicht möglich ist. Gerade bei Kindern im Schulalter gebietet die zu beachtende Persönlichkeitsentwicklung auch die Gewährung von Freiräumen zur selbständigen und verantwortungsbewussten Entfaltung der eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Je älter das Kind ist und je weiter es in seiner Entwicklung fortschreitet, desto weniger ist eine Aufsicht auf „Schritt und Tritt“ zur gehörigen Aufsichtsführung geboten209. Die geführten Gespräche mit den Heimleitungen haben übereinstimmend ergeben, dass gerade bei Problemkindern eine übermäßige Kontrolle (auch der Kleidung oder der persönlichen Sachen nach einem unbegleiteten Ausgang) und Überwachung sich kontraproduktiv auswirken kann; die Kinder bekommen das Gefühl, dass die Erzieher ihnen nicht trauen und fühlen sich dadurch in ihrer Persönlichkeit nicht ernst genommen. Die Folge ist häufig mangelndes Vertrauen zu den Erziehern, die keinen Zugang zu den sich immer mehr zurückziehenden Kindern finden. In diesem Fall ist gerade von der pädagogischen Fachkraft die professionelle Einschätzung der jeweiligen Situation gefordert und ihr im Hinblick auf den Einklang zwischen Aufsichtsführung und Erziehungsziel ein gewisser Freiraum vertretbarer pädagogischer Maßnahmen zu belassen210. Eine Kontrolle der Aufsichtspersonen in 209

Vgl. OLG Hamm FamRZ 1995, 167. BGH NJW 1980, 1044 (1045), der hinsichtlich der elterlichen Anforderungen an die Aufsichtspflicht ihres fast volljährigen Sohnes ausführte, dass die Aufsichtspflicht mit dem Erziehungsziel abgewogen werden müsse. Es könne unter Umständen angezeigt sein, um den Kontakt zum Jugendlichen und die Einflussmöglichkeit auf ihn nicht zu verlieren, keine allzu große Strenge walten zu lassen und nicht auf strikter Einhaltung elterlicher Weisungen oder Empfehlungen zu bestehen. Insgesamt werde der Richter bei der Haftbarmachung den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten aus § 832 BGB diesen einen gewissen Freiraum vertretbarer pädagogischer Maßnahmen lassen müssen. Das OLG Hamm NJW-RR 1988, 798, führt in einem Fall, in dem eine gesteigerte Aufsichtspflicht über heimuntergebrachte Jugendliche bestand, aus, dass sich nur anhand des Einzelfalles unter Berücksichtigung des Erziehungsziels die zumutbare Maßnahme bestimmen lasse. Nach Ansicht des Gerichts könnten sich allzu strenge 210

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zeitlichen Abständen von einer 1/2 –1 Stunde kann durchaus ausreichen. Dieser Maßstab kann aber nur auf die Kinder Anwendung finden, bei denen aufgrund der Entwicklung davon auszugehen ist, dass sie sich nicht den Belehrungen des Aufsichtspflichtigen verschließen und auch bei fehlender Aufsicht ihr Verhalten altersentsprechend danach ausrichten211. Besondere Umstände, insbesondere Vorverhalten oder erst kurzzeitiger Heimaufenthalt, können aber auch dazu führen, dass die Aufsicht nur dann ordnungsgemäß geführt wird, wenn eine ständige Überwachung gewährleistet ist. So hat das AG Flensburg ausgeführt, dass bei beiden Jugendlichen eine ständige Überwachung auf dem Hof des ländlich gelegenen Kinderheimes erforderlich war. Die Aufsicht über den 11-jährigen Jugendlichen reichte nach Ansicht des Gerichts nicht aus, weil er zuvor in den Abendstunden häufiger ausgerissen ist; bei dem 13 Jahre alten Jugendlichen hätte eine ständige Aufsicht aus dem Grund gewährleistet werden müssen, weil auch er als verhaltensauffällig galt und erst zwei Monate in der Einrichtung war. Aufsichtserhöhend kam ferner hinzu, dass es zuvor eine Auseinandersetzung mit der Erzieherin gegeben hatte212. Der BGH fordert eine derart engmaschige unmittelbare Überwachung auch von der elterlichen Aufsichtspflicht, wenn z. B. ein verhaltensgestörtes Kind mit ausgeprägter Aggressionsbereitschaft einen Brandschaden verursacht213. Durch die Beweisaufnahme der Vorinstanzen wurden Feststellungen getroffen, die eine verschärfte Aufsichtsführung über das zum Tatzeitpunkt 9 Jahre alte Kind rechtfertigten. Der Senat hielt eine wegen der Charaktereigentümlichkeiten des aufsichtsbedürftigen Kindes gebotene mehr oder weniger ständige unmittelbare Kontrolle für zumutbar. Er führt ausdrücklich an, dass die Zumutbarkeit angenommen werden müsse, obwohl eine Beaufsichtigung in diesem Umfang im praktischen Leben nur schwer zu realisieren sei. Der Vortrag der Eltern, ihr Sohn sei bisher durch Zündelaktivitäten nicht aufgefallen, entlastet nach Ansicht des Senats nicht, denn bei seiner Aggressivität sei jederzeit auch mit anderen, sich bei Gelegenheit bietenden Ausschreitungen zu rechnen gewesen. Der erkennende Senat hat seine Ausführungen in einem Anschlussurteil vom 27.02.1996 unter ausdrücklicher Bezugnahme nochmals bekräftigt. Er hält die Verpflichtung zu einer engmaschigen Überwachung eines zum Zündeln neigenden Kindes im praktischen Leben zwar für schwer realisierbar, aber dennoch auch bei einem berufstätigen und alleinerziehenden Elternteil für zumutbar214.

Maßnahmen verbieten, um die Einflussmöglichkeiten nicht zu verlieren. Der Senat betont ausdrücklich, den Aufsichtspflichtigen sei auch im Rahmen des § 832 BGB ein gewisser Freiraum für vertretbare pädagogische Maßnahmen zu belassen. 211 BGH VersR 1997, 750. 212 AG Flensburg NJW-RR 1999, 1041 f. 213 BGH VersR 1996, 65 f. 214 BGH VersR 1996, 586 (587).

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

Da eine derart enge Überwachung selbst den gesetzlich zur Aufsicht verpflichtenden Eltern zugemutet wird, so muss dieser Maßstab erst recht für eine öffentliche Einrichtung gelten, die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe mit der Heimunterbringung als Erziehungshilfe eine öffentliche Aufgabe kraft Gesetzes wahrnimmt. Die geführten Gespräche mit Heimleitungen und einzelnen Gruppenleitungen haben gezeigt, dass in diesen Kinderheimen – die wegen der Vielzahl von kommunalen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nur exemplarisch angeführt werden können – keine schriftlichen Regelungen in Form von Dienstanweisungen, Richtlinien oder Benutzungsordnungen existieren, welche die zeitliche Beaufsichtigung binnenrechtlich verbindlich regeln. Dies verwundert insofern nicht, als sich eine Aufstellung von allgemeingültigen Regelungen wegen der Fülle von unterschiedlichen Problemlagen der Kinder in Verbindung mit der Zielvorgabe der Verknüpfung von Alltagserleben und pädagogischen Angeboten sowie des sich entwickelnden Verhaltens- und Erziehungsprozesses nur schwer verwirklichen lässt: impossibilium non est obligatione! Üblich ist, dass beim Spiel der Kinder im Freien eine Erzieherin die Aufsicht auf dem Außengelände führt, zumal die Ein- und Ausgänge nicht verschlossen sind. Ansonsten stehen individuelle interne Absprachen mit den Kindern- und Jugendlichen im Vordergrund. Das Maß des zu gewährenden Freiraumes beurteilt sich nach einer Gesamtschau aller für die Aufsichtspflicht maßgeblichen Faktoren, wie z. B. das altersentsprechende Verhalten. Sofern es also keinen Anhaltspunkt zur besonderen Vorsicht gibt, wird einem Jugendlichen ab 14 Jahren ohne Begleitung einer Fachkraft Ausgang in einer kleineren Gruppe gewährt, wobei die Grenzen der Aufsichtsführung auch hier jedenfalls die gesetzlichen Bestimmungen, wie z. B. das JSchG, bilden.

5. Organisationsverschulden des Heimträgers Im Gegensatz zu der Betreuung in einer Kindertageseinrichtung liegt bei der Heimunterbringung ein zeitlich und räumlich erweiterter Aufsichtsbereich vor, da der Einrichtungsträger Tag und Nacht aufsichtspflichtig ist und sich die Jugendlichen auch außerhalb des Einrichtungsgeländes aufhalten. Durch diesen erweiterten Aufsichtsbereich steigen die potentiell gefahrgeneigten Situationen, da die Jugendlichen beispielsweise nicht nur leichter mit gefährlichen Gegenständen in Berührung kommen, sondern diese zudem schadensträchtig einsetzen können. Insoweit finden sich in der Rechtsprechung häufig Fälle, in denen die aufsichtsbedürftigen Minderjährigen aus dem Heim entweichen, eine Brandstiftung begehen215 oder Gegenstände entwenden und beschädigen216. Durch die ganztägige 215

BGH VersR 1997, 750 f.; OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 ff. AG Königswinter NJW-RR 2002, 748 f.; AG Flensburg NJW-RR 1999, 1041 f.; LG München NJW 1978, 108 f.; LG Zweibrücken NJW-RR 2005, 1546 f.; OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799. 216

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Beaufsichtigungspflicht rückt auch das Organisationsverschulden des Einrichtungsträgers stärker in den Fokus, da sie umfassenden personellen und organisatorischen Regelungsbedarf nach sich zieht217. Der Träger hat trotz Zuweisung durch das Jugendamt fortwährend sicherzustellen, dass die Form der Unterbringung für den jeweiligen Aufsichtsbedürftigen auch geeignet ist218. Eine Heimeinrichtung verfügt in der Regel über verschiedene Angebote von Gruppenformen. Diese lassen sich grob in ein Intensivangebot, Regelangebot und Angebote mit niedrigem Betreuungsaufwand einteilen. Die Zuordnung der einzelnen Differenzierungsformen richtet sich nach der pädagogischen Dichte, d.h. nach der Relation der Anzahl der Kinder zu den ihnen zugeordneten Fachkräften sowie den äußeren Sicherheitsvorkehrungen. Ein Aufsichtsverschulden des Trägers kann sich daher aus einer falschen Gruppenzuweisung ergeben219. Wenn der Jugendliche in der Vergangenheit beispielsweise die Einrichtung unbefugt verlassen hat, dann sollte das Heim durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass ein Entweichen aus dem Heim verhindert wird. Auf der anderen Seite ist der Einrichtungsträger ohne konkreten Verdacht bzw. Aufsichtsanlass nicht gehalten, bauliche Veränderungen oder Schutzvorkehrungen gegen ein Verlassen des Heimes einzurichten. Derartige Maßnahmen sind auch dann nicht gefordert, wenn sich die baulichen Veränderungen nicht mit dem Erziehungskonzept der Gruppenform in Einklang bringen lassen220. Insoweit findet auch die Organisationspflicht die bereits dargestellte Zumutbarkeitsgrenze. Wegen des zu beachtenden Erziehungsziels der Entwicklung zu einer eigenständigen und verantwortungsvollen Persönlichkeit hat auch der Einrichtungsträger kein lückenloses Organisationsnetz zur ständigen Beobachtung der Kinder zu schaffen221. Allerdings entlastet dieser Umstand den Heimträger nicht von der allgemeinen Kontrolle der Geeignetheit der Unterbringung. Diesen Nachweis wird die Einrichtung durch die von ihr verpflichtend zu führenden Beobachtungsbögen regelmäßig führen können. Das LG München hat eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des

217

OLG Bremen VersR 1978, 525 (526). AG Königswinter NJW-RR 2002, 748. 219 Vgl. KG Berlin KGR 1997, 245 ff.: In diesem Fall wurde ein Aufsichtsverschulden des Trägers dadurch, dass er den Jugendlichen nicht in einer (Intensiv-)Gruppe mit noch weiter im Vordergrund stehendem Sicherheitsaspekt zuwies, verneint. Nach dem Vortrag des beklagten Heimes hat es für die hier nach § 71 Abs. 2 JGG angeordnete Heimunterbringung nur ein einheitliches Betreuungskonzept gegeben. Das Gericht führt dazu aus, dass selbst bei Vorhandensein von verschiedenen Gruppenformen, es dem (pädagogischen) Ermessen des Heimträgers überlassen war, welcher der möglichen Betreuungen er dem Jugendlichen zuteilte. 220 OLG Hamm NJW-RR 1988, 798: In diesem Fall wurde erfolglos der ein nicht geschlossenes Heim betreibende beklagte Verein wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Anspruch genommen, weil zwei Jugendliche das Gartenhaus des Klägers anzündeten. Zu den für einen öffentlichen Träger über die pädagogische Vereinbarkeit hinaus geltenden Anforderungen an eine gehörige Aufsichtsführung siehe unten in § 6 II. 6. 221 Eckert, S. 216. 218

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Einrichtungsträgers mit der Gestattung einer Teilnahme eines kürzlich straffällig gewordenen Jugendlichen an einem offenen Zeltlager begründet. Das Gericht führt in den Entscheidungsgründen aus, dass gerade die Teilnahme an einem Zeltlager in besonderer Weise die Abenteuerlust bei Jugendlichen wecke und daher nur dann verantwortet werden könne, wenn diese keinen Anlass bieten, Misstrauen in ihre straffreie Führung zu haben. Die Kammer befand, dass angesichts der nur kurze Zeit zurückliegenden Verurteilung des Jugendlichen der beklagte Träger auf eine einwandfreie Führung nicht vertrauen durfte222. Von der Organisationspflicht sind auch der Erlass von verbindlichen Richtlinien und/oder Dienstanweisungen für die Bediensteten erfasst, die spezielle Aufsichtssituationen durch bestimmte Vorgaben näher regeln. Die Gerichte betonen in diesem Zusammenhang, dass es nicht ihre Aufgabe sei zu entscheiden, welche konkret unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen letztlich erforderlich und ausreichend gewesen wären, um die Aufsichtshaftung zu verhindern. Speziell zu der Aufsichtspflicht über schwer erziehbare Kinder führt das AG Königswinter aus, es sei nicht Aufgabe des Gerichts, verbindliche Richtlinien für die Aufnahme, Erziehung und Beaufsichtigung verhaltensauffälliger, schwer erziehbarer Jugendlicher aufzustellen223. Der Träger hat auch die Pflicht, die Aufsichtsführung personell und organisatorisch zu gewährleisten. Dies umfasst im Falle einer vollstationären Heimunterbringung, die Aufsichtsführung auch nachts sicherzustellen, was beispielsweise durch die Einrichtung eines Nachtbereitschaftsdienstes erfolgt. Jedenfalls kann sich der Einrichtungsträger nicht durch den Vortrag entlasten, die geforderten verschärften Aufsichtsmaßnahmen würden seine (finanzielle) Leistungsfähigkeit übersteigen, da er seine Leistung im Rahmen der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe angeboten und diese daher ordnungsgemäß zu gewährleisten hat. Darüber hinaus können dem geschädigten Dritten nicht die Versäumnisse des Trägers aufgebürdet werden224.

222

LG München II NJW 1978, 108 (109). AG Königswinter NJW-RR 2002, 748. In einem Fall des LG Landau i. d. Pf. NJW 2000, 2904 f., wurden die Betreuer eines Pfadfinderlagers wegen einer Aufsichtspflichtverletzung in Anspruch genommen, da 6 Jugendliche im Alter von 10 bis 13 Jahren bei ihrem unbeaufsichtigten Ausgang zwei Fahrzeuge beschädigt hatten. Das Gericht sprach den Fahrzeughaltern Schadensersatz zu, da eine allgemeine Belehrung zu Beginn des Ferienlagers, keine strafbaren Handlungen zu begehen, nicht ausreiche. Der Aufenthalt in einem Ferienlager bedürfe einer strengeren Beaufsichtigung als zu Hause und sei auch aus pädagogischen Gründen nicht bedenklich. Auch hier hat die Berufungskammer ausgeführt, dass nicht entschieden werden müsse, welche Maßnahmen letztendlich erforderlich und ausreichend gewesen wären, um den Betreuern den Vorwurf der Aufsichtspflichtverletzung zu ersparen. Es sei nicht Aufgabe der Gerichte, verbindliche Ordnungen für die Ferienaufenthalte Jugendlicher aufzustellen. Den Gerichten obliege vielmehr im Einzelfall die Entscheidung, ob die konkret getroffenen Maßnahmen ausreichend waren. 224 BGH VersR 1996, 65 (66); BGH VersR 1996, 586 (588); OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (410); Staudinger/Belling, § 832 Rn. 76. 223

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6. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht eines öffentlichen Heimes und der Eltern Durch den zeitlich nicht begrenzten Rahmen haben die öffentlichen Erzieher hinsichtlich des Aufsichtsumfanges die gleiche Verantwortung wie die Eltern. Da die Kinder in der Heimunterbringung den Alltag erleben und gerade Hilfe zur Erziehung geleistet werden soll, ist auch der Bereich der Erziehungsverantwortung im Unterschied zu der Kindergartenerziehung weiter gefasst. Allein der pädagogische und therapeutische Erziehungsauftrag gebietet es, dass die Erzieher – ähnlich der elterlichen Verantwortung – sich auch außerhalb der Einrichtung einen Eindruck über die Verhaltensweisen, Neigungen und den Umgang des Kindes verschaffen225. Dies verlangen letztlich auch die Anforderungen an die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe, da die Einrichtungen beurteilen müssen, ob und in welcher Weise sich das Kind entwickelt hat und bei bestehenden Problemen eine Besserung eingetreten ist. Ebenso sind erkennbare Risiken in der näheren Umgebung – insbesondere im Hinblick auf eventuell vorhandene schädliche Neigungen des Kindes – zu vermeiden. Nicht zugestimmt werden kann der in Teilen der Rechtsprechung zur inhaltlichen Bestimmung der geschuldeten Aufsicht vorgenommene Verweis auf die für verständige Eltern geltenden Anforderungen an das Maß der Aufsichtsführung. In einem vom KG Berlin zu entscheidenden Fall ist ein minderjähriger Jugendlicher, dessen einstweilige Unterbringung nach § 71 Abs. 2 JGG in einem privaten Heim angeordnet wurde, von dem ersten unbegleiteten Ausgang nicht in das Heim zurückgekehrt und hat das von ihm entwendete Kraftfahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt226. Das Gericht führt aus, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach dem Grad der Gefährdung bestimme, wobei bei Minderjährigen die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen an dem zu orientieren seien, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen tun müssten, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Der Senat des KG hat eine Aufsichtspflichtverletzung im Ergebnis verneint. Das beklagte Heim hat sich mit dem Vortrag entlastet, dass dem Jugendlichen entsprechend dem pädagogischen Konzept der Einrichtung erstmals eigenständiges Telefonieren erlaubt worden ist, nachdem Anhaltspunkte für ein Entweichen nicht gegeben waren. Das erkennende Gericht stellte dann weiter fest, dass auch von den Eltern bei erhöhter Aufsicht eine weitergehende Beaufsichtigung ihres Kindes – über die 225 Zu den Anforderungen der elterlichen Aufsichtsführung über einen fast volljährigen Sohn BGH NJW 1980, 1044 (1045). Das OLG Karlsruhe VersR 1971, 509 f., führt in seinen Urteilsgründen aus, dass Eltern nach Kenntniserlangung eines Ladendiebstahles ihres 15 Jahre alten Sohnes ihre Aufsicht auf den Freundeskreis ihres Sohnes und seine Beschäftigung während der Freizeit zu erstrecken haben. In BGH VersR 1984, 460 (462), hält der Senat die stichprobenartige Überwachung der Freizeit von Jugendlichen sogar in einer offenen psychiatrischen Klinik für geboten. 226 KG Berlin KGR 1997, 245 ff.

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von der beklagten Einrichtung vorgenommene Sicherung hinaus – keinesfalls hätte verlangt werden können. Auch das OLG Hamburg hat mit dem für Eltern geltenden Aufsichtsmaßstab argumentiert227. Zwei schwer erziehbare Jugendliche waren in diesem Fall aus einem staatlichen Heim entwichen, hatten ein Kanu entwendet, es umgespritzt und darin zwei Tage und Nächte auf einem Fluss verbracht. Der Senat hat die Berufung des klagenden Bootsvermieters wegen Aufsichtspflichtverletzung des Heimträgers zurückgewiesen. Für die Bestimmung des Umfanges und Grenzen der Aufsichtspflicht wählt das Gericht auch hier als Ansatz- und Ausgangspunkt die elterliche Aufsichtspflicht. Im Vordergrund der Argumentation steht, dass den Bediensteten des Heimes durch das Jugendwohlfahrtsgesetz die sonst den Eltern obliegende Aufsicht übertragen wurde. Im Anschluss daran wird festgestellt, dass in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte an die elterliche Aufsichtsführung im Allgemeinen sehr strenge Anforderungen gestellt werden; hier ist sogar das höchste Maß an Aufsicht geboten, da die Jugendlichen bereits Straftaten begangen haben. Sehr allgemein – ohne auf die vor dem Schadensfall vorliegende konkrete Situation einzugehen – wird dann ausgeführt, dass die Bediensteten des Trägers diese Aufgabe durch das Angebot sinnvoller Freizeitbeschäftigung, durch Übertragung von Verantwortung im Heimalltag, durch regelmäßige Belehrungen über die Schädlichkeit von Straftaten und deren Folgen sowie durch Ahndung schädlichen Verhaltens unter erheblichem Personaleinsatz erfüllten. Auch die sorgfältigsten Eltern könnten nach Ansicht des Senats in dieser Hinsicht nicht mehr tun. Durch diese beispielhaft angeführten Entscheidungen wird fälschlicherweise suggeriert, dass die institutionalisierte öffentliche Aufsichtspflicht und die privatrechtliche elterliche Aufsicht denselben Anforderungen unterliegen. Der BGH führt in einem Urteil, in dem es um den Umfang der Aufsichtspflicht gegenüber Kleinkindern in einem Kinderheim geht, aus, dass es jedenfalls in einem Kinderheim nicht angängig sei, die Kleinkinder längere Zeit unbeaufsichtigt sich selbst zu überlassen228. Die Verwendung des Wortes jedenfalls impliziert unterschiedliche Aufsichtsanforderungen für die Beaufsichtigung in Kinderheimen. Im Folgenden fehlen jedoch klarstellende Erläuterungen und Ausführungen dazu. Unabhängig von den sich auch für kommunal betriebene Kinderheime ergebenden unterschiedlichen Anforderungen von öffentlicher und elterlicher Aufsichtsführung aufgrund der notwendigen Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht, bestehen trotz der auch für Eltern von schwer erziehbaren Kindern geltenden gesteigerten Aufsichtspflicht für die Einrichtung vergleichsweise strengere Aufsichtsanforderungen. Bei den Leistungsangeboten im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ist für das Aufsichtsmaß von Bedeutung, dass der kommunale Träger eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, als Träger öffentlicher Ver227 228

OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799. BGH VersR 1957, 340.

II. Kinderheime

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waltung an Gesetz und Recht gebunden ist und die rechtlichen Vorgaben des SGB VIII bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu beachten hat. Die Heimerziehung nach § 34 SGB VIII stellt ein an die Eltern gerichtetes freiwilliges Angebot dar, welches der Krisenbewältigung dienen soll. Reichen die eigenen Möglichkeiten der Eltern zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufsichtsführung nicht aus, so besteht für die Eltern die (verpflichtende) Möglichkeit der Inanspruchnahme von erzieherischen Hilfen229. Auch wenn für die Erziehungseinrichtung ebenso wie für die Eltern gilt, die Einflussmöglichkeit auf die Kinder und Jugendlichen nicht zu verlieren, so folgt aus dem Einrichtungszweck der Bewältigung von Krisensituationen im Rahmen einer professionellen Erziehung ein gegenüber den Eltern erhöhter Aufsichtsmaßstab; denn die Aufsicht und Erziehung in Heimen beginnt aus begründetem Anlass erst dort, wo die elterliche Aufsichtsführung und Erziehung gescheitert ist. Wegen dieser Zweckbestimmung hat der kommunale Träger durch geeignete Maßnahmen die Erfüllung seiner – sei es aufgrund öffentlicher oder privatrechtlicher Grundlage – übernommenen (erhöhten) Aufsichtspflicht zu gewährleisten. Da allen Kindern (potentiell) gemeinsam ist, dass sie aufgrund einer Fehlentwicklung einer professionell pädagogischen Erziehung bedürfen, resultiert auch aus diesem Umstand ein strengerer Maßstab für eine gehörige Aufsichtsführung. Das pädagogisch geschulte Aufsichtspersonal sollte aufgrund der fachlichen Qualifikation und der Berufserfahrung mit Kindern im Heim in der Lage sein, eine potentiell gefahrbringende Situation zu erkennen und die nötigen Aufsichtsmaßnahmen zu treffen, ohne jedoch das Vertrauensverhältnis zu den Minderjährigen zu zerstören. Wenn es also z. B. eine Auseinandersetzung zwischen einer Erzieherin und einem aggressiven Jugendlichen gibt, dann kann es aus Sicht einer verständigen Erzieherin untunlich sein, den Jugendlichen auf sein Zimmer zu schicken und ihn dort längere Zeit unbeaufsichtigt zu lassen. Nach einer Auseinandersetzung muss je nach Eigenart des Kindes mit Entgleisungen gerechnet werden, womit sich im Schadensfalle dann die Frage der Vorhersehbarkeit stellt, an deren Vorliegen bei einer professionellen Erziehung entsprechend strengere Maßstäbe anzulegen sind. Da die Erziehung in einem fachlichen Kontext erfolgt, schlagen die erhöhten Anforderungen aufgrund der Wechselbeziehung zwischen Aufsicht und Erziehung auch auf die Aufsichtsführung durch. Diese im Rahmen der öffentlichen Aufgabenerbringung freiwillig übernommene Verpflichtung verbietet die Berücksichtigung subjektiver Entlastungsmomente im Rahmen der Zumutbarkeit. Sofern die Unzumutbarkeit auf personelle oder organisatorische Missstände zurückgeführt werden kann, wird der dafür zuständige Einrichtungsträger als „Überforderer“ wegen Organisationsverschuldens als Teil der Aufsichtspflicht haftbar gemacht. Dadurch entsteht für den geschädigten Dritten keine Haftungslücke. Ein bei der elterlichen Aufsichtsführung nicht geltender Maßstab für die Aufsichtsführung ist die Gruppen-

229

Siehe Scheffen/Pardey, Rn. 252.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

dynamik schwer erziehbarer Kinder. Gegenüber der elterlichen Betreuung wirkt sich aufsichtserhöhend ebenfalls die potentielle Drittgefährdung eines anderen Heimkindes aus. Insbesondere wegen der teilweise erhöhten Aggressionsbereitschaft kommt es laut Aussagen der Heimleitungen des Öfteren zu Verletzungen der Kinder untereinander. Auch für die Kinderheime als öffentliche Einrichtungen sollte die Prüfung einer Aufsichtspflichtverletzung in zwei Schritten erfolgen. Zuerst sind die Anforderungen der Aufsichtspflicht an ihren Adressaten in der konkreten Aufsichtssituation zu bestimmen. Danach ist zu überprüfen, ob die Aufsichtsperson diese im ersten Schritt festgestellten Anforderungen erfüllt hat230. Im Übrigen ist der öffentliche Einrichtungsträger auch bei der Heimerziehung an die Grundrechte und damit auch an die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Maßstab der Aufsichtsführung gebunden231. In Aufsichtsprozessen trägt die klagende Partei oftmals vor, dass gegenüber schwer erziehbaren Kindern und Jugendlichen strengere Aufsichtsbzw. Sicherheitsmaßnahmen, wie z. B. das Verschließen der Türen, hätten getroffen werden müssen232. Derartige Aufsichtsmaßnahmen tangieren neben Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG den grundrechtssensiblen Bereich der Freiheitsbeschränkung und des Freiheitsentzuges (Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG). Sofern ein Grundrechtseingriff vorliegt, bedarf dieser einer Legitimation im Sinne einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Das SGB VIII enthält lediglich für den Fall der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 Abs. 5 S. 1 SGB VIII eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für freiheitsentziehende Maßnahmen233. Nach der Legaldefinition des § 42 Abs. 1 S. 2 SGB VIII ist die Inobhutnahme die vorläufige Unterbringung des Kindes oder Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer Einrichtung oder in einer sonstigen betreuten Wohnform234. Gemäß § 42 Abs. 5 S. 1 SGB VIII sind freiheitsentziehende Maßnahmen nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Eine Gefährdung von Besitz und Eigentum, die wiederholte Begehung von Straftaten sowie die Störung der öffentlichen Ordnung reichen demgegenüber für die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme nicht aus235. Freiheitsentzug liegt dann vor, wenn die Minderjährigen auf einem bestimmten beschränkten Raum 230

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 53. Siehe oben § 6 I. 3. a). 232 Zu der Diskussion um die geschlossene Unterbringung im Rahmen der Kinderund Jugendhilfe Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 34 Rn. 18 ff. 233 Wiesner/Wiesner, SGB VIII, Vor § 27 Rn. 25. 234 Volljährige können nicht auf der Grundlage des § 42 SGB VIII untergebracht werden. 235 Münder/Wiesner/Trenczek, Kinder- u. JugendhilfeR., Kap. 3.9 Rn. 31. 231

II. Kinderheime

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festgehalten werden, ihr Aufenthalt ständig überwacht und die Aufnahme von Kontakten mit Personen außerhalb des Raumes durch Sicherungsmaßnahmen verhindert wird236. Freiheitsentziehende Maßnahmen unterscheiden sich durch ihre Intensität von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen237, die bei einem Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person ebenfalls gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 3, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage bedürfen238. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob durch die geforderte Aufsichtsmaßnahme ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG erfolgt. Wegen der Geringfügigkeit der Beeinträchtigung stellt ein lediglich kurzfristiges Festhalten keinen Eingriff dar239. Im Gegensatz zu den vom Erziehungsrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG umfassten altersgemäßen Freiheitsbeschränkungen, wie z. B. begrenzte Ausgangszeiten oder Stubenarrest, die nicht nach § 1631b BGB genehmigungspflichtig sind240, können diese Maßnahmen im Kontext der Erziehung durch öffentliche Einrichtungen als Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zu qualifizieren sein. Eine Ansicht stellt nach der Entstehungsgeschichte darauf ab, ob die Behinderung mit unmittelbarem Zwang und dessen Androhung oder mit physischen Sicherungen verbunden ist241. Sachgerechter und damit vorzugswürdig ist jedoch die andere Auffassung, welche auf den primären Zweck der Maßnahme abstellt242. Danach stellt z. B. das Nachsitzen in der Schule dann einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG dar, wenn es den Zweck einer „Freiheitsstrafe“ („Arrest“) verfolgt, nicht dagegen, wenn sein Zweck nur als besondere pädagogische Maßnahme zu bewerten ist243. Bei der Heimunterbringung kommen auch die Gefährdung von Rechtsgütern Dritter sowie das Ziel, die Aufsichtsbedürftigen zu eigenverantwortlichen und selbständigen Persönlichkeiten zu erziehen, als weitere den Eingriff ausschließende Zwecke in Betracht. Bei den zum pädagogischen Konzept gehörenden Maßnahmen, wie beispielsweise das nächtliche Verschließen der Haustüre oder der begleitete Ausgang, kann ferner auch die auf freier Entscheidung beruhende Ein236 OLG Düsseldorf NJW 1963, 397 (398); Wiesner/Wiesner, SGB VIII, § 42 Rn. 56; Kunkel/Röchling, SGB VIII, § 42 Rn. 103; vgl. auch Palandt/Diederichsen, § 1631b Rn. 3; BT-Dr. 8/2788, S. 51. 237 Siehe oben § 5 IV. 3. b) dd). 238 Art. 104 Abs. 1 GG schreibt für Freiheitsbeschränkungen eine Ermächtigung durch förmliches Gesetz vor, während Art. 104 Abs. 2–4 GG für die Freiheitsentziehung mit den Richtervorbehalten weitere Voraussetzungen vorschreibt. 239 Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 240. 240 Palandt/Diederichsen, § 1631b Rn. 3; PWW/Ziegler, § 1631b Rn. 1; MünchKomm/Huber, § 1631b Rn. 2. 241 Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 114; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 2 II Rn. 104; v. Münch/ Kunig, Art. 2 Rn. 76. 242 Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 239; Gusy, NJW 1992, 457 (459 f.). 243 Sachs/Murswiek, Art. 2 Rn. 239; VGH Mannheim NVwZ 1984, 808 f.; a. A.: Pieroth/Schlink, StaatsR. II. Rn. 416 f., der die Schulpflicht und das Nachsitzen als Eingriff in die Freiheit der Person wertet.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

willigung des Aufsichtsbedürftigen den Grundrechtseingriff ausschließen (volenti non fit iniuria). Allein die Einwilligung der Eltern als gesetzliche Vertreter reicht dagegen nicht aus244. In der Literatur wird die Zulässigkeit von altersgemäß üblichen Freiheitsbeschränkungen teilweise auf die Vereinbarungen mit den Personensorgeberechtigten gestützt245. Dies begegnet wegen der oftmals fehlenden ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen, der fließenden Grenzen und Abgrenzungsschwierigkeiten von üblichen Freiheitsbeschränkungen sowie dem grundrechtlich gewährleisteten Anspruch des Kindes, Eingriffe in die Freiheit seiner Person abzuwehren, erheblichen Bedenken. Zu der Problematik der Grenzbereiche pädagogischen Handelns hat das Landesjugendamt Rheinland eine Informationsschrift herausgegeben, die sich mit dem Thema der Minderjährigenrechte und des Freiheitsschutzes im Rahmen von Jugendhilfeangeboten befasst246. Im Ergebnis können jedenfalls nur solche grundrechtseingreifende Aufsichtsmaßnahmen als zulässig angesehen werden, die durch eine dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt genügende gesetzliche Grundlage verfassungsrechtlich legitimiert sind247. Demgegenüber sind altersgemäße freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Aufsichtsmaßnahmen durch das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) bis zur Grenze der §§ 1631b, 1666 f. BGB als Ausdruck des Kindeswohls gedeckt248. Fehlt für die gebotenen Aufsichtsmaßnahmen die erforderliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, kommt ein Organisationsverschulden des Heimträgers in Betracht, der bei begründetem Anlass, z. B. durch Benachrichtigung des Jugendamtes und der Personensorgeberechtigten, beispielsweise die Inobhutnahme des minderjährigen Aufsichtsbedürftigen oder seine Unterbringung durch die Eltern nach § 1631b BGB anzuregen hat249.

III. Öffentliche Schule Obwohl die Aufsichtspflicht im Rahmen der öffentlichen Schule dem Lehrpersonal als Amtspflicht obliegt und damit nicht unter die Haftungsgrundlage des 244 BVerfGE 10, 302 (309 f.); Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 116; Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 42 Rn. 50; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 2 II Rn. 103; v. Mangoldt/Klein/Starck/Gusy, Bd. III, Art. 104 Rn. 18; Jans/Happe/Saurbier/Maas, Erl. § 42 Art. 1 KJHG. 245 Wille, ZfJ 2002, 85 (86); Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 42 Rn. 49. 246 Pädagogik und Zwang, Minderjährigenrechte und Freiheitsschutz, 5. Auflage, Hrsg.: Landschaftsverband Rheinland, Dezernat Schulen, Jugend/Landesjugendamt, Abteilung erzieherische Hilfen, im Internet unter http://www.lvr.de/jugend/fachthemen/ heime/paedagogikundzwang.htm abrufbar (Stand: 28.07.2008). 247 Vgl. LG Kassel VersR 1993, 582; OLG Frankfurt RdJB 1968, 248 (249). 248 Vgl. Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 42 Rn. 49. 249 Oben § 6 II. 5.

III. Öffentliche Schule

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§ 832 BGB fällt, wird gleichwohl im Folgenden auf die wesentlichen Gesichtspunkte eingegangen, die den Umfang der Aufsichtspflicht betreffen. Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich zum einen aus dem Umstand, dass sich am Inhalt der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen durch die Veränderung der Anspruchsgrundlage (§ 832 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG) nichts ändert250; infolge der auch im Rahmen des § 832 BGB geltenden Bindungen an die verfassungsrechtlichen Grundsätze ist für den Inhalt der Aufsichtspflicht unerheblich, ob die kommunale öffentliche Einrichtung die Aufsichtspflicht privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich wahrnimmt. Zum anderen machen die Fälle der Aufsichtspflichtverletzungen in öffentlichen Schulen einen bedeutenden Teil der Rechtsprechung in dem Bereich der Aufsichtshaftung aus, für die das Reichsgericht ursprünglich sogar § 832 BGB als Anspruchsgrundlage für einschlägig hielt251. Schlussendlich wird auch bei der Aufsichtsführung von öffentlichen Schulen die Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch diskutiert252, wodurch die Aufsichtshaftung öffentlicher Schulen auch im Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG Bedeutung erlangt253. Dem Lehrpersonal obliegt die Amtspflicht, die ihm anvertrauten Kinder so zu beaufsichtigen, dass Schäden Dritter möglichst verhütet werden254. Herrschende Meinung ist, dass nicht nur die aufsichtsbedürftigen Schüler selbst – inklusive der Mitschüler – vor Schäden bewahrt werden sollen, sondern dass der Schutzbereich der Aufsichtspflicht auch die Vermeidung von Schädigungen außenstehender Dritter durch die Schüler umfasst255.

1. Zeitlicher und örtlicher Umfang der Aufsichtspflicht Die Aufsichtspflicht der Schule erstreckt sich nicht nur auf die Dauer des Unterrichts, sondern auch auf alle Schulveranstaltungen (Sportfeste, Exkursionen) einschließlich einer angemessenen Zeit vor und nach dem Unterricht oder sonstiger Schulveranstaltungen256. Nach § 12 Abs. 1 VVzASchO NW wird in der Regel 15 Minuten als angemessener Zeitraum angesehen. Die Aufsichtspflicht besteht generell immer dann, wenn sich die Schüler erlaubterweise auf dem Schul250

MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 5; Soergel/Krause, § 832 Rn. 19. Siehe unten § 9 II. 4. 252 OLG Hamburg OLGR 1999, 190 f.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620. 253 Ausführlich zu dem Konkurrenzverhältnis unten in § 9. 254 OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 671. 255 BGHZ 13, 25 (26); BGHZ 28, 297 (299); HOLG in Bremen Urteil vom 07.01. 1976, Az.: 3 U 68/75, RdJB 1977, 388 (Ls. 1), im Volltext unter http://www.juris.de; LG Aachen NJW 1992, 1051; Eckert, S. 98, 177; Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, S. 385; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 87; Scheffen/Pardey, Rn. 208. 256 Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, S. 387. 251

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

gelände aufhalten257. Demgemäß ist die Schule in den Pausenzeiten und Freistunden aufsichtspflichtig258. Der tägliche Schulweg zwischen Wohnung und Schule unterliegt grundsätzlich nicht der Aufsichtspflicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Schüler mit dem Schulbus befördert werden259. Dagegen wird der Weg zwischen dem Schulgelände und Unterrichtsorten oder anderen schulischen Veranstaltungen von der Aufsichtspflicht umfasst, da es sich im Gegensatz zum Schulweg um einen Unterrichtsweg handelt260. Als Beispiel ist wiederum die ASchO NW zu nennen, die in § 12 Abs. 2 ASchO NW eine solche Regelung trifft.

2. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht Stärker als bei anderen Einrichtungen wird der Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht wegen des staatlich garantierten Schulwesens und der staatlichen Schulpflicht (Art. 7 Abs. 1 GG) durch eine Vielzahl von Dienstanweisungen und Richtlinien mitbestimmt. Daneben existieren auch für den schulischen Bereich von den gesetzlichen Unfallversicherern verfasste Unfallverhütungsvorschriften, die Anhaltspunkte für die gehörige Aufsichtsführung liefern261. Aber auch hier sind die Regelungen allgemein gehalten und stecken daher zumeist nur den äußeren Rahmen und die Mindestanforderungen der Aufsichtsführung ab. Aber auch für den Schulalltag gilt, dass sich keine Regelungen aufstellen lassen, die jeder durch den Einzelfall geprägten Aufsichtssituation gerecht werden. Nur als Beispiel sind Runderlasse verschiedener Ministerien in Nordrhein-Westfalen zu nennen, die besondere gefahrträchtige Haftungsbereiche näher regeln. So existiert ein Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung, der besondere Aspekte der Sicherheitsförderung im Schulsport festschreibt262. Es werden Einzelheiten zur der Kleidung, Ausrüstung und den Sportgeräten gere257 Davon sind auch die Situationen umfasst, in denen sich die Schüler von der Schule gestattet oder lediglich geduldet vor Beginn des Unterrichts in den Klassenräumen oder auf dem Schulgelände aufhalten; siehe dazu auch Eckert, S. 105. 258 Siehe OLG Celle Nds.Rpfl 1985, 281 (282); Eckert, S. 123. 259 Niehues/Rux, Schul- u. PrüfungsR., Rn. 927; Eckert, S. 104; zu den an die Amtspflicht von Aufgabenträger und Schulbusfahrer zu stellenden Anforderungen bei notwendiger Schulbusbeförderung OLG Bamberg VersR 1977, 231 (Ls. 1–3). 260 In der Entscheidung BGHZ 44, 103 ff., hat der BGH dieser Aufsichtspflicht insofern Grenzen gesetzt, dass keine Pflicht der Schule bestehe, die Schüler, welche den Weg von der Schule zu einer außerhalb des Schulgebäudes stattfindenden Schulveranstaltung mit dem Fahrrad zurücklegen, auf eine verkehrsgerechte Fahrweise zu überwachen. Berücksichtigt wurde hierbei auch, dass die Eltern den Kindern die Erlaubnis erteilt haben, den täglichen Schulweg mit dem Fahrrad zurückzulegen. 261 Niehues/Rux, Schul- u. PrüfungsR., Rn. 929. 262 Sicherheitsförderung im Schulsport, Gem. RdErl. d. Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport u. d. Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung vom 20.08.2002 (GABl.NW S. 490).

III. Öffentliche Schule

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gelt. Ziffer 2.3 des Runderlasses trägt die Überschrift Organisation und Aufsicht. Danach richten sich Organisation und Aufsicht im Sportunterricht grundsätzlich nach Alter, Entwicklungsstand und Ausprägung des Verantwortungsbewusstseins der Schülerinnen und Schüler sowie nach den Besonderheiten der Sportstätten und der Gegenstände des Unterrichts. Der Runderlass regelt, dass z. B. der Geräteauf- und -abbau nicht unter Zeitdruck und ohne Aufsicht erfolgen darf. Bei Gruppenarbeit haben sich die Lehrkräfte abwechselnd bei allen Gruppen aufzuhalten; bei Übungen mit besonderen Gefahrenmomenten ist es in der Regel unerlässlich, dass die Lehrkräfte selbst den Ablauf der Übungen überwachen und ggf. eingreifen. Weitere Beispiele sind die Richtlinie für Schulwanderungen und Schulfahrten263 sowie der Runderlass für die Sicherheit im naturwissenschaftlich-technischen Unterricht an allgemeinbildenden Schulen. In einem vom LG Wiesbaden entschiedenen Fall wird deutlich, dass solche Verwaltungsvorschriften Inhalt und Umfang der Aufsichtspflichten mitbestimmen können, auch wenn der Schüler keinen Dritten geschädigt hat. In dem Urteil ging es um eine Aufsichtspflichtverletzung eines Physiklehrers, der im Unterricht Experimente mit Kaliumpermanganat durchführte und auf Bitten von Schülern diesen die Chemikalie aushändigte, die in der Apotheke frei verkäuflich war. Bei dem Versuch, das Experiment zu Hause zu wiederholen, zog sich eine 13-jährige Schülerin eine Verätzung am rechten Auge zu. Das Gericht hielt eine Aufsichtspflichtverletzung für gegeben. Es führte aus, dass die Aufsichtspflicht des Lehrers auch nicht gem. Abschnitt I Ziff. 1.2. des Erlasses des Hessischen Kultusministers vom 22.08. 1969, wonach sich die Aufsicht nur auf den Unterricht, die Unterrichtswege und alle außerhalb des Unterrichts abgehaltenen Schulveranstaltungen erstreckt, beschränkt werde. Zwar sei eine Einschränkung von Aufsichtspflichten durch Verwaltungsvorschriften grundsätzlich möglich, doch habe der Lehrer seine Aufsichtspflicht bereits im Unterricht selbst durch die Übergabe der Chemikalie ohne Hinweis auf deren Gefährlichkeit verletzt264. Auch das OLG Frankfurt bezieht sich in einem Urteil bei der Frage der Aufsichtspflichtverletzung eines Bademeisters neben der von anwesenden Fachlehrern über Schüler beim Schulschwimmen auf einen Runderlass des Hessischen Ministers für Kultur, der die Aufsichtspflicht und die fachlichen Anforderungen an die Lehrkräfte verbindlich regelt265. Neben den Schulvorschriften richtet sich der Umfang der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufsichtspflicht nach den bereits in § 6 I. 2. dargestellten Kriterien. In der überwiegenden Zahl der Entscheidungen wird von der Rechtsprechung an den Anfang die bekannte Aufsichtsformel gestellt: „Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter der Kinder, 263 Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten, RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 19.03.1997 (GABl.NW I S. 101). 264 LG Wiesbaden VersR 1984, 95 (96). 265 OLG Frankfurt VersR 1981, 538.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihrem jeweiligen Verhalten zugemutet werden kann. Entscheidend ist letztlich, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen muss, um Schädigungen Dritter durch das Kind zu verhindern266.“ Ebenso wie in dem bereits zitierten Runderlass zur Sicherheitsförderung im Schulsport findet sich auch in der Verwaltungsvorschrift zu § 57 Abs. 1 SchulG NW (Aufsicht) unter Ziffer 3 der Hinweis, dass sich die Aufsichtsmaßnahmen der Schule unter Berücksichtigung möglicher Gefährdung nach Alter, Entwicklungsstand und der Ausprägung des Verantwortungsbewusstseins der Schülerinnen und Schüler, bei behinderten Schülerinnen und Schülern auch nach der Art der Behinderung, ausrichten. Die Art der Aufsicht hängt von der jeweiligen konkreten Situation ab. Ständige Anwesenheit der Lehrkraft ist nicht in jedem Fall zwingend geboten267. Ein Teil der bekannten Kriterien zur Bestimmung der ordnungsgemäßen Aufsichtsführung ist damit im Schulbereich des Landes Nordrhein-Westfalen ausdrücklich normiert. Einen besonderen gefahrenerhöhenden Umstand speziell im schulischen Bereich hat das LG Hamburg in dem Zurücklegen eines Unterrichtsweges mit der ganzen Schulklasse nach mehreren Schulstunden gesehen268.

3. Grenzen der Aufsichtspflicht Bei der Bestimmung des Aufsichtsmaßes ist das für die öffentliche Schule geltende Erziehungsziel besonders zu berücksichtigen, weil es sich um einen eigenständigen dem elterlichen Erziehungsrecht gleichgeordneten Erziehungsauftrag handelt. Die gewünschte Persönlichkeitsentwicklung als einschränkendes Kriterium für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht wird während des Unterrichts kaum eine Rolle spielen. Insgesamt ist das Potential der Aufsichtspflichtverletzungen der Lehrkraft während des Schulunterrichts als eher gering einzustufen. Mögliche gefahrträchtige Situationen können sich allenfalls bei kurzzeitiger Abwesenheit des Lehrers aus dem Klassenraum sowie beim Hinausweisen eines den Unterricht störenden Schülers ergeben269. Von Bedeutung ist das Erziehungsziel vielmehr bei Unterrichtsveranstaltungen oder Pausen, in denen sich die Kinder außerhalb des Klassenzimmers bewegen. Eng mit der Ver266 OLG Düsseldorf VersR 1997, 314; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; OLG Düsseldorf NWVBl 1998, 77. 267 Verwaltungsvorschrift zu § 57 Abs. 1 SchulG NW – Aufsicht –, RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung vom 18.07.2005 (GABl.NW S. 289). 268 LG Hamburg NJW 1992, 377. 269 Siehe hierzu ausführlich Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, S. 388 f. Der BGH hat in seinem Urteil vom 19.06.1972 VersR 1972, 979 f., eine Amtspflichtverletzung der Schulleitung angenommen, da sie geduldet hat, dass eine sich aus 14- bis 15-jährigen Jungen und Mädchen zusammensetzende Klasse während zwei Unterrichtsstunden ohne Aufsicht durch Lehrkräfte bleibt.

