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German Pages 180 Year 2015
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 273
Die Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien
Von
Axel Neumann-Duesberg
Duncker & Humblot · Berlin
AXEL NEUMANN-DUESBERG
Die Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 273
Die Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien
Von
Axel Neumann-Duesberg
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Zürich hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) erfreut sich seit einigen Jahren zunehmender Beliebtheit. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war die Zulassung haftungsbeschränkter Komplementär-Gesellschaften durch den Bundesgerichtshof. Mit der vielfach als Damoklesschwert empfundenen, nicht abschirmbaren persönlichen Haftung ist ein entscheidender Nachteil gegenüber anderen börsenfähigen Rechtsformen entfallen; die Vorteile – genannt seien an dieser Stelle nur die vergleichsweise hohe Gestaltungsfreiheit und die „einmalige Möglichkeit, an das Geld anderer Leute heranzukommen, ohne diesen wesentliche Entscheidungsbefugnisse einräumen zu müssen“ (Herfs, VGR 98, 23, 25) – bestehen fort und gewinnen an Bedeutung. Das gesetzliche Regelungsregime der KGaA ist aber nach wie vor auf ihre klassische Ausprägung mit natürlichen Personen als persönlich haftende Gesellschafter zugeschnitten. Daher ist oftmals fraglich, ob die gesetzlichen Vorgaben in der atypischen KGaA ebenfalls Anwendung finden. Von besonderer Bedeutung für die Rechtspraxis ist dabei die Frage, ob für Geschäftsleiter und Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft dieselben Beschränkungen bei der Besetzung des Aufsichtsrats gelten, die das Gesetz in der klassischen KGaA für persönlich haftende Gesellschafter vorsieht. Diese können weder dem Aufsichtsrat angehören (§ 287 Abs. 3 AktG) noch über dessen Besetzung mitentscheiden (§ 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG). Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192) und mit ihm die Mehrzahl der Stimmen in der Literatur halten eine analoge Anwendung einer bzw. beider Vorschriften auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft für geboten, bejahen dies für deren Gesellschafter aber allenfalls dann, wenn diese bestimmte Beteiligungsquoten überschreiten und entsprechenden Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen können. Das kann weder im Ergebnis noch in der Begründung überzeugen und ist Anlass für die nachfolgende Untersuchung. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Rolf Sethe, der die Bearbeitung der Thematik angeregt und jederzeit wohlwollend begleitet hat – gerade auch in Phasen einer hohen beruflichen Belastung, in denen ein zügiges Vorankommen nicht immer möglich gewesen ist. Seine konstruktive Kritik und ständige Ansprechbarkeit waren mir eine große Hilfe. Danken möchte ich ebenfalls Herrn Prof. Dr. Ulrich Haas für die außerordentlich schnelle Erstellung des Zweitgutachtens.
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Vorwort
Die Arbeit wurde im Herbstsemester 2014 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich abgenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden vor Beginn der Drucklegung aktualisiert. Hamburg, im Frühjahr 2015
Axel Neumann-Duesberg
Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einführung
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§ 1 Ziel des Vorhabens und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Entwicklung der Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 A. Kurzdarstellung der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Zusammenspiel der §§ 278 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. § 278 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. § 278 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. §§ 279 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Realtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 IV. Attraktivität der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Struktur der „atypischen“ KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Stellung und Aufgaben des Aufsichtsrats im Organisationsgefüge der KGaA . . . . . 32 I. Überwachungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Inhalt der Überwachungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Überwachung anderer Geschäftsführungsorgane? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Schaffung weiterer Geschäftsführungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Ausführungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 III. Vertretungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. § 287 Abs. 2 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. §§ 278 Abs. 3, 112 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Dispositivität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Handlungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 IV. Annexkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
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Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern einer Komplementär-Gesellschaft in analoger Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG 57
§ 3 Ratio § 287 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 A. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Überwachung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Erweiternde Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Einschränkende Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Vertretung der Kommanditaktionäre bzw. der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Ergebnis Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 B. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Unvereinbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsmandat in der Aktiengesellschaft 65 II. Unvereinbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsmandat in Genossenschaft, SE mit dualistischer Führungsstruktur und SCE mit dualistischer Führungsstruktur 66 III. Ergebnis systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 C. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 D. Ergebnis § 287 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 § 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 A. Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Ratio von § 287 Abs. 3 AktG übertragbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Vergleichbare Inkompatibilitätsregelungen in anderen Gesellschaften . . . 73 b) Verbot der Überkreuzverflechtung (§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AktG) . . . . . 73 c) Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Überwachungsorgan der Mutter- und im Geschäftsleitungsorgan der abhängigen Tochtergesellschaft (§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 d) Kein Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Geschäftsführungsorgan der Mutter- und im Überwachungsorgan der Tochtergesellschaft . . . . . . . 75 e) Unvereinbarkeit von Aufsichtsmandat und Prokura/Generalhandlungsvollmacht (§§ 278 Abs. 3, 105 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 f) Zulässigkeit der vorübergehenden Übernahme eines Vorstandsmandats durch Mitglieder des Aufsichtsrats in Gesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 g) Verbot der Doppelvertretung (§ 181 2. Alt. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Inhaltsverzeichnis
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h) Kredite der KGaA an Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft . 77 i) Sonstige Rechtsgeschäfte zwischen der KGaA und Geschäftsleitern einer Komplementär-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 j) Anmeldungen zum Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 k) Ergebnis systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 III. Ergebnis § 287 Abs. 3 AktG analog (Geschäftsleiter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 B. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Ratio von § 287 Abs. 3 AktG übertragbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Erster Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Einfluss auf Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Relevanz des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (2) Aktive Einflussnahmemöglichkeit („maßgeblich“) . . . . . . . . . . . 85 (a) Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (b) GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (c) Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (d) Relevante weitere Komplementär-Gesellschaften . . . . . . . . . . 88 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (3) Passive Einflussnahmemöglichkeit („mehr als nur unmaßgeblich“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (4) Beteiligungsquote und -wert variabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Vergleich typische/atypische KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Sonderrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Zweiter Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Sphäre („Machtbalance“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Arbeitnehmervertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 cc) Vertretungszuständigkeiten des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Ergebnis Übertragbarkeit Ratio § 287 Abs. 3 AktG (Gesellschafter) . . . . 105 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Wertung Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Wertung § 112 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 d) Wertung § 114 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 e) Wertung § 284 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
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Inhaltsverzeichnis f) Wertungen gesetzlich normierter Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) §§ 285 Nr. 11, 289 Abs. 4 Nr. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) § 319 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 cc) § 39 Abs. 5 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 dd) § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 ee) Ziffer 5.4.1 DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 ff) § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 gg) § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 g) Systeme Stellung von § 287 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 h) Satzungsgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 i) Vergleich mit der Aufsichtsratsbesetzung in der Aktiengesellschaft . . . . 121 j) Vergleich mit der Aufsichtsratsbesetzung in der AG & Co. KG . . . . . . . . 123 k) Vergleich mit monistischem System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 l) Offenlegung oder Stimmverbot als mildere Mittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 m) Folgen eines fehlerhaft besetzen Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 n) Ergebnis systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 III. Ergebnis § 287 Abs. 3 analog (Gesellschafter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Dritter Teil Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern einer Komplementär-Gesellschaft in analoger Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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§ 5 Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 A. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Funktion des Stimmausübungsverbots des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG . . . 133 a) Sicherung der Kontrollfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Sicherung der Vertretungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Suspendierung etwaiger Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Schutz vor Umgehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4. Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5. Folgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 III. Ergebnis Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
Inhaltsverzeichnis
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B. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Aufsichtsratswahl in anderen Gesellschaftsrechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Aufsichtsratswahl in der Aktiengesellschaft/SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Aufsichtsratswahl in der Genossenschaft/SCE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Allgemeine Stimmausübungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Aktienrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Personengesellschaftsrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . 141 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 III. Stimmausübungsverbot bei der Aufsichtsratswahl wechselseitig beteiligter Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Stimmausübungsverbot bei der Beschlussfassung über die Bestellung von Sonderprüfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 V. Ergebnis systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 C. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 D. Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 § 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 A. Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Darstellung der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG übertragbar? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG analog (Geschäftsleiter) . . . . . . . . . . . . 151 B. Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Darstellung von Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Ratio von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG übertragbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 3. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 III. Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG analog (Gesellschafter) . . . . . . . . . . . . . 159
Vierter Teil Gesamtergebnis und Thesen
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EU Abs. ADHGB a.F. AG AktG AktR Alt. Anm. ArbR arg. ex Art. BB Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ BilR BörsZulV BR-Drs. BSG BSGE BT-Drs. bzgl. Cie. Co. DAX DB DBW DCGK ders. dies. Diss. DJT DR DStR DStZ -E
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz Aktienrecht Alternative Anmerkung Arbeitsrecht argumentum ex Artikel Betriebsberater (Zeitschrift) Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bilanzrecht Börsenzulassungsverordnung Drucksachen des Deutschen Bunderates Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Drucksachen des Deutschen Bundestages bezüglich Compagnie Compagnie Deutscher Aktienindex Der Betrieb (Zeitschrift) Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe dieselben Dissertation Deutscher Juristentag Deutsches Recht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift) Entwurf
Abkürzungsverzeichnis eG EG EuZW EWG EWiR EWIV EWR f./ff. Fn. FS GbR GenG GesR ggf. GK GmbH GmbHG GmbHR GS GWB GWR HandelsR Hb. HGB HK Hrsg. Hs. INF InsO iur. i.V.m. Jura JuS JZ Kap. KG KGaA KK KMRK KonzernR KWG LG Ls. MAH MittBayNot MK
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eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum folgende/folgende (Plural) Fußnote Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (Genossenschaftsgesetz) Gesellschaftsrecht gegebenenfalls Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Gedächtnisschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Handelsrecht Halbband/Handbuch Handelsgesetzbuch Heidelberger Kommentar Herausgeber Halbsatz Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Insolvenzordnung iuris in Verbindung mit Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) JuristenZeitung (Zeitschrift) Kapitel Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kölner Kommentar Kapitalmarktrechts-Kommentar Konzernrecht Kreditwesengesetz Landgericht Leitsatz Münchener Anwalts Handbuch Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern (Zeitschrift) Münchener Kommentar
14 NJW NJW-RR Nr. NZG NZI o.g. OHG OLG PartG RG RGZ Rn. S. SCE SCEAG SCE-VO SE SEAG SE-VO StB StGB u.a. UG (haftungsbeschränkt) Univ. vgl. VGR VVaG WEG WiB WpHG WuB z.B. ZErB ZGR ZHR ZIP
Abkürzungsverzeichnis Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (Zeitschrift) oben genannten Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Partnerschaftsgesellschaft Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Satz/Seite Societas Cooperativa Europaea Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (SCEAusführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) Societas Europaea Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SEAusführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Der Steuerberater (Zeitschrift) Strafgesetzbuch und andere/unter anderem Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Universität vergleiche Schriftenreihe der Vereinigung für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Wohnungseigentumsgemeinschaft Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Kommentierte Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
Erster Teil
Einführung § 1 Ziel des Vorhabens und Gang der Untersuchung „Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung zu überwachen.“ So lautet § 111 Abs. 1 AktG. Damit ist eine wesentliche Aufgabe des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft auf den Punkt gebracht: die Kontrolle des Vorstands. Aus diesem Grund ist die Mitgliedschaft in beiden Organen auch inkompatibel (§ 105 Abs. 1 AktG). Für die Kommanditgesellschaft auf Aktien (im Folgenden: KGaA) stellt sich die Rechtslage auf den ersten Blick nicht anders dar. Auch hier kontrolliert der Aufsichtsrat die Geschäftsführung (§ 278 Abs. 3 AktG i.V.m. § 111 Abs. 1 AktG). Die Geschäftsführung liegt in der KGaA allerdings nicht beim Vorstand, sondern gemäß § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 164 S. 1 Hs. 1 HGB bei den persönlich haftenden Gesellschaftern. Daher erstaunt es nicht, dass es persönlich haftenden Gesellschaftern ebenso wie Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft untersagt ist, dem Aufsichtsrat anzugehören (§ 287 Abs. 3 AktG).1 Im Unterschied zur Aktiengesellschaft muss das Geschäftsleitungsorgan der KGaA aber nicht notwendigerweise mit natürlichen Personen besetzt sein.2 Als 1 Sethe, AG 1996, 289, 293, spricht mit Blick auf die Kontrollfunktion von einem „Gleichlauf des Schutzes“ von Aktionären und Kommanditaktionären. 2 Dies ist seit BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027, anerkannt und ergibt sich nunmehr auch aus § 279 Abs. 2 AktG: „Wenn in der Gesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet, muss die Firma (…) eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.“ § 279 Abs. 2 AktG wurde im Nachgang zur genannten BGH-Entscheidung durch Art. 8 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22. 6. 1998 (BGBl. I S. 1474, 1479) mit Wirkung zum 1. 1. 1999 entsprechend angepasst. Bereits mit Wirkung zum 1. 4. 1998 wurde § 18 Nr. 3 BörsZulV durch Art. 25 des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes vom 24. 3. 1998 (BGBl. I S. 529, 575) dergestalt neu gefasst, dass Emittenten in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in Prospekten auch über die Struktur ihres persönlich haftenden Gesellschafters informieren mussten. Ausweislich der Regierungsbegründung (BR-Drs. 605/97, S. 154) handelte es sich zwar bei der Neuregelung um keine Entscheidung über die aktienrechtliche Zulässigkeit einer KGaA ohne natürlicher Person als persönlich haftender Gesellschafter. Dennoch wurde insoweit erstmals deutlich, dass der Gesetzgeber einer atypischen Struktur jedenfalls nicht ablehnend gegenübersteht, zumal er ausdrücklich auf die Vorteile einer atypischen Gestaltung – Sicherung der Herrschaft bei Vermeidung einer persönlichen Haftung und nicht gewünschter steuerlicher Folgen, vgl. dazu unten S. 27 – hinweist.
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1. Teil: Einführung
persönlich haftender Gesellschafter kommt vielmehr jede grundsätzlich beteiligungsfähige Rechtsform in Betracht.3 Verbreitet ist insbesondere die GmbH & Co. KGaA.4 § 18 Nr. 3 BörsZulV wurde mit Wirkung zum 1. 7. 2005 durch Art. 4 des ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetzes vom 22. 6. 2005 (BGBl. I S. 1968, 1716) unter Hinweis auf einschlägige Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes und der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. 4. 2004 zur Umsetzung der Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung) aufgehoben. Art. 3 i.V.m. Anhang I der besagten Verordnung sieht vor, dass im Prospekt u. a. über Sitz und Rechtsform des Emittenten (Ziffer 5.1.4) bzw. über Name und Anschrift des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (Ziffer 14.1 [b]) zu informieren ist. Für eine Distanzierung des Gesetzgebers von der atypischen KGaA bestehen trotz der inhaltlichen Änderung der Regelung keine Anhaltspunkte. 3 Im Einzelnen können mit der Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters betraut werden: – Personengesellschaften: GbR (a.A. noch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 42; Semler/Perlitt, in: MK AktG 2. Aufl., § 278 Rn. 36; diese ablehnende Ansicht dürfte nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit (BGH, Urteil vom 29. 1. 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = ZIP 2001, 330), der gesetzlichen Verankerung der Kommanditistenfähigkeit (§ 162 Abs. 1 S. 2 HGB; grundlegend BGH, Urteil vom 16. 7. 2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291 = NJW 2001, 3121 = ZIP 2001, 1713) und der ebenfalls mit überzeugenden Argumenten bejahten Fähigkeit, Komplementärin einer KG zu sein (LG Berlin, Beschluss vom 8. 4. 2003 – 102 T 6/03, NZG 2003, 580, 581; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 161 Rn. 3 i.V.m. § 105 Rn. 28), überholt sein; so nunmehr auch Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 37); Förl/ Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 14, weisen darauf hin, dass die GbR angesichts der intransparenten Beteiligungs- und Vertretungsverhältnisse als vertretungsberechtigte Komplementärin praktisch ungeeignet sei; OHG; KG, auch in ihrer Spielart als Kapitalgesellschaft & Co. KG; PartG; Partenreederei; – juristische Personen: GmbH, auch UG (haftungsbeschränkt); AG; SE; eG; SCE; KGaA; Verein, auch VVaG; Stiftung; juristische Personen des öffentlichen Rechts; juristische Personen alten hamburgischen Rechts (Art. 163 EGBGB); – Gesellschaften aus einem Mitgliedsstaat der EG (kritisch, aber überholt Bürgers/Schütz, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 4 Rn. 14 f.); – sonstige rechtsfähige Auslandsgesellschaften (vgl. dazu K. Schmidt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 278 Rn. 21; Wichert, in: Heidel, AktR, § 278 Rn. 30 weist darauf hin, dass es inzwischen bereits entsprechende, im Handelsregister eingetragene Gesellschaften gebe). Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 68, sehen einen Gleichlauf zur Fähigkeit, Komplementär einer KG sein zu können. Mangels organschaftlicher Struktur können Erbengemeinschaft, eheliche Gütergemeinschaft und Bruchteilsgemeinschaft nicht Gesellschafter einer KGaA werden (Bürgers/Schütz, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 4 Rn. 12). Eine stille Beteiligung am Handelsgewerbe der KGaA ist zwar möglich, macht den stillen Gesellschafter aber nicht zum Mitglied der KGaA (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG § 278 Rn. 16). Ebenfalls ausscheiden die EWIV (Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung) und – trotz Rechtsfähigkeit – die WEG (K. Schmidt, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 26; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 38; Wichert, in: Heidel, AktR, § 278 AktG Rn. 30). 4 Auch eine KGaA mit einer GmbH & Co. KG als persönlich haftender Gesellschafterin firmiert als GmbH & Co. KGaA (Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 58).
§ 1 Ziel des Vorhabens und Gang der Untersuchung
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Nach dem Gesagten fällt die GmbH wie auch jede andere Komplementär-Gesellschaft5 als Aufsichtsratsmitglied der KGaA aus.6 Gilt dies aber auch für die Mitglieder ihres Geschäftsführungsorgans (im Folgenden in Anlehnung an § 1 Abs. 2 KWG rechtsformübergreifend auch als Geschäftsleiter bezeichnet) bzw. für ihre Anteilseigner, findet also auf diesen Personenkreis die Inkompatibilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG entsprechende Anwendung? Dem soll im Folgenden unter Berücksichtigung der weiteren Aufgaben des Aufsichtsrats einer KGaA7 ebenso nachgegangen werden wie der Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen das vom Gesetzgeber für persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA vorgesehene Verbot, bei der Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats mitzustimmen (§ 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG), in einer atypischen KGaA8 auf Geschäftsleiter bzw. Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft durchgreift. 5
In Anlehnung an die Terminologie in der Kommanditgesellschaft wird eine die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters inne habende Gesellschaft vielfach als Komplementär-Gesellschaft bezeichnet . 6 Überdies können gem. § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. § 100 Abs. 1 AktG nur natürliche Personen Mitglied des Aufsichtsrats werden. 7 Der Aufsichtsrat ist insbesondere umfassend in die Wahrnehmung der Interessen der Kommanditaktionäre eingebunden: er führt die Beschlüsse der Kommanditaktionäre aus (§ 287 Abs. 1 AktG) und ist Vertretungsorgan der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern (§ 287 Abs. 2 AktG; § 278 Abs. 3 Akt i.V.m. § 112 AktG). Im Übrigen bleiben seine Aufgaben aber hinter den Aufgaben des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft zurück. 8 Gemeint ist eine KGaA, bei der nicht nur eine oder mehrere natürliche Personen persönlich haften. Für diese Konstellation werden die Bezeichnungen „kapitalistische“ (BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 = NJW 1997, 1923, 1925 = ZIP 1997, 1027, 1029) und „atypische“ KGaA (Regierungsentwurf des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, BR-Drs. 605/97, S. 154) verwendet. Dabei macht allein die Bezeichnung „atypische“ KGaA den hier relevanten Unterschied zur hergebrachten Form der KGaA mit einer oder mehreren natürlichen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern deutlich und ist daher vorzugswürdig. Demgegenüber kann die Bezeichnung „kapitalistische“ KGaA zu Missverständnissen führen, denn unter „kapitalistischen“ Gesellschaften können auch solche verstanden werden, die – unabhängig von der Person des persönlich haftenden Gesellschafters – auf eine Vielzahl kapitalanlegender Gesellschafter ausgerichtet sind oder in der die Kommanditaktionäre die entscheidende Rolle spielen (so Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 478). Entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur (Heineke, Anlegerschutz, S. 12) ist der Bezeichnung „atypische“ KGaA auch nicht vorzuhalten, dass der Gesetzgeber diese Form der KGaA inzwischen explizit anerkannt und sich auch die Gestaltungspraxis von der „klassischen“ Form der KGaA zunehmend entfernt hat (vgl. dazu die Statistik bei Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 262 sowie die Einschätzung von Förl/Fett, in: HK AktG, § 276 Rn. 13), diese also gar nicht mehr atypisch sei. Insbesondere die vorliegend zu untersuchende Problemstellung zeigt, dass der gesetzliche Normalfall weiterhin die „klassische“ KGaA mit einer oder mehreren natürlichen Personen als Komplementär ist. Nicht zuletzt stößt diese Bezeichnung dazu an, sich mit der rechtshistorischen Entwicklung der KGaA näher auseinander zu setzen. Vgl. zur Begrifflichkeit nur Assmann/Sethe, GK AktG, v§ 278 Rn. 119 ff.; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 275 ff. sowie zum ganzen Heineke, Anlegerschutz, S. 11 f. Zur Firmierung siehe die Beiträge von Kiefer, Anlegerschutz, S. 13 und Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 57 ff.
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1. Teil: Einführung
Dabei soll versucht werden, unter Berücksichtigung der historischen Entwicklungen im KGaA-Recht9 und im Vergleich zu anderen Rechtsformen einen praktikablen und gleichzeitig dogmatisch überzeugenden Lösungsansatz zu entwickeln. Die Untersuchung beginnt mit einer einleitenden Entwicklung der Problemstellung. Nach einer Kurzdarstellung der KGaA werden die Stellung und Aufgaben des Aufsichtsrats einer KGaA erörtert. Dabei wird der Fokus auf solche Fragen gelegt, die für den Kern der Arbeit – die Besetzung des Aufsichtsrats einer atypischen KGaA – von Bedeutung sind. Der nachfolgende Hauptteil der Untersuchung ist zweigeteilt: zunächst geht es im Zweiten Teil der Arbeit um die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen sind, § 287 Abs. 3 AktG also auf diese analog anzuwenden ist. Dafür wird zunächst die Ratio von § 287 Abs. 3 AktG herausgearbeitet. Diese ist Ausgangspunkt der nachfolgenden Diskussion der für und gegen eine analoge Anwendung sprechenden Argumente. Die dabei gewonnen Erkenntnisse werden abschließend in den systematischen und historischen Kontext eingeordnet. Im Dritten Teil der Arbeit wird sodann erörtert, ob Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft dem auf die persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA zugeschnittenen Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ebenfalls unterliegen. Auch hier gilt es zuvorderst, sich mit der Ratio der Norm auseinander zu setzen, bevor unter Berücksichtigung des systematischen und historischen Kontexts über eine analoge Anwendung nachgedacht werden kann. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Ergebnisse zur analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG fruchtbar gemacht werden können. Abschließend werden die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst, entsprechende Thesen formuliert und die Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis dargelegt.
§ 2 Entwicklung der Problemstellung A. Kurzdarstellung der KGaA Die KGaA war bereits Gegenstand verschiedenster Abhandlungen.10 Dennoch ist es bis heute nicht gelungen, die Rechtsform vollständig zu durchdringen.11 Eine 9 Skeptisch insoweit Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 12, der auf die fehlende rote Linie in der Entwicklung des KGaA-Rechts verweist („nicht Ergebnis eines planmäßigen Wurfs“). 10 Beispielhaft sei auf Arnold, GmbH & Co. KGaA; Kessler, Möglichkeiten; Kiefer, Anlegerschutz; Kölling, Gestaltungsspielräume; Otte, AG & Co. KGaA; Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA sowie Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, verwiesen. Zur historischen Entwicklung vgl. die Hinweise unten S. 22, Fn. 21.
§ 2 Entwicklung der Problemstellung
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weitere umfassende Erörterung ihrer Struktur ist aber nicht Gegenstand dieser Arbeit. Vielmehr sollen an dieser Stelle lediglich die wesentlichen Merkmale der KGaA herausgestellt werden, um einen Zugang für die nachfolgende Untersuchung zur Besetzung des Aufsichtsrats einer atypischen KGaA zu eröffnen. I. Zusammenspiel der §§ 278 ff. AktG § 278 Abs. 1 AktG definiert die KGaA als „eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre).“ Schon begrifflich stellt sich die KGaA damit als eine gesellschaftsrechtliche Hybridform dar, die Elemente der Kommanditgesellschaft mit Elementen der Aktiengesellschaft verbindet.12 Mit Letzterer hat die KGaA die Aufteilung des Grundkapitals in Aktien gemein, mit der Kommanditgesellschaft verbindet sie, dass es hier wie dort zwei
11 So jedenfalls die Einschätzung von K. Schmidt, in: Aktienrecht im Wandel der Zeit, Bd. 2, 26. Kap., Rn. 2 (S. 1190). Tendenziell auch bereits Mertens, in: FS Barz, S. 253, 255 und Pfeiffer, KGaA, S. 1 sowie nunmehr auch Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 278 Rn. 1 und Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 66. Bachmann, in: FS Karsten Schmidt, S. 41, 55, hält die KGaA für eine „Rechtsform, die sich auch bei großer gedanklicher Anstrengung nur schwer enträtseln lässt“, Barz, in: GK AktG, 3. Aufl., v§ 278, für die „rechtlich wohl interessanteste Form einer Körperschaft“. 12 Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 441; Fett, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 2 Rn. 1; Herfs, WiB 1997, 688; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 1. – Henssler/ Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel der Zeit, Bd. 2, 1. Kap., Rn. 45 (S. 27), bezeichnen sie als „Bindeglied zwischen Personen- und Kapitalgesellschaft“; ähnlich Martens, ZHR 138 (1974), 179, 212. Distanzierter Binz/Sorg, DB 1988, 2041, 2043 („eigentümliche Mischform“). Welche Elemente überwiegen, ist streitig. Zum Teil wird die Nähe der KGaA zur Kommanditgesellschaft betont (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 9), vielfach werden ihre Gemeinsamkeiten mit der Aktiengesellschaft in den Vordergrund gestellt (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 1; Kessler, Möglichkeiten, S. 66; Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 3; Passow, Aktiengesellschaft, 1922, S. 558 – „Abart der AG“; Philbert, KGaA, S. 84; K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 265, 273 – „von der Quasi-KG zur Quasi-AG“; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 278 Rn. 2). Diese Einordnung ist – entgegen anders lautender Stimmen in der Literatur (Förl/Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 3; Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 12; ähnlich auch Blaurock, in: Wachter, AktG, § 278 Rn. 2) – keineswegs rein akademischer Natur, denn sie determiniert in Zweifelsfragen das anzuwendende Rechtssystem (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 1; ähnlich auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 9); richtigerweise dürfte es auf den Sachzusammenhang der konkreten Einzelfrage ankommen (vgl. auch unten Fn. 16). Keinen Vor- und Nachrang sehen Priester, ZHR 160 (1996), 250, 254 und Schaumburg, DStZ 1998, 525. Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398 = NJW 1997, 1923, 1925 = ZIP 1997, 1027, 1029) betont, dass die KGaA eine Rechtsform eigener Art sei; zustimmend Kiefer, Anlegerschutz, S. 29; Kölling, Anlegerschutz, S. 29; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 29. Vgl. im Übrigen unten S. 22, Fn. 21.
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1. Teil: Einführung
Gesellschaftergruppen mit unterschiedlichen Rechtsstellungen gibt.13 Dabei liegt das Recht zur Geschäftsführung und zur Vertretung der KGaA bei den persönlich haftenden Gesellschaftern14 (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 164 S. 1 Hs. 1 bzw. 161 Abs. 2, 125 Abs. 1, 170 HGB); die Kommanditaktionäre sind – ähnlich wie die Aktionäre der Aktiengesellschaft – lediglich am Kapital beteiligt.15 Dementsprechend wird die Kapitalstruktur der KGaA auch vom Aktienrecht geprägt (§ 278 Abs. 3 AktG), während die Führungsstruktur überwiegend personengesellschaftsrechtlichen Regelungen unterliegt (§ 278 Abs. 2 AktG).16 Dazu kommen einige wenige, speziell auf die KGaA zugeschnittene Sondervorschriften (§§ 279 – 290 AktG). Schon dies zeigt, dass das Recht der KGaA nicht aus einem Guss ist17. Für die einzelnen Regelungsbereiche gelten unterschiedliche Rechtssysteme mit zum Teil
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Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 75 Rn. 7. – Im Gegensatz zur Kommanditgesellschaft können die Gesellschafter der KGaA beiden Gesellschaftergruppen angehören. Der Grund für diesen Unterschied ist, dass die KGaA – anders als die Kommanditgesellschaft – eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist, vgl. K. Schmidt, GesR, S. 974. – In der KGaA nach schweizerischem Recht müssen die persönlich haftenden Gesellschafter auch Kommanditaktien halten (Art. 764 OR). 14 Diese werden – angelehnt an die Terminologie in der Kommanditgesellschaft – auch als „Komplementäre“ bezeichnet. Die früher auch verwendete Bezeichnung „Geschäftsinhaber“ (so beispielsweise Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, 1935, § 328 Anm. 3; Joens, Gesellschafter, 1962, S. 86; heute noch Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 4) geht fehl und ist nach Anerkennung der KGaA als juristische Person auch überholt (Bachmann, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 278 Rn. 15). 15 In ihrer Gesamtheit haben sie allerdings – ähnlich einem Kommanditisten – das Recht, ungewöhnlichen Geschäften zu widersprechen (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 Hs. 2 HGB). Das Widerspruchsrecht des § 164 S. 1 Hs. 2 HGB ist als Zustimmungsrecht zu verstehen, vgl. Förl/Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 39; Haas/Mock, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 164 Rn. 7; Grunewald, in: MK HGB, § 164 Rn. 10; Maul, in: Beck’sches Hb. AG, § 4 Rn. 10. Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 195, spricht in diesem Zusammenhang von der Organisationsidee einer Trennung von Unternehmen und Finanziers. Ungeachtet dessen können persönlich haftende Gesellschafter Kommanditaktien halten und sich zudem über eine – einfacher zu erbringende (so Otte, AG & Co. KGaA, S. 200; Perlitt, MK AktG, § 278 Rn. 43) – Sondereinlage („Vermögenseinlage“, § 281 Abs. 2 AktG) am Kapital der Gesellschaft beteiligen. Zu den steuerlichen Implikationen vgl. Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 69 ff. 16 Dies ist eine vereinfachende, aber im Kern richtige Beschreibung der Hybridstruktur der KGaA. Vgl. nur BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 396 = NJW 1997, 1923, 1924 = ZIP 1997, 1027, 1028; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 5; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 75 Rn. 7; ders., VRG 1998, 23, 26 f.; Kiefer, Anlegerschutz, S. 27 f.; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 28; Lutter/Krieger/Verse, Recht und Pflichten, Rn. 1301; Perlitt, in: Die börsennotierte Familienaktiengesellschaft, S. 84, 88; ders., in: MK AktG, v§ 278 Rn. 29; Pühler, in: Happ, AktR, S. 168; Schaumburg, DStZ 1998, 525; kritisch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 22. 17 Bild nach Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 277; ders., ZIP 1996, 2053, 2058.
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divergenten Grundsätzen.18 Das macht es dem Rechtsanwender nicht immer einfach. Umso wichtiger ist es, Klarheit über das Zusammenspiel der §§ 278 Abs. 2, Abs. 3, 279 ff. AktG zu gewinnen.19 1. § 278 Abs. 2 AktG Auszugehen ist dabei – vorbehaltlich der KGaA-rechtlichen Sondervorschriften der §§ 279 ff. AktG – von § 278 Abs. 2 AktG. Ausweislich seines Wortlauts ist § 278 Abs. 3 AktG nur „im übrigen“ anwendbar. Zu klären ist also der Anwendungsbereich von § 278 Abs. 2 AktG. Dort ist von drei Rechtsverhältnissen die Rede: dem Rechtsverhältnis der „persönlich haftenden Gesellschafter“ untereinander (Fall 1), gegenüber der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ (Fall 2) und gegenüber „Dritten“ (Fall 3).20 Die Fälle 1 und 3 sind relativ leicht zu fassen. In Fall 1 geht es um das Binnenverhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter, in Fall 3 um das Verhältnis gegenüber externen Dritten. Beide Rechtsverhältnisse unterliegen KGRecht, also zum einen § 161 Abs. 2 i.V.m. §§ 109 ff. HGB (Fall 1), zum anderen § 161 Abs. 2 i.V.m. §§ 125 ff. HGB (Fall 3). Gleiches gilt für das Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre (Fall 2); in diesem Verhältnis sind die §§ 163 ff. HGB maßgeblich. Wer oder was ist aber die „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“? Der Wortlaut von § 278 Abs. 2 AktG deutet darauf hin, dass es sich dabei um einen eigenständigen Personenverband handelt, der den persönlich haftenden Gesellschaftern gegenübersteht. Insbesondere § 287 Abs. 2 S. 1 AktG, der Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und den persönlich haftenden Gesellschaftern zum Thema hat, scheint vorauszusetzen, dass dieser Verband Rechtsfähigkeit besitzt, denn ansonsten wäre es nicht möglich, dass sich beide Gesellschaftergruppen als solche gegenüberstehen, geschweige denn Rechtsstreitigkeiten gegeneinander führen könnten. Von daher erstaunt es nicht, dass sich Rechtsprechung und Literatur – auch vor dem Hintergrund des historischen Leitbildes von der
18 Ein entscheidender Unterschied ist die nur im Personengesellschaftsrecht geltende Satzungsautonomie. 19 Vgl. dazu umfassend Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 3 ff. (Katalog der anwendbaren Vorschriften); Kessler, Möglichkeiten, S. 6 ff.; Philbert, KGaA, S. 84 ff., 108. Fraglich ist allerdings, ob in jedem Einzelfall eine genaue Abgrenzung zwischen Abs. 2 und Abs. 3 AktG möglich ist. Dies wird von einigen Stimmen mit dem Argument bestritten, dass sich dieselbe Frage je nach Sichtweise sowohl diesem als auch jenem Absatz zuordnen lasse, es letztlich also von wertenden Kriterien abhänge, ob Personengesellschafts- oder Aktienrecht anzuwenden sei. Dies gelte u. a. für die Kompetenzen des Aufsichtsrats (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 22 ff.). 20 Assmann/Sethe, in: GK AktG, v§ 278 Rn. 56 und Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 109, stellen die beiden Regelungsbereiche in den Vordergrund, nämlich die Organfunktionen der persönlich haftenden Gesellschafter (Geschäftsführung und Vertretung) sowie die Rechte der Gesellschafter untereinander (mitgliedschaftliche Ebene).
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kommanditrechtlichen Struktur der KGaA21 – lange Zeit darüber einig gewesen sind, dass die Gesamtheit der Kommanditaktionäre einen eigenständigen Verband innerhalb der – selbst nicht rechtsfähigen – KGaA bilden.22 Diesem Verständnis ist mit der Einordnung der KGaA als juristische Person23 die Grundlage entzogen worden.24 Es ist mit dem Wesen einer juristischen Person nicht vereinbar, dass in ihr ein weiterer mit Rechtsfähigkeit ausgestatteter Verband besteht, der eigene Interessen verfolgt und diese ggf. selbständig gegen andere Gesellschafter durchsetzt.25 Ein derartiger Verband ist für die Bildung und Durchsetzung der Kollektivinteressen der Kommanditaktionäre aber auch gar nicht notwendig, denn die Kommanditaktionäre sind zur gemeinsamen Willensbildung in der Hauptversammlung organisiert, einem Organ der – juristischen Person – KGaA.26 Damit ist es möglich, die Rechtsbeziehungen zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre über die Gesellschaft selbst abzuwickeln. In diesem Verhältnis gilt gemäß § 278 Abs. 2 AktG das Recht der Kommanditgesellschaft.27 Der Terminus 21 Die KGaA war ursprünglich als eine Unterart der Kommanditgesellschaft konzipiert, deren Kommanditkapital in Aktien zerlegt war (Art. 173 ADHGB 1861). Als legislatorisches Vorbild gilt der französische Code de Commerce von 1807. Im Laufe der Zeit näherte sich die KGaA immer mehr der Aktiengesellschaft an. Im HGB von 1897 wurde sie schließlich auch normativ an die Aktiengesellschaft angelehnt und – ähnlich wie im heutigen AktG – im Anschluss an diese geregelt (§§ 230 ff. HGB 1897). Weitere 100 Jahre überstand sie praktisch unverändert – hinzuweisen ist lediglich auf die Zuerkennung der Rechtsfähigkeit durch § 219 AktG 1937 – bis zur wegweisenden Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1997 (Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027). Auch in den Folgejahren hat weniger der Gesetzgeber als die Wissenschaft und insbesondere der BGH die Weiterentwicklung der KGaA beeinflusst. Vgl. zur historischen Entwicklung die umfassende Darstellung von Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 11 ff. sowie die Beiträge von Eilentrop, Kommanditaktiengesellschaft, S. 16 ff.; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 9 f.; Joens, Gesellschafter, S. 13; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 6; K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 265, 273 f.; ders., in: AktR im Wandel, Bd. 2, 26. Kap., Rn. 11 ff. (S. 1195 ff.); ders., in: FS Priester, S. 691, 694 und Wichert, Finanzen, S. 45 f. 22 Nachweise bei Friedrich, KGaA, S. 41 und Wichert, Finanzen, S. 42 ff. Anders bereits Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, Einleitung vor §§ 320 ff., Anm. 17. 23 Dies ist seit 1937 ausdrücklich festgelegt, vgl. § 219 Abs. 1 AktG 1937. 24 So bereits von Godin, DR 1940, 1444, 1945 f. und Würdinger, ZAkDR 1940, 314, 315 f. Heute auch Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 278 AktG Rn. 5; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 31; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 166; Kessler, Möglichkeiten, S. 16; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 2; Wichert, in: Heidel, AktR, § 278 AktG Rn. 54. 25 Fett, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 1 Rn. 3; Fischer, KGaA, S. 55; Kessler, Möglichkeiten, S. 16; Pfeiffer, KGaA, S. 17 f.; Sethe, AG 1996, 289, 300; Wichert, Finanzen, S. 47. Tendenziell auch BGH, Urteil vom 17. 05. 1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 345 = NJW 1993, 2307, 2308 = ZIP 1993, 1079, 1080 sowie Flume, Jur. Person, S. 405 ff. 26 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 278 AktG Rn. 5; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 278 Rn. 49; Pfeiffer, KGaA, S. 24. Ähnlich auch K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 9. 27 Vgl. dazu auch die Erörterungen im Zusammenhang mit § 287 Abs. 2 S. 1 AktG, unten S. 47.
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„Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ kollektiviert also lediglich die einzelnen Kommanditaktionäre zu einem Ganzen.28 Zusammen stehen sie den persönlich haftenden Gesellschaftern wie ein Alleinkommanditist einer Kommanditgesellschaft gegenüber.29 Als solche entscheiden sie unter anderem über die Zustimmung zu organisationsbezogenen Maßnahmen (z.B. Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Vertretungsberechtigung, Ausschließung von Gesellschaftern, Auflösung der Gesellschaft) und zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen (§ 164 S. 1 Hs. 2 HGB). 2. § 278 Abs. 3 AktG Soweit § 278 Abs. 2 AktG nicht zur Anwendung kommt, gilt über die Verweisung in § 278 Abs. 3 AktG allgemeines Aktienrecht. Dies bedeutet zunächst, dass die Individualrechte der Kommanditaktionäre weitgehend denen eines Aktionärs einer Aktiengesellschaft entsprechen.30 Weiter gilt für die Verfassung der KGaA das Recht der Aktiengesellschaft. So folgt aus § 278 Abs. 3 AktG, dass es neben den persönlich haftenden Gesellschaftern31 zwei weitere Pflichtorgane32 in der KGaA gibt: Hauptversammlung und Aufsichtsrat. Deren Aufgaben decken sich teilweise mit denen ihrer Pendant-Organe in der Aktiengesellschaft. So hat der Aufsichtsrat 28 Pfeiffer, KGaA, S. 16. Ähnlich Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 3, der richtigerweise vom „Strukturprinzip einer Mediatisierung der Verwaltungsrechte der Anleger“ spricht. 29 Ammenwert, KGaA, S. 22; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 114. – Ob darüber hinaus zum Ausdruck gebracht werden soll, dass im Rechtsverhältnis zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und den Kommanditaktionären jeder einzelne Kommanditaktionär materiell berechtigt, jedoch nicht alleine, sondern nur in notwendiger Rechtsgemeinschaft mit den anderen Kommanditaktionären über die Hauptversammlung zu handeln in der Lage ist (so Philbert, KGaA, S. 96 ff.) kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Auch über das Individualrechtsverhältnis des einzelnen Kommanditaktionärs wird an dieser Stelle keine Aussage getroffen. 30 Hervorzuheben ist insbesondere, dass jeder einzelne Kommanditaktionär Mitglied der KGaA und damit Inhaber der entsprechenden Aktionärsrechte ist. Damit gehen insbesondere Teilnahme-, Rede- und Stimmrechte in der Hauptversammlung einher. Weiter sind die Kommanditaktionäre sowohl untereinander als auch mit den persönlich haftenden Gesellschaftern und der KGaA mitgliedschaftlich verbunden. Vgl. dazu K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 5, 11 sowie zu den daraus folgenden Treuepflichten Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 87 ff.; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 34; Kessler, Möglichkeiten, S. 112, 289; Pfeiffer, KGaA, S. 25 f. – A.A. Joens, Gesellschafter, S. 22 sowie zum Teil auch Philbert, KGaA, S. 87 f., der ein Rechtsverhältnis zwischen einem einzelnen Kommanditaktionär und den persönlich haftenden Gesellschaftern ablehnt. 31 Diese bilden das erste Pflichtorgan der KGaA und sind aufgrund ihrer Geschäftsführungsfunktion in der Aktiengesellschaft am ehesten mit dem Vorstand vergleichbar. – Habel/ Strieder, MittBayNot 1998, 65, 66, weisen darauf hin, dass die Regelungen des AktG über den Vorstand für persönlich haftende Gesellschafter nur dann Anwendung finden, soweit dies – über § 283 AktG – ausdrücklich angeordnet ist. 32 Neben den Pflichtorganen können weitere fakultative Organe geschaffen werden, beispielsweise ein Beirat.
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ebenso wie in der Aktiengesellschaft die Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafter zu überwachen und die Gesellschaft gegenüber ebendiesen zu vertreten.33 Die Hauptversammlung ist unter anderem für die Bestellung des Aufsichtsrats und der Abschlussprüfer sowie für die Entscheidung über die Verwendung des Bilanzgewinnes zuständig (vgl. im Einzelnen § 119 Abs. 1 AktG).34 Insoweit ist auf beide Organe der KGaA Aktienrecht entsprechend anwendbar.35 Hauptversammlung und Aufsichtsrat haben aber in der KGaA noch weitere Funktionen, die über die ihrer Pendant-Organe in der Aktiengesellschaft hinausgehen. So führt der Aufsichtsrat zusätzlich noch Beschlüsse der Kommanditaktionäre aus (§ 287 Abs. 1 AktG) und fungiert als Vertreter in Rechtsstreitigkeiten, die diese in ihrer Gesamtheit mit den persönlich haftenden Gesellschaftern führen (§ 287 Abs. 2 AktG).36 Dabei repräsentiert er die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre.37 Auch die Hauptversammlung nimmt über ihre spezifisch aktienrechtlichen Aufgaben hinaus weitere Rechte wahr, nämlich solche, die in der Kommanditgesellschaft den Kommanditisten gegenüber den Komplementären zustehen.38 Sie fungiert bildlich gesprochen als „Medium“ der Gesamtheit der Kommanditaktionäre.39 Insoweit findet Personengesellschaftsrecht Anwendung.40 Auch das Verhältnis zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der KGaA selbst fällt grundsätzlich in den Regelungsbereich von § 278 Abs. 3 AktG.41 33
Letzteres ist streitig, vgl. dazu unten S. 50. Ein Beschluss der Hauptversammlung ist auch in den übrigen Fällen erforderlich, in denen in der Aktiengesellschaft die Hauptversammlung entscheidet, z.B. bei der Bestellung von Sonderprüfern (§ 142 Abs. 1 AktG) und der Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern, vgl. Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 39a. 35 Hingewiesen sei aber auf § 285 Abs. 2 S. 1 AktG, wonach die Beschlüsse der Hauptversammlung der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter bedürfen, soweit in einer Kommanditgesellschaft Einstimmigkeit zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und den Kommanditisten erforderlich ist. Zustimmungspflichtig sind damit beispielsweise Satzungsänderungen, Unternehmensverträge, Auflösung oder Umwandlung der KGaA sowie außergewöhnliche Geschäfte (vgl. Göckeler, Börsengang, S. 14). 36 Vgl. dazu im Einzelnen unten S. 47. 37 K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 16. 38 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 285 AktG Rn. 1; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 93. 39 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 2. Nach Otte, AG & Co. KGaA, S. 26, meint das Gesetz mit der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ die Hauptversammlung. 40 Siehe oben S. 21 f. 41 Cahn, AG 2001, 579, 581. – Anders Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 25: Die Gesamtheit der Kommanditaktionäre sei mit der Gesellschaft gleichzusetzen, so dass § 278 Abs. 2, 2. Fall AktG greife. Im Ausgangspunkt ebenso Kessler, NZG 2005, 145 f. und Pfeiffer, KGaA, S. 27 f. – Nach Philbert, KGaA, S. 86, ist das Rechtsverhältnis zwischen einem einzelnen persönlich haftenden Gesellschafter und der KGaA ungeachtet des Wortlauts von § 278 Abs. 3 AktG nach Personengesellschaftsrecht zu beurteilen, weil der persönlich haftenden Gesellschafter das „personengesellschaftsrechtliche Charakteristikum“ der KGaA sei. 34
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Dabei darf es allerdings zu keinem Widerspruch mit der vorrangigen Verweisung in § 278 Abs. 2 AktG kommen. So betrifft die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten zwar auch das Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter zur KGaA; insoweit ist aber infolge des eindeutigen Wortlauts bereits § 278 Abs. 2 AktG einschlägig und gegenüber § 278 Abs. 3 AktG abschließend.42 3. §§ 279 ff. AktG Generellen Anwendungsvorrang genießt das spezifische KGaA-Recht. § 278 Abs. 3 AktG verweist zwar seinem Wortlaut nach nur „im übrigen“ auf das Aktienrecht und speziell auf die §§ 279 ff. AktG. Dies suggeriert im Umkehrschluss, dass § 278 Abs. 2 AktG in seinem Anwendungsbereich abschließend sein müsste.43 Die Natur der Sache und mit ihr der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ gebieten es jedoch, dass die besonderen Vorschriften der KGaA das allgemeine Personengesellschaftsrecht ebenso überlagern wie das allgemeine Aktienrecht.44 So gilt beispielsweise für den persönlich haftenden Gesellschafter nicht der Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 708 BGB), sondern gemäß § 283 Nr. 3 AktG derjenige eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG). II. Zusammenfassung Aus dem Vorgenannten folgt, dass die persönlich haftenden Gesellschafter die Geschäfte der KGaA wie Komplementäre einer Kommanditgesellschaft führen. Die Kommanditaktionäre sind – auch in ihrer Gesamtheit – von der Geschäftsführung ausgeschlossen. In der Hauptversammlung organisiert haben sie zusammen die Stellung eines Quasi-Kommanditisten.45 Gemäß § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HS. 2 HGB bedürfen außergewöhnliche Geschäfte ihrer Zustimmung.46 Vertretungsberechtigt sind allein die persönlich haftenden Gesellschafter;47 unternehme42
Förl/Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 7 f. Kessler, Möglichkeiten, S. 8. 44 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 21; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 75 Rn. 9; Otte, AG & Co. KGaA, S. 25 Fn. 29; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 135. – Damit besteht im Ergebnis eine dreifach gestaffelte Normenhierarchie: §§ 279 – 290 AktG, §§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. Personengesellschaftsrecht, §§ 278 Abs. 3 AktG i.V.m. Aktienrecht. 45 K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 5, verwendet die Bezeichnung „Treuhandkommanditist“. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 19, stellt heraus, dass es sich um eine „Vergemeinschaftung kraft Gesetzes“ handele, die bei einer Publikums-KG erst gesellschaftsvertraglich hergestellt werden müsse. 46 Das Widerspruchsrecht ist als Zustimmungsrecht zu verstehen, vgl. Nachweise oben S. 20, Fn. 15. Zu Grundlagengeschäften/Holzmüller vgl. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 64 ff., 80 ff. und Koch, DB 2001, 1701, 1702 ff. 47 Gegenüber ihren persönlich haftenden Gesellschaftern wird die KGaA allerdings von ihrem Aufsichtsrat vertreten, siehe dazu unten S. 50. 43
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rische Mitentscheidungsbefugnisse des Aufsichtsrats sind nicht vorgesehen.48 Über § 278 Abs. 2 AktG kommen aber auch die §§ 109, 163 HGB zur Anwendung. Die Organisationsstruktur der KGaA steht damit in den Grenzen des allgemeinen Personengesellschaftsrechts49 weitgehend zur Disposition des Satzungsgebers. III. Realtypen Vor diesem Hintergrund haben sich verschiedene Realtypen herausgebildet, die in unterschiedlicher Weise vom gesetzlichen Leitbild abweichen.50 Ihnen ist gemein, dass sie das Machtzentrum der KGaA verschieben, allerdings in unterschiedliche Richtungen. So kann die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber den Kommanditaktionären sowohl verstärkt als auch eingeschränkt werden. Auf der einen Seite ist es beispielsweise möglich, das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäften abzubedingen51 oder über § 285 Abs. 2 S. 1 AktG hinaus in den Grenzen von § 285 Abs. 2 S. 2 AktG weitere Hauptversammlungsbeschlüsse von der Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter abhängig zu machen.52 Dann spricht man von einer komplementärdominierten KGaA. Auf der anderen Seite können den Kommanditaktionären bzw. dem Aufsichtsrat oder auch einem Beirat umfassende Mitwirkungsrechte bei der Leitung der Gesellschaft bis hin zu Weisungsbefugnissen gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern eingeräumt oder auch § 285 Abs. 2 S. 1 AktG abbedungen werden (hauptversammlungs-, aufsichtsrats- oder beiratsdominierte KGaA).53 Am Beispiel des Aufsichtsrats bedeutet dies, dass dessen Kompetenzen auf der ersten Stufe denen des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft angeglichen und Zustim-
48 Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 44. Priester, ZHR 160 (1996), 250, 261, schreibt der hervorgehobenen Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters eine besondere Kennzeichnungsfunktion zu. 49 Otte, AG & Co. KGaA, S. 36. – Genannt sei hier insbesondere der Grundsatz der Selbstorganschaft, siehe dazu auch unten S. 38. 50 Vgl. dazu Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 147 ff.; Heermann, ZGR 2000, S. 51, 78; Knur, in: FS Flume, Bd. 2, S. 173, 185; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 22 ff. 51 Streitig ist allerdings, ob zum Ausgleich ein Zustimmungsrecht des Aufsichtsrats erforderlich ist, siehe dazu unten S. 35. 52 Praktisch relevant wird eine solche Erweiterung aber nur bzgl. § 174 AktG, vgl. Heineke, S. 216. – Kiefer, Anlegerschutz, S. 172, hält dies in einer atypischen KGaA für unangemessen. Kritisch gegenüber signifikanten Verschiebungen zugunsten der persönlich haftenden Gesellschafter Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388, 1391. 53 Für eine derartige Gestaltung kann zum einen sprechen, dass eine verbesserte Stellung der Anleger mit einer höheren Bewertung der Kommanditaktien einher gehen dürfte; zum anderen kann sich diese Gestaltung für „Altgesellschafter“ als attraktiv erweisen, die sich aus der operativen Geschäftsführung zurückgezogen haben, aber die Fäden noch in der Hand behalten wollen (Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 47).
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mungsrechte analog § 111 Abs. 4 S. 2 AktG implementiert,54 ihm auf der zweiten Stufe unternehmerische Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt und ihm auf der dritten Stufe Weisungsrechte gegenüber der Geschäftsleitung zugestanden werden können.55 Diese Gestaltungsmöglichkeiten sind ein großer Vorteil der KGaA gegenüber der Aktiengesellschaft, welche nur in sehr begrenzter Weise individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann.56 IV. Attraktivität der KGaA Interessant ist die Rechtsform der KGaA vor allem für Familiengesellschaften57: der Einfluss auf die Geschäftsführung kann dauerhaft gesichert werden,58 ohne dass 54 Dieser wird nicht bereits über § 278 Abs. 3 AktG in Bezug genommen, da es um die Geschäftsführungszuständigkeit geht, für die gem. § 278 Abs. 2 AktG Personengesellschaftsrecht Anwendung findet (Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 193; a.A. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 10). 55 Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 150; vgl. dazu auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 18; Förl, KGaA, S. 33 sowie Knur, in: FS Flume, Bd. 2, S. 173, 185 sowie Reichert, ZIP 2014, 1957, 1960. – Das Geschäftsführungsverbot des § 111 Abs. 4 S. 1 AktG gilt nicht (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 9; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 40; § 278, 235). Die operative Führung der Geschäfte durch den Aufsichtsrat wäre mit dessen Überwachungsaufgabe indes nicht vereinbar; es kann also nur um die Bestimmung der Geschäftspolitik gehen (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 151; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 56; restriktiv auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 58, § 287 Rn. 18 sowie Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1317). 56 Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 474, bezeichnet die KGaA treffend als „Maßanzug“ für ein Unternehmen. Die dispositive Satzungsgestaltung sei das Argument für die KGaA (S. 504). Ähnlich Assmann/Sethe, in: GK AktG, v§ 278 Rn. 51 (die Aktiengesellschaft sei „Konfektion“, die KGaA „Maßanzug“), die – im Bild bleibend – aber auch auf den komplizierten Herstellungsprozess eines Maßanzugs hinweisen (a.a.O., Rn. 52), sowie Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 199 („Oase der Vertragsfreiheit“; zustimmend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, S. 633). Der DJT 2008 hat sich dafür ausgesprochen, die aktienrechtliche Satzungsstrenge beizubehalten (Beschlüsse, Abteilung Wirtschaftsrecht, II. A. 4.). 57 Zum Begriff vgl. Müller, in: Beck’sches Hb. AG, § 1 Rn. 21 ff. – Perlitt, in: Die börsennotierte FamG, S. 84, 85, weist darauf hin, dass den einzelnen Familienmitgliedern die passenden Rollen zugewiesen werden können. 58 Statistische Erhebungen haben gezeigt, dass Familienunternehmer wenig mehr fürchten, als die Kontrolle über ihr Unternehmen zu verlieren (Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 479). Zwar kann auch über die Ausgabe von Vorzugsaktien ein dauerhafter Einfluss auf die Geschäftsleitung erreicht werden. Der Anteil von Vorzugsaktien ist aber auf die Hälfte des Grundkapitals begrenzt (§ 139 Abs. 2 AktG); zudem besteht die latente Gefahr des Machtverlustes, wenn in Krisensituationen der Vorzugsbetrag nicht mehr gezahlt werden kann (§ 140 Abs. 2 AktG). Überdies ist bei der Ausgabe von Vorzugsaktien mit einem niedrigeren Erlös zu rechnen als bei der Ausgabe von Stammaktien: Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 482 und Herfs, WiB 1997, 688, 690, sprechen von einem Abschlag von 10 – 30 %, Schlitt, Satzung, S. 30, von 10 – 20 %. Dies soll bei Kommanditaktien nicht der Fall sein, so jedenfalls Jäger, NZG 1999, 101, 104 und tendenziell auch Ladwig/Motte, DStR 1996, 842, 846; Reichert, ZIP 2014, 1957, 1963 sowie Sethe, AG 1996, 289, 294; zurückhaltender Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 71 (gewisser Wertabschlag möglich, aber nicht zwingend); Perlitt, in: MK AktG,
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auf eine Finanzierung am Kapitalmarkt verzichtet werden muss.59 Herfs bezeichnet dies als „einmalige Möglichkeit, an das Geld anderer Leute heranzukommen, ohne diesen wesentliche Entscheidungsbefugnisse einräumen zu müssen“.60 Die KGaA ist die ideale Rechtsform, wenn es um einen stufenweisen Übergang von einer Kommanditgesellschaft in die Aktiengesellschaft geht;61 gerade in diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit zur freien Satzungsgestaltung ein entscheidendes Argument
§ 278 Rn. 281 und auch noch Pühler, in: Happ, AktienR, 3. Aufl., S. 195 („zumeist Kursabschlag“); anders Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, S. 633 („im Einzelfall sicher nicht unerheblicher Kursabschlag“). – Otte, AG & Co. KGaA, S. 50, weist darauf hin, dass Bewertungsabschläge kein spezifischer Nachteil der KGaA seien, sondern der Preis für die Übernahmeresistenz. 59 Kallmeyer, DStR 1994, 979, 980. – Die Bertelsmann SE & Co. KGaA führt beide Gründe für ihren Rechtsformwechsel von der Aktiengesellschaft in eine KGaA an (http://bertelsmann. de/Investor-Relations/Bertelsmann-im-ueberblick/Rechtsformwechsel.html, zuletzt abgerufen am 19. 3. 2013; vgl. auch den Bericht der F.A.Z. vom 28. 3. 2012, http://www.faz.net/aktuell/wirt schaft/unternehmen/bertelsmann-bereit-fuer-die-boerse-11700866.html, zuletzt abgerufen am 28. 3. 2015). Zur Bedeutung des Eigenkapitals Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 488; Haase, GmbHR 1997, 917, 918 f.; Kiefer, Anlegerschutz, S. 97; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 21; Ladwig/ Motte, DStR 1996, 800 f.; Nolten, in: Die Private AG, S. 519, 523 ff.; Otte, AG & Co. KGaA, S. 32 f.; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 225. Eine mangelnde Eigenkapitalausstattung kann wachstumsbremsend wirken und in Krisenzeiten sogar den Bestand des Unternehmens gefährden: Fremdkapital muss durch Eigenkapital untermauert werden, ist kostenintensiv und muss auch in Verlustzeiten bedient werden. Zudem ist es im Gegensatz zum Eigenkapital nur auf Zeit geliehen. Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 289, hält eine PublikumsKG insoweit offenbar für gleichwertig. Auch Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 209, weist auf die „Gefahr“ des grauen Kapitalmarkts für die KGaA hin. – Zu den Vor- und Nachteilen der Aktie als Finanzierungsinstrument Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 178 ff. 60 Herfs, VGR 98, 23, 25, der allerdings auch auf die damit einher gehenden Gefahren für die Kapitalanleger hinweist. Kiefer, Anlegerschutz, S. 94, spricht von der „attraktiven Organisationsidee einer vollständigen Trennung zwischen Finanzierung (…) und Unternehmung“. Ähnlich zuvor schon Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 195 ff., der zudem die Vorteile gegenüber Vorzugsaktien – dauerhafte Sicherung des Gruppeneinflusses – herausstellt, sowie nunmehr auch Mense, GWR 2014, 320 und Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1426. Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 464, hält den geringen Einfluss der Kommanditaktionäre (auch über den Aufsichtsrat) für ein bedeutendes Argument für die KGaA; ähnlich Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 68; Kessler, Anlegerschutz, S. 24 f. sowie Otte, AG & Co. KGaA, S. 23, 34 f. 61 Barz, in: GK AktG, 3. Aufl., v§ 278. Zustimmend Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, S. 633; Mertens, in: FS Barz, S. 253, 263; Perlitt, in: Die börsennotierte FamG, S. 84; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 202. Tendenziell auch Kallmeyer, DStZ 1994, 977 („außerordentlich interessante Rechtsform“ für personalistisch organisierte Unternehmen). Weitergehend Ullrich, Unternehmensmitbestimmung, S. 46, der die (kapitalistische) KGaA als ideale Rechtsform für viele mittelständische Unternehmen bezeichnet; ähnlich Birkenfeld u.a., DB 2014, 147 („zivilrechtlich attraktiver Rechtsrahmen“ mit allerdings unzureichenden steuerlichen Regelungen); Blaurock, in: Wachter, AktG, § 278 Rn. 3 sowie Henn, Hb. AktR, 7. Aufl., § 4 Rn. 117 („geradezu ideale Mischform“). Dagegen Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 5, der im Vergleich zur Kommanditgesellschaft keine signifikanten Vorteile sieht, solange kein Gang an die Börse anstehe.
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für die KGaA.62 Darüber hinaus bietet sie Vorteile bei der Besteuerung63 und bei der Mitbestimmung64. Zudem ist ein in der Vergangenheit entscheidendes Argument gegen die KGaA vom Bundesgerichtshof de facto deutlich entschärft worden: die persönliche Haftung von mindestens einem Gesellschafter. Zwar ist diese nach wie vor ein Merkmal der KGaA. Beim (auch einzigen) persönlich haftenden Gesellschafter muss es sich jedoch nicht (mehr) zwingend um eine natürliche Person handeln.65. Insofern ist es heute möglich, einen wesentlichen Nachteil der KGaA66 zu umgehen.67 Nach alledem überrascht es nicht, dass die KGaA aus dem „Schatten62
Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 504; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 108. Grundsätzlich zustimmend auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 2. 63 Zwar gehören die erbschaftssteuerlichen Vorteile weitgehend der Geschichte an (vgl. nur Otte, KGaA, S. 39; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 86); persönlich haftende Gesellschafter können aber nach wie vor die auf sie fallenden Verluste der KGaA mit anderen Einkünften verrechnen, was für die Kapitalgesellschaft & Co. KGaA in Reinform indes in der Praxis weitgehend ohne Bedeutung sein dürfte. Kompakte Darstellung bei Otte, AG & Co. KGaA, S. 38 f., 52 f. Kritisch zur Besteuerung der KGaA Drüen/van Heek, DStR 2012, 541 sowie – mit Reformvorschlägen – Bielinis, DStR 2014, 769 und Birkenfeld u.a., DB 2014, 147. 64 Grundsätzlich ist die KGaA ebenso wie die Aktiengesellschaft mitbestimmungspflichtig, die Auswirkungen sind aber insbesondere angesichts der fehlenden Personalkompetenz des Aufsichtsrats erheblich geringer (vgl. dazu auch unten S. 34). Auch ein Arbeitsdirektor muss nicht bestellt werden. Plakativ Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 83: „Der paritätischen Mitbestimmung [sind] in der KGaA die Zähne gezogen.“ Vgl. hierzu insgesamt BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 400 = NJW 1997, 1923, 1925 = ZIP 1997, 1027, 1029 f.; Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 50 f.; ders., Börsengang, S. 17; Jaques, NZG 2000, 401, 404 f.; Kessler, Möglichkeiten, S. 28 ff.; Reichert, ZIP 2014, 1957, 1962; K. Schmidt, in: FS Priester, S. 708 sowie die Übersicht bei Göz, in: Schütz/Bürgers/ Riotte, KGaA, § 2 Rn. 2 Ziffer 2. Zu den Voraussetzungen und Folgen der Beherrschung einer KGaA durch ihre Komplementär-GmbH auf die Konzernmitbestimmung vgl. Förl, GmbH & Co. KGaA, S. 136 ff., 160. 65 Dies ist seit BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027 unstreitig und zwischenzeitlich auch vom Gesetzgeber bestätigt worden (§ 279 Abs. 2 AktG). Der bis zur Entscheidung des BGH heftig geführte Streit ist in einer auf Absprache der Autoren beruhenden Diskussion zwischen Priester, ZHR 160 (1996), 250 ff. (befürwortend) und K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 265 ff. (ablehnend) umfassend dargestellt. 66 Jäger, NZG 1999, 101, 103. Auch Binz/Sorg, DB 1997, 313, sprechen von einem „entscheidenden Handicap“. Anders die Einschätzung von Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 475 f., wonach die Gefahr der persönlichen Haftung dramatisiert werde und diese in Wirklichkeit gar nicht die ihr zugeschriebenen Probleme bereite. 67 Vielmehr können die Vorteile zweier Rechtsformen kombiniert und die jeweiligen Nachteile gleichzeitig vermieden werden (Fläming, in: FS Peltzer, S. 99). Nach R. Fischer, in: Hb. HandelsR, 1916, § 1, S. 9, ist sie daher „theoretisch die vollkommenste Art einer Personenvereinigung“; ähnlich Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388 („theoretische Vollkommenheit als Symbiose von Personen- und Kapitalgesellschaft“). Relativierend mit Blick auf die mit der Verbindung einhergehende Unübersichtlichkeit und die folgerichtig geringe praktische Verbreitung Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 252; ähnlich auch K. Schmidt, in: Aktienrecht im Wandel der Zeit, Bd. 2, 26. Kap., Rn. 6 (S. 1192), mit dem Hinweis, dass der Erfolg einer Rechtsform letztlich davon abhänge, ob sich diese im Wettbewerb der Rechtsformen durchsetze (vgl. insoweit unten S. 30, Fn. 70) sowie im Ergebnis auch bereits Fischer,
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dasein“68 einer exotischen Gesellschaftsform69 herausgetreten ist und immer mehr Anhänger findet.70 a.a.O. („[ihre] praktische Beliebtheit entspricht aber nicht ihrer theoretischen Vollkommenheit“). Neben den bereits genannten Vorteilen der KGaA ist für die atypische KGaA hervorzuheben, dass insoweit die Unternehmenskontinuität gesichert und bei Bedarf auch ein qualifiziertes Management ins Unternehmen geholt werden kann (Gehrke, Stiftung & Co. KGaA, S. 111; Ullrich, Unternehmensmitbestimmung, S. 46). Ein Nachteil der Kombination zweier Rechtsformen ist, dass diese miteinander verzahnt werden müssen, was einen erhöhten Verwaltungs- und Organisationsaufwand mit sich bringt, die Rechtsanwendung dadurch komplizierter wird und der Rechtssicherheit zumindest nicht förderlich ist (Kessler, Anlegerschutz, S. 33 f.). Dies hat aber auch den Erfolg der GmbH & Co. KG nicht aufgehalten, vgl. Herfs, WiB 1997, 688, 691 sowie Ullrich, Unternehmensmitbestimmung, S. 46. Die Nachteile benennend, im Ergebnis aber pragmatisch Perlitt, in: Die börsennotierte FamG, S. 85 f. Alles in allem ist Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 252, zuzustimmen, der – wenig überraschend, aber völlig zu Recht – konstatiert, dass mit der Mischform gleichzeitig Vor- und Nachteile einhergehen. 68 Binz/Sorg, DB 1997, 313; Jäger, NZG 1999, 101. 69 Nach Herfs, in: GesR in der Diskussion, S. 23, war die KGaA lange Zeit „ein Exot“. – Claussen, in: FS Heinsius, S. 61, hat die KGaA noch im Jahr 1991 als „Sonderrechtsform für wenige“ bezeichnet. 70 Otte, AG & Co. KGaA, S. 24; Pauli, ZErb 2010, 66, 67 sowie bereits die Prognose von Sethe, EWiR § 278 AktG 2/97, 1061, 1062. Marsch-Barner, in: FS Hoffmann-Becking, S. 777, spricht von einer „beachtliche[n] Akzeptanz“, Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, von einer „Akzeptanz des Kapitalmarkts“. Zurückhaltender unter Verweis auf das weiterhin unübersichtliche Regelungsregime und fehlende obergerichtliche Präzedenzfälle Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 7, 10 sowie Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 278 Rn. 5. Ähnlich auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 2. Mit der Fresenius SE & Co. KGaA, der Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA, der Henkel AG & Co. KGaA sowie der MERCK Kommanditgesellschaft auf Aktien sind immerhin vier DAX-notierte Unternehmen als Kommanditgesellschaften auf Aktien konstituiert (Stand: 28. 3. 2015). Auch diverse Bundesligavereine haben ihren Lizenzspielbetrieb in Kommanditgesellschaften auf Aktien ausgegliedert (z.B. 1. FC Köln GmbH & Co. KGaA, Borussia Dortmund GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, TSV München von 1860 GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien). Mit Blick auf die traditionelle persönliche Haftung der Eigentümer finden sich auch im Bereich der sog. Privatbanken bekannte Kommanditgesellschaften auf Aktien (B. Metzler seel. Sohn & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers Kommanditgesellschaft auf Aktien, M. M. Warburg & CO Kommanditgesellschaft auf Aktien; Sal. Oppenheim jr. & Cie. AG & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien; auch die Deutsche Bank AG ist aus einer KGaA hervorgegangen, vgl. Habel/Strieder, MittBayNot, 65). Weitere bekannte Kommanditgesellschaften auf Aktien sind: Bertelsmann SE & Co. KGaA; Claas Kommanditgesellschaft auf Aktien mbH; Drägerwerk AG & Co. KGaA; Dussmann Stiftung & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien; EUROKAI GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (Namensgeberin einer wegweisenden Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, Beschluss vom 5. 12. 1968 – 2 W 34/68, NJW 1969, 1030, das eine GmbH & Co. KG neben einer natürlichen Person und implizit auch eine GmbH als (alleinige) persönlich haftende Gesellschafterin für zulässig erklärt hat; dagegen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. 7. 1996 – 11 Wx 20/96, NJW-RR 1996, 1254, 1255 = ZIP 1996, 1787, dessen Vorlage an den BGH zum Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027 geführt hat); FUNKE MEDIENGRUPPE
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Die – inzwischen gar nicht mehr so neue – Freiheit bei der Wahl des persönlich haftenden Gesellschafters wirft indes neue Fragen auf:71 schlägt das Wettbewerbsverbot, dem die persönlich haftenden Gesellschafter unterliegen, auf die Geschäftsleiter und Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft durch? Ist die KGaA für den Abschluss des Anstellungsvertrags des Geschäftsleiters einer Komplementär-Gesellschaft zuständig? Sind die auf natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter zugeschnittenen Beschränkungen bei der Wahl und Besetzung des Aufsichtsrats auf Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer KomplementärGesellschaft entsprechend anzuwenden? Letzteres ist Gegenstand dieser Untersuchung.
B. Struktur der „atypischen“ KGaA Bei der „atypischen“ KGaA handelt es sich um eine besondere Ausgestaltung der „klassischen“ KGaA.72 Strukturell sind zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden: im ersten Fall sind die Kommanditaktionäre entsprechend ihrer Beteiligung an der KGaA auch an der Komplementär-Gesellschaft beteiligt, im zweiten Fall fehlt es daran. Karsten Schmidt spricht in diesem Zusammenhang vom Integrations- bzw. vom Zentralverwaltungsmodell.73 Beim Integrationsmodell beherrschen die Kom-
GmbH & Co. KGaA; JACK WOLFSKIN Ausrüstung für Draussen GmbH & Co. KGaA; Kirch Media GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien; MICHELIN REIFENWERKE AG & Co. KGaA; OBI Group Holding SE & Co. KGaA; REWE Deutscher Supermarkt Kommanditgesellschaft auf Aktien; Sedlmayr Grund und Immobilien Kommanditgesellschaft auf Aktien (Beklagte in BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510 = ZIP 2006, 177, seinerzeit noch firmierend als Gabriel Sedlmayr Spaten-Franziskaner-Bräu Kommanditgesellschaft auf Aktien) und künftig wohl auch die Axel Springer SE, die Ende 2014 angekündigt hat, eine Umwandlung in eine (GmbH & Co.) KGaA anzustreben (http://www.axelspringer.de/presse/-Erwerb-der-restlichen-15-Prozent.-General-Atlantic-sollals-Gegenleistung-im-Fall-der-Optionsausuebung-Axel-Springer-Aktien-erhalten.-Umwand lung-der-Axel-Springer-SE-in-die-Rechtsform-KGaA-wird-vorbereitet._22266068.html, zuletzt abgerufen am 28. 3. 2015). Auch im sog. „Holzmüller“-Fall (BGH, Urteil vom 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 = NJW 1982, 1703 = ZIP 1982, 568) war eine KGaA beteiligt, auf die ein wesentlicher Teilbetrieb der Holzmüller AG ausgegliedert werden sollte. Vgl. im Übrigen die Übersicht bei Philbert, KGaA, S. 258 ff. Die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichte „Jährliche Körperschaftssteuerstatistik“ (zuletzt erschienen für das Jahr 2010; Stand: 28. 3. 2015) weist einen überproportionalen Anstieg der Verbreitung der KGaA aus, allerdings nach wie vor auf einem zu vernachlässigenden Niveau (2005/2010: 151/190; demgegenüber Aktiengesellschaft 2005/2010: 11.815/ 12.779; GmbH 2005/2010: 797.812/910.511; SE 2005/2010: 14/127). Die durchschnittliche Grundkapitalisierung der KGaA ist nach Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 11 sowie Fett, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 1 Rn. 12 (für die Vergangenheit auch Assmann/ Sethe, in: GK AktG, v§ 278 Rn. 47), rund doppelt so hoch wie die der Aktiengesellschaft. 71 Vgl. dazu K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 702 ff. 72 Binz/Sorg, DB 1997, 313, 315, bezeichnen die GmbH & Co. KGaA despektierlich als „Kunstgebilde“. 73 K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 696 f.
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manditaktionäre über die Komplementär-Gesellschaft die gesamte KGaA.74 Die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre sind in der KomplementärGesellschaft quotengerecht abgebildet; die Kommanditaktionäre sind – wie es für den Parallelfall einer GmbH & Co. KG typisch ist – die „Herren im Haus“.75 Demgegenüber würden die Geschicke der Komplementär-Gesellschaft beim sog. Zentralverwaltungsmodell von einer Gesellschaftergruppe gelenkt, die die Mehrheitsverhältnisse der Hauptversammlung der KGaA nicht widerspiegele.76 Insofern ist es möglich, dass eine Minderheit von Kommanditaktionären die KGaA über deren Komplementär-Gesellschaft dominiert.77 Es liegt auf der Hand, dass es dabei zu Konflikten zwischen Nur-Kommanditaktionären und solchen Kommanditaktionären kommen kann, die gleichzeitig an der Komplementär-Gesellschaft beteiligt sind. Letztere könnten sich unter Umständen von den Interessen der Komplementär-Gesellschaft leiten lassen. Das Interesse der Gesamtheit der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA würde in den Hintergrund rücken. Dies dürfte im Rahmen der späteren Untersuchung von entscheidender Bedeutung sein.
C. Stellung und Aufgaben des Aufsichtsrats im Organisationsgefüge der KGaA Der Aufsichtsrat ist neben der Gruppe der persönlich haftenden Gesellschafter78 und der Hauptversammlung eines der drei Pflichtorgane der KGaA. Er steht an der „Nahtstelle“ zwischen der Geschäftsleitung und den in der Hauptversammlung organisierten Kommanditaktionären, als deren „Auge“ bzw. „verlängerter Arm“ er
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Ist die Komplementär-Gesellschaft als Aktiengesellschaft konstituiert, gilt dies freilich nur im Rahmen der Weisungsfreiheit des Vorstands. 75 So zur Lage in der Kommanditgesellschaft K. Schmidt, in: Aktienrecht im Wandel der Zeit, Bd. 2, 26. Kap., Rn. 33 (S. 1206). Möglich ist auch die Bildung einer Einheitsgesellschaft, bei der die KGaA selbst alle Anteile ihrer Komplementär-Gesellschaft hält. K. Schmidt, in: ZHR 160 (1996), 265, 285, bezeichnet dies als Ende des „Monarchismus“ und „Re-Demokratisierung“ der KGaA, ohne dabei zu verhehlen, dass er davon wenig hält. 76 K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 697. 77 Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 203, spricht mit Blick auf die Öffnung für externe Kapitalgeber bei deren weitgehendem Ausschluss von Entscheidungsrechten insoweit von den Alteigentümern als „Herren im eigenen Haus“. 78 Dem Geschäftsführungsorgan gehören nur die geschäftsführungsbefugten und vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter an (Kiefer, Anlegerschutz, S. 69; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 36; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 48 f.; a.A. Martens, AG 1982, 113, 116, der jeden einzelnen persönlich haftenden Gesellschafter als Organperson mit individuellen Sonderrechten ansieht). Kiefer, Anlegerschutz, S. 70, weist auf die Besonderheit hin, dass die persönlich haftenden Gesellschafter damit grundsätzlich sowohl Gesellschafter als auch Leitungsorgan sind. Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 214, betont, dass die Gesellschafter- und nicht die Organstellung die persönliche Haftung begründe; diese sei damit also „nicht Preis für die Macht (…), sondern nur Preis für den Zugang zur Macht“.
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fungiert.79 Neben klassischen Kontrollaufgaben nimmt der Aufsichtsrat die Interessen der Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern wahr.80 Das Organisationsgefüge in der KGaA ist aber in weiten Teilen nicht zwingend.81 So kann der Satzungsgeber weitere Organe schaffen82 und diese mit Aufgaben des Aufsichtsrats betrauen.83 Das beeinflusst dann naturgemäß die Stellung des Aufsichtsrats. Von Gesetzes wegen ist der Aufsichtsrat für drei verschiedene Aufgabenbereiche zuständig: er hat das Leitungsorgan zu überwachen (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 1 AktG), Beschlüsse der Kommanditaktionäre auszuführen (§ 287 Abs. 1 AktG) und diese bzw. die Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern zu vertreten (§ 287 Abs. 2 AktG bzw. §§ 278 Abs. 3, 112 AktG).84 Bereits dies zeigt, dass sich die Kompetenzen des Aufsichtsrats in der KGaA von denen in der Aktiengesellschaft unterscheiden. Einerseits fungiert der Aufsichtsrat in der KGaA auch als Interessenvertretung der Kommanditaktionäre.85 Andererseits fehlen ihm wesentliche Kompetenzen des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft.86 Dies ist letztlich darauf zurückzuführen, dass die persönlich haftenden Gesellschafter geborene 79
Zitate nach Elschenbroich, KGaA, S. 132 und ihm folgend Ammenwerth, KGaA, S. 20. Dennoch ist er (nur) Organ der Gesellschaft (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn 31; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 1; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 5; anders Henn, Hb. AktR, 7. Aufl., § 4 Rn. 135), wenn auch mit je nach Aufgabenbereich verschiedenen Handlungsmaximen (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn 50; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 5 f.). Vgl. unten S. 55. 81 Zur Disposition des Satzungsgebers steht der Regelungsbereich des § 278 Abs. 2 AktG, die Regelungen im Bereich des § 278 Abs. 3 AktG sind dagegen zwingend (§ 23 Abs. 5 AktG). Die Dispositivität der Sonderbestimmungen der §§ 279 ff. AktG richtet sich nach Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschrift, vgl. dazu Kessler, Möglichkeiten, S. 19. 82 In Betracht kommt insbesondere ein Beirat. Dazu umfassend Assmann/Sethe, in: FS Lutter, S. 251. 83 Dabei muss dem Aufsichtsrat lediglich die aktienrechtliche Kontrollbefugnis und die Vertretungszuständigkeit gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern verbleiben (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 1, 112, 23 Abs. 5 AktG). Bezüglich § 112 AktG differenzierend Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 69; dagegen zu Recht unter Verweis auf § 23 Abs. 5 AktG Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 286 Rn. 68, 75. Vgl. auch unten S. 54. 84 Damit einher gehen weitere Annexkompetenzen, vgl. dazu unten S. 55 f. 85 Insofern geht die Funktion des Aufsichtsrats der KGaA über die des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft hinaus (Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 43). Von daher ist es auch nicht richtig, im Vergleich mit dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft lediglich von deutlich geringeren Kompetenzen des Aufsichtsrats der KGaA zu sprechen. So aber Habel/ Strieder, MittBayNot, 65, 68 und Otte, AG & Co. KGaA, S. 37 f., 131 sowie – plakativ – Binz/ Sorg, DB 1997, 313, 315 („kastriert“). Jedenfalls auch im Interesse der Kommanditaktionäre wird der Aufsichtsrat zudem bei der Durchführung der Gründungsprüfung gem. § 33 AktG (vgl. dazu Sethe, DB 1998, 1044, 1046) sowie im Rahmen von § 89 AktG tätig. Vgl. dazu auch unten S. 55 f. 86 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1301, sprechen überspitzt davon, dass die „wohl wichtigsten Rechte des Aufsichtsrats in der KGaA […] im Vergleich zu denen des Aufsichtsrats in der AG diejenigen Rechte [sind], die er nicht hat.“ 80
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und nicht gekorene Geschäftsleiter der KGaA sind.87 Folgerichtig verfügt der Aufsichtsrat in der KGaA über keine Personalkompetenz und er kann auch weder Geschäftsführungsmaßnahmen der persönlich haftenden Gesellschafter von seiner Zustimmung abhängig machen (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) noch eine Geschäftsordnung für die persönlich haftenden Gesellschafter erlassen (§ 77 Abs. 2 AktG).88 Zudem obliegt die Feststellung des Jahresabschlusses nicht dem Aufsichtsrat, sondern der Hauptversammlung und den persönlich haftenden Gesellschaftern (§ 286 Abs. 1 S. 1 AktG).89 Insgesamt hat der Aufsichtsrat in der KGaA somit einen geringeren Einfluss auf die Unternehmenspolitik als in der Aktiengesellschaft;90 er fungiert grundsätzlich nicht als mitunternehmerisches Organ.91 Dafür sind bei außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen die Kommanditaktionäre in ihrer Gesamtheit direkt zu beteiligen (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HS. 2 HGB).92 87
Schaumburg/Schulte, KGaA, S. 13, sprechen von einer „Prädominanz der Komplementäre“, wodurch die Befugnisse des Aufsichtsrats stark eingeschränkt seien. 88 Hintergrund hierfür ist, dass die Geschäftsführung der KGaA dem Personengesellschaftsrecht unterliegt, vgl. nur Durchlaub, BB 1977, 1581, 1582 sowie Fett, INF 2005, 872, 873; a.A. Theisen, DBW 49 (1989), 137, 144, der § 111 Abs. 4 S. 2 AktG für anwendbar hält. Nur im Ergebnis zustimmend Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 10, der § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nur deshalb nicht anwendet, weil die Hauptversammlung außergewöhnlichen Geschäften zustimmen müsse. – Für Hommelhoff, in: ZHR-Beiheft 67 (1998), 9, 16 f., wirkt sich die fehlende Möglichkeit, Zustimmungsrechte zu implementieren, negativ auf die Effizienz der Aufsichtstätigkeit aus. 89 Jahresabschluss und Lagebericht sind dem Aufsichtsrat aber dennoch zur Prüfung vorzulegen (§§ 283 Nr. 9, 170, 171 AktG); dieser beauftragt zudem den Abschlussprüfer (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 2 S. 3 AktG) und kann damit Prüfungsschwerpunkte vorgeben. Ammenwerth, KGaA, S. 82, hält die Prüfung des Jahresabschlusses für eine zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats, da dieser im Gegensatz zur Hauptversammlung über die hierfür erforderlichen Informationen verfüge. Dennoch bedeutet die Verlagerung des Feststellungsrechts auf die Hauptversammlung einen erheblichen Machtverlust des Aufsichtsrats (vgl. dazu Henn, Hb. AktR, 7. Aufl., § 4 Rn. 136). 90 Binz/Sorg, DB 1988, 2041, 2043; Liebscher, in: Beck’sches Hb. AG, 1. Aufl., § 6 Rn. 170. – Das OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 217 (weitgehend bestätigt von BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510 = ZIP 2006, 177) folgert daraus, dass der Überwachungsfunktion „ein besonderer Rang“ zukomme. Ähnlich Grafmüller, KGaA, S. 137 f. und Theisen, DBW 49 (1989), 137, 145. 91 So für die Aktiengesellschaft Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 5 sowie Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 58. Anders dieselben, Rn. 1309, für die KGaA. 92 Fischer, KGaA, S. 69, spricht angesichts dessen davon, dass in der KGaA im Vergleich zur Aktiengesellschaft die Beteiligung an der Geschäftsführung zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung ausgetauscht sind (ähnlich auch Martens, ZHR 138 (1974), 179, 213 sowie Reuter/Körnig, ZHR 140 (1976), 494, 514). Dies ist zwar grundsätzlich richtig, allerdings bleibt das Zustimmungsrecht der Gesamtheit der Kommanditaktionäre hinter der Möglichkeit von § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zurück, einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte aufzustellen. Kritisch auch Fett, INF 2005, 872, 873, der herausstellt, dass mit den im Vergleich zur Aktiengesellschaft geringeren Kompetenzen des Aufsichtsrats auch eine Schwächung der Aktionäre einher gehe. Strittig ist, ob ein Abweichen von dieser Regelung in einer Publikumsgesellschaft nur zulässig ist, wenn dem Aufsichtsrat als Ausgleich ein entsprechendes Mitwirkungsrecht ein-
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Es ist allerdings möglich, die Befugnisse des Aufsichtsrats auszuweiten und damit denen in der Aktiengesellschaft anzunähern.93 I. Überwachungskompetenz Die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats in der KGaA und die damit einhergehenden Rechte und Pflichten entsprechen weitgehend denen des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft.94 Im Unterschied zur Personengesellschaft und zur GmbH, bei denen die Überwachung der Geschäftsführung grundsätzlich unmittelbar bei den einzelnen Gesellschaftern liegt95, ist sie in der KGaA beim Aufsichtsrat institutionalisiert.96 Damit übernimmt dieser eine entscheidende Aufgabe im Rahmen der Corporate Governance.97 geräumt wird. Für eine Ausgleichspflicht Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 59; Heineke, Anlegerschutz, S. 216; Ihrig/Schlitt, in: ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 65 ff.; Kiefer, Anlegerschutz, S. 168; Koch, DB 2002, 1701, 1702; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 222, 231 ff.; in diese Richtung auch OLG Stuttgart, Urteil vom 14. 5. 2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1986 = NZG 2003, 778, 782 f.; Priester, ZHR 160 (1996), 250, 262; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 38 sowie (wenn auch im Ergebnis nicht entschieden) Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 358; a.A. Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 114, 117 ff.; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 63; Fett, INF 2005, 872, 875; Förl, GmbH & Co. KGaA, S. 15 f.; Heermann, ZGR 2000, 61, 78; Jaques, NZG 2000, 401, 408; Pühler, in: Happ, AktR, S. 182 sowie Schnorbus, in: Liber amicorum M. Winter, S. 629, 636 f., der allerdings eine Delegation an den Aufsichtsrat rein vorsorglich empfiehlt. Insgesamt gilt, dass hinsichtlich ihrer spezifisch aktienrechtlichen Befugnisse die Stellung von Aufsichtsrat und Hauptversammlung gegenüber dem Geschäftsleitungsorgan schwächer ausgestaltet ist als in der Aktiengesellschaft (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 17). 93 Hier wie dort muss aber der Grundsatz der Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle gewahrt bleiben, vgl. nur Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 236. Vgl. auch oben S. 27. 94 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 124; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1309; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 278 Rn. 72; Otte, AG & Co. KGaA, S. 133; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 214; Sethe, AG 1996, 289, 290; a.A. Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 66: keine echte sanktionierende Kontrolle. 95 In der GmbH kann gem. § 52 Abs. 1 GmbH ein fakultativer Aufsichtsrat eingerichtet werden. Obligatorische Aufsichtsräte bestehen in mitbestimmten GmbH (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG; § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG). 96 Ammenwerth, KGaA, S. 83. – Lenz, Publikums-KG, S. 149, weist auf die Vorteile einer Kontrolle der Geschäftsleitung durch einen Aufsichtsrat gerade in Publikumsgesellschaften hin, weil die einzelnen Gesellschafter oftmals nicht willens oder nicht in der Lage sind, Kontrollmaßnahmen einzuleiten. Ähnlich Ammenwerth, KGaA, S. 84. Auch aus Sicht des Unternehmens kann eine institutionalisierte Kontrolle sinnvoll sein; der dadurch verursachte Aufwand sei u.U. geringer, als bei der „Koordination eines Sacks voller Kommanditisten“, vgl. Stehr, in: Die Private AG, S. 219, 232. Kritisch zur Kontrolleffizienz des Aufsichtsrats Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388, 1394. 97 Fett, INF 2005, 872, 873. – Heineke, Anlegerschutz, S. 111, betont zudem, dass ein effektiver Aufsichtsrat dazu beitrage, die Risiken der Fremdverwaltung des von den Kommanditaktionären angelegten Kapitals zu minimieren.
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1. Inhalt der Überwachungstätigkeit Mit der Pflicht zur Überwachung des Geschäftsleitungsorgans korrespondiert ein Recht auf Information über alle wichtigen Gesellschaftsangelegenheiten (§ 283 Nr. 4 AktG; §§ 278 Abs. 3, 90 Abs. 1, Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG).98 Der Aufsichtsrat muss sich – wie in der Aktiengesellschaft – über die Lage der Gesellschaft sowie über die grundlegenden Pläne der Geschäftsführung eine Meinung bilden und davon ausgehend die Geschäftsführung der persönlichen haftenden Gesellschafter auf Rechtund Zweckmäßigkeit überprüfen.99 Dabei hat er sich vom Unternehmensinteresse leiten zu lassen.100 Ein aktives Eingreifen in die operative Geschäftsführung ist nicht möglich; der Aufsichtsrat kann als Überwachungsorgan lediglich versuchen, auf die Geschäftsführung einzuwirken,101 sei es durch Führen entsprechender Gespräche, sei es – als ultima ratio – durch die Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Er hat zudem die Möglichkeit, die Hauptversammlung einzuberufen und die Kommanditaktionäre über seine Bedenken gegen die Unternehmenspolitik der persönlich haftenden Gesellschafter in Kenntnis zu setzen (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 3 AktG).102 98 Problematisch ist allerdings, dass die Aufsichtsratsmitglieder letztlich von den ihnen zur Verfügung gestellten Informationen abhängig sind und so unter Umständen bewusst ahnungslos gehalten werden können, vgl. Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 536. Dabei handelt es sich indes um kein spezifisches Problem des Aufsichtsrats der KGaA, sondern generell des dualistischen Systems. Demgegenüber sind im nunmehr auch im deutschen Rechtsraum anerkannten „Board-System“ nach anglo-amerikanischem Vorbild (SE, SCE) Geschäftsleitung und Kontrolle nicht scharf getrennt. Dies geht allerdings wiederum mit institutionellen Defiziten im Rahmen der Überwachung einher (vgl. dazu nur Müller, in: Beck’sches Hb. AG, § 1 Rn. 54, 131). 99 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 125 ff., der auf die auch in der KGaA geltenden Grundlagen der Aktiengesellschaft sowie ein Bedürfnis der über §§ 278 Abs. 2 AktG, 164 S. 1 HS. 2 HGB an außergewöhnlichen Geschäften mitwirkenden Kommanditaktionäre verweist, vorbereitend vom Aufsichtsrat informiert zu werden; im Ausgangspunkt ebenso MarschBarner, in: FS Hoffmann-Becking, S. 777, 781. Anders unter Bezugnahme auf die vermeintlich fehlende Mitwirkung des Aufsichtsrats an der Unternehmensführung Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 71 f. 100 Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 57. Anders Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 3. 101 Schrick, NZG 2000, 409, 413. Weitergehend Heineke, Anlegerschutz, S. 102, der einen ständigen Austausch mit den persönlich haftenden Gesellschaftern für notwendig hält sowie Mertens, in: FS Barz, S. 253, 267, der den Aufsichtsrat als „Forum kooperativer Kritik“ bezeichnet. Ähnlich auch Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 48. Zurückhaltender Emmerich/Doehner, in: FS Georgiades, S. 625, 630, die die Zulässigkeit einer Beratung der persönlich haftenden Gesellschafter von deren Anfrage abhängig machen. 102 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 42; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 7; Fischer, KGaA; S. 74; Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 3; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 53; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1314; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 15; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 46; Wotschofsky/Sauter, StB 2003, 329, 332. – Restriktiver Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 71 f., der, ausgehend vom Aufsichtsrat als reinem Kontrollorgan ohne Mitbestimmungsrechte, Zurückhaltung bei der Einflussnahme auf die persönlich haftenden Gesellschafter verlangt und ein Recht zur Einberufung der Hauptversammlung ganz ablehnt. – Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA,
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Dies gilt zumindest dann, wenn es aufgrund von § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HS. 2 HGB einer Zustimmung der Hauptversammlung zu außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen bedarf.103 Steht dieses Recht nicht im Raum, ist die Hauptversammlung mangels Entscheidungskompetenz zwar nicht auf eine von den persönlich haftenden Gesellschaftern unabhängige Unterrichtung angewiesen. Dennoch kann auch dann ein berechtigtes Interesse der Kommanditaktionäre bestehen, über Zweifel des Aufsichtsrats an der Unternehmensführung unterrichtet zu werden. So besteht die grundsätzliche Möglichkeit des Entzugs der Geschäftsführungsbefugnis (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 117 HGB).104 Zudem können sich die Kommanditaktionäre ggf. von ihrer Beteiligung an der KGaA trennen.105 Insofern hat der Aufsichtsrat nicht nur die Möglichkeit, im Nachhinein dazu beizutragen, etwaige Haftungsansprüche gegen die persönlich haftenden Gesellschafter durchzusetzen, sondern er kann durch eine entsprechende Informationspolitik auch präventiv tätig werden.106 Angesichts dessen fungiert der Aufsichtsrat auch im Rahmen seiner am Unternehmensinteresse orientierten Überwachungstätigkeit als Interessenvertretung der Kommanditaktionäre.107 Dies dürfte für die Besetzung des Aufsichtsrats und damit für die spätere Untersuchung einer analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter und Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft noch relevant werden. 2. Überwachung anderer Geschäftsführungsorgane? Die Kontrollkompetenz des Aufsichtsrats ist nicht einschränkbar und auch auf kein anderes Organ übertragbar (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 1 AktG i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG).108 Fraglich ist allerdings, wie es sich auf die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats auswirkt, wenn statt bzw. neben den persönlich haftenden Gesellschaftern ein anderes Organ mit der Führung der Geschäfte betraut wird. Erstreckt sich dann die Kontrolle des Aufsichtsrats (auch) auf das andere Geschäftsführungsorgan oder reduziert sich der Überwachungsumfang entsprechend?
§ 5 Rn. 487 weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Aufsichtsrat gem. §§ 278 Abs. 3, 116 S. 2, 93 Abs. 1 S. 3 AktG auch gegenüber der Hauptversammlung grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Ebenso Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, Rn. 533, 747 f. 103 Insoweit auch Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 126. 104 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1314, halten den Aufsichtsrat sogar für verpflichtet, die Kommanditaktionäre über diese Möglichkeit zu informieren. 105 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 42. 106 Anders Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Hb. AG, 1. Aufl., § 7 Rn. 7. 107 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 42 sprechen in diesem Zusammenhang von einem Gegengewicht zu den Komplementären. 108 Die Implementierung weiterer Überwachungsorgane ist indes zulässig, sofern die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats nicht tangiert wird (vgl. Schnorbus, in: Liber amicorum M. Winter, S. 629, 644).
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a) Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis Die Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis ist in den Grenzen des allgemeinen Personengesellschaftsrechts grundsätzlich zulässig (§ 278 Abs. 2 AktG).109 Insbesondere der Grundsatz der Selbstorganschaft steht einer Verlagerung nicht a priori entgegen. Teile der Literatur leiten aus diesem zwar ab, dass zumindest ein persönlich haftender Gesellschafter geschäftsführungsbefugt bleiben muss.110 Dies lässt sich indes nicht überzeugend begründen. Der Grundsatz der Selbstorganschaft besagt nur, dass die organschaftlichen Leitungsbefugnisse bei den Verbandsmitgliedern liegen müssen.111 Durch sein Organ handelt der Verband selbst; im Unterschied dazu handelt ein Vertreter bloß für den Verband.112 Daher ist es allein den Angehörigen des Verbands vorbehalten, also den Gesellschaftern. Gesellschafter sind freilich auch die Kommanditaktionäre. Folglich ist es ohne einen Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft möglich, den Kommanditaktionären bzw. einem aus ihrem Personenkreis zusammengesetzten Beirat die alleinige Geschäftsführung zu übertragen.113 109 RG, Urteil vom 24. 10. 1910 – Rep. I. 79/10, RGZ 74, 297, 300 f.; Barz, in: GK AktG, 3. Aufl., § 278 Anm. 22; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 152. 110 Arnold, in; Henssler/Strohn, GesR, § 278 AktG Rn. 11; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 105, 138, 168; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 77 Rn. 16 u. § 78 Rn. 3; Kiefer, Anlegerschutz, S. 59; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 29 („Selbstorganschaft der Komplementäre“), 36 f.; Mertens/Cahn, § 278 Rn. 85; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 106; Müller, in: Beck’sches Hb. AG, § 1 Rn. 80; Perlitt, in: Die börsennotierte FamG, S. 84, 88; ders., in: MK AktG, § 278 Rn. 18, 32, 228; Philbert, KGaA, S. 4; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 278 Rn. 7; Theisen, DBW 49 (1989), 137, 141. Ähnlich auch OLG Köln, Urteil vom 5. 5. 1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18 – „Herstatt“. Im Ergebnis auf Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 19a. 111 BGH, Urteil vom 5. 10. 1981 – II ZR 203/80, BGH NJW 1982, 1817 = ZIP 1982, 578, 581; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 10, 509; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 114 Rn. 24; Kessler, Möglichkeiten, S. 232; Pfeiffer, KGaA, S. 128; Scheel, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 2, § 7 Rn. 15; K. Schmidt, in: GS Knobbe-Keuk, S. 307, 309; ders., GesR, S. 410 ff.; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 116 (anders S. 146: Komplementäre). Insoweit auch Förl/Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 46, die es allerdings dennoch für unzulässig halten, alle persönlich haftenden Gesellschafter von der Geschäftsführung auszuschließen, ohne dies näher zu begründen. – K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 698, verbindet mit der Selbstorganschaft die Nichtnotwendigkeit des Einsatzes eines Geschäftsführungsorgans; bei der GmbH & Co. liege danach de iure zwar eine Selbstorganschaft vor, die angesichts der fremdorganschaftlich organisierten GmbH rein tatsächlich aber eine Fremdorganschaft sei. 112 Pfeiffer, KGaA, S. 128. 113 Anders als bei den persönlich haftenden Gesellschaftern bedarf es mit Blick auf die Kommanditaktionäre allerdings eines Inaugurationsaktes. Dies steht dem Grundsatz der Selbstorganschaft aber insofern nicht entgegen, als mit den persönlich haftenden Gesellschaftern stets geborene Leitungsorgane vorhanden sind. Die Möglichkeit der Geschäftsführungsverlagerung ist zwar bereits für die Kommanditgesellschaft nicht unstrittig, ergibt sich dort aber letztlich aus § 163 HGB. In diesem Sinne auch BGH, Urteil vom 9. 12. 1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 201 = NJW 1969, 507, 508; Bergmann, OHG, S. 254; Casper, in: Staub, HGB, § 164 Rn. 33; Grunewald, in: MK HGB,
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Dem steht auch nicht die fehlende persönliche Haftung der Kommanditaktionäre entgegen.114 Ein Gleichlauf von unbeschränkter persönlicher Haftung und Verwaltungsbefugnissen lässt sich nämlich weder dem Gesetz entnehmen115 noch ist ein § 164 Rn. 23; Gummert, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 2, § 52 Rn. 6; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 164 Rn. 7; Scheel, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 2, § 7 Rn. 75 f. Kritisch Weipert, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 164 Rn. 5 sowie mit dem Verweis auf das Haftungsinteresse der Komplementäre Haas/Mock, in: Röhricht/Graf v. Westphalen/Haas, HGB, § 164 Rn. 14 und Martens in: Schlegelberger, HGB, § 164 Rn. 27 ff. Aus diesem Grund verlangt Grunewald, in: MK HGB, § 164 Rn. 23, dass den Komplementären zumindest ein Vetorecht zustehen müsse; dies sei lediglich bei haftungsbeschränkten Komplementären entbehrlich. Diese Grundsätze finden gem. § 278 Abs. 2 AktG auch in der KGaA Anwendung, vgl. Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 509; Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 34; Pfeiffer, KGaA, S. 142; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 164. Im Ergebnis ebenso Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 17. A.A. Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 228; Wichert, in: Heidel, AktR, § 278 AktG Rn. 36. Unklar Mertens, in: FS Barz, S. 253, 259, widersprüchlich Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 278 Rn. 89 einerseits, § 287 Rn. 31 anderseits. Assmann/Sethe, in: GK AktG. § 278 Rn. 104 und Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 59, lehnen die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einzelne Kommanditaktionäre ab, da diese in Gesellschaftsangelegenheiten nur gemeinsam handlungsfähig seien. Dem ist indes die Dispositionsfreiheit des Satzungsgebers entgegen zu halten (so auch Kessler, Möglichkeiten, S. 234). In einem anderen Zusammenhang formuliert Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 39, zudem prägnant: „Was der KG recht ist, muss der KGaA billig sein.“ Dies trifft auch vorliegend zu. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die organschaftliche Vertretungsbefugnis gem. §§ 278 Abs. 2 AktG, 170 HGB nicht auf die Kommanditaktionäre übertragen werden kann (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 80; Lenz, Publikums KG, S. 143; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 10, 161, 195, und unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Denaturierung der Gesellschaftsorgane wohl auch Kessler, Möglichkeiten. S. 229; für die Kommanditgesellschaft auch BGH, Urteil vom 25. 05. 1964 – II ZR 42/62, BGHZ 41, 367, 368 f. = NJW 1964, 1624; BGH, Urteil vom 9. 12. 1968 – II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 200 = NJW 1969, 507, 508; a.A. Bergmann, OHG, S. 258, Fn. 175). K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 694, spricht von der „selbstorganschaftlichen Außenverfassung“ der KGaA. Die mit der organschaftlichen Geschäftsführung betrauten Kommanditaktionäre bilden das Geschäftsführungsorgan der KGaA. Die insoweit formulierten Bedenken von Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 32 – die KGaA brauche als Kapitalgesellschaft ein Geschäftsführungsorgan – greifen nicht durch; ebenso wenig liegt in der Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis eine unzulässige Denaturierung eines Gesellschaftsorgans (vgl. dazu Kessler, Möglichkeiten, S. 108, 228), denn dem qua Satzung zuständigen Geschäftsführungsorgan werden keine für die Geschäftsführung notwendigen Kompetenzen, sondern die Geschäftsführungsbefugnis als solche entzogen. Zu den mit der organschaftlichen Stellung von Kommanditaktionären möglicherweise einhergehenden erhöhten Pflichten (vgl. dazu Scheel, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 2, § 7 Rn. 75 ff. – Kommanditisten) siehe unten S. 42, Fn. 124. 114 In diese Richtung aber Rawert, in: MK HGB, § 114 Rn. 24, der – im Zusammenhang mit der offenen Handelsgesellschaft – vom Grundsatz der Selbstorganschaft als „Korrelat der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter“ spricht. 115 Dies zeigt bereits die Zulässigkeit der Einmann-GmbH (§ 1 GmbHG) und die Möglichkeit, geschäftsführende Kommanditisten einzusetzen sowie umgekehrt – Haftung, aber keine Herrschaft – die Möglichkeit, einen persönlich haftenden Gesellschafter von der Ge-
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solcher in der KGaA aus sachlichen Gründen geboten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die geschäftsführenden Kommanditaktionäre analog §§ 283 Nr. 3, 93 Abs. 2 AktG für schuldhaftes Handeln haften.116 Einer darüber hinaus gehenden persönlichen Haftung bedarf es nicht; diese könnte als reine Zufalls- oder Erfolgshaftung keine positive Verhaltenssteuerung auslösen.117 Überdies kann die latente schäftsführung und Vertretung auszuschließen. Vgl. dazu Petersen, GmbHR 1997, 1088, 1090 f.; Pfeiffer, KGaA, S. 132; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 214, 233. Grunewald, in: MK HGB, § 164 Rn. 23, weist darauf hin, dass die persönlich haftenden Gesellschafter aufgrund ihres Haftungsrisikos jede Geschäftsführungsmaßnahme der Kommanditisten (bzw. der Kommanditaktionäre) unterbinden können müssen. Dies gelte aber nicht, wenn die persönlich haftende Gesellschafterin eine – haftungsbeschränkte – juristische Person sei. Weitergehend Wiedemann, JZ 1969, 470, 471, der für unbeschränkt haftende Gesellschafter die jederzeitige Möglichkeit eines korrigierenden Eingriffs fordert (in diese Richtung auch noch Grunewald, in: MK HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 23), dies allerdings unter dem Stichwort „Vertretungsmacht“ diskutiert. Vgl. dazu auch K. Schmidt, GesR, S. 413 f. 116 Grunewald, in: MK HGB, § 164 Rn. 24, hält zwar eine persönlich Haftung geschäftsführender Kommanditisten für nicht geboten; eine verschuldensabhängige Haftung analog §§ 283 Nr. 3, 93 Abs. 2 AktG dürfte aber angezeigt sein. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 283 Rn. 11; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 62 und Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 111, bejahen dies für Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft, um § 283 AktG nicht leer laufen zu lassen. 117 Zur fehlenden Funktionstauglichkeit der (verschuldensunabhängigen) persönlichen Haftung bei gleichzeitiger verschuldensabhängiger Haftung Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 37; Förl/Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 13; Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 83; Heineke, Anlegerschutz, S. 64 ff.; Hennerkes/Lorz, DB 1997, 1388, 1390; Herfs, WiB 1997, 688, 689; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 218 ff.; ders., ZIP 1996, 2053, 2055 f.; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 100. – A.A. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 31; Binz/Sorg, DB 1988, 2041, 2049; Kessler, Möglichkeiten, S. 74; Kiefer, Anlegerschutz, S. 105 (Äquivalent für die Machtbefugnisse und als deren Korrektiv institutionelle Sicherung der Kommanditaktionäre); Knur, in: FS Flume, Bd. 2, S. 173, 175 f. (Rechtfertigung für im Vergleich zur Aktiengesellschaft geringeren Schutz der Gläubiger und der Kommanditaktionäre); Martens, ZHR 138 (1974), 179, 214 (Grund für Selbstorganschaft); Lindeck, in: Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 595, 602; Mertens, in: FS Barz, S. 253, 266 (Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme halte zu einer sorgfältigen Geschäftsführung an); Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 70; K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 265, 278 f. und anschaulich – wenn auch im Zusammenhang mit der uneinschränkbaren Vertretungsmacht der persönlich haftenden Gesellschafter – Wiedemann, JZ 1969, 470, 471: „Der mitfliegende Pilot im Cockpit flößt uns die Zuversicht einer gefahrlosen Reise ein.“ Einer besonderen Überwachung bedürfe es nicht. – Dagegen führt Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 220, aus, dass mit Blick auf die Kontrolle durch einen unabhängigen Aufsichtsrat und die aktienrechtliche Verantwortlichkeit der persönlich haftenden Gesellschafter (= Verhaltenshaftung) eine persönliche Haftung als Korrektiv für die Machtbefugnisse – entgegen der Vorstellung des historischen Gesetzgebers (vgl. dazu Sethe, AG 1996, 289, 290, Fn. 12) – gerade entbehrlich sei und sogar zu einer Übersicherung führe (S. 251, 260). Die persönliche Haftung sei einzig als Vermögensbeteiligung des persönlich haftenden Gesellschafters wichtig (S. 243); diese könne aber auch durch eine verpflichtende Einlage gewährleistet werden (S. 249, 278). Ähnlich auch Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 69, die eine bedeutende Komplementär-Einlage regelmäßig für ausreichend erachten, um eine missbräuchliche Geschäftsführung auszuschließen. Dem ist mit der Einschränkung zu folgen, dass insbesondere eine wirksame Kontrolle der Geschäftsführung sichergestellt werden muss. Dies bedingt einen sachkundig und unabhängig besetzten Aufsichtsrat. Die persönlich haftenden
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Gefahr einer persönlichen Inanspruchnahme dazu führen, dass risiko-, aber dennoch aussichtsreiche Geschäftschancen ausgelassen werden und sich infolge dessen das Unternehmen nicht in dem Maße weiterentwickelt, wie es bei einer Minimierung persönlicher Risiken der Fall wäre.118 Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof letztlich auch die KGaA in ihrer atypischen Form anerkannt,119 bei der die persönliche Haftung der Komplementär-Gesellschaft de facto ohnehin begrenzt ist.120 Gerade in diesem Fall läuft die Argumentation vom notwendigen Gleichlauf von persönlicher Haftung und Herrschaft ins Leere und kann nicht gegen die Übertragung der Geschäftsführung auf ein oder mehrere Kommanditaktionäre ins Feld geführt werden. Entscheidend ist vielmehr, dass die Kommanditaktionäre als Verbandsmitglieder ebenso wie die persönlich haftenden Gesellschafter ein elementares Interesse am Bestand des Unternehmens haben und ähnlich wie diese im Falle einer Insolvenz mit finanziellen Einbußen rechnen müssten. Sie sind damit gleichermaßen selbstbetroffen, im Unterschied zu lediglich mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattete, mit der Geschäftsführung betraute Dritte.121 Gesellschafter müssen damit rechnen können, bei etwaigen Pflichtverletzungen in Anspruch genommen zu werden; die Kontrolle durch den Aufsichtsrat darf kein „stumpfes Schwert“ sein, es muss ein echtes Entdeckungsrisiko bestehen (vgl. zur generalpräventiven Wirkung des Entdeckungsrisikos zumindest im Bereich der Bagatellkriminialität Dölling u.a., Zeitschrift für soziale Probleme und soziale Kontrolle 2006, 193, 206; Radtke, in: MK StGB, v§§ 38 ff. Rn. 38; Villmow, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, v§§ 38 ff. Rn. 79). Skeptisch insoweit Reuter/Körnig, ZHR 140 (1976), 494, 516, die allein eine Erfolgshaftung für zielführend halten. Fläming, in: FS Peltzer, S. 99, 101, schreibt der persönlichen Haftung zwar eine verhaltenssteuernde Wirkung zu, sieht die eigentliche Gefahr für die persönlich haftenden Gesellschafter wegen der Versicherbarkeit aber im Strafrecht. Bei einer ausreichend kapitalisierten KGaA liegt die eigentliche Gefahr für persönlich haftende Gesellschafter im Übrigen weniger in der persönlichen Haftung als vielmehr in der Haftung für schuldhaftes Verhalten, denn einem von Gläubigern der KGaA in Anspruch genommener persönlich haftender Gesellschafter steht gegenüber der KGaA ein Ausgleichsanspruch gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 110 HGB zu (Bachmann, in Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 42; Förl/Fett, in: HK AktG, § 278 Rn. 21; Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 10; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 57, 61). 118 Heineke, Anlegerschutz, S. 67 ff.; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 224 f.; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 100. 119 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027. Der BGH macht zudem deutlich, dass weniger die persönliche Haftung als vielmehr das Grundkapital die eigentliche Haftungsgrundlage einer KGaA darstellt (BGHZ 134, 392, 397 = NJW 1997, 1923, 1925 = ZIP 1997, 1027, 1029); dies betonen auch Binz/Sorg, DB 1988, 2041, 2049; Herfs, WiB 1997, 688, 689; Kessler, Möglichkeiten, S. 68; Priester, ZHR 160 (1996), 250, 258; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 230. 120 Henn, in: Hb. AktR, 7. Aufl., § 4 Rn. 127, spricht davon, dass zwar formell unbeschränkt gehaftet werde, die Haftung aber „materiell eliminiert“ sei. 121 Zur Zulässigkeit derartiger Betriebsführungsverträge BGH, Urteil vom 5. 10. 1981 – II ZR 203/80, BGH NJW 1982, 1817 = ZIP 1982, 578, 581; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 114 Rn. 24. Nur im Ergebnis zustimmend K. Schmidt, GesR, S. 412 (schuldrechtlicher Vertrag). Kritisch unter dem Gesichtspunkt der Selbstorganschaft Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 147, der die Verbandssouveränität in den Vordergrund rückt, also die
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Gegen eine Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis spricht auch nicht § 283 AktG. Danach unterliegen die persönlich haftenden Gesellschafter in vielerlei Hinsicht denselben Pflichten wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft, so unter anderem der in § 93 Abs. 1 AktG normierten Sorgfaltspflicht (§ 283 Nr. 3 AktG) und der in § 90 AktG normierten Berichtspflicht (§ 283 Nr. 4 AktG). Insoweit wird das eigentlich einschlägige Personengesellschaftsrecht überlagert.122 Eine Spezialregelung zur Geschäftsführung und Vertretung fehlt aber, so dass für diesen Bereich über die Verweisung des § 278 Abs. 2 AktG das allgemeine Personengesellschaftsrecht zur Anwendung kommt. Dennoch leiten einige Stimmen in der Literatur aus § 283 AktG ab, dass zumindest ein persönlich haftender Gesellschafter geschäftsführungsbefugt und vertretungsberechtigt bleiben müsse.123 Zwar erfasse § 283 AktG grundsätzlich auch von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossene persönlich haftende Gesellschafter, jedoch nur insoweit, als die in Bezug genommenen Regelungen nicht gerade Geschäftsführungsmaßnahmen oder Vertretungshandlungen voraussetzen.124 Sei nun kein persönlich haftender Gesellschafter geschäfts-
Geschäftsführung durch Dritte bei jederzeitiger Rückdelegationsmöglichkeit der Gesellschafter jedenfalls de lege ferenda für zulässig erachtet (S. 527; 551; vgl. dazu auch Assmann/ Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 97 Fn. 151). – Vgl. auch unten S. 44. 122 Assmann/Sethe, in: GK AktG, v§ 278 Rn. 65; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 283 Rn. 1; Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 325 Anm. 2; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 278 Rn. 61; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 283 Rn. 2. 123 Friedrich, KGaA, S. 293; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 77 Rn. 16, Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 32 ff., 228; Schnorbus, in: Liber amicorum M. Winter, S. 629, 649 ; tendenziell auch Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 490; Fischer, KGaA, S. 107 sowie Sethe, DB 1998, 1044. 124 Arnold, in: Henssler/Strohn, AktG, § 283 Rn. 1; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 105, § 283 Rn. 6; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 283 Rn. 3; Koch, in: Hüffer, AktG, § 283 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 278 Rn. 88, § 283 Rn. 6; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 283 Rn. 1; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 94; Perlitt, in: MK AktG, § 283 Rn. 9; Wichert, in: Heidel, AktR, § 283 AktG Rn. 1. Weitergehend Schaumburg, DStZ 1998, 525, 528. Geschäftsführungsbefugnis setzen jedenfalls § 283 Nr. 4, 6, 9 – 12 und 14 voraus, bei § 283 Nr. 1, 3, 7 und 8 ist einzelfallabhängig zu differenzieren, § 283 Nr. 2, 5 und 13 gelten für sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter (im Einzelnen streitig, vgl. näher Assmann/ Sethe, in: GK AktG, § 283 Rn. 6 ff; Förl/Fett, in: HK AktG, § 283 Rn. 1 ff.; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 283 Rn. 6 ff.; Perlitt, in: MK AktG, § 283 Rn. 9 ff.; Wichert,, in: Heidel, AktR, § 283 AktG, Rn. 1 ff.). Bei entsprechender Satzungsgestaltung dürfte es möglich sein, auch von der Geschäftsführung ausgeschlossene persönlich haftende Gesellschafter in die Lage zu versetzen, den genannten Pflichten (weitgehend) zu entsprechen. Es müsste nur sichergestellt werden, dass den persönlich haftenden Gesellschaftern ihrerseits die entsprechenden Informationen zur Verfügung gestellt werden. Zudem könnten auch dem gewillkürten Geschäftsführungsorgan die Pflichten des § 283 AktG auferlegt werden. Pfeiffer, KGaA, S. 143, sieht diesbezüglich sogar einen Automatismus. Dafür könnte sprechen, dass in § 283 AktG zwar von den persönlich haftenden Gesellschaftern die Rede ist, aber die die Geschäfte führenden Personen gemeint, also auch geschäftsführungsbefugte Kommanditaktionäre erfasst sein könnten (Umkehrschluss aus teil-
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führungsbefugt und vertretungsberechtigt, könne der Pflichtenkatalog des § 283 AktG zumindest teilweise leer laufen. Dem ist entgegen zu halten, dass Grundlage für eine umfassende Anwendung von § 283 AktG die Befugnis zur Geschäftsführung und Vertretung ist und diese nicht umgekehrt von § 283 AktG determiniert wird. Über § 283 AktG werden lediglich die Verhaltenspflichten der persönlich haftenden Gesellschafter denen des Vorstands einer Aktiengesellschaft angepasst125 – ggf. abhängig von ihrer jeweiligen Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsberechtigung. Für die Befugnis als solche ist aber über § 278 Abs. 2 AktG nachgiebiges Personengesellschaftsrecht maßgeblich, das insoweit die Anwendungsbasis für § 283 AktG ist.126 b) Schaffung weiterer Geschäftsführungsorgane Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben127, denn es ist – unter Beachtung des Grundsatzes der Selbstorganschaft – jedenfalls zulässig, neben den persönlich haftenden Gesellschaftern ein weiteres Geschäftsführungsorgan zu schaf-
weiser Nichtverpflichtung nicht geschäftsführungsbefugter persönlich haftender Gesellschafter). 125 Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 117. 126 Im Ergebnis auch Pfeiffer, KGaA, S. 142 f. Ähnlich auch BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 393 f. = NJW 1997, 1923, 1924 = ZIP 1997, 1027; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 283 Rn. 1; Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 37; Kiefer, Anlegerschutz, S. 74; Kölling, Anlegerschutz, S. 39 sowie Perlitt, in: MK AktG, § 283 Rn. 7. – Im Ausgangspunkt zustimmend Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 283 Rn. 3 sowie Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 283 Rn. 3, die allerdings im Ergebnis anders entscheiden. An anderer Stelle spricht Mertens von einem Vorrang von § 278 Abs. 2 AktG gegenüber § 283 AktG (in: FS Barz, S. 253, 262). – Die satzungsdispositive Kompetenzzuweisung verkennen Schaumburg/Schulte, KGaA, S. 10, die von „organschaftlichen Mindestbefugnissen“ aller persönlich haftenden Gesellschafter „außerhalb des durch die Satzung und § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161, 114 ff., 125 ff. HGB vorgegebenen Kompetenzrahmens“ sprechen. Werner, ZGR 1989, 369, 370, hat im Zusammen mit § 112 AktG überdies herausgearbeitet, dass Rechtsprechung und Lehre aus der Formulierung der Vorgängervorschrift – § 97 AktG 1937: „Der Aufsichtsrat ist befugt, die Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit Vorstandsmitgliedern zu vertreten (…).“ – schlossen, dass der Aufsichtsrat zwar zur Vertretung der Gesellschaft „befugt“, eine ausschließliche Kompetenz indes zu verneinen sei. Demgegenüber formuliere § 112 AktG eine ausschließliche Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats („Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich.“) – Übertragen auf die vorliegende Fragestellung folgt daraus, dass die Geschäftsführung nicht zwingend bei den persönlich haftenden Gesellschaftern liegen muss, die zu dieser lediglich „befugt“ sind (§ 278 Abs. 2 AktG); mit Blick auf die Vertretungsbefugnis gilt § 170 HGB. 127 Gleiches gilt für die Frage, ob die persönlich haftenden Gesellschafter Weisungen einzelner oder mehrerer Kommanditaktionäre unterworfen werden können, vgl. dazu OLG Köln, Urteil vom 5. 5. 1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 18 – „Herstatt“; Knur, in: FS Flume, Bd. II, S. 173, 185; K. Schmidt, in. K. Schmidt/Lutter, AktG, § 283 Rn. 3 sowie für die Kommanditgesellschaft auch Martens, in: Schlegelberger, HGB, § 164 Rn. 29.
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fen.128 Zudem ist es unter Berücksichtigung der vorgenannten Bedenken im Hinblick auf den Pflichtenkatalog des § 283 AktG auch möglich, die Geschäftsführungsbefugnisse auf einen Beirat zu übertragen, der ausschließlich mit persönlich haftenden Gesellschaftern besetzt ist.129 Soll aber ein derartiger Beirat bzw. ein mit Kommanditaktionären besetztes und (neben den persönlich haftenden Gesellschaftern) zur Geschäftsführung berufenes Gremium der Kontrolle durch den Aufsichtsrat entzogen sein? An dieser Stelle sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: zum einen die Schaffung eines von den persönlich haftenden Gesellschaftern unabhängig agierenden Geschäftsführungsorgans, zum anderen die bloße Delegation der Ausführung der Geschäftsführung auf Dritte.130 Sofern die persönlich haftenden Gesellschafter die Ausführung der Geschäftsführung lediglich weiter delegieren, selbst aber letztverantwortlich bleiben, bedarf es keiner Überwachung der mit Geschäftsführungsaufgaben betrauten Personen.131 Vielmehr kann der Aufsichtsrat auf die persönlich haftenden Gesellschafter einwirken und diese an eine ordnungsgemäße Geschäftsführung erinnern.132 Falls aber neben oder sogar anstelle der persönlich haftenden Gesellschafter ein unabhängiges Geschäftsführungsorgan tritt, könnte es geboten sein, die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats entsprechend zu verlagern, um keinen kontrollfreien Raum zu schaffen.133 c) Untersuchung Entscheidend dürfte in diesem Zusammenhang sein, ob der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen hat oder eigentliches Überwachungsobjekt die persönlich haftenden Gesellschafter sind. Im letzteren Fall bestünde keine Not-
128 Kiefer, Anlegerschutz, S. 68; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 37; Nicolas, in: Henn/ Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 106; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 278 Rn. 38. Tendenziell auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 58; Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 19; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 232; Wichert, in: Heidel, AktR, § 278 AktG Rn. 37. Wohl a.A. Gehrke, Stiftung & Co. KGaA, S. 12. 129 Vgl. dazu Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 595. 130 Dabei kann es sich neben Kommanditaktionären auch um gesellschaftsfremde Personen handeln, denn die organschaftliche Geschäftsführungsbefugnis verbleibt bei den persönlich haftenden Gesellschaftern, so dass nicht gegen den Grundsatz der Selbstorganschaft verstoßen wird. In diesem Sinne bereits BGH, Urteil vom 22. 1. 1962 – II ZR 11/61, BGHZ 36, 292, 294 f. 131 OLG Köln, Urteil vom 5. 5. 1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 21 – „Herstatt“. 132 Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 47; anders wohl Fischer, KGaA, S. 72. 133 Fischer, KGaA, S. 112 f.; Martens, AG 1982, 113, 117; a.A. Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 133; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 35, 45; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 8; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 489 f.; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 54; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1310; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 16; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 51; Schnorbus, in: Liber amicorum M. Winter, S. 629, 644.
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wendigkeit, die Überwachungskompetenz quasi im Gleichlauf mit der Geschäftsführungskompetenz zu verlagern bzw. auszuweiten. Bei der Auslegung einer Norm ist zunächst von ihrem Wortlaut auszugehen. Die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats folgt aus dem von § 278 Abs. 3 AktG in Bezug genommenen § 111 Abs. 1 AktG. Danach hat der Aufsichtsrat „die Geschäftsführung zu überwachen“. Dies spricht für ein funktionelles Verständnis der Überwachungsaufgabe: es wird nicht an die persönlich haftenden Gesellschafter, sondern an die Geschäftsleitungstätigkeit angeknüpft.134 Allerdings ist zu beachten, dass § 111 Abs. 1 AktG unmittelbar nur für den Vorstand einer Aktiengesellschaft gilt, der wiederum gem. § 76 Abs.1 AktG zwingend (§ 23 Abs. 5 AktG) die Geschäfte führt. Im Gegensatz dazu ist es in der KGaA möglich, (auch) andere Organe mit Geschäftsleitungsaufgaben zu betrauen, so dass das von Gesetzes wegen vorgesehene Organ – die persönlich haftenden Gesellschafter – nicht mit dem tatsächlich die Geschäfte führenden Funktionsträger übereinstimmen muss.135 Fraglich ist, ob vor diesem Hintergrund dennoch nur eine Kontrolle der persönlich haftenden Gesellschafter beabsichtigt ist, unabhängig davon, ob und inwieweit diese die Geschäfte führen. Dies dürfte zu verneinen sein.136 Auch in der Aktiengesellschaft geht es nicht um die Überwachung eines Organs, sondern letztlich um die Überwachung der Funktion eines Organs, nämlich der Geschäftsführung.137 Obwohl diese zwingend einem bestimmten Organ – dem Vorstand – zugeordnet ist, knüpft die Überwachung sprachlich nicht an die Organstellung an, sondern an die Funktion, nämlich die Geschäftsführung. Daher spricht bereits der Wortlaut von § 111 Abs. 1 AktG dafür, bei der KGaA die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats auf das jeweils die Geschäfte führende Organ zu erstrecken. Dies gebieten vor allem aber auch Sinn und Zweck der Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats. Wenn das Geschäftsführungsrecht einer Gesellschaftsform zumindest in wesentlichen Teilen den 134
So auch Fischer, KGaA, S. 113. – Anders § 38 Abs. 1 S. 1 GenG: „Der Aufsichtsrat hat den Vorstand bei dessen Geschäftsführung zu überwachen.“ 135 Es hilft also nicht weiter, dass in der Aktiengesellschaft der Vorstand das Objekt der Überwachung ist, da dieser die Geschäfte führt (so für die Aktiengesellschaft zu Recht Henn, in: Hb. AktR, 7. Aufl., § 19 Rn. 1 und Semler, Leitung und Überwachung, S. 66 f.). 136 Fischer, KGaA, S. 113; wohl auch Theisen, DBW 49 (1989), 137, 145 („funktionalprozessual zu interpretierende Überwachungsaufgabe“); zumindest in der Formulierung dieses Verständnis nahelegend BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 200 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179: „Wahrung eines Organisationsgefälles zwischen dem Aufsichtsrat und dem durch ihn überwachten Geschäftsführungsorgan“. Anders die ganz herrschende Lehre: Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 35, 45; Bachmann, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 287 Rn. 8, 29; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 489 f., 535; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 54; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1310; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 248; Otte, AG & Co. KGaA, S. 134 f.; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 48, 51, 88. Unklar Martens, AG 1982, 113, 117. 137 Habersack, in: MK AktG, § 111 Rn. 20, weist allerdings zu Recht darauf hin, dass diese Fragestellung in der Aktiengesellschaft keinerlei Bedeutung zukomme, da die Geschäftsführungsfunktion zwingend dem Vorstand zugewiesen ist.