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wirklichung des Erziehungsziels hängt die Frage der Kontrolle bzw. Überwachung der Kinder als gebotene Maßnahmen der Aufsichtsführung zusammen. Nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ist eine dauernde Überwachung auf „Schritt und Tritt“ bei Kindern im Schulalter nicht erforderlich. Als Begründung wird die verantwortliche Erziehung genannt, welche die Gewährung von Freiräumen für die Kinder voraussetzt270. Vorwiegend in der Literatur wird zum Teil eine lückenlose Aufsicht dahingehend gefordert, dass sich die Schüler zumindest beaufsichtigt fühlen müssen, wenn schon eine ständige Beaufsichtigung tatsächlich nicht gewährleistet werden kann271. Diese Ansicht begegnet insofern Bedenken, als sich die Kinder im Grundschulalter auch außerhalb der Wissensvermittlung im Klassenzimmer subjektiv beobachtet fühlen. Damit geht insbesondere für die jüngeren Schüler die Gefahr der Hemmung von spielerischen und damit auch persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten zu selbstbewusstem, eigenverantwortlichem Handeln einher. Demgegenüber realisieren ältere jugendliche Schüler schnell, dass eine Pausenaufsicht ihr Treiben wegen der Vielzahl der Schüler und des großen Schulgeländes nicht dauernd beobachten kann. Sind zwei Lehrkräfte mit der Aufsicht betraut, werden die Schüler gerade den Moment abpassen, in dem sie außerhalb des Sichtfeldes der Lehrer sind. Von dem Gefühl lückenlos beaufsichtigt zu werden, kann daher keine Rede sein. Auch eine erhöhte Aufsichtspflicht in einer öffentlichen Schule, die eine engmaschige bis ständige Überwachung erforderlich macht, stößt auf die Zumutbarkeitsgrenze des Einrichtungszwecks. Insofern muss beispielsweise zwischen einer öffentlichen Schule und einem Kinderheim als Einrichtung der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe unterschieden werden. Ein Kinderheim ist auf die Erziehung und Betreuung von teilweise schwer erziehbaren Kindern ausgerichtet. Die öffentliche Schule hat dagegen einen in Art. 7 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten Bildungs- und Erziehungsauftrag, der eng mit der Wissensvermittlung verknüpft ist, aber nicht auf der qualifizierten und sicheren Betreuung von schwer erziehbaren Kindern liegt, die ihren Lebensmittelpunkt nicht mehr in der häuslichen Umgebung haben. Das OLG Düsseldorf konnte diese Frage in einem Urteil offen lassen, da die Lehrkräfte bereits keinen Anlass für eine erhöhte Aufsichtsführung hatten272. Letztlich ergibt sich erst dann Handlungsbedarf, wenn die das Aufsichtsmaß erhöhenden Umstände der Schule bzw. den Lehrern bekannt sind. Bei Vorliegen von Verhaltensauffälligkeiten hat der Schulträger im 270 OLG Hamburg OLGR 1999, 190 (192); OLG Düsseldorf VersR 1997, 314; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; OLG Düsseldorf NWVBl 1998, 77. 271 Niehues/Rux, Schul- u. PrüfungsR., Rn. 930, der dann in Fn. 364 einschränkend ausführt, dass zumindest in der Primarstufe die Lehrkräfte die ihnen anvertrauten Schüler nicht grundsätzlich sich selbst überlassen dürfen; Margies/Rieger, RdJB 2000, 280 (286); Eckert, S. 99; HOLG Bremen Urteil vom 07.01.1976, Az.: 3 U 68/75, RdJB 1977, 388 (Ls.), im Volltext unter http://www.juris.de. 272 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620 f.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

Rahmen seiner Organisationspflicht und seines Hausrechts zum Schutz der Schüler und der außenstehenden Dritten zu prüfen, ob ein Schulwechsel geboten ist. Dazu bedarf es einer Abwägung zwischen der staatlichen Erziehungsaufgabe, die Schüler zu einer gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen, den vorhandenen reellen Erziehungsmöglichkeiten sowie der Einzelfallumstände einschließlich einer Zukunftsprognose273. Eine weitere Grenze der Aufsichtspflicht in öffentlichen Schulen bilden die Erziehungs- und allgemeinen Aufsichtspflichten der Personensorgeberechtigten. Die Schule hat zwar einen im Verhältnis zu den Eltern eigenständigen und gleichgeordneten Erziehungsauftrag, jedoch ist dieser auf den schulischen Bereich beschränkt. Die umfassende und alltägliche Erziehungsarbeit, verbunden mit den entsprechenden Aufsichtsmaßnahmen, welche den Kindern Grundregeln des mitmenschlichen und sozialen Verhaltens vermitteln, obliegt den Eltern (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG)274. Ohne konkreten Anlass dürfen sich die Lehrkräfte darauf verlassen, dass die Eltern den allgemein üblichen Erziehungspflichten nachkommen und die Schüler alterstypisches Gefahrenbewusstsein entwickelt haben275. Eine vorsorgliche Belehrung wie im Kindertagesstättenbereich ist für eine ordnungsgemäße Aufsichtsführung nicht erforderlich. Dementsprechend hat das OLG Düsseldorf in zwei Entscheidungen, in denen es um die Belehrung über den Umgang mit Feuer und um die Entstehung von Schäden durch Steinwürfe ging, entschieden, dass die Lehrkräfte auf entsprechende Belehrungen im Elternhaus vertrauen dürfen276. Erst dann, wenn ein begründeter Anlass durch positive Kenntnis der schädlichen Neigung, einer Verhaltensstörung des Schülers oder vorhergehender schädigender Ereignisse277 selbst besteht, sind Aufsichtsmaßnahmen geboten. Auch das Kriterium des bisherigen Erziehungserfolges hat im 273 Siehe hierzu HOLG in Bremen Urteil vom 07.01.1976, Az.: 3 U 68/75, RdJB 1977, 388 (Ls.), im Volltext unter http://www.juris.de. 274 Vgl. Eckert, S. 99, der in dem Umstand, dass die Schule weder die einzige, noch die primäre Erziehungseinrichtung ist, einen die Verantwortlichkeit der Schule beschränkenden Faktor sieht. In erster Linie hält er es für die Aufgabe der häuslichen Erziehung, dem Kind die Grundregeln des mitmenschlichen Verhaltens beizubringen. So auch Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, S. 386; Margies/Gampe/Gelsing/Rieger, § 12 ASchO NW Rn. 6. Vgl. dazu auch Gern, Ratgeber Schule, S. 56: Seiner Auffassung nach beginnen die inhaltlichen Grenzen der schulischen Aufsichtspflicht dort, wo die elterliche Sphäre beginnt. Im Bereich der Elternrechte habe die Schule nur dann Aufsichtspflichten, wenn die Eltern ihre Erziehungs- und allgemeine Aufsichtspflicht vernachlässigen. Erkenne der Lehrer den erzieherischen Missstand, so werde sein Verantwortungsbereich ausgedehnt. 275 OLG Frankfurt a. M. NVwZ-RR 2010, 479 (480); Scheffen/Pardey, Rn. 209. 276 OLG Düsseldorf VersR 1997, 314; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620 (1621). 277 Ist es beispielsweise zu Steinwürfen gekommen, darf der Lehrer sich zwar auf eine diesbezügliche vorausgegangene elterliche Erziehung verlassen; im Hinblick auf weitere Steinwürfe obliegt es ihm aber, mit den Schülern die davon ausgehenden Gefahren zu erörtern und ein diesbezügliches Verbot auszusprechen, OLG Düsseldorf VersR 1997, 314.

III. Öffentliche Schule

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schulischen Bereich wenig Bedeutung. Dies liegt zum einen darin begründet, dass die erzieherische Arbeit nicht im Vordergrund steht und die grundlegende Erziehungsaufgabe von den Eltern geleistet wird, worauf sich das Aufsichtspersonal verlassen und woran sich auch das Maß ihrer Aufsicht orientieren kann. Zum anderen kennen die Lehrkräfte in den allgemeinen Aufsichtssituationen, wie z. B. der Pausenaufsicht, die einzelnen Schüler nicht persönlich. Dass sich das Maß der Aufsicht nach dem bisherigen Erziehungserfolg richtet, wird sich daher hauptsächlich auf Schulveranstaltungen im Klassenverband beschränken.

4. Organisationsverschulden Wie in jeder öffentlichen Einrichtung spielt auch im Schulwesen das Organisationsverschulen eine nicht unbedeutende Rolle. In der Rechtsprechungspraxis taucht die Frage des Organisationsverschuldens der Schulleitung zumeist in den Fällen mangelnder Pausenaufsicht auf. Der Schulleiter ist für die Aufstellung des Aufsichtsplanes verantwortlich278. Der Umfang der Pausenaufsicht hängt von den Einzelfallumständen ab. Kriterien sind auch hier die Größe und Übersichtlichkeit des Schulgeländes, Anzahl und Alter der zu beaufsichtigenden Schüler sowie nahe liegende Gefahrenquellen und frühere Vorfälle279. Auch das Organisationsverschulden der Schulleitung findet seine Grenze in der Zumutbarkeit der Aufsichtsführung. Die Pausenaufsicht muss nicht so organisiert sein, dass jeder Schüler ständig überwacht werden kann, zumal dies ohnehin mit dem Erziehungsauftrag zur Selbständigkeit nicht zu vereinbaren ist. Ohne das Vorliegen besonderer gefahrenerhöhender Momente wird dem Erfordernis einer ordnungsgemäßen Aufsicht in jedem Fall dann Genüge getan, wenn die Aufsichtsperson einen vollständigen Überblick über den Pausenhof hat. Abhängig von der Größe des Geländes und der Zahl der Schüler ist eine zweite Lehrkraft mit der Pausenaufsicht zu betrauen. Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Organisationsverschulden der Schulleitung vorliegt, wenn lediglich eine Lehrkraft zur Pausenaufsicht über etwa 300 Schüler der Orientierungsstufe auf einem unübersichtlichen Schulgelände von mindestens 3500 qm eingeteilt wird280. Vor diesem Hintergrund ist ein Urteil des OLG Hamburg nicht ganz unbedenklich. Der Senat hat eine Verletzung der Organisationspflicht verneint, wenn zwei Lehrkräfte als Pausenaufsicht vorgesehen sind und daher nicht jede der vorhandenen drei Schulhofflächen ständig eingesehen werden kann281. Unabhängig davon, dass die Pausenaufsicht ohnehin nicht jeden Winkel des Schulgeländes beobachten und nicht gleichzeitig alle Kinder kontrollieren kann, sprechen in diesem Fall Anhalts-

278 279 280 281

Vgl. 12.1 VVzASchO zu § 12 ASchO, § 20 Abs. 1 Nr. 5 ADO NW. OLG Hamburg OLGR 1999, 190 (192); OLG Celle Nds.Rpfl 1985, 281 (282). OLG Celle Nds.Rpfl 1985, 281 (282 f.). OLG Hamburg OLGR 1999, 190 (191 f.).

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

punkte für die Gewährleistung eines dichteren Aufsichtsnetzes. Es handelte sich um Schüler im Alter von 6 Jahren, die gerade einmal die erste Klasse besuchten. Zudem stellte der nur 0,5 m hohe Zaun, der für Kinder leicht zu überwinden ist, eine nahe liegende Gefahrenquelle dar. Aufsichtserhöhend wirkt sich letztlich auch aus, dass die Pausenaufsicht für die Grundschüler – unabhängig von der tatsächlichen Beobachtung – noch nicht einmal in Sichtweite gewesen sein kann. Gerade unter diesen Umständen muss mit dem bekannten Risiko der Gruppendynamik von mehreren gleichaltrigen Schülern gerechnet werden, die schadensträchtiges Verhalten auslösen kann. Ist für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht ein erhöhter Personaleinsatz geboten, stellt Personalmangel kein den Träger entlastenden Umstand dar.

5. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht der öffentlichen Schule und der Eltern Unterschiedliche Anforderungen zur häuslichen Aufsicht ergeben sich zunächst daraus, dass es sich bei der Beaufsichtigung der Schüler um die Ausübung von öffentlicher Gewalt handelt. Der Schulträger unterliegt damit den öffentlich-rechtlichen Bindungen282. Demgemäß ist in § 53 Abs. 1 S. 3 SchulG NW die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei erzieherischen Einwirkungen ausdrücklich normiert. Der Inhalt des Schulverhältnisses ergibt sich aus den Schulgesetzen und den sie ergänzenden Rechtsvorschriften. Wegen der Wahrnehmung der grundlegenden Erziehungsaufgabe durch die Eltern – auf welche die Lehrkräfte ohne konkreten gegenteiligen Anlass vertrauen dürfen – und dem an sich beschränkten Aufsichts- und Erziehungsbereich in der Schule, ist der Umfang der Aufsichtsführung gegenüber dem umfassenden elterlichen Aufsichts- und Erziehungsauftrag begrenzt. Die sich im Vergleich zu den Eltern ergebenden Unterschiede bei der Bestimmung des Aufsichtsmaßes resultieren ferner aus der Anzahl der Aufsichtsbedürftigen, der Gruppendynamik, der nahe liegenden Gefährdung eines Mitschülers sowie dem verfassungsrechtlich garantierten staatlichen Erziehungsauftrag, mit dem sich die aus der elterlichen Aufsichtsführung bekannten subjektiven Entlastungsmomente nicht vereinbaren lassen. Auch wenn die Persönlichkeitsentwicklung sowohl bei den Eltern als auch der öffentliche Schule als ein die Aufsicht begrenzender Faktor zu beachten ist, so ergeben sich dennoch die aufgezeigten Unterschiede. Damit gelten auch für das öffentliche Schulwesen insgesamt andere Anforderungen an die Aufsichtsführung. An die im Rahmen der elterlichen Aufsichtspflicht nach § 832 BGB entwickelten Maßstäbe kann sich die öffentliche Schulaufsicht daher nicht leitend orientieren.

282

Oben § 6 I. 3.

IV. Psychiatrische Krankenhäuser

225

IV. Psychiatrische Krankenhäuser Auch für die psychiatrischen Krankenhäuser werden im Folgenden anhand der existierenden Rechtsprechung und Literatur Kriterien herausgearbeitet, die als Maßstab zur Bestimmung der gehörigen Erfüllung der Aufsichtspflicht herangezogen werden können. Den Träger eines psychiatrischen Krankenhauses sowie die dort beschäftigten Ärzte und das Pflegepersonal trifft neben der Heilung und Pflege der Patienten auch die Verpflichtung, diese vor vermeidbaren Gefahren zu schützen und alles zu unterlassen, was diesem Ziel abträglich sein könnte283. Die Sicherheit des in einem Krankenhaus stationär untergebrachten Patienten muss oberstes Gebot sein284. In Bezug auf den nach § 832 BGB haftungsrechtlich ebenfalls als Dritten zu qualifizierenden Mitpatienten hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem ein auf der Kinderstation eines Allgemeinkrankenhauses liegender Säugling durch einen im Nebenzimmer untergebrachten 7-jährigen Jungen körperlicher Schaden zugefügt wurde. Der Senat hat ausgeführt, dass der Träger des Krankenhauses die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Patienten und Besucher zu treffen habe. Dazu gehören vor allem Maßnahmen, die verhindern, dass die im Krankenhaus aufgenommenen Patienten durch andere Kranke oder durch Besucher zu Schaden kommen285. Diese Rechtsprechung gilt auch – vor allem wegen der gemeinschaftlichen Unterbringung für einen längeren Zeitraum und der zumindest potentiellen krankheitsbedingten Konfliktträchtigkeit – für den Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik286. Zusätzlich umfasst die Aufsichtspflicht auch den Schutz von außenstehenden Dritten vor Schädigungen durch den aufsichtsbedürftigen Patienten287. Auch bei den psychiatrischen Krankenhäusern gibt es keine für jeden Einzelfall verbindliche allgemeingültige und konsentierte Formel, mit deren Hilfe sich Inhalt, Umfang und Grenzen der Aufsichtpflicht bestimmen lassen. Deshalb geht es auch im Rahmen der Beaufsichtigung in psychiatrischen Krankenhäusern darum, Kriterien aufzuzeigen, welche das Maß der Aufsicht mitbestimmen. Die Frage der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufsichtspflicht der psychisch Kranken wird durch die in Betracht kommenden unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen nicht berührt.

283

OLG Köln AHRS 3060/27, 84 (85). BGH AHRS 3060/2, 6 (7). 285 BGH NJW 1976, 1145; OLG Köln NJW-RR 1994, 862. 286 Vgl. OLG Frankfurt AHRS 3060/5, 13 (Ls. 2). In einem Fall des OLG München VersR 1960, 571 (572), wurde eine zwangsweise in einer „schweren“ Abteilung untergebrachte Patientin von einer Mitpatientin verletzt. Der Senat stützte den Anspruch auch auf ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis. Dieses beinhalte die Pflicht, die Klägerin vor Angriffen anderer Patientinnen zu schützen, mit denen sie zwangsweise zusammen untergebracht war. 287 BGH NJW 1985, 677 (678); BGH NJW 2008, 1444 (1445); LG Bremen NJW-RR 1999, 969 f.; LG Bremen PflR 2001, 405 (406 f.); Deutsch/Spickhoff, MedizinR., Rn. 830; Bohl, S. 246; Marburger, VersR 1971, 777 (785). 284

226

§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

1. Zeitlicher und örtlicher Umfang der Aufsichtspflicht Bei der gerichtlich angeordneten oder genehmigten Unterbringung richten sich die zeitliche Dauer und die Unterbringungseinrichtung nach dem Inhalt der Unterbringungsanordnung oder dem Umfang der genehmigten Maßnahme. Bei dem Aufenthalt auf freiwilliger Basis ist die Vereinbarung zwischen dem psychiatrischen Krankenhaus und dem Patienten bzw. dessen gesetzlichem Vertreter entscheidend. Bei einer vollstationären Unterbringung besteht die Aufsichtspflicht für die gesamte Dauer des Aufenthaltes, unabhängig davon, ob sich der aufsichtsbedürftige Patient auf einer geschlossenen oder offenen Station befindet. In die Zeit der aufsichtspflichtigen Aufenthaltsdauer fällt auch der zu gewährende Ausgang innerhalb und außerhalb des Klinikgeländes. Davon sind grundsätzlich die ausschließlich für die öffentlich-rechtliche Unterbringung geltende Beurlaubung nach § 25 PsychKG NW sowie die probeweise Aussetzung der Vollziehung nach § 70 k FGG zu unterscheiden. Bei der zivilrechtlichen Unterbringung entscheidet der Betreuer/gesetzliche Vertreter über eine Beurlaubung288 oder eine Aussetzung der Vollziehung289. Der volljährige Patient ohne Betreuer entscheidet bei fehlender Einschlägigkeit der PsychKG und Unterbringungsgesetze der Länder selbst darüber. Da sich der Patient – (mit)gerechtfertigt durch eine Entscheidung des Gerichts oder des gesetzlichen Vertreters – für diese Zeit nicht mehr in der Obhut des psychiatrischen Krankenhauses befindet, endet die Aufsichtspflicht mit Verlassen der Station bzw. des Klinikgeländes, da keine unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten mehr bestehen. Die ärztliche Leitung hat gleichwohl sicherzustellen, dass der Patient beispielsweise durch die gesetzlichen Vertreter oder durch eine andere Einrichtung in Obhut genommen wird290. Das Krankenhaus trifft insoweit allenfalls eine mittelbare Aufsichtspflicht291. Jedenfalls hat ab dem Zeitpunkt der Übernahme der Aufsicht die Person/Einrichtung wegen der weit reichenden Einwirkungsmöglichkeit die Verpflichtung zur unmittelbaren Aufsichtsführung inne292. Ein weiterer denkbarer Anknüpfungspunkt für die Haftung des Krankenhauses ist, ob die Behandlungsmaßnahme auf einer fehlerhaften Einschätzung des zukünftigen Krankheitsverlaufs und insoweit auf einem Verstoß gegen anerkannte Grundsätze der psychiatrischen Wissenschaft beruht. Die Aufsichtspflicht endet mit endgültiger Beendigung der Unterbringung. Im Gegensatz zu den zuvor geschilderten Fällen liegt dies schon in dem Umstand begründet, dass der Patient geheilt ist und das aufsichtsbegründende Merkmal der psychischen Krankheit daher nicht mehr vorliegt.

288 289 290 291 292

Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 25 Rn. 8. Bumiller/Winkler, FGG, § 70 k Rn. 1. Vgl. LG Bremen PflR 2001, 405 (408). Vgl. hierzu OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (409). Vgl. Scheffen/Pardey, Rn. 260.

IV. Psychiatrische Krankenhäuser

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Von der Pflicht zur Aufsichtsführung ist die in einigen PsychKG vorgesehene nachsorgende Hilfe für psychisch Kranke zu unterscheiden, z. B. §§ 27, 28 PsychKG NW oder § 40 PsychKG Brem. Die nachsorgende Hilfe basiert auf der allgemeinen staatlichen Fürsorge und wird auf freiwilliger Grundlage angeboten. Gegen das Fortbestehen einer Aufsichtspflicht über den stationären Aufenthalt hinaus spricht neben der erfolgten Heilung und dem Merkmal der Freiwilligkeit, dass die nachsorgende Hilfe den unteren Gesundheitsbehörden und nicht etwa dem Krankenhausträger obliegt, § 5 Abs. 1 S. 1 PsychKG NW. Haftungsrechtlich relevant könnte auch hier allerdings die Frage sein, ob eine Entlassung den ärztlichen Regeln in der psychiatrischen Wissenschaft entsprochen hat293. Ist dies nicht der Fall, dann kann sich der Krankenhausträger durch die Entlassung nicht einseitig seiner vertraglichen und gesundheitlichen Fürsorgeverpflichtungen entziehen, zumal dies die Konsequenz hätte, dass der Klinikträger über den Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht selbst verfügen könnte.

2. Kriterien zur Bestimmung der Aufsichtspflicht Den absolut überwiegenden Teil der Rechtsprechung im Bereich der Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern machen die Urteile über Aufsichtspflichtverletzungen von suizidgefährdeten Patienten aus. Auch wenn diese Entscheidungen nicht den hier thematisch interessierenden Bereich der Fremdgefährdung tangieren, so lassen sich die Ausführungen zum Inhalt und Umfang der Aufsichtsführung dennoch überwiegend auf die Fälle der Drittschädigung übertragen. Da im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung für die Eigengefährdung ausschließlich § 823 Abs. 1 BGB die einschlägige Haftungsgrundlage ist, wird in den Entscheidungen oftmals der Begriff der Aufsichtspflicht nicht verwandt. Stattdessen ist von Sicherungs-, Überwachungs- oder Schutzmaßnahmen die Rede. Urteile, die eine Schädigung Dritter durch einen aufsichtsbedürftigen Patienten infolge einer Verletzung der Aufsichtspflicht zum Gegenstand haben, finden sich dagegen eher seltener. Die dargestellte und für Minderjährige entwickelte generalklauselartige Formulierung, dass sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach deren Alter, Eigenart und Charakter bestimmt, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen grundsätzlich danach richtet, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen Dritter zu verhindern, kann bei der Bestimmung der gebotenen Aufsicht über Patienten in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht entsprechend angewendet werden. Dies liegt in dem Umstand begründet, dass sich die von der Rechtsprechung und der Literatur für die Minderjährigen entwickelten Kriterien nicht auf die Aufsichts293

Siehe hierzu LG Bremen PflR 2001, 405 ff.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

pflicht des Trägers und der Bediensteten eines psychiatrischen Krankenhauses übertragen lassen. Einzig bei der Unterbringung von Jugendlichen in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie spielen die für Minderjährige relevanten Indizien in die Bestimmung des Aufsichtsmaßes mit hinein294. In den einschlägigen Entscheidungen zu Aufsichtspflichtverletzungen im Rahmen einer stationären Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus findet sich nur vereinzelt eine generelle Formulierung, welche Kriterien für die Anforderungen an die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht enthalten. So hat der BGH in einer Entscheidung vom 19.01.1984 beispielsweise ausgeführt, dass sich die Anforderungen gem. § 832 BGB vor allem nach den körperlichen und geistigen Eigenarten der zu beaufsichtigenden Person richten295. Das LG Bremen führt aus: „Maßgeblich für die an einen Aufsichtspflichtigen zu stellenden Anforderungen sind die nach den körperlichen und geistigen Eigenheiten der zu beaufsichtigenden Person erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen, um von ihr ausgehende Schädigungen Dritter zu vermeiden296.“ Außerdem nennt das Gericht als Kriterium noch das Fremdgefährdungspotential, an dem sich die Aufsichtspflicht auszurichten habe297. Anhand der Rechtsprechungspraxis zu Fremd- und Eigenschädigungen werden im Folgenden Kriterien für die Bestimmung des gebotenen Umfanges der Aufsichtspflicht herausgearbeitet. Sie stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern ergänzen sich vielmehr, wodurch es teilweise auch zu thematischen Überschneidungen kommt. a) Art der psychischen Erkrankung Abgesehen von Minderjährigen, die wegen ihrer Minderjährigkeit stets der Aufsicht bedürfen, besteht eine Aufsichtspflicht über Volljährige nur dann, wenn sie wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes der Aufsicht bedürfen. Anknüpfend an den Gesetzestext von § 832 Abs. 1 BGB haben die bereits zitierten Entscheidungen daher die körperlichen und geistigen Eigenheiten der zu beaufsichtigenden Person als Kriterium genannt. Diese beiden Merkmale knüpfen an die fehlende Selbstkontrolle an298. Vor dem Hintergrund der Aufsichtspflichten in einem psychiatrischen Krankenhaus kann man diese beiden Merkmale zu dem aussagekräftigeren Kriterium der Art der psychischen Krankheit zusammenfassen299. Mit der Feststellung des Krankheitsbildes können sowohl die für die Art der Krankheit typischen geistigen als auch die eventuell auftretenden körperli294

BGH NJW 1985, 677 (678 f.); OLG Saarbrücken VersR 2008, 408 (409). BGH NJW 1985, 677 (678). 296 LG Bremen NJW-RR 1999, 969. 297 So auch LG Bremen PflR 2001, 405 (407). 298 Erman/Schiemann, § 832 Rn. 2. 299 LG Nürnberg-Fürth AHRS 3060/113, 45 (47), formuliert für den Fall der selbstschädigenden Handlung: „Welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind, hängt von der Art der psychischen Erkrankung und dem jeweils erreichten Behandlungsstand ab.“ 295

IV. Psychiatrische Krankenhäuser

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chen Symptome bestimmt werden. Demgegenüber spielen bei dem aufsichtsbedürftigen Personenkreis der psychisch Kranken die individuellen Charaktereigenschaften für die Bestimmung des Aufsichtsmaßes – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle, da diese durch die Krankheitssymptome und die Krankheitsgeschichte überlagert werden. Zu beachten ist aber auch hier, dass allein die Feststellung der mit bestimmten Krankheitsbildern verbundenen Fremdschädigungsgefahr für sich alleine kein die Aufsichtspflicht konkretisierendes Merkmal darstellen kann; es bedarf erkennbarer Krankheitssymptome des Patienten, die auf ein krankheitsbedingtes schadensträchtiges Risiko hindeuten. Abhängig von dem fremdschädigenden Potential der einzelnen Symptome bestimmen diese dann das notwendige Maß der Aufsichtsführung. Im Folgenden sollen kurz einige Krankheitsbilder skizziert werden, die sich symptomatisch unter anderem durch Fremdgefährdungstendenzen auszeichnen. aa) Krankheitsbilder in der Erwachsenenpsychiatrie Nach § 1 Abs. 2 PsychKG NW sind psychische Krankheiten im Sinne dieses Gesetzes behandlungsbedürftige Psychosen sowie andere behandlungsbedürftige psychische Störungen und Abhängigkeitserkrankungen von vergleichbarer Schwere. Hinsichtlich der diagnostischen Einteilung von psychischen Krankheiten orientiert sich die Praxis allgemein an der International Classification of Diseases (ICD)300. Die ICD ist eine Klassifikationsliste der Weltgesundheitsorganisation für krankhafte Zustände jeglicher Art, welche unter anderem auch die psychischen Krankheiten enthält301. Eine übergeordnete Diagnosegruppe bilden die endogenen Psychosen. Psychosen zeichnen sich durch den hohen Schweregrad der psychischen Veränderungen, mangelnde Verstehbarkeit und Einfühlbarkeit für Krankheitssymptome, Störungen der zwischenmenschlichen Kommunikation und fehlender Krankheitseinsicht aus. Endogene Psychosen haben keine erkennbare körperliche Ursache302. Akute Psychosen gehen häufig mit eigen- und fremdaggressiven Tendenzen einher303. Die Schizophrenie unterfällt der Gruppe der endogenen Psychosen. Einer der vielen Symptome der Schizophrenie sind Wahn und Halluzinationen, die mit fremdaggressiven Tendenzen einhergehen können304. Bei imperativen Halluzinationen handelt es sich um akustische Sinnestäuschungen, durch welche die Kranken Befehle – z. B. einen anderen Menschen oder sich selbst zu töten – empfangen305. Die exogenen Psychosen sind dagegen 300

Tölle/Windgassen, S. 46. Peters, S. 270 f. 302 Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 11 Rn. 3. 303 Arnold/Kloß, FuR 1996, 263 (265); siehe auch BayObLG R & P 1990, 133 (134). 304 BayObLG FamRZ 2001, 657 (658); Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 11 Rn. 10; Poehlke, S. 31. 305 Peters, S. 226. 301

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körperlich begründbare Psychosen. Beispielhaft ist das Delir als akute exogene Psychose zu nennen. Das Delir zeichnet sich durch Desorientierung über Ort und Zeit, illusionärer oder wahnhafter Verkennung der Umgebung, optischen und akustischen Halluzinationen sowie psychomotorischer Unruhe aus306. Wegen der andauernden Gefahr vegetativer Entgleisungen besteht sowohl Eigen- als auch Fremdgefährdungspotential307. Auch bei Persönlichkeitsstörungen kann Fremdgefährdungsverhalten auftreten308. Allgemein ist eine Persönlichkeitsstörung durch eine starke Ausprägung bestimmter Merkmale definiert, aus denen sich ernsthafte Leidenszustände und/oder Konflikte ergeben. Daher liegen regelmäßig subjektives Leiden und eine gestörte soziale Interaktion vor309. Das sog. Borderline-Syndrom, welches im Grenzgebiet zwischen den endogenen Psychosen und einer neurotischen Persönlichkeitsstörung angesiedelt ist, zeichnet sich unter anderem durch eine verstärkte Aggressivität mit selbst- und fremdaggressiven Tendenzen aus310. bb) Krankheitsbilder in der Kinder- und Jugendpsychiatrie In der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind besonders die Störungen des Sozialverhaltens hervorzuheben. Darunter versteht man eine persistierende, tendenziell generalisierte Verletzung altersangemessener gesellschaftlicher Normen. Die Störungen sind schwerwiegender als gewöhnlicher Unfug oder jugendtypische Aufmüpfigkeit. Häufig auftretende und unter Fremdschädigungsgesichtspunkten relevante Symptome sind impulsive Aggressionen, Ungehorsam sowie das Begehen von kriminellen Delikten (häufig Diebstahl)311. Ebenso wie bei Erwachsenen kann auch bei Kindern und Jugendlichen das Krankheitsbild der Psychosen, unter anderem auch die Schizophrenie, mit Fremdgefährdungsverhalten vorkommen312. b) Fremdgefährdungspotential Auch wenn sich das Fremdgefährdungspotential zumindest teilweise durch die Diagnose der Krankheit mit erschließt, so ist es wegen seiner großen Bedeutung als praktikabler und greifbarer Maßstab als eigenes Kriterium hervorzuheben313. 306

Peters, S. 112. Poehlke, S. 15. 308 Poehlke, S. 48. 309 Poehlke, S. 46. 310 OLG Hamm FGPrax 1997, 64; Peters, S. 85; Poehlke, S. 49. 311 Poehlke, S. 71. 312 Poehlke, S. 74. 313 Speziell zu Schädigungen außerhalb der Klinik stehender Dritter LG Bremen NJW-RR 1999, 969; LG Bremen PflR 2001, 405 (407); ebenso hinsichtlich der Anforderungen für den Selbstschutz der Patienten in einer Klinik OLG Hamm AHRS 3060/ 116, 53 (54). 307

IV. Psychiatrische Krankenhäuser

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c) Stadium der Krankheit Die Art der Krankheit mit deren charakteristischen Symptomen sagt an sich noch nichts über das Stadium der Krankheit aus. Die genügende Erfüllung der Aufsichtspflicht ist nicht abstrakt aufgrund denkbarer Sicherheitsrisiken für Dritte zu bestimmen, sondern immer vor dem Hintergrund der konkreten Krankheitssituation314. d) Therapieerfolg/Behandlungsstand Eng mit der Feststellung des Stadiums der Krankheit hängt auch die ebenfalls zu beachtende konkrete Behandlungssituation zusammen. Während des stationären Aufenthaltes in der psychiatrischen Klinik wird eine ärztlich und psychotherapeutisch gebotene Heilbehandlung vorgenommen. Erst im Laufe der Behandlung wird auch ein bestimmter Behandlungsstand bzw. ein Genesungsfortschritt erreicht, von dem fortwährend Art und Umfang der einzelnen Aufsichtsmaßnahmen abhängen315. Wenn die ärztliche Leitung beispielsweise aufgrund des bisher erzielten guten Therapieerfolges mit einer fremdschädigenden Handlung nicht rechnen muss, können Lockerungen der therapeutischen Behandlung (Ausgang, Verlegung auf eine offene Station, Beurlaubung) und damit gleichzeitig auch der Aufsichtsmaßnahmen angezeigt sein. Zu Beginn des Aufenthaltes bzw. der Behandlung besteht in der Regel eine erhöhte Aufsichtspflicht, weil die Therapiemaßnahmen nicht gleich zu Beginn der Behandlung anschlagen und erst in ihrem Verlauf ein verlässlicher Therapieerfolg sichtbar wird316. Auch die – vorwiegend krankheitsbedingten – Verhaltensmuster des Patienten kann der Arzt zu Beginn des Aufenthaltes noch nicht kennen. Wenn die Aufnahmephase abgeschlossen ist, treten immer mehr die Erfordernisse der Therapie in den Vordergrund317. Der aus medizinischer Sicht zu verzeichnende Therapieerfolg steht zu dem Aufsichtserfordernis damit in einer vergleichbaren Wechselbeziehung wie der Erziehungserfolg zu der Aufsichtsführung bei Minderjährigen. Je geringer der Heilbehandlungs- bzw. Therapieerfolg ist, desto intensiver ist die Aufsicht zu führen. Insoweit ist das Kriterium des Therapieerfolges sowohl aufsichtsbestimmendes als auch gleichzeitig aufsichtsbegrenzendes Merkmal. Die unter den Punkten a) bis 314

Vgl. Marburger, VersR 1971, 777 (785); OLG Düsseldorf AHRS 3060/111, 39

(40). 315 Vgl. die vom AG Landau Urteil vom 23.04.1997, Az.: C 430/96, im Volltext unter http://www.juris.de, abgewiesene Klage wegen Aufsichtspflichtverletzung über einen in einer Klinik im Maßregelvollzug befindlichen Patienten. Das Gericht führt aus, dass die Aufsicht nur so ausgeübt werden dürfe, wie sie nach Charakter, Eigenart, Erkrankung und Genesungsfortschritt erforderlich sei. Vgl. auch LG Nürnberg-Fürth AHRS 3060/113, 45 (47). 316 Vgl. OLG Frankfurt/M. VersR 1993, 1271 (1272). 317 Vgl. OLG Koblenz AHRS 3060/125, 71 (74).

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

d) genannten Kriterien lassen sich für die Bestimmung der Aufsichtspflicht unter den Oberbegriff der konkreten Behandlungssituation zusammenfassen. e) Vorhersehbarkeit Ein weiteres Kriterium für die Bestimmung der Aufsichtspflicht ist, ob in der konkreten Behandlungs- und Aufsichtssituation die fremdschädigende Handlung für den Arzt und/oder das Pflegepersonal vorhersehbar war. Die Vorhersehbarkeit ist gegeben, wenn gefahrenerhöhende Umstände, wie z. B. aggressives und uneinsichtiges Verhalten oder Äußerungen des Patienten, eine drittschädigende Handlung gegen Mitpatienten oder außenstehende Dritte befürchten lassen318. Abhängig von dem Krankheitsbild, dem Krankheitsstadium und dem Behandlungsstand müssen dann keine besonderen Aufsichtsmaßnahmen ergriffen werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine Schädigung Dritter vorliegen319. f) Medizinische Grundsätze der stationären Psychiatrie Gerade in dem Bereich des Aufenthaltes in einem psychiatrischen Krankenhaus geht es, neben der durch den gesellschaftlichen Wandel mittlerweile sogar in den Vordergrund getretenen Heilbehandlung, um die Verhinderung von krankheitsbedingt verursachten Schäden. Insoweit ist sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Literatur neben dem Schutz vor Selbstgefährdung auch der Schutz Dritter – Mitpatienten sowie externe Geschädigte – anerkannt320. Das therapeutische Heilbehandlungskonzept muss damit auch das Fremdschädigungspotential mit berücksichtigen. Ähnlich dem Aspekt von Beaufsichtigung und Erziehung tangieren therapeutische Entscheidungen im Regelfall zwangsläufig auch den aufsichtsrechtlichen Bereich. So impliziert die Gewährung von unbegleitetem Ausgang die fehlende Beaufsichtigung in dieser Zeit. Verschlimmert sich der psychische Krankheitszustand des Patienten, können neben der sich auch therapeutisch auswirkenden Ausgangsbeschränkung weitere Aufsichtsmaßnahmen, wie z. B. verstärkte Überwachung durch das Pflegepersonal oder Verlegung auf ein von außen einsehbares Krankenzimmer, erforderlich werden. In vielen Fällen lässt sich eine therapeutische Maßnahme von einer Maßnahme der Aufsichtsführung weder faktisch noch in rechtlicher Hinsicht trennen. Wegen der 318 OLG Stuttgart AHRS 3500/12, 7 (8); vgl. für suizidgefährdete Patienten: OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 1250; OLG Stuttgart VersR 1990, 858 (859). 319 Vgl. für den Fall einer Selbstschädigung: OLG Karlsruhe AHRS 3060/127, 87 (88 f.); OLG Oldenburg VersR 1997, 117 (118 f.); OLG Stuttgart NJW-RR 2001, 1250 f. 320 BGH NJW 1985, 677 (678); BGH NJW 2008, 1444 (1445); LG Bremen NJW-RR 1999, 969 f.; LG Bremen PflR 2001, 405 (406 f.); Deutsch/Spickhoff, MedizinR., Rn. 830; Bohl, S. 246; Marburger, VersR 1971, 777 (785).

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aufgezeigten Wechselbeziehung zwischen medizinisch therapeutischer Behandlung und Aufsichtspflicht können mithin auch die Erfordernisse der Therapie den Umfang der Aufsichtsführung (mit)bestimmen321. Sofern also nicht der rein sicherheitsrechtliche organisatorische Bereich betroffen ist, bestimmen sich Inhalt und Umfang der Aufsicht bei der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach den ärztlichen Sorgfaltspflichten in der Psychiatrie. Die Aufsichtspflicht wird demnach dann nicht genügend erfüllt, wenn ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze der Psychiatrie vorliegt. Zu dem die Aufsichtshaftung berührenden Bereich der ärztlichen Sorgfaltspflichten zählt die Erstellung einer zutreffenden Diagnose sowie die Verpflichtung, den zukünftigen Krankheitsverlauf richtig zu prognostizieren322. In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des LG Bremen vom 09.03.1999 zu nennen. In diesem Fall stach ein psychisch Kranker, der am Tag zuvor aus der stationären psychiatrischen Betreuung aus dem Krankenhaus entlassen wurde, auf die Klägerin mit einem Messer ein und verletzte sie lebensgefährlich. Das Gericht hat eine Aufsichtspflichtverletzung des beklagten Krankenhausträgers bejaht, da der Patient aufgrund einer Fehleinschätzung des von ihm ausgehenden Fremdgefährdungspotentials aus der stationären Behandlung entlassen wurde323. Eine Aufsichtspflichtverletzung kann daher auch gleichzeitig das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers bedeuten, da dieser regelmäßig die Verletzung der anerkannten medizinischen Grundsätze in der Psychiatrie impliziert. Ein die Aufsichtspflichtverletzung begründender Behandlungsfehler wird in der Regel auch dann vorliegen, wenn eine konkret vorhersehbare Absicht der Fremdgefährdung nicht erkannt, fehlerhaft eingeschätzt oder nicht beachtet wird324. In diesem Kontext sind neben der Gefährdung von Mitpatienten auch die Fälle des Verlassens der Station ohne ärztliche Genehmigung von Bedeutung. Inwieweit allein das Krankheitsbild fremdgefährdende Handlungen befürchten lässt, wird im Haftungsprozess in der Regel durch einen medizinischen Sachverständigen beurteilt werden müssen325. Anknüpfungspunkte für die Beachtung der Grundsätze der psychiatrischen Wissenschaft im Rahmen der Aufsichtshaftung können auch die im Laufe der Behandlung gewährten Freiräume darstellen, wie z. B. die Verlegung von einer geschlossenen auf eine offene Station oder die Gestattung von (unbegleitetem) Ausgang326.

321 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 77; Bohl, S. 245, spricht davon, dass Therapie und Schutzpflichten in einem psychiatrischen Konzept miteinander verwoben sind. 322 Marburger, VersR 1971, 777 (785). 323 LG Bremen PflR 2001, 405 ff. 324 Vgl. zu dem Problem der Konkretisierung elementarer Behandlungsfehler bei Suizidpatienten Gropp, MedR 1994, 127 (130 f.). 325 Vgl. für den Fall von selbstgefährdenden Handlungen LG Nürnberg-Fürth AHRS 3060/113, 45 (47); OLG Naumburg BtPrax 2010, 127 (129 f.). 326 OLG Koblenz AHRS 3060/125, 71 (74 f.).

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aa) Unterbringung in einer offenen Station Die Unterbringung bzw. Verlegung auf eine offene Station eines psychiatrischen Krankenhauses begründet jedenfalls für sich genommen keine Verletzung der Aufsichtspflicht. Vor allem früher war für die Unterbringung in offenen psychiatrischen Krankenhausstationen auch die englische Übersetzung, die sog. open-door-Psychiatrie, geläufig327. Aufgrund des Wandels in der klinischen Psychiatrie innerhalb der letzten Jahrzehnte von reinen Verwahranstalten zu sozialisierenden Heilbehandlungseinrichtungen hat sich zunehmend auch die Unterbringung in einer offenen Abteilung etabliert328. Heutzutage gehört die offene Unterbringung – wie bereits in § 5 IV. 3. b) bb) unter Einbeziehung der Vorschriften der PsychKG erläutert – zu den allgemein anerkannten Behandlungsformen der stationären Psychiatrie. Abhängig von dem Krankheitsbild und Krankheitsstadium sowie einem zu verzeichnenden Therapieerfolg soll bei einer Verlegung auf eine offene Station eine Wiedereingliederung des Patienten in das soziale Leben erreicht werden329. Nach § 30 PsychKG M-V soll, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen, die Unterbringung nach Möglichkeit aufgelockert und weitgehend in freien Formen durchgeführt werden, sobald der Zweck der Unterbringung es zulässt. Auch die beiden für die Drittschädigung relevanten Gerichtsurteile des LG Bremen haben hinsichtlich der Behandlung in einer offenen Station ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schadensereignisse nicht zur Infragestellung bewährter psychiatrischer Behandlungsmethoden und zu einer Rückkehr zur bloßen Verwahrung psychisch kranker Menschen führen dürfen330. In der Entscheidung des OLG Hamm heißt es, dass sich ein ärztlicher Behandlungsfehler nicht bereits darin sehen lässt, dass der Patient trotz bestehender Selbstgefährdung in einer offenen Station untergebracht und behandelt wurde331. bb) Die offene Unterbringung als Problem des Organisationsverschuldens Die Frage der Aufsichtspflichtverletzung verlagert sich wegen der Möglichkeit der offenen Unterbringung oftmals auf den Bereich der vom Klinikträger zu gewährleistenden Organisation als Teil der ihn unmittelbar treffenden Aufsichtspflicht. Allgemein anerkannt ist, dass der Krankenhausträger im Rahmen der 327

Marburger, VersR 1971, 777 (786 f.); Wolfslast, NStZ 1984, 105 (107). Zu der anfänglichen Diskussion über offen geführte psychiatrische Krankenhäuser Panse, S. 338 ff.; siehe auch OLG Hamm VersR 1983, 43. 329 Siehe LG Düsseldorf AHRS 3060/6, 14 (15). 330 LG Bremen NJW-RR 1999, 969 (970); LG Bremen PflR 2001, 405 (408). 331 OLG Hamm AHRS 3060/30, 91 (92 f.). Auch in der Entscheidung des OLG Koblenz AHRS 3060/125, 71 (74), wurde die Verlegung der suizidalen Patientin von der geschlossenen in die offene Abteilung als Behandlungsfehler diskutiert; siehe ebenfalls OLG Braunschweig AHRS 3060/104, 12 (15). 328

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Aufsichtspflicht durch allgemeine organisatorische Maßnahmen einen möglichst weitgehenden Schutz auch vor Drittschädigungen gewährleisten muss332. Im Vordergrund der Diskussion steht die Frage, welche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind. Nur vereinzelt werden von den Gerichten auch bei offenen Stationen bauliche Mindestanforderungen normativ festgelegt. Das OLG Koblenz hat als baulichen Sicherheitsstandard in einer offenen Station aufgrund eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens festgelegt, dass die Stationstüren verschließbar sein müssen und eine Öffnung der Fenster nicht dergestalt möglich sein darf, dass ein Patient hinaussteigen oder hinausspringen kann. Der Sachverständige hatte jedoch auch erläutert, dass es an allgemeingültigen Sicherheitsstandards für offene Stationen für psychiatrische Kliniken fehlt333. Auch zehn Jahre später haben sich hinsichtlich der Mindestanforderungen an die Sicherung der Patienten auf einer offenen Station in psychiatrischen Kliniken keine medizinischen und technischen Standards entwickelt; dies hat der BGH in einem Urteil, welches die Notwendigkeit der Grundsicherung in einer offenen Station zum Gegenstand hatte, bestätigt334. Der Senat fügt weiter hinzu, dass ohne das Vorliegen von besonderen Umständen nicht verlangt werden könne, alle Türen und Fenster verschlossen zu halten. Ein besonderer Umstand kann beispielsweise die akute oder latente Erkennbarkeit der Fremdgefährdung anhand des sich darstellenden Krankheitsbildes sein. Abgesehen von technischen Sicherungsmaßnahmen kann die Aufsichtspflicht auch durch organisatorische Maßnahmen, z. B. durch den Erlass von Anweisungen für das Pflegepersonal oder durch personelle Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet werden335. Gleichwohl lässt sich die Frage der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufsichtspflicht nach Feststellung aller besonderen gefahrenerhöhenden Faktoren letztlich nur durch einen Sachverständigen beantworten. Dieser hat zu klären, welche Sorgfaltsanforderungen an die Beaufsichtigung zum Schutze Dritter unter Berücksichtigung der Behandlung des Patienten aus ärztlicher Sicht geboten waren336. So hat das LG Rostock bezugnehmend auf die vom BGH entwickelten Anforderungen eine Haftung des Krankenhausträgers für Verletzungsfolgen eines Patienten verneint, der sich wegen Halluzinationen aufgrund Alkoholentzuges aus einem Fenster einer offenen Station gestürzt hatte. Das Gericht stützte seine Überzeugung auf ein Sachverständigengutachten, welches das Verschließen der Fenster im Wachraum aufgrund des beim Kläger angetroffenen Krankheits- und Erscheinungsbildes nicht für geboten hielt. Auch die personellen Kontrollen, die der beklagte Krankenhausträger durch das Pflegeper332

BGH NJW 1976, 1145 f.; Albilt, S. 215 ff. OLG Koblenz OLGZ 1991, 327 (329). 334 BGH NJW 2000, 3425 f.; so zuvor auch schon OLG Zweibrücken AHRS 3060/ 126, 82 (86). 335 LG Rostock MedR 2005, 410, im Volltext unter www.juris.de, LG Rostock Urteil vom 08.04.2005, Az.: 10 O 391/02; OLG Frankfurt AHRS 3060/7, 17 (19). 336 Vgl. BGH NJW 2000, 3425 (3426). 333

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sonal hat durchführen lassen, waren nach Auffassung des Sachverständigen im Hinblick auf das konkrete Krankheitsbild ausreichend gewesen337. Ebenfalls durch einen Sachverständigen wurde in einem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall die Voraussehbarkeit eines weiteren Suizidversuches der an einer endogenen Depression leidenden Patientin bejaht. Das Gericht folgert daraus, dass die Patientin grundsätzlich auch in einer offenen Station untergebracht werden durfte, sofern ganz besondere und konkrete Vorsichtsmaßnahmen zu ihrem Schutz ergriffen worden wären. Ohne sich auf bestimmte Sicherungsmaßnahmen festzulegen, stellt der Senat weiter fest, dass ein offenes psychiatrisches Krankenhaus wenigstens so organisiert sein müsse, dass – so wie in diesem Fall geschehen – kein Patient unbemerkt vom Personal seine Station verlassen könne338. cc) Ausgang und Beurlaubung Ebenso wie die Unterbringung in einer offenen Station eines psychiatrischen Krankenhauses an sich kein die Aufsichtshaftung begründender Umstand ist, kann auch nicht von der ärztlichen Gewährung von Ausgang oder Beurlaubung generell auf eine Verletzung der Aufsichtspflicht geschlossen werden. Dies belegt bereits die Tatsache, dass auch bei einer geschlossenen Unterbringung nach den PsychKG Ausgang und Beurlaubung vorgesehen sind, vgl. § 25 PsychKG NW. Dementsprechend hat auch das OLG Stuttgart in einer Entscheidung ausgeführt, dass allein daraus, dass eine Patientin noch auf der geschlossenen Abteilung untergebracht war, nicht auf das Ausmaß der erforderlichen Sicherungsund Überwachungsmaßnahmen geschlossen werden könne. Die Entscheidung, der Patientin freien Ausgang zu gewähren, sei deshalb nicht schon aus diesem Grunde fehlerhaft339. Die moderne Psychiatrie hat den gefängnisartigen Einschluss von psychisch kranken Patienten abgelöst. Die Therapie eines die geschlossene Station bedürfenden Patienten, welche sich an den anerkannten Grundsätzen der medizinischen Psychiatrie ausrichtet, sieht die Gewährung von Ausgang oder Beurlaubung als Belastungsprobe im Hinblick auf die Befähigung, das Leben außerhalb der Klinik zu meistern, grundsätzlich vor. Voraussetzung ist jedoch auch hier, dass es keine Anhaltspunkte für fremdschädigendes Verhalten gibt oder dieses nicht voraussehbar war. Nach Auskunft von verschiedenen Stationsärzten wird einem Patienten beispielsweise dann kein Ausgang gewährt, wenn er sich in der Vergangenheit als nicht fähig gezeigt hat, Absprachen einzuhalten340. Eine weitergehende Untersuchung, ob und gegebenenfalls welche 337 LG Rostock MedR 2005, 410, im Volltext unter http://www.juris.de, LG Rostock Urteil vom 08.04.2005, Az.: 10 O 391/02. 338 OLG Frankfurt AHRS 3060/7, 17 (19). 339 OLG Stuttgart AHRS 3060/301, 3 (4). 340 Den Aspekt der Absprachefähigkeit erwähnt auch das LG Bremen PflR 2001, 405 (407).