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Vorstellungen des Satzungsgebers angepasst werden kann, gleichzeitig aber die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats zwingend ist, muss sich diese auf das jeweils zur Geschäftsführung berufene Organ erstrecken.138 Ansonsten liefe die Kontrolle leer.139 d) Ergebnis Der Aufsichtsrat ist für die Überwachung des die Geschäfte führenden Gesellschaftsorgans zuständig. II. Ausführungskompetenz Bei der Ausführungskompetenz (§ 287 Abs. 1 AktG) handelt es sich um die Befugnis, die Beschlüsse der Kommanditaktionäre umzusetzen. Insoweit übt der Aufsichtsrat eine Verwaltungsfunktion aus. Dabei geht es aber nur um solche Beschlüsse, die das Innenverhältnis der Kommanditaktionäre zu den persönlich haftenden Gesellschaftern betreffen,140 die die Hauptversammlung also in Ausübung ihrer personengesellschaftsrechtlichen Kompetenzen gefasst hat141 und die – anders als z.B. die Erteilung der Zustimmung zu außergewöhnlichen Geschäften – einer Ausführung bedürfen, deren Umsetzung also vorangetrieben werden muss.142 Der 138 Dies gilt mit Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 127, nur dann nicht, soweit die Hauptversammlung selbst geschäftsführungsbefugt ist (Selbstkontrolle); restriktiver Otte, AG & Co. KGaA, S. 134 und Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 88, die auch einen Gesellschafterausschuss von der Kontrolle ausnehmen. 139 Auch Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 44, weist – in einem anderen Zusammenhang – darauf hin, dass nicht nur die formale, sondern auch die materielle Zuständigkeit des Aufsichtsrats nicht ausgehöhlt werden dürfe. In diese Richtung auch Habersack, in: MK AktG, § 111 Rn. 21, der zumindest in Ausnahmefällen die Überwachung des Aufsichtsrats auf die zweite Führungsebene erstreckt, um der „Gefahr einer Aushöhlung seiner Überwachungsaufgabe“ zu begegnen. 140 Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 55; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 10. – Anders Koch, in: Hüffer, AktG, § 287 Rn. 1: auch ggü. Gesellschaft. 141 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 49; Kiefer, Anlegerschutz, S. 82; Mertens/ Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 18; Otte, AG & Co. KGaA, S. 136. – Anderenfalls liegt die Zuständigkeit bei den persönlich haftenden Gesellschaftern (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 20). 142 Fischer, KGaA, S. 75 f.; Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 5; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1323. Beispiele sind der Ausschluss eines persönlich haftenden Gesellschafters von der Geschäftsführung/Vertretung oder aus der Gesellschaft (Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 287 AktG Rn. 4). Dem Aufsichtsrat obliegt dann die Vorbereitung und Einreichung einer von der Hauptversammlung beschlossenen Klage (Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 491). Zudem obliegt es dem Aufsichtsrat, von den persönlich haftenden Gesellschaftern die Umsetzung eines von beiden Gesellschaftergruppen beschlossenen Grundlagengeschäftes einzufordern (Philbert, KGaA, S. 136). Beschlüsse auf Basis des Aktiengesetzes sind demgegenüber von den persönlich haftenden Gesellschaftern auszuführen (Bachmann, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 287 Rn. 20 f.; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 287 Rn. 2; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 59). – Die Hauptversammlung kann ihre Beschlüsse nicht selbst ausführen, der Aufsichtsrat ist vielmehr handelndes Organ (BGH, Urteil vom 29. 11. 2004
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Aufsichtsrat nimmt insoweit eigennützige Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre wahr.143 Folgerichtig muss er sich dabei am Interesse der Kommanditaktionäre und nicht am Unternehmensinteresse orientieren.144 Dies gilt im mitbestimmten Aufsichtsrat auch für die Vertreter der Arbeitnehmer.145 Unter anderem deshalb kann es sich anbieten, die Ausführungskompetenz durch eine entsprechende Satzungsregelung auf ein anderes Organ zu übertragen (§ 287 Abs. 1 HS. 2 AktG). III. Vertretungskompetenz Schließlich fungiert der Aufsichtsrat in bestimmten Angelegenheiten als Vertretungsorgan: zum einen vertritt er die Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Prozessen, die diese gegen die persönlich haftenden Gesellschafter führen (§ 287 Abs. 2 S. 1 AktG), zum anderen vertritt er die Gesellschaft selbst gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern (§§ 278 Abs. 3, 112 AktG). Letzteres ist allerdings umstritten. 1. § 287 Abs. 2 S. 1 AktG Zunächst zu § 287 Abs. 2 S. 1 AktG. Dort geht es offenbar um Rechtsstreitigkeiten zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre. Wie aber bereits im Rahmen von § 278 Abs. 2 AktG geklärt wurde, bilden die Kommanditaktionäre in ihrer Gesamtheit keinen eigenständigen
– II ZR 364/02, S. 8 = NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZG 2005, 276, 277 = ZIP 2005, 348, 349; zustimmend Kersting, WuB II B. § 112 AktG 1.05); die Erteilung von Anweisungen ist aber zulässig. 143 BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179, weist zurecht darauf hin, dass er dabei dennoch als Organ der Gesellschaft handelt. Zustimmend Otte, AG & Co. KGaA, S. 136. 144 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 50 f.; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 493; Förl, KGaA, S. 9; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 197; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 60; Theisen, DBW 49 (1989), 137, 145. Einschränkend Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 22 sowie Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1323, unter Bezugnahme auf die organschaftliche Treuepflicht; auf diese weisen auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 52, hin. Nach Otte, AG & Co. KGaA, S. 136, ist der Aufsichtsrat zumindest „in besonderem Maß auf die Interessen der Kommanditaktionäre verpflichtet“, gleichzeitig aber auch auf das Interesse der KGaA im Ganzen. – Eine andere Frage ist, ob die Interessen der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und der Gesellschaft überhaupt voneinander abweichen können. Vgl. dazu mit weiteren Nachweisen unten S. 49, Fn. 158. Anders BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179; Philbert, KGaA, S. 100. 145 Vgl. dazu Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 3. An anderer Stelle bezeichnet Mertens die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter bei der Interessenvertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre als „Tatbestand absurden Rechts“ (in: FS Barz, S. 253, 256). Zurückhaltender Wichert, Finanzen, S. 49, der allerdings darauf hinweist, dass die Arbeitnehmervertreter zugleich auch die u. U. gegenläufigen Interessen der Belegschaft repräsentieren.
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Personenverband.146 Insofern ist es auch – entgegen des Wortlautes von § 287 Abs. 2 S. 1 AktG und der lange Zeit herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur147 – nicht möglich, dass die beiden Gesellschaftergruppen etwaige Rechtsstreitigkeiten unter sich austragen. Dies ist indes auch gar nicht nötig. Die KGaA ist als juristische Person selbst Träger von Rechten und Pflichten. Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten können also unter Einbindung der Gesellschaft – der KGaA – geführt werden.148 Insofern bedarf es auch keines rechts- und parteifähigen Personenverbandes der Kommanditaktionäre,149 um der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu ihrem Recht zu verhelfen. Die Kommanditaktionäre sind vielmehr zur gemeinsamen Willensbildung in der Hauptversammlung organisiert150 und können dort darüber entscheiden, ob Klage gegen die persönlich haftenden Gesellschafter151 erhoben werden soll. Prozesspartei ist dann die KGaA selbst,152 vertreten durch den Aufsichtsrat.153 Dies bedeutet indes nicht, dass unter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zwingend die Gesellschaft zu verstehen ist.154 Dagegen spricht, dass die KGaA aus zwei Gesellschaftergruppen besteht. Insofern liegt es nahe, dass in 146
Siehe oben S. 22. RG, Urteil vom 24. 10. 1910 – Rep. I. 79/10, RGZ 74, 297, 298; Urteil vom 6. 6. 1913 – Rep. II. 99/13, RGZ 82, 360; Barz, in: GK AktG, 3. Aufl., § 287 Rn. 8. 148 Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 619; Wichert, Finanzen, S. 49. 149 Fischer, KGaA, S. 55; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 77 Rn. 56, § 78 Rn. 46; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 73. Zum Ganzen Friedrich, KGaA, S. 42; Kessler, Möglichkeiten, S. 15 ff.; Wichert, Finanzen, S. 42 ff. 150 Der Hauptversammlung sind wiederum die Rechte eines Kommanditisten der Kommanditgesellschaft zugewiesen, vgl. Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 31; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 58. – Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 19, spricht in diesem Zusammenhang treffend von einer „Vergemeinschaftung“ kraft Gesetzes, die in der PublikumsKG einer besonderen gesellschaftsvertraglichen Regelung bedürfe. 151 Sowie gegen die Geschäftsleiter und die – zumindest maßgeblich beteiligten – Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 26). 152 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 287 AktG Rn. 5; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 62; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 22; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 287 Rn. 3; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 287 Rn. 4. 153 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 24; Fett, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 3 Rn. 6; Friedrich, KGaA, S. 46; Joens, Gesellschafter, S. 23; Philbert, KGaA, S. 99; Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 613 ff.; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 20, der angesichts dessen § 287 Abs. 2 AktG als Parallelvorschrift zu § 112 AktG einordnet. Anders Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 77 Rn. 57 und Semler/Perlitt, in: MK AktG, 2. Aufl., § 287 Rn. 74 (anders nunmehr Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 74), die die Gesamtheit der Kommanditaktionäre für parteifähig halten, ihr aber nicht die Eigenschaft eines eigenständigen Personenverbandes zusprechen. So tendenziell auch Fischer, KGaA, S. 78. – Beiden Auffassungen ist gemein, dass die persönlich haftenden Gesellschafter der Gesellschaft bzw. den Kommanditaktionären, jeweils vertreten durch den Aufsichtsrat, gegenüberstehen. Auch dies dürfte Folgen für die Besetzung des Aufsichtsrats haben. 154 So aber Pfeiffer, KGaA, S. 28. Weitgehend zustimmend auch Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 85. Tendenziell auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 18; Otte, AG & Co. KGaA, S. 137. 147
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§ 287 Abs. 2 S. 1 AktG die Hauptversammlung gemeint ist.155 Diese kann als Organ aber nicht gegen ein anderes Organ klagen,156 so dass im Prozess die Gesellschaft selbst ihre Rechte wahrnimmt, die wiederum durch den Aufsichtsrat vertreten wird.157 Dabei ist dieser an die Interessen der Kommanditaktionäre gebunden.158 Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Für die vorliegende Untersuchung ist es wichtig, dass es jedenfalls um Rechtsstreitigkeiten geht, die in der Kommanditgesellschaft zwischen Komplementär und Kommanditist ausgetragen würden, die also aus der Gesellschafterstellung resultieren.159 Wenn man sich dies vor Augen hält, sind auch die zunächst verwirrenden Regelungen in den §§ 278 Abs. 2, 287 Abs. 2 S. 1 AktG zu verstehen. Deren Wortlaut ist auf das überkommene Leitbild der KGaA zurückzuführen.160 Sie fanden sich bereits in Art. 186, 194 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs161 und haben seitdem sämtliche Gesetzes155
Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 95; Kessler, Möglichkeiten, S. 17; ders., NZG 2005, 145 (in § 278 Abs. 2: Gesellschaft); Otte, AG & Co. KGaA, S. 25, Fn. 32; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 56 sowie § 278 Rn. 232; Wichert, Finanzen, S. 52. Auch Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 278 Rn. 17 und Philbert, KGaA, S. 96, verstehen unter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre die Hauptversammlung. 156 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 31; Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 613, 618. Vgl. auch BGH, Urteil vom 17. 5. 1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 345 = NJW 1993, 2307, 2308 = ZIP 1993, 1079, 1080. 157 Friedrich, KGaA, S. 46; Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 613, 662. 158 Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 78; a.A. Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn 66. Der BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179, betont, dass es keine ständigen Interessengegensätze zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und den Kommanditaktionären gebe. Im Einzelfall sind derartige Konflikte aber möglich, beispielsweise im Rahmen der Gewinnverteilung (vgl. dazu unten S. 59, Fn. 214 sowie unten S. 62 , Fn. 228 ff.). 159 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 57; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 25 f.; Förl, KGaA, S. 10; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1322; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 20; Wichert, Finanzen, S. 43. Beispiele sind die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis oder der Vertretungsmacht, §§ 127, 137 HGB, die Zustimmung zum Jahresabschluss und die Einforderung von Beiträgen. Vgl. dazu oben S. 46. 160 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 24. 161 Art. 186 ADHGB 1869: „Die Rechte, welche den Kommanditisten gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrage oder nach den Bestimmungen des vorigen Abschnitts in Beziehung auf die Führung der Geschäfte, die Einsicht und Prüfung der Bilanz, die Bestimmung der Gewinnvertheilung, die Auflösung oder Kündigung der Gesellschaft und die Befugniß, das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters zu verlangen, zustehen, werden von der Gesammtheit der Kommanditisten in der Generalversammlung ausgeübt. Die Beschlüsse der Generalversammlung werden durch den Aufsichtsrath ausgeführt, wenn nicht im Gesellschaftsvertrage ein Anderes bestimmt ist.“, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1869, Nr. 32, S. 379, 440 f. Art. 194 ADHGB 1869: „Der Aufsichtsrath ist ermächtigt, gegen die persönlich haftenden Gesellschafter die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt. Jeder Kommanditist ist befugt, als Intervenient in den Prozeß auf seine Kosten einzutreten. Handelt es sich um die eigene Verantwortlichkeit des Aufsichtsrathes, so kann letzterer ohne und selbst
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änderungen überstanden, obwohl sich die KGaA von einer Unterart der Kommanditgesellschaft zu einer juristischen Person gewandelt hat.162 Nach heutigem Verständnis handelt es sich bei § 287 Abs. 2 S. 1 AktG lediglich um eine Kompetenzzuweisung zugunsten des Aufsichtsrats:163 dieser vertritt die Gesellschaft bei der Wahrnehmung der in der Hauptversammlung gebündelten Rechte der Gesamtheit der Kommanditaktionäre.164 Die in § 287 Abs. 2 S. 2 HS. 1 AktG angeordnete Verpflichtung der Gesellschaft, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, ist rein deklaratorischer Natur und nur historisch zu erklären.165 2. §§ 278 Abs. 3, 112 AktG Daneben fungiert der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan der KGaA gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern (§§ 278 Abs. 3, 112 AktG).166 Dadurch soll eine abstrakte Gefährdung der Gesellschaftsinteressen vermieden werden, die typischerweise167 bei einer Eigenvertretung durch (einzelne) persönlich haftende gegen den Beschluß der Generalversammlung gegen die persönlich haftenden Gesellschafter klagen.“, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1869, Nr. 32, S. 379, 442. 162 Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 83. 163 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 31; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 18; Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 2. – Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 287 AktG Rn. 5 sowie Kessler, Möglichkeiten, S. 13, halten insoweit § 112 AktG für hinreichend, der über § 278 Abs. 3 AktG Anwendung findet (vgl. dazu Ziffer 2.). Dem ist mit Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 24, entgegen zu halten, dass § 287 Abs. 2 S. 1 AktG – anders als § 112 AktG (vgl. dazu unten S. 54) – einer anderen Vertretungsregelung zugänglich ist (§ 287 Abs. 2 S. 2 AktG) und zudem die klageweise Durchsetzung der personengesellschaftsrechtlichen Befugnisse der Kommanditaktionäre der Gesellschaft zuweist. 164 Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 7; Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 620 ff. – Der Einfachheit halber wird im Folgenden weiterhin die überholte, aber prägnante Terminologie des Gesetzes („Vertretung der [Gesamtheit der] Kommanditaktionäre“) verwendet, zumal die rechtsdogmatischen Unterschiede für die zu untersuchende Fragestellung ohne weitere Bedeutung sind. 165 § 287 Abs. 2 S. 2 AktG entstammt der überkommenen Vorstellung, dass die Kommanditaktionäre selbst Partei des Prozesses sind. Vgl. dazu Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 63; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 21. Anders noch Barz, in: GK AktG, 3. Aufl., § 287 Anm. 8 und auch Fischer, KGaA, S. 78. 166 BGH, Urteil vom. 29. 11. 2004 – II ZR 364/02, NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZG 2005, 276 = ZIP 2005, 348 f.; BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179; Arnold, in: Henssler/Strohn, § 287 Rn. 3; Assmann/ Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn 67; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 56; Kersting, WuB II B. § 112 AktG 1.05; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1320; Nägele/ Böhm, BB 2005, 2197; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 67 f.; K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 796; Sethe, AG 1996, 289, 298 f. Im Ergebnis auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 12. Anders Philbert, KGaA, S. 160, der allein die persönlich haftenden Gesellschafter für vertretungsberechtigt hält. 167 BGH, Urteil vom 29. 11. 2004 – II ZR 364/02, S. 5 = NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZW 2005, 276 = ZIP 2005, 348, 349: typisierende Betrachtungsweise geboten. Ähnlich auch BGH,
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Gesellschafter gegeben wäre.168 Problematisch ist allerdings, dass nach dem Gesetzeswortlaut auch § 278 Abs. 2 AktG einschlägig sein könnte, der die Vertretung der Gesellschaft den persönlich haftenden Gesellschaftern zuweist. Nicht wenige Stimmen in der Literatur nehmen daher an, die Vertretungsbefugnis liege zumindest auch bei den persönlich haftenden Gesellschaftern.169 Etwaigen Interessenkollisionen werde über § 181 BGB, auf den § 278 Abs. 2 AktG Bezug nehme, ausreichend vorgebeugt. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass eine von jeglichen Interessenkollisionen freie Vertretung der Gesellschaft – wie in der Aktiengesellschaft – nur durch den Aufsichtsrat möglich ist.170 Die Regelung des § 181 BGB ist dispositiv und erfasst auch nicht den Fall, in dem die Gesellschaft durch einen anderen persönlich haftenden Gesellschafter oder durch einen Prokuristen vertreten wird.171 Beide sind aber der Sphäre des von der Vertretung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafters zuzurechnen.172 Insofern bestünde die Besorgnis, dass sie die erforderliche Unbefangenheit nicht aufbringen. Daran ändert auch die Haftungsandrohung in §§ 283 Nr. 3, 93 Abs. 2 AktG nichts, die bestenfalls präventiv wirken kann, die persönlich haftenden Gesellschafter aber nicht zu unbefangenen Dritten macht.173 Daher ist es geboten, die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern ausnahmslos dem Aufsichtsrat zu überlassen.174 Urteil vom 16. 2. 2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9, 22 = NJW 2009, 2207, 2210 = ZIP 2009, 460, 464 (zu Ziffer 5.5.3 DCGK); Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 13; Bürgers/ Israel, in: HK AktG, § 112 Rn. 2; Nägele, BB 2005, 2197; Breuer/Fraune, in: Heidel, AktR, § 112 AktG Rn. 2; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 1. 168 Beispiele sind der Abschluss des Anstellungsvertrags, die Festsetzung von Boni oder die Herabsetzung der Vergütung, die Kreditgewährung (§ 283 Nr. 5 i.V.m. § 89 Abs. 1 S. 1 AktG) sowie die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen Sorgfaltspflichtsverletzungen. 169 Fett, INF 2005, 872, 875; Fischer, KGaA, S. 79; Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 30; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 20 f. In der Kommentierung zu § 278 Rn. 39 sprechen Mertens/Cahn hingegen nur von der Möglichkeit einer entsprechenden Satzungsgestaltung. – Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 497 und Friedrich, KGaA, S. 45 f., lassen einen Rückgriff auf § 112 AktG nur im Falle einer entsprechend ausgestalteten Satzung oder einer expliziten Verweisung in den §§ 279 ff. AktG, namentlich in § 283 Nr. 8 AktG, zu. Ansonsten seien die persönlich haftenden Gesellschafter für die Vertretung der Gesellschaft zuständig. Für eine absolute Grenzziehung auch Philbert, KGaA, S. 160. 170 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 129; Kiefer, Anlegerschutz, S. 84; Kölling, Anlegerschutz, S. 165; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 67 f. Im Ergebnis auch Bachmann, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 287 Rn. 12. 171 Otte, AG & Co. KGaA, S. 138, Sethe, AG 1996, 289, 298. – Demgegenüber gilt § 112 AktG für Rechtsgeschäfte mit (allen) Vorstandsmitgliedern, unabhängig von ihrer Beteiligung am konkreten Rechtsgeschäft (vgl. DNotI-Report 2004, 75, 76). 172 In diese Richtung auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 68 und Heineke, Anlegerschutz, S. 105. Anders OLG München, Urteil vom 26. 7. 1995 – 7 U 5169/94, AG 1996, 86 = WM 1996, 782, 784: Vertretung durch anderen persönlich haftenden Gesellschafter, der im Übrigen von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen ist, qua Satzung möglich. 173 Anders Philbert, KGaA, S. 159. 174 Anders Philbert, KGaA, S. 156, 158, der darauf verweist, dass das Schutzniveau in der KGaA eben nicht so hoch sei wie in der Aktiengesellschaft. Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287
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1. Teil: Einführung
Dies bestätigt auch ein Urteil des Bundesgerichtshofs, nach dem die persönlich haftenden Gesellschafter die KGaA nicht einmal gegenüber bereits ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschaftern vertreten können.175 Auch insoweit besteht die abstrakte Gefahr, dass die persönlich haftenden Gesellschafter nicht die Interessen der Gesellschaft vertreten, sondern sich von den Interessen des bereits ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafters beeinflussen lassen.176 Gleiches gilt für die Vertretung gegenüber nicht geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschaftern.177 Vor allen Dingen spricht aber auch die Gesetzessystematik gegen eine Anwendung von § 278 Abs. 2 AktG und damit gegen eine Vertretung der Gesellschaft durch die persönlich haftenden Gesellschafter.178 § 278 Abs. 2 AktG hat nämlich nur die Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten zum Inhalt hat; die persönlich haftenden Gesellschafter sind aber nicht Dritte im Sinne dieser Vorschrift.179 Teilweise wird nun argumentiert, § 278 Abs. 2 AktG unterwerfe jedenfalls unstreitig das Rechtsverhältnis zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre den Regelungen über die Kommanditgesellschaft. Mangels der in Wirklichkeit gar nicht existenten Gesamtheit der Kommanditaktionäre sei in § 278 Abs. 2 AktG indes die KGaA selbst gemeint,180 die dann wiederum – in sich schlüssig – kraft Personengesellschaftsrecht von den persönlich haftenden Gesellschaftern vertreten würde. Abgesehen von den gegen die Gleichsetzung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre mit der KGaA bestehenden
Rn. 21, wenden ein, ggf. griffen zum Schutz der Gesellschaft die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht. 175 BGH, Urteil vom 29. 11. 2004 – II ZR 364/02, NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZG 2005, 276, 277 = ZIP 2005, 348, 349; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 56; Sethe, AG 1996, 289, 299. Zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft BGH, Urteil vom 16. 2. 2009 – II ZR 282/07, NJW-RR 2009, 690, 691, = ZIP 2009, 717, 718; Koch, in: Hüffer, AktG, § 112 Rn. 2; Nägele/Böhm, BB 2005, 2197; K. Schmidt, GesR, S. 821. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 22, plädiert auch bei Bagatell- und neutralen Geschäften für eine restriktive Handhabung. 176 OLG München, Urteil vom 26. 7. 1995 – 7 U 5169/94, AG 1996, 86 = WM 1996, 782, 784. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 10, weist neben der Gefahr der Solidarisierung mit ehemaligen Kollegen auf mögliche Nachahmungseffekte hin und kritisiert, dass dem Aufsichtsrat auch gegenüber ehemaligen Vorstandsmitgliedern, die in den Aufsichtsrat gewechselt sind, die Vertretungszuständigkeit obliegt, als rechtspolitisch zweifelhaft (Rn. 14), bleibt allerdings eine überzeugende Alternativlösung schuldig. 177 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 13; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1320; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 67. 178 Nach BGH, Urteil vom 29. 11. 2004 – II ZR 364/02, NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZG 2005, 276 = ZIP 2005, 348, 349, werden die von § 278 Abs. 2 AktG in Bezug genommenen Vorschriften des Handelsgesetzbuches durch die über § 278 Abs. 3 AktG anwendbaren aktienrechtlichen Regelungen ergänzt. Dies ist insoweit missverständlich, als ein klares Stufenverhältnis besteht, Raum für die Anwendung des Aktiengesetzes also nur besteht, wenn es an einer einschlägigen personengesellschaftsrechtlichen Regelung fehlt. 179 Ähnlich Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 55. 180 So Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 56; Kessler, Möglichkeiten, S. 17.
§ 2 Entwicklung der Problemstellung
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Bedenken181 geht es bei der Vertretung der Gesellschaft gegenüber ihren persönlich haftenden Gesellschaftern jedoch weniger um eine Frage des allgemeinen Vertretungsrechts, sondern vielmehr um die Regelungsmaterie Aufsichtsrat.182 Dafür spricht bereits der Aufbau des Gesetzes, denn der über § 278 Abs. 3 AktG in Bezug genommene § 112 AktG findet sich im Unterabschnitt „Aufsichtsrat“ und dort unmittelbar nach den Kompetenzzuweisungen an eben diesen. Das zeigt, dass es in erster Linie darum geht, das Organ Aufsichtsrat mit einer Aufgabe zu betrauen. Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats ergibt sich gewissermaßen aus seinem Vorhandensein; es drängt sich mit Blick auf eine gute Corporate Governance geradezu auf, dass die Gesellschaft gegenüber ihrem Geschäftsleitungsorgan von ihrem Aufsichtsrat vertreten wird.183 Dies ist der einfachste und zugleich sicherste Weg zur Vermeidung potentieller Interessenkollisionen184 und entspricht überdies dem Willen des historischen Gesetzgebers185. Schließlich erscheint es mit Blick auf die dem Aufsichtsrat zufallende Überwachung der persönlich haftenden Gesellschafter geboten, dass der Aufsichtsrat auch für Geschäfte zwischen diesen und der Gesellschaft zuständig ist.186 3. Dispositivität? Fraglich ist, ob von dem soeben dargestellten Vertretungsrecht abgewichen werden kann. Hier ist zwischen der Vertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre und der Vertretung der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern zu unterscheiden. Die Möglichkeit einer Verlagerung der aus § 287 Abs. 2 S. 1 AktG folgenden Vertretungszuständigkeit ergibt sich bereits aus der Norm selbst, die ausdrücklich die Wahl eines besonderen Vertreters für zulässig erklärt (§ 287 Abs. 2 S. 1 HS. 4 AktG).187 Zudem ist das Verhältnis der persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber der Gesamtheit der Kommanditaktionäre betroffen, so das gem. § 278 Abs. 2 AktG dispositives Personengesellschaftsrecht gilt. Ein persönlich haftender Gesellschafter kann jedoch nicht mit der Vertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre beauftragt werden,188 da es gerade um Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Gesellschaftergruppen geht. Diese stehen sich 181
Siehe oben S. 48. Heineke, Anlegerschutz, S. 106; Kersting, WuB II B. § 112 AktG 1.05; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 68; Sethe, AG 1996, 289, 299. Anders Philbert, KGaA, S. 159. 183 Ähnlich unter Verweis auf dieselbe Interessenlage wie in der Aktiengesellschaft Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1321. 184 Ähnlich Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 55 f.; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 72. Anders noch Semler/Perlitt, in: MK AktG, 2. Aufl., § 287 Rn. 72: Bei einer Vertretung durch einen nicht geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter sei ebenfalls kein Interessenkonflikt denkbar. 185 Vgl. zum letzten Punkt die Ausführungen bei Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 70. 186 Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 170. 187 Dies übersieht offenbar Schnorbus, in: Liber amicorum M. Winter, S. 629, 646. 188 Barz, in: GK AktG, 3. Aufl., § 287 Anm. 7; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 10. 182
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1. Teil: Einführung
als Prozessgegner gegenüber, so dass es mehr oder weniger zwingend zu Interessenkollisionen kommen würde, die es – über § 181 BGB hinaus – zu unterbinden gilt.189 Grundlegend anders stellt sich die Rechtslage bei der Vertretung der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern dar. Eine Verlagerung der Vertretungsbefugnis auf ein anderes Organ wäre nur möglich, wenn für das in Frage stehende Rechtsverhältnis zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und der KGaA nachgiebiges Personengesellschaftsrecht gelten würde. Dies ist indes nicht der Fall.190 Vielmehr steht die Aufgabenzuweisung an den Aufsichtsrat nicht im Belieben des Satzungsgebers (§§ 278 Abs. 3, 112, 23 Abs. 5 AktG). Daher ist es auch nicht möglich, ein anderes, von den persönlich haftenden Gesellschaftern unabhängiges Organ (beispielsweise einen Beirat) mit der Vertretung der Gesellschaft gegenüber eben diesen zu betrauen. Zwar bestünde insoweit keine Gefahr einer Interessenvermischung und damit einer Vernachlässigung der Interessen der KGaA. § 23 Abs. 5 AktG ist aber eindeutig.191 4. Handlungsmaxime Die Handlungsmaxime des Aufsichtsrats als Vertretungsorgan richtet sich nach dem Interesse des jeweils Vertretenen, also entweder nach dem der Kommanditaktionäre (§ 287 Abs. 2 S. 1) oder nach dem der Gesellschaft (§§ 278 Abs. 3, 112 AktG).192 Insofern müssen die persönlich haftenden Gesellschafter – wie in § 287 Abs. 3 AktG vorgesehen – von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen sein.193
189 In diesem Sinne auch Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 22; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 15. Dagegen könnte allenfalls sprechen, dass sich die Kommanditaktionäre gem. § 287 Abs. 2 S. 2 AktG für einen Vertreter ihrer Wahl entscheiden können und insoweit nicht schutzbedürftig sind. 190 Siehe oben S. 52. 191 Anders Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 4, die allerdings § 112 AktG auch nur aufgrund einer vermeintlichen Regelungslücke in § 278 Abs. 2 AktG anwenden, welche bei einer abweichenden Satzungsregelung nicht mehr gegeben sei, wenn potentielle Interessenkonflikte ausgeschlossen seien, sowie Otte, AG & Co. KGaA, S. 140 und Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 69. Demgegenüber zustimmend Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 16, obwohl auch dieser § 112 AktG nur aus Wertungsgesichtspunkten anwendet. – Kritisch zur Differenzierung zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Vertretung im Hinblick auf die Dispositivität Otte, AG & Co. KGaA, S. 140. 192 Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 69, 78. Anders Philbert, KGaA, S. 99 f. – Vermittelnd Assmann/Sethe, in: GK AktG; § 287 Rn. 65 f. und Förl, KGaA, S. 10, die betonen, dass bei einem Handeln nach § 287 Abs. 2 AktG die Interessen der Kommanditaktionäre und der Gesellschaft wahrzunehmen seien. – Bzgl. §§ 278 Abs. 3, 112 AktG auch BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179. 193 Theisen, DBW 49 (1989), 137, 144.
§ 2 Entwicklung der Problemstellung
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Streitig ist, ob der Aufsichtsrat angesichts seiner Doppelfunktion194 – einerseits Überwachung der Geschäftsführung, anderseits Vertretung der Kommanditaktionäre – auch Doppelorgan oder ausschließlich Organ der Gesellschaft ist. Voraussetzung für eine Stellung als Doppelorgan wäre, dass die Kommanditaktionäre in der KGaA einen eigenen Personenverband bilden. Die Auffassung eines „Verbandes im Verband“ entspricht aber nicht mehr dem heutigen gesellschaftsrechtlichen Verständnis.195 Folglich kann der Aufsichtsrat auch nur Organ der Gesellschaft sein.196 Unabhängig davon besteht aber die Gefahr, dass es bei der Wahrnehmung der verschiedenen Kompetenzen zu einer Kollision der jeweiligen Handlungsmaximen kommt.197 Um dem vorzubeugen ist es möglich, die im Aufsichtsrat vereinten Aufgabenbereiche Überwachung der Geschäftsleitung und Interessenvertretung der Kommanditaktionäre institutionell zu trennen und letztere auf ein anderes Organ zu übertragen.198 IV. Annexkompetenzen Dem Aufsichtsrat obliegen in Ergänzung seiner Überwachungs- und Vertretungsfunktion weitere Kompetenzen: so entscheidet er – gemeinsam mit den übrigen 194
So bereits Schlegelberger/Quassowski, in: Schlegelberger, AktG, § 229 Rn. 1, die den Aufsichtsrat „in erster Linie [als] Verwaltungsträger der Gesellschaft selbst“ und „in zweiter Linie [als] Vertreter der Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ sehen. Mertens, in: FS Barz, S. 253, 255, spricht von einer „Zwitterstellung des Aufsichtsrats“. 195 Siehe oben S. 22. – So aber noch Elschenbroich, KGaA, S. 132. 196 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 31; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 1; Blaurock, in: Wachter, AktG, § 287 Rn. 1; Förl, KGaA, S. 8; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1322; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 2. Anders noch Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 3, 30, der den Aufsichtsrat vor dem Hintergrund, dass dieser stets die Interessen der Kommanditaktionäre wahrnehme, nicht als Organ der KGaAversteht. Auch Henn, Hb. AktR, 7. Aufl., § 4 Rn. 135 sowie Köhler, KGaA, 1929, S. 46, sehen den Aufsichtsrat im Rahmen von § 287 Abs. 1 AktG als Organ der Kommanditaktionäre. Ähnlich Steindorff, in: FS Ballerstedt, S. 127, 133 („Organ nicht nur der Aktionäre, sondern auch der Gesamtgesellschaft“). Offen Wotschofsky/Sauter, StB 2003, 329, 332. 197 Grafmüller, KGaA, S. 139; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 62; a.A. Fischer, S. 61 f.; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 19. – Das Unternehmensinteresse kann, muss aber nicht mit dem Interesse der Kommanditaktionäre übereinstimmen. Zwar ist das Interesse des Unternehmens in gewisser Weise von dem der Kommanditaktionäre abhängig, da diese eine Gesellschaftergruppe der KGaA sind. Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 52, verneinen vor diesem Hintergrund, dass es überhaupt zu einer Interessenkollision kommen kann. Allerdings ist es durchaus denkbar, dass ein Beschluss der Gesamtheit der Kommanditaktionäre dem objektiven Unternehmensinteresse zuwider läuft. Der Aufsichtsrat dürfte sich erst dann einer Ausführung widersetzen, wenn der Beschluss die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt (insoweit zustimmend Assmann/Sethe, in: GK AktG § 287 Rn. 52; restriktiver Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1322). – Auch Wichert, Finanzen, S. 52, verneint die Möglichkeit von Interessenkollisionen, übersieht dabei aber, dass diese nicht an die Doppelorganstellung, sondern an die Doppelfunktion des Aufsichtsrats anknüpfen. 198 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 132; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 551; Fischer, S. 63.
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1. Teil: Einführung
persönlich haftenden Gesellschaftern – über die Befreiung eines persönlich haftenden Gesellschafters vom Wettbewerbsverbot (§ 284 Abs. 1 S. 1 AktG),199 beschließt über die Vergabe von Krediten an persönlich haftende Gesellschafter (§§ 283 Nr. 5, 89 Abs. 1 S. 1 AktG), vertritt die KGaA gegenüber Unternehmen, die mit einem persönlich haftenden Gesellschafter verbunden sind,200 schließt Verträge über die Anmietung von Sitzungsräumen,201 führt – gemeinsam mit den persönlich haftenden Gesellschaftern – die Gründungsprüfung durch (§§ 278 Abs. 3, 33 Abs. 1 AktG)202 und vertritt die KGA – gemeinsam mit den persönlich haftenden Gesellschaftern – im Falle einer Anfechtungsklage (§§ 283 Nr. 13, 246 Abs. 2 S. 2 AktG).203 Zudem unterzeichnet der Vorsitzende des Aufsichtsrats – gemeinsam mit den persönlich haftenden Gesellschaftern – Anmeldungen zum Handelsregister (z.B. §§ 283 Nr. 1 AktG, 184 Abs. 1 AktG).204 V. Ergebnis Der Aufsichtsrat ist für drei wesentliche Aufgabenfelder zuständig. Ihm obliegt zunächst die Überwachung der Geschäftsleitung (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 1, 23 Abs. 5 AktG); dabei hat er sich vom Unternehmensinteresse leiten zu lassen, nimmt aber gleichzeitig Interessen der Kommanditaktionäre wahr. Darüber hinaus ist er – vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsbestimmung – für die Ausführung der Beschlüsse der Kommanditaktionäre zuständig (§ 287 Abs. 1 AktG) und handelt insoweit als deren Interessenvertreter. Schließlich vertritt er die Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern (§§ 278 Abs. 3, 112, 23 Abs. 5 AktG); dabei ist er (nur) dann den Interessen der Kommanditaktionäre verpflichtet, wenn er in Rechtsstreitigkeiten auf Seiten der Gesellschaft Rechte der in der Hauptversammlung organisierten Kommanditaktionäre wahrnimmt, die aber auch einen besonderen Vertreter wählen können (§ 287 Abs. 2 AktG). Die genannten Zuständigkeiten werden von Annexkompetenzen abgerundet.
199 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 284 Rn. 10 ; Koch in: Hüffer, AktG, § 284 Rn. 2. – Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 43, halten den Aufsichtsrat für alleinzuständig. 200 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 8, verlangt wirtschaftliche Identität, die regelmäßig bei einem maßgeblichen Einfluss des Vorstandsmitglieds [hier: persönlich haftenden Gesellschafters] zu bejahen sei; restriktiver Breuer/Fraune, in: Heidel, AktR, § 112 AktG Rn. 1c. 201 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 659 (auch zu sonstigen Hilfsgeschäften); Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 3. 202 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 280 Rn. 7. Zur Frage der Notwendigkeit einer Sachgründungsprüfung bei einer Vermögenseinlage vgl. Sethe, DB 98, 1044, 1046. 203 Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 16. Bei einer Klage der persönlich haftenden Gesellschafter wird die KGaA allein durch den Aufsichtsrat vertreten (§ 246 Abs. 2 S. 3 AktG; dazu auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 15a). Dies dürfte für die Frage der Besetzung des Aufsichtsrats noch relevant werden. 204 Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 16.
Zweiter Teil
Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern einer Komplementär-Gesellschaft in analoger Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG „Persönlich haftende Gesellschafter können nicht Aufsichtsratsmitglieder sein“ (§ 287 Abs. 3 AktG). Für natürliche Personen ist die Rechtslage damit eindeutig: sie können nicht gleichzeitig die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters und die eines Aufsichtsratsmitglieds inne haben.205 Demgegenüber trifft § 287 Abs. 3 AktG jedenfalls seinem Wortlaut nach keine Regelung für den Fall, dass eine beliebige Gesellschaft und nicht eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter ist. Die Gesellschaft selbst fällt bereits gem. § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. § 100 Abs. 1 AktG als Mitglied des Aufsichtsrats aus. Was aber gilt für Mitglieder ihres Geschäftsführungsorgans bzw. für ihre Gesellschafter? Können diese ebenfalls nicht in den Aufsichtsrat einziehen oder ist dies möglicherweise völlig unproblematisch?
§ 3 Ratio § 287 Abs. 3 AktG A. Normzweck Um diese Frage beantworten zu können, gilt es zunächst, den Zweck von § 287 Abs. 3 AktG herauszuarbeiten.206
205 Für den Aufsichtsrat der KGaA finden im Übrigen die §§ 95 ff. AktG, die von § 278 Abs. 3 AktG in Bezug genommen werden, grundsätzlich Anwendung. Die persönlichen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ergeben sich danach aus § 100 AktG (vgl. dazu nur Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 9; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 442 ff.; Schiedermaier/Kolb, in: Beck’sches Hb. AG, § 7 Rn. 200 ff.). – Aufsichtsratsmitglieder in Unternehmen der regulierten Finanz- und Versicherungsbranche unterliegen weiteren Anforderungen; sie müssen insbesondere zuverlässig und besonders sachkundig sein sowie über ausreichend Zeit für die Wahrnehmung ihrer Mandate verfügen (§§ 25d Abs. 1 – 3a KWG; § 7 Abs. 4 VAG). 206 Kessler, Möglichkeiten, S. 5, betont zu Recht, dass zur Beantwortung einer die atypische KGaA betreffenden Frage zunächst die Rechtslage in der typischen KGaA zu untersuchen ist.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung In der Wissenschaft wird in erster Linie darauf abgestellt, dass die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats geschützt werden müsse.207 Daher seien Aufsichtsund Leitungsebene – auch in personeller Hinsicht – klar voneinander zu trennen,208 um eine effektive Kontrolle sicherzustellen und etwaige Interessenkollisionen zu vermeiden.209 Darüber hinaus solle § 287 Abs. 3 AktG gewährleisten, dass der Aufsichtsrat die Interessen der (Nur-)Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern unvoreingenommen wahrnehmen könne.210 Daher dürfe er nicht von den persönlich haftenden Gesellschaftern unterwandert werden. Nur so könne die Machtbalance zwischen den beiden Gesellschaftergruppen erhalten werden.211 II. Untersuchung Festzustellen ist, dass der erstgenannte Normzweck – Trennung von Geschäftsführungs- und Kontrollebene – in den Vordergrund gestellt wird. Dies mag an der Rolle des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft liegen, der auf die Überwachung der Geschäftsführungstätigkeit fokussiert ist. Es ist jedoch wichtig, sich bei der Ermittlung des Normzwecks von § 287 Abs. 3 AktG nicht über Gebühr von der Rechtslage in der Aktiengesellschaft beeinflussen zu lassen. Zwar haben KGaA und Aktiengesellschaft eine gemeinsame Vergangenheit212, dennoch handelt es sich um 207 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 106; Heineke, Anlegerschutz, S. 96; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 49; Mense, GWR 2014, 320, 321; Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 420; Otte, AG & Co. KGaA, S. 145; Schlitt, Satzung, S. 168; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 7; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 278 Rn. 17; Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1428. 208 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 4 (gegenüber 1. Auflage noch stärker betont); Ek/Schiemzik, BB 2006, 456, 457; Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 9 f.; Friedrich, Anlegerschutz, S. 223; Kiefer, Anlegerschutz, S. 86; Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 420; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 179. 209 Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 84; Kiefer, Anlegerschutz, S. 80; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 48; Wichert, in: Heidel, AktR, § 287 AktG Rn. 7. 210 Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 43; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 14. Tendenziell auch OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2972/02, ZIP 2004, 214, 218. Ablehnend Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 18. 211 LG München I, Urteil vom 5. 4. 2002 – 5 HKO 2178/01, AG 2002, 467, 468 (weitgehend aufgehoben durch OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2972/02, ZIP 2004, 214, dieses wiederum bestätigt durch BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510 = ZIP 2006, 177); Gehrke, Stiftung & Co. KGaA, S. 13; Kiefer, Anlegerschutz, S. 80; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 48. Ähnlich auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 42 („Funktion eines Gegengewichts“). – Bereits in den Beratungen zur Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik (1932) wurde von der Regierung hervorgehoben, dass der Aufsichtsrat den persönlich haftenden Gesellschaftern mit Blick auf deren Machtfülle als „ausbalancierendes Element“ entgegentreten solle, vgl. Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 603. 212 Vgl. oben S. 22, Fn. 21.
§ 3 Ratio § 287 Abs. 3 AktG
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zwei verschiedene und voneinander unabhängige Rechtsformen. Daher können auch scheinbar vergleichbare Inkompatibilitätsnormen unterschiedliche Hintergründe haben. Folglich sind bei der Untersuchung des Normzwecks von § 287 Abs. 3 AktG immer die spezifischen Besonderheiten der KGaA zu berücksichtigen. So führt der Aufsichtsrat einer KGaA auch die Beschlüsse der Kommanditaktionäre aus und vertritt die Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Rechtsstreitigkeiten mit den persönlich haftenden Gesellschaftern (§ 287 Abs. 1 und 2 AktG).213 Er ist also zumindest auch Interessenvertreter der Gesellschaftergruppe der Kommanditaktionäre.214 1. Überwachung der Geschäftsführung Zum einen geht es um die Sicherung einer effektiven Kontrolle der persönlich haftenden Gesellschafter. Hachenburg hat bereits im Jahr 1935 postuliert: „Wer überwacht werden soll, kann nicht zu seiner Überwachung berufen werden.“215 Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Eine (Mit-)Kontrolle der Geschäftsführungstätigkeit des persönlich haftenden Gesellschafters durch diesen selbst wäre keine Kontrolle.216 Folgerichtig steht § 287 Abs. 3 AktG als Ausdruck der strikten dualistischen Konzeption von Leitung und Kontrolle einer Mitgliedschaft der persönlich haftenden Gesellschafter im Aufsichtsrat der KGaA entgegen. Der Bundesge213 Darüber hinaus vertritt er – wie in der Aktiengesellschaft – die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit den persönlich haftenden Gesellschaftern. Auch in der Aktiengesellschaft geht es also nicht nur um die Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle, sondern auch um die Verhinderung von darüber hinaus gehenden potentiellen Interessenkonflikten von Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans. 214 Nach Fläming, in: FS Peltzer, S. 99, 107, dürften die Interesse der Gesellschaftergruppen langfristig parallel verlaufen, nicht aber unbedingt kurz- und mittelfristig. Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass zwar alle Gesellschafter ein Interesse am langfristigen Fortbestand der Gesellschaft haben dürften, mit Blick auf die Gewinnverteilung aber auch insoweit divergierende Interessen bestehen können. Vgl. dazu auch unten S. 62, Fn. 228 ff. – Ein Interessenkonflikt dürfte im Übrigen insbesondere in der Krise der Gesellschaft auftreten. Gerade in der Krise bedarf es aber einer besonders genauen Überwachung der Geschäftsleitung; dies dürfte Folgen für die Besetzung des Aufsichtsrats haben. 215 Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 11. Ähnlich Lutter, in: FS Priester, S. 417, 419. – Die Wichtigkeit einer unabhängigen Überwachung gerade der persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA haben implizit die Hansestadt Bremen und die Freie und Hansestadt Hamburg im Zuge der Erörterungen der von Preußen vorgelegten 1. Aktienrechtsnovelle betont, die als Ausgleich für den Wegfall des Konzessionszwangs auch für Aktiengesellschaften einen Aufsichtsrat vorsah: „Der Hinweis (…) auf die entsprechenden Bestimmungen (…) über die Kommanditgesellschaft auf Aktien passe nicht. Im Gegensatz zum Vorstand einer Aktiengesellschaft wechsele der Komplementär einer Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht. Dieser führe allein die gesamte Verwaltung; seine ganze Existenz hänge an der Gesellschaft, er könne sich daher leicht verleiten lassen, einen schlechten Stand der geschäftlichen Verhältnisse zu verdecken.“, abgedruckt bei Schubert, ZGR 1981, 285, 306. 216 Otte, AG & Co. KGaA, S. 151, erläutert plakativ diesen Konflikt. – Die Kontrolltätigkeit der Abschlussprüfer ist auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Jahresabschlusses fokussiert und bleibt damit hinter den Überwachungspflichten des Aufsichtsrats zurück.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
richtshof spricht – insoweit zutreffend – von einem „Organisationsgefälle“.217 Dabei ist nicht nur die formale Stellung als Mitglied des geschäftsführenden Organs entscheidend, sondern vielmehr die Ausübung der damit einher gehenden Kompetenzen. Folgerichtig sind auch gesetzliche bzw. rechtsgeschäftliche Vertreter der persönlich haftenden Gesellschafter vom Aufsichtsrat ausgeschlossen.218 Nicht jeder persönlich haftende Gesellschafter muss aber in die Geschäftsführung eingebunden sein; die Geschäfte einer KGaA können – zumindest auch – von den Kommanditaktionären oder einem mit Gesellschaftern besetzten Beirat geführt werden.219 Dies führt zu zwei Fragen: sind die nicht geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschafter dennoch bzw. die die Geschäfte (ggf. mittelbar über einen Beirat) führenden Kommanditaktionäre ebenfalls inhabil? Der Wortlaut von § 287 Abs. 3 AktG scheint eindeutig zu sein: von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen sind die persönlich haftenden Gesellschafter – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Zu bedenken ist allerdings, dass der Wortlaut vom Normalfall ausgeht, nämlich der Geschäftsführung durch die persönlich haftenden Gesellschafter. Wie oben gesehen, kann die Geschäftsführungsbefugnis aber zumindest auch bei den Kommanditaktionären liegen. a) Erweiternde Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG? Die Frage nach einer möglichen Inhabilität von (zumindest mittelbar) zur Geschäftsführung befugten Kommanditaktionären ist zu bejahen. Der oben postulierte Grundsatz, dass eine Kontrolle durch den zu Kontrollierenden nicht möglich ist, gebietet es, § 287 Abs. 3 AktG auf Kommanditaktionäre, die die Geschäfte der KGaA führen, analog anzuwenden. Diese sind mit Blick auf den Normzweck der Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle ebenfalls inhabil. b) Einschränkende Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG? Falls einzelne oder sämtliche persönlich haftende Gesellschafter ausnahmsweise von der Geschäftsführung ausgeschlossen sein sollten,220 könnte eine teleologische
217
BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 200 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179. 218 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 16; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 157; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 43. 219 Siehe oben S. 43. 220 Mögliche Gründe: Geschäftsführungsbefugnis entzogen (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 117 HGB); Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter aus rein steuerlichen Gründen bzw. wegen des Vetorecht des § 285 Abs. 2 S. 1 AktG. Eine entsprechende Fallgestaltung dürfte bei einer atypischen KGaA indes die absolute Ausnahme bilden. – Zur Möglichkeit, sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter von der Geschäftsführung auszuschließen, siehe oben S. 38 ff.
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Reduktion in Betracht kommen:221 mit Blick auf die bezweckte Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle bestünde kein Interessenkonflikt.222 Das „Organisationsgefälle“ zwischen Leitung und Kontrolle wäre mangels Beteiligung an der Geschäftsführung nicht tangiert.223 Überwiegend werden indes die persönlich haftenden Gesellschafter unabhängig von ihrer Befugnis zur Geschäftsführung für inhabil gehalten224, eine teleologische Reduktion von § 287 Abs. 3 AktG also abgelehnt. Um die Inhabilität der persönlich haftenden Gesellschafter zu begründen, müsste es dann aber einen weiteren Normzweck geben.225 Dies gilt erst Recht, wenn die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats auf die persönlich haftenden Gesellschafter beschränkt,226 also im Falle einer Verlagerung der Geschäftsführungskompetenz auf ein anderes Organ gar keine Kontrolle stattfinden sollte. In diesem Fall wäre bereits fraglich, ob der Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG überhaupt (auch) in der Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle liegen kann oder dies nur ein bloßer Reflex ist.227 Jedenfalls wäre die Geschäftsführungsbefugnis zur Begründung der Inhabilität allenfalls ein möglicher, nicht aber ein hinreichender Grund. Vielmehr dürften die weiteren Aufgaben des Aufsichtsrats der KGaA von Relevanz sein. 221
Hachenburg, in: Düringer/Hachenburg, HGB, § 328 Anm. 18. Mit Blick auf den zweiten Normzweck siehe aber sogleich. 223 Anders aber, wenn auch von der Geschäftsführung ausgeschlossene persönlich haftende Gesellschafter infolge des Grundsatzes der Selbstorganschaft Geschäftsführungsmaßnahmen durchsetzen oder verhindern können (so Grunewald, in MK HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 23, mit Ausnahme für persönlich haftende Gesellschafter juristischer Personen; vgl. auch oben S. 39, Fn. 113 und oben S. 40, Fn. 115); dann müssten persönlich haftende Gesellschafter immer von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen sein. Ansonsten wäre keine wirksame Kontrolle der Geschäftsführungstätigkeit möglich. 224 OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2972/02, ZIP 2004, 214, 216; LG München I, Urteil vom 5. 4. 2002 – 5 HKO 2178/01, AG 2002, 467, 469 (weitgehend aufgehoben durch OLG München a.a.O.), unter Verweis auf den Wortlaut und die Vermögensinteressen der persönlich haftenden Gesellschafter; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 16; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 4; Barz, in: GK AktG, 2. Aufl., § 229 Anm. 3; Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 9; Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 84; Kiefer, Anlegerschutz, S. 80; Koch, in Hüffer, AktG, § 287 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 10; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 179; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 28 unter Verweis auf eindeutigen Wortlaut; Ritter, AktG, § 229 Anm. 6; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 7; Schreiber, KGaA, S. 182; Weipert, in: GK AktG, 1. Aufl., § 229 Anm. 10; Wichert, in: Heidel, AktR, § 287 AktG Rn. 7. 225 Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter für Pflichtverletzungen geschäftsführungsbefugter persönlich haftender Gesellschafter nicht (mit-)haften, § 283 Nr. 8 AktG also auf nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter keine Anwendung findet. 226 So die herrschende Lehre, vgl. oben S. 45, Fn. 136. 227 Die gleiche Frage stellt sich, wenn ein persönlich haftender Gesellschafter zwar geschäftsführungsbefugt ist, auf die Geschäftsführung faktisch aber keinen Einfluss hat; dies kann beispielsweise bei einer unterschiedlichen Stimmengewichtung der Fall sein (vgl. dazu Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 145). 222
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
2. Vertretung der Kommanditaktionäre bzw. der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern Neben der Sicherung der Überwachungsfunktion geht es um die Gewährleistung einer unvoreingenommenen Vertretung der Kommanditaktionäre bzw. der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern. Letztere können von der Gesellschaft – vertreten durch den Aufsichtsrat – im Falle einer fehlerhaften Geschäftsführung in Haftung genommen werden (§§ 283 Nr. 8, 93 Abs. 2, 112 AktG) und verfolgen zudem regelmäßig, beispielsweise im Rahmen der Gewinnverwendung (§ 168 Abs. 2 HGB)228, der Kreditgewährung, der Tätigkeitsvergütung oder der Befreiung vom Wettbewerbsverbot, andere Interessen als die Kommanditaktionäre229 bzw. die Gesellschaft. Daher dürfen dem insoweit zuständigen Aufsichtsrat keine persönlich haftenden Gesellschafter angehören. Dennoch hält der Bundesgerichtshof unter Verweis auf die im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer und die in diesen entsandten Mitglieder eine „gegnerfreie“ Besetzung des Aufsichtsrats für nicht geboten.230 Dem ist zum einen entgegen zu halten, dass – anders als die persönlich haftenden Gesellschafter – insbesondere die Arbeitnehmer, aber auch die in den Aufsichtsrat entsandten Mitglieder den Kommanditaktionären nicht zwingend gegenüberstehen, also als Argument gegen eine
228 Der Aufsichtsrat prüft den Jahresabschluss (§§ 278 Abs. 3, 171 AktG), damit mittelbar auch den auf die persönlich haftenden Gesellschafter entfallenden Gewinnanteil (vgl. dazu Sethe, DB 1998, 1044, 1045) sowie den Gewinnverwendungsvorschlag der persönlich haftenden Gesellschafter und berichtet der feststellungs- bzw. beschlussbefugten Hauptversammlung (§§ 173, 174 HGB) über die Prüfung; ferner unterbreitet er der Hauptversammlung einen Beschlussvorschlag (§§ 278 Abs. 3, 124 Abs. 3 AktG); vgl. zur Gewinnverteilung Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 48; Koch, in: Hüffer, AktG, § 288 Rn. 3; Maul, in: Beck’sches Hb. AG, § 4 Rn. 192, 212. Die Mitgliedschaft persönlich haftender Gesellschafter im Aufsichtsrat würde einer unbefangenen Wahrnehmung dieser Aufgaben zuwider laufen und damit möglicherweise dazu führen, dass der Hauptversammlung entscheidungserhebliche Punkte nicht transparent gemacht werden. Vgl. auch Schlitt, Satzung, S. 168, der auf die aus der Ertragserwartung der Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft erwachsenden Interessenkollisionen hinweist, sowie Mense, GWR 2014, 320, 323, der grundsätzliche Interessenkonflikte zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern und Kommanditaktionären bei der Verwendung des Bilanzgewinns sieht. Dezidiert a.A. Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 424 f.: § 287 Abs. 3 AktG diene nicht der Abwendung finanzieller Interessenkonflikte, sondern lediglich der Wahrung eines organisatorischen Gefälles zwischen Geschäftsführung und Kontrolle. 229 Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 448; Perlitt, in: MK AktG, v§ 278 Rn. 101; Schütz/Reger, in. Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 248: „innergesellschaftliches Konfliktpotential“. Heineke, Anlegerschutz, S. 217, weist darauf hin, dass die Interessen von Geschäftsführung und Anleger an einer Thesaurierung der Gewinne regelmäßig auseinanderlaufen. Dieses Argument dürfte aber zurücktreten, wenn die Geschäftsführung – also die persönlich haftenden Gesellschafter – über eine Sacheinlage ebenfalls unmittelbar am Ergebnis der KGaA beteiligt sind. 230 BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179.
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„gegnerfreie“ Besetzung nicht herangezogen werden können231. Zum anderen hat der Bundesgerichtshof ebenfalls entschieden, dass die Gesellschaft selbst gegenüber ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschaftern vom Aufsichtsrat vertreten wird,232 um einer möglichen Solidarisierung zwischen aktuellen und ehemaligen persönlich haftenden Gesellschaftern und einer damit einher gehenden Interessenkollision vorzubeugen. Bei einer typisierenden Betrachtung dürfte eine solche Solidarisierung aber erst Recht innerhalb der Gruppe der aktuellen persönlich haftenden Gesellschafter zu befürchten sein. Folgerichtig sind auch nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter von einer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen. Der zweite Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG liegt also in der Sicherung der erforderlichen Machtbalance233 zwischen den beiden Gesellschaftergruppen sowie der objektiven Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft gegenüber den betroffenen persönlich haftenden Gesellschaftern. III. Ergebnis Normzweck Festzuhalten bleibt: § 287 Abs. 3 AktG hat einen doppelten Normzweck, nämlich die Sicherung der Überwachungs- und der Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats. Inhabilitätsbegründend ist sowohl eine abstrakte Gefährdung der Überwachungsfunktion als auch die Zugehörigkeit zur Gruppe der persönlich haftenden Gesellschafter. Dies wird durch folgende Kontrollüberlegungen bestätigt: Die Inhabilität von nicht geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschaftern ist nur mit Blick auf den zweiten Normzweck – Sicherung der Ver231 Die Arbeitnehmervertreter müssen vielmehr die Interessen der Kommanditaktionäre (Ausführung) bzw. der KGaA (Vertretung) wahrnehmen (Philbert, KGaA, S. 100; a.A. BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179). Persönliche Interessen müssen zurücktreten, etwaige Interessenkonflikte sind offenzulegen (Schüppen/Schaub, in: MAH Aktienrecht, § 23 Rn. 32; Wißmann, in: Münchener Hb. ArbR, § 282 Rn. 15 (Unternehmensinteresse vorrangig); vgl. auch Ziffer 5.5.1 f. DCGK). Martens, in: FS Barz, S. 253, 256, bezeichnet die Mitgliedschaft von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat als „abwegig“; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 259, plädiert dafür, eine Inkompatibilitätsregelung für Gewerkschaftsführer zu schaffen. 232 BGH, Urteil vom 29. 11. 2004 – II ZR 364/02, NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZG 2005, 276, 277 = ZIP 2005, 348, 349; für die Aktiengesellschaft zuletzt auch BGH, Beschluss vom 14. 5. 2013 – II ZB 1/11, NZG 2013, 792, 794 = WM 2013, 1220, 1222 = ZIP 2013, 1274, 1276. 233 Vgl. dazu Assmann/Sethe, in: FS Lutter, S. 251, 264; Kiefer, Anlegerschutz, S. 80; Schlitt, Satzung, S. 16; ähnlich auch Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 440. – Heineke, Anlegerschutz, S. 28, gibt zu Bedenken, dass die Interessen der Kommanditaktionäre nicht homogen sein müssten; nicht von der Hand zu weisen ist in der Tat, dass nicht alle Kommanditaktionäre notwendigerweise hohe Gewinnbezüge anstreben, sondern ihnen vielmehr an einer Steigerung ihres Anteilswerts durch Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der KGaA gelegen sein könnte (ähnlich OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 217). Soweit es um das Verhältnis zu den persönlich haftenden Gesellschaftern geht, dürfte aber jedenfalls im Übrigen ein zumindest tendenzieller Gleichlauf zu bejahen sein.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
tretungsfunktion – zu rechtfertigen. Einer wirksamen Kontrolle der Geschäftsführung stünde die Mitgliedschaft von nicht zur Geschäftsführung befugten persönlich haftenden Gesellschaftern im Aufsichtsrat nicht entgegen. Es käme allenfalls in Betracht, bereits den damit verbundenen „bösen Schein“ vermeiden zu wollen. Insoweit würde aber auf die Verbundenheit innerhalb einer Gesellschaftergruppe – also auf den zweiten Normzweck – rekurriert und weniger auf die Sicherung eine effektiven, also unabhängigen Kontrolle.234 Demgegenüber lässt sich die Inhabilität von (mittelbar) geschäftsführungsbefugten Kommanditaktionären nur mit dem ersten Normzweck – Sicherung der Überwachungsfunktion – begründen. Eine unvoreingenommene Vertretung der Kommanditaktionäre bzw. der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern wäre unproblematisch möglich, da auch mit Geschäftsführungsaufgaben betraute Kommanditaktionäre nicht der Gruppe der persönlich haftenden Gesellschafter angehören. Die Begründungsschwerpunkte für den doppelten Normzweck können – abhängig von den dem Aufsichtsrat zugewiesenen Aufgaben – differieren. Da aber sowohl die Überwachungsfunktion als auch weite Teile der Vertretungsfunktion nicht disponibel sind,235 ist der doppelte Normzweck von grundsätzlicher Bedeutung. Im Ergebnis ist Karsten Schmidt236 zuzustimmen: „Sinn und Zweck von § 287 Abs. 3 AktG sind mit den Händen zu greifen.“
B. Systematische Auslegung Geschäftsführungs- und Aufsichtsmandate sind nicht nur in der KGaA inkompatibel; auch in anderen Gesellschaftsrechtsformen finden sich entsprechende Regelungen.
234 Dies wird letztlich auch von der Gleichsetzung von geschäftsführungsbefugten und nicht geschäftsführungsbefugten persönlich haftenden Gesellschaftern eines Kreditinstituts bei der Vergabe von Organkrediten (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 KWG) bestätigt. Die Anwendung der besonderen Vergabevorschriften – die Vergabe eines Kredits von mindestens TEUR 50 oder in Höhe von mindestens einem Prozent des haftenden Eigenkapitals des Instituts ist grundsätzlich nur aufgrund eines einstimmigen Beschlusses sämtlicher Geschäftsleiter des Instituts, nur zur marktmäßigen Bedingungen und nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsorgans zulässig (§ 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 KWG) – auch auf nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter geht ausweislich der Regierungsbegründung (abgedruckt bei Reischauer/Kleinhans, KWG, KzA 575, S. 29) nicht auf die Gefahr einer spezifischen Interessenkollision bei der Kreditgewährung zurück, sondern schlicht auf die enge Verbindung zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern, die unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis derselben Gesellschaftergruppe angehören. 235 Abweichende Satzungsbestimmungen sind gem. § 241 Nr. 3 nichtig (Ihrig/Schlitt, ZHRBeiheft 67 (1998), 33, 43. 236 In: FS Priester, S. 691, 701.
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I. Unvereinbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsmandat in der Aktiengesellschaft Gemäß § 105 Abs. 1 AktG kann ein Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft nicht zugleich Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein. Im Vergleich zur Formulierung von § 287 Abs. 3 AktG fällt zunächst auf, dass der Gesetzgeber hier von einer bestehenden Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeht, während dort nur der umgekehrte Fall geregelt zu sein scheint. Es besteht jedoch Einvernehmen, dass § 105 Abs. 1 AktG beide Fälle erfasst.237 § 105 Abs. 1 AktG findet gemäß § 278 Abs. 3 AktG auch in der KGaA Anwendung, mit Blick auf die Spezialregelung des § 287 Abs. 3 AktG aber nur, soweit Prokuristen und zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte für inhabil erklärt werden.238 § 287 Abs. 3 AktG kommt dennoch nicht lediglich eine klarstellende Bedeutung zu; vielmehr wird durch den unmittelbaren Zusammenhang zu den beiden in § 287 Abs. 1 und Abs. 2 AktG normierten Aufgabenbereichen – Ausführung der Beschlüsse der Kommanditaktionäre und Vertretung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre in Rechtsstreitigkeiten mit den persönlich haftenden Gesellschaftern – der zweite Normzweck von § 287 Abs. 3 besonders betont, nämlich die Sicherung der Interessen der Kommanditaktionäre und letztlich der Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats. § 105 Abs. 1 AktG verstärkt die dem dualistischen System immanente Funktionstrennung von Leitung und Kontrolle, indem klargestellt wird, dass die verschiedenen Funktionen auch von verschiedenen Personen wahrgenommen werden müssen.239 Der – unmittelbare – Wechsel von einem Amt ins andere, insbesondere vom Vorstand in den Aufsichtsrat, ist demgegenüber nicht untersagt,240 wenn auch im
237
Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 9; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 30 Rn 4 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 105 Rn 2; Simons, in: Hölters, AktG, § 105 Rn. 2. Tendenziell auch BGH, Urteil vom 3. 7. 1975 – II ZR 35/73, NJW 1975, 1657, 1658. 238 Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 4. 239 Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 1; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 105 AktG Rn. 1; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 1. Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 420, bezeichnet die Regelung als „für die Verfassung der AG grundlegendes Element“. 240 Umkehrschluss aus § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG; restriktiver noch Lange, NZG 2004, 265, 268 f., dessen Begründungsansätze seit Ergänzung des Aktiengesetzes um § 100 Abs. 2 Nr. 4 durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31. 7. 2009 (BGBl. I S. 2509) überholt sind; das gleiche gilt für die Erwägungen von Spindler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 105 Rn. 2, der im Ergebnis eine analoge Anwendung aber ohnehin nicht befürwortet hat. – § 105 Abs. 2 AktG gestattet zudem die vorübergehende Übernahme von Vorstandsfunktionen durch ein Aufsichtsratsmitglied; das Aufsichtsmandat ruht allerdings währenddessen. Die Vorschrift ist nicht unproblematisch, da nach Rückkehr in den Aufsichtsrat im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang eine Kontrolle eigener Geschäftsführungshandlungen erfolgt; im Interesse einer guten Corporate Governance sollte daher nur sehr zurückhaltend und insbesondere nur im Falle einer drohenden Handlungsunfähigkeit des Vorstands von der Möglichkeit des § 105 Abs. 2 AktG Gebrauch gemacht werden.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Sinne einer guten Unternehmensführung nicht empfehlenswert.241 Ein Wechsel in den Aufsichtsrat setzt die vorherige Beendigung des Vorstandsamts voraus; anderenfalls ist die Bestellung nichtig.242 II. Unvereinbarkeit von Vorstands- und Aufsichtsmandat in Genossenschaft, SE mit dualistischer Führungsstruktur und SCE mit dualistischer Führungsstruktur Auch in der Genossenschaft sind Leitung und Überwachung funktional voneinander getrennt (§ 37 Abs. 1 S. 1 GenG). Wie in der Aktiengesellschaft soll Interessenkollisionen entgegengewirkt werden, die bei der Kontrolle eigener Geschäftsführungshandlungen entstehen könnten.243 Dasselbe gilt gem. Art. 39 Abs. 3 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-VO) für die SE mit dualistischer Führungsstruktur sowie gem. Art. 37 Abs. 3 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1435/ 2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (SCE-VO) für die SCE mit dualistischer Führungsstruktur.244 III. Ergebnis systematische Auslegung Die personelle Trennung von Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan ist keine Besonderheit der KGaA, sondern sämtlichen Rechtsformen mit dualistischer Führungsstruktur immanent. Die Sicherung der Vertretungsfunktion und damit der zweite Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG spielt dort indes lediglich eine untergeordnete Rolle, so dass insoweit nicht auf entsprechende Überlegungen zu Sinn und Zweck der jeweiligen Inhabilitätsregelung zurückgegriffen werden kann.
241
267 f.
Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 7; vgl. zu den Nachteilen Lange, NZG 2005, 265,
242 Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 19; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 105 AktG Rn. 6; Hoffmann-Becking, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 30 Rn 5; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 18. Vgl. zu den Folgen unten S. 125. 243 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 37 Rn. 1; Geibel, in: Henssler/ Strohn, GesR, § 37 GenG Rn. 1. 244 Vgl. zur SE nur Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Art. 39 SE-VO Rn. 8; Reichert/ Brandes, in: MK AktG, Art. 39 SE-VO Rn. 45. – Auch in der monistisch verfassten SE wird zwischen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Direktoren unterschieden (Art. 43 Abs. 1 SE-VO i.V.m. § 40 SEAG); dasselbe gilt für die monistisch verfasste SCE (Art. 42 Abs. 1 SCE-VO i.V.m. § 22 SCEAG). – § 105 Abs. 1 AktG wird zudem von § 35 Abs. 3 VAG für VVaG sowie von § 52 Abs. 1 GmbHG in Bezug genommen. Vgl. zum Ganzen Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 5.
§ 3 Ratio § 287 Abs. 3 AktG
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C. Gesetzgebungsgeschichte Eine dem heutigen § 287 Abs. 3 AktG vergleichbare Regelung findet sich erstmals in Art. 191 Abs. 1 S. 2 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) in der Fassung der 2. Aktienrechtsnovelle vom 18. 7. 1884: „Persönlich haftende Gesellschafter können nicht Mitglieder des Aufsichtsraths sein.“245 Die Vorschrift wurde inhaltlich unverändert in § 328 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vom 10. 5. 1897246, in § 229 Abs. 4 des Aktiengesetzes vom 30. 1. 1937247 sowie in § 287 Abs. 3 des Aktiengesetzes vom 6. 9. 1965248 überführt und ist damit seit über 125 Jahren geltendes Recht. In der ursprünglichen Fassung des ADHGB vom 31. 5. 1861 und auch in der Fassung der 1. Aktienrechtsnovelle vom 11. 6. 1870 war eine entsprechende Inhabilitätsregelung noch nicht enthalten.249 Die Einführung der Inhabilitätsregelung wurde – soweit ersichtlich – nicht besonders begründet; zum zeitgleich eingeführten Stimmverbot bei der Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats250 und damit mittelbar zur Inhabilitätsregelung wurde indes ausgeführt, dass „jeder Generalversammlungsbeschluß auf eine Vereinbarung zwischen Komplementär und der in der Generalversammlung vertretenen Gesamtheit der Kommanditisten hinzielt“ und eine Stimmrechtsausübung durch einen persönlich haftenden Gesellschafter „zu einer unzulässigen Kollision der Interessen führen würde“.251 In der Begründung einer Entwurfsfassung des Handelsgesetzbuchs heißt es, dass „die Generalversammlung (…) bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht wie bei der Aktiengesellschaft Organ der Gesellschaft als solches [ist]; denn sie dient nur dazu, den Willen des einen Theiles der Gesellschaft, nämlich der Kommanditisten, zum Ausdruck zu bringen. Der Generalversammlung stehen die persönlich haftenden Gesellschafter gegenüber. (…) Eine Ausdehnung ihres Einflusses auf die Generalversammlung ist nicht rathsam, da die letztere berufen sein
245
Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1884, Nr. 22, S. 123, 139, abgedruckt bei Schubert/ Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum HGB, Bd. I, S. 97 ff. sowie bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 387 ff. 246 Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1897, Nr. 23, S. 241, 300. 247 Reichsgesetzblatt I S. 107, 153, abgedruckt bei Klausing, Aktiengesetz 1937, S. 198. 248 Bundesgesetzblatt I S. 1089, 1156, abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 370. 249 Das ADHGB galt seit 1861 zunächst als Landesrecht in den meisten Mitgliedstaaten des Norddeutschen Bundes, seit 1870 als Bundesgesetz des Norddeutschen Bundes und seit 1871 in der Fassung der 1. Aktienrechtsnovelle als Reichsgesetz im Deutschen Reich, vgl. HoffmannBecking, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 1 Rn. 5; K. Schmidt, in: MK HGB, v§ 1 Rn. 21; Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 51, Fn. 73. 250 Vgl. dazu ausführlich unten S. 144. 251 Besondere Begründung zur Art. 190 ADHGB 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 492.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
soll, die Interessen der Kommanditisten den persönlich haftenden Gesellschaftern gegenüber zu wahren.“252 Bereits drei Jahre vor der Verabschiedung der 2. Aktienrechtsnovelle hat Renaud darauf hingewiesen, dass „nach der Natur der Functionen jenes Organs auch solche persönlich haftenden Gesellschafter, welche beim Commanditcapitale betheiligt sind, vom Aufsichtsrathe ausgeschlossen bleiben [müssen]“.253 Die Rechtslage zu Beginn der Weimarer Republik wurde von Passow wie folgt beschrieben: „[Der Aufsichtsrath] ist gedacht als der Vertreter [der Kommanditisten] gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern. Daher kann natürlich kein Komplementär gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsraths sein.“254 Dies wurde auch von Köhler betont, der den Aufsichtsrat als „reinen Vertreter des Kommanditistenverbandes gegenüber den persönlich haftenden Gesellschafter“ bezeichnete.255 Die Begründung des Stimmverbots und auch der Gesamtkontext – dem Aufsichtsrat oblag bereits die Überwachung der die Geschäfte führenden persönlich haftenden Gesellschafter, die Ausführung der Beschlüsse der Generalversammlung und die Prozessführung gegen die persönlich haftenden Gesellschafter256 – machen deutlich, dass es bereits der historische Gesetzgeber für geboten gehalten hat, persönlich haftende Gesellschafter von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen, um Interessenkonflikten vorzubeugen. Leitgedanke war insoweit die Trennung der Gesellschaftergruppen und damit tendenziell der zweite Normzweck des heutigen § 287 Abs. 3 AktG. Angesichts der Funktion des Aufsichtsrats – „dieser [sei], wie schon der Name andeutet, seinem Wesen nach eine controlirende Be252 Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd. II, Erster Hb., S. 161. 253 Renaud, Commanditgesellschaften, 1881, § 112, S. 754. 254 Passow, Aktiengesellschaft, 1922, S. 570. 255 Köhler, KGaA, 1929, S. 48. 256 Vgl. Art. 193 Abs. 1 („Der Aufsichtsrath hat die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen und zu dem Zweck sich von dem Gange der Angelegenheiten der Gesellschaft zu unterrichten. Er kann jederzeit über dieselben Berichterstattung von den persönlich haftenden Gesellschaftern verlangen und selbst oder durch einzelne vom ihm zu bestimmenden Mitglieder die Bücher und Schriften der Gesellschaft einsehen, sowie den Bestand der Gesellschaftskasse und die Bestände an Effekten, Handelspapieren und Waare untersuchen.“), Art. 186 Abs. 2 („Die Beschlüsse der Generalversammlung werden durch den Aufsichtsrath ausgeführt, wenn nicht im Gesellschaftsvertrag ein Anderes bestimmt ist.“) und Art. 194 Abs. 1 („Der Aufsichtsrath ist ermächtigt, gegen die persönlich haftenden Gesellschafter die Prozesse zu führen, welche die Generalversammlung beschließt.“) ADHGB 1884, Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1884, Nr. 22, S. 123, 137 ff., abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum HGB von 1897, Bd I, S. 97 ff. – Entsprechende Zuständigkeiten waren allerdings bereits zu einem früheren Zeitpunkt gesetzlich verankert, ohne dass die Mitgliedschaft von persönlich haftenden Gesellschaftern im Aufsichtsrat untersagt war, vgl. nur die inhaltsgleichen Art. 193 Abs. 1, 186 Abs. 2, 194 Abs. 1 ADHGB 1869, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1869, Nr. 32, S. 379, 440 ff.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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hörde“257 – dürfte aber auch die Trennung von Leitung und Kontrolle eine Rolle gespielt haben.
D. Ergebnis § 287 Abs. 3 AktG § 287 Abs. 3 AktG schließt persönlich haftende Gesellschafter von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat aus. Damit wird unter Berücksichtigung und Betonung der Besonderheiten der KGaA die allen Rechtsformen mit dualistischer Führungsstruktur immanente Trennung von Leitungs- und Kontrollebene manifestiert sowie darüber hinaus mit Blick auf die „rechtsformimmanente Spannung zwischen den Gesellschaftsorganen“258 und deren Zuständigkeiten eine Trennung der Gesellschaftergruppen herbeigeführt. Ausnahmen sind nicht zulässig.259
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft Der Anwendungsbereich einer Norm ist auf vergleichbare, aber keiner Regelung unterworfene Sachverhalte auszudehnen, wenn anderenfalls ein mit Gerechtigkeitsund Billigkeitsgesichtspunkten nicht zu vereinbarendes Regelungsdefizit zu konstatieren wäre, das sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch dem Zweck und der gesetzlichen Systematik widerspricht.260 Der Wortlaut von § 287 Abs. 3 AktG schließt lediglich persönlich haftende Gesellschafter von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat aus, ist also auf den Fall der hergebrachten, klassischen KGaA zugeschnitten. Der Umgang mit Geschäftsleitern bzw. Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft wird hingegen weder in § 287 Abs. 3 AktG noch an einer anderen Stelle des Gesetzes ausdrücklich thematisiert. Das Vorliegen einer Regelungslücke ist also zu bejahen, der Raum für eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG – vorbehaltlich der nachfolgend zu prüfenden weiteren Voraussetzungen – damit grundsätzlich eröffnet.
257
Renaud, Commanditgesellschaften, 1881, § 112, S. 757 f. Kiefer, Anlegerschutz, S. 91. 259 Auch in einer Ein-Mann-KGaA darf der Aufsichtsrat nicht mit persönlich haftenden Gesellschafter besetzt werden. Vgl. zur Geltung von § 105 Abs. 1 AktG in einer Ein-Mann-AG nur RG, Urteil vom 27. 2. 1901 – Rep. I 359/00, RGZ 48, 40, 47; Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 3; Koch, in: Hüffer, AktG, § 105 Rn. 1; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 3. 260 Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff., 381 ff.; Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 420; Otte, AG & Co. KGaA, S. 145. 258
70
2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
A. Geschäftsleiter Die erste Frage, die sich mit Blick auf den Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG stellt, ist, ob eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Mitglieder des Geschäftsführungsorgans einer Komplementär-Gesellschaft geboten ist. I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung Eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der Komplementär-Gesellschaft wird einhellig bejaht.261 Geschäftsführung und Überwachung dürften nicht in einer Hand liegen, um eine Selbstkontrolle durch Personenidentität zu vermeiden. Die Geschäfte würden aber letztlich von den Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans der KomplementärGesellschaft geführt, weshalb diese nicht gleichzeitig dem Aufsichtsrat angehören dürften. II. Untersuchung Persönlich haftende Gesellschafter sind von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen, um damit einher gehende Interessenkonflikte nicht virulent werden zu lassen. Eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft wäre geboten, wenn eine vergleichbare Konfliktlage bestünde, der es zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse mit dem gleichen Instrumentarium zu begegnen gälte.
261
OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2972/02, ZIP 2004, 214, 217; OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 28. 5. 2013 – 5 U 126/12, BeckRS 2014, 02429; Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 108; ders., in: Henssler/Strohn, GesR, § 287 AktG Rn. 2; Assmann/ Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 10, 16; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 5; Blaurock, in: Wachter, AktG, § 287 Rn. 7; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 451; Ek/Schiemzik, BB 2006, 456, 457; Fett, INF 2005, 872, 874; Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 10; Friedrich, GmbH & Co. KGaA, S. 220; Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 84; Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 84; Heineke, Anlegerschutz, S. 96; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 43 f.; Kersting, WuB II B. § 287 1.06; Kessler, NZG 2005, 145, 150; Kiefer, Anlegerschutz, S. 140 (GmbH); Koch, in: Hüffer, AktG, § 287 Rn. 4; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 160 f.; Lorz, VGR 98, 57, 65; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1330; Mertens, in: FS Ulmer, 419, 420; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 287 Rn. 4; Pühler, in: Happ, AktR, S. 192; Schaumburg, DStZ 98, 525, 528; Schlitt, Satzung, S. 168; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 7; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 287 Rn. 6; Otte, AG & Co. KGaA, S. 145; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 321 u. § 287 Rn. 28; Wichert, in: Heidel, AktR § 287 AktG Rn. 7; Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1429; tendenziell zustimmend, aber offen gelassen von BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = NJW 2006, 510, 511 = ZIP 2006, 177, 178.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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1. Ratio von § 287 Abs. 3 AktG übertragbar? § 287 Abs. 3 AktG ist auf Mitglieder des Geschäftsführungsorgans einer Komplementär-Gesellschaft entsprechend anzuwenden. Dafür sprechen beide Normzwecke. Die Geschäftsführer der Komplementär-Gesellschaft würden sich indirekt selbst kontrollieren,262 das „Organisationsgefälle“ zwischen Geschäftsführung und Kontrolle wäre nicht mehr vorhanden; als Vertreter der Kommanditaktionäre und der Gesellschaft stünden sie zudem mittelbar auf beiden Seiten. Eine effektive Kontrolle der Geschäftsführung würde nicht zuletzt daran scheitern, dass eine Inanspruchnahme der Komplementär-Gesellschaft wegen fehlerhafter Geschäftsführung auf deren Geschäftsleiter durchschlagen könnte, diese also in ihrer Rolle als Aufsichtsratsmitglieder dazu geneigt sein könnten, ihrer möglicherweise eigenen Inanspruchnahme bereits im Ansatz durch fehlende Kontrolle der Komplementär-Gesellschaft vorzubeugen.263 Dies gilt erst Recht, wenn die Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft von der KGaA unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch genommen264 bzw. von dieser abberufen werden können sollten.265 Die Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft sind auch als solche ungeeignet, die Kommanditaktionäre bzw. die KGaA gegenüber ebendieser Komplementär-Gesellschaft zu vertreten, für deren Vertretung sie bereits qua Amt verantwortlich sind. Es ist mit Blick auf den vorhandenen Interessenkonflikt zu vernach262
Sofern die Komplementär-Gesellschaft – ausnahmsweise – nicht geschäftsführungsbefugt sein sollte, greift dieser Gedanke nicht durch. 263 Dieser Gedanke würde indes in Leere gehen, falls eine Inanspruchnahme der Geschäftsleiter nicht möglich wäre, weil diese beispielsweise von den Gesellschaftern zu bestimmten Maßnahmen angewiesen worden sind. 264 In diesem Sinne mit unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 283 Rn. 19; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 283 Rn. 11; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 318, 367; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 283 Rn. 7; Schütz/ Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 155 ff., 160; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 282 Rn. 12; für die GmbH & Co. KG auch BGH, Urteil vom 12. 11. 1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321, 322 ff. = NJW 1980, 589, 590 (Publikums-KG); Urteil vom 24. 3. 1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326, 338 = NJW 1980, 1524, 1527 (Komplementär-GmbH, die nicht anderweitig wirtschaftlich tätig ist); Urteil vom 18. 6. 2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021, 1022 = WM 2013, 1648, 1650 = ZIP 2013, 1712, 1713 f. (Komplementär-GmbH, deren zumindest wesentliche Aufgabe in der Führung der Geschäfte der KG besteht); Otte, NZG 2011, 1013, 1014 (AG & Co. KG); ablehnend Grunewald, BB 1981, 581, 583 f., die einen Direktanspruch für entbehrlich hält und auf die Möglichkeit verweist, zunächst die KomplementärGmbH in Anspruch zu nehmen und dann deren Anspruch gegen den Geschäftsführer zu pfänden. 265 Dies bejahen Schaumburg, DStZ 1998, 525, 530 (wohl nur im Falle einer Komplementär-GmbH bzw. GmbH & Co. KG); K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 797 f. (im Falle einer sog. Einheits-GmbH & Co. KGaA) und auch noch Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 170; a.A. Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 172; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 121; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 372; Schnorbus, in: Liber amicorum M. Winter, S. 629, 660; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/ Riotte, KGaA, § 5 Rn. 211.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
lässigen, ob dieser – wie in der gesetzestypischen KGaA – unmittelbar oder – wie in der atypischen KGaA – lediglich mittelbar vorhanden ist. Die Regelung des § 181 BGB dokumentiert, dass beide Konstellationen gleichermaßen problematisch sind. Zudem erfasst § 287 Abs. 2 AktG nicht nur Rechtsstreitigkeiten zwischen der KGaA und ihrer Komplementär-Gesellschaft, sondern auch Rechtsstreitigkeiten zwischen der KGaA und den Geschäftsleitern der Komplementär-Gesellschaft;266 auch diese sind der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen. Insoweit wären sogar unmittelbare Interessenkollisionen denkbar, denen durch eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG entgegengewirkt werden muss.267 In Abhängigkeit von der Funktion fakultativer Gesellschaftsorgane können Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft auch diesen nicht angehören; die Mitgliedschaft in einem Beirat ist danach nicht möglich, wenn dieser mit Aufgaben betraut ist, deren (Mit-)Wahrnehmung durch Geschäftsleiter einer KomplementärGesellschaft typischerweise zu Interessenkonflikten führen würde, die im Falle einer Zuständigkeit des Aufsichtsrats also inhabilitätsbegründend wären.268 Ansonsten wäre einer missbräuchlichen Umgehung von § 287 Abs. 3 AktG Tür und Tor geöffnet.269 2. Systematische Auslegung Die analoge Anwendung einer Norm kann nicht nur im Wege der Einzelanalogie, also durch die Übertragung der für einen bestimmten Tatbestand (hier: Stellung als persönlich haftender Gesellschafter) geltenden Rechtsfolge (hier: Unvereinbarkeit mit Mitgliedschaft im Aufsichtsrat) auf einen anderen Tatbestand (hier: Stellung als Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft) begründet werden,270 sondern auch im Wege einer Gesamtanalogie, also durch Anwendung eines an verschiedenen
266 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 129 f.; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 73; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 15; Förl, KGaA, S. 10; Ihrig/Schlitt, ZHRBeiheft 67 (1998), 33, 56; Kiefer, Anlegerschutz, S. 152; Kölling, Gestaltungsspielräume. S. 174 ff.; Otte, AG & Co. KGaA, S. 141; Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 65; K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 707. Anders Dirksen/Möhrle, ZIP 1998, 1377, 1384. 267 Vgl. zu § 181 2. Alt. BGB auch unten S. 76. 268 Ähnlich auch Assmann/Sethe, in: FS Lutter, S. 251, 266; dies., in: GK AktG, § 287 Rn. 112. – Sofern die Überwachungszuständigkeit – wie hier vertreten (vgl. oben S. 37, 45) – zumindest auch beim Aufsichtsrat verbleibt, erscheint eine Mitgliedschaft in einem ebenfalls mit Überwachungsaufgaben betrauten Beirat möglich, wenn auch nicht sinnvoll. 269 Denkbar wäre zwar, die Schutzbedürftigkeit der bei der Implementierung zusätzlicher Organe eingebundenen Kommanditaktionäre zu verneinen; dagegen spricht indes, dass insbesondere Kleinanleger die Folgen der Aufgabenverlagerung für eine unabhängige Vertretung ihrer und der Gesellschaftsinteressen gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern regelmäßig nicht übersehen bzw. sich mit der Thematik nicht vertieft beschäftigen, also schutzbedürftig sind. 270 Vgl. dazu oben S. 71.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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Stellen des Gesetzes zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Fall.271 a) Vergleichbare Inkompatibilitätsregelungen in anderen Gesellschaften Die Geschäfte von Aktiengesellschaft, GmbH und Genossenschaft werden zwingend von natürlichen Personen geführt; eine spezielle, die Geschäftsleiter einer Geschäftsführungsgesellschaft erfassende Inkompatibilitätsregelung ist weder erforderlich noch vorhanden. Demgegenüber kommen beispielsweise juristische Personen als Geschäftsführer von Personengesellschaften in Betracht.272 Personengesellschaften verfügen indes nur über einen fakultativen Aufsichtsrat, dessen Aufgabenbereich und Zusammensetzung grundsätzlich im Belieben der Gesellschafter steht; explizite Regelungen dazu fehlen. Obwohl damit gerade im Vergleich zur Aktiengesellschaft erheblich liberalere Gestaltungen denkbar sind, wäre eine gleichzeitige Tätigkeit im Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan mit den Grundsätzen einer guten Unternehmensführung kaum vereinbar.273 b) Verbot der Überkreuzverflechtung (§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AktG) Gemäß § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AktG ist Geschäftsleitern einer anderen Kapitalgesellschaft die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft untersagt, wenn dem Aufsichtsrat der anderen Kapitalgesellschaft bereits ein Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft angehört. Die sog. Überkreuzverflechtung ist verboten, um damit einhergehende gegenseitige Abhängigkeiten im Interesse einer wirksamen Kontrolle zu unterbinden274. Die Rollen von Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt wären nicht klar verteilt, sondern in beiden Gesellschaften genau umgekehrt besetzt. Es liegt auf der Hand, dass ein Kontrolleur die ihm obliegende Rolle möglicherweise nicht mit der gebotenen Objektivität wahrnimmt, wenn er befürchten muss, in seiner Rolle als Kontrollobjekt dieselben kritischen Fragen vorgehalten zu bekommen, die er als Kontrolleur selbst gestellt hat. Es bestünde also ein gewisser Anreiz, die Kontrollaufgabe nicht ernsthaft auszuüben, um selbst von einer kritischen Kontrolle verschont zu bleiben. 271
Kessler, Möglichkeiten, S. 61. Ähnlich K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 265, 270. Genannt sei an dieser Stelle nur die GmbH & Co. KG. 273 Im vom Dualismus geprägten deutschen Rechtsraum wäre die Vermischung beider Rollen auch ein Systembruch. So bezeichnet Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 105 AktG Rn. 1, die strikte Funktionstrennung als „naturgemäß“. – Relativierend ist insoweit aber auf Art. 38 lit. b) SE-VO i.V.m. § 20 SEAG hinzuweisen, wonach das – insbesondere im angloamerikanischen Rechtsraum, aber auch in Frankreich und in der Schweiz verbreitete – monistische System nunmehr auch Einzug ins deutsche Gesellschaftsrecht gefunden hat; gemäß § 40 SEAG sind allerdings geschäftsführende Direktoren zu bestellen, die das operative Geschäfte führen und dem Verwaltungsrat berichtspflichtig sind. 274 Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 446; Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 30. Ähnlich auch Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 100 AktG Rn 9. 272
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Der in § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AktG enthaltene Grundsatz spricht für eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft. Zwar wäre insoweit nicht zu befürchten, dass eine laxe Wahrnehmung eigener Kontrollaufgaben dazu führt, die eigenen Kontrolleure dergestalt zu beeinflussen, dass auch diese ihre Kontrollaufgaben nicht ordnungsgemäß wahrnehmen. Der Interessenkonflikt in der atypischen KGaA wäre unmittelbarer: Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt wären teilpersonenidentisch besetzt.275 Die eigenen Kontrolleure müssten also gar nicht milde gestimmt werden, die unterschiedlichen Funktionen von Kontrolleur und Kontrolliertem wären vielmehr in einer Person zusammengeführt. Wenn aber bereits die Überkreuzverflechtung verboten ist, muss die direkte Verflechtung von Kontrollsubjekt und Kontrollobjekt erst Recht unzulässig sein. c) Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Überwachungsorgan der Mutter- und im Geschäftsleitungsorgan der abhängigen Tochtergesellschaft (§ 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AktG) Die Geschäftsleitung der Muttergesellschaft kann Einfluss auf die Geschäftsleitung ihrer Tochtergesellschaft nehmen und dieser ggf. Weisungen erteilen. Dabei wird die Geschäftsleitung der Muttergesellschaft von ihrem Aufsichtsrat kontrolliert. Die Kontrollfunktion wäre gestört, wenn der Kontrolleur in seiner Rolle als Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft gleichzeitig unter dem Einfluss der Geschäftsleitung der Muttergesellschaft stehen276 und von möglichen Defiziten oder Fehlern bei deren Einflussnahme auf die Tochtergesellschaft profitieren würde. Das „natürliche Organisationsgefälle“ wäre nicht mehr vorhanden.277 Zudem würde sich das Aufsichtsratsmitglied der Muttergesellschaft in seiner Rolle als Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft mittelbar selbst überwachen.278 In der atypischen KGaA läge ein vergleichbarer Interessenkonflikt vor, wenn ein Geschäftsleiter der zu überwachenden Komplementär-Gesellschaft gleichzeitig in die Überwachung ebendieser eingebunden wäre. Zwar fehlt es – wie auch in der soeben unter b) dargestellten Konstellation – an einem Mehrpersonenverhältnis. Die Gefahr, dass die Überwachung nicht mit der notwendigen Unbefangenheit wahrgenommen wird, ist bei einer direkten Verflechtung von Geschäftsleitungs- und Überwachungsaufgaben in einer Person aber noch größer; ihr ist daher erst Recht entgegenzuwirken. 275 Dies ist zugespitzt formuliert, denn zum einen besteht das Kontrollsubjekt Aufsichtsrat aus mehreren Mitgliedern, zum anderen ist das unmittelbare Kontrollobjekt die KomplementärGesellschaft und nicht deren Geschäftsleitung. 276 Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, § 5 Rn. 444; Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 27. 277 Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 100 Rn. 8. 278 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 7.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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d) Kein Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft im Geschäftsführungsorgan der Mutter- und im Überwachungsorgan der Tochtergesellschaft Der umgekehrte Fall – Geschäftsleitungsfunktion in der Mutter- und Aufsichtsfunktion in der Tochtergesellschaft – stößt auf keine durchgreifenden Bedenken. Die Überwachung der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft obliegt dann zwar derselben Person in zwei verschiedenen Funktionen; Überwachungssubjekt und -objekt werden aber nicht vertauscht, so dass keine Interessenkonflikte zu befürchten sind.279 Derartige Konflikte könnten indes entstehen, wenn der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft von der Geschäftsleitung der Muttergesellschaft nachteilige Weisungen erteilt werden; es ist kaum zu erwarten, dass der Weisende seine eigenen Weisungen kritisch hinterfragt. Dies obliegt allerdings dem Aufsichtsorgan der Muttergesellschaft, so dass keine Lücken in der Überwachung zu befürchten sind; darüber hinaus ist die Muttergesellschaft verpflichtet, Schäden aus nachteiligen Weisungen auszugleichen (§ 317 Abs. 1 AktG) und – bei Vorliegen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags – etwaige Verluste zu übernehmen (§ 302 Abs. 1 AktG). Die Sachlage ist mit der in der atypischen KGaA nicht vergleichbar, so dass es auch nicht angezeigt ist, dort eine entsprechend liberalere Haltung zu vertreten: die Komplementär-Gesellschaft ist das Geschäftsführungsorgan der KGaA, es bestünde also – anders als in der vorliegenden Konstellation – die Gefahr einer (mittelbaren) Selbstkontrolle. e) Unvereinbarkeit von Aufsichtsmandat und Prokura/Generalhandlungsvollmacht (§§ 278 Abs. 3, 105 Abs. 1 AktG) Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte der KGaA können gem. §§ 278 Abs. 3, 105 Abs. 1 AktG nicht dem Aufsichtsrat angehören.280 Hintergrund ist neben dem Abhängigkeitsverhältnis zu den persönlich haftenden Gesellschaftern281 ihre Einbindung in die Leitung der Gesellschaft – insbesondere im Fall einer unechten Gesamtvertretung; eine unvoreingenommene Überwachung der Leitungsentscheidungen erschiene gefährdet.282 Es wäre wenig überzeugend, wenn für Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft – dem Geschäftsführungsorgan der KGaA – etwas anderes gelten würde; vielmehr müssen diese erst Recht inhabil sein.
279 Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, § 5 Rn. 445. Kritisch Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 29 und Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 7. 280 Beachte aber die Ausnahme für Arbeitnehmervertreter gem. § 6 Abs. 2 S. 1 MitbestG. 281 Erteilung und Widerruf einer Prokura obliegt den geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschaftern (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 116 Abs. 3 HGB). 282 Für die Aktiengesellschaft Habersack, in: MK AktG, § 105 AktG Rn. 11; Simons, in: Hölters, AktG, § 105 Rn. 2.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
f) Zulässigkeit der vorübergehenden Übernahme eines Vorstandsmandats durch Mitglieder des Aufsichtsrats in Gesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur In anderen Gesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur, namentlich in Aktiengesellschaften, Genossenschaften, SE mit dualistischer Führungsstruktur und SCE mit dualistischer Führungsstruktur, dürfen Aufsichtsratsmitglieder unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend dem Vorstand angehören (§§ 105 Abs. 2 AktG, 37 Abs. 1 S. 2 GenG, Art. 39 Abs. 3 S. 2 SE-VO, Art. 37 Abs. 3 S. 2 SCEVO). Die strikte Funktionstrennung wird damit zumindest insoweit relativiert, als nach der Rückkehr in den Aufsichtsrat vorangegangene eigene Geschäftsführungshandlungen überwacht werden.283 Dies könnte dagegen sprechen, § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft zu erstrecken; wenn die Funktionstrennung in Aktiengesellschaft, Genossenschaft, SE und SCE nicht in jedem Fall durchgehalten wird, ist es auch in der KGaA schwer zu begründen, eine grundsätzlich eng auszulegende Inkompatibilitätsregelung auf weitere Personen zu erstrecken. Einer solchen Argumentation ist jedoch entgegen zu halten, dass die genannten Vorschriften nur im Ausnahmefall zur Anwendung kommen und insbesondere einer in der KGaA nicht möglichen Sachlage geschuldet sind. Der vorübergehende Wechsel eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand soll dem Aufsichtsrat die notwendige Zeit verschaffen, in Ruhe über eine Ergänzung des Vorstands zu entscheiden.284 In der KGaA ist der Aufsichtsrat nicht für die „Bestellung“ persönlich haftender Gesellschafter zuständig. Daher verbietet es sich, diese Ausnahmevorschrift als Argument gegen eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft heranzuziehen. g) Verbot der Doppelvertretung (§ 181 2. Alt. BGB) Auch der § 181 2. Alt. BGB inne wohnende Gedanke spricht für eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft.285 Danach ist es einem Vertreter vorbehaltlich einer entsprechenden Erlaubnis untersagt, im Namen des Vertretenen als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft vorzunehmen. Der Geschäftsleiter ist gesetzlicher Vertreter der Komplementär-Gesellschaft, der Aufsichtsrat vertritt die KGaA gegenüber ebendieser (§ 287 Abs. 2 , §§ 278 Abs. 3, 112 AktG).286 Falls ein Geschäftsleiter der 283
Zur Kritik vgl. oben S. 65, Fn. 240. Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 2; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 105 AktG Rn. 7; Simons, in: Hölters, AktG, § 105 Rn. 11; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 3. 285 § 181 BGB ist auf Organe anwendbar, vgl. nur BGH, Urteil vom 6. 10. 1960 – II ZR 215/ 58, NJW 1960, 2285; Schwarz, in: MK BGB, § 181 Rn. 37. 286 Zudem ist der Aufsichtsrat für die Vertretung der KGaA gegenüber den Geschäftsleitern der Komplementär-Gesellschaft zuständig (vgl. oben S. 72 sowie unten S. 77 lit. i); insoweit würde § 181 1. Alt. BGB einer Beteiligung auf beiden Seiten entgegenstehen. 284
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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Komplementär-Gesellschaft dem Aufsichtsrat der KGaA angehören würde, dürfte dieser zumindest nicht auf beiden Seiten als Vertreter involviert werden. Darüber hinaus erscheint bereits die bloße gleichzeitige Mitgliedschaft in Geschäftsleitungsund Überwachungsorgan mit dem hinter § 181 2. Alt. BGB stehenden Prinzip – Schutz des Vertretenen vor Interessenkonflikten287 – jedenfalls nicht ohne Weiteres vereinbar, da der Interessenkonflikt institutionalisiert würde. h) Kredite der KGaA an Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft Die Gewährung von Krediten der KGaA an Geschäftsleiter einer KomplementärGesellschaft ist nur unter den Voraussetzungen von § 89 Abs. 1 AktG zulässig.288 Danach bedarf es insbesondere eines entsprechenden Beschlusses des Aufsichtsrats. Eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat stünde einer unbefangenen Entscheidung entgegen. i) Sonstige Rechtsgeschäfte zwischen der KGaA und Geschäftsleitern einer Komplementär-Gesellschaft Die KGaA wird auch gegenüber den Geschäftsleitern ihrer Komplementär-Gesellschaft289 sowie zumindest gegenüber mit diesen wirtschaftlich identischen Gesellschaften290 von ihrem Aufsichtsrat vertreten. Auch dies spricht dagegen, dass die Geschäftsleiter dem Aufsichtsrat angehören können. j) Anmeldungen zum Handelsregister Beschlüsse über die Erhöhung des Grundkapitals sind von den persönlich haftenden Gesellschaftern gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§§ 283 Nr. 1, 184 Abs. 1 S. 1 AktG). Eine Komplementär-Gesellschaft wird dabei von ihren Geschäftsleitern vertreten. Diese fallen daher zumindest für den Vorsitz – und mit Blick auf den möglichen Verhinderungsfall auch für den stellvertretenden Vorsitz – des Aufsichtsrats aus; ansonsten würde dem Normzweck von § 184 Abs. 1 S. 1 AktG – Erhöhung der Verbindlichkeit der Erklärung291 – nicht gerecht.
287
Schramm, in: MK BGB, § 181 Rn. 2. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 283 Rn. 14. 289 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 15; Blaurock, in: Wachter, AktG, § 287 Rn. 6; Otte, AG & Co. KGaA, S. 141. Siehe auch oben S. 72 (§ 287 Abs. 2 AktG). 290 So für die Aktiengesellschaft Habersack, in: MK AktG, § 112 Rn. 9; Werner, Der Konzern 2008, 639, 641. 291 Peifer, in: MK AktG, § 184 Rn. 8. 288
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
k) Ergebnis systematische Auslegung Die Einordnung von § 287 Abs. 3 AktG in den Gesamtzusammenhang zeigt, dass eine analoge Anwendung auf Geschäftsleiter von Komplementär-Gesellschaften kein KGaA-rechtliches Unikum ist, sondern mit grundsätzlichen Wertungen insbesondere des Aktienrechts vereinbar ist. Die Unabhängigkeit des Aufsichtsorgans von dem Geschäftsleitungsorgan ist ein Eckpfeiler aller Gesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur. 3. Gesetzgebungsgeschichte Der historische Gesetzgeber hatte zu keinem Zeitpunkt vor Augen, dass auch Verbände und andere Rechtsgebilde persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA sein können.292 Die vorliegend zu beantwortende Frage, ob deren Geschäftsleiter als Aufsichtsratsmitglieder ausfallen, wurde folglich niemals gestellt oder auch nur ansatzweise thematisiert. Es erscheint allenfalls möglich, von den Motiven des Gesetzgebers, die sich in dem Verbot für persönlich haftende Gesellschafter niedergeschlagen haben, dem Aufsichtsrat der KGaA anzugehören, auf die mutmaßliche Regelung für Geschäftsleiter von Komplementär-Gesellschaften zu schließen. Bei der Einführung der Inhabilitätsregelung im Zuge der 2. Aktienrechtsnovelle 1884 hat sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, Interessenkonflikte zwischen den beiden Gesellschaftergruppen zu unterbinden.293 Primär ging es seinerzeit zwar darum, den persönlich haftenden Gesellschaftern kein Stimmrecht in der Generalversammlung zu gewähren; dies alleine hätte aber nicht ausgereicht, den aufgezeigten Interessenkonflikt aufzulösen, denn über die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat hätten persönlich haftende Gesellschafter insbesondere an der Vertretung der Interessen der Kommanditaktionäre mitwirken können. Daher wurde diesen auch die Aufsichtsratsmitgliedschaft untersagt. Es spricht viel dafür, dass der historische Gesetzgeber in Kenntnis der Konstellation der atypischen KGaA die Geschäftsleiter von Komplementär-Gesellschaften ebenfalls von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen hätte, da diese der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen sind. Jedenfalls geben die historischen Entwicklungen keinen Anlass, an der analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter von Komplementär-Gesellschaften zu zweifeln. III. Ergebnis § 287 Abs. 3 AktG analog (Geschäftsleiter) Die Ratio von § 287 Abs. 3 AktG wie auch die systematische Auslegung sprechen für eine Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auch auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft; die Gesetzgebungsgeschichte liefert zumindest keine Argumente dagegen. Der in Literatur und Rechtsprechung einhellig befürworteten 292 293
Vgl. dazu unten S. 82. Vgl. dazu oben S. 67 ff.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft ist daher zuzustimmen. Wer tatsächlich das operative Geschäft der KGaA steuert und der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen ist, kann nicht gleichzeitig Mitglied des Überwachungsorgans sein bzw. bei der Vertretung der Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern, geschweige denn gegenüber sich selbst, mitwirken. Da es – wie bei der Inhabilität von persönlich haftenden Gesellschaftern – insbesondere auf die tatsächliche Möglichkeit eines Interessenkonflikts ankommt, fallen auch faktische Geschäftsleiter in den Anwendungsbereich von § 287 Abs. 3 AktG.294
B. Gesellschafter Fraglich ist, ob § 287 Abs. 3 AktG auch auf Anteilseigner einer KomplementärGesellschaft anzuwenden ist. I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung Im Unterschied zur analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Mitglieder des Geschäftsführungsorgans einer Komplementär-Gesellschaft wird kontrovers diskutiert, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen die Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft unter die Regelung des § 287 Abs. 3 AktG fallen.295 Von einer ersten Ansicht wird dies abgelehnt.296 Eine Gesellschaft und ihre Mitglieder seien getrennt voneinander zu betrachten. Die Geschäftsführung obliege allein den Mitgliedern des Geschäftsführungsorgans der Gesellschaft, so dass eine Vermischung von Leitung und Kontrolle nicht schon dadurch herbeigeführt werde, dass Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft dem Aufsichtsrat angehörten. Zwar hätten die Gesellschafter einer GmbH einen mehr oder minder großen Einfluss auf die Geschäftsführer. Die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse und die satzungs294 Vgl. dazu auch Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 431. – Dies spricht im Übrigen auch dafür, geschäftsführende Kommanditaktionäre von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen; vgl. dazu oben S. 60. 295 Dabei wird – bis auf wenige Ausnahmen (Otte, AG & Co. KGaA, S. 146 ff.) – zumeist von einer GmbH (& Co. KG) ausgegangen oder nicht näher differenziert. 296 Blaurock, in: Wachter, AktG, § 287 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 287 Rn. 10 (es sei denn, die Gesellschafter agieren als faktische Geschäftsführer); Mertens, in: FS Ulmer, 419, 421 ff.; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 287 Rn. 4 sowie Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1433 ff.; grundsätzlich zustimmend auch Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 287 Rn. 4. Für Gesellschafter einer selbständigen Rechtspersönlichkeit bereits Weipert, in: GK AktG, 1. Aufl., § 229 Anm. 6; für Aktionäre einer Komplementär-AG auch Koch, in: Hüffer, AktG, § 287 Rn. 4 sowie Otte, AG & Co. KGaA, S. 146; für Kommanditisten einer Komplementär-GmbH & Co. KG, die keinen gesellschaftsvertraglichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nehmen können, auch Schlitt, Satzung, S. 169.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
mäßige Ausgestaltung einer Gesellschaft dürften aber aus Gründen der Rechtssicherheit nicht über die Anwendung oder Nichtanwendung einer Inkompatibilitätsnorm entscheiden. Zudem folge aus einer Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung – je nach Ausgestaltung der Satzung – nicht immer ein überproportionaler Einfluss auf die Geschäftsführung. Von daher bestehe auch aus Wertungsgesichtspunkten kein Anlass, vom Grundsatz der Trennung von Gesellschaft und ihren Gesellschaftern abzuweichen. Die Vertreter einer zweiten Meinung befürworten dagegen eine entsprechende Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf die Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft.297 Diesen komme infolge ihres Weisungsrechtes eine zumindest potentielle Geschäftsführungsfunktion zu. Außerdem seien sie rechtlich wie faktisch an die Interessen der Komplementär-Gesellschaft gebunden. Damit fielen sie als Mitglieder einer unparteiischen und unvoreingenommenen Kontrollinstanz aus, und zwar grundsätzlich unabhängig von ihrer konkreten Beteiligungsquote. Allenfalls für definitiv nicht-unternehmerische Bagatellbeteiligungen sei im Einzelfall eine Ausnahme denkbar.298 Zwischen diesen beiden konträren Auffassungen haben sich eine Reihe von weiteren Positionen herausgebildet. Diesen ist gemein, dass sie sämtlich auf die Höhe der Beteiligungsquote abheben. Dabei werden teilweise die Gesellschafter bereits dann für inhabil gehalten, wenn sie an der Komplementär-Gesellschaft mehr als nur unmaßgeblich beteiligt sind.299 Die Zwischenschaltung einer Gesellschaft ändere nämlich nichts daran, dass deren Gesellschafter letztlich der Gruppe der Komplementäre zuzuordnen seien. Davon könne nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn ihre Möglichkeiten und Interessen an einer Einflussnahme auf die Komplementär-Gesellschaft infolge einer bloßen Bagatellbeteiligung vernachlässigbar gering sind. Dies halten andere Stimmen in der Literatur für zu restriktiv. Sie machen eine maßgebliche Beteiligung an der Komplementär-Gesellschaft für eine entsprechende 297 Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 84 f. (GmbH); Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 44 (GmbH [& Co. KG]); Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 159 (GmbH [& Co. KG]) (demgegenüber befürwortet Kölling, a.a.O., S. 155, eine analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 AktG nur auf beherrschende Gesellschafter, erstreckt das Entsendungsverbot indes wiederum auf sämtliche Gesellschafter, S. 162 f.); Schiedermair/Kolb, in: Beck’sches Hb. AG, 1. Aufl., § 7 Rn. 201 (ohne Begründung); Schlitt, Satzung, S. 168 f. (GmbH); tendenziell auch LG München I, Urteil vom 5. 4. 2002 – 5 HKO 2178/01, AG 2002, 467, 468 f. (aufgehoben) – Bayreuther, JuS 1999, 651, 653, bezeichnet die hinter einer Komplementär-GmbH stehenden Gesellschafter plakativ als die „eigentlichen Komplementäre der KGaA“. 298 So zumindest Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 44, die dies aber letztlich dahingestellt lassen; klarer insoweit Schlitt, Satzung, S. 169. 299 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 10; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 452 (auch KG); Kiefer, Anlegerschutz, S. 142 (GmbH; Orientierung an der 10 %Grenze des § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F. = § 39 Abs. 5 InsO); Wichert, in: Heidel, AktR, § 287 AktG Rn. 7; tendenziell auch Semler/Perlitt, in: MK AktG, 2. Aufl., § 278 Rn. 332, mit der Einschränkung, eine Einzelfallbetrachtung dürfte angemessen und ausreichend sein.
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Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG zur Voraussetzung.300 Es entspräche der ratio legis der Inhabilitätsregelung, (nur) solche Gesellschafter von der Aufsichtsratsmitgliedschaft auszuschließen, die eine gesicherte Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung haben. Dabei seien nicht etwaige Sperrminoritäten entscheidend, sondern die Möglichkeit zur aktiven Einflussnahme auf die Geschäftsleitung.301 Der letztgenannten Ansicht neigt auch der Bundesgerichtshof zu, allerdings ohne sich darauf definitiv festzulegen.302 Einer Ausdehnung von § 287 Abs. 3 AktG auf sämtliche Gesellschafter stünde jedenfalls bereits entgegen, dass eine Gesellschaft und ihre Mitglieder grundsätzlich getrennt voneinander zu betrachten seien. Die Gesellschafter müssten entweder selbst eine organähnliche Leitungsfunktion inne haben oder infolge ihrer maßgeblichen Beteiligung einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftsführer ausüben können. Auch die besonderen Aufgaben des Aufsichtsrats einer KGaA – Ausführung der Beschlüsse der Kommanditaktionäre und deren Vertretung in einem Rechtsstreit mit den persönlich haftenden Gesellschaftern – würden keine absolute Inhabilität erfordern, denn es sei nicht richtig, dass die Interessen der Kommanditaktionäre und Komplementäre per se zuwider liefen. Zudem diene § 287 Abs. 3 AktG auch gar nicht der Abwendung wirtschaftlicher Interessengegensätze, sondern solle vielmehr ein „Organisationsgefälle“ zwischen Kontroll- und Leitungsorgan sicherstellen.
300 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 5 (Orientierung an § 17 AktG); Ek/ Schiemzik, BB 2006, 456, 457 (GmbH); Fett, INF 2005, 872, 874; Friedrich, GmbH & Co. KGaA, S. 222 f. (GmbH); Kessler, NZG 2005, 145, 150 (Orientierung an § 17 Abs. 1 AktG); Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 84; Pühler, in: Happ, AktR, S. 192 (GmbH); Saenger/Kessler, EWiR 2003, 1167, 1168 (Abhängigkeitstatbestand i.S.v. § 17 Abs. 1 AktG nötig); K. Schmidt, in: AktR im Wandel, Bd. 2, 26. Kap., Rn. 30 (S. 1205); ders., in: FS Priester, S. 691, 705 (GmbH; Faustregel: herrschende Gesellschafter); ders., in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 287 Rn. 9; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 287 Rn. 6. – Ähnlich Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 107; ders., in: Henssler/Strohn, GesR, § 287 AktG Rn. 2; Koch, in: Hüffer, AktG, § 287 Rn. 4 (GmbH) und Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 321 u. § 287 Rn. 29 (auch Aktiengesellschaft und persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft sowie geschäftsführende Kommanditisten), die eine „beherrschende“ Stellung verlangen sowie Kersting, WuB II B. § 287 1.06, der von einem „bestimmenden Einfluss“ spricht; ähnlich auch Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, S. 635. Förl/Fett, in: HK AktG, § 287 Rn. 10, stellen auf einen „lenkenden Einfluss“ auf die Willensbildung der Komplementär-GmbH ab, Heineke, Anlegerschutz, S. 96, auf eine „Weisungsbefugnis“, die er unter Verweis auf Kiefer, Anlegerschutz, S. 142, offenbar ab einer Beteiligungsquote von mehr als 10 % an der Komplementär-GmbH annimmt. Für Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder einer GmbH & Co. KG auch Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 49. Jedenfalls analoge Anwendung auf Alleingesellschafter einer Komplementär-GmbH OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/ 02, ZIP 2004, 214, 217. 301 Dürr, EWiR 2006, 193, 194. 302 BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 ff. = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 178 f., für den Fall einer Komplementär-GmbH.
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Unter den Stimmen, die an die Beteiligungshöhe anknüpfen, ist weiter umstritten, ob die Anteile mehrerer Gesellschafter unter bestimmten Voraussetzungen zusammen zu rechnen sind. Dies sei jedenfalls bei Kommanditisten, die über eine Kommanditgesellschaft (mittelbar) sämtliche Anteil einer Komplementär-GmbH halten, nicht zwingend geboten; lediglich ein gleichgerichtetes Gewinninteresse reiche nicht aus.303 Auch die bloße Zugehörigkeit zu einer Familie genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes nicht.304 Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Familie stets gleichgerichtete Interessen verfolge. Demgegenüber wird es vereinzelt für geboten gehalten, jedem Gesellschafter die Beteiligung anderer Gesellschafter zuzurechnen und damit unabhängig von ihrer eigenen Beteiligungshöhe von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen, wenn – wie häufig in Familienunternehmen – sämtliche Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft auch Kommanditaktionäre sind.305 Dann sei nämlich zu erwarten, dass diese im Zweifel zugunsten der Komplementär-Gesellschaft entscheiden würden. II. Untersuchung Der historische Gesetzgeber hat sich allein natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter vorgestellt.306 Im Nachgang zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. 2. 1997307 wurde zwar § 279 Abs. 2 AktG, nicht aber § 287 Abs. 3 AktG angepasst.308 Es ist daher zu prüfen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft geboten ist, ob dies also im Interesse der Norm303
OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 217. BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 200 f. = NJW 2006, 510, 512 f. = ZIP 2006, 177, 179; restriktiv auch Dürr, EWiR 2006, 193, 194 und Kersting, WuB II B. § 287 1.06. 305 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 103, 107 (explizit nur für das Stimmausübungsverbot nach § 285 Abs. 1 S. 2 AktG). 306 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 396 = NJW 1997, 1923, 1924 = ZIP 1997, 1027, 1028 („zweifellos“); Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 197 = NJW 2006, 510, 511 = ZIP 2006, 177, 178; Schlitt, Satzung, S. 16; K. Schmidt, ZHR 160 (1996), 264, 276. Heineke, Anlegerschutz, S. 10, weist zudem auf § 281 Abs. 1 AktG a.F. hin, demzufolge die Satzung der KGaA u.a. Namen, Vornamen und Beruf jedes persönlich haftenden Gesellschafters enthalten musste, Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 42 f., auf die Ergänzung von § 286 Abs. 2 S. 4 AktG („Ehegatten und minderjährige Kinder“) im Zuge der Aktienrechtsnovelle 1965. 307 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027. 308 OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 217; kritisch Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 430: der Gesetzgeber hätte § 287 Abs. 3 AktG anpassen können, hat es aber nicht. – Soweit ersichtlich, wurde eine mögliche Anpassung von § 287 Abs. 3 AktG zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht im Rahmen der Erörterungen des Handelsrechtsreformgesetzes und damit im Zusammenhang mit der Anpassung von § 279 Abs. 2 AktG, thematisiert. Vgl. dazu unten S. 128, insbesondere Fn. 518. 304
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zwecke notwendig ist.309 Anderenfalls muss eine analoge Anwendung unterbleiben.310 1. Ratio von § 287 Abs. 3 AktG übertragbar? § 287 Abs. 3 AktG gewährleistet im Interesse der kapitalanlegenden Kommanditaktionäre eine unvoreingenommene Überwachung der Geschäftsführung und sichert die Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats.311 a) Erster Normzweck Fraglich ist zunächst, ob die Mitgliedschaft von Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft einer effektiven Überwachung der Geschäftsführung und einer unabhängigen Prüfung etwaiger Ersatzansprüche entgegen stünde, es also geboten ist, die Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen. aa) Einfluss auf Geschäftsführung Die Mehrzahl der Stimmen in Literatur und Rechtsprechung, die eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG zumindest grundsätzlich für möglich halten, stellen insoweit entscheidend darauf ab, ob ein Anteilseigner Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen kann. Unterschiede bestehen lediglich in der Frage, welche Beteiligungshöhe den erforderlichen Einfluss auf die Geschäftsführung vermittelt. (1) Relevanz des Kriteriums Die Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung erscheint auf den ersten Blick ein schlüssiges Kriterium zu sein:312 die Überwachung der Geschäftsführung kann nicht demjenigen obliegen, der für ebendiese Geschäftsführung – und sei es auch nur mittelbar – verantwortlich ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Anteilseigner, die keinen Einfluss auf die Geschäftsführung haben, unbefangen agieren können und damit als Aufsichtsratsmitglieder in Betracht kommen. Vielmehr sind Anteilseigner der 309 Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 158, hält mögliche Interessenkollisionen in der atypischen KGaA für noch offenkundiger als in der klassischen KGaA. Dies dürfte zwar zu weitgehend sein, hinreichend für eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG wäre aber bereits das Vorliegen eines vergleichbaren Konflikts. 310 Otte, AG & Co. KGaA, S. 147, weist insoweit zu Recht darauf hin, dass § 287 Abs. 3 AktG als Verbotsnorm die grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit einschränkt und eine analoge Anwendung daher nur zurückhaltend erfolgen darf. Ähnlich auch OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 218. Zurückhaltend bzgl. einer analogen Anwendung BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 ff. = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 178 f. Vgl. auch Hau, Jura, 1999, 191, 192. 311 Vgl. oben S. 63 f. 312 Anders Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 422.
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Komplementär-Gesellschaft als solche der Sphäre der Komplementär-Gesellschaft zuzurechnen,313 so dass sich die Frage stellt, ob angesichts dessen eine effektive und damit unabhängige Überwachung überhaupt möglich ist. Insoweit gilt es, zwischen bloßer Kontrolle und (aktiver) Steuerung zu unterscheiden. Die Kontrollfunktion – allein auf diese kommt es vorliegend an – kann bereits gestört sein, ohne dass eine echte Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftsführung besteht. Anders als im Konzernrecht (§ 17 Abs. 1 AktG) oder im Fusionskontrollrecht (§ 37 Abs. 1 S. 2 GWB) ist der Einfluss auf die Unternehmenssteuerung gerade nicht entscheidend, denn es geht nicht um die Durchsetzung des eigenen Willens, sondern um einen Interessenkonflikt, der bereits in einem Stadium erheblich geringerer Beteiligung gegeben sein kann; daher ist es auch nicht geboten, auf entsprechend hohe Beteiligungsquoten abzustellen. Bereits bei einer mittelbaren Selbstbetroffenheit ist eine unvoreingenommene Überwachung nicht mehr möglich. Die Anteilseigner sind emotional und wirtschaftlich mit der die Geschäfte führenden Komplementär-Gesellschaft verbunden und damit potentiell befangen. Daher erscheint es problematisch, die Inkompatibilität von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft von ihrer Beteiligungshöhe und der damit verbundenen Einflussmöglichkeit auf die Geschäftsführung abhängig zu machen. Man kann von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft schlechterdings nicht erwarten, dass sie sich selbst oder ihrer Beteiligungsgesellschaft gegenüber neutral eingestellt sind und entsprechend neutral handeln.314 Vielmehr bestünde die latente Gefahr, mögliche Ersatzansprüche gegenüber der geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaft zu verschleiern oder jedenfalls nicht mit dem notwendigen Engagement zu verfolgen.315 Eine Kontrolle der Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft ist zudem auf Ebene der Komplementär-Gesellschaft möglich, ein ernsthaftes Bedürfnis, darüber hinaus an der Kontrolle der Komplementär-Gesellschaft auf Ebene der KGaA mitzuwirken, besteht nicht.
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Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 44, machen auf die mitgliedschaftliche Pflichtenbeziehung zwischen der Komplementär-GmbH und ihren Gesellschaftern aufmerksam, aus der u.a. Rücksichtnahmepflichten folgen, Schlitt, Satzung, S. 168, rekurriert auf die Ertragserwartung der Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft, die einer Kontrolltätigkeit entgegen stehe (vgl. insoweit auch oben S. 62, Fn. 228). – Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 214, 218, betont zudem zu Recht, dass auch bei der gesetzestypischen KGaA die persönliche Haftung nicht an die Geschäftsführung, sondern an die Gesellschafterstellung anknüpft (vgl. insoweit auch oben S. 32, Fn. 78). 314 Vgl. dazu Lutter, in: FS Priester, S. 417, 419 (Interessenkonflikte von Organmitgliedern). Dies verkennt Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 422, der es für mit dem Willen des Gesetzgebers und der Systematik des Gesetzes für durchaus kompatibel hält, Gesellschafter, die nicht selbst die Geschäfte führen, eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zu gestatten. 315 Das Stimmverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG ist alleine nicht ausreichend, denn Voraussetzung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen ist, dass diese transparent sind. Insoweit kommt dem Aufsichtsrat eine entscheidende Rolle zu.
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Ungeachtet dessen ist zu konstatieren, dass die Möglichkeit zur Beeinflussung der Geschäftsführung von der Rechtsform der Komplementär-Gesellschaft abhängig ist, also insoweit unterschieden werden müsste. (2) Aktive Einflussnahmemöglichkeit („maßgeblich“) Fraglich ist zunächst, wann ein „maßgeblicher“ Einfluss auf die Geschäftsführung bejaht werden kann. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft agiert unabhängig, formal besteht also keine Einflussnahmemöglichkeit des Aktionärs, unabhängig von seiner Beteiligungsquote. Demgegenüber sind die Geschäftsführer einer GmbH weisungsgebunden. Die Geschäfte einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. einer offenen Handelsgesellschaft werden grundsätzlich gemeinsam durch alle Gesellschafter geführt, die einer Kommanditgesellschaft durch die Komplementäre. Im Einzelnen: (a) Aktiengesellschaft Der Vorstand einer Aktiengesellschaft leitet diese gemäß § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung. Er ist insbesondere nicht verpflichtet, Weisungen des Mehrheitsaktionärs oder einer Aktionärsgruppe zu befolgen.316 Auch der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung können ihn grundsätzlich nicht zur Vornahme einer bestimmten Geschäftsführungsmaßnahme zwingen.317 Der Aufsichtsrat hat lediglich die Möglichkeit, sachlich begrenzte Vetorechte zu implementieren (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG). Angesichts der fehlenden Möglichkeit, auf den Vorstand Einfluss zu nehmen, könnte die Inhabilität von Aktionären – jedenfalls mit Blick auf den ersten Normzweck – grundsätzlich verneint werden.318 Dagegen könnte man anführen, dass die starke Stellung des Vorstands nur auf dem Papier steht, denn zumindest langfristig ist er auf das Vertrauen der Mehrheit der Aktionäre angewiesen.319 Diese wählen den Aufsichtsrat (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG), dem wiederum die Bestellung und Abberufung des Vorstands obliegt (§ 84 AktG). Ein nachhaltiger Dissens könnte nicht nur 316 BGH, Urteil vom 5. 5. 2008 – II ZR 108/07, NJW-RR 2008, 1134, 1135 = ZIP 2008, 1230, 1232; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 57; Koch, in: Hüffer, AktG, § 76 Rn. 25. 317 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 58; Spindler, in: MK AktG, § 76 Rn. 22, § 82 Rn. 41. – Gemäß § 119 Abs. 2 AktG kann der Vorstand aber die Hauptversammlung einbinden und ist dann grundsätzlich an deren Entscheidung gebunden. Ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung bestehen zudem bei fundamentalen Strukturentscheidungen, also insbesondere „bei schwerwiegenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre, wie z.B. der Ausgliederung eines Betriebs, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildet, auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft“ (BGH, Urteil vom 25. 2. 1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 (1. Ls.) = NJW 1982, 1703 = ZIP 1982, 568 – „Holzmüller“). 318 Otte, AG & Co. KGaA, S. 146. Wohl auch BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 178. 319 So Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 321 (Mehrheitsaktionär).