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psychiatrischen Standards sich im Bereich der stationären Klinikpsychiatrie in Bezug auf Fremdschädigungen entwickelt haben, ist insbesondere wegen des medizinischen Schwerpunktes nicht Thema dieser Arbeit341. Diese Frage wird in einem Haftungsprozess in aller Regel durch die Hinzuziehung eines Sachverständigen beantwortet. g) Bestimmungen der PsychKG und Unterbringungsgesetze Wie bereits schon an verschiedenen Punkten deutlich wurde, bieten auch die Vorschriften der PsychKG Anhaltspunkte für die Bestimmung der gebotenen Aufsichtsführung342. So schreibt z. B. das PsychKG Bbg in § 15 die Gestaltung der Unterbringung vor. Hiernach wird die Unterbringung unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen. Auch § 15 Abs. 3 PsychKG Bbg gibt wertvolle Hinweise hinsichtlich der Erfüllung der Aufsichtspflicht. Nach dieser Vorschrift ist zur Erreichung des Behandlungsziels die Unterbringung nach Möglichkeit gelockert durchzuführen, sobald der Zweck der Unterbringung es zulässt. Die offene Unterbringung ist anzustreben. Sie darf nur dann nicht vollzogen werden, wenn sie dem Willen der untergebrachten Person widerspricht oder die Gefahr besteht, dass der Behandlungserfolg durch sie gefährdet wird, die untergebrachte Person Schaden nimmt oder sie die Möglichkeit der offenen Unterbringung missbraucht. In gleicher Weise statuiert § 19 PsychKG Nds343 die Unterbringung unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte nach Möglichkeit den allgemeinen Lebensverhältnissen anzugleichen, soweit dies der Zweck der Unterbringung zulässt. Nach § 19 Abs. 2 S. 2 PsychKG Nds soll die Behandlung die untergebrachte Person befähigen, soweit und sobald wie möglich in ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben in der Gemeinschaft zurückzukehren. Insgesamt orientieren sich die PsychKG an den Grundsätzen der modernen Psychiatrie, die ihre Hauptaufgabe nicht nur in dem Schutz des Patienten vor Eigenoder Fremdgefährdung sieht, sondern auch in seiner Heilbehandlung, welche neben aufsichtsichtsbestimmenden zugleich auch aufsichtsbeschränkenden Charakter hat344. Sofern das PsychKG nicht einschlägig ist, gelten die dort normierten Grundsätze auch für die übrigen Behandlungen der aufsichtsbedürftigen psychisch Kranken in psychiatrischen Krankenhäusern.

341 Im Bereich des Suizids haben sich bestimmte medizinische und therapeutische Aspekte zur Vorhersehbarkeit suizidaler Handlungen entwickelt; siehe hierzu im Einzelnen Bohl, S. 212 ff. 342 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 86. 343 Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) vom 16.06.1997, Nds. GVBl 1997, S. 272, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.01.2007, Nds. GVBl 2007, S. 50. 344 Siehe dazu oben § 5 IV. 3. b) aa).

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h) Dienstanweisungen Hinsichtlich der Frage, ob die Aufsichtspflicht in öffentlichen Einrichtungen gehörig erfüllt wurde, ist auch zu überprüfen, ob Dienstanweisungen oder Richtlinien des Einrichtungsträgers existieren, welche bestimmte Beaufsichtigungsmaßnahmen für einzelne Aufsichtssituationen vorschreiben. Bei einem Verstoß gegen solche Dienstanweisungen ist zunächst zu trennen zwischen den dienstrechtlichen Konsequenzen und der Begründung einer Aufsichtshaftung. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht durch Missachtung der Dienstanweisung ist nur dann gegeben, wenn die innerdienstliche Anweisung mit den objektiv erforderlichen Verhaltensmaßregeln übereinstimmt und keine strengeren Anforderungen stellt. Nur für diesen Fall kann die Verletzung einer Dienstanweisung eine Außenhaftung begründen345. Unabhängig davon sind die dienstrechtlichen Folgen wegen Verstoßes gegen die Anweisung zu beurteilen346. Der Erlass von Dienstanweisungen oder Richtlinien tangiert auch den von der Aufsichtspflicht umfassten Bereich der Sicherstellung und Gewährleistung der Organisation: Die Aufsichtspflicht muss von den Ärzten und dem Pflegepersonal ganztägig ordnungsgemäß erfüllt werden347. Neben der unterlassenen Wahrnehmung einzelner Aufsichtsmaßnahmen kann auch das Fehlen von Dienstanweisungen oder Richtlinien den Vorwurf des Organisationsversäumnisses und damit eine Aufsichtshaftung begründen. Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung ein Organisationsverschulden bei einer Flucht einer suizidgefährdeten Patientin angenommen. Anspruchsgrundlage konnte in diesem Fall nur § 823 Abs. 1 BGB sein, da hier eine Eigengefährdung vorlag. Sofern eine Drittschädigung vorliegt und das Organisationsversäumnis zugleich eine Aufsichtspflichtverletzung darstellt, ist § 832 BGB als die speziellere Haftungsgrundlage einschlägig348. Die Patientin war durch Beiseitestoßen eines Pflegers aus der Klinik entwichen, als dieser zum eigenen Verlassen die Hoftür des Hauses geöffnet hatte. Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass die Benutzung der Türe dem Pflegepersonal grundsätzlich gestattet war und es insoweit keine besonderen Verhaltensanweisungen des Klinikträgers gegeben hat. Es sah jedoch ein Organisationsversäumnis in der fehlenden Sicherung des Flures durch eine zweite Person. Eine solche Benutzungsanweisung sei der Klinikleitung ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen349. Bohle stellt für den Bereich suizidgefährdeter Patienten zutreffend ergänzend fest, dass der Krankenhausträger gut beraten ist, wenn er nach Absprache mit den leitenden Krankenhausärzten allgemeine Dienstanweisungen für die Behandlung der Pa-

345 346 347 348 349

Marburger, VersR 1971, 777 (783). Marburger, VersR 1971, 777 (783). BGH NJW 1976, 1145 (1146). Staudinger/Belling, § 832 Rn. 163. OLG Düsseldorf AHRS 3060/102, 6 (8 f.).

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tienten trifft350. Gleiches sollte für bestimmte Aufsichtsbereiche auch für die Gefahr von fremdschädigenden Handlungen gelten. i) Überwachung des Freizeitverhaltens zu Aggressionen neigender psychisch kranker Patienten Konkret in Bezug auf die Schädigung Dritter hat der BGH ein weiteres Kriterium für die Bestimmung des Aufsichtsmaßes aufgestellt. In der Entscheidung vom 19.01.1984 geht es um die Aufsichtspflicht der beklagten Landesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie über zwei Patienten, die mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter in einer offenen Abteilung untergebracht waren. Anlässlich des gewährten Ausganges brachen die beiden Patienten wiederholt in das Haus des Klägers ein und richteten erhebliche Sachschäden an351. Hinsichtlich der Anforderungen, die an den Aufsichtspflichtigen zu stellen sind, nennt der BGH die körperlichen und geistigen Eigenarten der aufsichtsbedürftigen Person. Für die aufsichtsbedürftigen Minderjährigen verweist der Senat auf die bekannte Formel der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen, der erhöhten Aufsichtspflicht bei schädlichen Neigungen sowie der Grenzen der Beaufsichtigung, wobei zu Beginn der Ausführungen auf die Aufsicht von verständigen Eltern abgestellt wird. Er führt weiter aus, dass aufgrund der psychischen Störung der Patienten die Möglichkeit der Schädigung Dritter bestanden habe. Auch wenn sich die von dem gerichtlichen Sachverständigen festgestellte Neigung zur Schädigung Dritter noch nicht erkennbar konkretisiert habe, seien doch schon Aggressionen sichtbar geworden. Insbesondere wegen des Kontaktes und dem Zusammentreffen einer Mehrzahl psychiatrisch behandlungsbedürftiger Personen in der Klinik bestünde Anlass, auch ihr Freizeitverhalten jedenfalls stichprobenartig zu überwachen. Diese Überwachung müsse sich insbesondere darauf erstrecken, welche Örtlichkeiten in der Freizeit aufgesucht wurden, ob diese günstige Gelegenheit zur Schadensstiftung boten, welche Patienten häufiger gemeinsam die Freizeit miteinander verbrachten und ob sich dadurch eine erkennbare Verstärkung der Schadensneigung ergab, der durch weitere geeignete Maßnahmen vorzubeugen war. Auch wenn dieses Urteil vorrangig Aussagen zu der Kinder- und Jugendpsychiatrie trifft, so sind die Ausführungen auch für die Erwachsenenpsychiatrie von Bedeutung. Zu Anfang verweist der BGH hinsichtlich der Anforderungen an das Aufsichtsmaß allgemein auf die körperlichen und geistigen Eigenarten der zu beaufsichtigenden Person. Wenn nun aber die geistige Eigenart bzw. die psychische Erkrankung bei Volljährigen gerade in der Neigung zur Schädigung Dritter besteht und durch Aggressionen sichtbar geworden ist, dann besteht auch in diesem Fall das Bedürfnis, den Ausgang zu überwachen. Unabhängig von der Aus350 351

Bohle, MedR 1990, 298 (300). BGH NJW 1985, 677 ff.

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gangsüberwachung kann aber bereits die Gewährung des Ausgangs als haftungsrechtlicher Anknüpfungspunkt in Betracht kommen. Hierbei ist allerdings die erforderliche Abwägung mit den aufsichtsbegrenzenden Merkmalen zu beachten. Auch der BGH sieht die Grenze der Anforderungen an das Aufsichtsmaß in der therapeutisch gebotenen Bewegungsfreiheit, worin letztlich der Grund für die Annahme der Überwachung des Freizeitverhaltens als milderes Mittel im Vergleich zu einem Ausgangsverbot zu sehen sein könnte. Da der öffentliche Träger der beklagten Landesklinik in diesem Fall ein Landschaftsverband352 war, verwundert es auch nicht, dass die Rheinischen Landeskliniken auf dieses Urteil mit einer offiziellen hausinternen Regelung für die leitenden Ärzte reagiert haben353. Auch nach Ansicht des Landschaftsverbandes sind die vom BGH aufgestellten Anforderungen anlässlich des zugrunde liegenden Falles der Kinder- und Jugendpsychiatrie auch auf die Erwachsenenpsychiatrie zu erstrecken. Zutreffend führt der Landschaftsverband weiter aus, dass sich das Urteil des BGH zwar auf Patienten bezieht, die auf Grundlage eines Behandlungsvertrages behandelt werden, dass jedoch bei gerichtlich Untergebrachten, denen unbegleiteter Ausgang gewährt wird, entsprechend zu verfahren ist. Für die Praxis in den Landeskliniken wurde mit den leitenden Ärzten Folgendes vereinbart: „Bei Patienten, bei denen bereits Aggressionen erkennbar geworden sind, ist durch gezieltes Befragen von Mitpatienten – sowie durch Beobachtungen vor bzw. nach einem Ausgang stichprobenartig festzustellen, welche Örtlichkeiten in der Freizeit aufgesucht werden, ob angesichts günstiger Gelegenheit die Gefahr der Schädigung Dritter besonders hoch ist und welche Patienten häufiger gemeinsam die Freizeit miteinander verbringen. Zufallsbeobachtungen während des Ausgangs, beispielsweise durch Pfleger anderer Stationen, können für sich allein nicht ausreichen. Die Überwachung der Patienten ist andererseits nicht zwingend auf die Begleitung durch Klinikmitarbeiter auszurichten. Die Entscheidungen über den Patientenausgang und entsprechende Überwachungsmaßnahmen trifft der behandelnde Arzt. Innerhalb der übergeordneten Verantwortung hat der Abteilungsarzt grundsätzliche Konzepte hinsichtlich der Ausgangsmodalitäten zu entwickeln und in sein Therapiekonzept einzubeziehen.“ Abschließend wird vorgeschrieben, die Anordnung des Ausgangs sowie die Überwachungsmaßnahmen und die stichprobenartig getroffenen Feststellungen in der Krankengeschichte zu dokumentieren. j) Anzahl des Pflegepersonals und der Patienten Auch in einem psychiatrischen Krankenhaus stellt die Relation zwischen Pflegepersonal und Patienten ein wichtiges aufsichtskonkretisierendes Kriterium dar. 352 Der Landschaftsverband ist nach § 2 LVerbO NW eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. 353 Regelung an die leitenden Ärzte der Rheinischen Landeskliniken vom 30.10.1984 hinsichtlich der Überwachung des Ausgangs psychisch Kranker, die zu Aggressionen neigen, n. v.

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Die personelle Besetzung und der maximale Patientenbestand sowie die Anzahl der Kontroll- bzw. Rundgänge sind regelmäßig verbindlich vorgeschrieben. Wird der vorgeschriebene oder der ordnungsgemäße Personalbestand unterschritten, so kommt eine Aufsichtspflichtverletzung des Klinikträgers in Betracht. k) Organisationsmangel als Aufsichtspflichtverletzung Wie bereits mehrfach erläutert wurde, umfasst die Aufsichtspflicht eines psychiatrischen Klinikträgers auch die Organisation des Krankenhausbetriebes dahingehend, dass weder Patienten noch außenstehende Dritte zu Schaden kommen. Bei einer Aufsichtspflichtverletzung, die auf einem nicht ordnungsgemäßen Personalbestand beruht, ist der Klinikträger – abhängig von der Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zu dem Patienten – nach § 832 Abs. 2 BGB oder § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG haftbar354. Ebenso wenig wie bei Organisationsmängeln hinsichtlich der Beaufsichtigung von Heimkindern entlastet den Träger der Einwand finanzieller Engpässe. Im Rahmen der Fälle von Eigengefährdungen und dort bei der Pflicht, für die Sicherheit des Patienten als oberstes Gebot Sorge zu tragen, wird ein zusätzlicher Aspekt angeführt. Auf die durch Sicherheitsmaßnahmen entstehenden Kosten komme es jedenfalls dann nicht an, wenn diese nicht außer Verhältnis zu der drohenden Gefahr stehen und diese Gefahr keine nur ganz entfernte sei355. Da sich die Aufsichtspflicht über die Patienten zusätzlich darauf richtet, dass sie Dritten keinen Schaden zufügen, ist diese Überlegung auch auf die drohende Fremdschädigung zu übertragen. Zu unterscheiden ist zudem, ob ein aus Kostengründen aufgezwungener Personalmangel oder ein personeller Engpass wegen Krankheit oder Urlaub in dem vom Krankenhausträger voll beherrschbaren Organisationsbereich vorliegt356. Der letztgenannte Fall ist durch eine sorgfältige Abstimmung des Urlaubsplans, den Einsatz von Personalreserven oder Personalverschiebungen zu begegnen und vermag bereits aus diesem Grunde nicht zu entlasten. Aber auch in der ersten Fallkonstellation darf es nicht dazu kommen, dass letztendlich den geschädigten Dritten die Folgen von Aufsichtsversäumnissen treffen. Bei einem geschädigten Mitpatienten ergibt sich dies unter anderem auch daraus, dass er einen Anspruch auf die Wahrung essentieller Grundvoraussetzungen für seine Sicherheit hat. Der geschädigte externe Dritte kann sich auf den von dem öffentlichen Träger sicherzustellenden Anstaltszweck berufen, der gerade eine Krisenpräventation zur Verhinderung solcher Schäden vorsieht. Da die Beaufsichtigung psychisch kranker Patienten in 354 Vgl. die Annahme eines Organisationsverschuldens gem. § 823 Abs. 1 BGB für den Fall eines Suizidversuches in einer offenen Station, die personell unterbesetzt war OLG Hamm VersR 1994, 729 f. 355 BGH AHRS 3060/2, 6 (7); OLG Düsseldorf VersR 1984, 193 f.; OLG Hamm VersR 1994, 729. 356 OLG Hamm VersR 1994, 729 (730).

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psychiatrischen Krankenhäusern zu den wesentlichen Aufgaben gehört, die der Staat in Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten für Leben und Gesundheit sowie der Staatszielbestimmungen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG) und den daraus folgenden Fürsorgepflichten übernimmt, ergibt sich auch das Verbot der Berücksichtigung von subjektiven Belangen. Sowohl die Ausrüstung des Krankenhauses als auch das geschulte Aufsichtspersonal sind auf die Wahrnehmung dieser Aufgabe ausgerichtet. Insoweit ist zu verlangen, dass ausschließlich das nach Maßgabe des grundrechtlichen Untermaßverbotes objektiv erforderliche Maß an Aufsicht beachtet wird, welches von einem durchschnittlichen Krankenhausträger, leitendem Arzt oder Pflegepersonal erwartet werden kann357. Daraus ergibt sich in Konsequenz, dass sowohl quantitative als auch qualitative Personalmängel als auch eine ungenügende bauliche Einrichtungsausstattung den Krankenhausträger nicht von der Aufsichtshaftung entlasten können.

3. Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht Die Aufsichtspflicht muss nicht unbedingt durch Einwirkung auf die aufsichtsbedürftige Person ausgeübt werden. Sie kann z. B. auch durch Sicherung von Personen und Sachen erfüllt werden, die durch den Patienten gefährdet werden. Auch im Bereich der Beaufsichtigung in psychiatrischen Krankenhäusern kommen verschiedene Aufsichtsmaßnahmen unterschiedlicher Art und Intensität in Betracht. Zunächst ist das therapeutische Gespräch als vorsorgende Maßnahme zur Verhinderung von Schädigungen Dritter anzusehen. In diesem Rahmen werden die schädlichen Neigungen nach einem bestimmten Behandlungsplan therapiert und eine Hilfestellung gegeben, wie diesen begegnet werden kann. Die nächste Stufe ist eine konkrete, aber lediglich gelegentliche optische Überwachung des Patienten durch das Pflegepersonal. Als weitere Aufsichtsmaßnahme kommt die Durchsuchung des Patienten nach erfolgtem Ausgang und Wegnahme von potentiell gefährlichen Gegenständen wie z. B. Messer oder Feuerzeuge in Betracht. Der nächst höhere Grad sind Ausgangsverbote oder die Anordnung von begleitetem Ausgang. Auch die Verlegung von einer offenen in eine geschlossene Abteilung stellt eine Aufsichtsmaßnahme dar. Denkbar ist auch die Verlegung in ein anderes Zimmer oder sogar die Isolierung in einem Einzelzimmer als Maßnahme der Aufsichtsführung. Schließlich ist auch die lückenlose Sicht- oder Fernsehüberwachung in einem Wachsaal oder die Sitzwache zu nennen. Bei aggressiven Verhaltensweisen kann zusätzlich auch eine medikamentöse Behandlung erforderlich werden. Bei einer akuten Fremdgefährdung kann als ultima ratio die Fixierung als Aufsichtsmaßnahme eingesetzt werden. Eine Fixierung bewirkt eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch mechanische Hilfsmittel. 357

Marburger, VersR 1971, 777 (785).

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Dazu zählen Bettgitter, Fuß-, Bauch- oder Handgurte sowie ein kontrolliertes Abfangen und Festhalten des Patienten358. § 20 Abs. 1 PsychKG NW sieht als besondere Sicherungsmaßnahmen die Beschränkung des Aufenthaltes im Freien, die Unterbringung in einem besonderen Raum und die Fixierung vor. Zusätzlich zu den in § 20 Abs. 1 PsychKG NW genannten Maßnahmen sieht § 31 Abs. 1 Nr. 5 PsychKG Brem noch die vorübergehende Ruhigstellung durch Medikamente vor.

4. Grenzen der Aufsichtspflicht Ähnlich wie bei den institutionalisierten Erziehungseinrichtungen gibt es auch bei der Beaufsichtigung von psychisch Kranken in öffentlichen psychiatrischen Krankenhäusern aufsichtsbegrenzende Merkmale, die Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht ebenfalls mitbestimmen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist zunächst die praktische Unmöglichkeit, eine Drittschädigung während des stationären Aufenthaltes in einem psychiatrischen Krankenhaus mit absoluter Sicherheit zu vermeiden, unabhängig davon, ob die Behandlung auf einer offenen oder einer geschlossenen Station unter Beachtung aller realisierbaren Überwachungsmöglichkeiten durchgeführt wird359. Das OLG Stuttgart hat in einem Fall einer tätlichen Auseinandersetzung zweier Patienten in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus festgestellt, dass im Betrieb einer Nervenklinik eine völlige Gefahrenfreiheit nicht erreicht werden könne. Spontane Angriffe von Geisteskranken könnten nicht völlig ausgeschlossen werden360. Auch das OLG Hamm führt in einem Urteil aus, dass bei einer Vielzahl von psychisch kranken Patienten mit unbedachten und überraschenden Verhaltensweisen immer wieder gerechnet werden müsse361. Es können jederzeit plötzliche und unvorhersehbare Krankheitserscheinungen ohne äußerlich wahrnehmbare Vorzeichen auftreten362. Gerade bei psychischen Krankheiten ergibt sich zudem die Besonderheit eines ohnehin verbleibenden Restrisikos. Anders als bei rein körperlichen Krankheiten gibt es in dem Bereich der psychischen Erkrankungen wenig objektiv verifizierbare Werte, die eine Fremdgefährdungstendenz sicher ausschließen können. Die Einschätzung des Verhaltens ist damit wegen der nur begrenzten Regelhaftigkeit menschlichen Verhaltens noch schwieriger als in anderen medizinischen Bereichen. Dies trifft insbesondere für den Fall des bewussten Verbergens von vorhandenen Neigungen oder Anlagen zu, um ein bestimmtes Ziel, z. B. den unbegleiteten Aus-

358

Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B Rn. 1. Vgl. für den Suizid BGH NJW 1994, 794 (795); OLG Naumburg BtPrax 2010, 127 (128). 360 OLG Stuttgart AHRS 3500/12, 7 (8). 361 OLG Hamm VersR 1994, 729. 362 Siehe OLG Koblenz OLGZ 1991, 327 (329). 359

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gang, zu erreichen363. Besonders schwierig ist die Einschätzung des Patientenverhaltens bei dem Vorliegen von bestimmten Krankheitsbildern; bei einer paranoiden Schizophrenie z. B. ist das Verhalten des psychisch Kranken praktisch kaum vorhersehbar364. Selbst bei einem gefängnisartigen Einschluss der Patienten können zwar viele, nicht jedoch alle Schadensfälle vermieden werden. Wie bereits mehrfach betont, entspricht die reine „Verwahranstalt“ durch Abschottung von der Außenwelt weder den gesetzlichen Vorgaben, noch den allgemein anerkannten medizinischen Standards der stationären Psychiatrie. Gewährt der Arzt dem Patienten keine Freiheit, wird die Allgemeinheit zwar weitestgehend vor einer Gefährdung bewahrt, verhindert aber gleichzeitig die zur Lebensführung notwendige Verwirklichung von Selbstbestimmung und Autonomie. Dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit vor schädigenden Handlungen des Patienten auf der einen Seite stehen die therapeutischen Zielsetzungen der Heilung, Rehabilitation und Resozialisierung sowie die Grundrechtsausübung des Patienten auf der anderen Seite gegenüber, welche die Gewährung von individuellen Freiheiten voraussetzt. a) Erfordernisse und Zielsetzung der Therapie als aufsichtsbegrenzendes Kriterium Dass die Erfordernisse und Zielsetzungen der Therapie der Heilung, Rehabilitation und Resozialisierung ein aufsichtsbegrenzendes Kriterium darstellen, ergibt sich aus folgender Überlegung: Am Ende jeder stationären Therapie steht die Entlassung des Patienten. Einen Teil der Heilbehandlung und damit auch einen Teil des therapeutischen Gesamtkonzeptes macht die schrittweise Vorbereitung auf ein Leben außerhalb der Klinik aus. Zur Erreichung dieses Ziels ist es notwendig, dem psychisch kranken Patienten bei sichtbarem Therapieerfolg und fehlenden entgegenstehenden Anhaltspunkten Freiheiten in Form der Lockerung von Aufsichtsmaßnahmen einzuräumen365. Nur auf diese Weise kann der Patient auf die Belastungen des alltäglichen Lebens „in Freiheit“ ausreichend vorbereitet und das Risiko eines Rückschlags gering gehalten werden. Letztlich kann der leitende Arzt auch nur so feststellen, ob der Patient mit den Problemen des Alltags auch ohne die Hilfestellung des psychiatrischen Krankenhauses zurechtkommt und eine Entlassung daher angezeigt und auch zu verantworten ist366. Die bloße Einschließung und Verwahrung führt nicht zu einer Beseitigung, sondern 363 Vgl. OLG Hamm VersR 1994, 729 (730): In diesem Fall hat die Patientin einen Suizidversuch in einer offenen, personell unterbesetzten, Station unternommen. Der gerichtliche Sachverständige hat hinsichtlich des Krankheitsbildes ausgeführt, dass ein taktisches, verbergendes Verhalten der Patientin ausgeschlossen war. 364 Siehe OLG Düsseldorf VersR 1984, 193 (194). 365 Vgl. Deutsch/Spickhoff, MedizinR., Rn. 827; Giemulla/Vollmoeller, MedR 1985, 101 (102); Marburger, VersR 1971, 777 (787). 366 Vgl. Giemulla/Vollmoeller, MedR 1985, 101 (102).

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nur zu einer Verschiebung der Risiken für die Allgemeinheit auf die Zeit nach der Entlassung. Bei restriktiver Behandlung trifft die Gesellschaft letztendlich ein weitaus größeres Risiko als bei freiheitsorientierter Therapie. Zu den Erfordernissen der Therapie zählt auch, die im Hinblick auf den Behandlungserfolg kontraindizierten Aufsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen367. Durch übertrieben sichernde Aufsichtsmaßnahmen kann eine Heilung der Erkrankung schwerlich erfolgen. Dem Patienten muss vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, seinen schädlichen Neigungen zu widerstehen und sie in geordnete Bahnen zu lenken. Dies ist nur dann möglich, wenn dem Patienten durch die Gewährung von individuellem Freiraum auch faktisch wieder Eigenverantwortlichkeit eingeräumt wird368. Insgesamt wird in Bezug auf die therapeutische Behandlung eine Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patienten für erstrebenswert erachtet. Dann kann sich der Patient bei potentiell gefahrgeneigten Situation hilfesuchend an den Arzt wenden, zu dem er Vertrauen gewonnen hat; ein enger therapeutischer Kontakt vermag im Einzelfall auch die Anwendung strikter Aufsichtsmaßnahmen oder sogar Zwangsmaßnahmen zu verhindern369. Auch der BGH hat in seiner viel beachteten Entscheidung vom 19.01.1984 über die Aufsichtspflicht in einer Landesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie die therapeutisch gebotene Bewegungsfreiheit anerkannt370. Abgesehen davon, dass die Gewährung von individuellen Freiheiten selbst in den PsychKG vorgesehen ist, haben auch die mit verschiedenen Stationsärzten geführten Gespräche den therapeutischen Aspekt der Lockerung von Aufsichtsmaßnahmen bestätigt. Nach Feststellung eines Therapieerfolges unterziehen die Ärzte den Patienten einer Belastungsprobe dahingehend, ob er mit einer Ausgangssituation zurechtkommt und die Absprachefähigkeit auch in dieser speziellen Situation gegeben ist. Nach übereinstimmender Aussage aller Ärzte entspricht dieses Vorgehen dem allgemein anerkannten medizinischen Vorgehen für die Heilbehandlung und vermindert die Rückfallgefahr. Bloße Verwahrung ohne Heilbehandlung würde bedeuten, dass die Patienten jahrelang auf der Station festgehalten werden müssten, weil sich nur in seltenen Fällen eine psychische Erkrankung ohne ein stufenweises Behandlungs- und Therapiekonzept heilen lässt. b) Grundrechte des Patienten als aufsichtsbeschränkendes Kriterium Eine Grenze für die Aufsichtsführung ergibt sich außerdem aus der Grundrechtsbindung des Staates als öffentlicher Träger der psychiatrischen Krankenhäuser. Gerade bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus 367 368 369 370

Vgl. OLG Koblenz AHRS 3060/125, 71 (73). Vgl. Giemulla/Vollmoeller, MedR 1985, 101 (103). Wolfslast, NStZ 1984, 105 (109). BGH NJW 1985, 677 (679).

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

handelt es sich um einen grundrechtssensiblen Bereich für den Patienten. Wie bereits ausgeführt, hat das BVerfG die frühere Rechtsauffassung, die rechtlich zulässige Anordnung der Freiheitsentziehung begründe ein sog. „besonderes Gewaltverhältnis“, das aus sich heraus weitere Grundrechtsbeschränkungen im Vollzug der Anordnung ohne Gesetzesvorbehalt rechtfertige, verworfen371. So haben bestimmte Aufsichtsmaßnahmen freiheitsentziehenden oder freiheitsbeschränkenden Charakter, welche einen Eingriff in die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) bedeuten können. Daneben ist der Regelungsgehalt des Art. 104 GG betroffen, der als grundrechtsgleiches Recht in Art. 104 Abs. 1 GG Anforderungen an die Freiheitsbeschränkungen und in Art. 104 Abs. 2–4 GG zusätzliche Anforderungen an den Unterfall der Freiheitsentziehung enthält. Ebenfalls eine Rolle spielt die Menschenwürde, das Persönlichkeitsrecht sowie die allgemeine Handlungsfreiheit des Patienten (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG), die durch eine allzu strikte Aufsichtsführung ohne ausreichende Gewährung von individuellem Freiraum in verfassungswidriger Weise verletzt sein können. Ein Grundrechtseingriff kann unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die Maßnahmen der Aufsichtsführung verhältnismäßig sind, d.h. wenn der Gefährdung Dritter nicht durch weniger einschneidende Aufsichtsmaßnahmen begegnet werden kann. Der Aufsichtspflicht sind daher nicht nur durch die therapeutischen Ziele und die Grundrechte der Patienten, sondern auch durch das rechtsstaatlich-grundrechtlich radizierte Übermaßverbot Grenzen hinsichtlich Inhalt und Umfang gesetzt. Diese die Aufsichtspflicht beschränkenden und gleichzeitig konkretisierenden Merkmale finden sich entsprechend der modernen Lehre vom weit reichenden Gesetzesvorbehalt in den Vorschriften der PsychKG der Länder wieder. Nach § 2 Abs. 1 PsychKG Bbg sind alle Rechte des psychisch Kranken und seine menschliche Würde zu wahren. Einschränkungen seiner Rechte unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch § 2 Abs. 1 PsychKG Nds hat die Achtung der Würde des psychisch Kranken normiert. Gemäß § 2 Abs. 3 PsychKG Nds haben diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die nicht unumgänglich sind, zu unterbleiben, wenn zu befürchten ist, dass sie den Zustand der betroffenen Person nachteilig beeinflussen. Aus den zuvor genannten aufsichtsbeschränkenden Merkmalen folgt gleichzeitig, dass eine ständige Beaufsichtigung nur in besonderen Krisensituationen angezeigt ist. c) Spannungsverhältnis zwischen der Aufsicht im Drittinteresse und den therapeutischen Zielsetzungen sowie den Grundrechten des Patienten Vergleichbar mit dem bei Minderjährigen bestehenden Spannungsverhältnis zwischen dem Erziehungsziel zu selbständigem und verantwortungsbewusstem 371

Siehe oben § 5 IV. 3. b) cc).

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Handeln einerseits und den Erfordernissen der Aufsicht andererseits, lässt sich auch im Bereich der Behandlung aufsichtsbedürftiger psychisch Kranker ein solches Spannungsverhältnis feststellen372. Ein Spannungsverhältnis besteht zwischen der auf Drittschutz gerichteten Aufsichtsmaßnahme und der notwendigen Gewährung von individuellen Freiräumen zur Verwirklichung des Grundrechtsschutzes und der therapeutischen Zielsetzungen. Beide Pole des Spannungsverhältnisses verlangen praktischen Ausgleich im Sinne der Konkordanz. Auf der einen Seite gebieten die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundrechtsschutzes und des Übermaßverbotes sowie die therapeutischen Ziele die Gewährung von Lockerung der Aufsichtsmaßnahmen. Auf der anderen Seite darf die Heilbehandlung auch nicht stets auf Kosten des Schutzbedürfnisses der Allgemeinheit gehen. Jedenfalls lässt sich die Entstehung eines solchen Spannungsverhältnisses aufgrund widerstreitender Interessen nicht verhindern, da der gelockerten Aufsichtsführung immer das Risiko eines Fehlschlages immanent ist373. d) Abwägung Der Gewährleistung des Art. 1 Abs. 1 GG liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zu Grunde, das sich innerhalb der sozialen Gesellschaft in Freiheit selbst bestimmt und entfaltet374. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft hat das Grundgesetz allerdings im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, als Folge dessen der Einzelne Einschränkungen seiner Grundrechte zur Sicherung von Gemeinschaftsgütern hinnehmen muss375. Die Frage ist, wie viel Risiko beim Verzicht auf strenge Aufsichtsmaßnahmen für die Heilung und bei der Verwirklichung des Grundrechtsschutzes eingegangen werden darf. Zur Auflösung dieser Kollision ist eine Gesamtabwägung der im Einzelfall miteinander kollidierenden Rechte und Interessen im Sinne eines wechselseitigen Korrektivs vorzunehmen, die zu einem gerechten und vertretbaren Ausgleich führt376. Innerhalb dieser Abwägung verdient der Schutz der Allgemeinheit vor aufsichtsbedürftigen psychisch Kranken keinen absoluten Vorrang. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die Versorgung psychisch kranker Menschen in psychiatrischen Krankenhäusern stellt eine öffentliche und damit gesellschaftliche Aufgabe in Erfüllung des verfassungsrechtlich normierten Sozialstaatsprinzips dar377. Auch die Psychisch-Kranken- und Unterbringungsge372 373 374 375 376 377

Siehe Ermann/Schiemann, § 832 Rn. 6. Siehe LG Bremen NJW-RR 1999, 969 (979). BVerfG NJW 1977, 1525 (1526). BVerfG NJW 2007, 1933 (1935). Vgl. BVerfG NJW 1986, 767 (769); Marburger, VersR, 1971, 777 (784). So auch Marburger, VersR 1971, 777 (784).

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

setze normieren die widerstreitenden Pole – die Heilbehandlung der Kranken und den Schutz der Allgemeinheit – als legislativ-politisches Ziel. Die Behandlung und Rehabilitation von psychisch kranken Menschen ist überdies eine vom Grundgesetz378 geforderte und damit gleichzeitig auch eine gesellschaftliche Aufgabe379. Gegen eine einseitige Vorrangstellung der Schutzinteressen der Allgemeinheit spricht auch der gesellschaftspolitisch mitgetragene und beeinflusste Wandel in der Psychiatrie. Durch die Unterbringung in offenen psychiatrischen Krankenstationen sowie der Reformierung der PsychKG und Unterbringungsgesetze der Länder wird der wachsenden Liberalität bei der Behandlung und Beaufsichtigung von psychisch kranken Patienten Ausdruck verliehen. Das Erfordernis eines interessengerechten Ausgleichs und die damit notwendigerweise einhergehende partielle Hinnahme von Opfern der Allgemeinheit lassen sich auch einigen PsychKG entnehmen, welche das Tatbestandsmerkmal der Allgemeingefährdung an enge Voraussetzungen knüpfen. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 PsychKG NW ist die erhebliche Gefährdung bedeutender Rechtsgüter anderer erforderlich. Dritte werden danach vor einer erheblichen Gefährdung für Leib und Leben, aber auch vor erheblichen Schäden für Sachgüter geschützt380. § 9 Abs. 2 Nr. 2 PsychKG Brem verlangt für eine Unterbringung in vergleichbarer Weise eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit, das Leben oder andere bedeutende Rechtsgüter. Auch § 9 Abs. 1 PsychKG Hmb und § 8 Abs. 1 S. 1 PsychKG Bln setzen eine erhebliche Fremdschädigung voraus. Dies beinhaltet im Umkehrschluss, dass die Allgemeinheit die nicht vorhersehbare potentielle Gefahr der Beeinträchtigung von Rechtsgütern unterhalb dieser Wesentlichkeitsschwelle hinzunehmen hat381. Im Gegensatz dazu ist im Rahmen der Abwägung dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit dann der Vorrang einzuräumen, wenn aufgrund der vom Patienten ausgehenden Gefahr eine Verletzung höherrangiger Rechtsgüter zu befürchten ist382. Das Risiko eines Fehlschlages ist bei fortbestehender Gefährlichkeit für bedeutende Rechtsgüter zu groß und übersteigt das von der Allgemeinheit hinzunehmende „Restrisiko“. Durch das Abwägungserfordernis erhalten die Merkmale Therapieziel, Grundrechte und Übermaßverbot aufsichtsbeschränkenden Charakter. Dem Arzt ist hinsichtlich der Auswahl der Aufsichtsmaßnahmen ein gewisser medizinischer Freiraum in Form eines Behandlungsermessens einzuräumen383. Der behandelnde 378

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 86. LG Bremen NJW-RR 1999, 969 (970); LG Bremen PflR 2001, 405 (408). 380 LT-Dr. NW 12/4063, S. 26 f. 381 Vgl. BayObLG NJW 2002, 146 (148); BayObLG FamRZ 2001, 657 (658); Dodegge/Zimmermann, PsychKG NW, Teil B § 11 Rn. 10. 382 Nach Staudinger/Belling, § 832 Rn. 86, soll der Schutz der Allgemeinheit Vorrang genießen, wenn hochgradige Gefahren vom Aufsichtsbedürftigen ausgehen, z. B. im Fall von gemeingefährlichen Kranken oder Behinderten. 383 Vgl. Deutsch/Spickhoff, MedizinR., Rn. 847. 379

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Arzt hat beispielsweise auf eine strikte Aufsichtsmaßnahme zu verzichten, wenn der Drittschutz auch mit einer für den Patienten und das angestrebte Therapieziel weniger intensiveren Aufsichtsmaßnahme angemessen sichergestellt werden kann. aa) Erlaubtes Risiko als Abwägungsmaßstab? In diesem Zusammenhang wird für den Bereich des Kliniksuizids der Gedanke des erlaubten Risikos herangezogen384. Die Rechtsfigur des erlaubten Risikos wird vor allem im Bereich des Strafrechts diskutiert. Sie ist sowohl inhaltlich als auch in ihrer systematischen Zuordnung äußerst umstritten und im Einzelnen ungeklärt385. Bei der Übertragung des Gedankens geht es im Wesentlichen darum, dass obwohl bei der Heilbehandlung psychisch Kranker eine Drittgefährdung nicht auszuschließen ist und damit ein rechtlich relevantes Risiko geschaffen wird, dieses Risiko gleichwohl wegen der überwiegenden Patienteninteressen von der Gesellschaft als Ergebnis sozial adäquaten Verhaltens des Aufsichtspersonals der öffentlichen Einrichtung in Kauf zu nehmen ist. bb) Stellungnahme Dieses Rechtsinstitut liefert neben den bereits angestellten Erwägungen zunächst einmal lediglich einen Begründungsansatz dafür, weshalb die Gesellschaft im Rahmen des Rechtsgüterschutzes gewisse Opfer hinzunehmen hat. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, wann die Grenze zur unerlaubten Gefahr überschritten wird bzw. anhand welcher Kriterien die Grenze bestimmt wird. Auch bei der Heranziehung des Gedankens des erlaubten Risikos bedarf es für dessen Bestimmung einer Abwägung386. Diese Abwägung kann jedoch im Rahmen des ohnehin für staatliche Einrichtungsträger geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Deshalb bedarf es letztlich nicht des Rückgriffs auf die strafrechtliche Rechtsfigur des erlaubten Risikos, die überdies in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Reichweite umstritten ist und daher keinen verlässlichen Begründungsansatz liefert. Der Freigang als angeordnete Aufsichtsmaßnahme ist dann als nicht angemessen im engeren Sinne anzusehen, wenn sich im Hinblick auf Fremdgefährdungen ein erhöhtes Risiko verwirklicht hat. Das ist dann der Fall, wenn die Gefahr für Dritte erkennbar und vorhersehbar war. Die vorwerfbare Vorhersehbarkeit des Schadensfalles ist anhand der dargestellten Kriterien zu bestimmen387. Insoweit findet auch das Behandlungsermessen des behandelnden Arztes bzw. des Pflegepersonals seine Grenze. Unter Zugrundele384 385 386 387

Wolfslast, NStZ 1984, 105 (107); Gropp, MedR 1994, 127 (131 f.). Roxin, StrafR. AT, § 11 Rn. 65, m.w. N. Roxin, StrafR. AT, § 10 Rn. 39, § 18 Rn. 1. Oben § 6 IV. 2.

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§ 6 Umfang der Aufsichtspflicht

gung dieses Maßstabes sind bei Vorliegen von Gemeingefährlichkeit eines psychisch kranken Patienten strikte Aufsichtsmaßnahmen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht geboten. Auch die in § 70 k FGG vorgesehene Aussetzung der Vollziehung zeigt, dass es um ein für die Allgemeinheit kalkulierbares Risiko geht. § 70 k FGG sieht die Aussetzung der Vollziehung einer bereits begonnenen Unterbringung vor. Das Gericht kann die Aussetzung dann anordnen, wenn die Unterbringungsvoraussetzungen noch vorliegen und der Gesundheitszustand sowie das Verhalten des Patienten erkennen lassen, dass eine probeweise Entlassung mit einem kalkulierbaren Risiko verbunden ist388. Sofern also ein kalkulierbares Risiko vorliegt, ist die Inkaufnahme eines verbleibenden Restrisikos sowohl therapeutisch als auch unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsverwirklichung notwendig und kann mithin keine Aufsichtspflichtverletzung begründen. Wenn dagegen eine Verletzung der Aufsichtspflicht, z. B. durch Unterschätzung des Restrisikos, und damit ein dem Einrichtungsträger deliktsrechtlich zurechenbarer Schaden gegeben ist, trifft das Krankenhaus berechtigterweise die Aufsichtshaftung. In diesem Fall soll nicht etwa der geschädigte Dritte schicksalhaft das gesamtgesellschaftliche Risiko alleine tragen389. Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig, weil bei psychiatrischen Krankenhäusern die sichere Beaufsichtigung zu den wesentlichen Aufgaben gehört390.

5. Aufsichtsformel Da sich in den Urteilen zu Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht in psychiatrischen Krankenhäusern noch keine vergleichbar mit der Aufsichtshaftung für Minderjährige angewandte generalklauselartige Aufsichtsformel findet, soll abschließend der Versuch einer Formulierung gemacht werden. Die Aufsichtsformel zur Konkretisierung des Aufsichtsinhalts könnte etwa lauten: Das Maß der im Einzelfall konkret gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach der Art der psychischen Erkrankung, deren Fremdschädigungspotential, dem Stadium der Krankheit sowie dem erzielten Therapieerfolg. Die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen richtet sich danach, was verständige Aufsichtspflichtige unter Beachtung der medizinischen Grundsätze der Psychiatrie, den Erfordernissen und Zielsetzungen der Therapie sowie der Grundrechte der aufsichtsbedürftigen Patienten tun müssen, um Schädigungen Dritter zu verhindern.

388 Jansen/Sonnenfeld, FGG, § 70 k Rn. 2; siehe auch Keidel/Kuntze/Winkler/Kayser, FGG, § 70 k Rn. 2. 389 LG Bremen NJW-RR 1999, 969 (970); LG Bremen PflR 2001, 405 (408). 390 Siehe Marburger, VersR 1971, 777 (785).

§ 7 Haftung von öffentlichen Einrichtungen Von den Ausführungen, wer und in welchem Umfang die Aufsichtspflicht innehat, ist die Frage zu unterscheiden, wer letztendlich für eine Aufsichtspflichtverletzung haftet. Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit richtet sich danach, ob der öffentliche Einrichtungsträger im privatrechtlichen oder hoheitlichen Bereich gehandelt hat. Für die Abgrenzung zwischen zivilrechtlicher und hoheitlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses wird auf die Ausführungen in § 2 verwiesen. Des Weiteren ist zwischen der Eigenhaftung des Einrichtungsträgers und des Aufsichtspersonals zu trennen. Schlussendlich muss zwischen der Außen- und Innenhaftung differenziert und die Frage beantwortet werden, wer und in welchem Verhältnis im Endergebnis den Schaden und damit das Haftungsrisiko trägt.

I. Haftung der öffentlichen Einrichtung bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses Wird einem Benutzer der Einrichtung wegen Verletzung der privatrechtlichen Aufsichtspflicht ein Schaden zugefügt, dann kommt eine Haftung der Kommune aus Vertrag und aus Delikt in Betracht. Zwischen Schadensersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und aus Delikt besteht eine echte Anspruchskonkurrenz1. Bei Verletzung einer Aufsichtspflicht ist die Konkurrenz zwischen der vertraglichen und deliktischen Haftung die Regel, da die deliktische Außenhaftung für eine Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 832 Abs. 2 BGB auf der vertraglichen Begründung dieser Pflicht fußt. Insofern bedeutet eine vertragliche Pflichtverletzung zugleich eine Verletzung der deliktischen Pflicht.

1. § 832 Abs. 2 BGB Bei Vorliegen einer eigenen Aufsichtspflichtverletzung haftet die Gemeinde nach § 832 Abs. 2 BGB. Wie bereits dargestellt wurde, beinhaltet diese Pflicht, organisatorisch im Rahmen des Zumutbaren die ausreichende Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch das Personal zu gewährleisten2. 1 2

BGH NJW 1975, 1315 (1316); Mittermeier, S. 212. BGH NJW 1976, 1145 (1146).

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§ 7 Haftung von öffentlichen Einrichtungen

2. § 832 BGB i.V. m. §§ 89 Abs. 1, 31 BGB Nach § 31 BGB, dessen Eingreifen sich über § 89 Abs. 1 BGB auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts – unter die auch Kommunen als Gebietskörperschaften fallen – erstreckt, haftet die Kommune für die von ihren Organen verursachten Schäden. Diese Haftung trägt dem Umstand Rechnung, dass die juristische Person nicht selbst, sondern nur mittels ihrer Organe handeln kann. Die Handlung des Vertreters gilt als solche der juristischen Person, also der Kommune. Das Verhalten der handelnden Organe stellt eine Verletzung der Schuldnerpflichten der juristischen Person dar3. Zu den Schuldnerpflichten zählt auch die ordnungsgemäße Erfüllung der unmittelbaren Aufsichtspflicht. Der kommunale Träger haftet daher nicht nur für ein Organisationsverschulden, sondern auch für die Verletzung der unmittelbaren Aufsichtspflicht seiner Organe. Voraussetzung der §§ 89 Abs. 1, 31 BGB ist, dass ein Vorstand oder ein verfassungsmäßig berufener Vertreter gehandelt hat. Der Begriff des verfassungsmäßigen Vertreters wird weit ausgelegt und auch auf die Personen ausgedehnt, denen zwar nicht aufgrund der verfassungsmäßigen Satzung eine besondere Vertreterstellung eingeräumt ist, denen aber kraft allgemeiner Betriebsübung und Handhabung wichtige Aufgabenbereiche zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung übertragen worden sind4. Dabei muss es sich weder um eine geschäftsführende Verwaltungstätigkeit handeln noch ist die Erteilung einer Vertretungsmacht erforderlich. Diese Gleichstellung ist berechtigt, da auch diese Personen die juristische Person funktionell nach außen in gleicher oder ähnlicher Weise wie die satzungsmäßigen Vertreter repräsentieren5. Zur Frage, wer verfassungsmäßiger Vertreter einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist, findet sich eine umfangreiche Kasuistik6. Hinsichtlich der Schwerpunktsetzungen dieser Arbeit stellt sich zunächst die Frage, ob das Erziehungspersonal als verfassungsmäßiger Vertreter eingestuft werden kann. Bei der Leiterin der Erziehungseinrichtung, die regelmäßig auch als Aufsichtsperson tätig wird, ist aufgrund vergleichbarer Fälle in der Judikatur auf kommunaler Ebene von der Stellung als verfassungsmäßiger Vertreter i. S. d. §§ 89 Abs. 1, 31 BGB auszugehen7. Bei den angestellten Erziehern spricht die 3

MünchKomm/Reuter, § 89 Rn. 31 f. BGH NJW 1972, 334; Erman/Hecker, § 89 Rn. 6. 5 Siehe Erman/Hecker, § 89 Rn. 6. 6 Siehe ausführlich dazu Bamberger/Roth/Schwarz/Backert, § 89 Rn. 23. 7 Als verfassungsmäßiger Vertreter wurde beispielsweise der Leiter des Stadtreinigungsamtes, BGH VersR 1962, 1013 (1014); der Direktor des städtischen Gymnasiums, RG JW 1906, 427; sowie der Hauswirtschaftsleiter eines Altenheims, AnwK-BGB/Heidel/Lochner, § 31 Rn. 6, anerkannt; so auch Ollmann, ZfJ 2004, 1 (5), der ausführt, dass der Leiter einer Einrichtung als verfassungsmäßiger Vertreter angesehen werden kann; auch nach Eckert, S. 197, kann sich der Leiter einer Einrichtung in der Position eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters befinden. 4

I. Haftung der öffentlichen Einrichtung bei privatrechtlicher Ausgestaltung

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demgegenüber untergeordnete Stellung innerhalb der Einrichtung eher gegen die Einordnung als verfassungsmäßig berufener Vertreter. Allerdings schließt eine Weisungsgebundenheit im Innenverhältnis die Einordnung im Sinne des § 31 BGB nicht aus. Deshalb kann auch ein Sachbearbeiter als verfassungsmäßiger Vertreter anzusehen sein8. Entscheidend muss auch hier sein, dass dem Vertreter durch die allgemeine Regelung und Handhabung innerhalb der Einrichtung bedeutsame und wesentliche Funktionen der juristischen Person zur selbständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind. Sofern es sich bei Erzieherinnen nicht nur um Hilfskräfte oder Praktikantinnen handelt, sondern um ausgebildetes Erziehungspersonal, sind diese ebenso wie eine Kindergartenleiterin für die Aufsicht und Erziehung der Kinder verantwortlich9. Bereits die Gruppengröße mit bis zu 25 Kindern sowie die zahlreichen, teilweise auch sehr spontan zu bewältigenden Aufsichts- und Erziehungssituationen zeigen bereits, dass eigenverantwortliche Entscheidungen unabdingbar getroffen werden müssen. Erzieher geraten häufig in Situationen, in denen sie gezwungen sind, unter Zeitdruck in Abwägung mit den Sicherheitsinteressen Dritter eine pädagogisch angemessene Entscheidung zu treffen. Gerade diese das Erziehungspersonal treffende hohe Verantwortung rechtfertigt die Anwendung der Repräsentantenhaftung, da ihnen Kleinkinder zur Erziehung, Aufsicht und Förderung anvertraut werden. Hinter der Repräsentantenhaftung steht der Gedanke, dass sich eine juristische Person nicht der Haftung entziehen können darf, indem sie einerseits Mitarbeitern einen selbständigen Wirkungskreis einräumt, ohne sie jedoch andererseits zu verfassungsmäßigen Vertretern zu berufen10. Auch wenn die Qualifizierung einer Erzieherin als verfassungsmäßiger Vertreter in vielen Fällen sachgerecht ist, so spricht die Rechtsprechungspraxis gegen die Annahme einer organähnlichen Stellung. Wegen der Repräsentanz nach außen wird die Anwendung der §§ 89 Abs. 1, 31 BGB jedenfalls dann abzulehnen sein, wenn neben der die Aufsichtspflicht verletzenden Erzieherin auch die Leiterin der Einrichtung die Aufsicht in der Einrichtung führt. Bei Krankenhäusern sind neben den Chefärzten auch diejenigen Ärzte, die selbständig eine Abteilung leiten, als verfassungsmäßige Vertreter dem Klinikträ-

8

RGZ 162, 129 (167). Das OLG Hamm FamRZ 1995, 167, hat die u. a. auf §§ 823 Abs. 1, 2, 31 BGB gestützte Schadensersatzklage mit der Begründung abgewiesen, dass die als Aufsichtspersonen eingesetzten sechs Betreuer nicht als verfassungsmäßige Vertreter qualifiziert werden können, da sie nur ehrenamtlich für die Ferienfreizeit für den Beklagten tätig geworden sind. Demgegenüber hat das OLG Hamburg VersR 1973, 828 (829), in einem Fall, in dem es um eine Aufsichtspflichtverletzung ehrenamtlicher Helfer bei einem Ferienaufenthalt ging, als Anspruchsgrundlage sowohl §§ 823, 31 BGB als auch § 831 BGB geprüft. Das Gericht konnte die Qualifizierung der ehrenamtlichen Helfer offen lassen, da es bereits an einer Aufsichtspflichtverletzung mangelte. 10 Erman/Hecker, § 89 Rn. 6; für den ärztlichen Bereich BGH NJW 1980, 1901 (1902). 9

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§ 7 Haftung von öffentlichen Einrichtungen

ger nach § 89 Abs. 1 BGB zuzurechnen11. Das Pflegepersonal wird demgegenüber nicht als verfassungsmäßig berufener Vertreter einzustufen sein. Die Struktur der Haftungsgrundlage § 832 i.V. m. §§ 89 Abs. 1, 31 BGB bestätigt somit das in § 3 II. 2. gefundene Ergebnis, dass sich die Aufsichtspflicht des Einrichtungsträgers inhaltlich nicht auf eine mittelbare Aufsichtspflicht reduziert.