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eine erneute Bestellung gefährden, sondern sogar zu einer vorzeitigen Abberufung führen (§ 84 Abs. 3 S. 2 AktG).320 Damit könnte zumindest ein Mehrheitsaktionär, der gleichzeitig dem Aufsichtsrat angehört bzw. über ein entsprechendes Entsendungsrecht verfügt, in der Lage sein, faktischen Einfluss auf den Vorstand auszuüben.321 Darauf kommt es vorliegend aber nicht an, denn die lediglich indirekte Möglichkeit, Entscheidungen des Vorstands zu beeinflussen, reicht nicht aus;322 es bedarf – unter der hier zu prüfenden Prämisse der Relevanz des Kriteriums323 – vielmehr einer rechtlich gesicherten Position, direkten Einfluss auf die laufende Geschäftsführung nehmen zu können. Aktionäre verfügen nicht über derart „gesellschaftsrechtlich fundierte Weisungsbefugnisse“324 ; dies zeigt bereits das zweistufig ausgestaltete Abberufungsverfahren.325 (b) GmbH Mitglieder einer GmbH sind demgegenüber in der Lage, viel unmittelbarer Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen. Die Gesellschafterversammlung ist das oberste Gesellschaftsorgan und kann – vorbehaltlich abweichender Satzungsgestaltungen326 – nahezu jede Entscheidung an sich ziehen oder der Geschäftsführung Weisungen erteilen.327 Eine Beteiligung dürfte zumindest dann „maßgeblich“ sein, wenn die Gesellschaft im Sinne von § 17 Abs. 2 AktG beherrscht wird. Möglicherweise ist dies aber gar nicht erforderlich; so könnte es bereits ausreichend sein, wenn ein Gesellschafter in der Lage ist, die Mehrheitsbildung in der Gesell320 Dafür bedarf es zunächst eines entsprechenden Beschlusses der Hauptversammlung, die dem Vorstand das Vertrauen insgesamt – also nicht nur mit Blick auf eine bestimmte Geschäftsführungsmaßnahme – entziehen muss. Darüber hinaus ist eine – eigenständig zu treffende – Abberufungsentscheidung des Aufsichtsrats erforderlich. Vgl. dazu Spindler, in: MK AktG, § 84 Rn. 139. 321 Auch eine Minderheitsbeteiligung kann insbesondere bei einem zersplitterten Aktionärskreis und einer geringen regelmäßigen Hauptversammlungspräsenz faktisch wie eine Mehrheitsbeteiligung wirken (BGH, Urteil vom 13. 10. 1977 – II ZR 123/76, BGHZ 69, 334, 347 = NJW 1978, 104, 107; Koch, in: Hüffer, AktG, § 17 Rn. 9). 322 Otte, AG & Co. KGaA, S. 146 f. (Aktionäre) bzw. S. 148 f. (Aufsichtsratsmitglieder). 323 Dagegen aber oben S. 83 f. 324 BGH, Urteil vom 5. 5. 2008 – II ZR 108/07, NJW-RR 2008, 1134, 1135 = ZIP 2008, 1230, 1232. – Dies gilt ungeachtet der aktuellen Überlegungen zur Änderung von § 120 Abs. 4 AktG (vgl. Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften (VorstKoG), BT-Drs. 17/14214, S. 7, 21 ff.; die Hauptversammlung soll danach zwar künftig zwingend über das Vergütungssystem für Vorstandsmitglieder entscheiden, damit gehen indes keinerlei Weisungsrechte einher. Der Bundesrat hat den Gesetzesentwurf in das Vermittlungsverfahren verwiesen (BR-Drs. 637/13); mit Blick auf das Ende der Legislaturperiode ist das Vorhaben damit faktisch zunächst einmal gescheitert.) 325 Vgl. dazu oben Fn. 321. 326 Darauf hebt Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 423, ab; der gesetzliche Normalfall sieht aber eine starke Stellung der Gesellschafter vor. 327 Liebscher, in: MK GmbHG, § 46 Rn. 2; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rn. 89.
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schafterversammlung entscheidend zu beeinflussen, also sein Abstimmverhalten von relevanter Bedeutung ist,328 oder er über satzungsmäßige Sonderrechte im Hinblick auf die Bestellung bzw. Abberufung der Geschäftsführer verfügt. Die Formulierung entsprechender abstrakter Kriterien ist nicht möglich, es kommt immer auf den jeweiligen Einzelfall an. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit liegt auf der Hand.329 (c) Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft Personengesellschaften werden von ihren Gesellschaftern geprägt. Diese sind untereinander und mit der Gesellschaft eng verbunden. Im Einzelnen: Die Geschäfte der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) werden grundsätzlich von allen Gesellschaftern gemeinschaftlich und einvernehmlich geführt (§ 709 Abs. 1 BGB). Die Gesellschafter wirken also grundsätzlich an allen Entscheidungen mit.330 Es ist aber möglich, Mehrheitsbeschlüsse einzuführen (§ 709 Abs. 2 BGB) und/oder einzelne Gesellschafter von der Geschäftsführung auszuschließen (§ 710 S. 1 BGB). Die von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter können weder selbst Geschäftsführungsmaßnahmen vornehmen noch derartigen Maßnahmen eines geschäftsführenden Gesellschafters widersprechen.331 Auch in der offenen Handelsgesellschaft (OHG) sind grundsätzlich alle Gesellschafter geschäftsführungsbefugt (§ 114 Abs. 1 HGB); die Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf einen oder mehrere Gesellschafter ist möglich (§ 114 Abs. 2 HGB). Anders als in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die Einzelgeschäftsführung die gesetzliche Regel (§ 115 Abs. 1 HS. 1 HGB), wobei ein Widerspruchsrecht der anderen Geschäftsführer besteht (§ 115 Abs. 1 HS. 2 HGB). Außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen332 bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter (§ 116 Abs. 2 HGB). Die Geschäfte der Kommanditgesellschaft (KG) werden von den persönlich haftenden Gesellschaftern geführt. Demgegenüber sind Kommanditisten von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 164 S. 1 HS. 1 HGB); lediglich außerge-
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Vgl. dazu auch unten S. 93. Vgl. dazu näher unten S. 92. 330 Saenger, in: HK BGB, § 709 Rn. 1. 331 Saenger, in: HK BGB, § 711 Rn. 1; Schäfer, in: MK BGB, § 710 Rn. 7. 332 Außergewöhnliche Geschäfte sind solche, die insbesondere ihrer Art, ihrem Umfang oder ihrem Risiko nach für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 11. 2. 1980 – II ZR 41/79, BGHZ 76, 160, 162 f. = NJW 1980, 1463, 1464, Assmann/ Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 112; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 116 Rn. 2; Koller, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 116 Rn. 2; ausführlich Jickeli, in: MK HGB, § 116 Rn. 8 ff.). 329
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wöhnliche Geschäfte unterliegen ihrer Zustimmungspflicht (§ 164 S. 1 HS. 2 HGB).333 Im gesetzlichen Normalfall verfügt also kein Gesellschafter einer GbR oder OHG über „maßgeblichen“ Einfluss auf die Geschäftsführung. In der KG ist ein entsprechender Einfluss für den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter mit Blick auf gewöhnliche Geschäfte zu bejahen.334 (d) Relevante weitere Komplementär-Gesellschaften Der eingetragene Verein ist als ein auf Dauer angelegter, körperschaftlich organisierter Zusammenschluss von mindestens sieben Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen,335 die Grundform der juristischen Person. Das oberste Vereinsorgan ist die Mitgliederversammlung. Die Geschäfte werden zwar regelmäßig durch den Vorstand geführt, dem zudem die Vertretung des Vereins obliegt (§ 26 Abs. 1 S. 2 BGB); der Vereinsvorstand verfügt aber nicht über eine so starke Stellung wie der Vorstand der Aktiengesellschaft oder der Genossenschaft.336 Vielmehr ist er – vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsregelung – verpflichtet, Weisungen der Mitgliederversammlung nachzukommen.337 Die Mitglieder können dann – in Abhängigkeit von ihrem Stimmgewicht338 und den Mehrheitserfordernissen339 – über einen „maßgeblichen“ Einfluss auf die Geschäftsleitung verfügen; regelmäßig ist aber nicht davon auszugehen, dass ein einzelner Gesellschafter bestimmenden Einfluss auf die Beschlussfassung der Mitgliederversammlung nehmen kann. Die Geschäfte einer KGaA werden grundsätzlich von den persönlich haftenden Gesellschaftern geführt (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 164 S. 1 Hs. 1 HGB); lediglich bei außergewöhnlichen Geschäften ist eine Zustimmung der Gesamtheit der Kommanditaktionäre erforderlich (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1, 164 S. 1 HS. 2 HGB). Wie in der Kommanditgesellschaft
333 Das Widerspruchsrecht ist als Zustimmungsrecht zu verstehen, vgl. Nachweise oben S. 20, Fn. 15. 334 Bitter, Durchgriffshaftung, S. 18 f.; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, § 17 Rn. 48; Mülbert, in: MK HGB, Konzernrecht, Rn. 58. 335 Dörner, in: HK BGB, § 21 Rn. 2; Reuter, in: MK BGB, § 22 Rn. 1. 336 Reuter, in: MK BGB, § 26 Rn. 4. 337 Waldner/Wörle-Himmel, in: Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 281. Vgl. zur Stellung der Mitgliederversammlung auch Waldner/Wörle-Himmel, a.a.O., Rn. 156. 338 Mehrstimmrechte sind zulässig, arg. ex § 35 BGB (Reuter, in: MK BGB, § 32 Rn. 29; Waldner/Wörle-Himmel, in: Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 198; zurückhaltend Flume, Jur. Person, S. 208 f.). 339 Grundsätzlich entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 32 Abs. 1 S. 2 BGB); die Satzung kann aber andere Quoren vorsehen (§ 40 S. 1 BGB). Vgl. dazu auch Waldner/Wörle-Himmel, in: Sauter/Schweyer/Waldner, Verein, Rn. 207.
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verfügt damit der einzige persönlich haftende Gesellschafter über „maßgeblichen“ Einfluss auf die Führung gewöhnlicher Geschäfte.340 Die Genossenschaft wird – ebenso wie die Aktiengesellschaft – von ihrem Vorstand unter eigener Verantwortung geleitet (§ 27 Abs. 1 GenG). Er ist insbesondere keinen Weisungen der Mitglieder oder anderer Organe unterworfen.341 Die Mitglieder verfügen also über keine relevante Möglichkeit, auf die Führung der Geschäfte Einfluss zu nehmen. Zudem ist ein „maßgeblicher“ Einfluss einzelner Mitglieder infolge der Stimmrechtsbeschränkung des § 43 Abs. 3 GenG (Kopfprinzip) nur im Ausnahmefall bzw. durch die Begründung statutarischer Sonderrechte möglich. Bei der Societas Europaea (SE) – auch Europäische Aktiengesellschaft genannt – ist zu differenzieren: sie ist zwar eine Entwicklung europäischen Rechts, aber keine rein supranationale Rechtsform.342 Ihre Grundlagen sind zwar in der SE-VO kodifiziert, die konkrete Ausgestaltung wurde indes den nationalen Gesetzgebern überantwortet (Art. 9 Abs. 1 SE-VO).343 Es gibt also nicht „die“ SE, sondern diverse SE unterschiedlichster Ausprägung; überdies ist die Führungsstruktur der SE entweder dualistisch oder monistisch strukturiert ist.344 In der „deutschen“ SE mit dualistischer Führungsstruktur sind Geschäftsleitung und Überwachung funktionell getrennt; die Regelungen über Vorstand und Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft finden weitgehend entsprechende Anwendung (Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO i.V.m. §§ 76 ff. bzw. 95 ff. AktG).345 Vorliegend ist von Relevanz, dass der Vorstand damit autonom agiert und die Aktionäre über keine Möglichkeit verfügen, die Geschäftsleitung zu beeinflussen.346 Die „deutsche“ SE mit monistischer Führungsstruktur verfügt de iure nur über ein Verwaltungsorgan, den sog. Verwaltungsrat (§ 20 SEAG). Dieser leitet die Gesell340 Zurückhaltend Kessler, Möglichkeiten, S. 239 f., der die Einflussnahmemöglichkeit des persönlich haftenden Gesellschafters nicht für gesellschaftsrechtlich vermittelt, sondern für lediglich aus der Geschäftsführerstellung folgend hält. 341 Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 27 Rn. 1; Geibel, in: Henssler/ Strohn, GesR, § 27 GenG Rn. 1. 342 So aber Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 1. Anders Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1351. 343 Austmann, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 82 Rn. 1 ff.; Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 7, 9, 14 („gesetzgeberischer Flickenteppich“). 344 Die folgende Untersuchung beschränkt sich auf „deutsche“ SE. 345 Art. 39 – 41, 46 – 51 SE-VO und §§ 15 – 19 SEAG enthalten einige wenige Sonderregeln. 346 Insbesondere obliegt auch die Bestellung des Leitungsorgans – wie in der Aktiengesellschaft – dem Aufsichtsrat. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob der deutsche Gesetzgeber unter Bezugnahme auf Art. 39 Abs. 2 S. 2 SE-VO eine Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung durch eine entsprechende Satzungsbestimmung und damit eine unmittelbarere Beteiligung der Aktionäre hätte zulassen können (bejahend Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 77; verneinend Reichert/Brandes, in: MK AktG, Art. 39 SE-VO Rn. 15).
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schaft (§ 22 Abs. 1 SEAG) und bestellt einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren (§ 40 Abs. 1 S. 1 SEAG), die für das operative Tagesgeschäft zuständig sind (§ 40 Abs. 2 S. 1 SEAG). Die oberste Leitungskompetenz verbleibt aber beim Verwaltungsrat, der dementsprechend einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen an sich ziehen und den geschäftsführenden Direktoren Weisungen erteilen kann (§ 44 Abs. 2 SEAG), aber auch die geschäftsführenden Direktoren überwacht.347 Die geschäftsführenden Direktoren können, müssen aber nicht dem Verwaltungsrat angehören;348 mit der Bestellung ausschließlich externer geschäftsführender Direktoren kann der Verwaltungsrat einen verkappten Dualismus herbeiführen und damit die monistisch SE strukturell der dualistischen SE bzw. der Aktiengesellschaft annähern.349 Dies gilt aber nicht für die Stellung der geschäftsführenden Direktoren, die – ähnlich wie Geschäftsführer einer GmbH – weisungsabhängig agieren350 und vom Verwaltungsrat jederzeit abberufen werden können.351 Für die vorliegende Fragestellung ist entscheidend, ob nur der Verwaltungsrat oder auch die Hauptversammlung Weisungen erteilen kann, ob die Gesellschafter also unmittelbar352 Einfluss auf die Geschäftsleitung nehmen können. Der Wortlaut von § 44 Abs. 2 SEAG ist ganz offenbar § 82 Abs. 2 AktG nachgebildet, allerdings mit zwei inhaltlichen Unterschieden: anders als Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, die nur verpflichtet sind, „Beschränkungen einzuhalten, die im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben“, sind die geschäftsführenden Direktoren einer SE verpflichtet, „Anweisungen und Beschränkungen zu beachten, die im Rahmen der für die SE geltenden Vorschriften die Satzung, der Verwaltungsrat, die Hauptversammlung und die Geschäftsordnungen des Verwaltungsrats und der geschäftsführenden Direktoren für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben“. Beide Vorschriften nehmen also unterschiedliche, nämlich der jeweiligen Gesellschaftsform zugrunde liegenden Regelungssysteme in Bezug; zudem lässt § 44 Abs. 2 SEAG nicht nur Beschränkungen, sondern auch – einzel347 Austmann, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 85 Rn. 15 ff.; Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 86, 90. – Zu den Vor- und Nachteilen monistischer Strukturen vgl. nur Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Art. 38 SE-VO Rn. 4 f. (besserer Informationsfluss und größere Sachnähe der Kontrolleure einerseits, geringere Unabhängigkeit der Kontrolleure andererseits). 348 Die Mehrheit des Verwaltungsrats muss aus nicht geschäftsführenden Direktoren bestehen (§ 40 Abs. 1 S. 2 HS. 2 SEAG). 349 Austmann, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 85 Rn. 8. Ähnlich auch Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 96. 350 Regierungsbegründung zu § 44 SEAG (BT-Drs. 15/3405, S. 39); Austmann, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 82 Rn. 17; Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Art. 38 SE-VO Rn. 21; Timm-Wagner, SEAG, § 44 Rn. 1. 351 Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 90, 97. 352 Freilich nur über die Hauptversammlung, aber eben unter direkter Beteiligung der Gesellschafter.
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fallbezogene – Anweisungen zu. In der Aktiengesellschaft ist insoweit § 76 Abs. 1 AktG von elementarer Bedeutung, der etwaigen Beschränkungen der Geschäftsleitung grundsätzlich entgegensteht.353 Eine entsprechende Vorschrift findet sich weder in der SE-VO noch im SEAG. Dies bedeutet indes nicht, dass die Hauptversammlung den geschäftsführenden Direktoren Weisungen erteilen kann.354 Dagegen spricht vielmehr, dass der Verwaltungsrat für die Geschäftsführung letzt- und gesamtverantwortlich ist (Art. 43 Abs. 1 S. 1 SE-VO)355 und dieser auch für die Bestellung der geschäftsführenden Direktoren zuständig ist (§ 40 Abs. 1 S. 1 SEAG). Eine unmittelbare Einflussnahme durch die Hauptsammlung wäre damit kaum zu vereinbaren. (e) Zwischenergebnis Die Möglichkeit, „maßgeblichen“ Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen zu können, hängt von der Rechtsform der Komplementär-Gesellschaft ab. Soweit deren Geschäftsleiter eigenverantwortlich agieren, wie es in der Aktiengesellschaft, der SE356 und der Genossenschaft der Fall ist, ist eine rechtlich vermittelte Einflussmöglichkeit der Anteilseigner grundsätzlich zu verneinen. Soweit die Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft – wie regelmäßig in der GmbH und im Verein – weisungsabhängig sind, verfügen die Anteilseigner – in Abhängigkeit von der Höhe ihrer Beteiligung und den notwendigen Mehrheitserfordernissen – über die Möglichkeit, die Geschäftsführung „maßgeblich“ zu beeinflussen.357 Dies ist für Mitglieder einer Personengesellschaft regelmäßig zu verneinen; eine Ausnahme besteht mit Blick auf gewöhnliche Geschäfte für den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft bzw. einer KGaA. Grundsätzlich erscheint es also möglich, den „maßgeblichen“ Einfluss auf die Geschäftsführung der Komplementär-Gesellschaft herauszuarbeiten und von diesem auf die Inhabilität eines Gesellschafters zu schließen.358 Sofern die Beteiligung eines 353 Spindler, in: MK AktG, § 82 Rn. 26 ff. – Die Implementierung eines Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte ist aber ausweislich § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zulässig. 354 Auch ein Weisungsrecht gegenüber dem Verwaltungsrat besteht nicht (Reichert/Brandes, in: MK AktG, Art. 38 SE-VO Rn. 15, Art. 43 SE-VO Rn. 9). 355 Giedinghagen, in: Beck’sches Hb. AG, § 19 Rn. 90. 356 Dies gilt in der SE mit monistischer Führungsstruktur nur für den Verwaltungsrat und nicht für die von diesem abhängigen geschäftsführenden Direktoren. 357 Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 428, hält es für unbillig, einem Mehrheitsgesellschafter die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zu versagen, diese aber einem Minderheitengesellschafter zuzugestehen, auch wenn dieser – z.B. kraft Beiratsmandat – über einen tatsächlich erheblichen Einfluss verfüge. Dabei übersieht er jedoch, dass das Beiratsmandat ein anderer Anknüpfungspunkt ist. 358 Eine Analogie zu § 15a Abs. 2 WpHG („Personen mit Führungsaufgaben (…) sind persönlich haftende Gesellschafter oder Mitglieder eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten sowie sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind.“) ist nicht zielführend, da es dort um Wissen und nicht um Einfluss geht.
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Gesellschafters nicht ausreicht, die Geschäftsführung zu beeinflussen, stellt sich die Frage, ob die Einflussnahme auch durch ein koordiniertes Vorgehen mehrerer Gesellschafter erfolgen kann, ob also die Verwaltungsrechte mehrerer Gesellschafter zusammengerechnet werden können. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn mehrere Beteiligungen über einen Stimmbindungsvertrag miteinander vernetzt sind. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, ob die Interessen der beteiligten Gesellschafter tatsächlich gleichgerichtet sind.359 Solange dies der Fall ist, erscheint es möglich, eine Einflussnahmemöglichkeit durch mehrere Gesellschafter zu bejahen.360 Problematisch ist allerdings, dass es nicht möglich ist, eine vom konkreten Einzelfall losgelöste, aber dennoch hinreichend klare Regel zu formulieren, wann ein oder mehrere Gesellschafter über den erforderlichen Einfluss auf die Geschäftsführung verfügen. Der im Personengesellschaftsrecht und auch im Recht der GmbH geltende Grundsatz der Dispositivität vergrößert die Unsicherheit um ein Weiteres; letztlich müsste auf jeden Einzelfall abgestellt werden und bei jeder Veränderung relevanter Faktoren, insbesondere der erforderlichen Mehrheiten oder der Geschäftsführungsbefugnis, eine Neubewertung der Sach- und Rechtslage mit unsicherem Ausgang vorgenommen werden.361 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist aber eine eindeutige und vorhersehbare Regelung notwendig362 – auch und gerade mit Blick auf die Folgen eines fehlerhaft besetzten Aufsichtsrats.363 359
Dies ist in Familien nach Auffassung des BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 201 = NJW 2006, 510, 512 f. = ZIP 2006, 177, 179; Urteil vom 12. 3. 2013 – II ZR 179/12, NJW 2013, 1742, 1743 = WM 2013, 748, 749 = ZIP 2013, 819 f., jedenfalls nicht zwingend der Fall. 360 Im Zusammenhang mit der Anwendung des Stimmverbots des § 47 Abs. 4 GmbH hat der BGH, Urteil vom 4. 5. 2009 – II ZR 168/07, NJW-RR 2010, 48 = ZIP 2009, 2194, 2195, eine Zusammenrechnung der Anteile mehrerer Gesellschafter-Gesellschafter, die gemeinsam eine Pflichtverletzung begangen haben und damit gleichermaßen befangen sind, für geboten gehalten. 361 Die Problematik verschärft sich bei Zwischenschaltung weiterer Gesellschaften, vgl. nur der dem Urteil des BGH vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510 = ZIP 2006, 177 zugrunde liegende Sachverhalt (ausführlichere Darstellung im Urteil der Berufungsinstanz, OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214). 362 Im Ausgangspunkt ebenso Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426 f. sowie Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1434; insoweit auch (bzgl. unwesentlicher Beteiligungen) zustimmend OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 218. – Die fehlende Rechtssicherheit ist Untersuchungen zur Folge ein entscheidendes Argument dafür, dass die KGaA wenig verbreitet ist. Zwar hat sich der BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/ 03, BGHZ 165, 192 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, bereits mit der Frage beschäftigt, aber keine definitive Grenzwertfestlegung getroffen, sondern lediglich eine Absage an die absolute Inhabilität erteilt. Entgegen Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 24, der aus Gründen der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Abgrenzung von § 278 Abs. 2/3 AktG Entscheidungen des BGH nicht mehr in Frage stellen möchte, steht die vorliegende Positionierung des BGH einer kritischen Auseinandersetzung nicht entgegen, zumal keine klaren Kriterien vorgegeben wurden. Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Standpunkt „roma locuta causa finita“ ohnehin unzulässig.
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(3) Passive Einflussnahmemöglichkeit („mehr als nur unmaßgeblich“) Die Problematik stellt sich in verschärfter Form, wenn bereits ein „mehr als nur unmaßgeblicher“ Einfluss auf die Geschäftsführung ausreichen sollte.364 Zwar würde insoweit den grundsätzlichen Bedenken, die gegen das Kriterium der Einflussnahmemöglichkeit bestehen,365 zumindest ansatzweise Rechnung getragen. Wann wäre ein Gesellschafter aber in der Lage, „mehr als nur unmaßgeblichen“ Einfluss auf die Geschäftsführung nehmen zu können? Die Begründung etwaiger Grenzwerte fällt schwer. So dürfte in einer GmbH jedenfalls eine Sperrminorität von in der Regel mehr als 25 Prozent einen „mehr als nur unmaßgeblichen“ Einfluss verleihen, denn wichtige Weichenstellungen könnten blockiert werden.366 Möglicherweise könnte in Anlehnung an die 10 %-Grenze im Eigenkapitalersatzrecht (§ 39 Abs. 5 InsO) auch bereits eine Beteiligung in entsprechender Höhe ausreichend sein. Letztlich kommen sogar noch niedrigere Grenzwerte in Betracht. So kann beispielsweise ein Anteil von lediglich 2 % „mehr als nur unmaßgeblichen“ Einfluss begründen, wenn daneben zwei 49 %-Gesellschafter existieren: der 2 %-Gesellschafter wäre das Zünglein an der Waage. In einer Gesellschaft mit 50 Gesellschaftern dieser Größenordnung wäre ein „mehr als nur unmaßgeblicher“ Einfluss demgegenüber zu verneinen. Eine zu vorhersehbaren und nachhaltigen Ergebnissen führende und gleichzeitig belastbare Begründung der Inhabilität von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft auf Basis des unbestimmten Rechtsbegriffs der „mehr als nur unmaßgeblichen“ Beteiligung erscheint daher kaum möglich. (4) Beteiligungsquote und -wert variabel Dies gilt erst Recht, als eine Erhöhung bzw. Verringerung der Beteiligungsquote jederzeit möglich und für den einzelnen Gesellschafter nicht immer steuerbar ist (z.B. bei Kapitalmaßnahmen oder der Einziehung von Geschäftsanteilen). Die Veränderung könnte sich auf die ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrats auswirken. Diese und damit die Wirksamkeit von Beschlüssen367 darf aber nicht von Eventualitäten des Einzelfalls abhängig gemacht werden.368 Es ist insbesondere nicht ausreichend, wenn lediglich im Zeitpunkt der Wahl keine Inhabilität vorlag. So müsste eine nachträgliche Aufstockung der Beteiligung zu einem Ausscheiden aus 363
Vgl. dazu unten S. 125. Vgl. dazu die Nachweise oben S. 80, Fn. 299. 365 Vgl. oben S. 83 f. 366 In Personenhandelsgesellschaften bedürfen außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen der Zustimmung sämtlicher, also auch von der Geschäftsführung ausgeschlossener Gesellschafter, so dass selbst diese über einen „mehr als nur unmaßgeblichen“ Einfluss verfügen dürften. Für Kommanditaktionäre gilt dies nur dann, wenn diese in der Lage sind, beherrschenden Einfluss auf die insoweit zuständige Hauptversammlung zu nehmen. 367 Vgl. dazu unten S. 125. 368 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 101, 148 (zu § 47 Abs. 4 GmbHG). 364
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dem Aufsichtsrat führen; im umgekehrten Fall – Verringerung der Beteiligung – stünde einer Mitgliedschaft im Aufsichtsrat indes (weiterhin) entgegen, dass frühere quasi-eigene Entscheidungen nicht unbefangen überprüft werden könnten.369 Die Höhe der Beteiligung an der Komplementär-Gesellschaft ist für sich genommen aber vor allem auch nicht aussagekräftig. So kommt es weniger auf die durch die Beteiligung vermittelte Möglichkeit, auf die Geschäftsführung Einfluss nehmen zu können, als vielmehr darauf an, zu welcher der beiden Gesellschaften – KGaA bzw. Komplementär-Gesellschaft – eine größere Verbundenheit besteht. Ein erstes Indiz dürfte dabei ein Vergleich der beiden Beteiligungsquoten liefern.370 Entscheidender als die relativ höhere Quote ist aber die Werthaltigkeit der jeweiligen Beteiligung,371 die allerdings nicht statisch, sondern ebenfalls variabel ist. Die Entwicklung beider Gesellschaften kann zudem auseinander laufen, gerade wenn die Komplementär-Gesellschaft noch anderweitig wirtschaftlich tätig ist. (5) Zwischenergebnis Es verbietet sich aus grundsätzlichen, aber auch aus rechtspraktischen Gründen, die analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft vom Einfluss auf die Geschäftsführung und damit von der Beteiligungshöhe abhängig zu machen. Die Mitgliedschaft von – nicht geschäftsführungsbefugten – Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft im Aufsichtsrat der KGaA erscheint auf den ersten Blick zwar weniger problematisch zu sein als die Aufsichtsratsmitgliedschaft von Geschäftsleitern einer Komplementär-Gesellschaft, die ihr eigenes Handeln kontrollieren würden. Der Bundesgerichtshof hat aber zu Recht betont, dass § 287 Abs. 3 AktG die Wahrung eines „Organisationsgefälles zwischen dem Aufsichtsrat und dem durch ihn überwachten Gesellschaftsorgan“ bezweckt.372 Die Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft führen zwar nicht in persona deren und damit gleichzeitig mittelbar die Geschäfte der KGaA. Dennoch gehören sie dem Geschäftsleitungsorgan der KGaA an und würden an der Überwachung ihrer „eigenen“ Gesellschaft mitwirken; ein materielles „Organisationsgefälle“ wäre nicht mehr gewahrt. Daher müssen sie als Mitglieder des Kontrollorgans ausscheiden, um eine effektive Überwachung des Geschäftsleitungsorgans zu ermöglichen.
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Vgl. auch Rechtsgedanke des § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG und Ziffer 5.4.4. DCGK. Dies gilt insbesondere im Falle einer bedeutenden Beteiligung an der KGaA und einer Bagatellbeteiligung an der Komplementär-Gesellschaft. 371 Unklar Otte, AG & Co. KGaA, S. 172, der (bei § 136 Abs. 1 AktG) zunächst darauf abstellt, ob der Aktionär „prozentual stärker an der persönlich haftenden Gesellschafterin als an der KGaA beteiligt ist“, dann aber darauf hinweist, dass die „Relation [der] jeweiligen Anteile zueinander“ nicht maßgeblich sein könne. 372 BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 200 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179. 370
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Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine mögliche Inanspruchnahme der Komplementär-Gesellschaft wegen pflichtwidriger Geschäftsführung zunächst deren Anteilseigner treffen würde,373 die also – in Abhängigkeit vom Wert ihrer Beteiligungen an Komplementär-Gesellschaft und KGaA – einen stärkeren Anreiz an einer laxen Kontrolle durch den Aufsichtsrat haben könnten als die Geschäftsleiter. Diese wären – vorbehaltlich eines möglichen Direktanspruchs374 – nur mittelbar betroffen und müssten von der Komplementär-Gesellschaft in Regress genommen werden; die Durchsetzung der Ansprüche ist für die Komplementär-Gesellschaft mit einem Prozess- und einem Insolvenzrisiko verbunden. Die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat darf auch nicht von wechselnden Umständen des Einzelfalls abhängen; im Interesse der Rechtssicherheit ist zu jedem Zeitpunkt und mit hinreichender Klarheit eine ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrats zu gewährleisten, nicht zuletzt, weil ein beschlussfähiger Aufsichtsrat für eine gute Corporate Governance von erheblicher Bedeutung ist.375 Daher bedarf es einer klaren, dem Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG gerecht werdenden Regelung. Diese kann nur in einer absoluten Inhabilität liegen. Zwar wäre es mit Blick auf Praktikabilität und Rechtssicherheit ebenso möglich, die Inhabilität von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft grundsätzlich zu verneinen.376 Dies wäre aber mit deren (mehr oder weniger starken) Einfluss auf die Geschäftsführung und insbesondere mit deren Verbundenheit zur KomplementärGesellschaft nicht vereinbar und würde damit dem Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG nicht gerecht.377 Treffend ist die prägnante Formulierung von Bachmann378: „Wollte man eine Analogie gänzlich ablehnen, schüttete man das Kind mit dem Bade aus.“ Insbesondere dürfte es keinen Unterschied machen, ob mehrere natürliche Personen jeweils persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA oder mehrere in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossene natürliche Personen eine Komplementär-Gesellschaft einer KGaA bilden. Bereits die einer Bagatellbeteiligung inne wohnende Verbindung zur Komplementär-Gesellschaft kann eine unabhängige Kontrolle gefährden und damit inhabilitätsbegründend sein. Die absolute Unvereinbarkeit von Anteilsbesitz und Aufsichtsratsmandat schadet auch nicht dem Wohl der Gesellschaft, indem das Know-how sachkundiger, der Gesellschaft bereits über einen langen Zeitraum verbundener Personen, beispiels373 Der BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 200 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179, betont allerdings, dass § 287 Abs. 3 AktG nicht die „Abwendung wirtschaftlicher Interessenkonflikte“ bezwecke. 374 Vgl. dazu oben S. 71, Fn. 264. 375 Vetter/van Laak, ZIP 2008, 1806, 1807. 376 So Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426 ff. und Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1434 ff. 377 Arnold, KGaA, S. 107. 378 In: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 5.
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weise aus dem familiären Umfeld, verloren ginge.379 Die Sachkompetenz könnte in einem beratenden Beirat durchaus erhalten bleiben,380 ohne auf einen unabhängigen Aufsichtsrat verzichten zu müssen. bb) Vergleich typische/atypische KGaA Anders als in der gesetzestypischen KGaA fehlt es in der atypischen KGaA regelmäßig an der persönlichen Haftung einer natürlichen Person. Handlungssteuernd ist aber weniger die persönliche Haftung, sondern vielmehr die Haftung für schuldhaftes Verhalten.381 Die Steuerungswirkung steht und fällt mit der zu erwartenden Aufdeckung und Durchsetzung möglicher Ersatzansprüche – in der typischen wie in der atypischen KGaA. Die Sicherheit, nicht mit der Durchsetzung bestehender Ersatzansprüche rechnen zu müssen, würde den Anreiz zum Eingehen unverantwortlicher Risiken verstärken. Während in der typischen KGaA die persönlich haftenden Gesellschafter kein gesteigertes Interesse an der Durchsetzung etwaiger Ersatzansprüche haben, gilt dies in der atypischen KGaA für die Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft.382 Persönlich haftenden Gesellschaftern einer typischen KGaA ist daher die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat untersagt. Die Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft können die mit der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einher gehenden Interessenkonflikte aber ebenso wenig ausblenden. Die Interessenkollisionslage in der atypischen KGaA ist also vergleichbar; die Rechtsfolge sollte es auch sein. cc) Sonderrecht? Selbst der Bundesgerichtshof, der einer absoluten Inhabilität ablehnend gegenübersteht, hat in seiner Grundsatzentscheidung zur Anerkennung der atypischen KGaA herausgestellt, dass Kommanditaktionäre in der atypischen KGaA eines besonderen Schutzes bedürfen: „Zudem ist zu erwägen, Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre nur in engeren Grenzen zuzulassen als bei der gesetzestypischen KGaA (…).“383 Einige Stimmen in der Literatur sprechen sich daher für ein Sonderrecht für atypische KGaA aus, halten also – ähnlich wie in der GmbH & Co. KG – in bestimmten Fällen eine modifizierende Rechtsanwendung zum Schutz der Kommanditaktionäre für geboten.384 379
So aber OLG München, Urteil vom 13. 8. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 218. Ähnlich Lange, NZG 2004, 265, 268, als Argument gegen einen vermeintlich dem Interesse der Gesellschaft dienenden Wechsel aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat. 381 Vgl. dazu oben S. 40. 382 Abhängig vom wirtschaftlichen Wert ihrer Beteiligungen an Komplementär-Gesellschaft und (ggf.) KGaA. 383 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 399 = NJW 1997, 1923, 1925 = ZIP 1997, 1027, 1029. 384 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 278 AktG Rn. 6; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 30; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 60 ff.; Kessler, Möglichkeiten, 380
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Ob es tatsächlich geboten ist, ein Sonderrecht für atypische KGaA zu schaffen oder dies im Gegenteil unzulässig ist, soll vorliegend nicht näher untersucht werden.385 An dieser Stelle ist lediglich von Interesse, ob und inwieweit die Diskussion um ein mögliches Sonderrecht für die Frage der Besetzung des Aufsichtsrats der atypischen KGaA von Relevanz ist. Insoweit ist festzustellen, dass erklärtes Ziel der Befürworter eines Sonderrechts der Schutz der Kommanditaktionäre ist. Gerade in der Publikumsgesellschaft steht und fällt der Anlegerschutz aber mit einem kompetent besetzten, unabhängig von den Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter agierenden Aufsichtsrat. Die einzelnen Anleger sind regelmäßig nicht willens oder nicht in der Lage, die Geschäftsleitung mit der notwendigen Sorgfalt zu überwachen.386 Sie betrachten ihre Beteiligung als Kapitalanlage und sehen sich nicht als Mitunternehmer.387 Auch in der atypischen KGaA ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass die volle Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats erhalten bleibt. Die Gewährleistung einer unbefangenen Kontrolle der Geschäftsleitung ist für den Schutz der Kommanditaktionäre elementar;388 dem Kapitalmarktrecht kommt – in börsennotierten Gesellschaften – insoweit eine zwar wichtige, aber dennoch nur ergänzende Funktion zu.389 In § 287 Abs. 3 AktG ist der Anlegerschutz bereits gesellschaftsrechtlich verankert. Eine Schwächung des Aufsichtsrats durch Mitglieder, S. 67 ff. Dagegen Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 7 („normanwendungsbezogene Rechtsanwendung ausreichend“) und Rn. 35 („BGHZ 134, 392, 399: ,zutreffende Rechtsanwendung‘“); Heineke, Anlegerschutz, S. 241 (jedenfalls kein Sonderrecht für atypische KGaA) sowie Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 29, 190, mit dem Hinweis, dass die KGaA anders als die klassische Kommanditgesellschaft per se auf einen größeren Anlegerkreis bei gleichzeitiger Geschäftsführung durch wenige persönlich haftende Gesellschafter ausgerichtet sei. Letzteres übersieht Heineke, Anlegerschutz, S. 14 f. Instruktive Darstellung bei Heineke, Anlegerschutz, S. 4 f. und Kessler, Möglichkeiten, S. 59 ff. 385 Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 84 und Priester, ZHR 160 (1996), 250, 261, weisen indes zu Recht darauf hin, dass die Rechtsposition der Kommanditaktionäre in der KGaA grundsätzlich nicht besonders stark ausgestaltet ist (ähnlich Binz/Sorg, DB 1997, 313, 315; Sethe, Personalistische KGaA, S. 250; zurückhaltender Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/ Riotte, KGaA, § 5 Rn. 362 ff.). Bei der möglichen Schaffung eines Sonderrechts kann es daher allenfalls darum gehen, eine Schlechterstellung der Kommanditaktionäre in der atypischen KGaA zu verhindern. 386 Kiefer, Anlegerschutz, S. 108; Lenz, Publikums-KG, S. 149. 387 Ein Verzicht auf Mitsprache erscheint daher konsequent, nicht aber ein Verzicht auf eine gerade auch aus Kapitalanlegersicht gebotene institutionalisierte Kontrolle. 388 Tendenziell Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 30; Heineke, Anlegerschutz, S. 111. – Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 166, weist darauf hin, dass die Gefährdung der Anleger bei einer noch anderweitigen unternehmerischen Betätigung der Komplementär-Gesellschaft besonders hoch ist. 389 Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 355; Schlitt, Satzung, S. 31; zurückhaltender Schütz/ Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 100; a.A. Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 7; Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 82; Herfs, VGR 98, 23, 38 f. Restriktiv bzgl. eines besonderen Anlegerschutzes auch Lorz, VGR 98, 57, 73.
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die zumindest auch Interessen der Geschäftsleitungsgesellschaft wahrnehmen, hätte eine Schlechterstellung der Kommanditaktionäre der atypischen KGaA zur Folge, und zwar nicht durch ein „übertriebenes Ausnutzen“390 der atypischen Gestaltung zu Lasten der Kommanditaktionäre, sondern durch die Nichtanwendung einer vorhandenen Schutzvorschrift. Die vom Bundesgerichtshof anheim gestellte und von Teilen der Literatur offen befürwortete Schaffung eines Sonderrechts für atypische KGaA liefe leer, wenn an anderer Stelle zum Nachteil der Kommanditaktionäre vom Recht der klassischen KGaA abgewichen würde. Der erste Schritt muss daher die analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf sämtliche Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft und damit deren Ausschluss von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der KGaA sein; ein etwaiger zweiter Schritt – Implementierung weitergehender Schutzvorschriften – kann allenfalls zusätzlich, nicht aber alternativ erfolgen. Anders gewendet: wer ein Sonderrecht für atypische KGaA befürwortet, müsste erst Recht für eine absolute Inhabilität eintreten;391 ein restriktives Sonderrecht zum Schutz der Kommanditaktionäre macht nur Sinn, wenn nicht an anderer Stelle Schutzlücken aufgerissen werden. Für die Gewährleistung einer effektiven Aufsicht bedarf es also keines Sonderrechts, sondern lediglich der Gleichstellung von klassischer und atypischer KGaA. Eine „normanwendungsbezogene Rechtsanwendung“392 ist hinreichend, aber auch geboten. Die atypische KGaA ist trotz fehlender persönlicher Haftung einer natürlichen Person zulässig, eine effektive Kontrolle der Geschäftsführung dann aber umso wichtiger.393 Die konsequente Fortführung der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1997394 wäre also die Bejahung einer absoluten 390
Jäger, NJW 1999, 101, 104. Auch Göckeler, in: Beck’sches Hb. AG, § 21 Rn. 61, weist darauf hin, dass einseitige Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre möglicherweise keinen Bestand haben. 391 Dies gilt überdies für all jene, die ein Ausschluss des Zustimmungsrechts gem. § 164 S. 1 HS. 2 HGB von der Implementierung eines Zustimmungsrechts des Aufsichtsrats (oder Beirats) abhängig machen (vgl. dazu oben S. 34 f., Fn. 92). Dies erscheint nur sinnvoll, wenn der Aufsichtsrat (oder Beirat) auch unabhängig besetzt ist. 392 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 7; ähnlich Heineke, Anlegerschutz, S. 239. 393 Im Ergebnis auch Hommelhoff, ZHR Beiheft 67 (1998), 9, 16 f., der dafür plädiert, die Überwachungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats zu stärken. – Unzulässig erscheint demgegenüber der abermalige Verweis auf die unbeschränkte persönliche Haftung als vermeintlich wesentliches Element der KGaA und die darauf aufbauende Begründung eines Sonderrechts für atypische KGaA (so aber beispielsweise Kiefer, Anlegerschutz, S. 109 f.; Mertens, in: FS Barz, S. 253, 266; K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 695). Die persönliche Haftung ist kein taugliches Verhaltenskorrektiv (BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398 = NJW 1997, 1923, 1925 = ZIP 1997, 1027, 1029.), deren faktische Begrenzung kann also auch nicht für die Notwendigkeit eines Sonderrechts sprechen. Vielmehr erscheint es mit Blick auf die Entdeckung und Durchsetzung möglicher Schadensersatzansprüche (Verhaltenshaftung) auch in der atypischen KGaA geboten, einen effektiven, also unabhängigen Aufsichtsrat vorzuhalten. 394 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027.
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Inhabilität gewesen. Nur dadurch lassen sich Interessenkollisionen vermeiden, die entstehen können, wenn hinter einer Komplementär-Gesellschaft weitere Personen mit eigenen Interessen stehen. Die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats darf nicht nur nicht eingeschränkt (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 1, 23 Abs. 5 AktG), sondern zum Schutz der Kommanditaktionäre auch nicht durch die Mitgliedschaft von Personen ausgehöhlt werden, die der Sphäre der Komplementär-Gesellschaft zuzurechnen sind.395 Nicht ausreichend erscheint demgegenüber eine bloße Information potentieller Anleger über die Struktur der Gesellschaft und die damit einher gehenden Gefahren.396 Zu weitgehend wäre es, den Anlegern eine Mitspracherecht bei der Auswahl der Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft zu gewähren.397 dd) Zwischenergebnis Der erste Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG – Sicherung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats – spricht für eine absolute Inhabilität. Gerade der Umstand, dass der Aufsichtsrat in der KGaA (im Vergleich zur Aktiengesellschaft) weniger berät als kontrolliert,398 rechtfertigt eine absolute Inhabilität, denn ein Kontrolleur ist institutionell zum Misstrauen verpflichtet. Wenn man es mit der Trennung von Geschäftsleitung und Überwachung ernst nimmt, muss jeder Anschein vermieden werden, der einer unabhängigen Überwachung der Geschäftsleitung entgegenstehen könnte. Im Falle einer atypischen KGaA müssen daher auch Anteilseigner der Geschäftsleitungsgesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen sein.
395 Auch Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 313, wirft die Frage nach einem organisationsrechtlichen Schutz der Kommanditaktionäre auf. Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 393, halten den Anlegerschutz durch Schadensersatzansprüche für ausreichend sicherstellt; auch insoweit besteht indes das Bedürfnis nach einem unabhängig agierenden Aufsichtsrat. Das Erfordernis eines Gläubiger- und Anlegerschutzes betont auch BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 397 = NJW 1997, 1923, 1924 = ZIP 1997, 1027, 1029. 396 So aber Herfs, WiB 1997, 688, 690 und tendenziell auch einige Teilnehmer des Kolloquiums der Wolfgang-Schilling-Stiftung am 14. 11. 1997 über die Tragweite des Beschlusses BGHZ 134, 392 und seine Bedeutung für die Kautelarpraxis, Diskussionsbericht abgedruckt in ZHR-Beiheft 67 (1998), 85, 86. 397 Dies erwägen Drüen/van Heek, DStR 2012, 541, 543; ablehnend zu Recht Habel/ Strieder, MittBayNot 1998, 65, 69. Auch die Bejahung einer entsprechenden Treuepflicht der Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft gegenüber den Kommanditaktionären erscheint zu weitgehend und würde zudem zu einer Interessenvermischung führen (Gonella/Mikic, AG 1998, 508, 509). 398 So zumindest Emmerich/Doehner, in: FS Georgiades, S. 625, 630 f., mit dem Argument, die Unternehmensführung liege allein bei den persönlich haftenden Gesellschaftern.
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b) Zweiter Normzweck Was gebietet der zweite Normzweck? Der Aufsichtsrat soll seine Vertretungskompetenz unabhängig von den Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter wahrnehmen. aa) Sphäre („Machtbalance“) An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass auch nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter inhabil sind399 und der Aufsichtsrat die Gesellschaft auch gegenüber ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafter vertritt400, weil in beiden Fällen Solidarisierungseffekte zu befürchten sind. Dies gilt aber – unabhängig von ihrer Beteiligungshöhe – auch für Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft, denn diese sind der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen.401 Sie schulden ihrer Gesellschaft zudem Rücksichtnahme, und zwar grundsätzlich unabhängig von ihrer Beteiligungshöhe.402 Die Vertretung der Interessen der anderen Gesellschaftergruppe403 – der Nur-Kommanditaktionäre – wäre daher nicht, eine Vertretung der Interessen der Gesellschaft kaum möglich.404 (Mittelbare) Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft können trotz 399
Siehe oben S. 63. Siehe oben S. 52. 401 Dies gesteht tendenziell auch das OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/ 02, ZIP 2004, 214, 218 (linke Spalte oben) ein, stellt dann aber doch nur auf rechtliche Einflussnahmemöglichkeit (= Normzweck 1) ab (linke Spalte unten). Im Ergebnis ebenso Otte, AG & Co. KGaA, S. 147, der nur auf den ersten Normzweck rekurriert und daher in der Komplementär-AG die Inhabilität der den Vorstand allenfalls faktisch beeinflussenden Aktionäre verneint. Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 452, sieht zwar den zweiten Normzweck, lässt aber dennoch für „Bagatellbeteiligungen“ eine Ausnahme zu; von einer solchen sei auszugehen, wenn weder auf die Willensbildung der Komplementär-Gesellschaft Einfluss genommen werden könne noch ein ernstzunehmendes Interesse an einer solchen Einflussnahme bestehe. Mit dem letzten Kriterium knüpft Bürgers wohl an das (relative) Maß der Verbundenheit zur Komplementär-Gesellschaft an, übersieht aber, dass dies mit Blick auf den zweiten Normzweck zumindest insoweit irrelevant ist, als es um die Trennung der Gesellschaftergruppen im Interesse einer unbefangenen Vertretung der Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern geht. 402 Dies gilt im Grundsatz für sämtliche Gesellschaftsrechtsformen, allerdings umso mehr, je enger die Verbindung zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ist. Vgl. nur BGH, Urteil vom 1. 4. 1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 163 = NJW 1953, 780, 781 (GmbH); Merkt, in: MK GmbHG, § 13 Rn. 104; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 109 Rn. 23; Ulmer/Schäfer, in: MK BGB, § 705 Rn. 221 ff.; a.A. Flume, Jur. Person, S. 268 ff. 403 Der Aufsichtsrat nimmt im Rahmen seiner Ausführungs- und Vertretungskompetenz (§ 287 Abs. 1/2 AktG) die Interessen der Kommanditaktionäre wahr, vgl. oben S. 47/49. 404 Anders BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179: Ein ständiger Interessenkonflikt zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern und Kommanditaktionären sei – trotz § 287 Abs. 2 AktG – nicht anzunehmen. Der Aufsichtsrat müsse daher nicht mit Interessenvertretern der Kommanditaktionäre oder zumindest „gegnerfrei“ besetzt sein; dies zeige die Zulässigkeit von Entsendungsrechten und die Mitgliedschaft von Arbeitnehmervertretern. Dem ist zum einen entgegen zu halten, dass 400
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etwaig vorhandener Mediatisierungseffekte nicht als unbeteiligte Dritte qualifiziert werden, da bereits die Teilnahme an Beschlussfassungen der Komplementär-Gesellschaft durch Antragsstellung, Beratung und Abstimmung zur Befangenheit führen kann.405 Das Oberlandesgericht München formuliert noch weitgehender: „Selbst die Untätigkeit könnte in Sonderfällen im Hinblick auf denkbare Vorwürfe, trotz erkennbaren Risikos einer Beschlussfassung nicht entgegengewirkt zu haben, zu einer nicht vollständig neutralen Haltung der Aufsichtsräte führen.“406 Zwar ist dem Bundesgerichtshof zuzustimmen, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder ihre möglichen Partikularinteressen nicht gegen die Aufsichtsratsmehrheit durchsetzen können; diese Argumentation wäre aber gegen § 287 Abs. 3 AktG insgesamt gerichtet und läuft insofern leer, als bereits einer potentiellen Einflussnahme – beispielsweise durch Verfahrens- und Sachanträge, Verzögerung der Beschlussfassungen, Störung der vertraulichen Beratungen – entgegengewirkt werden muss. Zudem ist – insbesondere bei einem kleinen Aufsichtsrat – nicht auszuschließen, dass die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder gleichgerichtete Partikularinteressen verfolgt und diese damit dominieren. bb) Arbeitnehmervertreter Demgegenüber ist die Mitgliedschaft von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat insoweit unproblematisch.407 Diese sind nicht der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen und unterliegende daher keinem institutionalisiertem Interessengegensatz. Anders als die Anteilseigner einer KomplementärGesellschaft sind die Arbeitnehmervertreter dieser gegenüber auch nicht zur Treue verpflichtet, können also objektiv agieren.408 Dies kann von Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft schlechterdings nicht verlangt werden. § 287 Abs. 2 AktG die Vertretungszuständigkeit bei einen Rechtsstreit zwischen den Gesellschaftergruppen behandelt; ein Rechtsstreit geht indes zwingend mit einem Interessenkonflikt einher. Auch mit Blick auf die Gewinnverteilung sind Konflikte jedenfalls nicht auszuschließen (vgl. dazu oben S. 62). Schließlich dokumentiert die Regelung des § 285 Abs. 2 AktG, dass die Interessen beider Gesellschaftergruppen nicht deckungsgleich sind. Zum anderen spricht zumindest die Mitgliedschaft von Arbeitnehmervertretern nicht gegen eine „gegnerfreie“ Besetzung, denn Arbeitnehmervertreter sind nicht den persönlich haftenden Gesellschaftern zuzurechnen (vgl. dazu sogleich lit. bb)); bei entsandten Mitgliedern kommt es auf den Einzelfall an. – Grundsätzlich zum Risiko, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder ihre eigenen Interessen über die der Anlegerinteressen stellen, Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 54. 405 Diese Frage wirft LG München I, Urteil vom 5. 4. 2002 – 5 HKO 2178/01, AG 2002, 468, 469 auf. 406 OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 218, dort im Ergebnis Bedenken aber nicht durchgreifend. 407 Anders BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 199 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 179; Philbert, KGaA, S. 99. 408 Zu den Vor- und Nachteilen der Unternehmensmitbestimmung vgl. Stettes, Arbeitnehmermitbestimmung, S. 11 f. (Verbesserung der Qualität der Entscheidungen, insbesondere bei der Drittelbeteiligung; Verlängerung der Entscheidungsfindung, insbesondere bei einer
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
cc) Vertretungszuständigkeiten des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat vertritt die KGaA gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern und gegenüber deren Anteilseignern409. Neben Vertragsschlüssen obliegt ihm unter anderem die Gewährung von Krediten und die Befreiung vom Wettbewerbsverbot. Eine Mitgliedschaft von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft könnte insoweit problematisch sein. Im Einzelnen: Die KGaA wird grundsätzlich von den persönlich haftenden Gesellschaftern vertreten. Dies hätte in den oben genannten Fällen zu Folge, dass die persönlich haftenden Gesellschafter auf beiden Seiten eines Rechtsgeschäfts tätig würden bzw. für die KGaA eine zu ihrem eigenen Vorteil gereichende Willenserklärung abgeben würden; bei mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern stellt sich die Problematik in zwar entschärfter, aber dennoch vorhandener Form, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Näheverhältnis zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern zu Solidarisierungseffekten führt. Zur Vermeidung damit einhergehender Interessenkollisionen wird die KGaA von ihrem Aufsichtsrat vertreten.410 Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem persönlich haftenden Gesellschafter um keine natürliche Person, sondern um eine Komplementär-Gesellschaft handelt, die durch ihre Geschäftsleiter vertreten wird. Soweit es um Rechtsgeschäfte zwischen der KGaA und der Komplementär-Gesellschaft geht, versteht sich dies von selbst, denn die Sachlage unterscheidet sich insoweit nicht von der in der klassischen KGaA. Die Vertretungskompetenz liegt aber auch dann beim Aufsichtsrat, wenn Rechtsgeschäfte zwischen der KGaA und den Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft im Raum stehen bzw. erstere für die Anteilseigner vorteilhafte Erklärungen abgibt. Zwar wäre in diesen Fällen nicht dieselbe Person auf beiden Seiten tätig, denn die KGaA würde durch die Komplementär-Gesellschaft und diese durch ihre Geschäftsleiter vertreten, während auf der anderen Seite die Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft stünden. Die Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft sind aber der Sphäre der Komplementär-Gesellschaft zuzurechnen. Ebenso paritätischen Mitbestimmung; Abschreckung von potentiellen Eigenkapitalgebern) sowie oben S. 63, Fn. 231. 409 Heineke, Anlegerschutz, S. 106 f., der allerdings – wenig stringent – die Inhabilität von Gesellschaftern einer Komplementär-GmbH nur bejaht, wenn diese weisungsbefugt sind (vgl. S. 81, Fn. 300). Für Alleingesellschafter und Gesellschafter mit beherrschendem Einfluss auch Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 130; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 287 Rn. 15 u. 26; Förl, KGaA, S. 11; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, S. 56 (die aber alle Anteilseigner für inhabil halten, vgl. S. 80, Fn. 297); Kiefer, Anlegerschutz, S. 151 (der Anteilseigner aber bereist ab einer Beteiligungsquote von 10 % für inhabil hält, vgl. S. 80, Fn. 299); Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 177 (der allerdings alle Anteilseigner für inhabil hält, vgl. S. 80, Fn. 297); Perlitt, in: MK AktG, § 287 Rn. 65. Ähnlich Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 73 (nicht unwesentlich beteiligte Gesellschafter oder solche mit beherrschendem Einfluss). Anders Otte, AG & Co. KGaA, S. 142, für Gesellschafter einer Komplementär-AG, da selbst ein Mehrheitsaktionär lediglich einen faktischen Einfluss auf die Willensbildung habe. 410 Habersack, in: MK AktG, § 112 Rn. 1, 6; Rupietta, NZG 2007, 801 (Aktiengesellschaft).
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wie bei der Vertretung der KGaA gegenüber ehemaligen persönlich haftenden Gesellschaftern411 oder gegenüber Familienangehörigen von persönlich haftenden Gesellschaftern in Versorgungsfragen412 ist nicht auszuschließen, dass sich die Geschäftsleiter gegenüber ihren Gesellschaftern solidarisch verhalten und damit die Interessen der KGaA nicht ordnungsgemäß wahrnehmen.413 Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Geschäftsleiter von ihrem Verhalten einen wirtschaftlichen Vorteil versprechen, sei es mit Blick auf die Verlängerung ihres Anstellungsvertrags, sei es mit Blick auf die Bemessung ihrer (variablen) Vergütung. Rechtsform und Satzungsgestaltung der Komplementär-Gesellschaft sowie Beteiligungsquote und Organmitgliedschaften des Gesellschafters dürften insoweit von besonderer Bedeutung sein. Der Aufsichtsrat kann die Interessen der KGaA nur dann unbefangen wahrnehmen, wenn seine Mitglieder nicht ihrerseits einem Interessenkonflikt unterliegen. Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft fallen daher als Aufsichtsratsmitglieder aus, um die Aufgabenzuweisung an den Aufsichtsrat nicht zu untergraben. Bei Geschäften zwischen KGaA und Komplementär-Gesellschaft liegen mögliche Interessenkonflikte der Anteilseigner auf der Hand: in Abhängigkeit vom wirtschaftlichen Wert ihrer Beteiligungen unterliegen sie denselben Konflikten wie unmittelbare persönlich haftende Gesellschafter. Die Interessenkollision ist umso größer, je stärker die Anteilseigner mit der Komplementär-Gesellschaft verbunden sind; eine nur geringe oder fehlende Beteiligung an der KGaA selbst wirkt insoweit regelmäßig verschärfend.414 Auch bei Geschäften zwischen der KGaA und Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft ist der besagte Interessenkonflikt zu bejahen: im Falle einer Selbstbetroffenheit ist die Sachlage mit dem Ausgangsfall in der klassischen KGaA vergleichbar, im Falle einer Betroffenheit anderer Anteils411 BGH, Urteil vom 29. 11. 2004 – II ZR 364/02, S. 8 = NJW-RR 2005, 682 (Ls.) = NZG 2005, 276, 277 = ZIP 2005, 348, 349. Zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft vgl. Habersack, in: MK AktG, § 112 Rn. 12; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 10. 412 Zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft vgl. Habersack, in: MK AktG, § 112 Rn. 16; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 17. 413 Solidarisierungseffekte sind zwar – anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einer Aktiengesellschaft gegenüber ehemaligen Vorstandsmitgliedern (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. 2. 1989 – II ZR 209/88, NJW 1989, 2055, 2056 = ZIP 1989, 497, 498) – weniger zu befürchten, um kritische Blicke auf die eigene Amtsführung zu unterbinden; typischerweise dürfte aber dennoch eine persönliche Verbundenheit zu den Gesellschaftern zu bejahen sein, wobei das Maß der Verbundenheit von der Gesellschaftsform und den Anteilsverhältnissen abhängen dürfte. – Eine Vertretung der Gesellschaft gegenüber Dritten, die sich ihrerseits durch einen persönlich haftenden Gesellschafter vertreten lassen, erfolgt unter Beachtung von § 181 2. Alt. BGB durch die persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft nur Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 112 Rn. 4; Habersack, in: MK AktG, § 112 Rn. 8); das ist konsequent, denn die Vertretungsfolgen treffen – vorbehaltlich einer wirtschaftlichen Verbundenheit des Dritten mit dem persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. dazu unten S. 109) – niemanden, der dem Lager der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen ist. 414 Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 171.
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eigner sind – wie bei der Betroffenheit anderer bzw. ausgeschiedener Vorstandsmitglieder – Solidarisierungseffekte nicht auszuschließen. Damit einhergehende Interessenkonflikte will § 287 Abs. 3 AktG gerade vermeiden. Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft scheiden daher ebenso wie unmittelbar beteiligte persönlich haftende Gesellschafter als Aufsichtsratsmitglieder der KGaA aus. Die Mitgliedschaft von Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft im Aufsichtsrat wäre auch mit weiteren Kompetenzen des Aufsichtsrats nicht vereinbar: So obliegt dem Aufsichtsrat die Befreiung eines persönlich haftenden Gesellschafters vom Wettbewerbsverbot (§ 284 Abs. 1 S. 1 AktG)415 sowie die Beschlussfassung über die Kreditvergabe an persönlich haftende Gesellschafter (§§ 283 Nr. 5, 89 Abs. 1 S. 1 AktG). Dadurch soll der latenten Gefahr entgegengewirkt werden, dass die persönlich haftenden Gesellschafter die Interessen der KGaA nicht ordnungsgemäß wahrnehmen, sondern sich von persönlichen Interessen leiten lassen und vorhandene Ressourcen zum eigenen Vorteil nutzen.416 Die Zuständigkeit für die Befreiung vom Wettbewerbsverbot und die Vergabe von Krediten hat der Gesetzgeber daher dem Aufsichtsrat zugewiesen. Diese Entscheidung würde konterkariert, wenn die Meinungsbildung im Aufsichtsrat von Personen beeinflusst würde, die – wie die ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter – möglicherweise ein Sonderinteresse verfolgen. Dabei geht es regelmäßig gar nicht darum, der KGaA einen existenzbedrohenden Schaden zuzufügen; eine laufende, wenn auch im Einzelfall kaum spürbare Übervorteilung der KGaA gefährdet deren Entwicklung aber ebenfalls und muss daher unterbunden werden. Überdies trifft das Wettbewerbsverbot auch die Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft,417 so dass diese von einer Befreiung unmittelbar profitieren würden; gleiches gilt für die Regelungen über Organkredite.418 Der Aufsichtsrat vertritt die KGaA zudem bei Anfechtungsklagen der persönlich haftenden Gesellschafter (§§ 283 Nr. 13, 246 Abs. 2 S. 3 AktG); Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft wären damit auf beiden Seiten des Rechtsstreits mittelbar beteiligt, wenn sie dem Aufsichtsrat angehören würden. Auch die dem Aufsichtsrat bei der Gründungsprüfung zufallende Rolle (§§ 278 Abs. 3, 33 Abs. 1 AktG) spricht dafür, dass Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft nicht gleichzeitig dem Aufsichtsrat angehören können, obgleich die Auswirkungen dieser Konfliktlage mit Blick auf die Beteiligung externer Prüfer weniger problematisch 415
Vgl. zum Wettbewerbsverbot unten S. 110. Im Falle von mehreren persönlich haftenden Gesellschaftern müssen auch die übrigen persönlich haftenden Gesellschafter ihre Zustimmung zur Befreiung vom Wettbewerbsverbot erteilen. 416 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 48, sehen in der Aufgabenzuweisung an den Aufsichtsrat ein Element der Missbrauchskontrolle. 417 Vgl. dazu unten S. 111. 418 Heineke, Anlegerschutz, S. 110 (demgegenüber wendet Heineke das Wettbewerbsverbot nur auf beherrschende Gesellschafter an); für mehr als nur unmaßgeblich beteiligte Gesellschafter auch Perlitt, in: MK AktG § 278 Rn. 331.
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erscheinen. Dennoch sollte der Aufsichtsrat auch diese Funktion objektiv wahrnehmen können. Schließlich obliegt es dem Aufsichtsrat, Beschlüsse der Kommanditaktionäre betreffend den Ausschluss der persönlich haftenden Gesellschafter aus der KGaA (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 140 HGB) bzw. den Entzug der organschaftlichen Befugnisse der persönlich haftenden Gesellschafter (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 117, 127 HGB) auszuführen.419 Eine Mitgliedschaft von Personen, die von diesen Entscheidungen zumindest mittelbar signifikant betroffen sind, verbietet sich daher. dd) Zwischenergebnis Auch der zweite Normzweck – Sicherung einer unabhängigen Vertretung der Kommanditaktionäre und der Gesellschaft – gebietet es, Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen. c) Ergebnis Übertragbarkeit Ratio § 287 Abs. 3 AktG (Gesellschafter) Beide Normzwecke von § 287 Abs. 3 AktG sprechen für eine absolute Inhabilität aller Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft – unabhängig von der Bedeutung ihrer Beteiligung. Anderenfalls wäre weder eine effektive Überwachung der Komplementär-Gesellschaft noch eine unabhängige Vertretung der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA gegenüber der Komplementär-Gesellschaft möglich. Da der Aufsichtsrat zwingend für Überwachung und Vertretung der KGaA zuständig ist (§ 23 Abs. 5 AktG), ist keine Satzungsgestaltung denkbar, die zu einem anderen Ergebnis führen könnte.420 Es ist auch nicht ausreichend, dass die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder nicht mit Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft personenidentisch ist; § 287 Abs. 3 AktG ist mit Blick auf unmittelbare persönlich haftende Gesellschafter eindeutig und es besteht kein Grund, bei mittelbaren persönlich haftenden Gesellschaftern von dieser gesetzgeberischen Wertung abzuweichen. Zudem wäre es nicht erklärbar, dass unmittelbar beteiligte persönlich haftende Gesellschafter unabhängig davon, ob sie geschäftsführungsbefugt sind oder nicht, und unabhängig davon, ob und ggf. in welchem Maß sie auch mit der KGaA wirtschaftlich verbunden sind oder nicht, inhabil sind, Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft dies aber nur dann sein sollen, wenn sie die Geschäftsleiter beeinflussen können und enger mit der Komplementär-Gesellschaft als mit der KGaA verbunden sind.
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Vgl. dazu auch oben S. 46 sowie K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 708. Wenn ein Beirat (auch) Interessen der Kommanditaktionäre wahrnimmt, gilt § 287 Abs. 3 AktG insoweit entsprechend. Vgl. zudem die auch hier geltenden Erörterungen betreffend Geschäftsleiter oben S. 72. 420
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2. Systematische Auslegung Die Herausarbeitung des Normzwecks von § 287 Abs. 3 AktG hat zu einem eindeutigen Ergebnis geführt: Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft können dem Aufsichtsrat der KGaA nicht angehören. Im Folgenden soll diese These einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Prüfungsmaßstäbe sind dabei sowohl grundlegende Prinzipien des Gesellschaftsrechts als auch die Vereinbarkeit mit Wertungen anderer, nicht nur gesellschaftsrechtlicher Normen. a) Trennungsprinzip Das Trennungsprinzip steht einer absoluten Inhabilität nicht entgegen.421 Es besagt zwar im Ausgangspunkt, dass die im Bereich juristischer Personen vorhandenen verschiedenen Rechtspersönlichkeiten auseinander zu halten sind: die juristische Person und ihre Mitglieder sind eigenständige Zuordnungssubjekte für unterschiedliche Rechte und Pflichten;422 eine Vermischung der Sphären ist grundsätzlich nicht zulässig. So steht das Vermögen der juristischen Person nur deren Gläubigern und nicht denen ihrer Mitglieder zur Verfügung; diese haften wiederum nicht für die Schulden der juristischen Person (kein Haftungsdurchgriff). Die gegenseitige Zurechnung von Verhaltensweisen, Kenntnissen und Eigenschaften ist ebenfalls grundsätzlich unzulässig (kein Zurechnungsdurchgriff). Das Trennungsprinzip gilt aber nicht absolut; vielmehr ist es zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse ausnahmsweise zulässig und geboten, die Trennung zwischen dem Verband und seinen Mitgliedern zu durchbrechen,423 also bildlich gesprochen den Schleier der juristischen Person zu durchstoßen („piercing the coporate veil“). Die dogmatische Begründung dafür ist allerdings umstritten. Während die Rechtsprechung insbesondere auf den Normzweck abstellt und anhand dessen bewertet, ob ein Durchgriff unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben angezeigt ist,424 haben sich in der Literatur unterschiedlichste Begründungsansätze herausgebildet.425 421
Anders aber BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 178. 422 Vgl. nur § 13 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 AktG; von Arnim, NZG 2000, 1001, 1002; Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 36.; Heider, in: MK AktG, § 1 Rn. 45; Lutter/ Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 1. 423 RG, Urteil vom 22. 6. 1920 – III 68/20, RGZ 99, 232, 234 („ist es zwar richtig, dass er und die vier Gesellschaften mbH verschiedene Rechtssubjekte bilden. Der Richter hat aber vor der juristischen Konstruktion die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen zu berücksichtigen“); BGH, Urteil vom 30. 1. 1956 – II ZR 168/54, BGHZ 20, 4, 14 = NJW 1956, 785, 787; Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 38; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 11. Insoweit zustimmend auch Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 421. 424 BGH, Urteil vom 30. 1. 1956 – II ZR 168/54, BGHZ 20, 4, 14 = NJW 1956, 785, 787; Urteil vom 5. 11. 1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318, 333 = NJW 1981, 522, 525 = ZIP 1981, 31, 36; zustimmend Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 51 sowie grundsätzlich auch
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Ein Haftungsdurchgriff auf das Vermögen eines Verbandsmitglieds wird insbesondere bei einer Vermögensvermischung bejaht.426 Auch bei einem existenzvernichtenden Eingriff wurde ein Haftungsdurchgriff früher für möglich gehalten; heute werden derartige Sachverhalte über eine reine Innenhaftung (§ 826 BGB) gelöst.427 Demgegenüber wird die Möglichkeit einer Durchgriffshaftung im Falle einer materiellen Unterkapitalisierung noch kontrovers diskutiert.428 Alles in allem bleibt auf Basis der aktuellen Rechtsprechung für einen Haftungsdurchgriff wenig Raum.429 Neben einem Durchgriff auf das Vermögen eines Verbandsmitglieds kommt zudem eine wechselseitige Zurechnung von Verhaltensweisen, Kenntnissen und Eigenschaften zwischen Verband und Verbandsmitglied in Betracht. Zwar wird auch insoweit von einem Durchgriff gesprochen, es handelt sich aber bei genauerer Betrachtung um eine reine Normanwendungsfrage.430 So wird dem Vertragspartner einer Gesellschaft beispielsweise auch dann ein Anfechtungsrecht gem. § 119 Abs. 2 BGB zugestanden, wenn er sich über die (verkehrswesentliche) Zuverlässigkeit eines herrschenden Gesellschafters getäuscht hat; ein Makler erwirbt keinen LohnanHeider, in: MK AktG, § 1 Rn. 49, der allerdings darauf hinweist, dass die Rechtsprechung keine Orientierung bei der Beurteilung bislang nicht entschiedener Fallgestaltungen biete. 425 Vgl. Übersicht bei Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 43 ff. und Heider, in: MK AktG, § 1 Rn. 47 f. sowie die rechtskonstruktive Einordnung bei K. Schmidt, GesR, S. 220 ff. 426 BGH, Versäumnisurteil vom 14. 11. 2005 – II ZR 178/03, BGHZ 165, 85, 91 = NJW 2006, 1344, 1346 = ZIP 2006, 467, 469; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 45 f.; Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 54 ff.; Heider, in: MK AktG, § 1 Rn. 70 f.; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 19. 427 BGH, Urteil vom 16. 7. 2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246, 251 ff. = NJW 2007, 2689, 2690 ff. = ZIP 2007, 1552 ff. – „Trihotel“. Zu den wechselnden dogmatischen Begründungsansätzen der jüngeren Rechtsprechung vgl. die kompakte Darstellung bei Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 25 ff. 428 Für einen Haftungsdurchgriff beispielsweise BSG, Urteil vom 7. 12. 1983 – 7 RAr 20/ 82, BSGE 56, 76, 80 ff. = NJW 1984, 2117, 2119 = ZIP 1984, 1217, 1220; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. 10. 2006 – 6 U 248/05, NZG 2007, 388, 390 (aufgehoben von BGH, Urteil vom 28. 4. 2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204, 211 ff. = NJW 2008, 2437, 1438 ff. = ZIP 2008, 1232, 1234 ff. – GAMMA); Bitter, in: Steuerungsfunktionen des Haftungsrechts, S. 57, 81 ff.; unklar Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Rn. 20 einerseits, Rn. 23 andererseits; dagegen bereits BGH, Urteil vom 4. 5. 1977 – VIII ZR 298/75, BGHZ 68, 312, 316 ff. = NJW 1977, 1449, 1450; zurückhaltend Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 61; Heider, in: MK AktG, § 1 Rn. 76; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, § 13 GmbHG Rn. 30. 429 Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 353; Verse, in: Henssler/Strohn, GesR, § 13 GmbHG Rn. 37. So betont der BGH in ständiger Rechtsprechung, dass „über die Rechtsfigur der juristischen Person nicht leichtfertig und schrankenlos hinweg gegangen werden“ dürfe (BGH, Urteil vom 30. 1. 1956 – II ZR 168/54, BGHZ 20, 4, 11 = NJW 1956, 785, 787; Urteil vom 5. 11. 1980 – VIII ZR 230/79, BGHZ 78, 318, 333 = NJW 1981, 522, 525 = ZIP 1981, 31, 36). Angesichts dessen ist es nicht überraschend, dass der BGH Schwierigkeiten mit einer absoluten Inhabilität hat; die konsequente Fortführung von BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027, wäre dennoch die Bejahung einer absolute Inhabilität gewesen (vgl. dazu oben S. 96 ff., 98). 430 Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 313; K. Schmidt, GesR, S. 225 ff.
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spruch, wenn er ein Grundstück „seiner“ Gesellschaft vermittelt, da es an dem von § 652 BGB erforderlichen Vertragsschluss mit einem Dritten fehlt; das einen Gesellschafter treffende Stimmverbot erstreckt sich auf die von ihm abhängige Gesellschaft, das die Gesellschaft treffende Stimmverbot auf den geschäftsleitenden Gesellschafter.431 Auch bei der analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft handelt es sich (nur) um eine Normanwendungsfrage und damit um kein echtes Durchgriffsproblem. Es geht nicht um den Durchgriff auf den hinter einer Gesellschaft stehenden Gesellschafter und erst Recht nicht um einen Zugriff auf dessen Vermögen. In Frage steht vielmehr einzig die teleologische Abgrenzung von § 287 Abs. 3 AktG, nicht ein Hinwegschauen über die Trennung von Rechtssubjekten.432 Das Trennungsprinzip wird also nicht verletzt. Ungeachtet dessen läge in der absoluten Inhabilität und des damit einher gehenden Verbots, an der dem Aufsichtsrat zugewiesenen Kontroll- und Vertretungsfunktion mitzuwirken, ein im Vergleich zu einem Haftungs- oder auch zu einem Abberufungsdurchgriff433 erheblich geringerer Eingriff, so dass – a maiore ad minus – der Schutzzweck von § 287 Abs. 3 AktG eine Ausnahme vom Trennungsprinzip rechtfertigen würde. Im Übrigen halten auch die Befürworter einer relativen Inhabilität434 und selbst der Bundesgerichtshof435 eine Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf bestimmte Anteilseigner nicht für schlechterdings ausgeschlossen und müssten daher einen möglichen Eingriff in das Trennungsprinzip ebenfalls rechtfertigen. b) Wertung Konzernrecht Das Konzernrecht ist vom Abhängigkeitsbegriff des § 17 AktG geprägt.436 Danach ist ein Unternehmen von einem anderen – dem herrschenden – Unternehmen abhängig, wenn es dergestalt unter dem „beständigen, umfassenden und gesellschaftsrechtlich vermittelten“437 Einfluss des herrschenden Unternehmens steht, dass es sich bei seinen geschäftlichen Entscheidungen nicht mehr allein an seinen eigenen 431 Vgl. Übersicht der diskutierten Fallgruppen bei Fock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 1 Rn. 67 ff.; Merkt, in: MK GmbHG, § 13 Rn. 347 ff.; Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, § 13 Rn. 314 ff. 432 Vgl. K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 148 (zu § 47 Abs. 4 GmbHG). 433 Dazu Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 78; Schlitt, Satzung, S. 211. 434 Siehe oben S. 80, Fn. 299 ff. 435 Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 198 = NJW 2006, 510, 512 = ZIP 2006, 177, 178: „(…) kann dahinstehen. Jedenfalls widerspräche die (…) Ausdehnung von § 287 Abs. 3 AktG auf sämtliche (…) Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft (…) dem grundsätzlich geltenden Prinzip der Trennung zwischen Gesellschaft als selbständiger Rechtsträgerin und ihren Mitgliedern (…)“. 436 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, § 17 AktG Rn. 2 („Zentralbegriff“). 437 BGH, Urteil vom 17. 3. 1997 – II ZB 3/96, BGHZ 135, 107, 114 = NJW 1997, 1855, 1856 = ZIP 1997, 887, 890.
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Interessen orientieren kann.438 Zum Schutz der abhängigen Gesellschaft, aber auch ihrer Minderheitsaktionäre und Gläubiger, sehen §§ 311 ff. AktG vor, dass nachteilige Einflussnahmen grundsätzlich zu unterlassen oder auszugleichen sind.439 Im Konzernrecht kommt es also darauf an, bestimmenden Einfluss auf die Führung der Geschäfte nehmen zu können. Folgerichtig knüpfen auch die Sanktionen an nachteilige Einflussnahmen an. Wie bereits an anderer Stelle herausgearbeitet,440 geht es in § 287 Abs. 3 AktG aber nicht darum, den Gefahren einer aktiven Einflussnahme auf die Geschäftsführung entgegenzuwirken, sondern darum, die Überwachungs- und Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats zu schützen. Diese kann bereits dann gestört sein, wenn ein Aufsichtsratsmitglied mit dem zu überwachenden Organ bzw. im Vertretungsfall mit der Gegenseite verbunden ist. Bei einem beherrschenden Einfluss auf die Komplementär-Gesellschaft ist der Interessenkonflikt besonders virulent; auch bei einer weniger engen Bindung kann aber bereits die Besorgnis der Befangenheit bestehen. In Anbetracht der nicht vergleichbaren Sachlagen und der unterschiedlichen Normzwecke können konzernrechtliche Wertungen also nicht gegen eine absolute Inhabilität ins Feld geführt werden. Diese sprechen allenfalls gegen die vom Bundesgerichtshof441 und einigen Vertretern aus der Wissenschaft442 unter Verweis auf das Trennungsprinzip geübte Zurückhaltung. c) Wertung § 112 AktG Auch die Wertung von § 112 AktG steht nicht entgegen. Danach wird eine Aktiengesellschaft auch gegenüber Dritten durch den Aufsichtsrat vertreten, wenn diese mit Vorstandsmitgliedern wirtschaftlich identisch sind.443 Die Schwelle ist also recht hoch und könnte möglicherweise auch auf die vorliegende Konstellation übertragen werden; zumindest nicht beherrschende Gesellschafter würden dann von § 287 Abs. 3 AktG nicht erfasst. Dies ist indes zu verneinen, da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Vorliegend geht es nicht darum, ob eine Gesellschaft durch den Aufsichtsrat vertreten wird, sondern mit welchen Personen dieser besetzt wird. 438
Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, § 17 AktG Rn. 5. Bayer, in: MK AktG, § 17 Rn. 2, verwendet den Begriff des „Konzernschutzrechts“; ähnlich BGH, Urteil vom 4. 3. 1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193, 196 ff. = NJW 1974, 855, 856; Schall, in Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 4. Zu den weiteren Rechtsfolgen einer Konzernierung vgl. Bayer, in: MK AktG, § 17 Rn. 5 ff. 440 Vgl. oben S. 83 f. („Relevanz des Kriteriums“). 441 Vgl. oben S. 81, Fn. 302. 442 Vgl. oben S. 79, Fn. 296. 443 Bürgers/Israel, in: HK AktG, § 112 Rn. 3; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 112 Rn. 11; Habersack, in: MK AktG, § 112 Rn. 9; R. Werner, Der Konzern 2008, 639, 641; weitergehend Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 112 Rn. 8 (maßgeblicher, unternehmerischer Einfluss); für die KGaA auch Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 56; restriktiver OLG München, Urteil vom 10. 5. 2012 – 14 U 2175/11, NZG 2012, 706, 707; offen BGH, Urteil vom 12. 3. 2013 – II ZR 179/12, NJW 2013, 1742 = WM 2013, 748, 749 = ZIP 2013, 819; im Grundsatz zurückhaltender noch W. Werner, ZGR 1989, 369, 373. 439
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
d) Wertung § 114 AktG Dienstverträge über Tätigkeiten höherer Art und damit insbesondere Beraterverträge zwischen der Gesellschaft und ihren Aufsichtsratsmitgliedern bedürfen gem. § 114 Abs. 1 AktG der Zustimmung des Aufsichtsrats. Damit soll zum einen die Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder geschützt werden, indem im Gesamtaufsichtsrat Transparenz über entsprechende Verträge hergestellt wird.444 Zum anderen geht es um den Schutz der Vergütungskompetenz der Hauptversammlung (§ 113 Abs. 1 S. 2 AktG).445 Die Regelung erfasst zur Vermeidung von Umgehungen auch Verträge zwischen der Gesellschaft und Drittgesellschaften, an denen ein Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist; ein beherrschender Einfluss oder zumindest einer mehr als nur marginale Beteiligung ist nicht erforderlich.446 Rechtsprechung und weite Teile der Literatur verzichten also aus Schutzzweckgesichtspunkten auf eine Differenzierung zwischen Aufsichtsratsmitgliedern und einer Drittgesellschaft, ohne insoweit einen Verstoß gegen das Trennungsprinzip auch nur zu thematisieren. Dies spricht dafür, sich auch bei der analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG vom Schutzzweck der Norm leiten zu lassen. e) Wertung § 284 AktG Ein persönlich haftender Gesellschafter darf gem. § 284 Abs. 1 S. 1 AktG ohne ausdrückliche Einwilligung der übrigen persönlich haftenden Gesellschafter und des Aufsichtsrats weder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen noch Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft sein.447 Das Wettbewerbsverbot schützt – anders als § 88 Abs. 1 AktG – nicht den 444 Goette, DStR 2007, 122, 124; Habersack, in: MK AktG, § 114 Rn. 2; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 114 Rn. 1. 445 Habersack, in: MK AktG, § 114 Rn. 3; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 114 Akt Rn. 1; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 114 Rn. 1. 446 BGH, Urteil vom 20. 11. 2006 – II ZR 279/05, BGHZ 170, 60, 62 ff. = NJW 2007, 298 f. = ZIP 2007, 22; Urteil vom 10. 07. 2012 – II ZR 48/11, BGHZ 194, 14, 18 f. = NJW 2012, 3235, 3236 = ZIP 2012, 1807, 1809; Goette, DStR 2007, 122, 124; Habersack, in: MK AktG, § 114 Rn. 14 f.; Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 114 AktG Rn. 11; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 114 Rn. 9; a.A. Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 114 Rn. 11. – Für Alleingesellschafter und -geschäftsführer einer GmbH bereits BGH, Urteil vom 3. 7. 2006 – II ZR 151/04, BGHZ 168, 188, 193 f. = NJW 2006, 3211 (Ls.) = NJW-RR 2006, 1410, 1411 f. = ZIP 2006, 1529, 1531. 447 In der atypischen KGaA erfasst das Wettbewerbsverbot auch die Komplementär-Gesellschaft (vgl. BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027, 1028) und deren Geschäftsleiter (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 284 Rn. 10; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 185 f.; K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 703 (mit der überzeugenden Begründung, dass es weniger auf die Person des Gebundenen als vielmehr auf die Person des Geschützten ankomme; übertragen auf § 287 Abs. 3 AktG spricht auch dies für eine absolute Inhabilität); Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 279; a.A. für eine Komplementär-AG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zur
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Erhalt der vollen Arbeitskraft des persönlich haftenden Gesellschafters, sondern dient lediglich der Wahrung der Geschäftschancen der KGaA448 und ist damit Ausfluss der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.449 Folgerichtig sind auch nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter erfasst, da auch diese über wichtige Informationen verfügen und damit der Gesellschaft ebenfalls unlautere Konkurrenz machen könnten.450 Auch Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft können – je nach Rechtsform der Komplementär-Gesellschaft – indirekt Einsicht in die Geschäftsgeheimnisse der KGaA nehmen451 und diese in unlauterer Weise für eigene Geschäfte nutzen. Ebenso wie nicht geschäftsführungsbefugte
AG & Co. KG Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 284 Rn. 3). Zum Umfang des Wettbewerbsverbots vgl. die Ausführungen von Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 284 Rn. 4 und Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 285 ff. 448 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 284 Rn. 1; Kiefer, Anlegerschutz, S. 147; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 182; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 284 Rn. 1; Perlitt, in: MK AktG, § 284 Rn 3. 449 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 284 Rn. 2. 450 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 284 Rn. 5; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 284 Rn. 2; Heineke, Anlegerschutz, S. 108 f.; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 284 Rn. 2; Perlitt, in: MK AktG, § 284 Rn. 4; im Ergebnis auch Blaurock, in: Wachter, AktG, § 284 Rn. 2; a.A. Kessler, Möglichkeiten, S. 263, unter Verweis auf die grundsätzlich gebotene Differenzierung zwischen Geschäftsführungs- und Gesellschaftsverhältnis sowie Koch, in: Hüffer, AktG, § 284 Rn 1, unter Verweis auf § 1 GWB. 451 Gesellschaftern einer GmbH steht gem. § 51a GmbHG ein umfassendes, nach dem Gesetzeswortlaut fast unbegrenztes Informationsrecht zu (BGH, Urteil vom 11. 11. 2002 – II ZR 125/02, BGHZ 152, 339, 344 = NJW-RR 2003, 830 = ZIP 2003, 345, 346; OLG München, Beschluss vom 11. 12. 2007 – 31 Wx 048/07, NJW-RR 2008, 423, 424 = ZIP 2008, 553, 554 = NZG 2008, 199, 200; Hillmann, in: MK GmbHG, § 51a Rn. 4). Insbesondere kann in sämtliche Geschäftsunterlagen Einsicht genommen werden (BGH, Beschluss vom 6. 3. 1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48, 52 f. = NJW 1997, 1985, 1986 = ZIP 1997, 978, 979; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 5). Ein Verweigerungsrecht der Gesellschaft besteht gem. § 51a Abs. 2 GmbHG nur, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter die Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Die bloße Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen soll nach umstrittener Ansicht für die Verweigerung wettbewerbsrelevanter Informationen ausreichend sein (OLG München, Beschluss vom 11. 12. 2007 – 31 Wx 048/07, NJW-RR 2008, 423, 424 = ZIP 2008, 553, 554 = NZG 2008, 199, 200; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a Rn. 34; weniger restriktiv Hillmann, in: MK GmbHG, § 51a Rn. 63 („maßgeblich beteiligt“); Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 29 („relevante Beteiligung“) sowie Strohn, in: Henssler/Strohn, GesR, § 51a GmbHG Rn. 24 („von dem Gesellschafter geführten Konkurrenzunternehmen“). Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft können gem. § 118 Abs. 1 HGB ebenfalls in alle Geschäftsunterlagen Einsicht nehmen (Enzinger, in: MK HGB, § 118 Rn. 15; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 118 Rn. 4); Grenzen folgen aus der Treuepflicht und bestehen damit insbesondere bei einer Verwendung der Informationen für Zwecke des Wettbewerbs (Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 118 Rn. 1; ähnlich Koller, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 118 Rn. 3). Das Einsichtnahmerecht von Kommanditisten ist auf Jahresabschlussunterlagen beschränkt (Grunewald, in: MK HGB, § 166 Rn. 2).
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
persönlich haftende Gesellschafter müssen sie daher von § 284 Abs. 1 S. 1 AktG erfasst werden.452 Was folgt daraus für die Inhabilität von Anteilseignern einer KomplementärGesellschaft? Der Aufsichtsrat entscheidet über die Befreiung vom Wettbewerbsverbot, um die Interessen der KGaA zu sichern. Eine Beteiligung von betroffenen Personen an der Entscheidungsfindung des Aufsichtsrats wäre damit nicht zu vereinbaren. Damit scheiden Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft als Mitglieder zumindest dann aus, wenn sie vom Wettbewerbsverbot erfasst werden. Selbst wenn man insoweit eine zurückhaltende Linie vertritt, das Wettbewerbsverbot also lediglich auf beherrschende Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft erstreckt, spricht dies nicht gegen eine absolute Inhabilität aller Anteilseigner; es ist nicht auszuschließen, dass sich auch vom Wettbewerbsverbot nicht unmittelbar betroffene Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft von der Verbundenheit zu ihren Mitgesellschaftern in der Komplementär-Gesellschaft leiten lassen und die Interessen der KGaA vernachlässigen. f) Wertungen gesetzlich normierter Grenzwerte Die Mehrzahl der Wertungen anderer gesetzlich normierter Grenzwerte im insbesondere wirtschaftsrechtlichen Kontext kann vorliegend nicht fruchtbar gemacht werden – weder für noch gegen eine absolute Inhabilität. Die Fallgestaltungen sind grundsätzlich verschieden, so dass eine Übertragung der normierten Grenzwerte willkürlich wäre. Die folgenden Regelungen sind aber einen näheren Blick wert: aa) §§ 285 Nr. 11, 289 Abs. 4 Nr. 3 HGB Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften i.S.d. § 264a Abs. 1 HGB, eingetragene Genossenschaften und Kreditinstitute sind gem. § 264 Abs. 1 S. 1 HGB dazu verpflichtet, den Jahresabschluss um einen Anhang zu erweitern sowie einen
452 Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 85; nur für beherrschende Gesellschafter Arnold, in: Henssler/Strohn, AktR, § 284 AktG Rn. 2; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 284 Rn. 11; Blaurock, in: Wachter, AktG, § 284 Rn. 2; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 48 ff. (die indes §§ 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 287 Abs. 3 AktG auf alle Gesellschafter einer Komplementär-GmbH analog anwenden, vgl. unten S. 151, Fn. 600 bzw. oben S. 80, Fn. 297); Kessler, Möglichkeiten, S. 264 f.; Kiefer, Anlegerschutz, S. 150 (der indes §§ 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 287 Abs. 3 AktG bereits auf mehr als nur unmaßgeblich beteiligte Gesellschafter einer Komplementär-GmbH analog anwendet, vgl. unten S. 152, Fn. 601 bzw. oben S. 80, Fn. 299); Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 185, 188 (der indes § 287 Abs. 3 AktG auf alle Gesellschafter einer Komplementär-GmbH analog anwendet, vgl. oben S. 80, Fn. 297); Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 284 Rn. 2; Schlitt, Satzung, S. 130 (der indes § 287 Abs. 3 AktG auf alle Gesellschafter anwendet, deren Beteiligung über einen Bagatellgrenze hinaus gehe, vgl. oben S. 80, Fn. 297; K. Schmidt, FS Priester, 691, 703 f.; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/ Riotte, KGaA, § 5 Rn. 282; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 327.
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Lagebericht aufzustellen.453 Der Anhang dient insbesondere der Erläuterung der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Anzugeben sind gem. § 285 Nr. 11 HGB u.a. Name und Sitz anderer Unternehmen, von denen die Kapitalgesellschaft mindestens 20 Prozent der Anteile besitzt; börsennotierte Kapitalgesellschaften und gem. § 340a Abs. 4 Nr. 2 HGB auch sämtliche Kreditinstitute müssen zusätzlich alle Beteiligungen an großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) angeben, an denen sie mehr als fünf Prozent der Stimmrechte halten. Im Lagebericht sind gem. § 289 Abs. 1 HGB der Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. An einem regulierten Markt im EWR notierte Aktiengesellschaften und KGaA müssen in ihrem Lagebericht gem. § 289 Abs. 4 Nr. 3 HGB zudem alle Gesellschaften angeben, an denen sie mehr als zehn Prozent der Stimmrechte halten, soweit die Angaben nicht bereits im Anhang zu machen sind. Für Konzernanhang und Konzernlagebericht bestehen entsprechende Verpflichtungen (§§ 313 Abs. 2 Nr. 4, 315 Abs. 4 Nr. 3 HGB). Die Angabepflicht des § 285 Nr. 11 HGB bezweckt, die Kapitalverflechtungen der Gesellschaft transparent zu machen und damit die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage genauer darzustellen.454 Die Adressaten des Jahresabschlusses sollen in die Lage versetzt werden, sich einen Eindruck über die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Drittunternehmen zu verschaffen.455 Die Zusatzangaben gem. § 289 Abs. 4 Nr. 3 HGB dienen dazu, das gesteigerte Informationsbedürfnis möglicher Bieter und Investoren zu befriedigen.456 Mit der Implementierung der genannten Grenzwerte gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er Beteiligungen ab einer bestimmten Höhe für so relevant hält, dass über diese im Einzelnen zu berichten ist. Unterhalb einer Schwelle von fünf Prozent geht er offenbar von einer reinen Bagatellbeteiligung aus. Eine einheitliche Linie ist allerdings nicht festzustellen, vielmehr scheint es bei der Festlegung der jeweiligen Grenzwerte auf die Umstände des Einzelfalls anzukommen. Bereits dies spricht dagegen, die Grenzwerte zur Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG heranzuziehen. Zudem geht es in den genannten Bestimmungen um beteiligungsvermittelte Einflussnahmemöglichkeiten; Aussagen zu damit einhergehenden Interessenkonflikten werden nicht getroffen. bb) § 319 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 HGB Insoweit kommt aber eine Heranziehung von § 319 HGB in Betracht. Nach dessen Absatz 2 ist ein Wirtschaftsprüfer von der Abschlussprüfung ausgeschlossen, wenn 453
Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) sind von der Aufstellung des Lageberichts gem. § 264 Abs. 1 S. 4 HGB befreit. Die Verpflichtungen für eingetragene Genossenschaften und Kreditinstitute ergeben sich aus § 336 HGB bzw. § 340a Abs. 1 HGB. 454 Poelzig, in: MK HGB, § 285 Rn. 235. 455 Kessler, in: MK BilR, § 285 HGB Rn. 139. 456 Lange, in: MK HGB, § 289 Rn. 134.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
die Besorgnis der Befangenheit besteht, die sich insbesondere aus geschäftlichen, finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu der zu prüfenden Gesellschaft bzw. zu deren Organpersonen ergeben kann. Dies wird gem. § 319 Abs. 3 Nr. 1 HGB u.a. dann angenommen, wenn ein Wirtschaftsprüfer Anteile an der zu prüfenden, einer mit dieser verbundenen oder einer an dieser mit mehr als 20 Prozent beteiligten Gesellschaft besitzt. Die Ausschlussgründe gewährleisten die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Abschlussprüfers und damit einen elementaren Grundsatz des Rechts der Abschlussprüfung, der nicht nur für das Vertrauen in die Abschlussprüfung, sondern auch für das Funktionieren der internen und externen Corporate Governance von zentraler Bedeutung ist.457 Während beim Vorliegen eines relativen Ausschlussgrunds (§ 319 Abs. 2 HGB) auf die Gesamtumstände des Einzelfalls abzustellen ist, wird beim Vorliegen eines absoluten Ausschlussgrunds (§ 319 Abs. 3 HGB) die Befangenheit des Abschlussprüfers unwiderlegbar vermutet.458 Ein zur Befangenheit führendes Eigeninteresse des Prüfers wird dann angenommen, wenn das Prüfungsergebnis für ihn persönlich mit besonderen positiven oder negativen Folgen verbunden ist;459 bei einer Beteiligung an der zu prüfenden Gesellschaft wird dies unwiderlegbar vermutet. Auch dem Aufsichtsrat kommt eine wichtige Funktion im Rahmen der internen Corporate Governance zu. Eine sachgerechte, im Interesse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter erfolgende Überwachung der Geschäftsleitung steht und fällt mit der Kompetenz und Unabhängigkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats. Eine zu große Nähe zu dem Kontrollobjekt schadet dem Kontrollerfolg. § 287 Abs. 3 AktG sieht daher die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im Leitungs- und Überwachungsorgan vor. § 319 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 HGB verfolgen dasselbe Ziel: eine zu enge wirtschaftliche Verbindung zu dem Kontrollobjekt steht einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung entgegen; jeglicher Anteilsbesitz führt zu einem absoluten Ausschlussgrund. Diese sehr klare gesetzgeberische Wertung kann als Auslegungshilfe für § 287 Abs. 3 AktG herangezogen werden und spricht für eine Anwendung auf sämtliche Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft. Zwar beaufsichtigt der Aufsichtsrat nicht die Komplementär-Gesellschaft und damit auch nicht die Gesellschaft, an der die problematischen Anteile gehalten werden, sondern lediglich deren Geschäftsleitungstätigkeit für die KGaA.460 Die Interessenkollisionslage ist aber dennoch vergleichbar, denn das Aufsichtsratsmitglied würde von einer laxen Kontrolle unmittelbar profitieren.461 457
Bormann, in: MK BilR, § 319 HGB Rn. 4; Ebke, in: MK HGB, § 319 Rn. 2. Ebke, in: MK HGB, § 319 Rn. 1, 3. 459 Bormann, in: MK BilR, § 319 HGB Rn. 43. 460 Im Falle einer Konzernverbundenheit beider Gesellschaften ist der Sachverhalt mit § 319 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 HGB unmittelbar vergleichbar. 461 Freilich in Abhängigkeit von einer etwaigen Beteiligung an der KGaA und deren relativen Wert, vgl. dazu oben S. 94. 458
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cc) § 39 Abs. 5 InsO § 39 Abs. 5 InsO privilegiert nicht geschäftsführende und gleichzeitig mit nicht mehr als zehn Prozent am Kapital beteiligte Gesellschafter insbesondere einer GmbH in der Insolvenz. Abweichend von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO werden Darlehen dieser Gesellschafter nicht erst nach den Forderungen der Insolvenzgläubiger und damit in der Regel gar nicht befriedigt, sondern gelten als normale Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO.462 Die Bevorzugung von Gesellschaftern mit sog. Zwerganteilen – auch als „Witwen- und Erbtantenprivileg“ bekannt – wird allgemein kritisch gesehen.463 Eine überzeugende Begründung für die Regelung an sich und insbesondere für den konkreten Grenzwert fehlt.464 Bereits aus diesem Grund verbietet sich eine Heranziehung der Norm im Rahmen der Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG.465 Anders als in § 287 Abs. 3 AktG geht es im Ausgangspunkt – § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO – zudem um eine Gesellschafter-Gläubiger-Problematik. dd) § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO Das Rechtsinstitut der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) versetzt einen Insolvenzverwalter in die Lage, vor der Verfahrenseröffnung erfolgte, böswillige Vermögensverschiebungen wieder rückgängig zu machen, um eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus einer nicht unzulässig verkürzten Masse zu sichern.466 Die Beweislast für die Anfechtungsvoraussetzungen liegt dabei grundsätzlich beim Insolvenzverwalter. Gegenüber Personen, die in einem besonderen Näheverhältnis zum Schuldner standen, ist die Beweislast im Wege einer widerlegbaren Vermutung aber umgekehrt.467 Als nahestehende Personen gelten unter 462 Auf einen möglichen Eigenkapitalersatz in der Krise der Gesellschaft kommt es nicht mehr an, vgl. d’Avoine, NZI 2013, 321, 322. 463 Ehricke, in: MK InsO, § 39 Rn. 57; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 39 Rn. 72 ff. Überblick bei Dauner-Lieb, DStR 1998, 609, 610 ff. 464 Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3604; d’Avoine, NZI 2013, 321, 322. – Der Regierungsentwurf zu § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG a.F. (BT-Drs. 13/7141, S. 11 f.) hob auf die fehlende mitunternehmerische Verantwortung geringfügig Beteiligter ab. Eine unternehmerische Beteiligung wurde für Aktiengesellschaften indes erst ab einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent angenommen (BGH, Urteil vom 26. 3. 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 390 f. = NJW 1984, 1893, 1895 = ZIP 1984, 572, 575). Kritisch daher die Stellungnahme des Bundesrates zum o.g. Regierungsentwurf (BT-Drs. 13/7141, S. 13). 465 Anders Kiefer, Anlegerschutz, S. 142; zustimmend Heineke, Anlegerschutz, S. 96. Beide begründen dies allerdings nicht unmittelbar mit einem Analogieschluss zu § 39 Abs. 5 InsO, sondern mit der fehlenden Einflussnahmemöglichkeit von GmbH-Gesellschaftern, deren Beteiligung zehn Prozent nicht übersteigt. 466 de Bra, in: Braun, InsO, § 129 Rn. 1 ff.; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 1 f.; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 129 Rn. 5. 467 Vgl. §§ 130 Abs. 3, 131 Abs. 2 S. 2, 132 Abs. 3, 137 Abs. 2 InsO. Das Näheverhältnis eröffnet zudem eine weitere Anfechtungsmöglichkeit (§ 133 Abs. 2 InsO bzw. § 3 Abs. 2 AnfG).
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anderem enge Familienangehörige des Schuldners; ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind (§ 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Hintergrund ist, dass diese Personen regelmäßig über einen deutlichen Informationsvorsprung im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners verfügen468 bzw. eine unternehmerische Mitverantwortung tragen469. Im Anfechtungsrecht werden also nur persönlich haftende sowie Gesellschafter mit einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent Geschäftsleitern gleichgestellt. Dies könnte dagegen sprechen, im Rahmen von § 287 Abs. 3 AktG sämtliche Anteilseigner wie Geschäftsleiter zu behandeln und von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen. Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass die Grenzziehung in § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO umstritten ist470 und zudem unter den Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO, also im Falle einer ähnlichen Informationsmöglichkeit über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners, auch eine geringere Beteiligung als 25 Prozent ausreichend sein kann471. Vor allem unterscheiden sich die Sachverhalte aber erheblich: während es im Rahmen der Insolvenzanfechtung darum geht, die Folgen eines kollusiven Zusammenwirkens wieder rückgängig zu machen, geht es in § 287 Abs. 3 AktG darum, institutionalisierte Interessenkonflikte zu vermeiden. Anders als im Insolvenzanfechtungsrecht soll nicht das Ausnutzen eines Informationsvorsprungs sanktioniert, sondern dem Aufsichtsrat eine unbefangene Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben ermöglicht werden. Insoweit kann bereits ein Näheverhältnis unterhalb der in § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO normierten Grenze schädlich sein; auf die Möglichkeit zum Missbrauch von „Insiderinformationen“, die – nach Vorstellungen des Gesetzgebers – ab einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent typischerweise gegeben ist, kommt es nicht an. Zudem regelt das Anfechtungsrecht den Umgang mit einem (Gesellschafter-)Gläubiger-Konflikt und damit nicht – wie § 287 Abs. 3 AktG – einen Konflikt innerhalb einer Gesellschaft.
468 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 138 Rn. 1, 21; Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 138 Rn. 4; Gehrlein, in: MK InsO, § 138 Rn. 2. 469 Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 138 Rn. 20. 470 Hirte, in: Uhlenbruck, § 138 Rn. 25, der zumindest eine Beteiligung von zehn Prozent und im Einzelfall auch eine geringere Beteiligung für ausreichend hält; im Ausgangspunkt ebenso Gehrlein, in: MK InsO, § 138 Rn. 21, der auf einen „bemerkenswerten Widerspruch zu (…) § 32a Abs. 3 S. 2 GmbHG“ (= § 39 Abs. 5 InsO) hinweist, im Ergebnis aber an dem normierten Grenzwert festhält. 471 Riggert, in: Braun, InsO, § 138 Rn. 18 f.; zurückhaltend Nerlich, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 138 Rn. 21.
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ee) Ziffer 5.4.1 DCGK472 Demgegenüber geht es – wie in § 287 Abs. 3 AktG – in Ziffer 5.4.1 DCGK um eine innergesellschaftliche Angelegenheit. Ziffer 5.4.1 DCGK sieht vor, dass der Hauptversammlung die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen eines jeden Aufsichtsratskandidaten zu einem wesentlich an der Gesellschaft beteiligten Aktionär transparent gemacht werden sollen; als wesentlich beteiligt gelten dabei Aktionäre, die mehr als zehn Prozent der stimmberechtigten Aktien der Gesellschaft besitzen. Bei Überschreiten dieser Schwelle sieht die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex die Unabhängigkeit des Kandidaten gefährdet und empfiehlt daher eine entsprechende Offenlegung des Sachverhalts. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Beziehungen zu einem in geringerer Höhe beteiligten Aktionär per se unproblematisch sind, obgleich es durchaus üblich und nicht verwerflich ist, dass Aktionäre oder deren Vertraute dem Aufsichtsrat angehören. Die Empfehlung in Ziffer 5.4.1 DCGK zielt lediglich darauf ab, den Sachverhalt transparent zu machen. Die Offenlegung des Interessenkonflikts eines Anteilseigners einer Komplementär-Gesellschaft ist aber gerade nicht ausreichend;473 die Sachverhalte sind also bereits insoweit nicht vergleichbar. Zudem geht es in Ziffer 5.4.1 DCGK um mittelbare Interessenkonflikte infolge einer – möglicherweise lediglich persönlichen – Verbundenheit zu einer dritten Person. Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft sind demgegenüber mit dem Kontrollobjekt verbunden und damit von der Kontrolltätigkeit selbst betroffen. ff) § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 KWG Kredite an Unternehmen, die an dem kreditgebenden Institut mit mehr als zehn Prozent beteiligt sind, gelten gem. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 KWG als Organkredite und unterliegen als solche besonderen Vergabevorschriften.474 Dadurch soll der Gefahr begegnet werden, dass Kreditentscheidungen sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt werden.475 Auch hier knüpft der Gesetzgeber wieder an eine Zehn-ProzentSchwelle an; bei einer höheren Beteiligung könne aufgrund der besonderen Verbundenheit zwischen Darlehensnehmer und Darlehensgeber nicht ausgeschlossen 472 Beim DCGK handelt es sich um sog. „Soft Law“; börsennotierte Aktiengesellschaften müssen gem. § 161 Abs. 1 S. 1 AktG verbindlich erklären, ob den Empfehlungen des Kodex entsprochen wird oder nicht. – Die Anwendbarkeit des Kodex bzw. von § 161 Abs. 1 S. 1 AktG auf KGaA ist umstritten (dafür Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 103; Hölters, in: Hölters, AktG, § 161 Rn. 10; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 41; K. Schmidt, in: FS Priester, 691, 703; von Werder, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 138 ff.; kritisch, im Ergebnis aber dennoch zustimmend Fett, INF 2005, 872, 876; zurückhaltend Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 78; dagegen wohl Lutter, ZHR 166 (2002), 525, 526), kann vorliegend aber dahingestellt bleiben, da es lediglich um den in Ziffer 5.4.1 DCGK enthaltenen Rechtsgedanken geht. 473 Vgl. unten S. 123. 474 Vgl. oben S. 64, Fn. 234. 475 Groß, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, § 15 Rn. 1.
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werden, dass die Interessen des Instituts verletzt würden. Daher hat der Gesetzgeber besondere Sicherheitsmechanismen vorgesehen, u.a. eine Zustimmung aller Geschäftsleiter und des Aufsichtsorgans.476 Dadurch soll das Risiko für das Institut minimiert werden. Auch § 287 Abs. 3 AktG bezweckt, die Interessen der Gesellschaft und der Kommanditaktionäre an einer ordnungsgemäßen Aufsicht über die Geschäftsleiter zu schützen. Der Weg zum Ziel ist indes ein anderer: die Entscheidungsfindung wird nicht – wie in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 KWG – auf ein breiteres Fundament gestellt477, sondern typischerweise befangene Personen werden von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen. Diese Lösung ist erheblich restriktiver, so dass es auch mit Blick auf die analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft nicht angezeigt ist, sich von einem Grenzwert einer liberaler ausgestalteten Norm leiten zu lassen. gg) § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG sieht beim Erreichen, Über- oder Unterschreiten bestimmter Stimmrechtsschwellen Meldepflichten vor. Bereits beim Erreichen eines Stimmrechtsanteils von drei Prozent ist ein Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft verpflichtet, dies der Gesellschaft und der BaFin mitzuteilen.478 Ziel der Vorschrift ist „Anlegerschutz durch Transparenz“.479 Die im Jahr 2007 durch das TUG480 auf drei Prozent herabgesetzte erste Schwelle soll insbesondere das sog. Anschleichen verhindern.481 Der Regelungszweck unterscheidet sich damit deutlich von dem des § 287 Abs. 3 AktG, zumal auch nicht an eine Kapitalbeteiligung, sondern lediglich an den Stimmrechtsbesitz angeknüpft wird. Eine Berücksichtigung der Schwellenwerte im Rahmen der Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG verbietet sich daher. hh) Zwischenergebnis Keiner der untersuchten Grenzwerte spricht gegen eine Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf sämtliche Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft. Viel476
Vgl. oben S. 64, Fn. 234. Insoweit käme beispielsweise in Betracht, die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder um die Anzahl der (mittelbaren) persönlich haftenden Gesellschafter im Aufsichtsrat zu erhöhen oder letztere mit einem Stimmverbot zu belegen, um den Einfluss sachfremder Interessen auf Entscheidungen des Aufsichtsrats zu begrenzen. 478 Vgl. zu den genauen Voraussetzungen Bayer, in: MK AktG, § 21 WpHG Rn. 11 ff. 479 Bayer, in: MK AktG, § 21 WpHG Rn. 1. 480 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz – TUG), BGBl. I 2007, S. 10. 481 Bayer, in: MK AktG, § 21 WpHG, Rn. 14; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 21 WpHG Rn. 11. 477
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mehr unterstützt die in § 319 Abs. 3 Nr. 1 HGB enthaltene Wertung des Gesetzgebers die These der absoluten Inhabilität. g) Systeme Stellung von § 287 Abs. 3 AktG Die ersten beiden Absätze von § 287 AktG regeln die Funktion des Aufsichtsrats im Verhältnis der Gesamtheit der Kommanditaktionäre zu den persönlich haftenden Gesellschaftern. Die Inkompatibilitätsregelung folgt in Absatz 3 unmittelbar auf diese spezifisch KGaA-rechtlichen Aufgabenzuweisungen an den Aufsichtsrat. Dies könnte dafür sprechen, dass es um eine absolute Trennung der Gesellschaftergruppen geht, um die dem Aufsichtsrat obliegende Interessenvertretung der Kommanditaktionäre nicht zu gefährden.482 Diese Funktion wäre gestört, wenn dem Aufsichtsrat Personen angehören würden, die (auch) dem Lager der anderen Gesellschaftergruppe zuzurechnen sind. Vor allem aber hätte es der spezifischen Regelung des § 287 Abs. 3 AktG gar nicht bedurft, denn über § 278 Abs. 3 AktG wäre die im Ergebnis vergleichbare Regelung des § 105 Abs. 1 AktG zur Anwendung gekommen.483 Die Betonung des alle Gesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur prägenden Trennungsgrundsatzes im Kontext der Ausführungs- und Vertretungs- und nicht der Überwachungsfunktion stützt die These von der absoluten Inhabilität. h) Satzungsgestaltungen Die Kompetenzverteilung in der KGaA ist in weiten Teilen disponibel. Vorliegend ist von Interesse, ob und ggf. wie es sich auf die Besetzung des Aufsichtsrats auswirkt, wenn die Zuständigkeiten von Komplementär-Gesellschaft und/oder Aufsichtsrat durch Satzungsgestaltung verändert werden, also über den gesetzlichen Normalfall hinaus ausgeweitet oder – im Gegenteil – eingeschränkt werden. Die Befugnisse der Komplementär-Gesellschaft können insbesondere durch eine Abbedingung des Zustimmungsrechts der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäften (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HS. 2 HGB) gestärkt werden;484 eine Schwächung der Stellung der Komplementär-Gesellschaft kommt insbesondere dadurch in Betracht, dass bestimmte Geschäfte von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig gemacht werden und damit das Zusammenspiel von Ge482
Der erste Normzweck würde demgegenüber in den Hintergrund treten. Vgl. oben S. 65. Insoweit ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Art. 287 Abs. 3 AktG auf Art. 191 Abs. 1 S. 2 ADHGB 1884 zurückgeht und dieser seinerzeit für Aktiengesellschaften lediglich in Bezug genommen wurde (vgl. Art. 224 ADHGB 1884). Eine unmittelbar für die Aktiengesellschaft geltende und damit § 105 Abs. 1 AktG entsprechende Vorschrift findet sich erstmals in § 248 Abs. 1 HGB 1897; erst seit diesem Zeitpunkt wurde das Aktienrecht vor dem Recht der KGaA (vgl. § 328 Abs. 4 HGB 1897) geregelt und § 287 Abs. 3 AktG bzw. dessen Vorgängervorschriften damit – theoretisch – entbehrlich. 484 Zur Frage der Zulässigkeit der ersatzlosen Abbedingung des Vetorechts vgl. oben S. 34 f., Fn. 92. 483
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schäftsleitung und Aufsichtsrat der Rechtslage in der Aktiengesellschaft (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) angenähert wird. Mit der Implementierung eines Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte oder der Verlagerung des Vetorechts des § 164 S. 1 HS. 2 HGB geht zugleich eine Stärkung der Stellung des Aufsichtsrats einher. Eine Schwächung des Aufsichtsrats ist durch die Zuweisung der Ausführungs- und Vertretungskompetenz des § 287 Abs. 1/2 AktG an andere Organe möglich; demgegenüber ist eine Einschränkung der Überwachungsfunktion ebenso unzulässig wie eine Verlagerung der Zuständigkeit zur Vertretung der Gesellschaft in den Fällen des § 112 AktG.485 Auf den ersten Blick liegt es nahe, dass sich die Kompetenzverteilung auf die Besetzung des Aufsichtsrats auswirken könnte:486 wenn beispielsweise die Geschäftsleiter für bestimmte Geschäfte und Maßnahmen die Zustimmung des Aufsichtsrats einholen müssen, also gewissermaßen einer präventiven Kontrolle unterliegen, wäre zumindest die Mitgliedschaft von Anteilseignern einer KomplementärGesellschaft mit maßgeblichen Einfluss auf deren Geschäftsleiter problematisch. Diese könnten bereits lenkenden Einfluss auf die tatsächlich die Geschäfte führenden Personen nehmen, das Vetorecht wäre also obsolet, der ohnehin bestehende Interessenkonflikt des Anteilseigners der Komplementär-Gesellschaft verschärft. Bei einer Verlagerung des Vetorechts des § 164 S. 1 Hs. 2 HGB auf den Aufsichtsrat würde eine Aufsichtsratsmitgliedschaft von Personen aus dem Lager der Geschäftsleitung die Wahrnehmung des Rechts empfindlich stören.487 Sollte andererseits dem Aufsichtsrat die Ausführungs- und Vertretungskompetenz des § 287 Abs. 1/2 AktG entzogen, der Aufsichtsrat also insoweit nicht mehr in die Wahrnehmung der Interessen der Kommanditaktionäre eingebunden sein, scheidet ein dahingehender Interessenkonflikt eines dem Lager der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnenden Aufsichtsratsmitglieds aus. Mit Blick auf die zwingenden Zuständigkeiten des Aufsichtsrats – Überwachung der Geschäftsleitung (§§ 278 Abs. 3, 111 Abs. 1, 23 Abs. 5 AktG) und Vertretung der Gesellschaft (§§ 278 Abs. 3, 112, 23 Abs. 5 AktG) – blieben aber weitere Konfliktlagen bestehen. Dessen ungeachtet sprechen gegen eine Auswirkung der Kompetenzverteilung auf die Besetzung des Aufsichtsrats folgende Gesichtspunkte: zum einen erscheint es problematisch, einer im Belieben der Gesellschafter stehenden Strukturentscheidung wie der Ausweitung der Zuständigkeiten des Aufsichtsrats mit zusätzlichen gesetzlichen Restriktionen zu begegnen. Zum anderen und insbesondere gilt das 485
Vgl. dazu oben S. 54. Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 3, weist auf mögliche negative Auswirkungen einer nicht ausgewogenen Kompetenzverteilung auf den Anlegerschutz hin. An anderer Stelle (a.a.O., S. 18) spricht er vom „binnenorganisationsrechtliches Schutzbedürfnis der Kommanditaktionäre“. 487 In der grundsätzlich zuständigen Hauptversammlung unterläge ein persönlich haftender Gesellschafter, der gleichzeitig Kommanditaktionär ist, einem Stimmverbot (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 42); für Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft muss aus Schutzzweckgesichtspunkten dasselbe gelten. 486
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Prinzip der strikten Auslegung aktienrechtlicher Inkompatibilitätsregelungen;488 individuelle Satzungsgestaltungen müssen aus Gründen der Rechtssicherheit unberücksichtigt bleiben, nicht zuletzt mit Blick auf jederzeit mögliche Veränderungen der innergesellschaftlichen Aufgabenverteilung. i) Vergleich mit der Aufsichtsratsbesetzung in der Aktiengesellschaft In der Aktiengesellschaft bestehen für Gesellschafter keinerlei gesetzliche Beschränkungen im Hinblick auf eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat. Dies belegt nicht zuletzt die Existenz der Abhängigkeitsvermutung des § 17 Abs. 2 AktG. Die Vermutung knüpft an die Möglichkeit des Mehrheitsaktionärs an, auf die Zusammensetzung des Vorstands und damit indirekt auf diesen selbst Einfluss nehmen zu können;489 Voraussetzung ist eine entsprechende Dominanz im Aufsichtsrat, die also zulässig sein muss. Damit einhergehende potentielle Interessenkonflikte werden in Kauf genommen. Für tatsächliche Interessenkonflikte im Einzelfall steht das übliche Instrumentarium zur Verfügung: Offenlegung des Konflikts, Stimmenthaltung und Stimmverbot, Ausschluss von der Sitzung, Niederlegung des Mandats und Abberufung (§ 103 AktG).490 Ziffer 5.4.2 DCGK enthält allerdings die Empfehlung, dass dem Aufsichtsrat eine angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören soll; ein Aufsichtsratsmitglied gilt unter anderem dann nicht als unabhängig, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen oder einem kontrollierenden Aktionär steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann. Die Regelung geht auf Forderungen aus dem angelsächsischen Raum zurück und zielte ursprünglich darauf ab, Risiken aus der monistischen Führungsstruktur vorzubeugen.491 Nach Ziffer 13.1 i.V.m. Ziffer 2.2. der – unverbindlichen (Art. 288 Abs. 5 AEUV) – Empfehlung der Kommission vom 15. 2. 2005 zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats492 gilt ein Mitglied des Aufsichtsrats als unabhängig, wenn es in keiner geschäftlichen, familiären oder sonstigen Beziehung zu der Gesellschaft, ihrem Mehrheitsaktionär oder deren Geschäftsführung steht, die einen Interessenkonflikt begründet, der sein Urteilsvermögen beeinflussen könnte. Ein solcher Konflikt soll nach Ziffer 13.2 i.V.m. 488
Vgl. dazu Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, § 17 AktG Rn. 6 f.; Maier-Reimer, in: Henssler/Strohn, GesR, § 17 AktG Rn. 3; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 17 Rn. 9. 490 Habersack, in: MK AktG, § 100 Rn. 86; vgl. auch Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, § 100 AktG Rn. 18; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 899 ff. sowie Ziffer 5.5.2 f. DCGK. 491 Kremer, in: Ringleb, DCGK, Rn. 1002. 492 ABl. EU Nr. L 52 vom 25. 2. 2005, S. 51. 489
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Anhang II, Ziffer 1. d) der Empfehlung unter anderem im Falle einer Kontrollbeteiligung gegeben sein;493 insbesondere Großaktionäre würden damit als unabhängige Aufsichtsratsmitglieder ausscheiden. Vor diesem Hintergrund spricht auch die aktuelle Fassung des Kodex – Beziehung zu der Gesellschaft oder einem kontrollierenden Aktionär – dafür, dass zumindest ein Mehrheitsgesellschafter nicht über die erforderliche Unabhängigkeit verfügt. Wenn bereits die Beziehung zu einem solchen problematisch ist, muss dies erst Recht für den Mehrheitsgesellschafter selbst gelten. Zu beachten ist indes, dass es sich bei Ziffer 5.4.2 DCGK lediglich um eine Empfehlung für börsennotierte Gesellschaften handelt, aus der kein allgemeines Prinzip für die Besetzung von Aufsichtsräten einer Aktiengesellschaft abgeleitet werden kann.494 Zudem sind Personen, die nicht als unabhängig im Sinne dieser Norm gelten, auch nicht schlechthin von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen. Festzuhalten bleibt daher, dass für Aktionäre einer Aktiengesellschaft grundsätzlich keine Einschränkungen im Hinblick auf eine mögliche Aufsichtsratsmitgliedschaft bestehen. Dies spricht indes nicht gegen eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft, denn § 287 Abs. 3 AktG trägt einer spezifischen KGaA-Problematik Rechnung: der Dualität der Gesellschaftergruppen. Anders als in der KGaA sind in der Aktiengesellschaft auch keine Geschäftsleitungsgesellschaften zulässig (§ 76 Abs. 3 AktG), die Sachverhalte also nicht vergleichbar. Nicht zuletzt dürfte gerade Anteilseignern einer KomplementärGesellschaft, die in einer von Ziffer 5.4.2 DCGK ebenfalls problematisierten Beziehung zu einem Organ der KGaA – nämlich der Komplementär-Gesellschaft – stehen, die erforderliche Unabhängigkeit fehlen.495 Dieser Interessenkonflikt wäre institutionalisiert, eine vom üblichen Instrumentarium abweichende Auflösung also gerechtfertigt.
493 Kritisch dazu Lieder, NZG 2005, 569, 571 sowie Lutter, EuZW 2009, 799, 803 f., die die insoweit noch abweichende frühere Fassung des Kodex unter Verweis auf die traditionell wichtige Rolle des Großaktionärs in deutschen Aktiengesellschaften begrüßt haben. Lutter, a.a.O., stellt zudem heraus, dass nicht der Großaktionär vom Vorstand, sondern vielmehr dieser vom Großaktionär abhängig sein dürfte. – Zur Frage des Kontrollbegriffs vgl. Florstedt, ZIP 2013, 337, 340. 494 Dies gilt im Ergebnis auch für § 100 Abs. 5 AktG, der nur auf kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften i.S.d. § 264d HGB anwendbar ist. 495 Zu beachten ist die Formulierung von Ziffer 5.4.2 DCGK („die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann“); es genügt also bereits eine potentielle Konfliktlage, um die Unabhängigkeit in Frage zu stellen.