3. § 831 BGB Sofern der Bedienstete einer Einrichtung nicht als verfassungsmäßiger Vertreter angesehen werden kann, haftet die Gemeinde im deliktsrechtlichen Bereich nach § 831 BGB12. Der entscheidende Unterschied zwischen der Organhaftung und der Verrichtungsgehilfenhaftung nach § 831 BGB besteht darin, dass dem Einrichtungsträger bei einer Haftung nach §§ 89 Abs. 1, 31 BGB die Erbringung des Entlastungsbeweises nicht offen steht. Eine dem § 831 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbare Regelung existiert nicht. Da zwischen Einrichtungsträger und seinen Angestellten regelmäßig ein Arbeitsvertrag besteht, ist das mit der Aufsichtsführung betraute Personal als Verrichtungsgehilfe der Einrichtung anzusehen. In dieser Konstellation kommt es zu tatbestandlichen Überschneidungen zwischen § 831 BGB und § 832 Abs. 2 BGB, womit die Frage zu beantworten ist, ob sie einander ausschließen oder nebeneinander anwendbar sind. Albilt13 und Eckert14 sehen § 832 BGB als Spezialvorschrift an. Dies überzeugt jedoch nicht, da innerhalb des Deliktsrechts der Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz gilt15. Bei § 832 BGB und § 831 BGB handelt es sich um Normen derselben Rangstufe, welche die gleichen Rechtsfolgen anordnen. Sie stehen zueinander auch nicht im dogmatischen Verhältnis der Spezialität, da der Anwendungsbereich von § 832 BGB gerade nicht völlig in dem Tatbestand des § 831 BGB aufgeht; nicht alle Fälle von § 832 BGB sind gleichzeitig auch solche des § 831 BGB. Es ist außerdem weder ein inhaltlicher Vorrang der einen vor der anderen Norm auszumachen noch ist eine der beiden Vorschriften als erschöpfende Regelung zu betrachten16. Da die Konkurrenz problemlos besteht, können § 832 Abs. 2 BGB und § 831 BGB nebeneinander eingreifen17. Die Anforderungen an den Entlastungsbeweis sind im Rahmen des Organisationsverschuldens iden11 Erman/Hecker, § 89 Rn. 7; MünchKomm/Reuter, § 89 Rn. 24; siehe auch zu der umfangreichen Kasuistik bei Krankenhäusern Staudinger/Rawert, § 89 Rn. 33. 12 Staudinger/Rawert, § 89 Rn. 5; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 114; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 89 Rn. 2. 13 Albilt, S. 204. 14 Eckert, S. 195 f. 15 Esser/Weyers, SchuldR. Bd. II, § 54 S. 150. 16 Siehe allgemein zur Konkurrenz mehrerer Rechtssätze Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff. 17 Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 3; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 164.

II. Haftung der Einrichtung bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung

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tisch18. Dies ergibt sich aus den bereits zitierten Entscheidungen des BGH vom 02.12.197519 und vom 19.01.198420. In beiden Entscheidungen ist der Entlastungsbeweis – in der ersten Entscheidung aus § 832 Abs. 1 S. 2 BGB und in dem späteren Urteil aus § 831 Abs. 1 S. 2 BGB – daran gescheitert, dass die für eine ordnungsgemäße Aufsichtsführung erforderlichen organisatorischen Maßnahmen von dem Träger nicht getroffen wurden.

4. § 280 Abs. 1 BGB i.V. m. § 278 BGB Im Gegensatz zu dem außerhalb der Einrichtung geschädigten Dritten steht dem Nutzer der Einrichtung neben dem deliktischen Anspruch auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zur Seite. Liegt ein Handeln eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters vor, findet wiederum §§ 89 Abs. 1, 31 BGB als Zurechnungsnorm Anwendung, da der Rechtsgrund der Schadensersatzpflicht unbeachtlich ist21. Für schädigende Handlungen von Personen, die weder Organe noch verfassungsmäßig berufene Vertreter sind, kann die Gemeinde über die Zurechnungsnorm des § 278 BGB haftbar gemacht werden.

II. Haftung der öffentlichen Einrichtung bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses Soweit das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist und die Aufsichtspflicht damit hoheitlich ausgeübt wird, kommt eine Haftung der Gemeinde als Träger der Einrichtung nach den Regeln der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG) in Betracht. Der geschädigte interne Dritte hat zusätzlich einen Anspruch aus vertraglicher Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 i.V. m. § 278 BGB analog. Auch in einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis schließen sich der Schadensersatzanspruch aus dem verwaltungsrechtlichen Sonderverhältnis und der Amtshaftungsanspruch nicht aus22.

1. Haftung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG Hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen und Haftungsbeschränkungen wird auf die Darstellung in § 1 II. verwiesen. Ein entscheidender Unter18

Staudinger/Belling, § 832 Rn. 165. BGH NJW 1976, 1145 (1146). 20 BGH VersR 1984, 460 (462). 21 Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 31 Rn. 2; AnwK-BGB/Heidel/Lochner, § 31 Rn. 8. 22 Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 38; Roth, S. 227 f.; Bartels, S. 296. 19

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schied zwischen der Amtshaftung und der Haftung nach §§ 832 BGB i.V. m. 89 Abs. 1, 31 BGB besteht darin, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen von §§ 89 Abs. 1, 31 BGB keine befreiende Schuldübernahme stattfindet23.

2. Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse sind öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen zwischen der Verwaltung und dem Bürger, die nach Struktur und Gegenstand den bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnissen vergleichbar sind. Grundvoraussetzung für ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis ist eine besonders enge Rechtsbeziehung zwischen Staat und Bürger. Neben dem öffentlich-rechtlichen Vertrag, der öffentlich-rechtlichen Verwahrung und der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag wird auch das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis begriffen24. Die entsprechende Anwendung der Regelungen des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts, aus denen eine vertragliche Haftung der Kommune resultiert, ist allgemein anerkannt und wird daher nicht weiter vertieft25. Dementsprechend ebenfalls analog anwendbar ist die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB26. Da Schadensersatzansprüche der Nutzer aus dem Benutzungsverhältnis neben dem Staatshaftungsanspruch stehen können, stellt die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu Lasten des Aufsichtspersonals gegenüber dem Anspruch des Geschädigten aus § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG einen Vorteil dar27. Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gilt nicht, so dass der Amtshaftungsanspruch nicht deshalb entfällt, weil ein Schadensersatzanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis besteht28. Sofern die Anwendung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses für den internen Dritten nicht schon aus dem Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages folgt, ergibt sie sich aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis. Der BGH hat allerdings das Schulverhältnis nicht als verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis anerkannt. Der Senat hat einen Anspruch aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis mit der Begründung abgelehnt, die Pflicht des Staates zur Fürsorge sei gegenüber der Hauptaufgabe der Unterrichtung und Er23

MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 123. Detterbeck, Öff. Recht, Rn. 1667; Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 32. 25 Siehe dazu ausführlich Mittermeier, S. 89 ff. 26 Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 45; Bamberger/Roth/Unberath, § 280 Rn. 8; Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 37; zur entsprechenden Anwendung von § 282 BGB a. F. im Rahmen der öffentlich-rechtlichen positiven Forderungsverletzung OVG NW NWVBl 1998, 196 (197). 27 Rüfner, DÖV 1973, 808; Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 38. 28 Detterbeck/Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 20 Rn. 11. 24

III. Eigenhaftung des Aufsichtspersonals

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ziehung nur als Nebenpflicht zu qualifizieren. Außerdem fehle es an einem sachlichen Grund, neben dem Amtshaftungsanspruch einen weiteren schuldrechtlichen Schadensersatzanspruch zu gewähren, weshalb auch keine Umkehr der Beweislast analog § 282 BGB in Betracht komme29. Dieser Rechtsprechung kann bereits im Ansatz nicht gefolgt werden, da das Rechtsinstitut des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses auf die Dichte der Rechts- und Pflichtbeziehungen abhebt, nicht auf ihren Inhalt. Auch die Verletzung von bloßen Nebenpflichten kann ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis begründen30. Da sowohl die Aufsicht über Minderjährige in Erziehungseinrichtungen als auch die Beaufsichtigung von psychisch Kranken wesentlicher Einrichtungszweck ist, liegt ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis auch in diesen Fällen vor. Dieses Näheverhältnis rechtfertigt die Besserstellung gegenüber außerhalb der Einrichtung stehenden Dritten.

III. Eigenhaftung des Aufsichtspersonals Eine Eigenhaftung der Aufsichtspflichtigen scheidet dann aus, wenn eine Haftungsüberleitung auf den Staat nach den Grundsätzen der Staatshaftung, § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG, stattgefunden hat. Nur wenn eine mittelbare Staatshaftung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG nicht gegeben ist, weil entweder privatrechtlich gehandelt wurde oder zugunsten des Staates ein Haftungsausschluss eingreift, kommt überhaupt eine Eigenhaftung des Handelnden in Betracht. Für die Eigenhaftung im deliktsrechtlichen Bereich ist weiterhin zu unterscheiden, ob es sich bei der Aufsichtsperson um einen Beamten im staatsrechtlichen Sinn oder um einen Nichtbeamten (Angestellte des öffentlichen Dienstes) handelt. Die Lehrer erfüllen in der Regel den staatsrechtlichen Beamtenbegriff. Da die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht im Schulverhältnis eine hoheitliche Tätigkeit ist, findet im Außenverhältnis nach Art. 34 GG eine Haftungsüberleitung auf die Anstellungskörperschaft statt.

1. Haftung nach § 839 BGB § 839 BGB ist eine Sonderregelung für die Haftung des Beamten im staatsrechtlichen Sinne. Der Beamtenstatus setzt eine Ernennung als Beamter voraus. Wenn sich bei der fiskalischen Haftung des Staates eine Ersatzmöglichkeit des Geschädigten ergeben hat, so scheitert bei fahrlässigem Handeln die Eigenhaftung des Beamten an der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Wegen des Rückgriffsrechts des Staates tritt bei grob fahrlässigem oder vorsätz-

29 30

BGH NJW 1963, 1828 (1829). Detterbeck/Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 21 Rn. 28.

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lichem Handeln des Beamten seine Eigenhaftung neben die Fiskalhaftung des Staates.

2. Haftung nach § 832 BGB Nur dann, wenn der Anspruch nach § 839 BGB an der fehlenden Beamteneigenschaft scheitert, haftet der Handelnde nach § 832 BGB.

3. Haftung aus Vertrag Da Vertragspartner des mit der Einrichtung geschlossenen Vertrages der Einrichtungsträger ist, hat der geschädigte Benutzer unmittelbar gegen die Aufsichtsperson keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch31. Der Anspruch richtet sich gegen den Träger der Einrichtung, der für sein Aufsichtspersonal – abhängig davon, ob eine organähnliche Stellung vorliegt – entweder nach §§ 280 Abs. 1, 89 Abs. 1, 31 BGB oder nach §§ 280 Abs. 1, 278 BGB haftet.

IV. Verantwortlichkeit für den Schaden Da außer in dem Fall der Staatshaftung keine befreiende Schuldübernahme stattfindet, entsteht bei einer persönlichen Schadensersatzpflicht der Aufsichtsperson und des Einrichtungsträgers gegenüber dem Dritten eine gesamtschuldnerische Haftung nach §§ 840 Abs. 1, 421 ff. BGB. Der geschädigte Dritte kann wählen, ob er die Aufsichtsperson oder den Träger oder beide als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt. Von der Außenhaftung gegenüber dem Dritten ist die Verantwortlichkeit im Innenverhältnis zu trennen.

1. Beschäftigte des öffentlichen Dienstes Da Gegenstand dieser Arbeit die staatlich/kommunal betriebenen öffentlichen Einrichtungen sind, stehen die Aufsichtspersonen im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Zu den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zählen neben Beamten und Richtern auch die Personen, die als Beschäftigte (Arbeiter, Angestellte, Auszubildende) im öffentlichen Dienst in einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis stehen32. Sofern das Aufsichtspersonal auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abhängige, d.h. weisungsgebundene und für fremde Rechnung leistende Tätigkeiten verrichtet, sind diese Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes33. Insoweit stellt 31 32 33

Otto, Recht d. Angestellten u. Arbeiter im öff. Dienst, S. 63. Müller/Preis, Rn. 14. Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 1 Rn. 19.

IV. Verantwortlichkeit für den Schaden

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sich die Frage, ob für den Ausgleich im Innenverhältnis die Bestimmung des § 840 Abs. 2 BGB Anwendung findet, nach welcher der Geschäftsherr bei dem Verrichtungsgehilfen in vollem Umfange Regress nehmen kann.

2. Besonderheiten der Haftung im öffentlichen Dienst Der öffentliche Dienst ist durch eine Haftung der Beamten nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit gekennzeichnet. Die haftungsrechtlichen Vorschriften für die Beamten des Bundes und der Länder beschränken bei hoheitlichem und privatrechtlichem Handeln die Rückgriffshaftung gleichermaßen auf vorsätzliche und grob fahrlässige Pflichtverletzungen34. Dagegen haftet der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ausschließlich bei hoheitlicher Tätigkeit im Rahmen des Amtshaftungsregresses nach Art. 34 S. 2 GG für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz35. Grundsätzliche Beachtung in jedem Arbeitsverhältnis finden die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, wonach die Haftung des Arbeitnehmers eingeschränkt wird36. Die Grundsätze zur Haftungsbeschränkung wirken nur im Innenverhältnis zum Arbeitgeber. Im Außenverhältnis haften Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner. Bei Vorliegen von leichter Fahrlässigkeit trägt der Arbeitgeber den Schaden alleine. Im Falle normaler Fahrlässigkeit findet eine quotale Schadensteilung statt, während bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit der Arbeitnehmer den Schaden alleine zu tragen hat37. Die Rückgriffshaftung des Beamten beschränkt sich dagegen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Festzuhalten ist, dass die beamtenrechtlichen Regelungen gegenüber den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur Haftungseinschränkung bei Vorliegen von normaler Fahrlässigkeit günstiger sind. Eine gegenüber den arbeitsrechtlichen Regelungen mildere Haftung für den Beamten kann sich zudem in Fällen hoher Schäden und

34 Mit dem 9. Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 11.06.1992, welches am 01.01.1993 in Kraft trat, wurde die Privilegierung in § 78 BBG und § 46 BRRG, und dementsprechend die Landesbeamtengesetze, auf privatrechtliches Handeln der Beamten ausgedehnt. Eine Übersicht über die Landesgesetze findet sich bei Geigel/ Kapsa, Kap. 20 Rn. 333. 35 Müller/Preis, Rn. 531; siehe auch Otto, Recht d. Angestellten u. Arbeiter im öff. Dienst, S. 62; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 372 f. 36 Nach Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 5, 332, richtet sich der Rückgriff gegen den Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes auch beim Amtshaftungsregress nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen, die im Gegensatz zu der Haftung für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz – wie nachfolgend ausgeführt wird – in Einzelfällen zu einer strengeren Haftung führen können. Bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit nehmen Müller/Preis, Rn. 531; Otto, Recht d. Angestellten u. Arbeiter im öff. Dienst, S. 62; sowie Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 372 f. bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeit zu Recht eine Regresshaftung ausschließlich für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit an. 37 Ausführlich dazu ErfK/Preis, § 619a Rn. 6 ff.

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drohender Existenzvernichtung aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergeben38. a) Haftungsmodell für privatrechtliche Tätigkeit im öffentlichen Dienst Da für die Angestellten des öffentlichen Dienstes die Beamtengesetze nicht gelten und die Privilegierung ausschließlich die Schädigung Dritter aufgrund hoheitlicher Tätigkeit erfasst, stellt sich die Frage, ob und durch welches Haftungsmodell auch die privatrechtliche Tätigkeit eines Angestellten des öffentlichen Dienstes privilegiert wird39. Bisher haben die einschlägigen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auf das beamtenrechtliche Haftungsmodell verwiesen und damit eine haftungsrechtliche Gleichstellung mit den Beamten dahingehend erwirkt, dass die Arbeitnehmer nicht nur beim Amtshaftungsregress, sondern allgemein nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit haften. So hat § 14 Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), der für die Angestellten des Bundes, der Länder und der Kommunen galt, angeordnet, dass für die Schadenshaftung des Angestellten die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung finden. Konsequenterweise wurde daraus in Teilen der Literatur gefolgert, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung für die Haftung im Innenverhältnis wegen der Übernahme der beamtenrechtlichen Haftungsregeln nicht eingreifen40. Das BAG hält in seinem Urteil vom 25.09.1997 trotz der Geltung des § 14 BAT die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung daneben offensichtlich für anwendbar41. Letztlich kann das Verhältnis von den beamtenrechtlichen Haftungsregeln zu den richterrechtlichen Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung offen bleiben, da der BAT ab dem 01.10.2005 von dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) abgelöst wurde42. In den TVöD wurde bislang keine Regelung aufgenommen, die auf das 38

Schmidt-Aßmann/Kunig, Bes. VerwR., Kap. 6 Rn. 145. Erichsen/Ehlers/Grzeszick, Allg. VerwR., § 43 Rn. 42, der hinsichtlich der Haftung für Angestellte des öffentlichen Dienstes lediglich ausführt, dass für diese tarifvertragliche bzw. arbeitsrechtliche Regelungen gelten. 40 Minz/Conze, Rn. 159; Linde, S. 46; so offensichtlich auch, aber ohne nähere Kommentierung, Schaub/Linck, Hdb. ArbR., 10. Auflage, S. 472 Rn. 88; nach Schmidt-Aßmann/Kunig, Bes. VerwR., Kap. 6 Rn. 146, macht die beamtenrechtliche Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit die Übertragung der richterrechtlichen Grundsätze der Haftungsminderung in das Beamtenrecht im Ergebnis überflüssig. 41 BAG NZA 1998, 310 (311); so auch Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 375. Sehr ungenau und unpräzise ist die Kommentierung in MünchArbR/ Freitag, § 188 Rn. 35, der zunächst feststellt, dass für die Schadenshaftung der Angestellten des öffentlichen Dienstes nach § 14 BAT die beamtrechtlichen Vorschriften Anwendung finden. Nach diesen hafte der Angestellte, wenn er nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes handelt, nach Maßgabe der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung. 42 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 1 Rn. 19 Fn. 73; Deutsch/Spickhoff, MedizinR., Rn. 405, welche den Rückgriff gegen den Arzt und das ärztliche Hilfspersonal behan39

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beamtenrechtliche Haftungsmodell verweist43. Daher gelten auch für die tarifgebundenen Angestellten des öffentlichen Dienstes die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs44. Eine Abweichung von den Grundsätzen über den innerbetrieblichen Schadensausgleich zum Nachteil des Arbeitnehmers in Tarif- und Arbeitsverträgen ist unzulässig, da es sich bei der Haftungsprivilegierung um einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht handelt. Eine Vereinbarung von Haftungsverschärfungen ist jedoch dann zulässig, wenn dem Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gezahlt wird, so dass im Ergebnis keine Schlechterstellung des Arbeitnehmers vorliegt45. b) Anwendung der Haftungsprivilegien auf verfassungsmäßige Vertreter Da – wie bereits dargestellt – auch eine organähnliche Verantwortlichkeit denkbar ist, wird im Folgenden kurz ausgeführt, dass auch ein verfassungsmäßig berufener Vertreter unter den persönlichen Anwendungsbereich der Arbeitnehmerhaftung fällt und sich insoweit keine relevanten Besonderheiten ergeben. Die Leiterin eines Kindergartens oder Kinderheimes sowie der leitende Arzt einer psychiatrischen Abteilung sind keine Organmitglieder im engeren Sinne, sondern haben als verfassungsmäßige Vertreter allenfalls eine organähnliche Stellung inne46. Die Einordnung als verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne der §§ 89 Abs. 1, 31 BGB deckt sich hinsichtlich des Anwendungsbereiches und der Reichweite mit dem Begriff eines leitenden Angestellten47. Umstritten ist, ob den leitenden Angestellten die Haftungsprivilegien zugute kommen48. Aufgrund der vorliegenden Vergleichbarkeit stellt sich diese Frage auch für die verfassungsmäßigen Vertreter nach §§ 89 Abs. 1, 31 BGB. Vorzugswürdig ist die Auffassung, welche die Arbeitnehmerhaftung für einschlägig erachtet, da bereits die entscheidende Qualifikation als leitender Angestellter wegen der mangelnden Einheitlichkeit und Präzision des Begriffs erhebliche Schwierigkeiten bereitet49. Wegen des ungenauen und in jedem Einzelfall ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriffs des verfassungsmäßigen Vertreters bestehen hier die gleichen Bedenken, die Haftungserleichterung von der Einordnung unter diedeln, beziehen sich trotz sechster aktueller Auflage (2008) auf den für Angestellte nicht mehr geltenden BAT. 43 Schaub/Linck, Hdb. ArbR., § 53 Rn. 69. 44 Müller/Preis, Rn. 530; Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 5, 332. 45 BAG BB 2004, 1507 (1508); BAG NZA 1999, 141 (144); Müller/Preis, Rn. 536. 46 Anders für ein geschäftsführendes Vorstandsmitglied einer Genossenschaftsbank BGH WM 1975, 467 (469). 47 Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 31 Rn. 6. 48 Zu dieser Problematik siehe ausführlich Joussen, RdA 2006, 129 ff. 49 MünchKomm/Henssler, § 619a Rn. 15; siehe auch Schaub/Linck, Hdb. ArbR., § 53 Rn. 40.

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sen Begriff abhängig zu machen. Auch handelt es sich bei verfassungsmäßigen Vertretern und leitenden Angestellten ebenfalls um Arbeitnehmer, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages zur Leistung unselbständiger Dienste verpflichtet und daher gleichermaßen schutzwürdig sind. Den aus der besonderen Stellung resultierenden Besonderheiten – wie beispielsweise die Einkommenshöhe – kann im Rahmen der Abwägung ausreichend Rechnung getragen werden. Zudem können es ihre besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse gebieten, das Verhalten eher als normale oder sogar grobe Fahrlässigkeit einzustufen. c) Zwischenergebnis Wegen der fehlenden Verweisung auf die beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften in der aktuellen Fassung des für den öffentlichen Dienst geltenden Tarifvertrages finden die Grundsätze der Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer auch auf die Angestellten des öffentlichen Dienstes Anwendung, unabhängig davon, ob ein Arbeitnehmer im Dienst des Staates die Stellung eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters innehat. Die Bestimmung des § 840 Abs. 2 BGB, die zu einer Haftung des Aufsichtspersonals im Innenverhältnis führt, wird durch die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs überlagert50. d) Sozialversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkungen Allerdings findet die Lehre von dem innerbetrieblichen Schadensausgleich dann keine Anwendung, wenn und soweit sozialversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkungen gemäß §§ 104 ff. SGB VII gegeben sind. Nach den Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII sind sowohl vertragliche als auch deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Einrichtungsträger und die Bediensteten unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen. Für diesen Fall ist der Anspruch dann ausschließlich gegen den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu richten51. Wegen der Reichweite der Haftungsausschlüsse ist auch hier die Unterscheidung zwischen dem geschädigten Dritten als Benutzer der Einrichtung und dem externen einrichtungsfremden Dritten erforderlich. aa) Geschädigter Nutzer Voraussetzung für die Haftungseinschränkung ist das Vorliegen eines für die Unfallversicherung relevanten Versicherungsfalles, den hier interessierenden Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Ferner muss der Anspruchssteller eine nach § 2 50 Erman/Schiemann, § 840 Rn. 12; MünchKomm/Wagner, § 840 Rn. 17; Soergel/ Krause, § 840 Rn. 15. 51 Oben § 6 I. 2. f) aa).

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SGB VII unfallversicherte Person sein. Die Haftungsprivilegierung für den Einrichtungsträger und die Aufsichtsperson ist dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt wurde oder es sich bei dem haftungsbegründenden Versicherungsfall lediglich um einen Wegeunfall gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII handelt52. Der Anspruch des geschädigten internen Nutzers gegen den Einrichtungsträger scheitert nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII; die Inanspruchnahme des Aufsichtspersonals ist gem. §§ 105, 106 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ausgeschlossen. Allerdings können die Sozialversicherungsträger bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz des Einrichtungsträgers oder des Aufsichtspersonals Regress nach § 110 Abs. 1 SGB VII nehmen. Gleichwohl können diese gemäß § 110 Abs. 2 SGB VII auf den Rückgriff verzichten, wenn er das Aufsichtspersonal unbillig belasten würde. bb) Geschädigter externer Dritter Ist ein externer Dritter zu Schaden gekommen, so können diesem gegenüber nach ganz h. M. die arbeitsrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Haftungseinschränkungen nicht geltend gemacht werden53. Im Außenverhältnis haften Einrichtungsträger und Aufsichtsperson daher als Gesamtschuldner. Der Arbeitnehmer hat dann im Innenverhältnis, in dem Umfang, in dem er nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht haftet, gegen diesen einen Freistellungs- bzw. Erstattungsanspruch54. Die quotenmäßige Verteilung des Schadens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ist ausschlaggebend dafür, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Erstattung nach § 426 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. BGB besteht. Ist der Arbeitnehmer im Außenverhältnis allein verantwortlich, so hat er gegenüber seinem Arbeitgeber einen Freistellungsanspruch analog § 670 BGB55. cc) Umfang des Haftungsausschlusses Von dem Haftungsausschluss der §§ 104 ff. SGB VII wird nur der Personenschaden (Gesundheitsschäden und Tod des Versicherten) umfasst. Darunter fällt 52 Siehe zu den Voraussetzungen und den Haftungsausschlüssen im Einzelnen ErfK/ Rolfs, §§ 104–106 SGB VII. 53 BGH NJW 1989, 3273 (3274); BGH DB 1994, 634; ErfK/Preis, § 619a Rn. 23; Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 473. 54 Hat der Arbeitnehmer vorgeleistet, wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Erstattungsanspruch um. 55 Es ist umstritten, aus welcher Rechtsgrundlage der Anspruch hergeleitet wird. Da die unterschiedliche Herleitung auf das Ergebnis keine Auswirkungen hat, ist ein Streitentscheid entbehrlich. Siehe dazu Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 477 ff.

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auch ein Schmerzensgeldanspruch des geschädigten Nutzers, obwohl die Unfallversicherungsträger hierfür keinen Ersatz leisten. Diese insoweit nicht unbedenkliche Schlechterstellung für Arbeitnehmer, die wegen der Ausdehnung des durch §§ 104, 105 SGB VII statuierten Haftungsausschlusses auf § 106 SGB VII auch für die dort genannten weiteren Personen gilt, wurde vom BVerfG jedoch gebilligt56. Der Aufsichtspflichtige hat den versicherten internen Dritten aber alle Sachschäden wie gegenüber einrichtungsfremden Dritten zu ersetzen. Auch hier steht ihm gegebenenfalls ein Freistellungsanspruch gegen seinen Dienstherrn zu. Die Haftungsbeschränkungen finden sowohl bei privatrechtlichem als auch bei hoheitlichem Handeln der Angestellten Anwendung57. Grundsätzlich sind Bund, Länder, Gemeinden und alle sonstigen juristischen Personen und rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts als Unternehmen im Sinne der §§ 104 ff. SGB VII anzusehen58. dd) Versicherungsschutz Abschließend wird ausgeführt, bei welchen der behandelten Einrichtungen gesetzlicher Unfallversicherungsschutz während des Besuches besteht. (1) Tageseinrichtungen für Kinder Gesetzlich unfallversichert sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII alle Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, auch Besuchs- oder Gastkinder, sofern sie in Absprache ihrer Eltern mit der Tageseinrichtung diese aufsuchen. Unter den Versicherungsschutz fallen alle Tätigkeiten und Veranstaltungen, die sich aus dem Besuch der Einrichtung ergeben. Darunter fallen auch Unternehmungen außerhalb der Einrichtung, wie beispielsweise der Besuch öffentlicher Spielplätze und Schwimmbäder, Ausflüge und Wanderungen oder sonstige Erkundungsprojekte. Auch der Weg von zu Hause zur Einrichtung oder Veranstaltung sowie von dort zurück sind im Versicherungsschutz mit eingeschlossen. Voraussetzung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ist, dass der Weg auf der üblichen Strecke in zeitlichem Zusammenhang mit dem Kindergartenbesuch zurückgelegt

56 BVerfG NJW 1973, 502 ff.; a. A.: Richardi, NZA 2002, 1004 (1009), der ausführt, dass die bisher vom BVerfG anerkannte Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr aufrechterhalten werden könne, weil der Schmerzensgeldanspruch nicht mehr im Deliktsrecht verankert, sondern mit dem reformierten § 253 Abs. 2 BGB generell in das Schadensrecht eingefügt worden sei. 57 Eckert, S. 176; siehe auch BGH NVwZ 1985, 445 (446). Speziell zu den Haftungsbeschränkungen im Rahmen des Amtshaftungsanspruches zugunsten eines Landes in den Fällen fehlender Schulträgerschaft Albilt, S. 267 ff., der die damals noch geltenden §§ 636, 637 RVO für analog anwendbar hält. 58 Otto/Schwarze, Die Haftung des Arbeitnehmers, Rn. 574.

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wird. Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz besteht unabhängig von der Trägerschaft der Einrichtung59. Der Rheinische Gemeindeunfallversicherungsband (seit 01.01.2008 Unfallkasse NW) hat ermittelt, dass die primären Unfallursachen in Höhe von 85–95% auf das Verhalten der Aufsichtspersonen sowie der Organisation der Einrichtungen zurückzuführen sind. Die restlichen 5–15% entfallen auf Unfallursachen im Zusammenhang mit Technik. In dem Jahr 2004 zählte der Rheinische Gemeindeunfallversicherungsverband ca. 1,497 Mio. Versicherte. In diesem Jahr wurden ca. 161.746 Schulunfälle und 8.813 Unfälle in Kindergärten verzeichnet. Insgesamt gab es 4 Todesfälle. Der Rheinische Gemeindeunfallversicherungsverband hat als gesetzlicher Versicherer Leistungen in Höhe von A 21,0 Mio. erbracht. Die Anzahl der Unfälle im Kindertagesstättenbereich hat sich im Jahr 2005 auf 8.638 und im Schulbereich auf 149.685 reduziert. Die Kosten der sich im Jahr 2005 ereigneten Unfälle beliefen sich auf A 20.409.792,2860. Für Schäden, die von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ersetzt werden, lässt sich das berufliche Haftungsrisiko des Einrichtungsträgers und der Erzieherinnen durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung begrenzen. Falls der Träger für seine Angestellten keine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, sollte sich die Erzieherin selbst um den Abschluss einer Haftpflichtversicherung bemühen. Damit wird nicht nur der subjektiven Angst der Bediensteten, sondern auch der objektiven Gefahr, für eine Aufsichtspflichtverletzung finanziell mit ruinösen Folgen zu haften und das pädagogische Tun zu sehr nach dem Haftungsrisiko auszurichten, entgegengewirkt. Auch hier ist allerdings zu beachten, dass die Leistungspflicht der Versicherung bei vorsätzlicher und in der Regel auch für grob fahrlässige Verursachung ausgeschlossen ist. (2) Kinderheime Im Rahmen der Heimerziehung nach §§ 27 ff. SGB VIII besteht kein Unfallversicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Weder ein geschädigtes Kind noch ein zu Schaden gekommener externer Dritter fällt als Anspruchssteller unter den nach § 2 SGB VII versicherten Personenkreis. Der Unterschied zu den Tageseinrichtungen für Kinder rechtfertigt sich daraus, dass es sich bei den Kinderheimen nicht um Bildungseinrichtungen handelt. Für die kommunalen Einrichtungen der Erziehungshilfe verbleibt es daher bei der freiwilligen Absicherung über die Kommunalversicherer61.

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Fieseler/Herborth, Recht der Familie u. Jugendhilfe, S. 411. Die Unfallzahlen und Unfallkosten für das Jahr 2005 sind im Internet unter http:// www.rheinischer-guvv.de abrufbar (Stand: 28.07.2008). 61 Unten § 8 II. 2. d) aa). 60

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(3) Schule Ebenso wie die Kinder in den Tageseinrichtungen sind auch die Schüler während des Schulbesuchs, den sonstigen Schulveranstaltungen sowie dem Schulweg nach § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII gesetzlich unfallversichert. Auch hier greifen für die Schüler und Lehrer die Haftungsfreistellungen nach §§ 104 ff. SGB VII ein62. Gemäß § 105 Abs. 1 S. 2 SGB VII wurde auch der nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht versicherte Beamte in das Haftungsprivileg mit einbezogen63. Diese Haftungsbeschränkung kommt auch dem Land zu Gute, welches ansonsten wegen der Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG anstelle des haftungsbefreiten Lehrers haften müsste64. Damit ist ein Amtshaftungsanspruch eines Mitschülers als geschädigtem Dritten gemäß § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG auf Ersatz von Personenschäden ausgeschlossen, da der Anspruch unmittelbar gegen den gesetzlichen Unfallversicherer geltend zu machen ist65. Da dem Lehrer wegen der Haftungsüberleitung auf den Staat auch wegen Sachschäden von Mitschülern und außenstehenden Dritten keine unmittelbare Inanspruchnahme durch den geschädigten Dritten droht, ist der Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung entbehrlich. Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung besteht ein Rückgriffsrecht des Staates nach Art. 34 S. 2 GG, das sich nach den beamtenrechtlichen Vorschriften des sog. Innenregresses richtet. Jedoch werden diese Verschuldensformen in der Regel von dem Versicherungsschutz ausgeschlossen66. (4) Psychiatrische Krankenhäuser Die Patienten eines psychiatrischen Krankenhauses gehören nicht zu dem Kreis der versicherten Personen nach § 2 SGB VII. Für die Abdeckung von Haftpflichtschäden verbleibt es bei der freiwilligen Versicherungspflicht der kommunalen Krankenhäuser. Diesen Aspekt haben auch zwei Entscheidungen des LG Bremen angesprochen. Die Kammer mahnt die Vorsorge für die Inanspruchnahme geschädigter Dritter durch den Aufbau kollektiver Schadenstragungsoder Versicherungssysteme an67.

62

Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 113. BGH NJW 2002, 3096 (3097). Ausführlich zu der Haftungsbegrenzung bei Personenschäden in der Schule Leube, VersR 2000, 948 ff. 64 Vollmar, VersR 1973, 298 (299). Damals erfolgte die Haftungsfreistellung nach den Regelungen §§ 636, 637 RVO. Siehe auch BGH NVwZ 1985, 445 (446); BGHZ 146, 385 (388 f.). 65 Eckert, S. 175 f.; Vollmar, VersR 1973, 298 (299). 66 Vgl. für den Fall der Arzthaftung Laufs/Uhlenbruck/Schlund, Hdb. ArztR., § 22 Fn. 11. 67 LG Bremen NJW-RR 1999, 969 (970); LG Bremen PflR 2001, 405 (408). 63

V. Haftungsbeschränkungen

267

ee) Ergebnis Das finanzielle Haftungsrisiko infolge von Aufsichtspflichtverletzungen ist hinsichtlich der Personenschäden einschließlich des Schmerzensgeldes bei geschädigten internen Benutzern von Tageseinrichtungen oder Schulen durch die Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung eingeschränkt. Für Sachund Personenschäden inklusive Schmerzensgeld externer Dritter sowie für Sachschäden von Benutzern der Einrichtungen verbleibt es bei der allgemeinen Haftung unter Beachtung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Innenverhältnis. Für Einrichtungen der Heimerziehung sowie der psychiatrischen Krankenhäuser bleibt es wegen der fehlenden gesetzlichen Versicherungspflichtigkeit dieses Personenkreises bei den dargestellten Haftungsgrundsätzen ohne sozialversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkungen.

V. Haftungsbeschränkungen Sowohl im Falle der öffentlich-rechtlichen als auch bei der privatrechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses besteht die Möglichkeit, die Haftung auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Aufsichtspersonals zu beschränken (z. B. im Wege der Benutzungsordnung als Satzung, der Allgemeinverfügung gemäß § 35 S. 2 VwVfG, durch öffentlich-rechtlichen Vertrag oder Allgemeine Geschäftsbedingungen)68. Die Herabsetzung des Haftungsmaßstabes wird nur für die geschädigten Nutzer der Einrichtung relevant, da mit den externen Geschädigten kein Vertragsverhältnis besteht. Es entspricht einem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz, dass der Schädiger nicht mit Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zu einem Dritten gegenüber dem Geschädigten gehört wird69. Auch hinsichtlich der Grenzen der Freizeichnung ist zwischen privatrechtlichem und hoheitlichem Handeln sowie den jeweiligen Schadensersatznormen zu trennen.

1. Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit Sowohl bei privatrechtlicher als auch bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses ist es grundsätzlich zulässig, die vertragliche bzw. vertragsähnliche Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken70. Eine Haftungsfreizeichnung für leichte Fahrlässigkeit kann prinzipiell auch für 68 Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 35; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 2282. 69 Vgl. BGH NJW 1989, 3273 (3274). 70 BayVGH DVBl 1985, 903 (904); siehe für verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis BGH JR 1973, 514 (515).

268

§ 7 Haftung von öffentlichen Einrichtungen

die konkurrierende Deliktshaftung vorgenommen werden71. Durch die Formulierung der Klausel und durch ihre systematische Einordnung in die Vertragsbedingungen muss unmissverständlich deutlich werden, dass sich der Haftungsausschluss auch auf die Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung bezieht72. Wenn die Haftungsbeschränkung ausdrücklich nur die vertraglichen Ansprüche erfasst, kann nicht von einem umfassenden Haftungsausschluss auch für deliktische Ansprüche ausgegangen werden73. Bei einem in der Regel durch Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen privatrechtlich ausgestalteten Anstaltsbenutzungsverhältnis sind jedoch die §§ 305 ff. BGB zu beachten74. Dies impliziert, dass die Herabsetzung des Haftungsmaßstabes einer Inhaltskontrolle standhalten muss. Umstritten ist demgegenüber, an welchem Prüfungsmaßstab sich die öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisse messen lassen müssen75. Nach einer Ansicht sind die §§ 305 ff. BGB auf Satzungen, die das Benutzungsverhältnis näher regeln, nicht anwendbar, da rangniedere Rechtssätze schon begrifflich keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind76. Nach der gegenteiligen Auffassung unterliegen auch die öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnisse dem zivilrechtlichen Kontrollmaßstab der §§ 307 ff. BGB, da die Benutzungsordnung nicht von einem zentralen Gesetz- oder Verordnungsgeber, sondern von einer kommunalen Gebietskörperschaft als Urheber vorgegeben wird. Insoweit seien die Klauseln in der Satzung „selbstgeschaffenes Recht der öffentlichen Wirtschaft“ und mit den §§ 305 ff. BGB daher vergleichbar77. Ein Streitentscheid ist hier jedoch entbehrlich, da auch die ablehnende Meinung bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die §§ 307 ff. BGB als allgemeine Rechtsgrundsätze heranziehen78. Unabhängig davon, scheitert der Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit bei Aufsichtspflichtverletzungen sowohl an dem privatrechtlichen als auch dem öffentlich-rechtlichen Kontrollmaßstab79. Bei Personenschäden ist eine Haftungs71

Siehe BGH NJW 1979, 2148. Medicus, SchuldR. I, Rn. 360; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, § 307 Rn. 310. 73 Bamberger/Roth/Becker, § 309 Rn. 39. 74 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 307 Rn. 4; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 Rn. 77. 75 Unproblematisch ist der Fall, wenn ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt, da dann die §§ 305 ff. BGB gemäß § 62 S. 2 VwVfG ergänzend anzuwenden sind. 76 OVG Bremen NJW 1998, 3583; Palandt/Grüneberg, Vorb v § 307 Rn. 3; Bergmann/Schumacher, Rn. 2282; siehe auch Erman/Roloff, § 305 Rn. 8. 77 MünchKomm/Basedow, § 305 Rn. 8; siehe auch AG Cuxhaven NJW-RR 1989, 990. Nach Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, § 305 Rn. 9, finden die Grundsätze des AGB-Rechts dann analoge Anwendung, wenn die satzungsrechtlich ausgestaltete Benutzungsordnung nicht als Subordinationsverhältnis ausgestaltet ist. 78 Palandt/Grüneberg, Vorb v § 307 Rn. 4. 79 Zu den Wirksamkeitsanforderungen im öffentlich-rechtlichen Bereich Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 548. 72

V. Haftungsbeschränkungen

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beschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nach § 309 Nr. 7a BGB unwirksam, der auf deliktische Ansprüche analog anzuwenden ist. Der Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit bei Sachschäden macht die in § 832 Abs. 1 S. 2 BGB normierte Beweislastumkehr obsolet, wodurch faktisch eine Veränderung der Beweislast bewirkt wird. Damit verstößt die Herabsetzung des Haftungsmaßstabes bei Sachschäden gegen § 309 Nr. 12a BGB und damit gegen ein weiteres Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit. Schlussendlich liegt zudem ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB vor. Zumindest in Einrichtungen der Jugendhilfe und den psychiatrischen Krankenhäusern stellt die Gewährleistung der Aufsichtspflicht eine Kardinalpflicht des Betreuungsvertrages dar, die eine Haftungsbeschränkung wegen der Aushöhlung vertragswesentlicher Rechte und Pflichten verbietet80. Gerade bei der Betreuung von kranken Menschen und Kindern ist die professionelle Beaufsichtigung der Grund für den Abschluss des Vertrages, wodurch ein schutzwürdiges Vertrauen der Personen entsteht, welche die Aufsicht auf die Einrichtung übertragen haben. In gleicher Weise wird man auch in den übrigen Einrichtungen, die von aufsichtsbedürftigen Personen genutzt werden, davon ausgehen können, dass die ordnungsgemäße Beaufsichtigung für den Vertragspartner von grundlegender Bedeutung ist. Zu den wesentlichen Pflichten nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zählen nicht nur Hauptpflichten, sondern auch Nebenpflichten, sofern sie für den Vertragszweck von besonderer Bedeutung sind81. Auch im öffentlich-rechtlichen Bereich führt der Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit aufgrund der angestellten Erwägungen zu dem Ergebnis, dass dem Benutzer der Einrichtung durch die Haftungsbegrenzung ein unbilliges Opfer auferlegt wird. Ebenso wenig ist die Beschränkung der Haftung durch sachliche Gründe gerechtfertigt, noch entspricht sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Letztlich steht die Haftungsbeschränkung zudem in Widerspruch zu den allgemeinen fürsorglichen Aufgaben der Gemeinde und ist damit nicht mit dem Gedanken des Sozialstaatsprinzips vereinbar82.

2. Haftungsbeschränkung der Staatshaftung Bei den öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnissen konkurriert mit der Haftung aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis der Staatshaftungsanspruch. Hier stellt sich nicht die Frage, in welchen Grenzen eine Haftungsfreizeichnung wirksam ist, sondern ob überhaupt eine Haftungsbe80 So auch Busch, ZfJ 1996, 456 (457), der in Einrichtungen der Jugendhilfe die Aufsichtspflicht als Kardinalpflicht begreift und daher einen Ausschluss für einfache Fahrlässigkeit für unwirksam hält. 81 BGH NJW 1985, 914 (916); Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 33. 82 Vgl. allgemein zu den Anforderungen an die Beschränkung der vertragsähnlichen Haftung eines Anstaltsbenutzungsverhältnisses durch Satzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit BGH NJW 1973, 1741 (1742).

270

§ 7 Haftung von öffentlichen Einrichtungen

schränkung des § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG durch gemeindliche Satzung zulässig ist. Der Ausschluss der Staatshaftung für fahrlässige Aufsichtspflichtverletzungen der Bediensteten ist jedoch mangels formalgesetzlicher Ermächtigungsgrundlage unzulässig83.

3. Ergebnis Die Kommunen als Träger der öffentlichen Einrichtungen können im Rahmen der Aufsichtshaftung weder bei öffentlich-rechtlicher noch privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausschließen.

VI. Zusammenfassung Für die Wahl der richtigen Haftungsgrundlage ist zunächst die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses als privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sowie die Unterscheidung vorzunehmen, ob es sich um einen innerhalb oder außerhalb der Einrichtung befindlichen geschädigten Dritten handelt. Für Personenschäden inklusive Schmerzensgeldanspruch des Nutzers scheidet eine Inanspruchnahme von Einrichtungsträger und Aufsichtspersonal aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Haftungsbeschränkungen für diejenigen aus, die unter den nach § 2 SGB VII versicherten Personenkreis fallen. Sofern kein Staatshaftungsanspruch gegeben ist, haftet die Kommune als Einrichtungsträger und Arbeitgeber nach den auch im öffentlichen Dienst geltenden Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs für die durch eine leicht fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung verursachten Schäden im Innenverhältnis alleine. Als verbleibende, von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfasste Schadenspositionen für den internen Dritten kommen ausschließlich Sachschäden in Betracht. Für den externen Dritten haftet die öffentliche Einrichtung für Personen- und Sachschäden sowie für Schmerzensgeldansprüche. In demselben Umfang haftet neben dem Träger auch das Aufsichtspersonal selbst nach § 832 Abs. 2 BGB wegen der arbeitsvertraglichen Übernahme der Aufsichtspflicht. Für diese durch sein Aufsichtspersonal fahrlässig verursachten Schäden kann der Einrichtungsträger weder die deliktische noch vertragliche Haftung beschränken.

83

Hinsichtlich der Begründung wird oben auf § 5 I. 5. verwiesen.

§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Bevor in § 9 die Fragestellung behandelt wird, ob die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auch im Rahmen des Amtshaftungsanspruches Anwendung findet, ist zunächst zu klären, ob die Beweislastumkehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB unter besonderer Berücksichtigung der Aufsichtspflicht von öffentlichen Einrichtungen reformbedürftig ist. Die Beweislastregel war zwar vielfach Gegenstand der wissenschaftlichen Kritik, jedoch bezieht sich diese ebenso wie die Vielzahl diskutierter Reformvorschläge ausschließlich auf die elterliche Aufsichtsführung1. Soweit ersichtlich, ist im Schrifttum bisher nicht die Frage gestellt worden, ob die eine Kommune bzw. ihre Bediensteten im Rahmen ihres Leistungsangebotes treffende Beweislast für die Aufsichtspflichtverletzung und deren Kausalität für den Schaden sachgerecht ist.

I. Entstehungsgeschichte der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB In § 710 des ersten Entwurfes des späteren § 832 BGB war ursprünglich für den Aufsichtspflichtigen eine Verschuldenshaftung ohne Beweislastumkehr vorgesehen2. Danach hatte der geschädigte Dritte die Beweislast hinsichtlich der Aufsichtspflichtverletzung und der Schadenskausalität zu tragen. Angesichts zunehmender Kritik wurde der Entwurf dahingehend geändert, dass eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Aufsichtspflichtverletzung und der Kausalität zwischen der Handlung und dem Schaden eingefügt wurde3. Aus den Gesetzesmaterialien zum BGB lässt sich entnehmen, dass ein Grund für die Beweislastumkehr darin liegt, dass dem Aufsichtspflichtigen, der näher an der Gefahrenquelle ist, der Entlastungsbeweis leichter falle als dem Geschädigten4. Ohne die Beweislastumkehr sei der Geschädigte der Gefahr ausgesetzt, seines Anspruches schon deshalb verlustig zu gehen, weil es ihm nicht gelinge, die schuldhafte Verletzung der Aufsichtspflicht darzulegen und zu beweisen. Darüber hinaus wird als Argument angeführt, dass es dem Wesen der Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht 1 Siehe umfassend zu den Reformgedanken hinsichtlich der elterlichen Aufsichtsführung Bernau, S. 351 ff. 2 Motive II, S. 734 (735). 3 Prot. II, S. 593 (595). 4 Prot. II, S. 593 (595); Scheffen/Pardey, Rn. 240; siehe allgemein zur Rechtfertigung der Beweislastumkehr Belling/Riesenhuber, ZZP 108 (1995), 455 (461 ff.).