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j) Vergleich mit der Aufsichtsratsbesetzung in der AG & Co. KG In der AG & Co. KG werden von § 105 Abs. 1 AktG auch Gesellschafter der Kommanditgesellschaft erfasst.496 Der (Pflicht-)Aufsichtsrat ist insoweit aber bei der Komplementär-AG eingerichtet.497 Der Sachverhalt ist mit der vorliegend in Frage stehenden Fallgestaltung – Aufsichtsrat der KGaA und damit der Gesellschaft selbst, Mitgliedschaft von Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft und nicht (nur) der KGaA – also nicht unmittelbar vergleichbar. Wenn allerdings bereits Gesellschafter einer Drittgesellschaft nicht Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft werden können, müssten Mitglieder eines Organs der KGaA – nämlich die Anteilseigner einer geschäftsführenden Komplementär-Gesellschaft – erst Recht inhabil sein. k) Vergleich mit monistischem System Die Mitgliedschaft von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft im Aufsichtsrat der KGaA würde schließlich eine unzulässige Annäherung an die monistische Führungsstruktur bedeuten, denn die klare Trennung von Leitungs- und Kontrollebene würde nivelliert. Zwar sind zwischenzeitlich auch in Deutschland mit SE und SCE monistische Rechtsformen anerkannt; Aktiengesellschaft und insbesondere auch KGaA sind aber weiterhin dualistisch strukturiert. Diese gesellschaftsrechtliche Grundsatzentscheidung darf nicht unterlaufen werden und spricht für eine absolute Inhabilität. l) Offenlegung oder Stimmverbot als mildere Mittel? Möglicherweise ist die Offenlegung des Interessenkonflikts oder zumindest ein punktuelles Stimmverbot ausreichend, der Ausschluss von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat also gar nicht erforderlich. Ausgangspunkt der Überlegungen muss auch hier der Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG sein: die Sicherung der Überwachungsund Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats. Die Interessen der Aufsichtsratsmitglieder sind in der Praxis nicht deckungsgleich, sondern vom beruflichen und privaten Hintergrund der einzelnen Mandatsträger abhängig. Im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit ist aber jedes Mitglied allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet.498 Divergierende Eigen- oder Fremdin496 So jedenfalls Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 4; a.A. tendenziell wohl Hopt/Roth, in: GK AktG, § 105 Rn. 34, die Prokuristen und unbeschränkt Handlungsbevollmächtigten der KGaA die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat einer Komplementär-AG nicht verwehren wollen. 497 In der GmbH & Co. KG ist ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG bzw. §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 MitbestG obligatorischer Aufsichtsrat ebenfalls bei der Komplementär-Gesellschaft einzurichten (vgl. dazu nur Reichert/Ullrich, in: Reichert, GmbH & Co. KG, § 19 Rn. 1). 498 Dies ist zwar nicht gesetzlich kodifiziert, ergibt sich aber aus der Treuepflicht, der aller Aufsichtsratsmitglieder unterliegen (Habersack, in: MK AktG, § 116 Rn. 43; Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1087; Patzina, in: Patzina/Bank/Schimmer/
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
teressen müssen zurücktreten. Ziffer 5.5.2 DCGK sieht daher für börsennotierte Gesellschaften499 vor, dass Interessenkonflikte offengelegt werden sollen. Ein transparent gemachter Interessenkonflikt verliert grundsätzlich an Schärfe.500 Wenn die möglichen Motive bestimmter Handlungsweisen nicht mehr geheim, sondern offenbar sind, ist die Gefahr einer Durchsetzung sachfremder Interessen reduziert. Das befangene Aufsichtsratsmitglied würde – insoweit – zum „gläsernen“ Aufsichtsratsmitglied. Der Interessenkonflikt würde aber dennoch nicht aufgelöst, denn das befangene Aufsichtsratsmitglied bliebe befangen und damit ungeeignet, die dem Aufsichtsrat obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. Insbesondere eine im Vorfeld publik gemachte mögliche Verpflichtung zur Wahrnehmung externer Interessen, wie es § 125 Abs. 1 S. 3 AktG vor der Wahl in den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft fordert, reicht nicht aus, den institutionalisierten Interessenkonflikt aufzulösen.501 Auch § 287 Abs. 3 AktG schließt persönlich haftende Gesellschafter von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat aus, obwohl die Kollisionslage hinreichend bekannt ist. Möglicherweise könnte in diesen Fällen aber ein Stimmverbot ausreichend sein.502 Das Aufsichtsratsmitglied bliebe zwar befangen, die Befangenheit würde sich aber mangels Stimmberechtigung nicht in Abstimmungsergebnissen niederschlagen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem befangenen Aufsichtsratsmitglied nicht nur die Stimmabgabe verboten ist, sondern auch die Teilnahme an der Abstimmung vorgelagerten Diskussionen und Verfahrensentscheidungen. Dagegen spricht indes, dass der Gesetzgeber mit § 287 Abs. 3 AktG eine andere Weichenstellung vorgenommen und sich für den sichersten Weg zur Vermeidung von Interessenkonflikten entschieden hat: dem Verbot der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat. Dies erscheint mit Blick auf die typischerweise und eben nicht nur im Ausnahmefall auftretenden Interessenkonflikte auch angemessen. Ein institutionalisierter Interessenkonflikt ist anders aufzulösen als ein lediglich im Einzelfall zu befürchtender Konflikt.503 Dies gilt für Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft genauso wie für unmittelbar beteiligte persönlich haftende Gesellschafter. Auch Ziffer 5.5.3 Simon-Widmann, Haftung von Unternehmensorganen, Kap. 7 Rn. 48; Spindler, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 116 Rn. 56). Vgl. auch Ziffer 5.5.1 DCGK. 499 Die Anwendbarkeit des Kodex bzw. von § 161 Abs. 1 S. 1 AktG auf KGaA (vgl. dazu oben S. 117, Fn. 472) kann vorliegend dahingestellt bleiben, da es lediglich um den in Ziffer 5.5.2 DCGK enthaltenen Rechtsgedanken geht. 500 Ähnlich Kremer, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Rn. 1098. – Auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind gem. § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG dazu verpflichtet, ihren Kunden mögliche und nicht vermeidbare Interessenkonflikte eindeutig darzulegen, um diese dadurch zumindest zu entschärfen. Die Auflösung geht der Offenlegung indes vor. 501 So auch Kiefer, Anlegerschutz, S. 141 f. 502 So Otte, AG & Co. KGaA, S. 155. 503 Die Überlegungen von Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 2, zur Problematik ehemaliger Vorstandsmitglieder in Aufsichtsräten, die ihre eigenen Entscheidungen überprüfen und daher einzelfallabhängig einem Stimmverbot nach § 34 BGB unterliegen sollen, greifen vorliegend nicht.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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S. 2 DCGK sieht daher vor, dass wesentliche und nicht nur vorübergehende Interessenkonflikte in der Person eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beendigung des Mandats führen sollen. m) Folgen eines fehlerhaft besetzen Aufsichtsrats Die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, die gegen § 287 Abs. 3 AktG verstößt, kann zur Nichtigkeit von im Nachgang gefassten Beschlüssen des Aufsichtsrats führen.504 So ist die Wahl einer inhabilen Person in den Aufsichtsrat nichtig (§ 250 Abs. 1 AktG analog);505 eine vermeintlich gewählte Person wird nicht Mitglied des Aufsichtsrats.506 Beschlüsse eines fehlerhaft besetzten Aufsichtsrats sind wiederum nichtig, wenn die Bestellung des gesamten Aufsichtsrats nichtig ist bzw. der Aufsichtsrat ohne das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied entweder nicht beschlussfähig gewesen ist oder ohne das fehlerhaft bestellte Aufsichtsratsmitglied die erforderliche Mehrheit fehlte.507 Die Beschlussnichtigkeit hat beispielsweise Auswirkungen auf Vertretungshandlungen des Aufsichtsrats, die Wirksamkeit des Jahresabschlusses (§ 256 Abs. 2 AktG) und in der Folge auch auf die Wirksamkeit des 504 Verstöße gegen zwingendes Recht haben – anders als Verstöße gegen bloße Ordnungsund Verfahrensvorschriften – die uneingeschränkte Nichtigkeit im Nachgang gefasster Beschlüsse zur Folge (Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichte, Rn. 738; Schiedermaier/Kolb, in: Beck’sches Hb. AG, § 7 Rn. 168 f.). Die grundsätzliche Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen, die gegen zwingendes Gesetzes- oder Satzungsrecht verstoßen, betont auch BGH, Urteil vom 17. 5. 1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 351 = NJW 1993, 2307, 2309 = ZIP 1993, 1079, 1082. Vgl. zu den Folgen fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse auch Macht, MittBayNot 2004, 81, 86 ff. 505 Für die Aktiengesellschaft bei einem Verstoß gegen § 105 Abs. 1 AktG: LG München I, Urteil vom 15. 4. 2004 – 5 HKO 10813/03, ZIP 2004, 853, 855 = NZG 2004, 626, 627; Drescher, in: Henssler/Strohn, GesR, § 250 AktG Rn. 6; Hüffer., in: MK AktG, § 250 Rn. 18; Koch, in: Hüffer, § 250 Rn. 11; Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1436 ff.; skeptisch, aber im Ergebnis zustimmend Simons, in: Hölters, AktG, § 250 Rn. 19. 506 BGH, Beschluss vom 14. 5. 2013 – II ZB 1/11, NZG 2013, 792, 794 = WM 2013, 1220, 1223 = ZIP 2013, 1274, 1277; Macht, MittBayNot 2004, 81, 85; Simons, in: Hölters, AktG, § 250 Rn. 20; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 250 Rn. 19. 507 BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, BB 2013, 1166, 1168 = NJW 2013, 1535, 1537 = WM 2013, 699, 701; Beschluss vom 14. 5. 2013 – II ZB 1/11, NZG 2013, 792, 794 = WM 2013, 1220, 1223 = ZIP 2013, 1274, 1277; Hüffer, in: MK AktG, § 250 Rn. 21; Simons, in: Hölters, AktG, § 250 Rn. 21; Stilz, in: Spindler/Stilz, AktG, § 250 Rn. 21; Vetter/van Laak, ZIP 2008, 1806, 1808; tendenziell auch BGH, Urteil vom 17. 4. 1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 341, 346 = NJW 1967, 1711, 1712 f. = WM 1967, 603, 604; anders unter Bezugnahme auf die Lehre vom faktischen Organ Bayer/Lieder, NZG 2012, 1, 6 f. sowie grundsätzlich auch Habersack, in: MK AktG, § 101 Rn. 70 (vgl. aber unten unten S. 126, Fn. 509); Schürnbrand, NZG 2008, 609, 610 (vgl. aber unten unten S. 126, Fn. 509) und im Ergebnis auch Priester, GWR 2013, 175, der allerdings eine Ausnahme für Bestellungshindernisse gem. § 100 Abs. 2 AktG – und damit möglicherweise auch gem. § 287 Abs. 3 AktG – erwägt. Vgl. zudem BGH, Urteil vom 24. 6. 2002 – II ZR 296/01, NJW-RR 2002, 1461, 1462 = ZIP 2002, 1619, 1620: Vertretungshandlungen des Aufsichtsrats sind nur wirksam, wenn der Aufsichtsrat ordnungsgemäß besetzt ist.
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Gewinnverwendungsbeschlusses (§ 253 Abs. 1 S. 1 AktG).508 Die eindeutige Abgrenzbarkeit des unter eine Imkompatibilitätsnorm fallenden Personenkreises ist daher im grundlegenden Interesse der Rechtsordnung.509 Im Unterschied zur Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen beispielsweise §§ 112, 114, 115 AktG erweitert auszulegen sind und damit weitere Zuständigkeiten des Aufsichtsrats begründet werden, hat die Frage der Besetzung des Aufsichtsrat nicht nur punktuelle, sondern dauerhafte Bedeutung; die Folgen einer fehlerhaften Besetzung wären deutlich gravierender als ein Fehler bei der Beurteilung, ob der Aufsichtsrat im Einzelfall in eine Entscheidung einzubinden ist oder nicht. Das Bedürfnis nach einer klaren und rechtssicheren Lösung ist daher entsprechend größer. n) Ergebnis systematische Auslegung Die im Zuge der Einordnung von § 287 Abs. 3 AktG in den Gesamtzusammenhang gefundenen Ergebnisse gebieten keine Relativierung der These von der absoluten Inhabilität. Im Gegenteil: insbesondere die Inkompatibilitätsregelung des § 319 Abs. 3 Nr. 1 HGB und die Folgen eines fehlerhaft besetzten Aufsichtsrats legen nahe, dass sowohl zur Vermeidung von Interessenkonflikten als auch aus Gründen der Rechtssicherheit sämtliche Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der KGaA ausgeschlossen sein müssen. 3. Gesetzgebungsgeschichte Die Einführung der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG bzw. der Vorgängervorschrift hatte zum Ziel, insbesondere Interessenkonflikte zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern und Kommanditaktionären auszuschließen.510 Der historische Gesetzgeber war sich indes nicht bewusst, dass auch nicht natür-
508 Vgl. dazu und zu weiteren Fallgestaltungen Macht, MittBayNot 2004, 81, 88 ff. Teilweise zurückhaltender BGH, Urteil vom 19. 2. 2013 – II ZR 56/12, BB 2013, 1166, 1168 f. = NJW 2013, 1535, 1537 f. = WM 2013, 699, 701 f.; dazu kritisch Cziupka/Pitz, NJW 2013, 1539; Kocher, BB 2013, 1170 sowie mit Blick auf die vom BGH offen gelassenen Fragestellungen auch Arnold/Gayk, DB 2013, 1830, 1832 ff. 509 Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426, der allerdings zu Unrecht auf mögliche Folgen für die Wirksamkeit von Organbestellungen verweist; in der KGaA ist der Aufsichtsrat gerade nicht für die Bestellung des Geschäftsleitungsorgans zuständig. – Vetter/van Laak, ZIP 2008, 1806, 1808, weisen zu Recht auf die „gravierenden“ Folgen und „erheblichen Rechtsunsicherheiten“ hin, die von einer erfolgreichen Anfechtung einer Aufsichtsratswahl ausgehen (S. 1813). Die Auswirkungen anhängiger Anfechtungsklagen problematisieren auch Schroeder/Pussar, BB 2011, 1930, 1931 f. – Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 19, § 101 Rn. 72 und Schürnbrand, NZG 2008, 609, 611, halten die Grundsätze über das fehlerhafte Organ wegen der Schwere des Mangels für nicht anwendbar; so im Ergebnis nunmehr auch BGH, Beschluss vom 14. 5. 2013 – II ZB 1/11, NZG 2013, 792, 794 = WM 2013, 1220, 1223 = ZIP 2013, 1274, 1277; a.A. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 21. 510 Vgl. oben S. 67 ff.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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liche Personen als persönlich haftende Gesellschafter in Betracht kommen;511 folglich wurde zu keinem Zeitpunkt erörtert, ob auch Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft als Aufsichtsratsmitglieder ausfallen. Der Gesamtzusammenhang spricht indes – wie bei Geschäftsleitern von persönlich haftenden Gesellschaftern512 – eher dafür, auch diesen Personenkreis von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen, denn die Konfliktlage ist im Ergebnis mit der von unmittelbar beteiligten persönlich haftenden Gesellschaftern vergleichbar.513 Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich andere Normen im Umfeld von § 287 Abs. 3 AktG, nicht aber diesen selbst angepasst hat: So ist die im Zuge der Neufassung des Aktiengesetzes im Jahr 1965 erfolgte Fokussierung von § 105 Abs. 1 AktG auf „Prokuristen oder zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigte Handlungsbevollmächtigte“, die neben Vorstandsmitgliedern und deren dauernden Stellvertretern nicht dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft angehören können – die Vorgängervorschrift sprach zuletzt noch von „leitenden Angestellten“ und ließ damit verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu514 –, zwar aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erfolgt;515 im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass der Gesetzgeber einer extensiven Auslegung von § 287 Abs. 3 AktG implizit eine Absage erteilt und diesen vielmehr für hinreichend klar gefasst – Inhabilität (nur) persönlich haftender Gesellschafter – gehalten haben könnte. Dem ist indes entgegen zu halten, dass die besagte Änderung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als die vorliegende Problematik mangels Anerkennung der atypischen KGaA noch gar nicht virulent gewesen ist. Selbst wenn man dem historischen Gesetzgeber unterstellen würde, mit der Anpassung von § 105 Abs. 1 AktG und der Nichtanpassung von § 287 Abs. 3 AktG zumindest indirekt eine Aussage darüber getroffen zu haben, dass § 287 Abs. 3 AktG nur unmittelbar beteiligte persönlich haftende Gesellschafter erfasst, wäre dies für das heutige Verständnis von § 287 Abs. 3 AktG nicht mehr relevant. In Betracht kommt allenfalls vielmehr, aus dem Bestreben des historischen Gesetzgebers, § 105 Abs. 1 AktG so zu fassen, dass keine Zweifel über die Inhabilität einer Person entstehen, abzuleiten, dass eine analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 511
Vgl. Nachweise oben S. 82, Fn. 306. Vgl. oben S. 78. 513 Vgl. oben S. 105. 514 § 248 Abs. 1 HGB 1897: „Die Mitglieder des Aufsichtsraths können nicht zugleich Mitglieder des Vorstandes oder dauernd Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern sein, auch nicht als Beamte die Geschäfte der Gesellschaft führen.“; § 90 Abs. 1 AktG 1937: „Die Aufsichtsratsmitglieder können nicht zugleich Vorstandsmitglieder oder dauern Vertreter von Vorstandsmitgliedern sein. Sie können auch nicht als Angestellte die Geschäfte der Gesellschaft führen.“ Im Zuge der sukzessiven Ausdehnung der Mitbestimmung wurde § 90 Abs. 1 AktG 1937 in der Folgezeit auf „leitende Angestellte“ verengt, um die Wählbarkeit von Arbeitnehmervertretern zu ermöglichen. (Habersack, in: MK AktG, § 105 Rn. 6; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 105 Rn. 4). 515 Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426. – Für Arbeitnehmervertreter gilt § 105 Abs. 1 AktG nur eingeschränkt, vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 MitbestG. 512
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
AktG ebenfalls zu keinen Unklarheiten über den betroffenen Personenkreis führen darf; dies spräche für eine absolute Inhabilität sämtlicher Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft. Auch aus der Nichtanpassung von § 287 Abs. 3 AktG im Nachgang zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der atypischen KGaA516 kann nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber Anteilseigner einer KomplementärGesellschaft für nicht inhabil hält. Zwar wurde seinerzeit lediglich § 279 AktG neu gefasst,517 dies allerdings im Zuge eines bereits laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts (Handelsrechtsreformgesetz);518 eine Aussage zum Anwendungsbereich von § 287 Abs. 3 AktG war damit dezidiert nicht verbunden. Es bleibt zu konstatieren, dass sich aus der Gesetzgebungsgeschichte zwar keine unmittelbaren Hinweise ergeben, dass § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft analog anzuwenden ist; die geschichtliche Entwicklung von § 287 Abs. 3 AktG spricht aber erst Recht nicht gegen eine absolute Inhabilität. III. Ergebnis § 287 Abs. 3 analog (Gesellschafter) Literatur und Rechtsprechung haben sich bereits vertieft mit der Frage einer analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft beschäftigt. Dabei werden alle drei denkbaren Grundrichtungen vertreten: teilweise wird eine Analogie abgelehnt, teilweise ohne Weiteres, vielfach unter bestimmten Voraussetzungen bejaht. Zur Begründung wird häufig auf den ersten Normzweck Bezug genommen und insoweit insbesondere auf den Einfluss auf die Geschäftsleitung abgestellt. Der zweite Normzweck wird demgegenüber nicht immer hinreichend berücksichtigt. 516 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027. 517 Überdies wurde in § 281 AktG die Verpflichtung gestrichen, in der Satzung den Beruf des persönlich haftenden Gesellschafters anzugeben; Motiv für diese Änderung war aber lediglich, das deutsche Recht mit dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht zu harmonisieren (BRDrs. 340/97, S. 85). 518 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde dem Bundesrat am 23. 5. 1997 zugeleitet (BR-Drs. 340/97). Das Firmenbildungsrecht sollte entschärft und zugleich für alle Rechtsformen vereinheitlicht werden. Für die KGaA war daher vorgesehen, in § 279 AktG das Entlehnungsgebot für die Sachfirma zu streichen und um die Möglichkeit zur Nutzung allgemein verständlicher Abkürzungen der Rechtsform zu ergänzen (S. 74). Unter Bezugnahme auf das zwischenzeitlich veröffentliche Urteil des BGH zur Zulässigkeit der atypischen KGaA hat der Bundesrat am 4. 7. 1997 auf Empfehlung des federführenden Rechtsausschusses, des Ausschusses für innere Angelegenheiten und des Wirtschaftsausschusses vom 23. 6. 1997 (BRDrs. 340/1/97, S. 9) beschlossen, § 279 AktG um einen Absatz 2 zu ergänzen und damit atypische KGaA in analoger Anwendung des § 19 Abs. 2 HGB-E zu verpflichten, die Haftungsbeschränkung in der Firma kenntlich zu machen (Plenarprotokoll, 714. Sitzung, S. 259, 274). Entsprechend wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren beschlossen.
§ 4 Analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG
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Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass beide Normzwecke grundsätzlich von gleicher Relevanz sind, um im Interesse der Gesellschaft wie der Kommanditaktionäre die Voraussetzungen für eine angemessene Aufgabenwahrnehmung des Aufsichtsrats zu schaffen. Macht braucht Kontrolle – das ist im Grundsatz unstreitig. Es besteht daher weitgehend Einvernehmen, dass Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft zumindest dann nicht dem Aufsichtsrat der KGaA angehören dürfen, wenn sie über eine gesicherte Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftsleitung verfügen. Dies wird lediglich vereinzelt unter Verweis auf das vermeintlich ausnahmslos geltende Trennungsprinzip und die wechselnden Umstände des Einzelfalls in Frage gestellt. Demgegenüber wird sehr kontrovers diskutiert, wann von einem Kontrolleur nicht mehr erwartet werden kann, seinen Aufgaben vollständig gerecht zu werden und damit über jeden Zweifel erhaben zu sein. Überwiegend wird dies erst dann angenommen, wenn ein Anteilseigner in der Lage ist, der Geschäftsleitung Weisungen zu erteilen, zum Teil wird zusätzlich darauf abgestellt, ob überhaupt ein entsprechendes Interesse an einer Einflussnahme besteht. Die Zugehörigkeit der Anteilseigner zum Lager der persönlich haftenden Gesellschafter wird vergleichsweise selten thematisiert und – soweit ersichtlich – auch lediglich, um die Interessenverflechtung zu benennen, ohne aber die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen: sowohl eine unbefangene Überwachung der Geschäftsleitung als auch eine konfliktfreie Vertretung der Interessen der Kommanditaktionäre und der Gesellschaft gegenüber der Komplementär-Gesellschaft sind gefährdet, wenn diese mittelbar im Aufsichtsrat vertreten ist. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kann das Maß der Verbundenheit des betroffenen Anteilseigners zur Komplementär-Gesellschaft zwar vergleichsweise gering sein; die Besorgnis der Befangenheit ist aber nicht auszuschließen. Daher und auch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit müssen sämtliche Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen sein – unabhängig von der Beteiligungsquote und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls.519 Nur dies
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Geschäftsleiter, Prokuristen und Generalhandlungsbevollmächtigte der Anteilseigner der Komplementär-Gesellschaft dürften in analoger Anwendung von § 105 Abs. 1 AktG ebenfalls als Aufsichtsratsmitglieder der KGaA ausfallen. Für mittelbar beteiligte Anteileigner, sog. Gesellschafter-Gesellschafter, gilt dies im Ergebnis entsprechend, da auch diese mit der Komplementär-Gesellschaft verbunden sind. Die Konfliktlage ist aber umso geringer, je mittelbarer die Verbundenheit mit und je geringer das wirtschaftliche Interesse an der Komplementär-Gesellschaft ist. Aufsichtsratsmitglieder der Komplementär-Gesellschaft können dem Aufsichtsrat der KGaA gleichermaßen nicht angehören (a.A. Koch, in: Hüffer, AktG, § 287 Rn. 4; Otte, AG & Co. KGaA, S. 148 und Wollburg, in: FS Hoffmann-Becking, S. 1425, 1430 f., unter Verweis auf die fehlende Leitungsfunktion; nach der hier vertretenen Auffassung ist ein Näheverhältnis zur Komplementär-Gesellschaft aber ausreichend; dies bestätigt auch ein Vergleich mit § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO, nach dem „Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners“ als nahestehende Personen einer juristischen Person gelten).
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2. Teil: Inhabilität von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
wird dem Normzweck von § 287 Abs. 3 AktG gerecht. Weder der Gesamtzusammenhang noch die Gesetzgebungsgeschichte sprechen gegen eine absolute Inhabilität.
Dritter Teil
Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern einer Komplementär-Gesellschaft in analoger Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG In der Hauptversammlung kommen die Kommanditaktionäre der KGaA zusammen.520 Allerdings haben auch die persönlich haftenden Gesellschafter ein Recht, an der Hauptversammlung teilzunehmen, und sind dazu regelmäßig sogar verpflichtet.521 Die persönlich haftenden Gesellschaften können – anders als in einer Kommanditgesellschaft – insbesondere aber auch am Kommanditkapital beteiligt sein. Dann haben sie grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie ein normaler Kommanditaktionär.522 § 285 Abs. 1 S. 1 AktG stellt klar, dass diese Doppelstellung auch einer Stimmberechtigung in der Hauptversammlung prinzipiell nicht entgegensteht.523 Das Stimmrecht kann aber unter anderem bei Beschlussfassungen über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats nicht ausgeübt werden (§ 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG).524 Ähnlich wie bei § 287 Abs. 3 AktG ist auch hier fraglich, ob und ggf. inwieweit das Stimmausübungsverbot im Falle einer Komplementär-Gesellschaft auf deren Geschäftsleiter bzw. Anteilseigner durchschlägt.
520 Die Zuständigkeiten ergeben sich im Wesentlichen aus §§ 119 Abs. 1, 286 Abs. 1 AktG. Kataloge der ausschließlichen und nicht ausschließlichen Zuständigkeiten finden sich bei Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 19 f. 521 Koch, in: Hüffer, AktG, § 278 Rn. 17; Maul, in: Beck’sches Hb. AG, § 4 Rn. 189; Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 5 f. Differenzierend Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 4, der eine Teilnahmepflicht nur bejaht, soweit es um Angelegenheiten geht, die mit der Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafter zusammenhängen und folgerichtig eine Teilnahmepflicht für nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter ausschließt; ähnlich unter Verweis auf §§ 278 Abs. 3, 118 Abs. 3 AktG auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 7. – Ein Teilnahmerecht für Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft bejaht auch Kölling, Anlegerschutz, S. 40 f. – Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 9, weisen darauf hin, dass die persönlich haftenden Gesellschafter von der Teilnahme an der Hauptversammlung ausgeschlossen werden können. 522 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 100. 523 Anders noch die Rechtslage bis zur Aktienrechtsreform 1937, vgl. dazu nur Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 13 sowie unten S. 144 ff. 524 Dies gilt für Verfahrens- wie für Sachanträge; im Übrigen bleiben die Aktionärsrechte unberührt (Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 24; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 15; Koch, in: Hüffer, AktG, § 285 Rn. 1; Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 18).
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
§ 5 Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG A. Normzweck Zur Beantwortung dieser Frage ist es angezeigt, sich zunächst über den Normzweck von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG klar zu werden. Erst auf dieser Basis kann das Für und Wider einer analogen Anwendung auf Geschäftsleiter und Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft diskutiert werden. I. Darstellung der Literatur und Rechtsprechung Das in § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG normierte Stimmausübungsverbot wird seit jeher damit begründet, dass der Aufsichtsrat die Geschäftsführung der persönlich haftenden Gesellschafter zu überwachen habe und daher von diesen unabhängig sein müsse.525 Die Kontrollierten sollen ihre Kontrolleure nicht selbst bestimmen.526 Darüber hinaus gelte es, eine konfliktfreie Vertretung der Nur-Kommanditaktionäre zu gewährleisten.527 Ähnlich wie § 287 Abs. 3 AktG verfolge § 285 Abs. 1 S. 2 AktG also einen doppelten Schutzzweck.528 II. Untersuchung Grundsätzlich können auch persönlich haftende Gesellschafter, die gleichzeitig Kommanditaktien halten, mit den auf diese entfallenden Stimmrechten an Abstimmungen teilnehmen;529 anderenfalls würde die Hauptversammlung nicht die tatsächlichen Anteilsverhältnisse widerspiegeln, die Mehrheitsbildung wäre ver525 So bereits Schlegelberger, AktG, § 227 Anm. 3; Weipert, in: GK AktG, 1. Aufl., § 227 Anm. 4; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 285 Anm. 5. Vgl. aus der neueren Literatur nur Ek/Schiemzik, BB 2006, 456, 457; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 46; Koch, in: Hüffer, AktG, § 285 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 13 f.; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 285 Rn. 2; Nicolas, in: Henn/Frodermann/Jannott, Hb. AktR, 17. Kapitel Rn. 189; Otte, AG & Co. KGaA, S. 166 sowie auch OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 220. – Zur historischen Entwicklung Dreisow, BB 1977, 851, 852; Förl, KGaA, S. 33. 526 K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 16. 527 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 285 AktG Rn. 3; Beyer, in: Die Private AG, S. 431, 477; Kiefer, Anlegerschutz, S. 75; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 154; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 14; Wilhelmi, in: Godin/Wilhelmi, AktG, § 285 Anm. 5. – Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 16, hält mit Blick auf die Rechtslage in der Aktiengesellschaft sogar nur den zweiten Normzweck für relevant; auch Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 25, betont diesen Gesichtspunkt. 528 Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 420, verweist auf die gleiche Zielrichtung von § 285 Abs. 1 S. 2 AktG und § 287 Abs. 3 AktG. 529 Auf die Sondereinlage entfällt kein Stimmrecht. Prägnant Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 13: „Kein Stimmrecht ohne Aktie“.
§ 5 Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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fälscht.530 Von diesem Grundsatz gibt es aber sechs wichtige Ausnahmen: die persönlich haftenden Gesellschafter können ihr Stimmrecht gem. § 285 Abs. 1 S. 2 AktG weder für sich noch für einen anderen531 ausüben bei Beschlussfassungen über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats (Nr. 1), die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter und der Mitglieder des Aufsichtsrats (Nr. 2), die Bestellung von Sonderprüfern (Nr. 3), die Geltendmachung von Ersatzansprüchen (Nr. 4), den Verzicht auf Ersatzansprüche (Nr. 5) und die Wahl von Abschlussprüfern (Nr. 6). Die Stimmverbote sind Ausdruck des allgemeinen verbandsrechtlichen Prinzips, das Stimmrecht in bestimmten Konfliktlagen nicht bloß einer Inhaltskontrolle zu unterwerfen, sondern ganz auszuschließen.532 Karsten Schmidt hat mit Blick auf § 47 Abs. 4 GmbHG formuliert: „Wo eine die Mehrheitsentscheidung legitimierende Synthese von Verbands- und Eigeninteressen und damit die Richtigkeitsgewähr [der Verbandswillensbildung] in abstracto nicht mehr erwartet werden kann,“ müsse der befangene Gesellschafter von der Abstimmung ausgeschlossen werden.533 Gesellschaftsfremde Sonderinteressen sollen nicht auf die Willensbildung der Gesellschaft durchschlagen. § 285 Abs. 1 S. 2 AktG ist damit ein „wichtiger Baustein des institutionellen Anlegerschutzes“.534 Der Eingriff in die Rechte der im Stimmrecht suspendierten persönlich haftenden Gesellschafter wird allerdings durch § 285 Abs. 2 S. 1 AktG relativiert, der in wichtigen Angelegenheiten einen Konsens zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern und Kommanditaktionären fordert.535 1. Funktion des Stimmausübungsverbots des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG Das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG dient der Funktionssicherung des Aufsichtsrats und bezweckt – wie die Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG – zweierlei:
530
Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 13; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 45. – Dies war im Übrigen der Grund für die Aufhebung des Stimmrechtsausschlusses im Zuge der Aktienrechtsnovelle 1937 (Schlegelberger, AktG, § 227 Rn. 1). 531 Das Verbot, das Stimmrecht nicht für einen anderen auszuüben (S. 2), wurde ebenso wie das Verbot, das eigene Stimmrecht durch einen anderen ausüben zu lassen (S. 3), im Zuge der Aktienrechtsnovelle 1965 implementiert (Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 1). 532 Gehrke, Stiftung & Co. KGaA, S. 16, weist darauf hin, dass das Stimmrecht nicht entzogen, sondern nur dessen Ausübung untersagt ist. 533 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 100. 534 Heineke, Anlegerschutz, S. 87. Ähnlich K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 702: „Die Stimmverbote beruhen auf dem Grundgedanken, dass die Vorstandsfunktion der Komplementäre zu Interessenkollision bei der Ausübung ihnen etwa zustehender Aktionärsrechte führt.“ 535 Binz/Sorg, GmbH & Co. KG, S. 633; Kiefer, Anlegerschutz, S. 75 f. – Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 67, betonen, dass es lediglich um ein Vetorecht geht, der persönlich haftende Gesellschafter aus dieser Rolle heraus also nicht gestalten kann.
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
a) Sicherung der Kontrollfunktion Zum einen geht es um die Sicherung der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats. Zwar sind Aufsichtsratsmitglieder an keine Weisungen gebunden, können ihr Mandat also unabhängig wahrnehmen. Es bestünde aber die Besorgnis, dass Aufsichtsratsmitglieder, die auf Vorschlag der persönlich haftenden Gesellschafter und insbesondere mit deren Stimmen in den Aufsichtsrat gewählt worden sind, gerade nicht unabhängig agieren. Zudem könnten Aufsichtsratsmitglieder mit Blick auf die latente Gefahr, wieder abberufen zu werden, geneigt sein, den Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter nicht zuwider zu handeln; „strenge“ Kontrollen des Geschäftsleitungsorgans dürften dann – zumindest bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen – unterbleiben. Das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG dient der Vermeidung derartiger typischer Interessenkollisionen;536 einer konkreten Konfliktlage bedarf es nicht. b) Sicherung der Vertretungsfunktion Zum anderen soll das Stimmausübungsverbot gewährleisten, dass der Aufsichtsrat sowohl die Kommanditaktionäre als auch die Gesellschaft gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern unbefangen vertreten kann. Die Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats könnte gestört werden, wenn persönlich haftende Gesellschafter über dessen Mitglieder (mit-)entscheiden. Der Schutz der Vertretungsfunktion wird auch insofern deutlich, als das Stimmverbot für alle persönlich haftenden Gesellschafter gilt, also auch für solche, die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind.537 Die Sicherung der Vertretungsfunktion könnte angesichts einer fehlenden entsprechenden Regelung für die Aktiengesellschaft – Vorstandsmitglieder dürfen als Aktionäre an der Wahl des Aufsichtsrats teilnehmen – sogar überwiegen. In diese Richtung wurde bereits 1932 im Rahmen der Vorbereitung der Aktienrechtsnovelle 1937 seitens der damaligen Reichsregierung argumentiert.538 Bis zu Aktienrechtsnovelle 1937 durften persönlich haftende Gesellschafter überhaupt nicht mitabstimmen. Mit Blick auf die Sachlage in der Aktiengesellschaft – Stimmrecht der Vorstandsmitglieder – wurde diskutiert, auch in der KGaA Stimmrechte ohne Einschränkungen zuzulassen. Dagegen wurde zu Recht eingewendet, dass der Auf536
Daher ist es auch geschäftsführungsbefugten Kommanditaktionären untersagt, an Beschlussfassungen über die Besetzung des Aufsichtsrats teilzunehmen. Vgl. zur Inhabilität von diesem Personenkreis oben S. 60. 537 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 285 AktG Rn. 4; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 16; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 464; Förl/Fett, in: HK AktG, § 285 Rn. 2; Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426; Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 16; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 16; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 410. Differenzierend Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 7, 18, 20, 22 (zu Nr. 3, 4, 6). 538 Vgl. dazu unten S. 145.
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sichtsrat in der KGaA – anders als in der Aktiengesellschaft – ein „ausgleichendes Moment im Interesse der Kommanditisten“539 sicherstelle. Dennoch erscheint es nicht angemessen, den zweiten Normzweck über den ersten Normzweck zu stellen: dem Aufsichtsrat der KGaA obliegen sowohl Kontroll- als auch Vertretungsaufgaben; letztere werden zudem nicht nur im Interesse der Kommanditaktionäre wahrgenommen. Es wäre daher zu weitgehend, insbesondere auf die Sicherung der ordnungsgemäßen Vertretung der Kommanditaktionäre abzuheben. c) Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG gewährleistet gleichermaßen die Überwachungsund die Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats. Die Wahrnehmung beider Aufgaben könnte gestört werden, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats (mit-)entscheiden.540 Zwar ist die Intensität einer möglichen Beeinflussung der Entscheidungsfindung des Aufsichtsrats geringer als bei einer eigenen Mitgliedschaft; es besteht aber die Möglichkeit, dass ein von den persönlich haftenden Gesellschaftern gewähltes Aufsichtsratsmitglied seine Aufgaben nicht unabhängig von deren Interessen wahrnimmt. 2. Suspendierung etwaiger Entsendungsrechte Mitglieder des Aufsichtsrats können in diesen nicht nur gewählt, sondern auch entsandt werden (§ 278 Abs. 3 i.V.m. § 101 Abs. 1 S. 1 AktG); dies gilt allerdings für maximal ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder (§ 101 Abs. 2 AktG). Soweit ein Stimmausübungsverbot besteht, kann nach allgemeiner Ansicht von etwaigen Entsendungsrechten erst Recht kein Gebrauch gemacht machen.541 Überträgt ein persönlich haftender Gesellschafter eine Aktie und das mit dieser verbundene Ent539 So der Vertreter der Regierung in der 10. Sitzung des Aktienrechtsausschusses des vorläufigen Reichswirtschaftsrats vom 1. 12. 1932, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 595, 603 – Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 42, sprechen von der „Funktion eines Gegengewichts“. 540 Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 46. – Folgerichtig sind die persönlich haftenden Gesellschafter entgegen des Wortlaufs von § 30 Abs. 1 S. 1 AktG auch von der Bestellung des ersten Aufsichtsrats ausgeschlossen; auch dies obliegt allein den Nur-Kommanditaktionären (Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 280 Rn. 6; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 280 Rn. 4). 541 OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 220; Assmann/ Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 6; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 16, § 287 Rn. 4; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 466; Ek/Schiemzik, BB 2006, 456, 457; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 48; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 45; Kersting, WuB II B. § 287 1.06; Kessler, NZG 2005, 145, 150; Kiefer, Anlegerschutz, S. 80; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1302; Pühler, in: Happ, AktR, S. 194; Saenger/Kessler, EWiR 2003, 1167, 1168; Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 26; Schlitt, Satzung, S. 165. Ähnlich Otte, AG & Co. KGaA, S. 150 sowie K. Schmidt, in: FS Priester, S. 691, 705 (analog § 287 Abs. 3 AktG).
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
sendungsrecht an eine dritte Person, kann diese das Entsendungsrecht nutzen;542 eine „Infizierung“ findet jedenfalls dann nicht statt, wenn die dritte Person in ihrer Entscheidung über die Entsendung frei ist. Ein persönliches Näheverhältnis zu einem persönlich haftenden Gesellschafter soll dabei ebenso wenig schaden wie eine etwaige vertragliche Rückübertragungspflicht der Aktie samt des Entsendungsrechts.543 Zumindest letzteres erscheint problematisch, wenn die Rückübertragungspflicht zur Folge hat, dass auf den Erwerber ein latenter Druck lastet, nach den Vorstellungen des persönlich haftenden Gesellschafters zu entsenden, um das Entsendungsrecht und insbesondere das Vermögensrecht der Aktie nicht wieder zu verlieren. 3. Schutz vor Umgehungen Umgehungen des Stimmrechtsausschlusses sind ebenfalls unzulässig: sowohl die Stimmausübung „für einen anderen“ (§ 285 Abs. 1 S. 2 AktG) als auch „durch einen anderen“ (§ 285 Abs. 1 S. 3 AktG) sind der eigenen Stimmausübung eines persönlich haftenden Gesellschafters gleichgestellt. Dies gilt auch für Treuhandkonstruktionen.544 Das Stimmausübungsverbot schlägt zudem auf die von einem persönlich haftenden Gesellschafter (mit-)beherrschte Gesellschaft durch.545 4. Ausnahme Eine Ausnahme vom Stimmverbot gilt lediglich dann, wenn die persönlich haftenden Gesellschafter alle Kommanditaktien halten („Gesellschaftergruppenidentität“) und auch sämtlich geschäftsführungsbefugt sind, also im Falle gleichmäßiger Befangenheit.546 Insoweit fehlt es insbesondere an schutzbedürftigen Nur-Kom542
BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 201 = NJW 2006, 510, 513 = ZIP 2006, 177, 180. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 101, weist allerdings zu Recht darauf hin, dass im Falle einer Anteilsveräußerung zur Umgehung des Stimmrechtsverbots dieses auch den Erwerber erfasst. 543 OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 218; zustimmend Otte, AG & Co. KGaA, S. 150. 544 Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 285 AktG Rn. 4; Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 19. 545 Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 19, mit der Einschränkung, dass dies jedenfalls für Gesellschaften gelte, deren zumindest wesentliche Geschäftstätigkeit das Halten und Verwalten der Kommanditaktien sei. 546 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 35; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 24. Weitergehend – unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis – Bachmann, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 285 Rn. 28; Dreisow, DB 77, 851, 852; Förl, KGaA, S. 34; Joens, Gesellschafter, S. 58; Kiefer, Anlegerschutz, S. 75; Schlitt, Satzung, S. 206 und K. Schmidt, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 285 Rn. 13; für eine Ein-Mann-KGaA auch Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 285 Rn. 3. Restriktiver Blaurock, in: Wachter, AktG, § 285 Rn. 4, der eine Ausnahme nur für die Ein-Mann-KGaA zulässt; Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 426, der eine vollständige Gesellschafteridentität fordert, sowie insbesondere Schlegelberger/Quassowski, in: Schlegelberger, AktG, § 229 Rn. 2, die eine Wahl durch die persönlich haftenden Gesellschafter für un-
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manditaktionären; etwaige Interessen der – rechtlich verselbständigten – KGaA müssen hinter dem Bedürfnis, den Pflicht-Aufsichtsrat ohne gerichtliche Hilfe besetzen zu können, zurücktreten.547 5. Folgen eines Verstoßes Eine entgegen § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG abgegeben Stimme ist gem. § 134 BGB nichtig. Wird die nichtige Stimme dennoch mitgezählt, kann der entsprechende Beschluss der Hauptversammlung und damit die Aufsichtsratswahl gem. § 243 Abs. 1 AktG angefochten werden.548 Die Anfechtung ist indes nur erfolgreich, wenn das Abstimmungsergebnis mit der zu Unrecht berücksichtigten Stimme steht oder fällt; der Fehler muss für das Abstimmungsergebnis also kausal bzw. relevant sein.549 III. Ergebnis Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG Das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG sichert in Erweiterung der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats und damit sowohl dessen Kontroll- als auch dessen Vertretungsfunktion. Der doppelte Normzweck ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, obgleich teilweise – zu Unrecht – nur auf einen der beiden Normzwecke fokussiert wird.
B. Systematische Auslegung Die Überlegungen zum Normzweck können durch eine Einordnung der Norm in den Gesamtzusammenhang bestätigt, ergänzt oder ggf. sogar korrigiert werden. Daher gilt es zu prüfen, wie der Gesetzgeber vergleichbare Konfliktlagen in anderen Gesellschaftsrechtsformen gelöst hat und ob die anderen Stimmausübungsverboten inne wohnenden Erwägungen vorliegend fruchtbar gemacht werden können.
zulässig halten und auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Bestellung verweisen. – Otte, AG & Co. KGaA, S. 167 f., hält § 285 Abs. 1 S. 2 AktG für entbehrlich, wenn sämtliche Kommanditaktien bei den Mitgliedern des Vorstands der Komplementär-AG liegen. 547 Demgegenüber bedarf § 287 Abs. 3 AktG zur Sicherung der Verbandssouveränität keiner entsprechenden Einschränkung (vgl. dazu oben S. 69). 548 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 29; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 285 Rn. 5; Otte, AG & Co. KGaA, S. 167; Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 23. 549 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 47; Drescher, in: Henssler/Strohn, GesR, § 243 AktG Rn. 17; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 243 Rn. 122, 125. – Für Verstöße gegen § 136 Abs. 1 AktG gilt dies entsprechend, vgl. nur Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 24; Krenk/ Pluta, in: Heidel, AktR, § 136 AktG Rn. 21; Semler, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 38 Rn. 37.
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
I. Aufsichtsratswahl in anderen Gesellschaftsrechtsformen Neben der KGaA verfügen auch Aktiengesellschaft und Genossenschaft sowie ihre europäischen Schwestergesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur über Pflichtaufsichtsräte. 1. Aufsichtsratswahl in der Aktiengesellschaft/SE Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft können an der Wahl des Aufsichtsrats teilnehmen, wenn sie über entsprechende stimmberechtigte Aktien verfügen; ein Stimmausübungsverbot besteht nicht.550 Für die SE mit dualistischer Führungsstruktur gilt dies entsprechend, insbesondere Art. 40 Abs. 2 S. 1 SE-VO sieht keinerlei Einschränkungen vor. Persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA unterliegen mit § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG also einer restriktiveren Regelung. Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft ist ebenfalls für die Überwachung der Geschäftsführung und die Vertretung der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern zuständig (§§ 111 Abs. 1, 112 AktG). Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber mit dem Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG nicht einen identischen Sachverhalt anders regeln wollte, sondern vielmehr allein darauf abgezielt hat, eine unbefangene Vertretung der Interessen der Kommanditaktionäre zu ermöglichen.551 Eine solche Auslegung würde allerdings der besonderen Stellung der persönlich haftenden Gesellschafter als geborene Geschäftsführer der KGaA nicht vollständig gerecht; gerade diese bedürfen einer Kontrollinstanz, die frei von den Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter agieren und damit etwaige Pflichtverstöße aufdecken kann – auch und gerade mit Blick auf die fehlende Möglichkeit zur Abberufung eines persönlich haftenden Gesellschafters analog § 84 Abs. 3 AktG.552 Das im Vergleich zur Aktiengesellschaft schärfere Stimmausübungsverbot kann also sowohl mit dem ersten Normzweck – Sicherung der Trennung von Geschäftsführung und Kontrolle – als auch mit dem zweiten Normzweck – Sicherung der 550 Hingewiesen sei aber auf § 124 Abs. 3 S. 1 HS. 2 AktG; danach obliegen – abweichend vom Grundsatz, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung zu jedem Tagesordnungspunkt Vorschläge zur Beschlussfassung machen – Beschlussvorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern und Prüfern alleine dem Aufsichtsrat. Damit soll eine Einflussnahme des Vorstands auf die Zusammensetzung seines Überwachungsorgans bzw. die Wahl sonstiger Prüfer unterbunden werden (BGH, Urteil vom 25. 11. 2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 35 f. = NJW 2003, 970, 971 = ZIP 2003, 290, 291 f.; Koch, in: Hüffer, AktG, § 124 Rn. 18; Kubis, in: MK AktG, § 124 Rn. 30; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 28). 551 So Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 16. Tendenziell auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 7; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 324. 552 Ähnlich Heineke, Anlegerschutz, S. 96 sowie bereits Schlegelberger, AktG 1939, § 227 Anm. 1.
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Vertretung von KGaA und Kommanditaktionären und damit der Machtverteilung zwischen den Gesellschaftergruppen553 – gerechtfertigt werden. 2. Aufsichtsratswahl in der Genossenschaft/SCE Auch in der Genossenschaft können Mitglieder des Vorstands an der Wahl des Aufsichtsrats teilnehmen; eine § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG entsprechende Regelung fehlt.554 Lediglich die Mitgliedschaft in beiden Organen ist inkompatibel (§ 37 Abs. 1 S. 1 GenG). Damit stellt sich die Rechtslage in der Genossenschaft wie die in der Aktiengesellschaft dar, unterscheidet sich also von der Rechtslage in der KGaA. Dem Aufsichtsrat obliegt auch in der Genossenschaft die Überwachung des Vorstands und die Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern (§§ 38 Abs. 1 S. 1, 39 Abs. 1 S. 2 GenG). Anders als in der KGaA werden die Geschäftsleiter einer Genossenschaft aber gekoren, und zwar grundsätzlich von der Generalversammlung (§ 24 Abs. 2 S. 1 AktG); sie können von dieser jederzeit und ohne Angabe von Gründen wieder abberufen werden.555 Demgegenüber verfügt die KGaA mit ihren persönlich haftenden Gesellschaftern über geborene Geschäftsleiter, denen nicht ohne Weiteres die Geschäftsführungs- und/oder Vertretungsbefugnis entzogen werden kann.556 Die Überwachung von deren Geschäftsleitungstätigkeit ist daher umso wichtiger und setzt ein vom Einfluss der persönlich haftenden Gesellschafter völlig unabhängiges Überwachungsorgan voraus. 3. Ergebnis Das die persönlich haftenden Gesellschafter treffende Stimmausübungsverbot ist in der KGaA – anders als in Aktiengesellschaft, Genossenschaft und deren europäischen Schwestergesellschaften mit dualistischer Führungsstruktur – bereits mit Blick auf die geborenen Geschäftsleiter geboten; ein weiterer Grund für die restriktivere Regelung in der KGaA ist die besondere Vertretungsfunktion des Aufsichtsrats. II. Allgemeine Stimmausübungsverbote Das besondere Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG sollte idealerweise mit den allgemeinen Stimmausübungsverboten harmonieren bzw. deren Wertungen zumindest nicht grundlos konterkarieren. 553
Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 7; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 324. Entsprechendes gilt für die SCE mit dualistischer Führungsstruktur ; insbesondere Art. 39 Abs. 2 S. 1 SCE-VO sieht keine Stimmrechtseinschränkungen für Mitglieder des Leitungsorgans vor. 555 Geibel, in: Henssler/Strohn, GesR, § 24 GenG Rn. 11; Fandrich, in: Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, § 24 Rn 21. 556 Vgl. zu den Voraussetzungen Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 278 Rn. 165 f. 554
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
1. Aktienrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen Der auch in der KGaA anwendbare § 136 Abs. 1 AktG schützt – ebenso wie die grundsätzlich vergleichbaren Stimmrechtsausschlüsse in §§ 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG, 113 Abs. 2 HGB und 34 BGB – die übrigen Aktionäre vor den Sonderinteressen einzelner Mitgesellschafter.557 Bei Beschlussfassungen über die Entlastung, die Befreiung von einer Verbindlichkeit oder die Geltendmachung eines Anspruchs ist typischerweise zu erwarten, dass der betroffene Gesellschafter sich nicht allein vom Gesellschaftsinteresse leiten lässt.558 Die außerhalb des Gesellschaftszwecks liegenden Eigeninteressen müssen daher neutralisiert werden; daher wird in bestimmten Konfliktlagen das Stimmrecht ausgeschlossen, um den Willensbildungsprozess der Gesellschaft nicht zu verfälschen.559 Der Gesetzgeber hat allerdings darauf verzichtet, ein generelles Stimmausübungsverbot zu formulieren, sondern für jeden Verband spezifische Fallgestaltungen herausgegriffen.560 Diese beruhen mit dem Verbot des Richtens in eigener Angelegenheit sowie dem Verbot der Selbstkontraktion indes auf denselben Leitlinien.561 Eine analoge Anwendung der normierten Stimmausübungsverbote auf andere Interessenkollisionen ist daher nicht zulässig,562 wohl aber eine Ausdehnung auf vergleichbare Konflikte im Wege der Einzelanalogie.563 Zudem kann ggf. die be557
Krenk/Pluta, in: Heidel, AktR, § 136 AktG Rn. 1; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 1; zu § 47 Abs. 4 GmbHG: Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 28; Siegmund, BB 1981, 1674; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 76; zu § 34 BGB: Reuter, in: MK BGB, § 34 Rn. 1. 558 Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 1; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 5. 559 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 28; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 99 f.; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 76. 560 Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 21. – In Aktiengesellschaft und Genossenschaft können Gesellschafter nicht über die eigene Entlastung, die eigene Befreiung von einer Verbindlichkeit und die eigene Inanspruchnahme mitentscheiden. In der GmbH werden zusätzlich, im Vereinsrecht lediglich Beschlussfassungen über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erfasst; über die Inanspruchnahme eines Gesellschafters darf zudem nur dann nicht mitbestimmt werden, wenn es um die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits geht. In Handelsgesellschaften beschränkt sich das Stimmausübungsverbot auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot. 561 Krenk/Pluta, in: Heidel, AktR, § 136 AktG Rn. 2. Den ersten Gesichtspunkt betont mit Blick auf § 47 Abs. 4 GmbHG auch BGH, Urteil vom 20. 1. 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33 = NJW 1986, 2051, 2052 = ZIP 1986, 429, 430; Urteil vom 7. 2. 2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917, 918 = WM 2012, 895, 897. Arnold, KGaA, S. 101, weist darauf hin, dass es sich beim Verbot des Richtens in eigener Angelegenheit um ein allgemeinen Prinzip handele. 562 Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 17; Otte, AG & Co. KGaA, S. 153; Schlitt, Satzung, S. 206; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 24; Semler, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 38 Rn. 27 f. 563 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 43; Krenk/Pluta, in: Heidel, AktR, § 136 AktG Rn. 4; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 22; Semler, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 38 Rn. 31; zu § 47 Abs. 4 GmbH auch BGH, Urteil vom 20. 01. 1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28,
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wegliche Schranke des Stimmrechtsmissbrauchs zum Tragen kommen, wenn im Einzelfall die Stimmausübung gegen die mitgliedschaftliche Treuepflicht verstößt.564 Die allgemeinen Stimmrechtsausschlüsse schlagen auf etwaige Vertreter des betroffenen Gesellschafters durch; es liegt auf der Hand, dass die Befugnisse eines Vertreters nicht über die des Vertretenen hinaus gehen können.565 Demgegenüber belasten die Stimmverbote naher Angehöriger einen Gesellschafter grundsätzlich nicht.566 In der Ein-Mann-Gesellschaft und bei gleichmäßiger Befangenheit aller Gesellschafter finden sie keine Anwendung.567 2. Personengesellschaftsrechtliche Stimmrechtsbeschränkungen Neben dem aktienrechtlichen Stimmverbot des § 136 Abs. 1 AktG können in der KGaA über § 278 Abs. 2 AktG auch personengesellschaftsrechtliche Stimmverbote relevant werden, wenn es um Beschlussfassungen innerhalb der Gruppe der persönlich haftenden Gesellschafter geht.568 Anerkannt sind insoweit sämtliche Fallgruppen der §§ 136 Abs. 1 AktG, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG und 34 BGB; zudem können Gesellschafter nicht an Abstimmungen teilnehmen, in denen über Maßnahmen gegen sie selbst beschlossen werden soll, die einen wichtigen Grund erfordern (z.B. Entzug der Geschäftsführungsbefugnis, § 117 HGB).569 Ist ein Gesellschafter danach von der Stimmabgabe ausgeschlossen, wirkt sich dies mittelbar auch auf Beschlussfassungen der Hauptversammlung aus. Grundsätzlich gelten insoweit zwar lediglich die Schranken des § 136 Abs. 1 AktG. Geht es aber um Maßnahmen, die eines Zusammenwirkens der persönlich haftenden Gesellschafter und der Hauptversammlung bedürfen, unterliegen kraft Personengesellschaftsrecht 33 = NJW 1986, 2051, 2052 = ZIP 1986, 429, 430 sowie K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 101; zu § 34 BGB tendenziell auch Reuter, in: MK BGB, § 34 Rn. 3. 564 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 32, 51; Reuter, in: MK BGB, § 34 Rn. 18; Siegmund, BB 1981, 1679. 565 Drescher, in: MK GmbHG, § 47 Rn. 192; Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 7; Pluta, in: Heidel, AktR, § 136 AktG Rn. 16; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 30; Semler, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 38 Rn. 30; Reuter, in: MK BGB, § 34 Rn. 8. 566 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 30; Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 16; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 33. Vgl. auch BGH, Urteil vom 7. 2. 2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917, 921 = WM 2012, 895, 900. 567 BGH, Beschluss vom 12. 7. 2011 – II ZR 58/10, NJW-Spezial 2011, 529 = NZG 2011, 950, 951 (Ein-Mann-AG); Beschluss vom 24. 10. 1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, 333 = NJW 1989, 295, 297 (Ein-Mann-GmbH); Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 29; Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 5; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 105; Schröer, in: MK AktG. § 136 Rn. 16; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 94. 568 Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 39 ff.; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 11; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 63. 569 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 21, K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 23.
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
suspendierte persönlich haftende Gesellschafter auch in der Hauptversammlung einem Stimmausübungsverbot; anderenfalls könnten diese die notwendige Beschlussfassung indirekt blockieren.570 Relevant wird dies allerdings nur für Beschlussfassungen über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits bzw. über Entscheidungen, die einen wichtigen Grund erfordern; im Übrigen greifen bereits die aktienrechtlichen Stimmverbote der §§ 136 Abs. 1, 285 Abs. 1 S. 2 AktG bzw. im Falle der Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit einem persönlich haftenden Gesellschafter die Kompetenzregelung des § 112 AktG. 3. Ergebnis Die allgemeinen Stimmausübungsverbote qua Aktien- oder Personengesellschaftsrecht gelten zwar auch in der KGaA, erfassen aber nicht die in § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG normierte Fallgestaltung. Sie zielen wie die KGaA-spezifische Sonderregelung darauf ab, eine von sachfremden Einzelinteressen unabhängige und damit insoweit fehlerfreie Willensbildung der Gesellschaft zu gewährleisten. Die zu Grunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen stehen also im Einklang. Dies bedeutet aber nicht, dass § 285 Abs. 1. S. 2 Nr. 1 AktG entbehrlich wäre, denn mangels einer im Tatbestand hinreichend vergleichbaren Interessenkollisionslage scheidet eine analoge Anwendung der allgemeinen Stimmrechtsbeschränkungen auf den vorliegenden Sachverhalt aus. Die spezifische Stimmrechtsbeschränkung des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ist also erforderlich und fügt sich in den systematischen Kontext ein. III. Stimmausübungsverbot bei der Aufsichtsratswahl wechselseitig beteiligter Unternehmen Ein Unternehmen, das mit einem börsennotierten Unternehmen dergestalt verflochten ist, dass jedem Unternehmen mehr als 25 Prozent und weniger als 50 Prozent der Anteile des anderen Unternehmens gehören, ohne dass ein Unternehmen auf das andere Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (sog. wechselseitige Beteiligung, § 19 Abs. 1 AktG), kann sein Stimmrecht bei der Wahl des Aufsichtsrats des anderen Unternehmens nicht ausüben (§ 328 Abs. 3 AktG). Damit wird § 328 Abs. 1 AktG verschärft, der den Gefahren einer wechselseitigen Beteiligung – mittelbare Beteiligung an sich selbst und damit nicht kontrollierbare Verwaltungsstimmrechte571 – durch die Begrenzung der Stimmrechte auf maximal 25 Prozent begegnet. Eine mittelbare Selbstkontrolle der Ge-
570
Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 42; ähnlich Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 27. 571 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, § 328 AktG Rn. 6; Grunewald, in: MK AktG, § 328 Rn. 2.
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schäftsleitung wäre besonderes problematisch; daher ist die Stimmausübung bei der Wahl des Aufsichtsrats grundsätzlich suspendiert.572 Das Stimmausübungsverbot des § 328 Abs. 3 AktG dokumentiert das Bestreben des Gesetzgebers, eine von den Interessen der Geschäftsleiter unabhängige Besetzung des Aufsichtsorgans zu ermöglichen. Der Anwendungsbereich unterscheidet sich zwar von dem des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG; die Zielsetzung ist aber vergleichbar. IV. Stimmausübungsverbot bei der Beschlussfassung über die Bestellung von Sonderprüfern Nach § 142 Abs. 1 S. 2 AktG sind Mitglieder des Vorstands von der Beschlussfassung über die Bestellung von Sonderprüfern ausgeschlossen, wenn sich die Prüfung auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder Aufsichtsrats oder mit der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Organmitglied zusammenhängen. Das Stimmverbot gilt für sämtliche Mitglieder des Vorstands (und im Übrigen auch des Aufsichtsrats), unabhängig von einer individuellen Betroffenheit; die Entscheidungsfindung soll frei von jedweden Eigeninteressen potentiell Betroffener erfolgen.573 Der Einsatz von Sonderprüfern bietet den Aktionären – unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 AktG sogar einer qualifizieren Aktionärsminderheit – die Gelegenheit, Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands einer weiteren Prüfung zu unterziehen und damit Klarheit über das Bestehen möglicher Ersatzansprüche zu erlangen;574 die Sonderprüfer treten insoweit neben den Aufsichtsrat, dem ebenfalls die Überwachung des Vorstands obliegt. Das Stimmausübungsverbot des § 142 Abs. 1 S. 2 AktG steht daher im Einklang mit dem Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG. V. Ergebnis systematische Auslegung In Aktiengesellschaft und Genossenschaft können Mitglieder des Geschäftsführungsorgans an der Wahl des Aufsichtsrats teilnehmen; die Besonderheiten der KGaA rechtfertigen für diese aber eine restriktivere Regelung. Das über § 136 Abs. 1 AktG hinausgehende Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG trägt dem in angemessener Weise Rechnung und wird in seiner Zielrichtung von § 328 Abs. 3 AktG gestützt. Für die Beschlussfassung über die Bestellung von Sonder572 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, KonzernR, § 328 AktG Rn. 3, 22; Grunewald, in: MK AktG, § 328 Rn. 10; Koch, in: Hüffer, AktG, § 328 Rn. 7; Schall, in: Spindler/Stilz, AktG, § 328 Rn. 25. 573 Koch, in: Hüffer, AktG, § 142 Rn. 13; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 142 Rn. 82; Schröer, in: MK AktG, § 142 Rn. 39. 574 Schröer, in: MK AktG, § 142 Rn. 7. Nach Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, § 142 Rn. 33, handelt es sich um ein „zentrales Instrument des Minderheitenschutzes“.
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
prüfern gilt mit § 142 Abs. 1 S. 2 AktG eine vergleichbare Stimmausübungsbeschränkung.
C. Gesetzgebungsgeschichte Die Entwicklung des Stimmausübungsverbots des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ist wechselhafter verlaufen als die der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG.575 Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass sich in den Gesetzesmaterialien mehr Hinweise auf die Motive des historischen Gesetzgebers finden lassen. Im Einzelnen: Bis zur 2. Aktienrechtsnovelle vom 18. 7. 1884 war es persönlich haftenden Gesellschaftern nicht untersagt, das Stimmrecht aus ihren Kommanditaktien wahrzunehmen; entsprechend sah Art. 190 ADHGB 1869 ein Stimmrecht für jede Aktie vor, ohne dies an weitere Bedingungen zu knüpfen.576 Erst 15 Jahre später wurde mit Art. 190 Abs. 4 ADHGB 1884 ein umfassendes, über die heutige Regelung hinausgehendes Stimmausübungsverbot eingeführt: „Persönlich haftende Gesellschafter, welche (…) Antheile am Gesamtkapital der Kommanditisten zustehen oder welche sonst Aktien erwerben, haben kein Stimmrecht.“577 Art. 190 Abs. 4 ADHGB 1884 wurde inhaltlich unverändert in § 327 Abs. 1 HGB 1897578 übernommen und hatte für rund 50 Jahre Bestand. Mit Erlass des Aktiengesetzes vom 30. 1. 1937 wurde den persönlich haftenden Gesellschaftern mit § 227 Abs. 1 erneut ein Stimmrecht gewährt, dieses allerdings zugleich in bestimmten Fällen suspendiert, so auch bei der Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats: „In der Hauptversammlung haben die persönlich haftenden Gesellschafter nur ein Stimmrecht für ihre Aktien. Sie haben kein Stimmrecht für folgende Beschlußfassungen: 1. über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats (§ 87); (…).“579 Diese Regelung gilt in leicht verschärfter Form – Stimmausübungsverbot für und durch Dritte – gemäß § 285 Abs. 1 in der Fassung des Aktiengesetzes vom 6. 9. 1965 bis heute.580 575
Vgl. zu letzterer oben S. 67. Vgl. Art. 190 ADHGB 1869: „(…) und jede Aktie gewährt dem Inhaber Eine Stimme.“, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1869, Nr. 32, S. 379, 441. Die 1. Aktienrechtsnovelle vom 11. 6. 1870, Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes Band 1870, Nr. 21, S. 375, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 107 ff., brachte insoweit keine Veränderungen. 577 Abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum HGB, Bd. I, S. 97 ff. 578 „In der Generalversammlung haben die persönlich haftenden Gesellschafter, auch wenn sie Aktien besitzen, kein Stimmrecht.“, Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1897, Nr. 23, S. 241, 300. 579 § 227 Abs. 1 AktG 1937, Reichsgesetzblatt I S. 107, 153, abgedruckt bei Klausing, Aktiengesetz 1937, S. 197. 580 § 285 Abs. 1 AktG 1965, Bundesgesetzblatt I S. 1089, 1155 f., abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 368 f. – Ein entsprechend verschärftes Stimmausübungsverbot kommt aber auch bereits in der Besonderen Begründung zu Art. 190 ADHGB 1884 zum Ausdruck: „Schon aus der Natur der Verhältnisse ergiebt sich, daß der persönlich haftende Gesellschafter nicht von einem Kommanditisten zum Bevollmächtigten bestellt werden kann, da jeder Ge576
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Das im Zuge der 2. Aktienrechtsnovelle 1884 eingeführte Stimmverbot für persönlich haftende Gesellschafter wurde mit den gegenläufigen Rollen der Generalversammlung der Kommanditisten und der persönlich haftenden Gesellschafter begründet; daraus folge, „daß die letzteren auch für sich (…) ein Stimmrecht weder selbst noch durch andere ausüben dürfen. Trotz des Besitzes von Kommanditaktien hört der persönlich haftende Gesellschafter nicht auf, solcher zu sein, und wird er nicht Kommanditist (…). Zur Beseitigung der in der Praxis hervorgetretenen Zweifel und anderen Auffassung und bei der Wichtigkeit dieses Grundsatzes erschien es erforderlich, eine ausdrückliche Vorschrift in das Gesetz aufzunehmen.“581 Offenbar wurde also bereits unter dem Regime des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs in der Fassung vor der 2. Aktienrechtsnovelle 1884 vertreten, dass persönlich haftende Gesellschafter über kein Stimmrecht in der Generalversammlung – der heutigen Hauptversammlung – verfügen, um die Meinungsbildung der dort versammelten Kommanditisten – den heutigen Kommanditaktionären – nicht zu stören. In der Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Deutsche Reich von 1895 heißt es mit Blick auf das bipolare Verhältnis der Generalversammlung und der persönlich haftenden Gesellschafter, dass „es angezeigt [erscheint], im Einklang mit den geltenden Vorschriften den persönlich haftenden Gesellschaftern das Stimmrecht in der Generalversammlung zu versagen, auch wenn sie Aktien besitzen. Eine Ausdehnung ihres Einflusses auf die Generalversammlung ist nicht rathsam, da die letztere berufen sein soll, die Interessen der Kommanditisten den persönlich haftenden Gesellschaftern gegenüber zu wahren.“582 Das absolute Stimmverbot wurde mit Erlass des Aktiengesetzes vom 30. 1. 1937 zwar insoweit relativiert, als den persönlich haftenden Gesellschaftern grundsätzlich wieder – wie vor 1884 – ein Stimmrecht zugestanden wurde, nicht ohne dies allerdings in besonderen Konfliktfällen direkt wieder auszuschließen: „Inhaltlich neu ist alleinig § 227 Abs. 1. Nach geltendem Recht (§ 327 HGB) haben die persönlich haftenden Gesellschafter, auch wenn sie Aktien haben, kein Stimmrecht. Für eine derartige Beschränkung der Rechte der persönlich haftenden Gesellschafter ist indessen kein hinreichender Grund vorhanden, zumal sich daraus Mehrheitsverhältnisse ergeben können, die der wirklichen Aktienverteilung nicht entsprechen. Dagegen ist allerdings in manchen Fällen ein Ausschluß des Stimmrechts der persönlich haftenden Gesellschafter für ihre Aktien angebracht, so vor allem, wenn es sich um die Wahl oder Abberufung des Aufsichtsrats handelt. Denn der Aufsichtsrat ist bei der neralversammlungsbeschluß auf eine Vereinbarung zwischen Komplementär und der in der Generalversammlung vertretenen Gesamtheit der Kommanditisten hinzielt, eine derartige Bevollmächtigung daher zu einer unzulässigen Kollision der Interessen führen würde. Aus diesem Verhältnisse aber (…) folgt zugleich, daß die [persönlich haftenden Gesellschafter] auch für sich (…) ein Stimmrecht werde selbst noch durch andere ausüben dürfen.“, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 492. 581 Besondere Begründung zu Art. 190 ADHGB 1884, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 492. 582 Abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum HGB, Bd. II, Erster Hb., S. 161.