272

§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB

entspreche, dass der Aufsichtspflichtige über die gehörige Erfüllung seiner Pflicht Rechenschaft ablege. Die Gesetzesverfasser verweisen hinsichtlich der Begründung ausdrücklich auf § 708 S. 2, dessen Verschuldensvermutung ähnliche Erwägungen zu Grunde lagen. § 708 S. 2 entspricht dem heutigen § 827 Abs. 1 S. 2 BGB, der dem Täter den Exkulpationsbeweis offen lässt, dass er ohne Verschulden in den Zustand vorübergehenden Ausschlusses der freien Willensbestimmung geraten ist, in welchem er einen Schaden verursacht hat. In den Protokollen wird dazu ausgeführt, dass es Sache des Täters sei, darüber Aufschluss zu geben, wie er trotz Beobachtung der erforderlichen Vorsicht in den gefährlichen Zustand geraten ist. Dem Geschädigten dürfe nicht zugemutet werden, die ihm gänzlich fremde Entstehung der Trunkenheit des Schädigers zu ermitteln. Hiermit würde für ihn eine Schwierigkeit geschaffen, an der leicht die Verwirklichung seines Rechts scheitern könnte. Insoweit hat der historische Gesetzgeber innerhalb des Deliktsrechts fußend auf denselben Erwägungen jeweils eine Beweislastumkehr normiert5.

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Wie bereits ausgeführt, findet § 832 BGB seinen Anwendungsbereich bei der Aufsichtsführung durch eine öffentliche Einrichtung, wenn die Kommune als Träger der Einrichtung das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet oder die Einrichtung durch eine von ihr beherrschte juristische Person des Privatrechts betreiben lässt.

1. Allgemeine Erwägungen Das Argument, die Beweislast dem Aufsichtspflichtigen aufzubürden sei sachgerechter, vermag aus allgemeinen Erwägungen zunächst wenig zu überzeugen, als sich dieses Beweisproblem überall dort stellt, wo der geschädigte Dritte in den Verantwortungsbereich des Schädigers keinen Einblick hat und sich die Schadensursachen regelmäßig in dessen Sphäre befinden. Dann müsste auch im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB eine Beweislastumkehr angenommen werden, da auch hier der Schädiger im Hinblick auf die Verletzungshandlung der Sachnähere ist6. Der Vergleich mit den anderen Tatbeständen im Abschnitt der unerlaubten Handlungen lässt die Beweislastumkehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB als singulär 5 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 3, erwähnt nicht den von den Gesetzesverfassern in Bezug genommenen § 708 S. 2 bzw. § 827 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern führt zur Bekräftigung der Rechenschaftspflicht als allgemeinem Grundsatz die vertragliche Beweislastumkehr hinsichtlich des Verschuldens nach §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 4 BGB an. 6 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 3.

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

273

und eher zweifelhaft erscheinen. Grundsätzlich trägt der Geschädigte im Bereich der unerlaubten Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB die volle Beweislast7. Auch der Vergleich mit anderen Normen des Deliktsrechts die eine Beweislastumkehr vorsehen, wie z. B. §§ 831 Abs. 1 S. 2, 833 Abs. 1 S. 2, 836 Abs. 1 S. 2 BGB, rechtfertigt für sich genommen die Beweislastverteilung des § 832 BGB nicht. In jenen Fällen hat der Haftende eine Gefahrenquelle zu seinem Vorteil eröffnet und muss daher bei Verwirklichung der spezifischen Gefahren im Rahmen der Beweislastverteilung die Nachteile tragen8. Dieser Gedanke lässt sich aber nicht auf Kinder und Betreuungsbedürftige übertragen9. Zum einen stellen Kinder keine Quelle einer Gefahr in dem ursprünglichen Verständnis der deliktsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht dar, da sich diese regelmäßig auf ein Objekt bezieht. Auch wenn von den Aufsichtsbefohlenen altersbedingt im Verkehr weniger Sorgfalt zu erwarten ist als von einem verständigen Erwachsenen, so können Kinder doch nicht mit den Fallgruppen der Eröffnung oder Unterhaltung einer Gefahrenquelle gleichgesetzt werden10. Das kindtypische Verhalten ist vielmehr naturgemäß unserer Gesellschaft immanent. Zum anderen ist dieser Vergleich – Kind als „Risiko“ – schon nach seiner Begrifflichkeit mit unserem gesellschaftspolitischen und verfassungsrechtlichen Verständnis von der Stellung eines mit Menschenwürde ausgestalteten Kindes nicht zu vereinbaren. § 832 BGB nimmt daher allein aufgrund des Zuordnungssubjekts eine Sonderstellung ein. Die Aufsichtspflicht teilt den Charakter einer Verkehrssicherungspflicht daher nur teilweise, da jene an eine außerdeliktsrechtliche gesetzliche oder vertragliche Pflicht anknüpft, die auf der elterlichen Personensorge fußt oder sich von dieser ableitet11. Damit ist in erzieherisch tätigen Einrichtungen auch zwangsläufig die Erziehungsverantwortung tangiert, die für die Zeit des Aufenthaltes von den Eltern auf die öffentliche Einrichtung übertragen wird und welche den Umfang der Aufsichtspflicht auch entscheidend mitbestimmt. Mit der Eröffnung einer faktischen Gefahrenquelle hat dies allerdings wenig zu tun. Grundlage für die Zurechenbarkeit zur Abwehr der von Aufsichtsbefohlenen ausgehenden Gefahren ist weniger die faktische Beherrschbarkeit der „Gefahrenquelle“, sondern vielmehr eine außerdeliktische Aufsichtspflicht12. Auch wird man kaum davon sprechen können, dass Kinder ausschließlich im Interesse ihrer Eltern geboren werden, denn sie sind ein für die Allgemeinheit (Stichwort: Folgen des demographischen Wandels) besonders wichtiges Gut. Anders als vielleicht noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dienen die 7

Baumgärtel/Baumgärtel, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 823 I Rn. 1. Großfeld/Mund, FamRZ 1994, 1504 (1508). 9 MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 2. 10 Schoof, S. 111. 11 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 2. 12 Soergel/Krause, § 832 Rn. 3. 8

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§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB

Kinder heutzutage nicht mehr der wirtschaftlichen Existenzsicherung der Eltern13. Gerade die öffentlichen Einrichtungen stellen für die originär Aufsichtspflichtigen und die Allgemeinheit ein unterstützendes, leistendes Angebot des Staates zur Verfügung, welches nicht auf Eigeninteressen oder einen wirtschaftlichen Vorteil mit Gewinnerzielungsabsicht zurückgeht und sich daraus auch nicht rechtfertigen lässt. Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit leitet sich indes aus der vertraglichen Übernahme der Aufsichtspflicht her, die gerade an eine außerhalb des Deliktsrechts liegende vertragliche Pflicht anknüpft.

2. Rechtfertigung der Beweislastumkehr am Beispiel der Erziehungseinrichtungen Den nachfolgenden Erörterungen liegen beispielhaft die erzieherisch tätigen öffentlichen Einrichtungen zu Grunde, da eine umfassendere Abhandlung von weiteren öffentlichen Einrichtungen den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die Begründung aus den Gesetzesmaterialien zum BGB muss auch die eine öffentliche Erziehungseinrichtung treffende Beweislastumkehr legitimieren. Der dem § 832 BGB zu Grunde liegende Leitgedanke des historischen Gesetzgebers ist, dass Minderjährige und die ihnen wegen geistiger oder körperlicher Mängel gleichgestellten Personen wegen ihrer Beschaffenheit generell gefährlich und in ihrem eigenen und dem Interesse Dritter daher aufsichtsbedürftig sind14. a) Verändertes Gesellschaftsbild Diesem Grundgedanken liegt das um 1900 geltende Menschen-, Gesellschaftsund Erziehungsbild zu Grunde. Durch die gesellschaftliche Entwicklung von Ehe und Familie und die damit einhergehenden auch wirtschafts- und sozialpolitisch veränderten Bedingungen hat auch die Nachfrage nach öffentlichen Einrichtungen zugenommen und sich deren Angebot gewandelt. Auf eine detaillierte Darstellung des veränderten gesellschaftlichen Kontextes von § 832 BGB wird verzichtet, da Bernau die gesellschaftliche Entwicklung von Ehe und Familie erschöpfend aufbereitet hat15. Insofern beschränkt sich diese Arbeit auf die kurze Darstellung der Auswirkungen dieser Veränderungen auf die vom Staat unterhaltenen erzieherischen Einrichtungen, deren Leistungskatalog und gesetzliche Grundlagen gleichermaßen dem gesellschaftlichen Wandel unterworfen sind. Die Jugendhilfe hat auf soziale und gesellschaftliche Zustände, welche die Lebensumstände von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien prägen, in Bezug auf die Ausgestaltung und Anwendung des Kinder- und Jugendhilferechts zu rea13 14 15

Großfeld/Mund, FamRZ 1994, 1504 (1508). Mugdan II, S. 1089. Bernau, S. 254 ff., 312 ff.

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

275

gieren16. Die Kinder- und Jugendhilfe steht in einem engen sachlichen Dialog mit dem Familienrecht und der Gesellschaftspolitik. Die Familienstruktur hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert. Die traditionelle Familie (Vater, Mutter, Kinder) wird zunehmend – so bedauernswert dies auch sein mag – von anderen familiären Formen abgelöst. Immer häufiger leben unverheiratete Paare zusammen oder es wird nach der Scheidung wieder geheiratet, wobei oftmals die Ehepartner jeweils Kinder mit in die neue Ehe bringen. Es ist ein deutlicher Anstieg allein erziehender Elternteile zu verzeichnen, die aufgrund der hohen wirtschaftlichen Belastung auf eine Berufstätigkeit und einer in dieser Zeit gewährleisteten Versorgung des Kindes angewiesen sind. Zusätzlich haben sich auch die Rahmenbedingungen für die familiäre Struktur geändert. Es hat sich ein gesellschaftlicher Wertewandel hinsichtlich der Rollenverteilung von Männern und Frauen vollzogen. Frauen nehmen verstärkt am außerhäuslichen Berufsleben teil. Damit gehen dann beide Elternteile mindestens (zeitweise) einer Berufstätigkeit nach, die es mit sich bringt, dass das Kind in einer Einrichtung betreut werden muss. Aufgrund der erhöhten Nachfrage wurde das Angebot für Tageseinrichtungen stetig auch im Bereich der Über-Mittag-Betreuung ausgebaut. Durch Art. 1 TAG vom 27.12.2004 wurde mit § 24 Abs. 1 S. 1 SGB VIII jedem Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt ein Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung eingeräumt. Auf der politischen Tagesordnung stehen weitere Schritte in Richtung vermehrter Kinderbetreuung. Auch das räumliche Lebensumfeld der Kinder und Familien hat sich erheblich geändert. Früher lebten sie überwiegend ländlich, und die Kinder hatten Raum zum Spielen. Infolge der Industrialisierung und des generell hohen Verkehrsaufkommens in Städten haben die Kinder heutzutage kaum noch spielerische Entfaltungsmöglichkeiten in der freien Natur. Durch das Angebot von Kindertagesstätten sollen die aufgrund der räumlichen Lebensbedingungen nicht mehr gegebenen Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen bereitgestellt werden. Gleichfalls gewandelt hat sich das Erziehungsleitbild. Früher war Erziehung von Gehorsam und einem autoritären elterlichen Führungsstil geprägt, der auf einseitige Durchsetzung des elterlichen Willens hinauslief. Seit dem SorgeRG statuiert § 1626 Abs. 2 BGB das Leitbild der Erziehung, das auf einem partnerschaftlichen Erziehungsstil beruht und dem Kind dadurch die Möglichkeit einräumt, sich entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer eigenständigen, verantwortungsbewussten und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu entwickeln. Im Zuge dieser gesellschaftlichen Veränderungen wurde auch die Zielsetzung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes reformiert17. Dem SGB VIII liegt als Programmsatz die Förderung der Entwicklung junger Menschen und 16

Münder, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, Einl. Rn. 19. Die Entwicklung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes wurde bereits oben in § 4 I. 1. a) bb) (2) (aa) dargestellt. 17

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§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB

ihre Integration in die Gesellschaft durch allgemeine Förderungsangebote und Leistungen zu Grunde. Der eingriffs- und ordnungsrechtliche Charakter wurde im Kern durch ein pädagogisches Leistungsgesetz abgelöst. Um das auch für die öffentliche Einrichtung geltende Erziehungsleitbild zu gewährleisten, sind den Kindern unter Abwägung der Schutzinteressen Dritter die für ihre Persönlichkeitsentwicklung erforderlichen und vertretbaren Freiräume zu belassen. Das Erziehungsleitbild, welches letztlich die verfassungsrechtlichen Vorgaben und das Menschenbild des Grundgesetzes konkretisiert, ist in der heutigen Zeit nicht mehr bestimmend von dem Gedanken der potentiellen Gefährlichkeit von Kindern geprägt. Kinder werden als wichtiges Allgemeingut angesehen, deren Persönlichkeitsentwicklung den Umgang mit Gefahrensituationen voraussetzt. Unstreitig ist die Beaufsichtigung des Kindes gemäß § 1631 Abs. 1 BGB Teil der Personensorge, die jedoch nicht so weit gehen darf, dass dadurch das Erziehungsziel verhindert wird. Die knapp dargestellten Veränderungen rechtfertigen für sich genommen noch keine Abänderung der haftungs- und beweisrechtlichen Struktur des § 832 BGB, zumal der Erziehungsauftrag bei der Bestimmung des in jedem Einzelfall gebotenen Aufsichtsmaßes von Rechtsprechung und Literatur berücksichtigt wird. b) Verbesserte Möglichkeiten der Beweisführung einer öffentlichen Einrichtung Hinsichtlich der für die Beweislastumkehr angeführten Begründung der Nähe des Aufsichtspflichtigen zur Gefahrenquelle bedarf es bei einer öffentlichen Einrichtung allerdings einer differenzierteren Betrachtungsweise, weil der geschädigte Dritte neben einer einrichtungsfremden Person auch eine andere aufsichtsbedürftige Person aus der Einrichtung sein kann. Insofern ist das Argument, dass sich die Schadensursache außerhalb der Sphäre des Geschädigten befindet, zumindest abgeschwächt und damit für die Aufsichtssituation, in der ein Benutzer der Einrichtung einen Schaden erleidet, wenig überzeugend. Handelt es sich bei dem Geschädigten um einen externen Dritten, kommt § 832 BGB als Haftungsgrundlage nur in Betracht, wenn man der Ansicht folgt, dass die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses auf die Bestimmung der Haftungsgrundlage für außerhalb des Benutzungsverhältnisses stehende Dritte durchschlägt oder Indizien wie Aufgabencharakter, Funktionszusammenhang oder Organisationsform für die Einordnung als privatrechtliche Aufsichtspflicht sprechen. Es ist sachgerecht und für den geschädigten externen Dritten auch nicht von Nachteil, neben den vorgenannten Indizien auch die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses in einer Gesamtschau zur Bestimmung der Haftungsgrundlage heranzuziehen18. In dieser Konstellation befinden sich 18

Siehe oben § 2 III.

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

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die öffentlichen Erzieher im Gegensatz zu den im häuslichen Aufsichtsbereich Aufsichtspflichtigen nicht in einer so schlechten beweisrechtlichen Position, aufgrund dessen gegen die Beibehaltung der Beweislastumkehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB plädiert werden müsste. Der Aufsichtsperson in einer öffentlichen Einrichtung steht in der Regel eine weitere Fachkraft zur Seite, die in einem Prozess als Zeugin aussagen kann. Zumindest theoretisch denkbar ist, dass auch andere Kinder der Einrichtung über entscheidungserhebliche Tatsachen als Zeugen vernommen werden können. Sicherlich wird man mit der Benennung von minderjährigen Kindern als Zeugen aufgrund ihres Alters und der damit einhergehenden psychischen Belastung der Kinder eher zurückhaltend sein. Eine weitere Möglichkeit, die gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht nachzuweisen, ist das Führen von Beobachtungsbögen. Aus diesen lässt sich beispielsweise entnehmen, ob ein Kind zuvor schon auffällige Verhaltensweisen gezeigt hat, welche eine verschärfte Aufsichtsführung erforderlich machen. Für die Beweisführung können ebenfalls die in der Einrichtung geltenden Regeln und Verbote, die oftmals für jedes Kind sichtbar auf großen Tafeln oder Plakaten schriftlich dokumentiert sind, als Beweisangebot von Bedeutung sein19. Der aufsichtspflichtigen Mutter wird in der internen familiären Situation dagegen nur selten ein Zeuge als Beweismittel zur Verfügung stehen20. Ebenso wenig werden Verhaltensauffälligkeiten im häuslichen Bereich schriftlich fixiert, wodurch die Darlegungs- und Beweislast für die Widerlegung der doppelten gesetzlichen Vermutung erheblich erschwert wird. Die Gerichte haben in diesem Fall auf die Parteivernehmung der Eltern (§§ 447, 448 ZPO) oder auf deren informatorische Anhörung nach § 141 ZPO zurückgegriffen. Bei der elterlichen Aufsichtshaftung wird diese Beweisnot unter anderem als Argument gegen die Beibehaltung der Beweislastregel ins Feld geführt21. Da auch die institutionalisierte Erziehung den Kindern den pädagogischen Freiraum zur Entwicklung einer verantwortungsbewussten Persönlichkeit gewähren muss, wird die Gestaltung der Abläufe gerade im Hinblick auf die zu fördernde Eigenverantwortlichkeit der Kinder im Umgang mit Risiken und Gefahren ebenfalls nicht lückenlos durch die öffentlichen Erzieher wahrgenommen werden können. Letztlich wird es in diesem Bereich der pädagogisch gewährten Freiräume, bei denen ein sofortiges Eingreifen des Aufsichtspflichtigen nicht mehr möglich ist – hier insbesondere bei der Kausalität – ebenfalls Schwierigkeiten geben, den Entlastungsbeweis zu führen. Beispielhaft sollen nochmals die bereits zitierten zwei Entscheidungen aus dem Kindertagesstättenbereich 22 angeführt werden, die als Rechtsgrundlage für 19 20 21 22

Obermaier-van Deun, KiTaRecht, 2003, 21 (23). Bernau, S. 383 ff. Schoof, S. 117. OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428).

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§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB

das Klagebegehren zwar den Amtshaftungsanspruch § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG angesehen haben, der jedoch in beiden Fällen an dem fehlenden Nachweis der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden gescheitert ist. In beiden Entscheidungen wurde durch Steinwürfe der Kindergartenkinder das Eigentum von außerhalb der Einrichtung stehenden Dritten beschädigt. Das OLG Düsseldorf23 führt aus, dass es bereits zweifelhaft sei, ob eine Aufsichtspflichtverletzung darin zu sehen ist, dass nach Entdeckung der Erzieher von dem ersten Ausflug der Kinder in das Gebüsch eine dauernde Beobachtung der Kinder notwendig gewesen wäre. Selbst wenn man den Bediensteten der Beklagten eine dahingehende Verletzung der Aufsichtspflicht zur Last legen wolle, begründe dies gleichwohl keinen Schadensersatzanspruch der Kläger, weil die Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden nicht festgestellt werden könne. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, ob das Fahrzeug des Klägers beim ersten Gebüschausflug oder aber erst beim zweiten von den Kindern mit Steinen beworfen worden sei. Das OLG Karlsruhe24 führt in seinem Urteil aus, dass die Kläger nicht den Nachweis geführt haben, dass eine etwaige Aufsichtspflichtverletzung ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden wäre. Waren die Erzieherinnen nicht verpflichtet, die Kinder ständig im Auge zu behalten, hätte eine Amtspflicht zum Einschreiten erst bestanden, als diese von dem streitigen Vorgang Kenntnis erlangt oder eine Kenntnisnahme schuldhaft versäumt haben. Nach Lage der Dinge sei dann aber nicht auszuschließen, dass die behaupteten Schäden schon bei den ersten Steinwürfen entstanden seien und damit zu einem Zeitpunkt, als eine Pflicht zum Einschreiten noch nicht bestand. Bleibe offen, ob die behauptete Amtspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden sei oder nicht, gehe dies zu Lasten der hierfür im Rahmen von § 839 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Kläger. Da bei § 832 Abs. 1 S. 2 BGB sowohl die Aufsichtspflichtverletzung als auch die Kausalität zunächst vermutet wird, wäre für die Aufsichtspflichtigen einer öffentlichen Einrichtung bei Nichtaufklärbarkeit der Kausalität die Führung des Entlastungsbeweises nicht gelungen. Im Einzelfall kann der Einrichtung der Entlastungsbeweis bei einem schädigenden Verhalten gelingen, das sich in Sekundenbruchteilen abspielt. In diesem Fall kann der Einrichtungsträger durch einen Sachverständigen den Beweis führen, dass sich beispielsweise Steinwürfe vom Gelände der Einrichtung so schnell abspielen, dass ein Eingreifen selbst einer in der Nähe befindlichen Aufsichtsperson nicht rechtzeitig möglich ist und damit der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde25.

23

OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803. OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (428). 25 Zur Aufsichtspflicht von Lehrern über Schüler, die während der Pausenzeit vom Schulgelände Kastanien auf ein vorbeifahrendes Fahrzeug werfen LG Aachen NJW 1992, 1051. 24

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

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Im Gegensatz zur elterlichen Aufsichtsführung müsste der geschädigte Dritte bei Abschaffung der Beweislastumkehr zwar nicht in den internen und von Art. 6 GG geschützten familiären Bereich eingreifen26, gleichwohl befindet sich der Dritte im Ergebnis in einer beweisrechtlich schlechteren Position als die Bediensteten der öffentlichen Einrichtung. Festzuhalten ist, dass bezogen auf den außerhalb der Einrichtung stehenden geschädigten Dritten der Grundgedanke der Beweisnähe die Beweislastumkehr nach wie vor trägt. Auch wenn für die geschädigten Kinder innerhalb der Einrichtung das Argument der fehlenden Beweisnähe stark abgeschwächt ist, so ist gleichwohl zu bedenken, dass es sich zumindest im Kindertagesstättenbereich bei den Geschädigten um Kleinkinder handelt, deren Vermögen, einen Sachverhalt auch auf Nachfrage der Eltern oder eines Prozessbevollmächtigten in den entscheidungserheblichen Punkten präzise darzulegen, wegen Angst, Befangenheit, dem kindlichen Verständnis und der Unerfahrenheit deutlich eingeschränkt ist. c) Rechenschaftspflicht wegen vertraglicher Übernahme Auch der weitere Gedanke, der bei den Gesetzesverfassern angeklungen ist, dass sich die Rechenschaftspflicht gegenüber dem geschädigten Dritten aus der gesetzlichen Pflicht zur Aufsichtsführung legitimiert, trifft auf die Vielzahl der öffentlichen Einrichtungen zunächst nicht zu. Die privatrechtliche Aufsichtspflicht wird in den meisten Einrichtungen – soweit durch Landesgesetz keine gesetzliche Aufsichtspflicht normiert ist – durch Vertrag begründet27. Obwohl es sich also nicht um eine originär gesetzliche Pflicht handelt, kann das Argument aber dennoch auf die vertragliche Pflichtenbegründung übertragen werden. Der Träger der Einrichtung schließt mit jedem vertretungsberechtigten Elternteil eines Kindes einen Vertrag, der ihn unmittelbar verpflichtet, die Aufsicht und Erziehung zu übernehmen und dafür Sorge zu tragen, dass dabei weder das Kind noch ein Dritter zu Schaden kommt. Die von der Einrichtung übernommenen vertraglichen Pflichten begründen zugleich den deliktischen Haftungsgrund aus § 832 Abs. 2 BGB. Neben dem deliktischen Anspruch aus § 832 Abs. 2 BGB hat das geschädigte Kind aus der Einrichtung auch einen vertraglichen Schadensersatzanspruch28. Die rechtsverbindliche Übernahme der Verantwortung bewirkt 26 Staudinger/Belling, § 832 Rn. 177, hat hinsichtlich der elterlichen Aufsichtspflicht ausgeführt, dass bei Abschaffung der Beweislastumkehr den Geschädigten die Darlegungs- und Beweislast für die gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht treffen würde. Dazu müsste er nachforschend in die familiäre Sphäre eindringen, welche ihm aber nach Art. 6 GG verschlossen sei. 27 Albilt, S. 282. 28 Der Schadensersatzanspruch des Kindes ergibt sich entweder aus einem echten Vertrag zugunsten Dritter, der dem Kind neben Schadenseratzansprüchen auch einen eigenen Erfüllungsanspruch einräumt, oder aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Das OLG Hamburg MDR 1998, 470, hat in einem Fall, in dem die El-

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§ 8 Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB

nicht nur die haftungsrechtliche Gleichsetzung mit der gesetzlichen Aufsichtspflicht, sondern bringt ebenfalls die Darlegungspflicht mit sich, in welcher Weise der Aufsichtspflichtige der Erfüllung der Pflichten nachgekommen ist. aa) § 280 BGB n. F.; §§ 282, 285 BGB a. F. Dieser Grundsatz spiegelt sich auch in der Schadensersatznorm wegen einer Pflichtverletzung nach § 280 BGB wider. Grundsätzlich hat jede Prozesspartei die für sie günstigen Tatsachen zu beweisen. In § 280 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssens normiert. Ansonsten würde der geschädigte Anspruchssteller in kaum zu überwindende Beweisschwierigkeiten geraten, da er von den Hintergründen, warum der Schuldner seine Pflicht verletzt hat, regelmäßig keine Kenntnis hat. Damit trägt der Vertragsschuldner die Beweislast dafür, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Für die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB trifft den Vertragsgläubiger die Darlegungs- und Beweislast. Früher ordnete § 282 BGB a. F. für das Vertretenmüssen bei der Unmöglichkeit ausdrücklich eine Umkehrung der Beweislast an, so dass der Schuldner beweisen musste, dass er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat. Aus der Formulierung des § 285 BGB a. F. war zu entnehmen, dass hinsichtlich des Schuldnerverzuges die Beweislast für das (Nicht-) Vertretenmüssen ebenfalls den Schuldner traf. Aufgrund der vergleichbaren Situation wurde diskutiert, ob und inwieweit § 282 BGB bei c. i. c. und pVV analog angewendet werden konnte. Mit der Schuldrechtsreform, die am 01.01.2002 in Kraft getreten ist, hat § 280 Abs. 1 S. 2 BGB die nach altem Recht für die Unmöglichkeit und den Verzug geltende Regelung zu einem für alle Pflichtverletzungen geltenden Rechtsprinzip gemacht. Insoweit ist für den geschädigten Dritten aus der Einrichtung konsequenterweise von einer Beweislastumkehr auszugehen. In der Literatur wird – größtenteils ohne weitere vertiefte Kommentierung – angenommen, § 832 BGB regele einen Fall der Haftung für vermutetes Aufsichtsverschulden29. Dem Tatbestand des § 832 BGB ist hinsichtlich der Aufsichtspflichtverletzung und deren Kausalität für den Schaden eine doppelte Beweislastumkehr zu entnehmen. Die ausdrücklich normierte Vermutung der Pflichttern den 4 3/4 Jahre alten Kläger in einem Kinderparadies eines Möbelkaufhauses abgegeben hatten und sich dieser dort verletzte, dem Kind einen Anspruch aus § 328 BGB i.V. m. positiver Vertragsverletzung zugebilligt. Da dem Kind in beiden Fällen eigene Schadensersatzansprüche zustehen, kann die rechtliche Qualifizierung des Anspruchs jedoch dahinstehen. Bei der klageweisen Geltendmachung des Anspruchs muss sich das Kind als Partei im Prozess durch seine Eltern als gesetzliche Vertreter vertreten lassen, da es prozessunfähig ist (§ 104 BGB, § 52 ZPO). 29 Palandt/Sprau, § 832 Rn. 1; PWW/Schaub, § 832 Rn. 1; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 1; MünchKomm/Wagner, § 832 Rn. 1; RGRK/Kreft, § 832 Rn. 2; Erman/ Schiemann, § 832 Rn. 1; ausführlich dazu lediglich Staudinger/Belling, § 832 Rn. 146.

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

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widrigkeit und der Kausalität für den Schaden indiziert gleichzeitig die Schuldhaftigkeit der Aufsichtspflichtverletzung. Im Gegensatz zu der vertraglichen Haftung trägt der Aufsichtspflichtige im Rahmen des § 832 BGB wegen der zweifachen Beweislastumkehr grundsätzlich eine weitergehende Darlegungs- und Beweislast. Aber auch im Rahmen der vertraglichen Haftung gilt die Darlegungs- und Beweislast des Gläubigers für Pflichtverletzung und Kausalität nicht ausnahmslos; so ist umstritten, in welchem Umfang Beweiserleichterungen zulässig sind und auf welches Rechtsprinzip sie tragend zu stützen sind. Für den Beweis der Pflichtverletzung differenziert die Literatur30 danach, ob es sich um die Verletzung einer Erfolgs- oder einer bloßen Verhaltenspflicht gehandelt hat. Demgegenüber nimmt die Rechtsprechung eine Beweislastverteilung nach Gefahr- und Verantwortungsbereichen vor31. Beim Vorliegen einer erfolgsbezogenen Pflicht und einer gleichwohl eingetretenen Schädigung, deren Schadensursache im Verantwortungsbereich des Schuldners liegt, kann im Wege der Beweislastumkehr auf eine Pflichtverletzung des Schuldners zu schließen sein. Auch eines Kausalitätsbeweises bedarf es dann nicht, wenn sich die Pflichtverletzung daraus ergibt, dass der Gläubiger bei Abwicklung des Vertrages einen Schaden erlitten hat. Diese als allgemein anerkannt geltenden Beweislastregeln können im Einzelfall auch auf deliktische Ansprüche Anwendung finden, die als Verschuldenshaftung ausgestaltet sind. Dagegen findet die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen der §§ 823 ff. BGB grundsätzlich keine Anwendung32. bb) Sozialstaatsprinzip als Rechenschaftspflicht gegenüber externen Dritten Dem geschädigten Dritten außerhalb der Einrichtung steht kein vertraglicher Schadensersatzanspruch zur Seite. Zwischen ihm und der Einrichtung besteht kein Vertragsverhältnis, allerdings bleibt Grundlage für die deliktische Haftung der Einrichtung die Übernahme der Elternpflichten. Insofern entfällt zwar die sich unmittelbar aus der vertraglichen Beziehung zwischen Einrichtung und Geschädigtem ergebende Rechenschaftspflicht, jedoch muss die ratio der Beweislastumkehr zugunsten eines externen unbeteiligten Dritten erst recht gelten. Dies rechtfertigt sich zum einen aus der durch Vertrag eröffneten Deliktshaftung nach § 832 Abs. 2 BGB, wonach die Einrichtung die Verpflichtung hat, die Kinder in ihrem Verantwortungsbereich so zu beaufsichtigen, dass ein Schadenseintritt bei Dritten gerade verhindert wird. Zum anderen wird eine öffentliche Einrichtung unterstützend und zum Wohl der Allgemeinheit mit ihrem Leistungsangebot tä30 Staudinger/Löwisch, 14. Bearbeitung, § 282 Rn. 20; Stoll, AcP 176 (1976), 145 (152 f.); Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 35 f.; Bamberger/Roth/Unberath, § 280 Rn. 80 f. 31 BGH NJW 1978, 2197 (2198); BGH NJW 1980, 2186 (2187). 32 Siehe BGH NJW 1986, 2757 (2758) zu § 282 BGB a. F.

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tig, welches letztlich der Verwirklichung des in Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG festgelegten Sozialstaatsprinzips dient. Das gesamte Einrichtungswesen geht auf das Bedürfnis der Allgemeinheit nach der Gewährung daseinsnotwendiger Leistungen durch das Gemeinwesen zurück, zu deren eigenverantwortlicher Erbringung sie außerstande sind33. Der Staat schafft Lebensmöglichkeiten und Hilfen zur Lebensverbesserung der Allgemeinheit, indem er die spezifischen Interessen durch Bereitstellung des Leistungsangebotes unmittelbar fördert. In dem Fall der öffentlichen Kindererziehung im Vorschulalter kommt die Unterstützung nicht nur den einzelnen Familien, sondern aufgrund des normierten verfassungskonformen Erziehungsziels der Kinder- und Jugendhilfe letztlich auch dem gesamten Gemeinwesen zu Gute. Die Bindung der leistenden Verwaltung an den Grundsatz der Sozialstaatlichkeit ist nicht auf den Bereich des öffentlichen Rechts beschränkt, sondern erfasst die gesamte – auch privatrechtliche – Tätigkeit der Verwaltung34. Der Gehalt des Sozialstaatsprinzips sowie sein verpflichtender Charakter rechtfertigen es, im Rahmen auch der privatrechtlichen Wahrnehmung der Aufsichtspflicht seine gehörige Erfüllung darzulegen und zu beweisen. d) Haftungsrisiko Auch das bei der elterlichen Aufsichtsführung diskutierte Haftungsrisiko trifft bei einer öffentlichen Einrichtung nicht die kraft Gesetzes zur Aufsichtsführung verpflichteten Eltern, sondern den Staat und seine Bediensteten, welche die mit den vertraglichen Pflichten einhergehenden Schadensrisiken bewusst übernommen haben. Im Gegensatz zu den Eltern wird die Einrichtung in Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben tätig, welche dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt sind; dieser Grund rechtfertigt die Auferlegung der Aufsichtshaftung. Bei vertraglicher Übernahme kann man die Schadensrisiken, die willentlich übernommen wurden, zwischen dem Staat und der Gesellschaft nicht anders verteilen, da auch bei privatrechtlichem Handeln der Einrichtungszweck ein öffentliches Gemeinwohlgut bleibt. Ansonsten würde diese Zweckbestimmung der öffentlichen Einrichtung konterkariert. Aufgrund der staatlichen Trägerschaft wird die öffentliche Einrichtung zudem auch nicht mit unzumutbaren Haftungsrisiken belastet. Für die unter § 2 SGB VII fallenden Geschädigten wird das Haftungsrisiko für Personenschäden inklusive Schmerzensgeld der zu Schaden gekommenen Benutzer der Einrichtung durch die gesetzliche Unfallversicherung, deren Beiträge von den öffentlichen Arbeitgebern getragen werden, kalkulierbar beschränkt. Lediglich bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung kommen Regressansprüche der Sozialversicherungsträger gem. § 110 Abs. 1 SGB VII in Betracht. 33 34

Bartels, S. 21. OLG Celle NJW 1977, 1295 (1296).

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

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aa) Kommunalversicherung Darüber hinaus besteht für den Staat bzw. die Kommunen keine Versicherungspflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Allerdings besteht im Bereich der Kommunalhaftpflichtschäden die Besonderheit, dass die Gemeinden und Städte neben der Absicherung durch die Versicherungswirtschaft auch die Möglichkeit des Deckungsschutzes bei einem Kommunalversicherer haben. Als Kommunalversicherer kommen beispielsweise der Haftpflichtschadenausgleich der deutschen Großstädte (HADG)35, der kommunale Schadenausgleich Hannover (KSA Hannover)36, der kommunale Schadenausgleich westdeutscher Städte (KSA Bochum)37 sowie der kommunale Schadenausgleich Berlin (KSA Berlin)38 in Betracht39. Bei den Kommunalversicherern handelt es sich, unabhängig von ihrer Rechtsform, um solche Versicherungseinrichtungen, die ausschließlich oder überwiegend von Kommunen und kommunalen Institutionen als Mitglieder getragen werden. Mitglieder können Städte, Gemeinden, Landkreise, Zweckverbände sowie kommunale Einrichtungen und Unternehmungen mit mehr als 50%iger kommunaler Beteiligung sein. Hinter dem kommunalen Schadenausgleich steht der Gedanke, die gegen Städte und Gemeinden gerichteten Haftpflichtansprüche nach einem Umlagesystem gemeinschaftlich zu tragen. Danach trägt die Gesamtheit aller Mitglieder den in einem Schadensjahr angefallenen Schadensaufwand, der jährlich festgestellt und nach einem bestimmten Schlüssel auf die Mitglieder verteilt wird. Der kommunale Schadenausgleich hat als Versicherer für den Schaden einzustehen, der durch haftungsrelevantes Verhalten der Angestellten seiner Versicherungsnehmer entstanden ist. Der Haftpflichtdeckungsschutz besteht daher ohne Beschränkung auf Versicherungssummen für Personen-, Sach- und Vermögensschäden; er umfasst auch das Haftungsrisiko für die Schäden, die den Arbeitgeber aus den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Innenverhältnis treffen.

35 Der HADG wurde im Jahre 1924 gegründet. Ihm gehören die Städte Bremen, Hamburg, Hannover, Kassel und Kiel als Mitglieder an, vgl. http://www.ksa-hadg.de (Stand: 24.07.2008). 36 Der KSA Hannover betreut vorwiegend die Kommunen in Niedersachsen, vgl. http://www.ksahannover.de (Stand: 24.07.2008). 37 Die Städte Bochum, Gelsenkirchen und Herne gründeten im Jahre 1910 den KSA als ältesten Schadenausgleich deutscher Kommunen, vgl. http://www.ksa-hadg.de (Stand: 24.07.2008). 38 Am 11.10.1990 wurde in Berlin der kommunale Schadenausgleich der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegründet, vgl. http://www.ksa.de (Stand: 24.07.2008). 39 Weitere Kommunalversicherer sind z. B. der GVV-Kommunal, vgl. http://www. gvv.de (Stand: 24.07.2008), sowie die Württembergische Gemeindeversicherung (WGV), vgl. http://www.wgv-online.de (Stand: 24.07.2008).

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bb) Geltung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im öffentlichen Dienst Durch die Anwendung der Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auch bei privatrechtlichem Handeln im öffentlichen Dienst trifft auch das Aufsichtspersonal, so wie jeden Arbeitnehmer, ebenfalls keine unerträglichen Haftungsfolgen. Auch bei privatrechtlicher Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben trifft den Staat daher im Innenverhältnis die alleinige Haftung für leicht fahrlässige Aufsichtspflichtverletzungen; das Vorliegen von leichter Fahrlässigkeit stellt im Rahmen der Aufsichtsführung den Regelfall dar. Der Gefahr der Haftungsabwälzung auf das Aufsichtspersonal wird durch diese Haftungsbeschränkung angemessen begegnet. e) Ergebnis Auch wenn die Bedenken gegen die Beweislastumkehr aufgrund der angestellten allgemeinen Erwägungen in der Zusammenschau mit den übrigen Normen des Deliktsrechts nicht von der Hand zu weisen sind, so ist für die nach § 832 Abs. 2 BGB begründete Aufsichtspflicht einer öffentlichen Einrichtung die doppelte Beweislastumkehr gleichwohl insgesamt sachgerecht. Die Verschuldensvermutung mit Exkulpationsmöglichkeit und damit letztlich das Risiko der Nichterweislichkeit der gehörigen Aufsichtserfüllung belastet die öffentliche Einrichtung nicht unbillig. Unabhängig davon, dass die Beweislastumkehr in § 832 Abs. 1 S. 2 BGB de lege lata hinzunehmen ist, rechtfertigen insgesamt auch Gerechtigkeitsüberlegungen die getroffene Verteilung der Beweislast. Die öffentlichen Einrichtungen werden zum Wohle der Familien und der Allgemeinheit durch pädagogisch geschultes Fachpersonal tätig, die den die Aufsichtsführung bedingenden und durch sie zu gewährenden pädagogischen Freiraum fachkundig beurteilen können. Wegen der freiwilligen vertraglichen Pflichtenübernahme und der partiellen Verwirklichung der Staatszielbestimmung der Sozialstaatlichkeit ist ein Schutzbedürfnis auf Seiten der öffentlichen Einrichtung nicht ersichtlich. Zudem ist die Beweisführung aufgrund der verpflichtend zu führenden Beobachtungsbögen und der zur Verfügung stehenden Zeugen erleichtert. Demgegenüber wäre es weder mit dem Vertrags- noch dem öffentlichen Anstaltszweck vereinbar, wenn das deliktische Haftungsrisiko der privatrechtlich handelnden öffentlichen Einrichtung durch Abschaffung der Beweislastumkehr trotz Wahrnehmung von Aufgaben auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung auf die Allgemeinheit, und zwar entweder auf ein aufsichtsbedürftiges Kind aus der Einrichtung oder einen unbeteiligten Dritten, abgewälzt wird. Eine Abschaffung der Beweislastumkehr oder die Einführung einer Haftungserleichterung würde letztlich zu Lasten des Integritätsinteresses Dritter und damit des Gemeinwohls gehen, dessen Interessen aber gerade durch die Einrichtung gefördert und geschützt werden sollen. Auch die Haftungsfolgen treffen die in kommunaler Trägerschaft unterhaltenen Einrichtun-

II. Rechtfertigung der Beweislastumkehr

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gen nicht unzumutbar, da die Drittschäden gegen Beitragszahlung neben der gesetzlichen Unfallversicherung von dem gemeinschaftlichen System der Kommunalversicherung getragen werden können. Insgesamt ist eine Abschaffung der Beweislastumkehr für die Aufsichtspflicht in öffentlichen Einrichtungen zudem nicht geboten. Auch eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, die der Abschaffung der Beweislastumkehr faktisch gleichkommt, ist bei der vertraglichen Aufsichtsübernahme kein tragfähiger Reformansatz. Unabhängig von einer Gesetzesänderung kann ein Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit Teil der vertraglichen Vereinbarung bzw. der Benutzungsordnung sein, scheitert jedoch an der durchzuführenden Inhaltskontrolle40. Die Haftungsbeschränkung steht bereits mit den Aufgaben der Verwaltung im Rahmen der modernen Daseinsvorsorge im Widerspruch. Abgesehen von den vertraglichen Bindungen gegenüber den Benutzern der Einrichtung vertrauen auch die außenstehenden Bürger auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Einrichtung. Letztlich kommt man nicht umhin, der Norm des § 832 BGB die viel zitierte Sonderstellung gegenüber den übrigen Deliktstatbeständen weiterhin zu attestieren.

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Siehe Ausführungen dazu oben in § 7 V.

§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG Sowohl die Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB als auch die Beamtenhaftung sind im Recht der unerlaubten Handlung verortet, auch wenn die Amtshaftung als dem öffentlichen Recht zugehörig angesehen wird. Die allgemeine Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten bezieht sich nicht allein auf die spezifisch öffentlich-rechtlichen Ge- und Verbote. Die nach dem allgemeinen Deliktsrecht bestehenden Eingriffsverbote gelten auch und gerade bei der Ausübung öffentlicher Gewalt. Zu den Amtspflichten des Beamten gehört auch, rechtswidrige Eingriffe in die Rechte, Rechtsgüter oder rechtlich geschützten Interessen des Bürgers zu unterlassen1. Ein nach allgemeinem Deliktsrecht tatbestandsmäßiger und rechtswidriger Eingriff stellt bei hoheitlichem Handeln gleichzeitig eine Amtspflichtverletzung dar2. Konkurrenzprobleme ergeben sich zwangsläufig dann, wenn die Amtspflichtverletzung gerade in der Verletzung einer Aufsichtspflicht besteht. Im Deliktsrecht gilt der Grundsatz, dass Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB selbständig nebeneinander und neben anderen Ansprüchen stehen3. Der Geschädigte hat unter den einschlägigen Haftungsnormen die Wahl, aus welcher er vorgehen möchte (Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz). Die Tatsache, dass es sich bei dem Amtshaftungsanspruch um einen Teil des Staatshaftungsrechts handelt, spricht nicht gegen die Möglichkeit des Vorliegens einer Anspruchskonkurrenz mit § 832 BGB4, da es sich bei § 839 BGB um die haftungsbegründende Norm für eine unerlaubte Handlung eines Beamten handelt, die durch Art. 34 GG lediglich auf den Staat übergeleitet wird. § 832 BGB könnte in einer solchen Konkurrenz zu §§ 823 ff. BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG stehen. Hinsichtlich des Konkurrenzverhältnisses von Amtshaftung und allgemeiner Deliktshaftung ist herrschende Meinung in Rechtsprechung5 und Literatur6, dass § 839 BGB die Haftung für hoheitliche Amtspflichtverlet1

Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 21. Siehe BGH WM 1962, 527 (529). 3 Palandt/Sprau, Einf v § 823 Rn. 4. 4 Vgl. die Ausführungen von Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 45. Wenn § 839 BGB – auch soweit er Grundlage der Staatshaftung gem. Art. 34 GG ist – als lex specialis die Haftung nach Deliktsrecht ausschließt, muss dies im Umkehrschluss bedeuten, dass die Tatbestände des allgemeinen Deliktsrechts neben dem Amtshaftungsanspruch grundsätzlich in Anspruchskonkurrenz treten können. 5 BGHZ 13, 25 ff.; OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; OLG Hamburg OLGR 1999, 190 ff. 2

II. Anwendung der gesetzlichen Schuldvermutung

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zungen selbständig und abschließend regelt. Trotz Anerkennung dieses Konkurrenzverhältnisses werden allerdings gleichwohl, und dies auch noch rechtsmethodisch unbefriedigend, die Beweislastregeln der Deliktstatbestände auf den Amtshaftungstatbestand übertragen7.

I. Praktische Auswirkungen Im Verhältnis von § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG zu § 832 BGB hat die Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch insofern erhebliche praktische Auswirkungen, als der geschädigte Dritte im Rahmen der Staatshaftung die volle Beweislast trägt, wohingegen ihm bei der privatrechtlichen Aufsichtspflicht die Beweislastumkehr bezüglich Pflichtverletzung und Schadenskausalität zu Gute kommt. Diese Besserstellung des aufsichtspflichtigen Beamten würde bei Geltung des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB im Amtshaftungsanspruch entfallen. Der Aufsichtspflichtige trägt dann nicht nur die Beweislast für das Fehlen der Aufsichtspflichtverletzung, sondern auch hinsichtlich der fehlenden Kausalität zwischen der Handlung bzw. Unterlassung und dem eingetretenen Schaden.

II. Anwendung der gesetzlichen Schuldvermutung im Rahmen der Amtshaftung 1. Rechtsprechung zu § 18 StVG Nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG ist die Ersatzpflicht des Fahrzeugführers für die entstandenen Schäden nur dann ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht worden ist. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG konstituiert damit eine Haftung wegen vermutetem Verschulden. Bereits das RG hat in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass dem Beamten, der als Führer eines Kraftfahrzeuges in Ausübung ihm anvertrauter öffentlicher Gewalt einen Dritten schädigt, auch dann die ihm günstige Sonderregelung des § 839 BGB und des Art. 131 WRV (jetzt Art. 34 GG) zugute komme, wenn die Schadenshaftung aus § 18 StVG folge8. Mit Urteil vom 24.02.1958 hat dann auch der BGH entschieden, dass bei Eingreifen der Amtshaftung auch die persönliche Haftung nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG aufgrund vermuteten Verschuldens des Fahrers, der in Aus6 Soergel/Vinke, § 839 Rn. 12; MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 199; Erman/Hecker, § 839 Rn. 5; Schoof, S. 38 f. 7 Aufgrund der im Vordergrund stehenden materiell-rechtlichen Bedenken gegen eine Übertragung der Beweislastregel auf den Amthaftungsanspruch wird eine methodische Betrachtung erst unten in § 9 III. 3. vorgenommen. 8 RGZ 125, 98 (99 f.); RGZ 139, 149 (153); RGZ 145, 177 (182).

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§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB

übung eines öffentlichen Amtes das Fahrzeug genutzt hat, ausscheidet9. Diesem Ergebnis hat sich der 6. Senat mit Urteil vom 24.02.1959 angeschlossen10. Erst in dieser Entscheidung findet sich eine nähere Begründung. Wenn man von der Beweislastumkehr absehe, deckten sich die Voraussetzungen des § 839 BGB und des § 18 StVG. Es sei nicht einzusehen, warum die Einschränkung der Haftung durch die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen solle, wenn der Beamte aus seiner dienstlichen Tätigkeit nicht für bewiesenes, sondern nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG für vermutetes Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch genommen werde. Der gesetzgeberische Grund des § 839 BGB, die Entscheidungs- und Verantwortungsfreudigkeit des Beamten nicht zu beeinträchtigen, treffe auch auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts zu. Gleichzeitig fehle es an einem Grund, die Amtshaftung nicht zur Anwendung gelangen zu lassen, da ansonsten die für den Bürger günstige Leistungsfähigkeit des Staates nicht eingreife. Dem Schutz der Verkehrsopfer wird durch die Gewährung von Ansprüchen gegen den Staat im Ergebnis besser gedient als gegen den verantwortlichen Beamten. Nach Ansicht des Senats käme man ansonsten zu einem wenig sinnvollen Ergebnis, wenn der Beamte bei fehlender Aufklärung der Haftungsfrage den Schaden selbst begleichen müsste, während er die Befriedigung der auf nachgewiesenes Verschulden gestützten Ansprüche verweigern könnte. Deutlich wird allerdings nicht, auf welche dogmatische Weise die Grundsätze des Amtshaftungsrechts Anwendung finden, wenn an sich auch eine Haftung für vermutetes Verschulden gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG in Frage kommt. Den Ausführungen in den Entscheidungsgründen ist sinngemäß zu entnehmen, dass die Haftung nach § 18 StVG zwar an sich besteht, aber dann im Rahmen des Art. 34 GG auf den Staat übergeht. Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch § 7 StVG erwähnt. Die Ersatzpflicht des Fahrzeughalters kann neben dem Amtshaftungsanspruch geltend gemacht werden. Diese Anspruchskonkurrenz ist gerechtfertigt, weil § 7 StVG eine Gefährdungshaftung normiert, die unabhängig von der Verschuldenshaftung des Amtshaftungsanspruches besteht11.

2. Rechtsprechung zu § 833 BGB Wenn durch ein Tier ein Mensch getötet wird oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, dann haftet der Tierhalter nach § 833 BGB für den daraus entstandenen Schaden. Nach § 833 S. 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Schaden durch ein Nutztier verursacht und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei 9

BGH NJW 1958, 868 f. BGH VersR 1959, 455 (458). 11 Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 35; siehe auch Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 46. 10

II. Anwendung der gesetzlichen Schuldvermutung

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Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. § 833 BGB stellt einen Unterfall der unerlaubten Handlung dar12. Während § 833 S. 1 BGB eine Gefährdungshaftung des Tierhalters begründet, schreibt § 833 S. 2 BGB für Nutztiere eine Haftung für vermutetes Verschulden vor13. In der ersten zu § 833 S. 2 BGB ergangenen Entscheidung des BGH wurde ein Polizeibeamter durch seinen eigenen Diensthund verletzt, der ihm von seinem Dienstherren im Rahmen des Dienstverhältnisses zur alleinigen Obhut übergeben wurde. Auch hier hat der BGH – unter Verweis auf die zu § 18 StVG am 24.02.1959 getroffene Entscheidung, aber ohne weitere Begründung – im Rahmen der Anspruchsgrundlage des § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG die Beweislastumkehr des § 833 S. 2 BGB für anwendbar erklärt14. Er führt lediglich aus, dass § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG als Spezialbestimmung § 833 S. 2 BGB verdrängt, wohingegen es bei der Beweislastverteilung des § 833 S. 2 BGB sein Bewenden habe. In den darauf folgenden Urteilen wurde diese Entscheidung lediglich durch Bezugnahme auf die vorangegangenen Urteile bestätigt15.

3. Rechtsprechung zu § 836 BGB Nach § 836 Abs. 1 S. 1 BGB haftet der Grundstücksbesitzer für den entstandenen Schaden, wenn durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird und der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist. Nach § 836 Abs. 1 S. 2 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Die Haftung des Grundstücksbesitzers regelt einen Fall der Haftung für die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten16. Jedermann hat den Schaden zu ersetzen, der durch die in seinem Eigentum stehenden Sachen verursacht wurde und hätte verhindert werden können und müssen17. Lediglich durch die Beweislastumkehr des § 836 Abs. 1 S. 2 BGB, die zum einen eine Vermutung für das Verschulden des Grundstücksbesitzers sowie zum anderen des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Verschulden und Schaden aufstellt, ergibt sich der Unterschied zu der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB18. Mit Urteil vom 12

Bamberger/Roth/Spindler, § 833 Rn. 2. Palandt/Sprau, § 833 Rn. 1. 14 BGH VersR 1972, 1047 (1048). 15 OLG Frankfurt/M. VersR 1985, 646; OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 661; OLG Hamm NVwZ-RR 1997, 460. 16 Palandt/Sprau, § 836 Rn. 1. 17 BGHZ 58, 149 (156). 18 OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427); Palandt/Sprau, § 836 Rn. 1. 13

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05.04.1990 hat der BGH die Verschuldensvermutung des § 836 Abs. 1 S. 2 BGB auch im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs angewendet19. Da § 839 BGB einen Sondertatbestand darstelle, sei für eine unmittelbare Anwendung der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 823 ff. BGB daneben kein Raum. Als Begründung führt der BGH an, dass § 836 BGB Ausfluss der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht sei. Abgesehen von der Beweislastumkehr hielte sich § 836 BGB aber im Rahmen der Grundnorm des § 823 Abs. 1 BGB. Bei Verwirklichung des Tatbestandes von § 836 BGB durch eine Amtspflichtverletzung gelte daher die Verschuldensvermutung.

4. Rechtsprechung zu § 832 BGB Das Reichsgericht hat ursprünglich bei einer Aufsichtspflichtverletzung eines Lehrers § 832 BGB und nicht § 839 BGB i.V. m. Art. 131 WRV (jetzt Art. 34 GG) für einschlägig erachtet20. Seit der Entscheidung des BGH vom 15.03.195421, welche das Konkurrenzverhältnis von § 839 BGB und § 832 BGB behandelt, wird allerdings in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass § 839 BGB eine selbständige und abschließende Regelung der Haftung aus schuldhafter Amtspflichtverletzung darstellt22. § 839 BGB ist in der Tat lex specialis zu den allgemeinen Haftungsnormen der §§ 823 ff. BGB23. Dies hat zur Folge, dass die Haftung nach § 839 BGB den Tatbestand des § 832 BGB verdrängt. Dies wird mit der differenzierten Ausgestaltung des Tatbestandes von § 839 BGB begründet. Dieser erweitert die allgemeinen Deliktstatbestände auf der einen Seite dadurch, dass eine Haftung auch dann begründet wird, wenn die Amtspflichtverletzung die Tatbestände der §§ 823 ff. BGB nicht erfüllt24. Er gewährt nicht nur bei Verletzung bestimmter Rechtsgüter und bestimmter Schutzgesetze Ersatz, sondern auch bei Vermögensschäden. Auf der anderen Seite wird die Haftung gegenüber den §§ 823 ff. BGB eingeschränkt. Die Struktur des Amtshaftungsanspruches zeichnet sich durch Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen aus. Im Einzelnen gilt Folgendes: Der Beamte haftet bei Fahrlässigkeit gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur subsidiär für den Fall, dass der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Der Richter haftet lediglich unter den engen Voraussetzungen des § 839 19

BGH NJW-RR 1990, 1500 f. RGZ 65, 290 (291). 21 BGHZ 13, 25 ff. 22 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; OLG Hamburg OLGR 1999, 190 ff.; OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427); Schoof, S. 38 f., die das Konkurrenzverhältnis zu § 839 BGB als nicht ganz unproblematisch bezeichnet. 23 BGHZ 13, 25 (28); Soergel/Vinke, § 839 Rn. 12; MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 199; Erman/Hecker, § 839 Rn. 5. 24 BGHZ 13, 25 (28); Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 28. 20

III. Übertragbarkeit der Beweislastregelung

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Abs. 2 S. 1 BGB. Der Amtshaftungsanspruch ist gem. § 839 Abs. 3 BGB dann ausgeschlossen, wenn es der Geschädigte in vorwerfbarer Weise versäumt hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Bei Ausübung öffentlicher Gewalt kommt dem Geschädigten zugute, dass er sich an den Staat halten kann, anstatt an den möglicherweise nicht leistungsfähigen Beamten. Der BGH stellt in seiner Entscheidung ausdrücklich fest, dass durch die Nichtanwendbarkeit des § 832 BGB neben § 839 BGB auch die Beweislastregel gem. § 832 Abs. 1 S. 2 BGB keine Anwendung findet; dadurch wird der öffentlich handelnde Aufsichtspflichtige besser gestellt, da er den Entlastungsbeweis nicht führen muss. Eine solche Begünstigung von fahrlässig ihre Amtspflicht verletzenden Beamten sei dem Gesetz auch sonst nicht fremd, wie sich aus den § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 3 BGB ergebe. Im Folgenden wurde von mehreren Instanzgerichten25 nicht nur die Ansicht des BGH geteilt, dass § 839 BGB eine abschließende Regelung enthalte, sondern vor allem auch die Meinung, dass auch die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch nicht übertragen werden könne.

III. Übertragbarkeit der Beweislastregelung des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 839 BGB Ständige Rechtsprechung zu § 832 BGB ist mithin, dass neben § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG die Vorschrift des § 832 BGB keine Anwendung findet26. Das OLG Köln hat in einer Entscheidung vom 20.05.1999 erstmals vertreten, dass – abweichend von der zuvor dargestellten Rechtsprechung – im Rahmen von § 839 BGB die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung findet27. Zustimmung hat diese Auffassung insbesondere von Mertens in einer Anmerkung zu diesem Urteil sowie von Belling erfahren28. Dieses Urteil findet – von den 25 OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803; OLG Dresden NJW-RR 1997, 857; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; OLG Hamburg OLGR 1999, 190 ff. 26 BGHZ 13, 25 (28); OLG Hamburg NJW-RR 1988, 799; OLG Dresden NJW-RR 1997, 857; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; OLG Hamburg OLGR 1990, 190 ff. 27 OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75 (76). 28 Mertens Anm. zu Urteil OLG Köln vom 20.05.1999, MDR 1999, 998 f.; Staudinger/Belling, § 832 Rn. 167; Bamberger/Roth/Spindler, § 832 Rn. 3; Scheffen/Pardey, Rn. 204; PWW/Schaub, § 832 Rn. 2, der unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Köln und Mertens ohne weitere Begründung ausführt, dass es sinnvoll erscheine, die Anforderungen an die Aufsichtspflicht dort ebenso zu bestimmen wie bei § 832 BGB und auch eine entsprechende Beweislastumkehr anzunehmen; Soergel/Krause, § 832 Rn. 19, ist ebenfalls ohne nähere Begründung der Ansicht, dass bei einer Haftung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG die Beweislastumkehr des § 832 BGB angewendet werden sollte; Marburger, VersR 1971, 777 (788), der schon vor der Entscheidung des OLG Köln hinsichtlich des Verhältnisses von § 832 BGB zu § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG vertreten hat, die Beweislastverteilung einheitlich aus § 832 BGB zu entnehmen: Es sei kein tragender Grund dafür ersichtlich, dass der beamtete Arzt (§ 839 BGB) gegenüber

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genannten Autoren abgesehen – erstaunlich wenig Beachtung, denn die übrige Kommentarliteratur 29 vertritt nach wie vor ohne nähere Begründung die gegenteilige Auffassung. Überraschend ist dies insofern, da sowohl das Urteil als auch die Anmerkung von Mertens eine ausführliche Begründung enthalten, die – zumindest auf den ersten Blick – doch relativ stichhaltig erscheint. Eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung des OLG Köln ist daher geboten.

1. Entscheidung des OLG Köln vom 20.05.1999 Das OLG Köln ist der Ansicht, dass die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen der Amtshaftung entsprechend anzuwenden ist. Es könne keinen Unterschied machen, ob – wie im zu entscheidenden Fall – die Steine vom Gelände eines städtischen Kindergartens oder eines Kindergartens in freier Trägerschaft geworfen werden. Diese Formulierung ist nicht nur überspitzt, sondern bereits im Ausgangspunkt falsch. Der Senat berücksichtigt nicht, dass die Trägerschaft einer Einrichtung für die Bestimmung des Haftungsregimes allein nicht entscheidend ist. Auch der städtische Kindergarten kann das Steinewerfen der Kinder nach den Grundsätzen des Privatrechts beaufsichtigen. Das OLG Köln hat sich in seiner Entscheidung auf die neuere Rechtsprechung des BGH zu der entsprechenden Anwendung der Beweislastregelungen der § 833 S. 2 BGB und § 836 Abs. 1 S. 2 BGB bezogen. Aufgrund der weiter fortgeschrittenen Übertragung der Beweislastregelungen des allgemeinen Deliktsrechts auf den Amtshaftungsanspruch sei die Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1954 zu dem Verhältnis von § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG und § 832 BGB überholt. Ein plausibler Grund, warum § 832 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen des § 839 BGB nicht entsprechend herangezogen werden könne, sei nicht mehr zu erkennen. Praktische Auswirkung hat diese Frage insofern, als der geschädigte Dritte im Rahmen eines Amtshaftungsanspruches die volle Beweislast trägt, wohingegen ihm bei § 832 BGB die Beweislastumkehr zugute kommt. Diese Schlechterstellung würde entfallen, wenn auch im Rahmen der Amtshaftung die Beweislastumdem nichtbeamteten Arzt (§ 832 Abs. 2 BGB), die öffentliche Hand als Krankenhausträger (§ 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG) gegenüber dem privaten Klinikinhaber (§ 832 Abs. 2 BGB), der wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in ihrer Ausprägung als Aufsichtspflicht Haftende (§ 823 Abs. 1 BGB) gegenüber demjenigen, der vertraglich die Aufsichtsführung übernommen hat (§ 832 Abs. 2 BGB), hinsichtlich der Beweislast begünstigt werden sollte. 29 Palandt/Sprau, § 839 Rn. 3; Erman/Hecker, § 839 Rn. 5; Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 113; Ollmann, ZfJ 2004, 1 (6); Böhm/Mütze, NDV 2002, 325 (327). A. A. offenbar Scheffen/Pardey, Rn. 204, aber ohne nähere Begründung; sie führen lediglich aus, dass OLG Köln vertrete den gegenteiligen Standpunkt mit gutem Grund, weil es der vorherrschenden Ansicht an Plausibilität mangele; auch Soergel/Krause, § 832 Rn. 19, plädiert ohne Begründung für die Anwendung der Beweislastumkehr des § 832 BGB auf die Haftung nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG.

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kehr des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung findet. Zu überlegen ist im Folgenden, ob es in dem vom OLG Köln entschiedenen Fall konsequent ist, den durch die Entscheidungen zu § 18 Abs. 1 S. 2 StVG, § 833 S. 2 BGB und § 836 Abs. 1 S. 2 BGB eröffneten dogmatischen Weg, die Beweislastregeln des allgemeinen Deliktsrechts auf den Amtshaftungsanspruch zu übertragen, fortzusetzen. Entscheidend ist insoweit zu berücksichtigen, dass das OLG Köln es ausdrücklich offen lässt, ob das Personal eines städtischen Kindergartens die Aufsichtspflicht öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausübt. Mithin hat das OLG Köln keine Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Haftungsrecht vorgenommen. In den bereits erwähnten Entscheidungen zu § 18 Abs. 1 S. 2 StVG, § 833 S. 2 BGB und § 836 Abs. 1 S. 2 BGB wurde demgegenüber jeweils ausdrücklich eine Amtspflichtverletzung festgestellt, d.h. eine rechtliche Einordnung der Aufsichtspflicht als Amtspflicht vorgenommen. Zusätzlich waren die jeweiligen Haftungstatbestände (§ 833 BGB oder § 836 BGB) durch die Amtspflichtverletzung verwirklicht30. Hier liegt der entscheidende Unterschied zu der Entscheidung des OLG Köln. In den zuvor ergangenen Entscheidungen ist der Anwendungsbereich des § 839 BGB aufgrund hoheitlichen Handelns eröffnet gewesen. Das OLG Köln hingegen hat weder den Anwendungsbereich des § 839 BGB noch des § 832 BGB geklärt, da der Senat die Qualifizierung der Aufsichtspflicht offen gelassen hat. Von der rechtlichen Einordnung der Aufsichtspflicht hängt aber gerade die einschlägige Haftungsgrundlage – § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG oder § 832 BGB – ab. Es erscheint nicht möglich, eine Beweislastregel einer Vorschrift – § 832 Abs. 1 S. 2 BGB – auf § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG zu übertragen, wenn die Anwendbarkeit der ersten Vorschrift für den vorliegenden Fall noch nicht einmal geklärt ist. Denn erst die Bestimmung der Einschlägigkeit der betreffenden Rechtsnorm entscheidet darüber, ob ein Handeln den Regelungen des öffentlichen oder privaten Rechts unterfällt. Zudem besteht – trotz teilweise

30 So auch Mertens Anm. zu Urteil OLG Köln vom 20.05.1999, MDR 1999, 998; Soergel/Vinke, 12. Auflage, § 839 Rn. 29: „Soweit durch eine Amtspflichtverletzung zugleich der Tatbestand des § 836 BGB verwirklicht worden ist, gilt für das Verschulden die dort vorgesehene Vermutungsregelung.“; so im Ergebnis auch weiterhin Soergel/Vinke, § 839 Rn. 12: „§ 839 BGB schließt deshalb alle anderen allgemeinen Deliktstatbestände mit der Folge in sich ein, dass ein Beamter, der in Ausübung seines Amtes den Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach §§ 823 ff. BGB erfüllt, damit zugleich eine Amtspflicht verletzt.“; BGH NJW-RR 1990, 1500 (1501): „Soweit durch die behauptete Amtspflichtverletzung deshalb der Tatbestand des § 836 BGB verwirklicht worden ist, gilt für das Verschulden des Amtsträgers die in dieser Vorschrift bestimmte Vermutung.“; ebenso Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 3; nach Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 7, gelten gesetzliche Schuldvermutungen auch im Rahmen eines Schadensersatzanspruches aus § 839 BGB, soweit durch die behauptete Amtspflichtverletzung der Tatbestand dieser Vorschriften verwirklicht worden ist; AnwK-BGB/vom Stein, § 839 Rn. 305, führt aus: „Wird durch die Amtspflichtverletzung zugleich der Tatbestand einer gesetzlichen Schuldvermutung erfüllt, so gilt dies auch im Amtshaftungsprozess, z. B. §§ 831 Abs. 1 S. 2, 833 S. 2, 836 Abs. 1 S. 2 BGB, § 18 Abs. 1 S. 2 StVG.“

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zu verzeichnender Gemengelagen – grundsätzlich die Notwendigkeit einer normkategorialen Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht31. a) Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht Die Zweiteilung des Rechts in öffentliches und privates Recht hat sich in einem langen geschichtlichen Prozess als qualitative Differenzierung innerhalb der Rechtsordnung herausgebildet32. Diese Differenzierung beruht auf den grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangspunkten und Funktionen von öffentlichem Recht und Privatrecht. Für den Staat gelten weithin andere Regelungen als für den Bürger33. Das Privatrecht wird von dem Prinzip der Privatautonomie bestimmt34. Privatautonomie ist die Berechtigung eines jeden einzelnen, seine Rechtsbeziehungen zu anderen aus eigenem Entschluss und Willen rechtsgeschäftlich gestalten zu können35. Das öffentliche Recht hingegen hat den Staat als Hoheitsträger zum Gegenstand36. Die Träger von Staatsgewalt werden nicht in Wahrnehmung menschlicher, grundrechtlich fundierter Freiheit, sondern in Ausübung von Kompetenzen und Zuständigkeiten sowie in öffentlicher Zweckverfolgung tätig. Jedes staatliche Handeln, jedenfalls jeder staatliche Eingriff in Grundrechte, ist als Folge des grundrechtlich fundierten Gesetzesvorbehalts auf eine verfassungsrechtliche und gesetzliche Rechtfertigung angewiesen. Während im Bereich des Zivilrechts sich der Einzelne im Rahmen der geltenden Gesetze halten muss, unterliegt der Staat den besonderen Anforderungen des Grundgesetzes37. Die Verfassung unterwirft die staatliche Gewalt nach Art. 1 Abs. 1 S. 2, Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG besonderen rechtlichen Bindungen, die für das Verhältnis der Bürger untereinander nicht gelten. Das Demokratie-, Rechtsstaats-, Gesetzmäßigkeits- und Sozialstaatsprinzip sowie die Grundrechte binden mithin nur den Staat, nicht den Bürger. Der Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht kommt damit letztlich Verfassungsrang zu38. Auch das geltende Recht knüpft an die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht an und ist insofern von praktischer Relevanz, weil die Zuordnung einer Streitigkeit zu dem einen oder anderen Rechtsgebiet eine Reihe konkreter Rechtsfolgen nach sich zieht. Hinsichtlich des Rechtsweges ist die Abgrenzung 31 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 10; Erichsen, Jura 1982, 537; siehe auch Ossenbühl Anm. zu BGH Urteil vom 16.03.2000, JZ 2001, 99 (100). 32 Erichsen, Jura 1982, 537 (540). 33 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 11. 34 Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 13. 35 Erman/Palm, Einl. § 104 Rn. 1. 36 Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 13. 37 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 11. 38 Ipsen, Allg. VerwR., § 1 Rn. 3.

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deshalb wichtig, weil nur bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO)39. Dagegen sind für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten die ordentlichen Gerichte nach § 13 GVG zuständig. Weiterhin finden nur bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder Anwendung40. Auch die Handlungsformen der Verwaltung, wie z. B. ein Verwaltungsakt oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, setzen eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts voraus41. Ebenso dient die Verwaltungsvollstreckung ausschließlich der Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Forderungen42. Die Bestimmung des Umfanges der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG43, die unter Berücksichtigung traditioneller Aspekte zu erfolgen hat, hängt ebenfalls von der Einordnung zum öffentlichen Recht oder dem Privatrecht ab44. Schließlich ist eine Abgrenzung zwischen den beiden Rechtsgebieten zwingend erforderlich, wenn es um die Bestimmung des Haftungsregimes geht45. Das rechtswidrige schadensverursachende Handeln aufgrund öffentlichen oder privaten Rechts löst unterschiedliche Haftungsfolgen aus. Die Amtshaftung als öffentlich-rechtliches Haftungsregime nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG greift nur dann ein, wenn die Schädigung in Ausübung einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit eingetreten ist. Ist das Handeln der Kommune nach den Vorschriften des Privatrechts zu beurteilen, dann sind ausschließlich die privatrechtlichen Haftungsinstitute und Haftungsvorschriften anwendbar, insbesondere §§ 31, 89 Abs. 1, 278, 280 ff., 823 ff. BGB46. Zu einer Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG kommt es bei privatrechtlichem Handeln nicht, weil diese Vorschrift die Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes verlangt. Grundsätzlich kann daher § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG nicht mit dem Haftungssystem der §§ 823 ff. BGB zusammenfallen47. Damit scheidet die gleichzeitige Verwirklichung des Tatbestandes von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG – anders als in den bereits erwähnten Entscheidungen zu § 833 BGB und § 836 BGB – aus. Lediglich in absoluten Ausnahmefällen kann die Amtshaftung mit der allgemeinen Deliktshaftung zusammentreffen. Der BGH hatte einen 39

Battis, Allg. VerwR., S. 5. Siehe Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 12. 41 Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR., § 3 Rn. 12. 42 Peine, Allg. VerwR., § 3 Rn. 116. 43 Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf das bürgerliche Recht, das Strafrecht und den Strafvollzug, die Gerichtsverfassung, das gerichtliche Verfahren, die Rechtsanwaltschaft, das Notariat und die Rechtsberatung. 44 Maurer, Allg. VerwR., § 3 Rn. 12; zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht auf dem Gebiet der Staatshaftung BVerfGE 61, 149 ff. 45 Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 17. 46 Siehe oben § 7 I. 47 BGH NJW 1996, 3208 (3209); Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 34; Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 233; Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 1056; Erman/Hecker, § 839 Rn. 5. 40

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Fall zu entscheiden, in dem es um das Zusammentreffen einer Gewässerunterhaltungspflicht mit einer Verkehrssicherungspflicht ging. Hierzu führt der BGH aus, dass § 839 BGB im Allgemeinen nicht mit § 823 Abs. 1 BGB zusammentreffen könne. Das gelte jedoch dann nicht, wenn ein bestimmtes Verhalten eines Beamten sich ausnahmsweise zugleich als eine Ausübung eines öffentlichen Amtes begangene Amtspflichtverletzung und als unerlaubte Handlung innerhalb des bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreises des öffentlichen Dienstherrn darstelle48. Mithin erkennt auch der BGH den Ausnahmecharakter dieser Entscheidung an, die keinesfalls verallgemeinert werden darf. Auch wenn der Amtshaftungsanspruch ebenfalls vor den Zivilgerichten nach Art. 34 S. 3 GG, § 40 Abs. 2 Hs. 1, 3. Var. VwGO geltend zu machen ist und sich damit hinsichtlich des Rechtsweges die Differenzierung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht nicht auswirkt, bleibt es im Übrigen aufgrund der Einordnung zu einem Haftungsregime bei der Notwendigkeit einer Unterscheidung der beiden Rechtsgebiete. b) Zwischenergebnis Entgegen der Ansicht des OLG Köln darf nicht offen gelassen werden, welchem Rechtsgebiet die Haftungsgrundlage zuzuordnen ist, da sich dies im Ergebnis auf die Wahl der richtigen Anspruchsgrundlage niederschlägt und daher entscheidungserheblich ist. Von der das Klagebegehren stützenden Haftungsgrundlage hängt ebenfalls der richtige Klagegegner ab. Bei einer Schadensersatzklage, die sich auf § 832 BGB stützt, werden oftmals der kommunale Träger, die Einrichtungsleitung sowie die Aufsichtsperson als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Dagegen ergibt sich bei einer öffentlichen Haftung die Konsequenz, dass die Klage gegen mehrere Beklagte unbegründet ist, da ihre Haftung nach Art. 34 GG vollständig auf die beklagte Kommune übergeleitet wird49. In der praktischen Auswirkung ist ebenfalls wesentlich, dass bei einem Amtshaftungsprozess die Aufsichtsperson als Zeuge vernommen werden kann, da diese bei der haftungsbefreienden Staatshaftung nicht Partei des Rechtsstreits ist. Bei der Abgrenzung des privaten vom öffentlichen Recht kann man ein Rechtsverhältnis vor allem nicht deshalb einem der beiden Rechtsgebiete zuordnen, weil dessen Normen im Einzelfall die sachgerechtere Lösung bereithalten. Es ist vielmehr ohne Rücksicht auf die Rechtsfolgen allein von der Tatbestandsseite her nach den anerkannten allgemeinen Regeln zu unterscheiden. Eine Einordnung darf erst recht bei Entscheidungserheblichkeit der Beweislastverteilung nicht offen gelassen werden. Auch wenn die Einordnung der Aufsichtspflicht in eines der beiden Rechtsgebiete in Einzelfällen Schwierigkeiten bereiteten mag, so ist eine solche doch unerlässlich und im Übrigen seit Jahrzehnten – z. B. bei der Zweistufen48 49

BGH NJW 1996, 3208 (3209). Ebenso bei OLG Dresden NJW-RR 1997, 857 (858).

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theorie50 – auch fester Bestandteil der richterlichen Praxis51. Alles andere führt zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit für den Bürger und zu einer Verwischung der notwendigen Grenzziehung zwischen zwei verschiedenen Rechtsgebieten mit unterschiedlichen Rechtsfolgen. Der öffentliche Amtshaftungsanspruch mündet durch die Haftungsüberleitung in die Staatshaftung. Daneben ergibt sich die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen den beiden Haftungsregimen insbesondere auch deshalb, weil die Darlegungs- und Beweislast unterschiedlich verteilt ist52. Die Entscheidungsnotwendigkeit folgt überdies daraus, dass ein Handeln grundsätzlich nicht zugleich öffentlich-rechtlich und privatrechtlich sein kann. Eine Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch würde demnach zuallererst voraussetzen, dass derjenige Haftungstatbestand, auf den die Beweislastumkehr angewendet werden soll, überhaupt tatbestandsmäßig einschlägig ist.

2. Bedeutung der Entscheidung des OLG Köln über die Einzelfallentscheidung hinaus Den Entscheidungsgründen lässt sich weiter entnehmen, dass der Senat die für den Geschädigten günstige Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auch dann anwenden will, wenn die Aufsichtspflicht dem Pflichtigen als Amtspflicht i. S. d. § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG obliegt. So heißt es schon im dritten Leitsatz: „Die Beweislastregeln des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB sind im Rahmen des § 839 BGB entsprechend anwendbar.“ Insoweit steht die Frage im Raum, ob und gegebenenfalls auf welchem methodischen Weg im Rahmen des Amtshaftungsanspruches die gesetzlichen Schuldvermutungen Anwendung finden können. Hierbei ist zunächst nur auf § 832 BGB, dann auch auf die bereits erfolgte Anwendung der Beweislastregelungen der § 18 Abs. 1 S. 2 StVG, § 833 S. 2 BGB und § 836 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch einzugehen. Um diese Fragen beantworten zu können, sind zunächst die Konsequenzen der Übertragung von gesetzlichen Schuldvermutungen auf Amtshaftungsansprüche aufzuzeigen. In dem Tatbestand der Amtshaftung sind weder ausdrückliche Beweislastnormen noch gesetzliche Vermutungen vorhanden. Der Amtshaftungsanspruch ist als Verschuldenshaftung ausgestaltet53. Es greift daher die allgemeine Grundregel der Beweislastverteilung ein, wonach der Anspruchssteller die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatbestandsmerkmale, der Anspruchsgegner 50

Dietlein, Jura 2002, 445 (451). Ipsen, Allg. VerwR., § 20 Rn. 1256: Eine Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht erweise sich als unabdingbar, denn für privatrechtliches Handeln einer Körperschaft werde nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen gehaftet. 52 Vgl. zu dem Verhältnis von § 823 Abs. 1 BGB und § 831 BGB Staudinger/Belling, § 831 Rn. 10. 53 MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 282. 51

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für die rechtshindernden, rechtsvernichtenden und rechtshemmenden Merkmale trägt54. Im Amtshaftungsprozess muss der geschädigte Kläger zunächst die Amtspflichtverletzung darlegen und im Streitfalle beweisen. Dazu gehört auch der Umstand, dass der Beamte hoheitlich und nicht lediglich im fiskalischen Bereich gehandelt hat55. Ferner trägt der Geschädigte grundsätzlich in vollem Umfang die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Amtsträgers56. Auch für den kausalen Zusammenhang zwischen der Amtspflichtverletzung und dem Schaden trifft den Kläger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast57. Ebenso muss der Geschädigte den Eintritt des Schadens sowie dessen Höhe darlegen und beweisen58. Außerdem trifft ihn bei Fahrlässigkeit des Amtswalters die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der Amtshaftungsklage keine anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bestand59. Bei Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB würde nunmehr eine für den Geschädigten günstige Vermutung für eine schuldhafte Amtspflichtverletzung und deren Kausalität für den eingetretenen Schaden sprechen. Der Staat müsste sodann die doppelte Vermutung widerlegen. Die Verteilung der Beweislast dem jeweiligen einschlägigen Deliktstatbestand zu entnehmen, führt mithin zu einer Abweichung von der gesetzlichen Beweislastverteilung, da das geltende Recht für den hoheitlichen Bereich die verschuldensabhängige Amtshaftung ohne Beweislastumkehr vorschreibt. Der Amtshaftungsanspruch zeichnet sich durch ein rechtshistorisch bedingtes Zusammenspiel der deliktisch anspruchsbegründenden Norm § 839 BGB und der verfassungsrechtlichen Überleitungsnorm des Art. 34 GG aus60. § 839 BGB weist eine komplexe und ausdifferenzierte Tatbestandsstruktur auf, die dem Umstand Rechnung trägt, dass es sich um die Haftung eines Beamten für Amtspflichtverletzungen handelt. So sieht § 839 BGB die oben in § 1 II. 5. genannten Haftungsbeschränkungen vor. In ihnen wird deutlich, dass das Verschuldenserfordernis nicht nur für die Begründung des Amtshaftungsanspruches, sondern auch für seine Begrenzung durch §§ 839 Abs. 1 S. 2 und 839 Abs. 3 BGB sowie für den durch Art. 34 S. 2 GG zugelassenen Regressanspruch bedeutsam und damit ein den Amtshaftungsanspruch prägendes Merkmal ist. Dass es sich bei § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG gegenüber den §§ 823 ff. BGB um einen Sondertatbestand handelt, zeigt sich anhand der durch Art. 34 GG vorgesehenen schuldbefreienden Haftungsüberleitung auf den Staat. Gerade diese komplexe, um nicht zu sagen komplizierte Tatbestandsstruktur bringt es mit sich, dass eine Übertra54 55 56 57 58 59 60

MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 110 f. Tremml/Karger, Rn. 1090. Detterbeck/Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 9 Rn. 171. Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 11. Tremml/Karger, Rn. 1117. Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 17. Siehe Erichsen/Ehlers/Grzeszick, Allg. VerwR., § 43 Rn. 3 ff.

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gung der Beweislastregelungen sachlich nicht zu rechtfertigende finanzielle Auswirkungen auf die Haushalte der öffentlichen Hände haben würde. Aus diesem Grund konnten sich auch langjährige Reformbestrebungen nicht durchsetzen. Das Staatshaftungsgesetz vom 26.06.1981 (StHG) sah eine unmittelbare, primäre und ausschließliche Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe vor61. Der Forderung, eine reine Rechtswidrigkeitshaftung bzw. eine verschuldensunabhängige Haftung des Staates einzuführen, hat der Gesetzgeber in diesem Konzept nicht entsprochen62. Das StHG ist aufgrund fehlender Bundeskompetenz vom BVerfG für verfassungswidrig und nichtig erklärt worden63. Die Lücke in der Bundesgesetzgebungskompetenz wurde im Zuge der Verfassungsreform 1994 geschlossen. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG wurde dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Staatshaftung eingeräumt. Ein erneuter Reformversuch auf der Grundlage des StHG ist dann aber insbesondere an finanziellen Einwänden gescheitert64. Das Bundesministerium der Justiz hat eine Untersuchung zur Abschätzung des finanziellen Mehrbedarfs für den Fall einer Reform des Staatshaftungsrechts durchführen lassen65. Bemessungsgrundlage war der Zeitraum von 1993 bis 1995. Die Untersuchung hat ergeben, dass sich die Schadensvolumina jährlich insgesamt auf durchschnittlich ca. 691 Millionen DM belaufen, wovon Schadensforderungen von ungefähr 543,2 Millionen DM abgelehnt wurden. Insgesamt gesehen steigen die Schadensvolumina stetig an66. Ebenfalls ermittelt wurde, in welcher Höhe Ansprüche wegen fehlenden Verschuldens bzw. fehlender Beweisbarkeit des Verschuldens abgelehnt wurden. Es wurde ein Schadensvolumen in Höhe von ca. 830 Millionen DM geltend gemacht, von denen ca. 631 Millionen DM nicht als ersatzfähiger Schaden angesehen wurden. Davon wurden ca. 300 Millionen DM wegen mangelnden Verschuldens oder fehlender Beweisbarkeit des Verschuldens nicht zugesprochen. Für eine Reform des Staatshaftungsrechts, die eine verschuldensunabhängige Haf-

61

Soergel/Vinke, § 839 Rn. 29. Maurer, Allg. VerwR., § 25 Rn. 8. Demgegenüber begründet das StHG-DDR eine unmittelbare, ausschließliche und verschuldensunabhängige Haftung des Staates (Landes- und Kommunalbehörden, nicht jedoch Bundesbehörden) für rechtswidriges hoheitliches Handeln seiner Bediensteten, das aufgrund des Einigungsvertrages als Landesrecht in den neuen Bundesländern weiterhin gilt. Den Ländern kommt somit die Landeskompetenz zu, dass StHG-DDR zu ändern oder aufzuheben. Das StHG-DDR wurde für den Ostteil Berlins 1995 und für Sachsen im Jahre 1998 aufgehoben. In SachsenAnhalt wurde die verschuldensunabhängige Haftung nach dem StHG-DDR in einen gesetzlichen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff umgesetzt. Die übrigen Bundesländer haben einige Modifikationen vorgenommen, wie z. B. den Anwendungsausschluss im Bereich des Straßenrechts. Vgl. ausführlich zu den landesrechtlichen Staatshaftungsgesetzen Lühmann, NJW 1998, 3001 ff. 63 BVerfGE 61, 149 (173 ff.); Ossenbühl, NJW 2000, 2945 (2948). 64 Maurer, Allg. VerwR., § 25 Rn. 6. 65 MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 117. 66 Pflüger, BADK Information, Ausgabe 3/2001, 87 (90 ff.). 62

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tung bzw. eine Beweislastumkehr vorsieht und auf die Subsidiarität verzichtet, wurde in dieser Studie auch eine Prognose über den finanziellen Mehrbedarf der öffentlichen Hand angestellt. Bereits im Jahre 1995 wäre ein finanzieller Mehrbedarf bei Bund, Ländern und Kommunen von insgesamt 460 bis 500 Millionen DM zu verzeichnen gewesen. Diese Erhebung auf das Jahr 2000 hochgerechnet, ergibt einen Mehrbedarf von über 1 Mrd. DM, sofern sich der Anstieg des Schadensvolumens seit 1995 im gleichen Umfang fortgesetzt hätte wie im Untersuchungszeitraum gemessen67. In Ansehung dieser prognostizierten finanziellen Mehrbelastung tritt offenbar das Reformbedürfnis zurück, denn ein erneuter Reformversuch ist nicht in Sicht68. Jedenfalls ist es nach der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG jedoch allein dem Gesetzgeber vorbehalten, eine Regelung zu treffen, die nicht unerhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Haushalte aller öffentlichen Hände hat. Auch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) folgt, dass derart weit reichende finanzielle Konsequenzen nicht durch die Judikative legitimiert werden können. Diese eindeutige Verfassungslage verbietet letztlich aus rechtsstaatlichen Erwägungen eine richterrechtliche Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch69. a) Ratio der Haftungsbeschränkungen Auch der Versuch von Mertens, die Haftungsprivilegien des Staates durch Berufung auf die lediglich historischen Gesetzgebungsgründe abzuschwächen, vermag angesichts der Rechtsprechungsentwicklung nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat die Haftungsbeschränkung der anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB vor der Einführung der Haftungsüberleitung auf den Staat durch Art. 34 GG für die den Beamten treffende Eigenhaftung geschaffen. Dadurch sollte nach dem ursprünglichen Verständnis die Entschlussfreudigkeit und Verantwortungs(übernahme)bereitschaft des Beamten wegen der zu befürchtenden finanziellen Haftungsrisiken gefördert werden70. Der BGH erkennt an, dass der Gesetzgeber die Subsidiaritätsklausel für die Eigenhaftung des Beamten vorgesehen hatte; damit der Staat von dieser Klausel nicht zu stark profitiert, wird der Anwendungsbereich dieser Haftungsbeschränkung durch eine restriktive Auslegung zunehmend eingeschränkt71. Das Verweisungsprivileg hat aber darü67

Pflüger, BADK Information, Ausgabe 3/2001, S. 94 ff. Maurer, Allg. VerwR., § 25 Rn. 6; Erichsen/Ehlers/Grzeszick, Allg. VerwR., § 42 Rn. 3. 69 Siehe dazu unten § 9 III. 3. d). 70 Erman/Hecker, § 839 Rn. 67; siehe auch Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 30. 71 Ossenbühl, NJW 2000, 2945 (2950); Erichsen/Ehlers/Grzeszick, Allg. VerwR., § 43 Rn. 33; siehe auch Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 31, in welchen Fällen nach der Rechtsprechung die Subsidiaritätsklausel nicht mehr anzuwenden ist. 68

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ber hinaus noch seine Daseinsberechtigung behalten, da der BGH an ihm grundsätzlich festhält und eine Einschränkung als Ausnahme besonderer Begründung bedarf72. Zudem sieht der BGH als Normzweck des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB die Entlastung der öffentlichen Hand an73. Ihre Berechtigung behält die Subsidiaritätsklausel schließlich auch noch dadurch, dass sie dann zur Anwendung kommt, wenn die Haftungsübernahme durch den Staat nicht eintritt und deshalb der Beamte nach § 839 BGB persönlich haftet74. Was das Spruchrichterprivileg gem. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB anbelangt, so ist zuzugeben, dass sich Funktion und Schutzrichtung geändert haben. Das noch bei Erlass der Vorschrift anklingende Ziel, die richterliche Unabhängigkeit zu schützen, ist – abgesehen von § 839 Abs. 2 S. 2 BGB – in den Hintergrund getreten. Die entscheidende Funktion des Richterprivilegs wird heute in der Gewährleistung des Rechtsfriedens durch die Rechtskraft richterlicher Entscheidungen gesehen75. Diese aktuelle Bedeutung zeigt, dass auch diese Haftungsbeschränkung für das geltende Recht – wenn auch unter anderen Vorzeichen – noch von Bedeutung ist. Bei schuldhaftem Nichtgebrauch eines Rechtsmittels wird die Ersatzpflicht nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Auch dafür wird ursprünglich mit ein Grund gewesen sein, dass durch diesen Haftungsausschluss zugleich auch der leistungsschwache Beamte entlastet werden sollte76. Die entscheidende Deutung wird heute aber in dem Vorrang des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gesehen. Danach muss der Geschädigte zunächst versuchen, den Eintritt des Schadens durch Klage vor einem Verwaltungsgericht zu verhindern. Gelingt ihm dies nicht oder ist der Schaden gleichwohl eingetreten, kann er dann Schadensersatz vor den Zivilgerichten einklagen. Der Satz „dulde und liquidiere“ gilt nicht mehr77. § 839 Abs. 3 BGB hat mithin eine neue aktuelle Bedeutung erlangt, die es verbietet, den Haftungsausschluss auf seine ursprüngliche Funktion zu reduzieren78. Nicht nachvollziehbar sind an dieser Stelle die Ausführungen von Mertens, der aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit der Erwägungen, auf denen die Haftungs72

Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 31; siehe auch Battis, Allg. VerwR., S. 321. BGHZ 13, 88 (104). 74 Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 31. 75 Detterbeck, Allg. VerwR., Rn. 1088. 76 Soergel/Vinke, § 839 Rn. 217; siehe auch Bettermann, DÖV 1954, 299 (304), der feststellt, dass der Grund für den Haftungsausschluss der gleiche wie bei § 839 Abs. 1 S. 2 BGB sein kann. 77 MünchKomm/Papier, § 839 Rn. 330; Erman/Hecker, § 839 Rn. 71; grundsätzlich zum Vorrang des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes BVerfGE 58, 300 ff. 78 Erichsen/Ehlers/Grzeszick, Allg. VerwR., § 43 Rn. 36, führt aus, dass die Vorschrift § 839 Abs. 3 BGB ursprünglich den Beamten schützen sollte, aber mit der Ausschöpfung des Verwaltungsrechtsschutzes auch unter den heutigen Verhältnissen einen Sinn hat. 73

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privilegien beruhen, nicht den Schluss zulässt, der Staat solle auch bei der Beweislastverteilung besser gestellt werden. Nicht einzusehen ist an dieser Argumentation, weshalb insoweit das Merkmal der Vergleichbarkeit ein ausschlaggebendes Kriterium für die Bewertung der Beweislastverteilung sein soll. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Privilegierungen des fahrlässig seine Amtspflicht verletzenden Beamten (bzw. der haftenden Körperschaft) durch die differenzierte Ausgestaltung der Haftungsbeschränkungen des § 839 BGB auch in der aktuellen Entwicklung des Amtshaftungsanspruches ihre Berechtigung beibehalten haben. Diese besonderen Haftungsbestimmungen dürfen nicht unterlaufen werden. Die durch die übergeleitete Beamtenhaftung scheinbar entstehenden Ungereimtheiten wurden durch richterrechtliche Ausformung und neue Begründungsansätze weitgehend ausgeräumt, zumindest aber abgeschwächt. Dies zeigt auch nicht zuletzt die Tatsache, dass sich etwaige Reformbestrebungen nicht durchsetzen konnten. Auf der anderen Seite vermag die einzig nähere Begründung des BGH zu § 836 BGB eine Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch nicht zu tragen und kann dementsprechend auch nicht als grundlegende Entscheidung für die Anwendung von Beweislastregeln im Rahmen von § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG angesehen werden. Im Gegensatz zu § 832 BGB enthält § 836 BGB nach einhelliger Auffassung keinen eigenständigen Tatbestand für die Haftung des Besitzers bei Schädigungen Dritter aufgrund mangelhafter Errichtung oder Unterhaltung eines Gebäudes oder Werkes79. § 836 BGB stellt vielmehr eine Konkretisierung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht speziell für Gebäudegefahren dar80. Die Eigenständigkeit der Regelung erschöpft sich daher in der Anordnung der Beweislastumkehr des § 836 Abs. 1 S. 2 BGB81. Entgegen den Ausführungen von Mertens lässt sich § 832 BGB deshalb gerade nicht in dem gleichen Sinne als Unterfall der allgemeinen Sicherungspflicht verstehen. Bei der Norm des § 832 BGB handelt es sich um einen eigenständigen Sondertatbestand im Verhältnis zu der allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass die Aufsichtspflicht über Aufsichtsbedürftige nicht unter die klassischen Gründe für das Entstehen einer Verkehrssicherungspflicht, wie vorangegangenes Tun, Bereichshaftung oder Übernahmehaftung, zu subsumieren ist82. Es geht in der Sache nicht um die faktische Beherrschbarkeit einer Gefahrenquelle, sondern um eine Aufsichtspflicht, die auf einer vordeliktsrechtlichen Pflichtenstellung gesetzlicher oder vertraglicher Art fußt83. Diese Analyse rechtfertigt es, der Rege79 80 81 82 83

Staudinger/Belling, § 836 Rn. 3; MünchKomm/Wagner, § 836 Rn. 3. Bamberger/Roth/Spindler, § 836 Rn. 1; Staudinger/Belling, § 836 Rn. 3. RGRK/Kreft, § 836 Rn. 3. Erman/Schiemann, § 832 Rn. 1. Staudinger/Belling, § 832 Rn. 2.

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lung des § 832 BGB eine Art Sonderstellung im Recht der unerlaubten Handlungen einzuräumen, die es verbietet, die Haftung des Aufsichtspflichtigen als Unterfall der für jedermann geltenden und auf § 823 Abs. 1 BGB beruhenden allgemeinen Sicherungspflicht zu begreifen. In der ersten zu § 833 S. 2 BGB ergangenen Entscheidung hat der BGH keine Begründung für die Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch geliefert, sondern lediglich auf sein zu § 18 StVG ergangenes Urteil verwiesen. Auch die Folgeurteile zur Tierhalterhaftung lassen eine Begründung vermissen. Der Verweis auf das Urteil zu § 18 Abs. 1 S. 2 StVG überzeugt insofern nicht, weil es sich bei § 18 StVG um eine Vorschrift für ein Sondergebiet, den Straßenverkehr, handelt. Aus diesem Urteil kann daher für die Verschuldenshaftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nichts hergeleitet werden84. b) Beweiserleichterungen im Rahmen des Amtshaftungsanspruches Auch die Erwägungen von Mertens, dass die Beweislastumkehr ihren rechtfertigenden Grund darin hat, dass dem Geschädigten regelmäßig der Nachweis der Aufsichtspflichtverletzung ohne Einblick in die internen Vorgänge beim Verpflichteten nicht möglich sein wird, überzeugt in dieser Allgemeinheit nicht. Zunächst rechtfertigt selbst im Anwendungsbereich des Privatrechts allein der Umstand, dass sich der Schädiger regelmäßig in einer beweisnäheren Position als der Geschädigte befindet, nicht die Annahme einer Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten. Obwohl auch im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB der Schädiger im Hinblick auf die Verletzungshandlung zwangsläufig der Sachnähere ist, wird eine generelle Beweislastumkehr abgelehnt85. Gerade bei Aufsichtspflichtverletzungen in öffentlichen Einrichtungen, bei denen ein geschädigter Dritter auch eine andere aufsichtsbedürftige Person aus der Einrichtung sein kann, leuchtet diese Argumentation wegen der möglichen Einblicke in die internen Abläufe nicht ein. Hier mangelt es bereits an einem ausreichenden Grund, von der Beweislastverteilung abzuweichen. Unabhängig davon werden bestehende Beweisschwierigkeiten im Rahmen des Amtshaftungsanspruches auf andere Weise gelöst. Zuzugeben ist, dass sich auch im Geltungsbereich hoheitlicher Tätigkeiten das Problem der Beweisbarkeit der Amtspflichtverletzung stellt. Dem Bürger ist es angesichts des anonymen Verwaltungsapparats und einer oft schwer durchschaubaren Arbeits- und Funktionsteilung in der Regel nicht möglich, gemäß der personalen Ausgestaltung der Amtshaftung den konkret verantwortlichen Beamten zu identifizieren und diesem ein Verschulden nachzuweisen86. Diesem Umstand hat die Rechtsprechung 84 85 86

BGHZ 13, 25 (27). Staudinger/Belling, § 832 Rn. 3; siehe auch Soergel/Spickhoff, § 823 Rn. 159. Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 77.

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– allerdings ohne eine generelle Beweislastumkehr anzunehmen – Rechnung getragen. Sie koppelt die Verschuldensprüfung durch einen Rückgriff auf die Figur des Organisationsverschuldens weitgehend von der individuellen Verantwortlichkeit des Amtsträgers ab87. Dies bewirkt eine Entindividualisierung und Objektivierung des Verschuldens im Rahmen der Amtshaftung88. Für die Feststellung des Sorgfaltsmaßstabes wird mithin objektiv-abstrakt auf den pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten abgestellt89. Aufgrund der Anerkennung des Organisationsverschuldens ist die Benennung des individuell verantwortlichen Amtsträgers, der eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat, daher nicht erforderlich. Ein weiteres Instrument, um dem Problem der mangelnden Beweisbarkeit im Rahmen des Amtshaftungsanspruches beizukommen, ist der Anscheinsbeweis90. Der Anscheinsbeweis ist zwar gesetzlich nicht geregelt, aber gewohnheitsrechtlich anerkannt91. Er erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern auf Grund von Erfahrungssätzen92. Praktische Bedeutung hat der Anscheinsbeweis überwiegend bei der Feststellung der Kausalität und des Verschuldens93. So hatte das OLG Celle einen Fall zu entscheiden, in dem es um eine Verletzung der Aufsichtspflicht (Amtspflicht) der Pausenaufsicht in einer öffentlichen Schule ging. Schüler warfen in einer Pause vom Schulhof Steine auf ein hinter der Schule parkendes Auto. Der Senat hat für den Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen schuldhafter Amtspflichtverletzung und Schaden den Grundsatz des Anscheinsbeweises angewendet. Er führt insofern aus, dass zwar grundsätzlich den geschädigten Kläger die Darlegungsund Beweislast für den Nichteintritt des Schadens treffe, wenn pflichtgemäß gehandelt worden wäre. Wenn jedoch die Amtspflichtverletzung und der Schaden feststehen und nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für deren ursächliche Verknüpfung bestehe, so sei es Sache des Amtsträgers bzw. der für ihn haftenden Körperschaft, diesen zunächst zu Grunde zu legenden Kausalzusammenhang zu widerlegen. Dementsprechend habe das beklagte Land darlegen und beweisen müssen, dass bei einer Aufsichtsführung durch zwei Lehrer – anstatt wie geschehen nur einer Lehrkraft – sich der Vorfall in gleicher Weise ereignet hätte, ohne dass er bemerkt oder unterbunden worden wäre94. Der Beweis des ersten Anscheins greift für den Nachweis des Verschuldens ein, wenn als Folge des Handelns oder Unterlassens des Amtsträgers ein ordnungswidriger Zustand 87 88 89 90 91 92 93 94

Soergel/Vinke, § 839 Rn. 186. Erman/Hecker, § 839 Rn. 60. Soergel/Vinke, § 839 Rn. 186. BGH VersR 1963, 856 (857); Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 969. Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284 Rn. 29. Siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 112 Rn. 16. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 286 Rn. 14. OLG Celle Nds.Rpfl 1985, 281 (283).

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festgestellt wird, der erfahrungsgemäß nur auf einer Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Erfüllung seiner Amtspflicht beruhen kann. Der Geschädigte kann sich dann darauf beschränken, die Amtspflichtverletzung und die Schädigung zu beweisen. Auch hieran wird deutlich, dass die Rechtsprechung – von den Fällen der Übertragung der Beweislastregeln der § 18 Abs. 1 S. 2 StVG, § 833 S. 2 BGB und § 836 Abs. 1 S. 2 BGB abgesehen – nicht eine Beweislastumkehr annimmt, sondern auf die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zurückgreift. Dieser ist auf dem Gebiet der Erfahrungssätze und der Beweiswürdigung angesiedelt; die Regelungen der Beweislast lassen den Anscheinsbeweis hingegen unberührt95. Auch hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden billigt die Rechtsprechungspraxis in Ausnahmefällen Beweiserleichterungen zu. Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hat der BGH einen speziellen Ausnahmefall anerkannt96. In diesem Fall hat ein durch Misshandlungen seiner Pflegeeltern geschädigtes unterernährtes Kind gegen den Träger des Jugendamtes einen Amtshaftungsprozess geführt. Als Amtspflichtverletzung macht der Kläger geltend, dass bei dem pflichtwidrig unterlassenen Hausbesuch des Jugendamtes in der Pflegefamilie das auffällige Untergewicht des betreuten Kindes erkannt und dadurch die eingetretenen Gesundheitsschäden verhindert worden wären. Bei Anlegung der allgemeinen Beweislastregeln müsste der Kläger darlegen und beweisen, dass der eingetretene Schaden ursächlich auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Der Senat hat in einer solchen Situation für eine erfolgreiche Beweisführung aber genügen lassen, wenn die nahe liegende Möglichkeit besteht, dass durch das hypothetische pflichtgemäße behördliche Verhalten der eingetretene Schaden vermieden worden wäre. In diesem Ausnahmefall ist die Beweisführung hinsichtlich der Kausalität gegenüber dem Exkulpationsbeweis im Rahmen von § 832 Abs. 1 S. 2 BGB erleichtert. Für den Entlastungsbeweis nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB genügt die bloße Möglichkeit, dass der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Aufsichtspflicht eingetreten wäre, nicht97. Aufgrund der Entindividualisierung und Objektivierung des Verschuldens sowie der Anwendung des Anscheinsbeweises besteht daher – was das Merkmal des Verschuldens betrifft – für die Anwendung der Beweislastumkehr im Rahmen der Amtshaftung kein Bedürfnis. Dies belegt auch die vergleichsweise geringe Relevanz des Verschuldenserfordernisses für die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage in der Praxis. Nach einer 1976 veröffentlichten rechtstatsächlichen Erhebung sind bei den ausgewerteten Staatshaftungsklagen lediglich 10,4% auf95 Schlemmer-Schulte, S. 12 f.; siehe auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Anh § 286 Rn. 15. 96 BGH ZfJ 2005, 167 (172). 97 Palandt/Sprau, § 832 Rn. 8.

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grund fehlenden Verschuldens erfolglos geblieben98. Auch im Rahmen der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden werden in eng begrenzten Ausnahmefällen Beweiserleichterungen zugelassen, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden99. Insoweit ist die Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch ebenfalls nicht notwendig, zumal die generelle Übertragung der Beweislastregel keinen Abweichungsspielraum im Einzelfall zulässt. c) Vermutung der Rechtmäßigkeit Neben der schon in § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3 BGB verankerten Begünstigung von fahrlässig ihre Amtspflicht verletzende Beamten gibt es einen weiteren sachlich gerechtfertigten Grund, weshalb die öffentliche Hand gegenüber privaten Trägern zu privilegieren ist. Dieser liegt erneut in der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht begründet. Aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – als übergeordnetem Verfassungsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG – folgt, dass Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde die Vermutung der Rechtmäßigkeit in sich tragen, solange nicht ihre Rechtswidrigkeit bindend festgestellt wurde100. Gerade daraus rechtfertigt sich die Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten dafür, dass die streitgegenständliche Amtshandlung schuldhaft verletzt wurde. In diesem Zusammenhang können die Ausführungen von Mertens, dass die ratio der Beweislastumkehr in § 832 BGB unabhängig davon greife, ob die Aufsichtspflicht dem Pflichtigen aufgrund eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses oder aber als Amtspflicht obliege, nicht überzeugen. Die Vermutung der Rechtmäßigkeit bringt es mit sich, dass der Pflichtige zunächst keine Rechenschaft darüber abzulegen hat, was er zur Erfüllung seiner Pflicht getan hat. Insofern greift für öffentlich-rechtliches Handeln auch nicht der Gedanke, der in den Gesetzesmaterialien zu § 832 BGB anklingt. Dem Wesen der öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht (Amtspflicht) entspricht es nicht, dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablegt, was er zur Erfüllung seiner Pflicht getan hat101. Dies entspricht lediglich allgemeinen zivilrechtlichen, nicht aber öffentlich-rechtlichen Grundsätzen, die ihren Niederschlag beispielsweise in § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. §§ 282, 285 BGB a. F. gefunden haben. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. § 282 BGB a. F. finden aber auf das Verschulden im Rahmen des Amtshaftungsanspruches grundsätzlich keine Anwendung102, da dies die struktu98

Lochte-Handjery, JuS 2001, 1186 (1189). Vgl. Scheffen/Pardey, Rn. 230. 100 RGRK/Kreft, § 839 Rn. 548; Staudinger/Schäfer, 12. Auflage, § 839 Rn. 484; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 402; Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 4; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 269; Tremml/Karger, Rn. 1094. 101 Vgl. zu § 832 BGB, Prot. II, S. 595. 102 Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 9. 99

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rellen Unterschiede zwischen der zivilrechtlichen Vertragshaftung und dem öffentlich-rechtlichen Amtshaftungsanspruch verbieten. Prütting103 unterscheidet in dieser Hinsicht lediglich zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen und führt an, dass im Rahmen der Beweislastverteilung für das Verschulden streng zu unterscheiden sei, ob es sich um vertragliche oder deliktische Ansprüche handele. Während § 280 Abs. 1 S. 2 BGB eine ausdrückliche Regelung vorsehe, sei im Rahmen unerlaubter Handlungen das Verschulden Teil der Anspruchsvoraussetzungen und grundsätzlich vom Geschädigten zu beweisen. Eine Analogie zu § 280 Abs. 1 S. 2 BGB sei im Deliktsrecht ausgeschlossen104. Wenn nun schon die Unterschiede zwischen Vertrags- und Deliktshaftung eine analoge Anwendung der Beweislastregel nicht erlauben, dann muss dies erst recht für den Fall von zwei unterschiedlichen Rechtsregimen gelten, da der Amtshaftungsanspruch dem öffentlichen Recht angehört. Von diesem Grundsatz gibt es im Rahmen des Amtshaftungsanspruches zwar auch eng begrenzte Ausnahmen105, jedoch sind diese weit entfernt davon, eine generelle Beweislastumkehr begründen zu können. d) Rechtsnatur der Beweislastnormen Nach Mertens lassen die gesetzlichen Haftungsprivilegien des § 839 BGB sowie der Vorteil, den Staat als leistungsfähigen Schuldner in Anspruch nehmen zu können, nicht den Schluss zu, dass der Staat auch bei der Beweislastverteilung besser zu stellen sei. Die Frage, wer hafte, habe mit der Frage, wer welche Haftungsvoraussetzungen darlegen und im Streitfalle beweisen müsse, nichts zu tun106. Wie zuvor erläutert, rechtfertigt bereits das öffentlich-rechtliche Handeln, vor dem Hintergrund des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Beweislastverteilung allein nach Maßgabe des § 839 BGB vorzunehmen. Die Ausführungen von Mertens berühren den Bereich der Rechtsnatur von Beweislastnormen. Zu klären ist daher, ob die Beweislastnormen dem Prozessrecht oder dem materiellen Recht zuzuordnen sind. Unter Zuordnung zum materiellen Recht ist dabei zu verstehen, dass die Beweislastnormen zum selben Rechtsgebiet gehören wie die Normen, um deren Anwendungsbereich es geht107. Obwohl diese theoretische Grundfrage bis heute umstritten ist, hat sich nach mittlerweile

103

MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 160. BGH NJW 1986, 2757 (2758); MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 160; siehe auch Medicus, SchuldR. I, Rn. 357; AnwK-BGB/vom Stein, § 839 Rn. 305. 105 BGHZ 3, 162 (174); BGH NJW 1952, 658 (659), für die Anwendung des § 282 BGB a. F. im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses; siehe dazu auch Bäumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, Bd. 1, § 839 Rn. 9. 106 So auch Marburger, VersR 1971, 777 (788). 107 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 137. 104

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herrschender Ansicht108 die Meinung durchgesetzt, dass die Beweislastnormen wegen ihres engen Sachzusammenhangs so zu behandeln sind wie Normen, deren tatbestandliche Anwendung unklar geblieben ist. Darüber hinaus spricht für die materielle Qualifikation, dass die Beweislastnormen nicht nur den Gang des Verfahrens, sondern den Inhalt der Entscheidung bestimmen109. Obwohl sich die Beweislastnormen als Entscheidungsnormen an den Richter wenden, haben sie mittelbar materiell-rechtliche Bedeutung für die Parteien110. Durch die außerprozessuale Bestimmung des Haftungsrisikos entscheidet die Beweislastverteilung über die Schadenszurechnung im Falle der Nichtbeweisbarkeit. Die Beweislastnorm wird damit zu einer Ergänzungsnorm des unklar gebliebenen Rechtssatzes. Sie bilden eine Art sekundäre materielle Zurechnungsordnung, die auf dem Weg über die rechtskraftfähige richterliche Entscheidung auch zu Verhaltensnormen für die Parteien führt. Übertragen auf die hier vorliegende Problematik würde es bei Anwendung des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen des § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG zu einer Verschärfung der Haftung des Staates und der Kommunen kommen. Die durch die Beweislast geregelte Risikoverteilung kann sich auch in der Sache nur aus dem Recht der jeweils anzuwendenden Materie ergeben111. Mit dem jeweiligen Rechtssatz ist die Beweislast eng verbunden und daher mitbestimmend für die wesentlichen Wertungen und Abwägungen, welche aus ihm für die Beweislastregel entnommen werden. Nur so lässt sich erklären, dass die zum materiellen Recht hinzutretenden Beweislastnormen den sachlichen Inhalt der richterlichen Entscheidung bestimmen, nicht aber das Verfahren zur Gewinnung der Entscheidung112. Allein die in den materiellen Gesetzen zu findenden Beweislastregeln machen deutlich, dass der Gesetzgeber die Rechtsgeltung nicht isoliert von der Rechtsverwirklichung und von Beweisproblemen sieht, sondern das Beweisrisiko in Einklang mit der materiell-rechtlichen Haftungsordnung zuweist. Damit sind aus theoretischer wie aus praktischer Sicht die Beweislastnormen Teil des Rechts der jeweils anzuwendenden Materie. Sie sind daher in der Sache (teilweise, im öffentlichen Recht größtenteils ungeschriebene) Tatbestandsmerkmale der materiellen Rechtssätze. Aufgrund des aufgezeigten engen Sachzusammenhangs rechtfertigt die Tatbestandsstruktur des Amtshaftungsanspruches mit seinen Haftungsbeschränkungen zugunsten des Beamten, die Beweislastverteilung zu Lasten der öffentlichen Hand abzulehnen. 108 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 137; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 114 Rn. 32; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 178; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Anh § 286 Rn. 2; Heinrich, FS Musielak, S. 229 (236 ff.); Laumen, NJW 2002, 3739 (3743). 109 Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 286 Rn. 54; siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 114 Rn. 33. 110 Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 114 Rn. 34; siehe für den Fall des groben Behandlungsfehlers Laufs/Uhlenbruck, Hdb. ArztR., § 110 Rn. 1. 111 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 138. 112 Siehe Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 177.

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e) Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 30.03.2006 Das OLG Karlsruhe hat sich in einer Entscheidung vom 30.03.2006113 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des OLG Köln gegen eine Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB ausgesprochen. In dieser Entscheidung verlangten die Kläger, die Eigentümer des an den Kindergarten angrenzenden und durch einen 1,80 m hohen Zaun abgetrennten Grundstückes waren, Schadensersatz von der beklagten Gemeinde wegen Aufsichtspflichtverletzungen der Erzieherinnen. Eine Gruppe von drei bis vier Kindern spielte auf der unteren Terrasse des Kindergartenaußengeländes, das von dem oberen Teil der Terrasse, auf dem sich die vier Erzieherinnen aufgehalten haben, nicht einsehbar war. Die Kläger behaupteten, dass die Kinder auf Bäume geklettert und von dort Steine und Holzstücke auf das Dach ihrer Pergola geworfen haben. Zunächst qualifiziert der Senat die Aufsichtspflicht als Amtspflicht im Sinne von § 839 BGB. Die Ungleichbehandlung zwischen einem beamteten Aufsichtspflichtigen gegenüber sonstigen Aufsichtspersonen sei de lege lata hinzunehmen. Unter Berufung auf die Entscheidung des BGH vom 15.03.1954114 schließt er sich der Auffassung an, dass die Haftung des Beamten in § 839 BGB selbständig und abschließend geregelt sei. Daher bliebe daneben weder Raum für die Anwendung der allgemeinen Deliktstatbestände der §§ 823 ff. BGB, noch für eine analoge Anwendung von § 832 BGB. Außerdem habe bereits der Gesetzgeber die Ausdehnung der Beweislastumkehr mit § 832 Abs. 2 BGB auf weitere Fälle ausdrücklich geregelt, dort aber bewusst von der besonderen Voraussetzung eines Übernahmevertrages abhängig gemacht. Nach Ansicht des Senats ist entgegen der Auffassung des OLG Köln auch nicht davon auszugehen, dass die Entscheidung des BGH zur abschließenden Regelung des § 839 BGB zwischenzeitlich überholt sei. Bei den vom BGH im Rahmen des § 839 BGB herangezogenen §§ 833 S. 2, 836 Abs. 1 S. 2 BGB handele es sich im Gegensatz zu § 832 BGB um Beweislastregeln, nicht aber um selbständige Deliktstatbestände. Die Besserstellung des beamteten Aufsichtspflichtigen habe auch keine nicht hinnehmbare Ungleichbehandlung zur Folge, da die Begünstigung (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3 BGB) gesetzlich festgeschrieben und § 839 BGB auch dann begründet sei, wenn die §§ 823 ff. BGB nicht verwirklicht seien. An dieser Entscheidung zeigt sich auch die praxiserhebliche Auswirkung der Nichtübertragbarkeit der Beweislastregel in § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch. Das OLG Karlsruhe stellt fest, dass die Erzieherinnen jedenfalls nicht verpflichtet waren, die Kinder von der unteren Terrasse des Kindergartens fernzuhalten oder sie dort ununterbrochen im Auge zu behalten. Es fehlt an der Darlegung der Kläger, dass bereits vor Duldung des Wegganges der 113 114

OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 ff. BGHZ 13, 25 ff.

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§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB

Kinder in den nicht einsehbaren unteren Teil des Kindergartengeländes ein konkreter Anlass für die Annahme einer Gefährdung fremden Eigentums bestand. Ein Grund zum Einschreiten hatten die Erzieherinnen erst dann, als sie die angeblichen Steinwürfe bemerkten bzw. hätten bemerken müssen. Gerade für diesen Fall haben die Kläger jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass ein solches Unterlassen für den Schaden ursächlich geworden wäre. Es ist dann gerade nicht auszuschließen, dass die Schäden schon bei den ersten Würfen entstanden sind und damit zu einem Zeitpunkt, als eine Pflicht zum Einschreiten noch nicht bestand. Bleiben Zweifel, ob die behauptete Amtspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden ist, geht dies zu Lasten der im Rahmen von § 839 BGB darlegungs- und beweispflichtigen geschädigten Kläger. f) Zwischenergebnis Festzuhalten bleibt, dass es mehrere plausible Gründe gibt, die – auch über die konkrete Entscheidung des OLG Köln hinaus – gegen eine Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch sprechen. Das geltende Recht hat für hoheitliche Amtspflichtverletzungen mit dem Amtshaftungsanspruch einen abschließenden Sondertatbestand geschaffen, der eine verschuldensabhängige Haftung ohne Beweislastumkehr vorschreibt. Dieses öffentlich-rechtliche Haftungsregime zeichnet sich in seiner Tatbestandsstruktur durch die Begünstigung von fahrlässig handelnden Beamten aus. Dementsprechend findet eine schuldbefreiende Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG auf den Staat statt. In diesem Zusammenhang sind legitimerweise auch die fiskalpolitischen Auswirkungen einer Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch zu berücksichtigen. Eine Regelung zu treffen, die finanziell weit reichende Auswirkungen auf die Haushalte aller öffentlichen Hände hat, ist wegen des Prinzips der Gewaltenteilung sowie der Wesentlichkeitstheorie allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Diese eindeutige verfassungsrechtliche Zuweisung verbietet letztlich aus rechtsstaatlichen Erwägungen eine richterrechtliche Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch. Ein weiterer Grund, der die Privilegierung der Beamten rechtfertigt, ist die Rechtmäßigkeitsvermutung von Verwaltungshandeln. Auch die Rechtsnatur der Beweislastnormen bestätigt das gefundene Ergebnis, da der enge Sachzusammenhang zwischen Beweislastregel und materiellem Rechtssatz mit seinen Haftungsbeschränkungen zugunsten des Beamten es rechtfertigt, die Beweislastverteilung zu Lasten der öffentlichen Hand abzulehnen. Der Fehlgriff einer solchen Anwendung mit seinen weit reichenden fiskalischen Konsequenzen wird insbesondere deutlich, wenn man bedenkt, dass es in dem Bereich der staatlichen Schule dann keine Verschuldenshaftung mehr gibt, sondern die für den Geschädigten günstige Vermutung einer schuldhaften Amtspflichtverletzung und deren Kausalität für den eingetretenen Schaden gilt. Ge-

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rade im Bereich der öffentlichen Schule wird ein Schadensersatzanspruch wegen Aufsichtspflichtverletzung ausschließlich nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG geprüft. Der BGH hat einen Anspruch aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis mit der Anwendung der vertraglichen Beweislastregeln daneben ausdrücklich abgelehnt115. Schlussendlich ist festzuhalten, dass der Amtshaftungsanspruch wie kaum eine andere positiv-rechtlich geregelte Rechtsmaterie richterrechtlich geprägt ist, so dass schon aus Gründen der Rechtssicherheit von weiterer richterlicher Rechtsfortbildung Abstand genommen werden sollte. Auch das OLG Karlsruhe setzt sich ansatzweise mit der Entscheidung des OLG Köln auseinander und fasst in seiner Entscheidung einige Gründe, die gegen die Anwendbarkeit von § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 839 BGB sprechen zusammen, allerdings ohne sich vertieft den im öffentlichen Recht wurzelnden Gründen und Konsequenzen zu widmen. Die Frage der Übertragung der Beweislastregeln auf den Amtshaftungsanspruch beschränkt sich zudem nicht auf einen lediglich theoretischen Meinungsstreit, sondern hat – wie das Urteil des OLG Karlsruhe verdeutlicht – gerade auch praxisbedeutsame Auswirkungen.

3. Rechtsmethodische Übertragung der Beweislastregeln auf den Amtshaftungsanspruch Festzustellen ist, dass sich lediglich in den Entscheidungen des BGH vom 24.02.1959 zu § 18 StVG116 und vom 05.04.1990 zu § 836 BGB117 eine Begründung für die Anwendung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch findet. Offen bleibt demgegenüber, mit welcher Methode der Rechtsauslegung das Gericht dem Kläger zu der für ihn günstigen Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch verholfen hat. Den Ausführungen in den Entscheidungsgründen des BGH vom 24.02.1959 ist zu entnehmen, dass die Haftung nach § 18 StVG zwar an sich besteht, aber im Rahmen des Art. 34 GG auf den Staat übergeht. Dies hat zur Folge, dass der Beamte, der als Führer eines Kraftfahrzeuges bei der Teilnahme am öffentlichen Verkehr eine Amtspflichtver115 BGH NJW 1963, 1828 f.: In diesem Fall ging es um die Verletzung der Fürsorgepflicht eines Schulträgers für die Gesundheit der Schüler. Der Senat hat hier als Haftungsgrundlage § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG angenommen, für den die Beweislastregelung nach den Bestimmungen über unerlaubte Handlungen gilt. Das Gericht führt weiter aus, dass zwischen dem Schulträger und dem Schüler trotz Vorhandenseins der Fürsorgepflicht kein Rechtsverhältnis bestehe, auf das Regeln des vertraglichen Schuldrechts, mit der Folge, dass die Beweislast bei Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Fürsorgepflichtverletzung für den geschädigten Schüler erleichtert würde, unmittelbar oder sinngemäß Anwendung finden können; vgl. auch BGH VersR 1978, 281 (282 f.). 116 BGH VersR 1959, 455 ff. 117 BGH NJW-RR 1990, 1500 f.

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letzung begangen hat, die Verschuldensvermutung des § 18 StVG zu widerlegen hat118. Ansonsten geht die Verschuldenshaftung auf den Staat über. Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 04.06.1992119 und vom 21.01.1993120 die persönliche Haftung des Beamten bei einem Verkehrsunfall mit einer etwas abweichenden Begründung verneint. Hiernach haftet der Fahrzeugführer aus § 18 StVG nicht, weil die Ersatzpflicht im hoheitlichen Funktionskreis von § 839 BGB verdrängt wird, wobei hier nicht ausdrücklich von einer Anwendung der Beweislastregel des § 18 Abs. 1 S. 2 StVG auf den Amtshaftungsanspruch gesprochen wird121. Maurer122 stellt fest, dass es im Rahmen von § 18 StVG zwei verschiedene Begründungsansätze – Verdrängung oder Übergang der Verschuldenshaftung – gibt, die eine persönliche Haftung des Beamten nach § 18 StVG entfallen lassen; weitere Ausführungen zu dem methodischen Vorgehen oder aber zu möglichen Konsequenzen hinsichtlich der Überbürdung der Beweislast aufgrund der unterschiedlichen Begründungsansätze macht er leider nicht. Auch in der Entscheidung zu § 833 BGB findet sich der Satz, dass die Anspruchsgrundlage des § 833 S. 2 BGB durch die Spezialbestimmung des § 839 BGB verdrängt wird, wenngleich es bei der Beweislastregelung des § 833 S. 2 BGB sein Bewenden hat. Es drängt sich deshalb die Frage auf, mit welcher methodischen Regel die Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch „übertragen“ werden kann. In der Kommentarliteratur 123 und in der Rechtsprechung124 findet sich lediglich der Satz, dass § 839 BGB lex specialis zu den übrigen allgemeinen Haftungstatbeständen der §§ 823 ff. BGB ist. Ohne nähere Begründung wird in der Kommentarliteratur sodann festgestellt, dass die gesetzlichen Schuldvermutungen auch im Amtshaftungsprozess gelten. a) Gesetzeskonkurrenz Zu untersuchen ist zunächst, ob sich die Anwendung der deliktischen Beweislastregelungen auf den Amtshaftungsanspruch mit dem Instrumentarium der Gesetzeskonkurrenz bewerkstelligen lässt. Ein Lebenssachverhalt kann die Tatbestände verschiedener anspruchsbegründender Normen erfüllen. Zu klären ist 118 BGH VersR 1966, 732; OLG Nürnberg NVwZ 2001, 1324; Geigel/Kapsa, Kap. 20 Rn. 234; Mertens Anm. zu Urteil OLG Köln vom 20.05.1999, MDR 1999, 997 (998). 119 BGHZ 118, 304 (311). 120 BGHZ 121, 161 (167). 121 So auch Ipsen, Allg. VerwR., § 20 Rn. 1299; Ossenbühl, StaatshaftungsR., S. 117. 122 Maurer, Allg. VerwR., § 26 Rn. 45. 123 Erman/Hecker, § 839 Rn. 5; Soergel/Vinke, § 839 Rn. 12; Staudinger/Wurm, § 839 Rn. 34. 124 BGH NJW-RR 1990, 1500 (1501); OLG Hamm VersR 1998, 495 (496); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 661; BGH VersR 1972, 1047 (1048).

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dann, ob nur eine Norm zur Anwendung kommt oder mehrere Normen in Anspruchskonkurrenz nebeneinander bestehen. Wenn eine Norm als lex specialis anzusehen ist, dann spricht man von einer sog. Gesetzeskonkurrenz oder normverdrängenden Konkurrenz125. Diese ist dann gegeben, wenn der Gesetzgeber aus dem Kreis der durch die generelle Norm erfassten Fälle eine engere Gruppe aussondert, etwa weil sie einer abweichenden oder differenzierteren Regelung bedarf. Der dann in der speziellen Norm geregelte Fall hebt sich damit von dem Tatbestand der generellen Norm ab. Die spezielle Regelung verdrängt dann für ihren Anwendungsbereich den allgemeineren Tatbestand126. Angewandt auf die der Arbeit zugrunde liegende Problematik der Konkurrenz von Amtshaftung und allgemeiner Deliktshaftung bedeutet dies, dass der Gesetzgeber mit dem Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG einen speziellen Tatbestand geschaffen hat, der dann gegeben ist, wenn durch die Ausübung hoheitlicher Gewalt eine unerlaubte Handlung begangen wurde, die dem Staat zuzurechnen ist127. Die methodische Konsequenz daraus wäre, dass § 839 BGB für seinen speziellen Anwendungsbereich die anderen Deliktstatbestände der §§ 823 ff. BGB verdrängt128. Die Beweislastregelungen sind nicht nur formal Teil des Tatbestandes, sondern auch in der Sache Tatbestandsmerkmale der materiellen Rechtssätze129. Deshalb müsste bei Anwendung der normverdrängenden Konkurrenz dann auch die Beweislastregelung verdrängt werden. Dies gilt insbesondere für die Vorschrift des § 836 BGB, deren eigenständige Anordnung sich in der Beweislastregel des § 836 Abs. 1 S. 2 BGB erschöpft130. Die Vorschriften § 18 StVG und § 833 BGB sehen in ihrem jeweiligen Satz 2 eine Verschuldenshaftung mit einer Beweislastumkehr vor, die sich unmittelbar auf die in Satz 1 geregelte Gefährdungshaftung bezieht. Sie stellen selbständige Tatbestände dar, die nicht auf das Vorliegen einer Beweislastregel reduziert werden dürfen. Nach der Rechtsprechung des BGH zu den Beweislastregeln der § 18 StVG, §§ 833, 836 BGB verdrängt der spezielle den allgemeinen Tatbestand wegen der bestehen bleibenden Beweislastregel nur teilweise, um dann die Beweislastregel des verdrängten allgemeineren Tatbestandes auf den Sondertatbestand der Amtshaftung anzuwenden. Den Regeln der Gesetzeskonkurrenz folgend, müsste vielmehr der spezielle Amtshaftungsanspruch, der als Verschuldenshaf125

Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 18 Rn. 19. Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 18 Rn. 20. 127 Erman/Hecker, § 839 Rn. 1; Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 18 Rn. 21; Detterbeck/ Windthorst/Sproll, StaatshaftungsR., § 8 Rn. 7. 128 Larenz/Wolf, Allg. Teil, § 18 Rn. 21, der ausführt, dass der Zweck des § 839 BGB, die Amtspflichtverletzung nur nach dieser Bestimmung (ggfs. mit Art. 34 GG) und nicht nach §§ 823 ff. BGB zu beurteilen, dazu führe, dass § 839 BGB für seinen Anwendungsbereich die anderen Deliktstatbestände der §§ 823 ff. BGB verdränge. 129 Siehe Ausführungen oben in § 9 III. 2. d). 130 Siehe Ausführungen oben in § 9 II. 3. 126

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tung ohne Beweislastumkehr ausgestaltet ist, die übrigen Tatbestände vollständig verdrängen. Dafür spricht, dass in der juristischen Methodenlehre der Fall einer „verdrängungsresistenten Beweislastregel“ in der Form einer begrenzt normativen Derogationswirkung in dem Bereich der Gesetzeskonkurrenz offenbar so nicht bekannt ist131. Lediglich bei der Vorschrift des § 832 BGB, die aufgrund der Beweislastregel in S. 2 in ihrer Normstruktur mit den Normen § 18 StVG, §§ 833, 836 BGB vergleichbar ist, werden die Grundsätze der Gesetzeskonkurrenz von der Ansicht, welche die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen des § 839 BGB nicht für anwendbar halten, folgerichtig und konsequent angewendet. § 832 BGB stellt einen selbständigen Haftungstatbestand für die Verletzung von privatrechtlichen Aufsichtspflichten dar132, der eine Verschuldensvermutung zu Lasten des Aufsichtspflichtigen vorsieht. Diese wird jedoch mitsamt dem Tatbestand von dem spezielleren Amtshaftungstatbestand verdrängt. Konsequent heißt es daher in der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 18.12.1997133, in welcher die einschlägige Haftungsgrundlage § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG ist: „Damit wird dem Aufsichtspflichtigen jedoch im Rahmen eines Anspruches nach § 839 BGB nicht der Entschuldigungsbeweis des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auferlegt; diese Beweisregel kann keine Anwendung finden, da die Amtshaftung in § 839 BGB abschließend und selbständig geregelt ist.“ Ebenfalls zum Verhältnis von § 839 BGB zu § 832 BGB führt der BGH in seiner Entscheidung vom 15.03.1954 aus: „Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts ist die Haftung der Beamten in § 839 BGB abschließend und selbständig in dem Sinn geregelt, dass neben diesen Vorschriften die Bestimmungen in § 823 ff. BGB über die allgemeine Deliktshaftung keine Anwendung finden können. Das gilt auch für die Bestimmungen in § 832 BGB, die nicht nur eine Beweisregel enthalten, sondern einen selbständigen Deliktstatbestand schaffen134.“ Auch das OLG Karlsruhe stellt in einem Urteil fest, dass die Haftung des Beamten in § 839 BGB selbständig und abschließend geregelt sei und für die Anwendung der allgemeinen Deliktstatbestände in §§ 823 ff. BGB keinen Raum lasse. Diese abschließende Regelung stehe deshalb auch einer analogen Anwendung von § 832 BGB im Rahmen der Amtshaftung entgegen135. Lediglich die Rechtsprechung zu § 832 BGB, welche die Beweislastregel in § 832 Abs. 1 S. 2 BGB nicht auf § 839 BGB überträgt, ist mit den Grundsätzen der normverdrängenden Konkurrenz vereinbar. Zu überprü-

131 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff.; Bydlinski, S. 572 ff.; Wank, S. 111 ff.; Engisch, S. 209 ff. 132 Berning, JA 1986, 12 (14). 133 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1620; so auch OLG Düsseldorf FamRZ 1996, 803. 134 BGHZ 13, 25 (28). 135 OLG Karlsruhe OLGR 2006, 426 (427).

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fen bleibt, ob die Abweichung von der gesetzlichen Beweislastverteilung nach den übrigen Regeln der Methodenlehre gerechtfertigt werden kann. b) Analoge Anwendung der Beweislastregeln Bei der Entscheidung die § 836 BGB betrifft, führt der BGH aus, dass für eine unmittelbare Anwendung der allgemeinen deliktsrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 823 ff. BGB neben § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG kein Raum sei, weil § 839 BGB einen Sondertatbestand darstelle136. Aufgrund dieser Formulierung könnte man an eine Übertragung der Beweislastregel durch eine analoge Anwendung denken. Die Beweislastregeln können wie alle materiellen Normen analog angewendet werden137. Eine Analogie liegt vor, wenn ein für einen ähnlichen Sachverhalt in einer einzelnen Gesetzesvorschrift (Einzelanalogie) oder in mehreren Vorschriften (Gesetzesanalogie) enthaltener konkreter Gesetzeszweck auf einen nicht geregelten Sachverhalt übertragen wird138. Fraglich ist bereits, ob die geforderte Ähnlichkeit der Sachverhalte besteht. Die Ähnlichkeit könnte sich aufgrund der auch bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses gegebenen öffentlichen Bindungen und des damit bestehenden nahezu gleichen Inhalts der privatrechtlichen und der öffentlichrechtlichen Aufsichtspflicht ergeben. Der Inhalt der Aufsichtspflicht beschreibt allerdings nur den Kriterienkatalog zur gehörigen Erfüllung der Aufsichtspflicht als Tatbestandsmerkmal, sagt aber noch nichts darüber aus, welche Haftungsgrundlage einschlägig ist. Das Haftungsregime hängt von der Eröffnung des Anwendungsbereiches der jeweiligen Norm ab. Hierfür ist wiederum entscheidend, ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gehandelt wurde. Die inhaltlichen Anforderungen an die Aufsichtspflicht geben zu der allein entscheidenden Frage, ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gehandelt wurde, keinerlei Aufschluss. Aufgrund des unterschiedlichen Anwendungsbereiches der Haftungsnorm – öffentliches oder privates Recht – und der Tatsache, dass der Inhalt der Pflicht für die Einordnung keine Bedeutung hat, ist die Rechtsähnlichkeit abzulehnen. Abgesehen davon bestehen erhebliche Zweifel, ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Eine Lücke liegt dann vor, wenn eine bestimmte, nach dem Regelungsplan oder dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes zu erwartende Regel fehlt139. Der Amtshaftungsanspruch ist vom Gesetzgeber als Verschuldenshaftung ausgestaltet worden. Eine Beweislastumkehr ist – im Gegensatz zu anderen Haftungstatbeständen im Deliktsrecht – nicht vorgesehen. Somit ist von der 136

BGH NJW-RR 1990, 1500 (1501). Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 114 Rn. 14; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284 Rn. 17; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 286 Rn. 86a. 138 Larenz, Methodenlehre, S. 381. 139 Larenz, Methodenlehre, S. 375. 137

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sog. negativen Grundregel der Beweislast auszugehen, wonach jede Partei die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihr günstigen Norm trägt140. Eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke ist damit nicht ersichtlich. Zu beachten ist schließlich, dass die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB die Beweislast prinzipienwidrig umkehrt und damit eine Ausnahmevorschrift darstellt, ein Grund, der zusätzlich gegen eine Analogiefähigkeit des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB spricht. Nicht zuletzt ist das Prozessrisiko der Parteien zu berücksichtigen, welches kalkulierbar bleiben muss. Nach allem scheidet die Analogie für die Übertragung der deliktischen Beweislastregeln auf den Amtshaftungsanspruch aus. c) Sinngerechte Auslegung des materiellen Rechts Eine weitere Möglichkeit, die Anwendung der Beweislastnormen auf den Amtshaftungsanspruch zu rechtfertigen, ist die sinngerechte Auslegung der Wertungen des materiellen Rechts und der für die Beweislastverteilung maßgeblichen sachlichen Gründe141. In der Entscheidung zu § 836 BGB lässt der BGH dafür allerdings keine sachlichen Gründe erkennen. Der BGH deutet in den Entscheidungsgründen zu § 18 StVG an, dass die Beweislastumkehr zu Lasten des Kraftfahrzeugführers bestehen bleiben müsse, weil diesem nach Auffassung des Gesetzgebers eine Aufklärung des Unfallhergangs und der Verantwortung eher zuzumuten sei als dem Verkehrsopfer142. Hier klingt der sachliche Grund der Beweisnähe an. Wie bereits oben in § 9 III. 2. b) ausgeführt, wird im Rahmen des Amtshaftungsanspruches diesem Problem mit Beweiserleichterungen zugunsten des Geschädigten begegnet. Gerade auch das grundsätzliche Prinzip, wonach die Beweislastverteilung den Normzweck der jeweiligen materiellen Norm sichern und erhalten soll, verbietet eine Übertragung der Beweislastregeln. Für öffentlich-rechtliches Handeln eines Beamten ist § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG die Spezialnorm, die keine Umkehrung der Beweislast vorsieht. Diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers ist zu beachten. d) Richterliche Rechtsfortbildung Letztlich liegt aufgrund des Umstandes, dass die Übertragung der Beweislastregel für die Fälle der Aufsichtshaftung eine Beweislastumkehr zu Lasten der öffentlichen Hand bewirkt, methodisch ein Problem der richterlichen Rechtsfortbildung vor. Der Begriff des Richterrechts bezeichnet alle Entscheidungsnormen 140 BVerfG NJW 1979, 1925 (1928); Schlemmer-Schulte, S. 24; siehe auch Zöller/ Greger, ZPO, Vor § 284 Rn. 17. 141 MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 117. 142 BGH JZ 1960, 174 (175).

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(Wertmaßstäbe), die ohne wertende, gebotsbildende Akte des Richters dem Gesetz nicht entnommen werden können143. Es müssen die allgemeinen Anforderungen an eine richterliche Rechtsfortbildung vorliegen, die strengen Voraussetzungen und Grenzen unterliegt144. Eine Abänderung der Gesetzeslage setzt zunächst die Darlegung einer zwingenden Notwendigkeit der Abweichung vom Gesetzestext sowie eine generelle Regelbildung voraus145. Für den Fall der Aufsichtshaftung mangelt es in dem Urteil des OLG Köln bereits an einer ausreichenden Darlegung des Erfordernisses einer Abweichung vom Gesetzestext. Allein die ohne nähere Begründung erfolgende Feststellung, dass kein plausibler Grund zu erkennen sei, warum § 832 Abs. 1 S. 2 BGB nicht ebenso wie §§ 833 Abs. 2, 836 Abs. 1 S. 2 BGB im Rahmen des § 839 BGB entsprechend heranzuziehen sei, genügt den strengen Voraussetzungen richterlicher Rechtsfortbildung nicht. Eine zwingende Abänderung der Gesetzeslage gebieten auch nicht die beim geschädigten Dritten auftretenden Beweisschwierigkeiten. Zum einen verliert dieses Argument bei der Schädigung eines internen Dritten zumindest an Überzeugungskraft; zum anderen stellt sich das Problem der fehlenden Beweisnähe im Rahmen des für unerlaubte Handlungen geltenden Verschuldensprinzips für geschädigte außenstehende Dritte regelmäßig. Zusätzlich steht de lege lata die ausdifferenzierte Tatbestandsstruktur des Amtshaftungsanspruches unüberwindbar entgegen. Die unterschiedliche Beweislastverteilung rechtfertigt sich zudem aus der Unterscheidung zwischen privatrechtlichem und öffentlich-rechtlichem Handeln der Aufsichtsperson, die nicht durch Richterrecht eingeebnet werden darf. Aus der Voraussetzung der zwingenden Notwendigkeit der Abweichung folgt zusätzlich, dass die richterliche Rechtsfortbildung dann unzulässig ist, wenn bereits Beweiserleichterungen zum Ziel führen146. Es wurde gezeigt, dass im Rahmen des Amtshaftungsanspruches Beweiserleichterungen weitaus flexibler zu angemessenen Lösungen führen147. Dies stellt das OLG Köln bereits selbst unter Beweis, indem der Senat die Zulassung der Revision deshalb ablehnt, weil er bei Anwendung von Beweiserleichterungen im Rahmen von § 839 BGB am Ende zu demselben Ergebnis gelangt148. Daher verbietet sich bereits aus diesem Grund die Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch. Ferner bestehen auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Annahme einer Beweislastumkehr durch Richterrecht. Die richterrechtliche Abweichung muss sich innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen möglicher richterrecht143 144 145 146 147 148

Rüthers, Rn. 235. Musielak/Foerste, ZPO, § 286 Rn. 37. MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 123; Leipold, S. 22. Musielak/Foerste, ZPO, § 286 Rn. 37; Laumen, NJW 2002, 3739 (3743). Oben § 9 III. 2. b). OLG Köln NVwZ-RR 2000, 75 (76).

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§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB

licher Rechtsfortbildung bewegen. Nicht nur durch Richterrecht geschaffenes materielles Recht, sondern auch die richterrechtliche Abweichung von der gesetzlichen Beweislastverteilung muss mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar sein149. Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung zählen insbesondere der Gesetzesvorbehalt der Wesentlichkeitstheorie sowie das Gewaltenteilungsprinzip150. Die Wesentlichkeitstheorie ist ein Teil des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalts151. Sie hat die Funktion, dem Parlament die Kompetenz zur Regelung der grundlegenden und grundrechtssensiblen Fragen der gesellschaftlichen und sozialen Ordnung zu sichern. Die Regelung oder Entscheidung wesentlicher Fragen durch die Judikative widerspricht der im Demokratiegebot enthaltenen Forderung, dass die parlamentarische Volksvertretung der entscheidende Machtfaktor im Staat sein muss. Insoweit muss auch der hohe verfassungsrechtliche Rang der richterlichen Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG), der aus dem Demokratieprinzip und dem rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzip folgt, als Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung Beachtung finden. Neben den grundlegenden Entscheidungen mit Grundrechtsrelevanz findet der Gedanke der Wesentlichkeitstheorie auch dann Anwendung, wenn fundamentale Grundsatzentscheidungen die gesamtgesellschaftlichen Grundlagen gestalten oder die tragenden Prinzipien der Verfassung im institutionell-organisatorischen Bereich berührt sind152. Da die Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch erhebliche fiskalpolitische Auswirkungen auf die Haushalte aller öffentlichen Hände hat153, ist eine solche Regelung nach der Wesentlichkeitstheorie und dem Prinzip der Gewaltenteilung allein dem Gesetzgeber vorbehalten154. Art. 110 Abs. 2 GG und die Parallelbestimmungen der Landesverfassungen verlangen für finanzwirksame Leistungen eine formalgesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Auf kommunaler Ebene ist dafür eine Satzung erforderlich. Ohne die geplante Bereitstellung entsprechender Mittel im Haushaltsplan ist eine weitere Verschuldung des Staates zu erwarten, welche letztlich die bestehenden Handlungsspielräume für den sozialen Leistungsstaat erheblich verengt. Selbst für die Frage der Geltung des Gesetzesvorbehalts in der Leistungsverwaltung wird zumindest die regelmäßige Bereitstellung entsprechender Mittel im Haushaltsplan verlangt155.

149 Siehe Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Anh § 286 Rn. 9; Reinhardt, NJW 1994, 93 (96 ff.). 150 Rüthers, Rn. 254, 960. 151 Rüthers, Rn. 254; Isensee/Kirchhof/Ossenbühl, HStR Bd. III, § 62 Rn. 42. 152 Stein/Frank, StaatsR., S. 155; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 114; Schwacke/ Schmidt, StaatsR., Rn. 251. Die Entscheidung des VerfGH NW NJW 1999, 1243 ff. betrifft die Zusammenlegung des Justizministeriums mit dem Innenministerium in NW. 153 Siehe oben § 9 III. 2. 154 Schwacke/Schmidt, StaatsR., Rn. 251; Dreier/Schulze-Fielitz, Art. 20 Rn. 114. 155 Degenhart, StaatsR. I, Rn. 300.

III. Übertragbarkeit der Beweislastregelung

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e) Ergebnis Die methodische Rechtfertigung der Übertragung der Beweislastregeln auf den Amtshaftungsanspruch ist prima facie – insbesondere wegen der schwachen oder gar fehlenden Begründung in Rechtsprechung und Literatur sowie der mangelnden Transparenz hinsichtlich des methodischen Vorgehens – zumindest problematisch. Jedenfalls ist die einschlägige Rechtsprechung nicht geeignet, die Grundlage für eine weitere Abweichung von der gesetzlichen Beweislastverteilung zu bilden. Die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB vermag die Beweislast im Rahmen des Amtshaftungsanspruches nicht contra legem umzukehren. Insgesamt reichen die Überlegungen des OLG Köln und von Mertens nicht aus, um stichhaltig und methodisch sauber zu begründen, warum eine Abweichung vom Gesetzestext zwingend notwendig ist. Demgegenüber besteht eine Reihe von nicht nur materiell-rechtlichen, sondern letztlich auch methodischen und verfassungsrechtlichen Gründen, die gegen eine Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch sprechen. Aufschlussreich ist schließlich der Befund, dass auch in der Rechtsprechungspraxis weitere Urteile fehlen, die sich dem Urteil des OLG Köln anschließen und es argumentativ weiter entwickeln.

4. Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung a) Auswirkungen im Allgemeinen Hinsichtlich der konkreten Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung von öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Wahrnehmung der Aufsichtspflicht ist erneut im Hinblick auf den geschädigten Dritten zu unterscheiden. Wie bei der Haftung von öffentlichen Einrichtungen ausgeführt, steht dem geschädigten aufsichtsbedürftigen internen Dritten sowohl bei privatrechtlicher als auch bei öffentlich-rechtlicher Aufsichtspflichtverletzung regelmäßig ein vertraglicher Anspruch zur Seite. Aus der privatrechtlichen Haftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 280 Abs. 1 BGB analog im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses folgt die Anwendung der Verschuldensvermutung § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch wenn sich die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich auf das Verschulden bezieht, wohingegen § 832 Abs. 1 S. 2 BGB eine doppelte Beweislastumkehr hinsichtlich Aufsichtspflichtverletzung und Kausalität vorsieht, so folgt aus der vertraglichen Beweislastregel für den geschädigten internen Dritten eine Entschärfung hinsichtlich der unterschiedlichen Verteilung der Beweislast im Rahmen der § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Der vertragliche Anspruch, der hinsichtlich des Verschuldens einen Entlastungsbeweis der Aufsichtsperson verlangt, greift neben der deliktischen Aufsichtshaftung aus § 832 BGB bzw. dem Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG.

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§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB

Bei der Schädigung eines einrichtungsfremden externen Dritten wirkt sich wegen fehlender vertraglicher Ansprüche die unterschiedliche Beweislastverteilung bei öffentlich-rechtlicher bzw. privatrechtlicher Aufsichtshaftung dann entscheidend aus, wenn im Rahmen des Amtshaftungsanspruches keine Beweiserleichterungen Anwendung finden. b) Besonderheiten im Rahmen der Aufsichtshaftung in psychiatrischen Kliniken Zu untersuchen bleibt, ob die unterschiedliche Beweislastverteilung im Rahmen der Schädigung Dritter durch aufsichtsbedürftige psychisch Kranke gegenüber den zuvor beschriebenen Auswirkungen aufgrund der in Arzthaftungsprozessen entwickelten Beweislastgrundsätze durch Übertragung auf den Amtshaftungsanspruch abgemildert ist. Der Arzthaftungsprozess ist einer der bedeutsamsten Anwendungsfelder judizieller beweisrechtlicher Sonderregelungen. Anknüpfungspunkt der Überlegungen bilden die auch im Rahmen der Aufsichtshaftung von psychiatrischen Krankenhäusern für Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht zu berücksichtigenden medizinischen Grundsätze der psychiatrischen Wissenschaft, die insoweit eine Vergleichsbetrachtung mit der Beweislastverteilung im Rahmen von Arzthaftungsprozessen rechtfertigen. aa) Beweisrecht im Arzthaftungsprozess Grundsätzlich hat der Patient auch im Rahmen von Arzthaftungsprozessen das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, dessen Ursächlichkeit für den Eintritt des Primärschadens und das Verschulden zu beweisen. Einem geschädigten Patienten stehen Schadensersatzansprüche aus Vertrag und unerlaubter Handlung zu156. Hinsichtlich der vertraglichen Haftung hat der BGH vor der Schuldrechtsreform unter Geltung der §§ 282, 285 BGB a. F. für den „Kernbereich“ des ärztlichen Handelns abgelehnt, die für den Vertragsbereich an sich mögliche Beweislastumkehr des § 282 BGB a. F. auch auf Behandlungsverträge anzuwenden. Denn der Arzt schuldet dem Patienten nicht die erfolgreiche Herstellung seiner Gesundheit, sondern lediglich das sorgfältige Bemühen um seine Heilung. Umstritten ist, ob durch die Einführung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB n. F. die Beweislastumkehr für das Verschulden generell auch auf Behandlungsfehler Anwendung findet. Nach der einen Auffassung gibt es keinen überzeugenden Grund, den Arztvertrag hinsichtlich der Beweislast für das Verschulden anders zu behandeln als alle anderen Schuldverhältnisse157. Die Gegenauffassung vertritt 156

AnwK-BGB/Katzenmeier, § 823 Rn. 338. Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 42; Laufs/Uhlenbruck, Hdb. ArztR., § 107 Rn. 4; Katzenmeier, VersR 2002, 1066 (1068 f.). 157

III. Übertragbarkeit der Beweislastregelung

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weiterhin die ursprüngliche Argumentation der Rechtsprechung und lehnt die Anwendung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB für Behandlungsfehler im Regelfall ab, da der Arzt keinen Erfolg schulde158. Die Beweislastumkehr soll aber dann anwendbar sein, wenn die schadensursächliche Handlung des Arztes in ihrer Handhabung oder Wirkung auf den Patienten voll beherrschbar war159. Eine Entscheidung dieses Streits ist entbehrlich, da Heinrichs zu Recht darauf hinweist, dass die Änderung der Beweislast keine besondere Bedeutung hat. Der Fall, dass ein Gericht einen Behandlungsfehler festgestellt, ein Verschulden des Arztes aber als nicht bewiesen angesehen hat, sei praktisch kaum vorgekommen160. Die Rechtsprechung hat insbesondere für die haftungsbegründende Kausalität Fallgruppen geschaffen, bei denen Patienten Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugute kommen können161. Es wird eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers angenommen. Diese Beweislastregel gilt auch für Amtshaftungsansprüche bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Behandlungsverhältnisses162. Eine weitere Gruppe bildet der Verstoß gegen Organisationspflichten, worunter die Fälle zu subsumieren sind, in denen der eingetretene Schaden aus einem Bereich stammt, dessen Gefahren voll beherrscht werden können und müssen. Hier hat sich die Behandlungsseite von der Verschuldensvermutung zu entlasten163. Zugunsten des Patienten kommen ferner Beweiserleichterungen in Betracht, wenn eine aus medizinischen Gründen erforderliche ärztliche Dokumentation lückenhaft bzw. unzulänglich ist und deshalb für den Patienten im Falle einer Schädigung die Aufklärung des Sachverhalts unzumutbar erschwert wird164. bb) Übertragbarkeit der beweisrechtlichen Sonderregelungen auf die Aufsichtshaftung in psychiatrischen Kliniken Die für die Arzthaftung entwickelten Beweislastregeln lassen sich nicht ohne Weiteres auf die Fälle der öffentlich-rechtlichen Wahrnehmung der Aufsichtspflicht in psychiatrischen Kliniken übertragen165. Die Gründe für die Beweislastverteilungen sind vorwiegend auf den ärztlichen Heileingriff und das unmittelbare pflichtenbegründende Verhältnis zwischen Arzt und geschädigtem Patienten zugeschnitten. Charakterisierend für das Verhältnis zwischen Arzt und Patient 158

MünchKomm/Wagner, § 823 Rn. 729; PWW/Schmidt-Kessel, § 280 Rn. 21. Siehe MünchKomm/Wagner, § 823 Rn. 742. 160 Palandt/Heinrichs, § 280 Rn. 42; so auch MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 11.6. 161 Schlemmer-Schulte, S. 28 f. 162 BGH NJW 1982, 1328 (1329). 163 MünchKomm/Wagner, § 823 Rn. 742. 164 Siehe hierzu im Einzelnen Laufs/Uhlenbruck, Hdb. ArztR., § 111 Rn. 1 ff. 165 Marburger, VersR 1971, 777 (788). 159

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§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB

sind spezifische Beweisnöte auf beiden Seiten. Der Patient hat nur sehr eingeschränkt Einblicke in die Behandlungsmaßnahmen des Arztes. Der Arzt steht demgegenüber vor der Schwierigkeit, dass medizinische Behandlungen durch Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus beeinflusst sein können, die ein ärztliches Fehlverhalten indizieren166. Die Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers knüpft daran an, dass die Aufklärung des Behandlungsgeschehens wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderer Weise erschwert worden ist, so dass der Arzt nach Treu und Glauben dem Patienten den vollen Kausalitätsbeweis nicht zumuten kann. Der grobe Behandlungsfehler trägt Aufklärungserschwernisse in das Behandlungsgeschehen hinein, die sich insbesondere auch auf die Feststellung der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen auswirken167. Auch wenn im Rahmen der Aufsichtshaftung in psychiatrischen Kliniken die Aufsichtspflichtverletzung auf einen groben Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der medizinischen Wissenschaft zurückzuführen ist, so ist in der Konstellation der Aufsichtshaftung der geschädigte Dritte nicht derjenige, der durch das Arztverschulden unmittelbar geschädigt wird. Insoweit treffen den geschädigten Dritten im Rahmen des § 832 BGB durch den Behandlungsfehler keine Aufklärungserschwernisse hinsichtlich seiner Krankheitsentwicklung. Auch wenn sich die für die Arzthaftung entwickelte Beweislastregel nicht direkt auf die Aufsichtshaftung übertragen lässt, so ist bei grober Verletzung von Berufspflichten des Arztes oder des Pflegepersonals zumindest bei der dadurch verursachten Schädigung eines Mitpatienten dennoch eine Beweislastumkehr anzunehmen, da die Berufspflichten gerade zum Schutz von Leben und Gesundheit der Patienten bestehen168. Wegen des bei einer psychiatrischen Klinik ebenfalls im Vordergrund stehenden Schutzbedürfnisses der Allgemeinheit ist bei grober Berufspflichtverletzung, die sich gleichzeitig zu Lasten externer Dritter unmittelbar als Aufsichtspflichtverletzung auswirkt, zumindest eine Beweiserleichterung anzunehmen. Die Fallgruppe der Dokumentationsmängel findet bei der Verletzung von Aufsichtspflichten bereits im Ansatz keine Entsprechung. Die Gründe für die Beweislastverteilung bei Organisationsmängeln liegen demgegenüber außerhalb des Kernbereiches der ärztlichen Tätigkeit, wodurch sich die Stellung des Arztes letztlich nicht von derjenigen anderer Vertragsschuldner unterscheidet. Insoweit kann die Beweislastregel, dass bei voll beherrschbaren Risiken der Aufsichts166

Laufs/Uhlenbruck, Hdb. ArztR., § 107 Rn. 4. Siehe Staudinger/Hager, § 823 Rn. I 54. 168 Vgl. BGH NJW 1971, 241 (243); MünchKomm-ZPO/Prütting, § 286 Rn. 126; Musielak/Foerste, ZPO, § 286 Rn. 42; Baumgärtel, Beweislastpraxis im PrivatR., Rn. 519. 167

III. Übertragbarkeit der Beweislastregelung

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pflichtige die Vermutung des Verschuldens oder bereits der objektiven Pflichtverletzung zu widerlegen hat, als allgemein anerkannt gelten. c) Ergebnis Insgesamt ist festzuhalten, dass sich die unterschiedliche Beweislastverteilung von öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Wahrnehmung der Aufsichtspflicht bei der Schädigung eines einrichtungsfremden Dritten wegen fehlender vertraglicher Ansprüche grundsätzlich stärker auswirkt. Auch wenn sich der Aufsichtspflichtige bei der Schädigung eines internen Dritten wegen § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des Verschuldens entlasten muss, so bleibt die privatrechtliche Aufsichtshaftung nach § 832 BGB wegen der doppelten Beweislastumkehr für den geschädigten (internen und externen) Dritten aus Beweislastverteilungsgesichtspunkten grundsätzlich günstiger. Speziell im Rahmen der Aufsichtshaftung von psychiatrischen Krankenhäusern können die zum Kernbereich der Arzthaftung entwickelten Beweisgrundsätze nicht auf den bei einem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Behandlungsverhältnis einschlägigen Amtshaftungsanspruch übertragen werden. Aufgrund des ohnehin auch im Amtshaftungsanspruch zu berücksichtigenden Anscheinsbeweises können sich im Einzelfall, insbesondere auch bei Organisationsmängeln sowie bei grober Berufspflichtverletzung, weitere Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast ergeben. In diesem Fall, aber ausschließlich im Bereich der Aufsichtshaftung in psychiatrischen Krankenhäusern, ebnet sich der Unterschied zwischen § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG hinsichtlich der Beweislastverteilung weiter ein.

5. Kein Gleichlauf von privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Aufsichtspflicht hinsichtlich der Anforderungen an die Beweislastverteilung Die Möglichkeit des Staates, die öffentlichen Aufgaben auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung entweder in privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Form wahrzunehmen, darf nicht dazu führen, eine eindeutige Qualifizierung als hoheitliche oder fiskalische Handlung zu unterlassen. Ebenso wenig darf übergangen werden, dass sich öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Schadensersatzansprüche nach den für das jeweilige Rechtsgebiet geltenden Normen, Anspruchsvoraussetzungen und Beweislastverteilungen richten. Die unterschiedliche Beweislastverteilung der Haftungsnormen erscheint auf den ersten Blick überraschend, wird jedoch durch die Wesensverschiedenheit von öffentlichem und privatem Recht und ihrer dogmatischen Trennung gerechtfertigt. Das ganze Haftungssystem trennt de lege lata zwischen zivilrechtlichem und hoheitlichem Handeln.

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§ 9 Das Konkurrenzverhältnis von § 832 BGB und § 839 BGB

Selbst bei entsprechender Anwendung des zivilrechtlichen Leistungsstörungsrechts auf das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis wird allgemein anerkannt und hingenommen, dass die Benutzer bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis wegen der Verschuldensvermutung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB Vorteile gegenüber der Amtshaftung genießen169. Eine Übertragung der Beweislastregel auf den Amtshaftungsanspruch wird trotz Anerkennung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses auf hoheitliches Handeln gleichwohl nicht diskutiert170. Der Anspruch aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ermöglicht eine Haftungserweiterung durch zusätzliche vertragsähnliche Ersatzansprüche, verändert aber nicht den öffentlich-rechtlichen Amtshaftungsanspruch171. Daraus folgt gleichzeitig, dass erst recht bei der Schädigung eines externen Dritten die unterschiedliche Beweislastverteilung nicht eingeebnet werden darf. Hinsichtlich der im öffentlichen Recht wurzelnden Gründe, die gegen eine Übertragung der Beweislastumkehr auf den Amtshaftungsanspruch sprechen, wird auf die Ausführungen in § 9 III. 2. verwiesen. Unabhängig davon, dass die Unterscheidung zwischen den beiden Rechtsordnungen zwingend notwendig ist und auch die Rechtssicherheit eine Vereinheitlichung verbietet, kann weder durch Übertragung der Beweislastregel noch durch eine Abschaffung der Beweislastregel ein Gleichlauf hinsichtlich der Beweislastverteilung bei der Aufsichtsführung konstruiert werden. Eine Abschaffung der Beweislastumkehr in § 832 Abs. 1 S. 2 BGB für die Aufsichtshaftung in öffentlichen Einrichtungen ist weder de lege ferenda in Sicht noch de lege lata geboten. Bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses hat der Staat sich bewusst für die Ebene der Gleichordnung und damit für die zivilrechtliche Haftungsgrundlage des § 832 BGB samt seiner Beweislastregelungen entschieden. Die sich aus dem Umstand des hoheitlichen Handelns rechtfertigenden Privilegierungen können wegen der Wesensverschiedenheit beider Rechtsmaterien bei fiskalischem Handeln nicht einschlägig sein. Auch eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, die eine Veränderung der Beweislastverteilung bewirkt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand und kann ohnehin dem geschädigten externen Dritten nicht entgegen gehalten werden. Mit den flexibleren Instrumentarien der Beweiserleichterung im Amtshaftungsanspruch kann bei einer möglichen Unbilligkeit eine interessengerechte Lösung im Einzelfall gefunden werden.

169 Erichsen/Ehlers/Gurlit, Allg. VerwR., § 34 Rn. 38; Maurer, Allg. VerwR., § 29 Rn. 8; siehe auch Rauball/Pappermann/Roters, GO NW, § 1 Rn. 12; Rüfner, DÖV 1973, 808. 170 AnwK-BGB/vom Stein, § 839 Rn. 305; siehe auch OLG Köln MDR 1993, 630. 171 Windthorst, JuS 1996, 605 (610).

§ 10 Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse I. Allgemeine Feststellungen zur Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen Die Thematik der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB eröffnet aufgrund des kommunalrechtlich besetzten Begriffs der öffentlichen Einrichtung als Aufsichtspflichtige mehrere Schnittstellen zum öffentlichen Recht. In Abgrenzung zu einer rein privaten Einrichtung ist für die Qualifikation als öffentliche Einrichtung begriffsnotwendige Voraussetzung, dass sich die Kommune – sofern sie keine öffentlich-rechtliche Organisationsform wählt – bei der Leistungserbringung durch eine juristische Person des Privatrechts maßgeblichen Einfluss auf die Zweckbestimmung und den Betrieb der Einrichtung vorbehält. Rein privatrechtlich betriebene Einrichtungen ohne staatliche Bindung fallen nicht unter die Begriffsbestimmung der öffentlichen Einrichtung. Eine Schnittstelle zum öffentlichen Recht bildet auch der Grundsatz der Formenwahlfreiheit der Verwaltung, nach dem der Gemeinde bei öffentlich-rechtlicher Trägerschaft ein Wahlrecht zusteht, ob sie ihre Aufgabe auf dem Gebiet der daseinsfürsorgenden Leistungsverwaltung in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form wahrnimmt. Das Wahlrecht bezieht sich sowohl auf die Organisationsform als auch auf die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses. Abhängig von der privat- oder öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses haftet der Träger und/oder das Aufsichtspersonal einer öffentlichen Einrichtung für eine Aufsichtspflichtverletzung entweder nach Privatrecht gemäß § 832 BGB oder nach öffentlichem Recht gemäß § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG. Die öffentliche Einrichtung haftet nach § 832 BGB, wenn das Benutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet oder eine von der Kommune beherrschte juristische Person des Privatrechts Einrichtungsträger ist. Trotz der Entscheidung für die privatrechtliche Wahrnehmung der Aufsichtspflicht bleibt die Kommune nach den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts auch im Rahmen des § 832 BGB an den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt, die Grundrechte, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie an die übrigen tragenden Verfassungsgrundsätze gebunden. In diesem Fall wird § 832 BGB als Haftungsnorm des Privatrechts durch die Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert. Bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Benut-

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§ 10 Zusammenfassung

zungsverhältnisses ist das öffentlich-rechtliche Haftungsregime des Amtshaftungsanspruches, § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG, einschlägig. Eines der Hauptprobleme im Rahmen der Aufsichtshaftung von öffentlichen Einrichtungen ist die Bestimmung des Nutzungsregimes, wovon die rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht und damit das einschlägige Haftungsregime abhängt. Die Qualifizierung des Benutzungsverhältnisses erfolgt anhand einer Reihe von Indizien, wie z. B. der rechtlichen Form der Benutzungsordnung, der Art der Gegenleistung, des Hinweises auf öffentlich-rechtliche Rechtsbehelfe sowie der Beendigungsmodalitäten. Allein von der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der Einrichtung darf nicht auf ein öffentliches Benutzungsverhältnis geschlossen werden, da hierdurch gerade erst die Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Nutzungsregimes eröffnet wird. Bei Zweifeln am Vorliegen eines privatrechtlichen Benutzungsverhältnisses ist nach herrschender und zutreffender Auffassung von einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis auszugehen. Infolge der auch im Rahmen des § 832 BGB geltenden Bindungen an die verfassungsrechtlichen Grundsätze (Gesetzesvorbehalt, Grundrechte, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und öffentlich-rechtliche Zuständigkeitsordnung) ist für die Art und den Inhalt der Aufsichtspflicht unerheblich, ob die kommunale öffentliche Einrichtung die Aufsichtspflicht privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich wahrnimmt. Die Problematik der mittelbaren Aufsichtspflicht bei Übertragung der Aufsicht auf Dritte wird nur im Zusammenhang mit aufsichtsübernehmenden natürlichen Personen diskutiert. Das von der Mindermeinung vertretene Modell der unbedingten Einstandspflicht lässt sich auf die Übernahme der Aufsicht durch eine öffentliche Einrichtung nicht übertragen, da ansonsten die Eltern im Ergebnis für die tatsächliche Gewährleistung der Aufsichtspflicht einer vom Staat unterhaltenen öffentlichen Einrichtung haften müssten. Die nach diesem Ergebnis anzunehmende verbleibende mittelbare Aufsichtspflicht der Eltern ist bei Übertragung der Aufsicht auf eine öffentliche Einrichtung im Vergleich zu der Übertragung im rein privaten Bereich erheblich verkürzt. Dagegen bedeutet die regelmäßig erfolgende vertragliche Weiterübertragung der Aufsichtspflicht innerhalb der Einrichtung im Ergebnis keine Pflichtenreduzierung für den Einrichtungsträger. Das Handeln seiner Organe oder verfassungsmäßigen Vertreter stellt sich als unmittelbare Erfüllung der Trägeraufsichtspflicht dar. Bei der Erfüllung der Aufsichtspflicht durch Bedienstete der Einrichtung, die keine verfassungsmäßig berufenen Vertreter sind, trifft den Einrichtungsträger eine mittelbare Aufsichtspflicht in Form einer umfassenden Organisationspflicht, die durch das Personal zu erfüllende ordnungsgemäße Aufsichtsführung ausreichend zu gewährleisten. Auch unterhalb der Organebene ermöglicht das Haftungssystem des BGB eine Zurechnung an den Einrichtungsträger, wodurch im Gegensatz zum rein privaten Bereich auch wegen des fehlenden Insolvenzrisikos letztlich keine vergleichbaren Haftungslücken entstehen. Neben dem Träger haftet auch das Aufsichtspersonal

II. Begründung und rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht

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selbst nach § 832 Abs. 2 BGB. Eines Rückgriffs auf die Alternativkonzeption bedarf es daher nicht. Im Rahmen der Aufsichtshaftung von öffentlichen Einrichtungen kann ein geschädigter Dritter im Sinne des § 832 BGB entweder eine andere aufsichtsbedürftige Person aus der Einrichtung oder ein einrichtungsfremder externer Dritter sein. Im Verlauf der Arbeit hat sich gezeigt, dass diese beiden Fallkonstellationen insbesondere wegen der unterschiedlichen Auswirkungen auf die Haftung der öffentlichen Einrichtung sowie die Beweislastverteilung sauber auseinander zu halten sind. Bei der Bestimmung des Haftungsregimes wirkt sich die Unterscheidung zwischen externen und internen geschädigten Dritten nicht aus, da zur Qualifizierung der Aufsichtspflicht neben Aufgabencharakter, Funktionszusammenhang und Organisationsform auch die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses herangezogen wird. Im Ergebnis kann daher die rechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses auf die Bestimmung der Haftungsgrundlage für Schäden von externen Dritten durchschlagen.

II. Begründung und rechtliche Qualifizierung der Aufsichtspflicht Die vorgenommene Untersuchung der rechtlichen Qualifizierung der Aufsichtspflicht in den einzelnen Haftungsbereichen hat ergeben, dass der Anwendungsbereich des § 832 BGB durch das öffentliche Recht (§ 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG) nicht unerheblich beschnitten wird.

1. Kindertageseinrichtungen Bei der Begründung der Aufsichtspflicht in Tageseinrichtungen für Kinder wurde festgestellt, dass im Rahmen des § 832 BGB mit der Aufnahme des Kindes in die Einrichtung die Erziehung und Beaufsichtigung als Teile der Personensorge durch Vertrag auf die Einrichtung übertragen werden. Abhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehung können in Nordrhein-Westfalen neben den gesetzlichen Vorschriften der § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII und § 2 Abs. 1 S. 1 GTK NW der Vertrag und/oder die Benutzungsordnung als rechtliche Grundlage für die Aufsichtspflicht angesehen werden. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers handelt es sich bei der öffentlichen Erziehung um eine von den Eltern abgeleitete Erziehungsaufgabe. Der Programmsatz des § 1 Abs. 1 SGB VIII entspricht dem Erziehungsziel der elterlichen Sorge nach § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB, das Kind entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen. Die Untersuchung der rechtlichen Qualifizierung der Aufsichtspflicht für den Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder hat ergeben, dass die Benutzungsver-

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§ 10 Zusammenfassung

hältnisse kommunaler Kindertagesstätten nicht per se als privatrechtlich qualifiziert werden können. Die zu den öffentlichen Krankenhäusern ergangene Rechtsprechung ist auf den Bereich der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe nicht übertragbar und führt zu einer Aushöhlung des Grundsatzes der Formenwahlfreiheit: Es würde der kommunalen Einrichtung zunächst verwehrt, ihre öffentlichen Aufgaben in öffentlich-rechtlicher Handlungsform wahrzunehmen. Die Qualifizierung der Aufsichtspflicht erfolgt anhand der gängigen Auslegungskriterien. Die Untersuchung des GTK NW sowie der Benutzungsordnung für die Kindertageseinrichtungen in Trägerschaft der Stadt Köln hat ergeben, dass im Rahmen des vorgenommenen Prüfungsumfanges auf das Land NW grundsätzlich von einer öffentlich-rechtlichen Wahrnehmung der Aufsichtspflicht in Kindertageseinrichtungen auszugehen ist. Es besteht die Vermutung für öffentlich-rechtliches Handeln, sofern der Wille des kommunalen Einrichtungsträgers, das Benutzungsverhältnis privatrechtlich auszugestalten, nicht eindeutig in Erscheinung tritt.

2. Kinderheime Bei der Heimerziehung und privatrechtlicher Wahrnehmung der Aufsichtspflicht ist aufgrund der Vorschriften in § 38 SGB VIII und § 1688 Abs. 1, 2 BGB von einer gesetzlichen Aufsichtspflicht nach § 832 Abs. 1 BGB auszugehen. Für Kinderheime enthält das SGB VIII wesentliche Regelungen zum Verfahren über die Gewährung von Erziehungshilfe, die sich auf die Qualifizierung des Nutzungsregimes auswirken. § 36 SGB VIII schreibt die Durchführung eines Hilfeplanverfahrens vor, das Feststellungen über den erzieherischen Bedarf, die zu gewährende Art der Hilfe sowie die notwendigen Leistungen und damit oftmals Einzelheiten des Benutzungsverhältnisses enthält. Der Hilfeplan bildet zugleich die Grundlage und Begründung des abschließenden Leistungsbescheides vom Jugendamt, der die Hilfeart formell bewilligt sowie eine Kostenentscheidung und Rechtsbehelfsbelehrung enthält. In jedem Einzelfall ist zusätzlich zu überprüfen, ob neben dem Hilfeplan eine separate Benutzungsordnung und/oder ein Vertrag mit der Einrichtung existiert, die das Benutzungsverhältnis zwischen Kind und Einrichtung näher ausgestalten. Anhand der allgemeinen Indizien ist dann das Nutzungsregime zu ermitteln. Bei fehlenden Anhaltspunkten für eine darüber hinausgehende privatrechtliche Ausgestaltung in einer separaten Benutzungsordnung und/oder im Vertrag mit der Einrichtung ist entsprechend der Vermutungsregel von einer öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht und damit dem Amtshaftungsanspruch auszugehen. Dieses Ergebnis hat die praktische Handhabung am Beispiel der Kinderheime in Trägerschaft der Stadt Köln bestätigt. Im Hilfeplan sind inhaltliche Regelungen des Benutzungsverhältnisses enthalten; daneben werden ausschließlich individuelle Absprachen getroffen, die keine für die Qualifizierung des Nutzungsregimes relevanten Fragen behandeln.

III. Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht

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3. Öffentliche Schulen Die Aufsichtspflicht in öffentlichen Schulen wird durch Gesetz begründet und ist als Amtspflicht zu qualifizieren. Kraft Gesetzes wird ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis vorgeschrieben; ein Wahlrecht hinsichtlich der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses besteht nicht.

4. Psychiatrische Krankenhäuser Für die psychiatrischen Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen ist die Aufsichtspflicht in § 10 Abs. 2 S. 3 PsychKG NW nicht ausdrücklich normiert, wird aber von der Pflicht der Krankenhäuser, die sichere Unterbringung der Patienten sicherzustellen, mit umfasst. Entgegen der Rechtsprechung für die Allgemeinkrankenhäuser sind die Rechtsbeziehungen zwischen einem kommunalen psychiatrischen Krankenhaus und seinen Patienten nicht ohne Weiteres als privatrechtlich einzustufen. Wegen des Wandels in der Psychiatrie und der Möglichkeit der Ausübung von hoheitlicher Gewalt außerhalb der Grenze der PsychKG verbietet sich ein undifferenzierter Rückgriff auf die im Rahmen der Einordnung der Aufsichtspflicht in psychiatrischen Krankenhäusern geltenden Kriterien. Die Qualifizierung der Aufsichtspflicht kann daher nicht allein anhand der bloßen Begrifflichkeiten der Kriterien Heil- oder Zwangsbehandlung sowie der freiwilligen Unterbringung in einem offenen oder geschlossenen psychiatrischen Krankenhaus vorgenommen werden. Für die Qualifizierung der Aufsichtspflicht ist die konkrete Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses dahingehend zu untersuchen, ob die Unterbringung durch hoheitliche Regelungen und Handlungen geprägt ist. Die freiwillige Heilbehandlung in einer offenen psychiatrischen Station spricht daher nicht automatisch für ein privatrechtliches Rechtsverhältnis. Auch bei einer freiwilligen Unterbringung auf einer offenen Station existieren Hausordnungen, die z. B. Regelungen über den Aufenthalt im Freien, die Freizeitgestaltung, die Besuchszeiten, den Telefonverkehr, die Einbringung von Sachen, die Ausgestaltung der Räume, die Verfügung über Geld sowie den Umgang der untergebrachten Patienten untereinander enthalten. Bei Zweifeln verbleibt es bei der Regelvermutung für öffentlich-rechtliches Handeln eines öffentlichen Trägers, wenn das Benutzungsverhältnis nicht eindeutig eine privatrechtliche Ausgestaltung erfahren hat.

III. Inhalt und Umfang der Aufsichtspflicht Anhand der Rechtsprechung zu den Tageseinrichtungen für Kinder, der Heimunterbringung sowie der Schule sind folgende Kriterien für die Bestimmung der Aufsichtspflicht heranzuziehen: Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, Entwicklungsstand, Gruppenverhalten, Gruppengröße, Art resp. Gefährlichkeit der

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§ 10 Zusammenfassung

Beschäftigung, räumliche und örtliche Gegebenheiten sowie die bestehenden Dienstanweisungen. Als aufsichtsbeschränkender Maßstab sind die Grundrechte, das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie das öffentliche Erziehungsziel zu beachten. Im Rahmen der psychiatrischen Krankenhäuser kann der Umfang der Aufsichtspflicht wie folgt konkretisiert werden: Das Maß der im Einzelfall konkret gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach der Art der psychischen Erkrankung, deren Fremdschädigungspotential, dem Stadium der Krankheit sowie dem erzielten Therapieerfolg. Die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen richtet sich danach, was verständige Aufsichtspflichtige unter Beachtung der medizinischen Grundsätze der Psychiatrie, den Erfordernissen und Zielsetzungen der Therapie sowie der Grundrechte der aufsichtsbedürftigen Patienten unternehmen müssen, um Schädigungen Dritter zu verhindern.

IV. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und der Eltern Trotz des inhaltlich gleichlautenden Erziehungsziels von öffentlichen Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 SGB VIII und der Eltern nach § 1626 Abs. 2 BGB werden an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und an die der Eltern unterschiedliche Anforderungen gestellt.

1. Im Allgemeinen Aufgrund der auch im Rahmen von § 832 BGB bestehenden verfassungsrechtlichen Bindungen der öffentlichen Einrichtung sind im Gegensatz zu der elterlichen resp. rein privaten Aufsichtspflicht die Grundrechte und das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Prüfungsmaßstab und Grenze für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht unmittelbar zu beachten. Eine Aufsichtsmaßnahme ist nur dann geboten, wenn eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende gesetzliche Grundlage besteht und sie den übrigen verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Nur innerhalb der öffentlich-rechtlichen Grenzen bleibt Freiraum für die Auswahl der Aufsichtsmaßnahmen und der pädagogischen Gestaltung. Bei der Bestimmung der Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und elterlicher Aufsichtspflicht ist das inhaltlich gleichlautende Erziehungsziel der §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII und § 1626 Abs. 2 BGB zu beachten. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben spiegeln sich in der einfach-gesetzlichen Norm des § 1626 Abs. 2 BGB wider, wodurch letztlich die verfassungsrechtlichen Wertungen auch im Privatrecht berücksichtigt werden.

IV. Unterschiedliche Anforderungen an die Aufsichtspflicht

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Aufgrund der verfassungsrechtlichen Bindungen können sich aber unterschiedliche Grenzen bei den gebotenen Aufsichtsmaßnahmen insbesondere dann ergeben, wenn die Aufsichtsmaßnahme der öffentlichen Einrichtung einen Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeuten würde, für den die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt. Bei den Eltern hingegen kann dieselbe Aufsichtsmaßnahme durch das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG gedeckt sein. Im Gegensatz zu dem Staat, der Grundrechtsverpflichteter ist, sind die Eltern Grundrechtsträger und in ihrem grundrechtlich durch Art. 6 Abs. 2 GG gewährleisteten Handlungsspielraum bis zu der sich aus §§ 1631b, 1666 f. BGB ergebenen Grenze der Kindeswohlgefährdung frei. Neben den öffentlichen Bindungen ergeben sich die vergleichsweise erhöhten Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht bei öffentlichen Einrichtungen auch aus der Pflicht zur Beaufsichtigung einer Gruppe von Kindern, weil die anderen Kinder der Einrichtung zu dem von § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG geschützten Personenkreis zählen und damit eine erhöhte potentielle Drittgefährdung gegeben ist. Auch das gruppendynamische Verhalten der Kinder macht eine gegenüber der häuslichen Aufsichtssituation verschärfte Aufsichtsführung erforderlich. Unterschiedliche Anforderungen ergeben sich ferner daraus, dass die öffentliche Einrichtung als Aufsichtspflichtige in ihrer Organisation durch Arbeitsteilung geprägt ist. Dadurch ergeben sich für den Einrichtungsträger im Gegensatz zu dem rein privaten Bereich umfassende Organisationspflichten, damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufsichtspflicht gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang sind Dienstanweisungen, Richtlinien und Unfallverhütungsvorschriften zu nennen, die ebenfalls im Bereich der institutionalisierten Erziehung zur Konkretisierung der Aufsichtspflicht heranzuziehen sind. Im Gegensatz zum häuslichen Bereich verbieten der staatliche Erziehungsauftrag und die willentliche Übernahme der Aufsichtspflicht durch öffentliche Einrichtungen, subjektive Belange im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Es findet demgegenüber allein ein objektiver Sorgfaltsmaßstab Anwendung. Daraus folgt, dass auch bei Fehleinschätzungen im Rahmen der Abwägung zwischen Erziehung und Aufsicht eine erschwerte Entlastungsmöglichkeit für das ausgebildete pädagogische Fachpersonal gegeben ist. Insoweit sind auch nicht die von der Rechtsprechung und Literatur im Rahmen der elterlichen Aufsichtspflicht für einzelne Kinder entwickelten Grundsätze zum Umfang der Aufsichtspflicht auf öffentliche Erziehungseinrichtungen übertragbar.

2. In den einzelnen Haftungsbereichen Die vergleichsweise erhöhten Anforderungen an die Erfüllung der Aufsichtspflicht ergeben sich aus den zuvor genannten Faktoren der Beaufsichtigung einer Gruppe von Kindern, dem gruppendynamischen Verhalten der Kinder, der umfas-

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§ 10 Zusammenfassung

senden Organisationspflicht, der Anwendung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabes sowie der Beachtung der öffentlich-rechtlichen Grenzen. Außerdem kann das bei den Eltern für das Maß der Aufsicht bedeutende Kriterium des Erziehungserfolges im Rahmen der öffentlichen Erziehung zu Beginn des Aufenthaltes keine Anwendung finden. Auch daraus folgt zu Anfang eine gesteigerte Aufsichtspflicht, da die Erzieherin erst nach einer gewissen Besuchsdauer auf ihren bisherigen Erziehungserfolg zurückgreifen kann. Bei der Heimunterbringung ergeben sich erhöhte Anforderungen gegenüber der elterlichen Aufsichtspflicht aus dem Einrichtungszweck, der gerade in der Bewältigung von Krisensituationen im Rahmen einer professionellen Erziehung besteht. Die Aufsicht und Erziehung in Heimen beginnt aus begründetem Anlass dort, wo die elterliche Aufsichtsführung und Erziehung gescheitert ist. Auch hier ist gerade zu Beginn der Unterbringung ein strenger Maßstab an die gehörige Erfüllung der Aufsichtspflicht anzulegen, da in vielen Fällen die Notwendigkeit einer Heimunterbringung bereits für ein Misslingen des bisherigen Erziehungserfolges spricht. Zu Beginn der Unterbringung stellt die Notwendigkeit des Heimaufenthaltes einen an sich bereits hinreichenden Aufsichtsanlass dar. Neben der ohnehin bestehenden Gruppendynamik resultiert eine erhöhte Aufsichtspflicht zusätzlich aus dem Zusammentreffen einer Gruppe von schwer erziehbaren Kindern. Erhöhte Anforderungen ergeben sich wegen der professionellen Erziehung auch bei der Frage der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens der Kinder. Insgesamt schlagen die erhöhten Anforderungen aufgrund der Wechselbeziehung zwischen Aufsicht und Erziehung auch auf die Aufsichtsführung durch. Speziell im Bereich der Heimunterbringung ergeben sich im Rahmen der Beaufsichtigung der Kinder verstärkt Aufsichtsmaßnahmen (wie z. B. begrenzte Ausgangszeiten, begleiteter Ausgang, Ausgangsverbote oder Verschließen der Türen), die den grundrechtssensiblen Bereich der Freiheitsbeschränkung oder des Freiheitsentzuges betreffen, die bei einem Grundrechtseingriff entsprechend der öffentlichen Bindungen einer legitimierenden gesetzlichen Grundlage bedürfen. Demgegenüber sind altersgemäße freiheitsbeschränkende und freiheitsentziehende Aufsichtsmaßnahmen durch das elterliche Erziehungsrecht bis zur Grenze der Kindeswohlgefährdung gedeckt. Wegen der bereits oben in § 10 IV. 1. dargestellten allgemeinen Unterschiede zwischen elterlicher und öffentlicher Aufsichtspflicht gelten auch für das öffentliche Schulwesen insgesamt andere Anforderungen an die Aufsichtsführung. Aufgrund des auch in der Schule bestehenden begrenzten Aufsichtsbereiches dürfen sich die Lehrkräfte ohne konkreten Anlass darauf verlassen, dass die Eltern den allgemein üblichen Erziehungspflichten nachgekommen sind und die Schüler alterstypisches Gefahrenbewusstsein entwickelt haben.

V. Die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB

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V. Die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB Ein entscheidender Unterschied zwischen den beiden Haftungsgrundlagen § 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG besteht in der unterschiedlichen Beweislastverteilung. § 832 Abs. 1 S. 2 BGB ist für den geschädigten Dritten günstiger, da er eine doppelte Beweislastumkehr hinsichtlich der Aufsichtspflichtverletzung und deren Kausalität für den Schaden vorsieht, wohingegen den Geschädigten im Rahmen des Amtshaftungsanspruches grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast trifft. Die für elterliche Aufsichtsführung diskutierten Vorschläge zur Reformierung der Beweislastverteilung kommen für die Haftung privatrechtlich handelnder öffentlicher Einrichtungen nicht in Betracht. Die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB ist für die privatrechtlich handelnde öffentliche Einrichtung sachgerecht. Eine öffentliche Einrichtung befindet sich nicht in vergleichbaren Beweisschwierigkeiten wie aufsichtsführende Eltern, da Beobachtungsbögen zu führen sind und weitere Aufsichtspersonen als Zeugen zur Verfügung stehen. Auch der Grundgedanke der Beweisnähe des Aufsichtspflichtigen rechtfertigt die Beweislastumkehr zumindest zugunsten des außerhalb der Einrichtung stehenden geschädigten Dritten. Der öffentliche Einrichtungszweck der daseinsfürsorgenden Leistungsverwaltung und die bewusste Übernahme der Beaufsichtigung sowie die Verwirklichung der Staatszielbestimmung der Sozialstaatlichkeit sprechen gegen eine Abschaffung der Beweislastumkehr oder eine Haftungserleichterung. Auch die Haftungsfolgen treffen den kommunalen Einrichtungsträger wegen der für z. B. in Kindertageseinrichtungen bestehenden gesetzlichen Unfallversicherung, die Ansprüche gegen die Einrichtung und das Aufsichtspersonal auf Ersatz von Personenschäden inklusive Schmerzensgeld ausschließt, sowie des gemeinschaftlichen Systems der Kommunalversicherung nicht unzumutbar. Dem diskutierten Reformvorschlag zur Abschaffung der Beweislastumkehr käme es gleich, wenn die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im Wege der vertraglichen Vereinbarung bzw. der Benutzungsordnung beschränkt wird. Diese Haftungsbeschränkung scheitert jedoch an der durchzuführenden Inhaltskontrolle gem. §§ 309 Nr. 7a, 12a, 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB und kann ohnehin dem geschädigten externen Dritten nicht entgegengehalten werden. Im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs ist der Ausschluss staatlicher Haftung für fahrlässige Aufsichtspflichtverletzungen mangels formalgesetzlicher Ermächtigungsgrundlage unzulässig. Die kommunalen Einrichtungsträger können daher weder bei öffentlich-rechtlicher noch bei privatrechtlicher Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausschließen.

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§ 10 Zusammenfassung

VI. Übertragbarkeit der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG Eine Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch erfordert zunächst, dass der Amtshaftungsanspruch, auf den die Beweislastumkehr angewendet werden soll, überhaupt tatbestandsmäßig einschlägig ist. Dies setzt zugleich voraus, dass eine Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Haftungsrecht vorgenommen wird. Wegen der unterschiedlichen und entscheidungserheblichen Beweislastverteilung der beiden Haftungsgrundlagen (§ 832 BGB und § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG) muss grundsätzlich eine Qualifizierung als hoheitliche oder privatrechtliche Aufsichtspflicht und ihres Haftungsregimes erfolgen. Eine rechtsdogmatische Einordnung kann nur dann offen bleiben, wenn der Anspruch bereits an dem Vorliegen einer Aufsichtspflichtverletzung scheitert. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB nicht auf den Amtshaftungsanspruch übertragen werden kann. Die Begründungen des OLG Köln und von Mertens reichen nicht aus, um überzeugend und methodisch sauber darzulegen, warum eine Abweichung von der Verschuldenshaftung zwingend notwendig ist. Bei dem Versuch, scheinbare Wertungswidersprüche durch Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB zu beseitigen, werden zwei Rechtsordnungen mit ihren Wertungsunterschieden contra legem eingeebnet. Das Verschuldensprinzip im Rahmen der Amtshaftung rechtfertigt sich aus der historisch gewachsenen und auch heute noch Geltung beanspruchenden Privilegierungen des fahrlässig handelnden Beamten im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt sowie der Vermutung der Rechtmäßigkeit von öffentlichem Handeln. Die methodisch fragwürdigen Aufweichungstendenzen zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Aufsichtspflicht führen im Übrigen zu fiskalpolitischen Auswirkungen, die nicht durch richterliche Rechtsfortbildung legitimiert werden können. Eine solche Regelung, die finanziell weit reichende Auswirkungen auf die Haushalte aller öffentlichen Hände hat, ist nach der Wesentlichkeitstheorie und dem Prinzip der Gewaltenteilung allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Auch die Rechtsnatur der Beweislastnormen bestätigt das Ergebnis der Nichtübertragbarkeit der Beweislastregel, da der enge Sachzusammenhang zwischen Beweislastregel und materiellem Rechtssatz mit seinen Haftungsbeschränkungen zugunsten des Beamten es rechtfertigt, die Beweislastverteilung zu Lasten der öffentlichen Hand abzulehnen. Letztlich besteht für die Übertragung der Beweislastregel auch kein praktisches Bedürfnis, da im Rahmen des Amtshaftungsanspruches aufgrund der Entindividualisierung und Objektivierung des Verschuldens und des Anscheinsbeweises bei Kausalität und Verschulden ohnehin Beweiserleichterungen Anwendung finden, die zu einer interessengerechten Lösung im Einzelfall führen. Die Haftung der öffentlichen Aufsichtsperson ist in § 839 BGB selbständig und abschließend geregelt, so dass

VII. Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung

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entsprechend den Regeln der Gesetzeskonkurrenz auch die Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB verdrängt wird.

VII. Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung Im Gegensatz zum extern geschädigten Dritten treffen die Unterschiede in der Beweislastverteilung den intern geschädigten Dritten nur abgemildert, da ihm sowohl bei privatrechtlicher als auch bei öffentlich-rechtlicher Aufsichtspflichtverletzung neben dem deliktischen Anspruch auch ein vertraglicher Anspruch zur Seite steht und sich der Aufsichtspflichtige nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des Verschuldens entlasten muss. Speziell im Bereich der Aufsichtshaftung in psychiatrischen Krankenhäusern ebnet sich der Unterschied der Beweislastverteilungen noch weiter ein: Zwar lassen sich die Beweiserleichterungen des Arzthaftungsrechts nicht auf den Amtshaftungsanspruch übertragen. Im Einzelfall können sich aber bei Organisationsmängeln und grober Berufspflichtverletzung über den Anscheinsbeweis hinaus Beweiserleichterungen ergeben, die bis zur Umkehr der Beweislast reichen. Letztlich kann weder durch eine Abschaffung der Beweislastregel, einer Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit noch der Übertragung der Beweislastregel ein Gleichlauf hinsichtlich der Beweislastverteilung bei privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Aufsichtsführung konstruiert werden. Sofern die Aufsichtshaftung nicht bereits an der Aufsichtspflichtverletzung scheitert, darf die eindeutige Qualifizierung als hoheitliche oder privatrechtliche Aufsichtspflicht aufgrund der entscheidungserheblichen Beweislastverteilung nicht unterlassen werden. Da sich der Staat bzw. die Kommunen bei Ausgestaltung ihrer Benutzungsverhältnisse bewusst für die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Ausformung und damit für eines der beiden Haftungsregime entscheiden, liegt kein echter Normwiderspruch vor, der die partielle Einebnung der prinzipiellen Unterschiede zweier Rechtsordnungen mitsamt ihren Wertungen zu rechtfertigen vermag.

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Sachwortverzeichnis Allgemeine Rundverfügung 128, 149 f. Allgemeinkrankenhäuser, Benutzungsverhältnisse 112 ff. Amtshaftung – Amtspflicht 44, 101, 108, 110 f., 160 f., 178, 217, 286 f. – Anwendung gesetzlicher Schuldvermutungen 287 ff. – Beweiserleichterungen 303 ff. – Reformbestrebung 299 f. Amtspflicht siehe Amtshaftung Amtswalter 53, 178 Analoge Anwendung der Beweislastregeln 315 f. Anstalt des öffentlichen Rechts 33 f., 109 Arbeitnehmerhaftung, Grundsätze 259 Arzthaftungsprozess – Beweisrecht 320 f. – Übertragbarkeit des Beweisrechts auf Amtshaftung 321 ff., 335 Aufsichtsanlass – in Kindergärten 140 f., 199 – in Kinderheimen 203 f., 209 f. – in Schulen 222 – Vorhersehbarkeit 203 f., 213, 232, 249 Aufsichtsbedürftige Personen 31 Aufsichtsformel – für Kindergärten, Kinderheime, Schulen 329 f. – für psychiatrische Krankenhäuser 250 Aufsichtsmaßnahmen 150, 157, 162 f., 166, 193 ff., 216 – in erzieherischen Einrichtungen 180, 183, 193 ff., 210, 331 f. – in psychiatrischen Krankenhäusern 129, 231, 242 ff., 247 ff.

Aufsichtspflicht der Eltern, mittelbare – Auswahlpflicht 57 f. – Instruktions- und Informationspflicht 58 ff. – Kontrollpflicht 58 Aufsichtspflicht des Einrichtungsträgers 62 ff., 172 f., 202, 209 f., 213, 326 Aufsichtspflicht in Kindergärten – Kriterien für die Bestimmung 136 ff., 329 f. – Rechtliche Qualifizierung 90 ff., 327 f. – Rechtsgrundlagen 69 ff., 327 – Vergleich zur elterlichen Aufsichtspflicht 152 ff., 168 ff., 330 ff. – Zeitlicher Umfang 133 ff. Aufsichtspflicht in Kinderheimen – Kriterien für die Bestimmung 201 f. – Rechtliche Qualifizierung 101 ff., 328 – Rechtsgrundlagen 81 ff., 328 – Vergleich zur elterlichen Aufsichtspflicht 211 ff., 330 ff. Aufsichtspflicht in öffentlichen Schulen – Kriterien für die Bestimmung 218 ff. – örtlicher Umfang 217 f. – Rechtliche Qualifizierung 108 – Rechtsgrundlagen 86 – zeitlicher Umfang 217 f. Aufsichtspflicht in psychiatrischen Krankenhäusern – Aufsichtsbeschränkende Kriterien 243 ff. – Kriterien für die Bestimmung 227 ff. – Rechtliche Qualifizierung 109 ff., 329 – Rechtsgrundlagen 88 f. – Zeitlicher und örtlicher Umfang 226 f. Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen – kraft Gesetzes 36

Sachwortverzeichnis – kraft Vertrages 37 ff. Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen, Kriterien – Grundrechte 154 ff. – staatliche Schutzpflicht 157 ff. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 159 ff. Aufsichtsübernahme, vertragliche – Anforderungen an den Vertragsschluss 37 f. – Aufsichtsübernahme, tatsächliche 38 f. Aufsichtsübertragung – auf Angestellte 65 ff., 326 f. – auf Organe/verfassungsmäßige Vertreter 64 f., 326 – mittelbare Aufsichtspflicht 54 ff., 326 f. Ausgang 128, 226, 236, 239 f., 242 Außengelände 140, 143 ff., 196 ff. Beaufsichtigung, zeitliche Intervalle – der Eltern 195 – in Kindergärten 195 ff. – in Kinderheimen 206 ff. Beleihung 48, 64 Benutzungsordnung der kommunalen Kindergärten in Köln 99 ff. Benutzungsverhältnis 49 – Indizien zur Bestimmung 49 f. Beweisführung der öffentlichen Einrichtung 276 ff. – im Vergleich zu den Eltern 276 f. Beweislastnormen, Rechtsnatur 307 f. Beweislastregel des § 832 Abs. 1 S. 2 BGB – Entstehungsgeschichte 271 f. – Rechtfertigung für Erziehungseinrichtungen 274 ff. – Übertragbarkeit auf § 839 BGB, Art. 34 GG 291 ff., 334 f. – Übertragung, Rechtsmethodik 311 ff. Brandstiftung 204, 208 Darlegungs- und Beweislast – Amtshaftung 297 f.

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– Auswirkungen der unterschiedlichen Beweislastverteilung bei § 832 BGB und § 839 BGB, Art. 34 GG 319 f., 335 – § 832 BGB 40 f. Daseinsvorsorge 32, 66, 69, 98 Dienstanweisung 149 f., 185 f., 218, 238 f., 330 Dritter i. S. d. § 832 BGB – externer 50 ff., 255, 263, 320, 323 f., 327 – interner 50, 255, 262 f., 267, 319, 323, 327 Eingriffsverwaltung 43, 113 Einverständniserklärung 119 f., 123 f. Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG 72, 75, 154, 168 Erziehungsaufgabe, abgeleitete 80, 92 ff., 168, 327 Erziehungsauftrag, gleichgeordneter 86, 220, 222 Erziehungserfolg und Aufsichtspflicht 191 ff., 203, 222 f. Erziehungsleitbild – der Eltern 75 ff., 173 f., 176 – der Erzieherin 77 ff. – der Heimerziehung 85, 205 f. – der Schule 86 f. Exkursionen 146 f., 185 f. Formenwahlfreiheit 47 f., 92 f. Freiheitsbeschränkung 126, 165, 215 f., 246 Freiheitsentziehung 125 ff., 165, 214 f., 246 Freizeitverhalten von Patienten, Überwachung 239 f. Gegenstände, gefährliche 140 ff. Gesamtschuldverhältnis 60 f., 258, 263 Gesellschaftlicher Wandel 274 ff. Gesetzeskonkurrenz 312 ff. Grundrechte 154 – des Kindes 73, 155 f.

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Sachwortverzeichnis

– des Patienten 245 f. – Grundrechtseingriff 155 Grundrechtswirkung im Zivilrecht 161 ff. Gruppengröße – in Kindergärten 150 f. – in Kinderheimen 201 f. Gruppenverhalten 139 f., 195 f., 204 f., 224 GTK NW 71 f., 74 f., 78 f., 189 f. – Qualifizierung Nutzungsregime 96 ff. Haftung bei öffentlich-rechtlichem Benutzungsverhältnis – aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis 256 f. – gem. § 839 BGB, Art. 34 GG 255 f. Haftung bei privatrechtlichem Benutzungsverhältnis – gem. § 831 BGB 254 f. – gem. § 832 Abs. 2 BGB 251 – gem. §§ 280 Abs. 1, 278 BGB 255 – gem. §§ 832, 89 Abs. 1, 31 BGB 252 ff. Haftung des Aufsichtspersonals 257 – gem. § 832 BGB 258 – gem. § 839 BGB 257 f. Haftung im öffentlichen Dienst 259 ff. Haftungsausschluss bei Amtshaftung – für leichte Fahrlässigkeit 99 ff., 269 f. – Schuldhafte Rechtsmittelversäumung, § 839 Abs. 3 BGB 46, 301 – Spruchrichterprivileg, § 839 Abs. 2 S. 1 BGB 45 f., 301 – Subsidiaritätsklausel, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB 45, 300 f. Handlungsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung 53 Hausordnung 91, 105, 107, 124 f., 127 f., 130 f., 329 Heilbehandlung 110 ff., 116 f., 122 Heimunterbringung 80 – Hilfeplanverfahren 103 ff.

Kinder- und Jugendhilfegesetz, Entwicklung 73 f. Kindergarten, Kindertageseinrichtung, Kindertagesstätte siehe Aufsichtspflicht in Kindergärten, Aufsichtsformel, Aufsichtsanlass Kommunaler Schadenausgleich 283 Kommunalversicherung 283, 285 Konkurrenzverhältnis des § 839 BGB, Art. 34 GG zu – § 18 StVG 287 f. – § 832 BGB 290 f. – § 833 BGB 288 f. – § 836 BGB 289 f. Leistungsverwaltung 32, 43, 51, 109, 113, 318 Öffentliche Einrichtung, Begriff 32, 325 Öffentliches Recht 153, 294 ff. Organe 53, 64 f. Organisationsform – öffentlich-rechtliche 33 ff. – privatrechtliche 35 f. Organisationspflicht siehe Aufsichtspflicht des Trägers Organisationsverschulden – des Heimträgers 208 ff., 213 – des Krankenhausträgers 238 f., 241 f. – des Schulträgers 223 f. Organwalter 53, 65, 161 Pausenaufsicht 223 f., 304 Privatrecht 153 f., 294 ff. Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) – Brandenburg 116 f., 125, 237, 246 – Nordrhein-Westfalen 89, 117 f., 120 ff., 128, 227, 229, 243, 248 Rechtmäßigkeit, Vermutung der 306 f. Rechtsfortbildung, richterliche 316 ff.

Sachwortverzeichnis Schule, öffentliche 85, siehe auch Aufsichtspflicht in öffentlichen Schulen, Aufsichtsanlass, Aufsichtsformel Schutzpflicht, staatliche 157 ff. Schutzzweck der Normen – § 1631 BGB 174 ff. – § 839 BGB, Art. 34 GG 178 – §§ 1 Abs. 1, 9 Nr. 2 SGB VIII 177 f. Schwimmen 147 ff. Sorgfaltspflichten, ärztliche 233 Sozialstaatsprinzip 159, 242, 247, 281 f. Sozialversicherungsrechtliche Haftungsbeschränkungen 262 ff. Steinewerfen 191 f., 196 f., 292, 304, 309 f. Straftaten 204, 214 Tageseinrichtung für Kinder siehe Aufsichtspflicht in Kindergärten, Aufsichtsanlass, Aufsichtsformel Unfallverhütungsvorschriften 144, 168, 183, 218 Unfallversicherung, gesetzliche – in Kindergärten 264 f. – in Kinderheimen 265 – in psychiatrischen Krankenhäusern 266 – in Schulen 266 Unterbringung – freiwillige 119 ff., 130 ff. – geschlossene 88, 118 f., 130 ff. – offene 88, 117 ff., 125 ff., 129 ff., 234 ff. Unterschiedliche Anforderungen an elterliche und öffentliche Aufsichtspflicht 153 ff., 159 ff. – in Kindergärten 166 ff., 169 ff., 191 ff.

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– in Kinderheimen 211 ff. – in Schulen 224 Untersuchungsergebnisse, wesentliche 325 ff. Verdrängungsresistente Beweislastregel 314 Verfassungsmäßige Vertreter 64 f., 252 ff., 261 f. Verhältnis des § 832 BGB zu – § 823 BGB 145 – § 831 BGB 254 f. Verhältnis zwischen öffentlicher und elterlicher Erziehung 79 f., 187 ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz siehe Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen, Kriterien Verhältnisse der Eltern, persönliche 169 ff. Verkehrssicherungspflicht 63, 143 ff., 273, 302 Verschuldenshaftung 44 f., 297, 315 Versicherungsschutz siehe Unfallversicherung, gesetzliche Verwaltungsprivatrecht 48, 66, 153 Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis 256 f., 324 Verwaltungsvorschrift 149 f., 219 Vorhersehbarkeit siehe Aufsichtsanlass Wechselbeziehung von Aufsicht und Erziehung 87, 179 ff., 186, 191 ff. Wechselbeziehung von Aufsicht und Therapie 231, 246 f. Wesentlichkeitstheorie 300, 310, 318 Zwangsbehandlung 110 f., 121, 128 Zweistufentheorie 104 f., 296 f.