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Kommanditgesellschaft auf Aktien derjenige Verwaltungsträger, der berufen ist, die Rechte der Aktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern zu vertreten. Es erscheint ferner nicht angezeigt, den persönlich haftenden Gesellschaftern ein Stimmrecht bei ihrer und der Entlastung des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung von Prüfern und der Geltendmachung von Ersatzansprüchen oder der Verzicht auf diese zu gewähren.“583 Insoweit wird deutlich, dass der Gesetzgeber bemüht war, die Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter und der Gesamtheit der Kommanditisten bestmöglich auszugleichen:584 erstere durften daher mit ihren Aktien grundsätzlich wieder an Beschlussfassungen der Hauptversammlung teilnehmen, nicht aber dann, wenn sie typischerweise Interessenkonflikten unterliegen. Der wichtigste Fall eines derartigen Interessenkonflikts wird in der Begründung explizit angesprochen und sowohl in § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG 1937 als auch in § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG 1965 an erster Stelle genannt: die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats. Der historische Gesetzgeber hat also seit jeher gesehen, dass es bei Beschlussfassungen der Hauptversammlung zu einem Konflikt zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern und Nur-Kommanditaktionären kommen kann. Während zunächst noch kein explizit normiertes Verbot existierte, wurde im Zuge der 2. Aktienrechtsnovelle im Jahre 1884 mit einem absoluten Stimmrechtsentzug sehr deutlich zu Lasten der persönlich haftenden Gesellschafter Stellung bezogen. Erst mit der Einführung des Aktiengesetzes im Jahre 1937 hat der Gesetzgeber die auch heute noch geltende, die Interessen beider Gesellschaftergruppen gleichermaßen berücksichtigende Regelung getroffen, das grundsätzliche bestehende Stimmrecht in typischen Konfliktlagen zu suspendieren. 583 Amtliche Begründung zu §§ 219 ff. AktG 1937, abgedruckt bei Klausing, Aktiengesetz 1937, S. 191 ff. 584 Die Thematik wurde kontrovers diskutiert. So hat sich u.a. der Deutsche Anwaltverein – im Gegensatz zum Deutschen Juristentag – für eine völlige Beseitigung des Stimmrechtsausschlusses ausgesprochen (vgl. den Bericht von Lindeck in der 10. Sitzung des Aktienrechtsausschusses des vorläufigen Reichswirtschaftsrats vom 1. 12. 1932, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 595, 597). Seitens der Regierung wurde insoweit auf die Gefahr hingewiesen, „dass [sich] die persönlich haftenden Gesellschafter (…) einen Aufsichtsrat (…) wählen [könnten], der ganz ihren eigenen Intentionen entspricht.“ (a.a.O., S. 598). Dem wurde von Hachenburg entgegengehalten, dass dann auch der Vorstand einer Aktiengesellschaft vom Stimmrecht ausgeschlossen werden müsse; zwischen Aktiengesellschaft und KGaA bestehe insoweit kein Unterschied (a.a.O., S. 599). Lindeck hat zudem auf die – vermeintliche – Zustimmungspflicht bestimmter Geschäfte hingewiesen, die eine verständige Zusammenarbeit zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern und Aufsichtsrat erfordere, weshalb den persönlich haftenden Gesellschaftern, soweit sie über eine Mehrheit der Kommanditaktien verfügten, kein diesen nicht genehmer Aufsichtsrat entgegengesetzt werden dürfe (a.a.O., S. 599 f.). Der Vertreter der Regierung hat sich von dieser Argumentation zumindest beeindruckt gezeigt, zumal mit den Abschlussprüfern eine weitere Kontrollinstanz vorhanden sei (vgl. dazu aber oben S. 59, Fn. 216), allerdings auch deutlich gemacht, dass der Aufsichtsrat insbesondere eine kontrollierende Funktion inne habe (a.a.O., S. 600). Anders als in der Aktiengesellschaft – dies als Erwiderung auf Hachenburg – obliege dem Aufsichtsrat zudem die Wahrnehmung der Interessen der Kommanditaktionäre (a.a.O., S. 603).
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D. Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG Das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG sichert die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats, indem es persönlich haftende Gesellschafter daran hindert, Einfluss auf die Zusammensetzung ihres eigenen Überwachungsorgans zu nehmen bzw. das Gleichgewicht zwischen beiden Gesellschaftergruppen durch die Wahl ihnen genehmer Vertreter in den Aufsichtsrat zu stören. Das Verbot ist eine sinnvolle Ergänzung der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG. Insbesondere ist das Stimmverbot des § 136 Abs. 1 AktG nicht ausreichend, um den institutionalisierten Interessenkonflikt aufzulösen, dem ein persönlich haftender Gesellschafter unterliegt, der gleichzeitig an der KGaA beteiligt ist. Zum einen findet § 136 Abs. 1 AktG grundsätzlich nur auf die dort genannten Fallkonstellationen – Entlastung, Befreiung von einer Verbindlichkeit, Geltendmachung eines Anspruchs – Anwendung, zum anderen wird nur das Stimmrecht eines im Einzelfall betroffenen Gesellschafters suspendiert.585 Demgegenüber ist § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG eine besondere Regelung zulasten aller persönlich haftenden Gesellschafter, um vor abstrakten Interessenkollisionen zu schützen und die Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG abzurunden. Eine in der Zielrichtung – wenn auch nur hinsichtlich des ersten Normzwecks – vergleichbare Stimmrechtsbeschränkung findet sich in § 328 Abs. 3 AktG; auch das Verbot, bei der Beschlussfassung über die Bestellung von Sonderprüfern die Stimme auszuüben (§ 142 Abs. 1 S. 2 AktG) korrespondiert mit § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG. Die wechselhafte geschichtliche Entwicklung zeigt, dass es dem historischen Gesetzgeber nicht leicht gefallen ist, eine beiden Gesellschaftergruppen gerecht werdende Lösung zu finden. Mit § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG wird zwar in die Rechte der persönlich haftenden Gesellschafter eingegriffen, der Eingriff beschränkt sich aber – anders als vor der Aktienrechtsreform 1937 – auf besondere Konfliktlagen; er ist im Interesse der Gesellschaft wie der Kommanditaktionäre notwendig, aber auch hinreichend.586
585
Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 37; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 22; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 25; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 21. 586 Das Stimmausübungsverbot findet auf Wahlen zu einem Beirat entsprechende Anwendung, wenn dieser mit Überwachungs- bzw. Vertretungsaufgaben betraut ist (Assmann/ Sethe, GK AktG, § 287 Rn. 12; dies., in: FS Lutter, S. 251, 253, 266; Kiefer, Anlegerschutz, S. 171; Schlitt, Satzung, S. 217; für die Wahl eines besonderen Vertretungsorgans auch Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 16 sowie Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 27; a.A. Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 68 und – bzgl. eines lediglich neben den insoweit zwingend zuständigen Aufsichtsrat tretenden Beirat mit Überwachungsfunktion – mit beachtlichen Argumenten auch Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 569).
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
§ 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Geschäftsleiter bzw. Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft Die Untersuchung von § 287 Abs. 3 AktG hat ergeben, dass die auf persönlich haftende Gesellschafter zugeschnittene Inhabilitätsregelung auch auf Geschäftsleiter und Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft anzuwenden ist. Fraglich ist, ob der Anwendungsbereich von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ebenfalls auf den genannten Personenkreis zu erstrecken ist.
A. Geschäftsleiter Zunächst gilt es zu klären, ob auch Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft ihr Stimmrecht bei der Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats nicht ausüben können. I. Darstellung der Literatur Die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans fallen unstreitig unter die Regelung des § 285 Abs.1 S. 2 Nr. 1 AktG.587 Die Geschäftsführung der KGaA liege faktisch in ihren Händen, so dass Interessenkollisionen nahezu unvermeidlich seien. Das Stimmausübungsverbot gelte daher auch für Geschäftsleiter einer KomplementärGesellschaft. Lediglich wenn die Geschäftsleiter sämtliche Kommanditaktien halten, könne von der analogen Anwendung abgesehen werden.588
587
Arnold, in: Henssler/Strohn, GesR, § 285 AktG Rn. 4; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 25; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 25; Blaurock, in: Wachter, AktG, § 285 Rn. 4; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 464; Förl/Fett, in: HK AktG, § 285 Rn. 3; Heineke, Anlegerschutz, S. 87; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 46; Kiefer, Anlegerschutz, S. 145; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 154; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1330; Mertens, in: FS Ulmer, S. 419, 420; Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 8; Müller-Michaels, in: Hölters, AktG, § 285 Rn. 4; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 12; ders., in: FS Priester, S. 691, 705; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn 325; Pühler, in: Happ, AktR, S. 194 (Entsendungsrecht); Schlitt, Satzung, S. 165 u. 207; Schütz/Reger, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 410; Servatius, in: Grigoleit, AktG, § 285 Rn. 3; Wichert, in: Heidel, AktR, § 285 AktG Rn. 4. 588 Otte, AG & Co. KGaA, S. 167 f. – Dafür spricht, dass § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG in der gesetzestypischen KGaA im Falle der sog. „Gesellschaftergruppenidentität“ nicht angewendet wird (vgl. oben S. 136).
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II. Untersuchung Die analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft wäre dann zu bejahen, wenn dies der Normzweck gebietet und der Gesamtzusammenhang nicht entgegensteht. 1. Ratio § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG übertragbar? Die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der Komplementär-Gesellschaft führen deren Geschäfte; es geht mittelbar auch um die Wahl ihrer Kontrolleure. Der Sachverhalt ist also mit dem der typischen KGaA vergleichbar. Auch die (Mit-) Bestimmung über die Zusammensetzung des Vertretungsorgans der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA – der „anderen Seite“ – wäre fragwürdig, zumal dieses auch für die Vertretung der KGaA gegenüber den Geschäftsleitern selbst zuständig ist.589 Die analoge Anwendung wird daher zu Recht einhellig befürwortet. 2. Systematische Auslegung Die Geschäfte von Aktiengesellschaft und Genossenschaft werden von natürlichen Personen geführt; bereits aus diesem Grund stellt sich dort nicht die Frage, ob Mitglieder einer Geschäftsleitungsgesellschaft bei der Wahl des Aufsichtsrats wie Geschäftsleiter zu behandeln sind. Anerkannt ist aber, dass die allgemeinen Stimmrechtsausschlüsse (§§ 136 Abs. 1 AktG, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG, 113 Abs. 2 HGB und 34 BGB) auf die Geschäftsleiter einer von der Stimmabgabe (hypothetisch590) ausgeschlossenen Drittgesellschaft durchschlagen können, wenn die organschaftliche Verbindung zwischen Geschäftsleiter und Drittgesellschaft enger ist als die mitgliedschaftliche Verbindung zwischen Geschäftsleiter und Gesellschaft.591 Die nicht unmittelbar mit einem Stimmverbot belasteten Anteile eines Geschäftsleiters können also infiziert werden. Das die Komplementär-Gesellschaft treffende Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG muss danach erst echt für deren Geschäftsleiter gelten: diese sind angesichts ihrer Organfunktion der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen und dürfen daher bereits mit Blick auf den zweiten Normzweck – Sicherung einer unabhängigen Vertretung der Kommanditaktionäre durch Tren589
Vgl. oben S. 77. Die Gesellschaft muss nicht selbst Gesellschafterin sein, sondern es genügt, dass sie als solche vom Stimmrecht ausgeschlossen wäre (Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 33; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 37). 591 Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 14 i.V.m. Rn. 12. – Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 34 und Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 44, verlangen lediglich eine nachhaltige Interessenverknüpfung mit der betroffenen Drittgesellschaft; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 100, hebt nur auf die Geschäftsleitungsfunktion ab. 590
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
nung der Gesellschaftergruppen – nicht über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats mitbestimmen. Auf das Maß der Verbindung zur Komplementär-Gesellschaft bzw. zur KGaA kommt es nicht an. Auch § 71b AktG – keine Rechte der Gesellschaft aus eigenen Aktien – spricht dafür, § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Geschäftsleiter entsprechend anzuwenden.592 § 71b AktG bezweckt, die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung zu sichern.593 Die Stimmrechte aus eigenen Aktien der Gesellschaft ruhen, um eine aktive Mitwirkung des Vorstands an der Willensbildung der Hauptversammlung zu unterbinden.594 Bereits im Vorfeld der gesetzlichen Regelung hatte das Reichsgericht erkannt, dass „der Wille der Gesellschaft als solcher […] unmöglich mitbestimmend sein [kann] bei Beschlüssen, die gerade erst ergeben sollen, was die Gesellschaft will.“595 Zwar beschränkt § 71b AktG als solcher nicht das Stimmrecht von Geschäftsleitern aus deren eigenen Aktien. Wenn aber persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA von der Stimmabgabe ausgeschlossen sind (§ 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG) und gleichzeitig die Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsleitung und Hauptversammlung geschützt wird (§ 71b AktG), müssen Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft ebenfalls im Stimmrecht suspendiert sein; anderenfalls könnte das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG unterlaufen werden, was gerade im Licht von § 71b AktG problematisch erscheint. Schließlich indiziert die analoge Anwendung der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft, auch das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf diese entsprechend anzuwenden. Zwar ist der Interessenkonflikt bei einer Aufsichtsratsmitgliedschaft unmittelbarer als bei einer bloßen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern; in der gesetzestypischen KGaA sind allerdings beide Fälle gleichgestellt, so dass auch in der atypischen KGaA eine Gleichbehandlung und damit eine analoge Anwendung auch von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft geboten erscheint. 3. Gesetzgebungsgeschichte Der historische Gesetzgeber hatte zu keinem Zeitpunkt Komplementär-Gesellschaften vor Augen.596 Dennoch lässt sich die geschichtliche Entwicklung des Stimmausübungsverbots als Argument für eine analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft ins Feld führen. Die Untersuchung des Entstehungsprozesses von § 285 Abs. 1 S. 2 AktG hat 592 593 594 595 596
S. 78.
§ 71b AktG gilt im Übrigen gem. § 278 Abs. 3 AktG auch in der KGaA. Lange, in: Henssler/Strohn, GesR, § 71b AktG Rn. 1. Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 71b Rn. 2; Oechsler, in: MK AktG, § 71b Rn. 2. RG, Urteil vom 21. 10. 1921 – II 113/21, RGZ 103, 64, 66. Vgl. insoweit die Ausführungen zur analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG oben
§ 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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gezeigt, dass es dem Gesetzgeber erst im Laufe der Zeit gelungen ist, mit den auf bestimmte Konstellationen begrenzten Stimmausübungsverboten eine Regelung zu schaffen, die den unterschiedlichen Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter, der Nur-Kommanditaktionäre und der KGaA gleichermaßen Rechnung trägt.597 Eine Teilnahme der Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft an der Aufsichtsratswahl würde dem gesetzgeberischen Bemühen um eine ausgewogene Regelung der Stimmrechtsschranken nicht gerecht. III. Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG analog (Geschäftsleiter) Das auf persönlich haftende Gesellschafter zugeschnittene Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG wird zu Recht auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft entsprechend angewendet.598 Eine am Normzweck orientierte Auslegung kann zu keinem anderen Ergebnis führen, denn die zu vermeidende Interessenkollision besteht in der Person der faktisch die Geschäfte der KGaA führenden Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft gleichermaßen; diese haben – wie natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter – kein gesteigertes Interesse an einem unabhängig agierenden Aufsichtsrat. Die systematische und historische Auslegung bestätigen das gefundene Ergebnis.
B. Gesellschafter Sind auch die Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft in ihrem Stimmrecht beschränkt? I. Darstellung von Literatur und Rechtsprechung Dies wird von Literatur und Rechtsprechung überwiegend im Gleichlauf mit der analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG beantwortet: grundsätzlich ablehnend599, grundsätzlich bejahend600 bzw. abhängig von der konkreten Höhe der Beteiligung601. 597
Vgl. oben S. 144 ff. Bei der Suspendierung von Entsendungsrechten der Geschäftsleiter handelt es sich nach Kessler, Möglichkeiten, S. 62, methodisch nicht um eine analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG, sondern um eine teleologische Reduktion der §§ 278 Abs. 3, 101 Abs. 2 S. 1 AktG. 599 Mertens/Cahn, in: KK AktG, § 285 Rn. 8. Ebenso Otte, AG & Co. KGaA, S. 168 f. (für AG & Co. KGaA). Tendenziell wohl auch Reichert, ZIP 2014, 1957, 1961. 600 Halasz/Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 85 (GmbH); Heineke, Anlegerschutz, S. 87 (abweichend zu § 287 Abs. 3, vgl. Nachweis oben S. 81, Fn. 300); tendenziell auch Ihrig/ Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 46 f. (GmbH); Wichert, AG 2000, 268, 274 (GmbH). Für die Wahl des ersten Aufsichtsrats auch Schlitt, Satzung, S. 167 (GmbH). 598
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Etwaige Entsendungsrechte seien – soweit das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG greife – ebenfalls suspendiert.602 Wenn schon die Stimmabgabe bei der Wahl des Aufsichtsrats untersagt sei, müsse erst Recht die unmittelbare Bestimmung eines Aufsichtsratsmitglieds verboten sein. Falls ein derartig gehemmtes Entsendungsrecht aber auf einen unabhängigen Dritten übertragen wird, soll es nach einhelliger Auffassung wieder aufleben.603
601 Stimmrechtsausschluss für Gesellschafter mit einer mehr als nur geringfügigen Beteiligung: Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 464; Förl, KGaA, S. 33 („Einfluss“); Kiefer, Anlegerschutz, S. 145 (GmbH; Orientierung an 10 %-Grenze des § 32a Abs. 3 S. 2 AktG); Schlitt, Satzung, S. 207 (GmbH); Semler/Perlitt, in: MK AktG, 2. Aufl., § 278 Rn. 336; Wichert, in: Heidel, AktR, § 285 AktG Rn. 4. Für eine Komplementär-GmbH und persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft sowie geschäftsführende Kommanditisten – im Gegensatz zu einer Komplementär-AG – auch Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 285 Rn. 25. Stimmrechtsausschluss für maßgeblich beteiligte bzw. beherrschende Gesellschafter: Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 103 (GmbH); ders., in: Henssler/Strohn, GesR, § 285 AktG Rn. 4; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 285 Rn. 25 (GmbH); Fett, INF 2005, 872, 873 (Kapitalgesellschaft); Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 68 (vgl. unten Fn. 602); Kersting, WuB II B. § 287 1.06; Kessler, NZG 2005, 145, 150; Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 155 (GmbH (& Co. KG), der allerdings unter Hinweis auf das „mitgliedschaftliche Gesamtinteresse“ eine Rückausnahme befürwortet, wenn der Gesellschafter der Komplementär-GmbH wesentlich am Kommanditkapital beteiligt ist; dies ablehnend Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 325, Fn. 377; bei § 287 Abs. 3 AktG befürwortet Kölling allerdings eine absolute Inhabilität, vgl. oben S. 80, Fn. 297); Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten, Rn. 1330, die sich zur Frage der analogen Anwendung von § 287 Abs. 3 auf Gesellschafter einer KomplementärGesellschaft nicht so klar positionieren; Perlitt, in: MK AktG, § 278 Rn. 325 (unter Verweis auf die aktienrechtliche Kontrollfunktion); Pühler, in: Happ, AktR, S. 194 (Entsendungsrecht); K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 285 Rn. 12; ders., in: FS Priester, S. 691, 705 („einfacher Gesellschafter tritt nicht in gefährdender Weise aus Kollektiv der Kommanditaktionäre heraus“); tendenziell auch Herfs, in: Münchener Hb. des GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 31 (GmbH). Grundsätzlich ebenso Förl/Fett, in: HK AktG, § 285 Rn. 3, die allerdings im Falle einer Komplementär-Personengesellschaft das Stimmausübungsverbot auf alle geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter ausweiten wollen. Stimmrechtsausschluss jedenfalls für Alleingesellschafter: OLG München, Urteil vom 13. 08. 2003 – 7 U 2927/02, ZIP 2004, 214, 220. 602 Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 109; Assmann/Sethe, in: GK AktG, § 287 Rn. 7; Bürgers, in: Schütz/Bürgers/Riotte, KGaA, § 5 Rn. 468; Ek/Schiemzik, BB 2006, 456, 457; Halasz/ Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 77, 85; Herfs, in: Münchener Hb. GesR, Bd. 4, § 78 Rn. 48; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 45; Kessler, NZG 2005, 145, 150; im Ergebnis ebenso, aber an die Inhabilität gem. § 287 Abs. 3 AktG anknüpfend Kiefer, Anlegerschutz, S. 143; Otte, AG & Co. KGaA, S. 150 sowie K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 287 Rn. 4; zurückhaltend Semler/Perlitt, in: MK AktG, 2. Aufl., § 278 Rn. 335; offen BGH, Urteil vom 5. 12. 2005 – II ZR 291/03, BGHZ 165, 192, 201 = NJW 2006, 510, 513 = ZIP 2006, 177, 178, 179 f. sowie – wenn auch zur Analogie neigend – Hartel, DB 1992, 2329, 2335; restriktiver als bei § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG Schlitt, Satzung, S. 165 f. – Habel/Strieder, MittBayNot 1998, 65, 68, halten ein Entsendungsrecht zugunsten nicht maßgeblich beteiligter Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft für zulässig und dies für eine Möglichkeit, dass Stimmausübungsverbot zu umgehen. 603 Ek/Schiemzik, BB 2006, 456, 457; vgl. zudem Nachweise oben S. 136, Fn. 542.
§ 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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Auch im Stimm- bzw. Entsendungsrecht suspendierte Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft dürften an der Hauptversammlung der KGaA teilnehmen.604 II. Untersuchung Ein Gleichlauf mit § 287 Abs. 3 AktG und damit nach der hier vertretenen Auffassung ein Stimmrechtsausschluss bei der Wahl des Aufsichtsrats für sämtliche Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft wäre zu bejahen, wenn Sinn und Zweck von § 285 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG dies gebieten und der Gesamtzusammenhang nicht entgegenstehen würde. 1. Ratio von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG übertragbar Die Anwendbarkeit von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft steht und fällt mit der Frage, ob diese ihr Stimmrecht als Kommanditaktionär frei von den Interessen der Komplementär-Gesellschaft wahrnehmen können.605 Dies ist unabhängig von der Höhe der Beteiligung nicht der Fall. Die mitgliedschaftliche Verbundenheit mit der Komplementär-Gesellschaft begründet die abstrakte Gefahr, dass bei der Stimmabgabe nicht nur Interessen als Kommanditaktionär wahrgenommen werden. Dabei ist die Gefahr einer Interessenkollision naturgemäß umso größer, je enger die Verbindung zur KomplementärGesellschaft ist, gerade auch im Vergleich zur Verbindung zur KGaA. So liegt es auf der Hand, dass ein die Komplementär-Gesellschaft beherrschender und an der KGaA nur mit einem auch finanziell nicht ins Gewicht fallenden Zwerganteil beteiligter Gesellschafter bei der Wahl des Aufsichtsrats nicht nur die Interessen der Kommanditaktionäre und der KGaA im Auge haben dürfte,606 gerade wenn die Komplementär-Gesellschaft als GmbH konstituiert ist und damit die Möglichkeit besteht, direkten Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen. Letztlich ist das (absolute und relative) Maß der Verbundenheit zur Komplementär-Gesellschaft aber nicht von entscheidender Bedeutung. Vielmehr hat jede Beteiligung an der KomplementärGesellschaft die Zugehörigkeit (auch) zur Gruppe der persönlich haftenden Gesellschafter zur Folge; es bestünde damit die latente Gefahr, dass bei der Wahl des Aufsichtsrats auch Interessen der persönlich haftenden Gesellschafter eine Rolle spielen, was § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG gerade verhindern soll.607 Zwar dürfte sich ein wesentlich am Kommanditkapital beteiligter Gesellschafter der Komplementär604
Kölling, Anlegerschutz, S. 40 f. Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 46 f. 606 In dieser Konstellation wäre mit Blick auf das zu vernachlässigende Stimmgewicht insbesondere die Ausübung etwaiger Entsendungsrechte problematisch. 607 Insbesondere werden persönlich haftende Gesellschafter auch dann vom Stimmausübungsverbot erfasst, wenn sie von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind (vgl. oben S. 134). 605
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Gesellschaft zumindest dann regelmäßig von den Interessen als Kommanditaktionär leiten lassen, wenn dies wirtschaftlich vorteilhaft erscheint.608 Die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit ist indes von verschiedenen Faktoren abhängig – insbesondere Werthaltigkeit der jeweiligen Anteile sowie subjektive Kosten-Nutzen-Bewertung einer unabhängigen Kontrolle der Geschäftsleitungsgesellschaft – und daher regelmäßig nicht eindeutig zu beantworten. Die Aufsichtsratsmitglieder sollen aber über jeden Zweifel erhaben sein; bereits der „böse Schein“ einer Abhängigkeit von Personen, die der Sphäre der persönlich haftenden Gesellschafter zuzurechnen sind, ist zu vermeiden. Auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit gebieten eine klare Lösung. Die Stimmabgabe könnte ggf. anfechtbar, der Aufsichtsrat also fehlerhaft besetzt sein. Zwar ist die Wahl – anders als die Mitgliedschaft – ein lediglich punktuelles Ereignis und es daher mit Blick auf die Rechtssicherheit zumindest denkbar, auf eine bestimmte – in dem Augenblick feststehende – Beteiligungshöhe abzustellen. Es drängt sich aber auch hier kein konkreter Grenzwert auf, die „Sphärentheorie“ spricht vielmehr gegen eine Bagatellgrenze. Im Übrigen müsste mit Blick auf die wirtschaftliche Verbundenheit auch eher an den Beteiligungswert und nicht an die Beteiligungsquote angeknüpft werden; der Wert ist aber variabel, eine rechtssichere, also vorhersehbare Lösung damit nicht vorhanden.609 Nicht zuletzt gilt es, eine Umgehung des Stimmausübungsverbots des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG durch Zwischenschaltung einer Komplementär-Gesellschaft zu verhindern. Von daher ist es auch nicht ausreichend, wenn lediglich die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrats nicht von Anteilseignern der Komplementär-Gesellschaft mitbestimmt wird. 2. Systematische Auslegung Die Wertungen anderer Stimmverbote stehen einer analogen Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft nicht entgegen bzw. sind nicht übertragbar: Die KGaA ist die einzige Gesellschaftsrechtsform, die von einer Geschäftsleitungsgesellschaft geführt werden kann und gleichzeitig über einen Pflichtaufsichtsrat verfügt. Unmittelbar vergleichbare Regelungen sind daher nicht vorhanden. Die allgemeinen Stimmrechtsausschlüsse (§§ 136 Abs. 1 AktG, 47 Abs. 4 GmbHG, 43 Abs. 6 GenG, 113 Abs. 2 HGB und 34 BGB) können aber auf die Gesellschafter einer (hypothetisch610) betroffenen Drittgesellschaft durchschlagen 608
Darauf rekurriert Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 155 (vgl. oben S. 152, Fn. 601). Vgl. oben S. 93 f. 610 Die Gesellschaft muss nicht selbst Gesellschafterin sein, sondern es genügt, dass sie als solche vom Stimmrecht ausgeschlossen wäre (Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 33; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 37). 609
§ 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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und damit nicht unmittelbar mit einem Verbot belastete Anteile infizieren.611 Der Trennungsgrundsatz steht insoweit also nicht a priori entgegen.612 Strittig ist, unter welchen Voraussetzungen das Stimmverbot durchschlägt. Zum Teil wird dies für persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft grundsätzlich bejaht und für Gesellschafter einer juristischen Person ebenso grundsätzlich abgelehnt.613 Andere Stimmen in der Literatur halten es bei juristischen Personen jedenfalls für geboten, das diese treffende Stimmverbot auf herrschende Gesellschafter zu erstrecken.614 Insoweit wird darauf hingewiesen, dass die Gesellschaft zwar vor der – auch mittelbaren – Befangenheit ihrer Gesellschafter geschützt werden müsse, es andererseits aber zu weit ginge, auch solche Gesellschafter von der Stimmausübung auszuschließen, bei denen keine echte Gefahr eines sachwidrigen Stimmverhaltens bestehe.615 Zunehmend wird daher auch insoweit auf eine Interessenverknüpfung zur betroffenen Drittgesellschaft, also auf das Maß der Verbundenheit zu einer solchen,616 und weniger auf die bloße Beteiligungshöhe abgestellt, obgleich an einer Orientierung an § 17 Abs. 1 AktG festgehalten wird.617 Richtigerweise ist vom Schutzzweck her zu argumentieren: externe Sonderinteressen dürfen die Willensbildung der Gesellschaft nicht beeinflussen.618 Daher müssen Anteilseigner einer Drittgesellschaft vom Stimmverbot erfasst werden, wenn ihre Interessen mit dieser enger verknüpft sind als mit der Gesellschaft.619 611
Drescher, in: MK GmbHG, § 47 Rn. 198 ff.; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GesR, § 47 GmbHG Rn. 55; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 136 Rn. 29; Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 12 f.; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 31 ff.; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 36 ff. 612 Vgl. zum Trennungsgrundsatz zudem die Erörterungen oben S. 106 ff. 613 Zöllner, in: KK AktG, 1. Aufl., § 136 Rn. 37, 42 f.; dagegen Spindler, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 136 Rn. 11. – Für Kommanditisten fordert Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 97, einen unternehmerischen Einfluss. 614 Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 47 Rn. 36; Krenk/Pluta, in: Heidel, AktR, § 136 AktG Rn. 18. Zurückhaltender Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 99, der auch hier auf einen unternehmerischen Einfluss abstellt, der allerdings regelmäßig bei beherrschenden Gesellschaftern gegeben sein dürfte. 615 Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 39. 616 Hillmann, in: Henssler/Strohn, GesR, § 47 GmbHG Rn. 55; Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 136 Rn. 29; Otte, AG & Co. KGaA, S. 169; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 31; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 39. 617 BGH, Beschluss vom 4. 5. 2009 – II ZR 168/07, NJW-RR 2010, 48 = ZIP 2009, 2194, 2195 („maßgebend“); Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 102 („herrschend“); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 163 („erheblich“). Weitergehend Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 32 und Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 41, die ein überwiegendes unternehmerisches Interesse an der betroffenen Gesellschaft verlangen. 618 Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 8. 619 Koch, in: Hüffer, AktG, § 136 Rn. 12; Schröer, in; MK AktG, § 136 Rn. 36 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 136 Rn. 15. Die genannten Stimmen fordern indes zusätzlich eine besonders enge Interessenverknüpfung mit der Drittgesellschaft, die zumindest bei nicht maßgeblichen Beteiligungen regelmäßig zu verneinen sei; darauf kann es aber nicht ankommen. Allein entscheidend ist vielmehr, ob zu der befangenen Drittgesellschaft oder zu der
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Im umgekehrten Fall – Befangenheit eines an einer weiteren Gesellschaft beteiligten Gesellschafters – wird die besagte Gesellschaft vom Stimmrechtsverbot infiziert, wenn der befangene Gesellschafter maßgeblichen Einfluss auf ihr Abstimmungsverhalten nehmen kann.620 Bloße Sperrminoritäten genügen nicht, da es um die positive Willensbildung der Drittgesellschaft und deren Teilnahme an Beschlussfassungen der Gesellschaft geht. Was folgt daraus für das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG? Ist auch insoweit eine zumindest engere Verbindung zur KomplementärGesellschaft erforderlich, um deren Gesellschafter ebenfalls von der Stimmabgabe auszuschließen? Dies ist zu verneinen, denn die Sachverhalte sind nicht völlig vergleichbar. Bei § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG geht es um die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats. Dieser vertritt auch die Interessen der (Nur-) Kommanditaktionäre gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern.621 Es geht also um einen institutionellen Ausgleich der Interessen beider Gesellschaftergruppen.622 Diese dürften – wie oben gezeigt623 – nicht erst ab einer „maßgeblichen“ oder zumindest „mehr als nur unmaßgeblichen“ Beteiligung an der KomplementärGesellschaft gefährdet sein.624 Der doppelte Normzweck rechtfertigt es also, § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG restriktiver als die allgemeinen Stimmverbote zu handhaben. Gesellschaft selbst eine engere Beziehung besteht, ob also der Gesellschafter bei Beschlussfassungen der Gesellschaft deren Interessen oder vielmehr die Interessen der Drittgesellschaft im Blick hat. In diesem Sinne tendenziell auch Drescher, in: MK GmbHG, § 47 Rn. 200. 620 BGH, Urteil vom 7. 2. 2012 – II ZR 230/09, ZIP 2012, 917, 918 = WM 2012, 895, 897; Drescher, in: MK GmbHG, § 47 Rn. 197; Hillmann, in: Henssler/Strohn, GesR, § 47 GmbHG Rn. 53; Reuter, in: MK BGB, § 34 Rn. 10; Rieckers, in: Spindler/Stilz, AktG, § 136 Rn. 26 f.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 47 Rn. 160; Schröer, in: MK AktG, § 136 Rn. 43; Zöllner, in: KK AktG, 1. Aufl., § 136 Rn. 41. – Für § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auch Perlitt, in: MK AktG, § 285 Rn. 19, mit der Einschränkung, dass dies jedenfalls für Gesellschaften gelte, deren zumindest wesentliche Geschäftstätigkeit das Halten und Verwalten der Kommanditaktien sei; für § 142 Abs. 1 AktG auch Hirschmann, in: Hölters, AktG, § 142 Rn. 24; Mock, in: Spindler/Stilz, § 142 Rn. 85; Schröer, in: MK AktG, § 142 Rn. 41. 621 Dies übersieht Otte, AG & Co. KGaA, S. 170, 172 f., der einen strukturellen Interessenkonflikt ablehnt und etwaige individuelle Interessenkonflikte über § 136 AktG löst. 622 Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67 (1998), 33, 46 f. („institutioneller Ausgleich […] mit organisationsrechtliche[m] Grundlagencharakter“). 623 Vgl. oben S. 83 ff. 624 Anders Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 103, der eine Analogie nur bei einer regelmäßig erst ab einer beherrschenden Stellung in der Komplementär-Gesellschaft gegebenen untrennbaren Interessenverflechtung für gerechtfertigt hält. Arnold übersieht indes, dass es beispielsweise mit Blick auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen auf die engere wirtschaftliche Verbindung ankommt, die von der Bewertung der Anteile abhängt, also variabel ist und damit als Entscheidungskriterium aus Gründen der Rechtssicherheit ausscheidet. – Wenn an der Komplementär-Gesellschaft aber nur Kommanditaktionäre beteiligt sein sollten, sei davon auszugehen, dass diese gemeinsam abstimmen, so dass ihr Stimmrecht ausgeschlossen werden müsse (Arnold, GmbH & Co. KGaA, S. 103). Unverständlich erscheint, warum Arnold eine Befangenheit nur bejaht, wenn auch andere befangene Mitgesellschafter vorhanden sind. Die Gefahr einer im Ergebnis problematischen Wahl ist dann zwar höher; entscheidend dürfte aber die auch ansonsten latent gefährliche Sachlage sein.
§ 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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Auch ein Vergleich mit den weiteren Stimmausübungsverboten des § 285 Abs. 1 S. 2 AktG spricht nicht gegen die in Frage stehende Analogie: zwar geht es bei der Wahl des Aufsichtsrats – anders als bei Beschlussfassungen über die Entlastung der persönlich haftenden Gesellschafter (Nr. 2) oder über die Geltendmachung bzw. den Verzicht von Ersatzansprüchen (Nr. 4/5) – lediglich um eine indirekte Beeinflussung der Willensbildung des Aufsichtsrats, also nicht um die Herbeiführung unmittelbarer Vorteile für die eigene Person; der Gesetzgeber hat die verschiedenen Stimmausübungsverbote aber gleichgestellt und es ist kein Grund dafür ersichtlich, in der atypischen KGaA eine Differenzierung zwischen den einzelnen Verboten vorzunehmen, zumal die Abberufung von (missliebigen) Aufsichtsratsmitgliedern einem Richten in eigener Sache sehr nahe kommt. Ein weiteres Stimmverbot findet sich in § 135 Abs. 3 S. 4 AktG. Danach ist die Ausübung des Stimmrechts für Depotkunden durch Kreditinstitute unzulässig, wenn diese selbst mit mehr als 20 Prozent an der Gesellschaft beteiligt sind und keine ausdrückliche Abstimmungsweisung vorliegt. Fraglich ist, ob dieser Grenzwert übertragbar ist.625 Dagegen spricht, dass § 135 Abs. 3 S. 4 AktG auf den Schutz der Kunden, nicht der Mitgesellschafter abzielt (insoweit bloßer Reflex).626 Der Normzweck ist also nicht übertragbar. Schließlich streitet die analoge Anwendung der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG auf Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft auch vorliegend für eine Analogie: zwar ist der Interessenkonflikt bei der Wahl des Aufsichtsorgans geringer als bei der Mitgliedschaft in demselben,627 in der gesetzestypischen KGaA sind beide Sachverhalte aber gleichgestellt; dies sollte auch für die atypische KGaA gelten.628 3. Gesetzgebungsgeschichte Die Folgen der Beteiligung eines Kommanditaktionärs an einer KomplementärGesellschaft wurden im Laufe der wechselhaften Geschichte des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG und seiner Vorgängervorschriften zu keinem Zeitpunkt diskutiert; die
625 Der Grenzwert lag zwischen dem 1. 5. 1998 – Einführung durch Art. 1 Nr. 19 lit. a) des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27. 4. 1998 (BGBl. I S. 786, 787) – und dem 1. 9. 2009 – Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrichtlinie (ARUG) vom 30. 7. 2009 (BGBl. I S. 2479) – noch bei fünf Prozent. 626 Vgl. zur grundsätzlichen Kritik an dem Stimmausübungsverbot nur Koch, in: Hüffer, AktG, § 135 Rn. 33; Schröer, in: MK AktG, § 135 Rn. 135. 627 Differenzierend daher Kölling, Gestaltungsspielräume, S. 155/159 (vgl. oben S. 152, Fn. 601). 628 Auch bei sog. Gesellschafter-Gesellschaftern und Aufsichtsratsmitgliedern einer Komplementär-Gesellschaft ist ein Gleichlauf mit § 287 Abs. 3 AktG angezeigt (vgl. dazu oben S. 129, Fn. 519); diese dürfen also grundsätzlich ebenfalls nicht an der Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats teilnehmen.
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Frage hat sich allerdings auch nicht gestellt, da eine atypische Struktur noch jenseits der Vorstellungskraft des historischen Gesetzgebers lag.629 Die Diskussionen im Vorfeld der Aktienrechtsnovelle 1937 können indes für eine analoge Anwendung des Stimmausübungsverbots auch auf Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft herangezogen werden: Hachenburg hatte die Frage aufgeworfen, ob es gerechtfertigt sei, Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA bei der Wahl des Aufsichtsrats unterschiedlich zu behandeln;630 erstere unterliegen bekanntlich keinem Stimmverbot. Eine Bemerkung des Vertreters der Reichsregierung aufgreifend wies Lindeck darauf hin, dass die – auch finanziell – enge Verbindung der persönlich haftenden Gesellschafter zu „ihrer“ KGaA gegen eine Gleichbehandlung von Aktiengesellschaft und KGaA sprechen könnte, dann allerdings den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft und nicht den persönlich haftenden Mitgliedern einer KGaA die Stimmausübung bei der Wahl des Aufsichtsrats untersagt werden müsse.631 Die Tragfähigkeit dieser Argumentation kann dahingestellt bleiben,632 entscheidend ist vielmehr, dass der Vertreter der Reichsregierung unwidersprochen auf die Strukturverschiedenheit von Aktiengesellschaft und KGaA hingewiesen hat: anders als in der Aktiengesellschaft habe der Aufsichtsrat der KGaA „insbesondere auch Interessen der Kommanditisten“ wahrzunehmen; gerade mit Blick auf die Machtfülle der persönlich haftenden Gesellschafter sei der Aufsichtsrat als „ausbalancierendes Element“ von erheblicher Bedeutung. Im Vorfeld der Aufsichtsratswahl könnten sich die persönlich haftenden Gesellschafter und die Kommanditaktionäre zwar über die zur Wahl stehenden Kandidaten austauschen. Das Letztentscheidungsrecht müsse aber allein den Kommanditaktionären zustehen.633 Gegen den entsprechend ausgestalteten Regierungsentwurf wurde kein Antrag auf Abänderung gestellt, sondern dieser vielmehr Gesetz. Mitglieder einer Komplementär-Gesellschaft sind auch deren Sphäre zuzurechnen; ihre Teilnahme an der Aufsichtsratswahl wäre mit dem vom Vertreter der 629
Vgl. Nachweise oben S. 82, Fn. 306. Protokoll über die 10. Sitzung des Aktienrechtsausschusses des vorläufigen Reichswirtschaftsrats vom 1. 12. 1932, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 595, 599. 631 Protokoll über die 10. Sitzung des Aktienrechtsausschusses des vorläufigen Reichswirtschaftsrats vom 1. 12. 1932, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 595, 602. 632 Die Lenkung der Geschicke der (gesetzestypischen) KGaA bei gleichzeitig enger wirtschaftlicher Verbindung mit dieser könnte auch dazu anhalten, die möglicherweise subjektiv als störend empfundene Kontrolle durch die Wahl von Strohmännern zu sabotieren, auch um etwaige Probleme so lange wie möglich zu verschleiern. – Zur Funktionstauglichkeit der persönlichen Haftung bei vorhandener verschuldensabhängiger Haftung vgl. oben S. 40, Fn. 117. 633 Protokoll über die 10. Sitzung des Aktienrechtsausschusses des vorläufigen Reichswirtschaftsrats vom 1. 12. 1932, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff (Hrsg.), Aktienrechtsreform, S. 595, 603. 630
§ 6 Analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG
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Reichsregierung unwidersprochen herausgestellten zweiten Normzweck von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG nicht vereinbar – unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung. Das Stimmausübungsverbot für persönlich haftende Gesellschafter könnte zudem durch die Zwischenschaltung einer Komplementär-Gesellschaft umgangen werden. Dies gilt es – auch und gerade mit Blick auf die historische Entwicklung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG – zu verhindern. Die Teilnahme von Anteilseignern einer Komplementär-Gesellschaft an der Aufsichtsratswahl würde dem Bemühen des historischen Gesetzgebers um eine ausgewogene Regelung der Stimmrechtsbeschränkungen634 nicht gerecht. Aus der Nichtanpassung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG im Nachgang zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1997635 können keine Schlussfolgerungen für die vorliegende Fragestellung gezogen werden.636 III. Ergebnis § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG analog (Gesellschafter) Die meisten Stimmen in der Literatur befürworten einen Gleichlauf mit § 287 Abs. 3 AktG. Dem ist auch nach der hier vertretenen Auffassung zuzustimmen: der besonderen Konfliktlage in der atypischen KGaA wird nur eine Anwendung des Stimmausübungsverbots auf sämtliche Gesellschafter der Komplementär-Gesellschaft gerecht. Die Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft sind mit dieser mitgliedschaftlich verbunden; daher ist von ihnen grundsätzlich nicht zu erwarten, an einer effektiven Kontrolle „ihrer“ Gesellschaft interessiert zu sein.637 Dies gilt unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung, denn es ist bereits der böse Schein zu vermeiden, dass Mitglieder der Geschäftsleitungs-Gesellschaft auf deren Kontrolleure Einfluss nehmen können. Für eine Erstreckung des Stimmausübungsverbots auf sämtliche Anteilseigner spricht insbesondere auch der zweite Normzweck von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1AktG; der Aufsichtsrat kann nur dann als Vertreter auch der Interessen der Nur-Kommanditaktionäre agieren, wenn Vertreter der Gegenseite auf seine Zusammensetzung keinen Einfluss nehmen können. Die analoge Anwendung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG ist auch im Kontext anderer Stimmausübungsregelungen gerechtfertigt. So ist es grundsätzlich anerkannt, dass das eine Gesellschaft treffende Verbot auf deren Mitglieder durchschlagen kann. Die besondere Konfliktlage rechtfertigt bei § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG einen entsprechenden Automatismus. Nicht zuletzt spricht auch ein Vergleich mit § 287 Abs. 3 AktG für eine Erstreckung des Stimmausübungsverbots auf sämtlicher Gesellschafter: in der gesetzestypischen KGaA ist ein Gleichlauf beider 634
Vgl. oben S. 147. BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027. 636 Vgl. insoweit die Erörterungen zu § 287 Abs. 3 AktG oben S. 128. 637 Die Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft sind zudem der unmittelbaren Kontrolle durch ihre Gesellschafter bzw. die entsprechenden Kontrollorgane unterworfen. 635
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3. Teil: Stimmausübungsverbot von Geschäftsleitern bzw. Gesellschaftern
Regelungen zu verzeichnen, in der atypischen KGaA sollte dem ebenfalls so sein, um die Abrundung der Inhabilitätsregelung zu sichern. Die geschichtliche Entwicklung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG spricht zumindest nicht gegen die in Frage stehende Analogie.
Vierter Teil
Gesamtergebnis und Thesen Der Aufsichtsrat einer KGaA hat zwei verschiedene Funktionen. Zum einen ist er für die Überwachung der Geschäftsführung zuständig, zum anderen vertritt er die Kommanditaktionäre bzw. die KGaA gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern. Dabei nimmt er auch die Interessen der Kommanditaktionäre wahr. § 287 Abs. 3 AktG schützt die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats und hat damit einen doppelten Normzweck. Im Interesse einer effektiven Kontrolle der Geschäftsführung sind die persönlich haftenden Gesellschafter von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ausgeschlossen. Zudem gewährleistet § 287 Abs. 3 AktG eine unvoreingenommene Vertretung der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern. Die Geschäfte einer Komplementär-Gesellschaft werden von deren Geschäftsleitern geführt. Diese unterlägen denselben Interessenkonflikten, die von § 287 Abs. 3 AktG verhindert werden sollen: eine unabhängige Kontrolle der Komplementär-GmbH und damit mittelbar ihrer eigenen Geschäftsführung wäre ebenso wenig zu erwarten wie eine unvoreingenommene Wahrnehmung der Interessen der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA gegenüber der Komplementär-GmbH und erst Recht nicht gegenüber sich selbst. Die systematische Auslegung stützt die analoge Anwendung von § 287 Abs. 3 AktG auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft, die historische Auslegung steht dem zumindest nicht entgegen. Daher unterliegen Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft ebenfalls der Inkompatibilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG. Dasselbe gilt für Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft. Soweit diese direkten Einfluss auf die Geschäftsleiter und damit mittelbar auf die Geschäftsführung der KGaA nehmen können, fallen sie als unbefangene Kontrolleure aus. Dies gilt aber auch, wenn ihnen eine direkte Einflussnahmemöglichkeit auf die Geschäftsleiter fehlt – sei es, weil diese unabhängig agieren, sei es, weil ihre Beteiligungsquote zu gering ist. Die Anteilseigner638 sind nämlich der Sphäre der Komplementär-Gesellschaft zuzurechnen. Damit ist nicht auszuschließen, dass sie sich von deren Interessen beeinflussen lassen. Die Konfliktlage ist umso größer, je enger die Verbindung zur Komplementär-Gesellschaft im Vergleich zur KGaA ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit sind Ausnahmen zugunsten von Bagatellbeteiligungen 638 Dies gilt auch für mittelbare Anteileigner und für bloße Aufsichtsratsmitglied der Komplementär-Gesellschaft, vgl. oben S. 129, Fn. 519.
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4. Teil: Gesamtergebnis und Thesen
abzulehnen. Dagegen spräche zudem, dass eine allein an den Interessen der Kommanditaktionäre bzw. der KGaA orientierte Vertretung dieser gegenüber der Komplementär-Gesellschaft nicht möglich wäre; eine Mitwirkung an der Vertretung der KGaA gegenüber ihnen selbst wäre erst Recht problematisch. Aus Schutzzweckgesichtspunkten ist es daher in konsequenter Fortsetzung der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Anerkennung der atypischen KGaA639 geboten, sämtliche Anteileigner einer Komplementär-Gesellschaft von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat auszuschließen. Dies ist zur Wahrung der Interessen insbesondere der Nur-Kommanditaktionäre notwendig, aber auch hinreichend; der Implementierung eines weitergehenden Sonderrechts für atypische KGaA bedarf es nicht. Die Einordnung von § 287 Abs. 3 AktG in den Gesamtzusammenhang und den historischen Kontext führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere der Trennungsgrundsatz steht einer absoluten Inhabilität nicht entgegen. Daher ist § 287 Abs. 3 AktG auf sämtliche Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft analog anzuwenden. Unabhängig von der aktuellen Rechtslage wäre eine absolute Inhabilität aller Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft de lege ferenda geboten, um Interessenkonflikte zu minimieren und § 287 Abs. 3 AktG abzurunden. Eine entsprechend restriktive Regelung dürfte sich auch nicht negativ auf die Attraktivität der KGaA auswirken, im Gegenteil: zwar wird auf den ersten Blick der Handlungsspielraum verengt und insbesondere Familiengesellschaften die Möglichkeit genommen, dass der noch Kommanditaktien besitzende Patriarch von der Geschäftsleitung in den Aufsichtsrat wechselt;640 mit der klaren Trennung von Geschäftsleitung und Kontrolle sowie der beiden Gesellschaftergruppen würde aber der Anlegerschutz641 deutlich gestärkt und die KGaA damit – gerade im Vergleich zum grauen Kapitalmarkt642 – als die Rechtsform positioniert, die bei gleichzeitiger individueller Gestaltungsfreiheit die Interessen der Kapitalanleger institutionell absichert. Die erhöhte Attraktivität dürfte sich auf die Bewertung der Kommanditaktien positiv auswirken und damit im Ergebnis auch dem Kommanditaktionär zu Gute kommen, der den Ausschluss von der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zunächst bedauern mag. Auf Basis der hier vertretenen Auffassung ist eine klarstellende Inkompatibilitätsregelung zwar nicht notwendig,643 wäre aus Gründen der Rechtssicherheit – insbesondere mit Blick auf die abweichende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – aber dennoch zu begrüßen. § 287 Abs. 3 AktG sollte daher um folgenden Satz 2 ergänzt werden: „Wenn in der Gesellschaft keine oder nicht nur natürliche 639 BGH, Beschluss vom 24. 2. 1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392 = NJW 1997, 1923 = ZIP 1997, 1027. 640 Dies ist im Sinne einer guten Corporate Governance ungeachtet § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AktG bzw. Ziffer 5.4.4 DCGK vor Ablauf einer Cooling-off-Periode ohnehin nicht zu empfehlen. 641 Vgl. dazu oben S. 97 f. 642 Vgl. dazu nur Sethe, Personalistische Kapitalgesellschaft, S. 209. 643 So aber Sethe, AG 1996, 289, 301.
4. Teil: Gesamtergebnis und Thesen
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Personen persönlich haften, gilt Satz 1 für Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und Gesellschafter der persönlich haftenden Gesellschafter entsprechend.“ Persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA können bei Beschlussfassungen über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats gem. § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, S. 3 AktG das Stimmrecht weder für sich noch für einen anderen noch durch einen anderen ausüben. Sie könnten ansonsten auf die Zusammensetzung desjenigen Organs Einfluss nehmen, dem die Vertretung der KGaA und der Kommanditaktionäre gegenüber ihnen selbst obliegt. Sofern sie die Geschäfte der KGaA führen, würden sie ohne das Stimmausübungsverbot zudem über ihre eigenen Kontrolleure mitbestimmen. Beides gilt es zur Vermeidung von damit einhergehenden Interessenkonflikten zu unterbinden. Das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG sichert in Erweiterung der Inhabilitätsregelung des § 287 Abs. 3 AktG die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats und damit sowohl dessen Kontroll- als auch dessen Vertretungsfunktion. Die allgemeinen aktien- und personengesellschaftsrechtlichen Stimmverbote sind nicht ausreichend, den spezifischen Interessenkonflikt aufzulösen. Der Eingriff in die Rechte der persönlich haftenden Gesellschafter ist – nicht zuletzt mit Blick auf die wechselhafte Entwicklung des Stimmausübungsverbots – notwendig, aber auch hinreichend; eines weitergehenden Verbots bedarf es nicht. Das Stimmausübungsverbot ist auf Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft entsprechend anzuwenden, denn die zu vermeidende Kollisionslage besteht in der Person der faktisch die Geschäfte der KGaA führenden Geschäftsleiter der Komplementär-Gesellschaft gleichermaßen; diese haben – wie natürliche Personen als persönlich haftende Gesellschafter – kein gesteigertes Interesse an einem unabhängig agierenden Aufsichtsrat. Die systematische und historische Auslegung vom § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG sprechen ebenfalls dafür, das Stimmausübungsverbot auf die Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft zu erstrecken. Dasselbe gilt für die Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft, die mit dieser mitgliedschaftlich verbunden sind. Eine Teilnahme an der Beschlussfassung über die Wahl und Abberufung des Aufsichtsrats stünde unter dem latenten Verdacht, dass sich von der Tätigkeit des Aufsichtsrats mittelbar und mit Blick auf die Vertretungsfunktion sogar unmittelbar betroffene Personen bei der Entscheidung über die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht nur von den Interessen der KGaA und der NurKommanditaktionäre leiten lassen. Daher ist das Stimmausübungsverbot des § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG auf sämtliche Anteilseigner einer Komplementär-Gesellschaft entsprechend anzuwenden, auch um den Bemühungen des historischen Gesetzgebers um eine ausgewogene Regelung der Stimmrechtsbeschränkungen in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Die Erstreckung des Stimmausübungsverbots auf den genannten Personenkreis wäre auch im Falle einer derzeit entgegenstehenden Rechtslage de lege ferenda geboten, um den genannten Interessenkonflikten entgegenzuwirken.644 Auf Basis der 644
Vgl. insoweit die Erörterungen zu § 287 Abs. 3 AktG oben S. 162.
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4. Teil: Gesamtergebnis und Thesen
hier vertretenen Auffassung ist zwar eine klarstellende Ergänzung von § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG nicht zwingend erforderlich, würde sich aber positiv auf die Rechtssicherheit auswirken. § 285 Abs. 1 sollte daher folgender Satz 4 angefügt werden: „Wenn in der Gesellschaft keine oder nicht nur natürliche Personen persönlich haften, gelten die Sätze 2 und 3 für Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und Gesellschafter der persönlich haftenden Gesellschafter entsprechend.“ Auf Basis der aktuellen – wenn auch vorliegend nicht für überzeugend gehaltenen – Rechtsprechung erscheint eine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat bzw. eine Teilnahme an der Wahl des Aufsichtsrats für Gesellschafter einer KomplementärGesellschaft zwar grundsätzlich möglich, wäre aber zumindest im Falle einer mehr als nur unerheblichen Beteiligung mit kaum vertretbaren Risiken verbunden. Von entsprechenden Gestaltungen ist daher aus Gründen der Vorsicht abzuraten. Ungeachtet dessen ist eine Aufsichtsratsmitgliedschaft von Gesellschaftern einer Komplementär-Gesellschaft mit den Grundsätzen einer guten Corporate Governance nicht zu vereinbaren und daher auch mit Blick auf die Wechselwirkung von Anlegerschutz und Wertentwicklung der Kommanditaktien gerade für börsennotierte KGaA nicht zu empfehlen.
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Sachwortregister Anlegerschutz – Inhabilität 97, 162 – Stimmrechtsausschluss 133 Aufsichtsrat – Annexkompetenzen 55 – Arbeitnehmervertreter 47, 62 f., 100 f., 127 – Aufgaben 17, 23, 32, 56, 81 – Ausführungskompetenz 17, 46 f., 56 – Doppelfunktion 55 – Handlungsmaxime 54 f. – Interessenvertretung der Kommanditaktionäre 33, 47, 49, 119 – Überwachungskompetenz 24, 35 – 37, 44 f., 53, 56, 61, 99 – Überwachungsobjekt 44, 46 – Vertretungskompetenz 17, 24, 47, 50 – 54, 56, 102
Geschäftsführung – Grundsatz der Selbstorganschaft 38, 44 – kein Gleichlauf mit persönlicher Haftung 39 – Schaffung weiterer Geschäftsführungsorgane 43 – Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis 38, 42 Geschäftsleiter – Begriff 17 – Inhabilität der Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft 70 – 72, 78 – Stimmrechtsausschluss der Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft 148 – 150 Gesellschafter – Gesamtheit der Kommanditaktionäre 17, 20 f., 23 f., 32, 34, 47 – 50, 52, 146 – Gesellschaftergruppen 58 – Gesellschaftergruppenidentität 136
– Inhabilität der Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft 79, 82, 100, 106, 127 – Komplementär-Gesellschaft 17 – Machtbalance 58, 63, 100 – persönlich haftende Gesellschafter 16, 20, 25 f., 33, 42, 51, 57, 131 – Quasi-Kommanditist 25 – Stimmrechtsausschluss der Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft 151, 153 f., 158 Gesetzgebungsgeschichte – § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG 144 – § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG analog (Geschäftsleiter) 150 – § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG analog (Gesellschafter) 157 – § 287 Abs. 3 AktG 67 – § 287 Abs. 3 AktG analog (Geschäftsleiter) 78 – § 287 Abs. 3 AktG analog (Gesellschafter) 126 Hauptversammlung – Aufgaben 24, 34 f., 46, 49, 62, 85 – Stimmrecht 131 – Teilnahme 23, 120, 131, 153 Inhabilität – absolute Inhabilität 80 – AG & Co. KG 123 – Aktiengesellschaft 65, 73 – 76, 121 – Aufsichtsratsmitglieder einer Komplementärgesellschaft 129 – Einfluss auf die Geschäftsführung 83 – Genossenschaft 66, 76 – geschäftsführungsbefugte Kommanditaktionäre 60 – Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft 70 – 72, 78
Sachwortregister – Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft 79, 82, 100, 106, 127 – Gesellschafter-Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft 129 – Konzernrecht 108 – maßgebliche Beteiligung an der Komplementär-Gesellschaft 80 – mehr als nur unmaßgeblicher Beteiligung an der Komplementär-Gesellschaft 80 – nicht geschäftsführungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter 60 – Offenlegung als milderes Mittel 123 – Prokuristen 75 – Rechtssicherheit 80, 92 f., 95, 121, 125 f., 129, 161 f. – Satzungsgestaltungen 103, 105, 119, 121 – SCE 66, 76 – SE 66, 76 – Stimmverbot als milderes Mittel 124 – Trennungsprinzip 106 – Umgehung 72 – Verbot der Doppelvertretung 76 – Wertung aktienrechtlicher Vorschriften 109 f. – Wertung handelsrechtlicher Vorschriften 112 f. – Wertung insolvenzrechtlicher Vorschriften 115 – Wertung sonstiger wirtschaftsrechtlicher Vorschriften 117 f. – Wertung Wettbewerbsverbot 112 KGaA – Attraktivität 27 – atypische KGaA 15, 17, 30 f., 41, 57, 96, 128 – dispositive Organisationsstruktur 26 – 28, 42, 105 – Dualität der Gesellschaftergruppen 122 – Führungsstruktur 20 – Hybridstruktur 19 f. – Kapitalstruktur 20
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– Realtypen 26, 31 – Sonderrecht 96, 98 Normzweck – § 285 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AktG 132 – § 287 Abs. 3 AktG 57 – Schutz der Überwachungsfunktion 58 f., 64, 71, 83, 97, 99, 132, 134, 138, 149 – Schutz der Vertretungsfunktion 58, 62 f., 71, 100, 103, 132, 134, 138, 149, 156 Stimmrechtsausschluss – Aufsichtsratswahl in der Aktiengesellschaft 138 – Aufsichtsratswahl in der Genossenschaft 139 – Aufsichtsratswahl in der SCE 139 – Aufsichtsratswahl in der SE 138 – Aufsichtsratswahl wechselseitig beteiligter Unternehmen 142 – Ausnahme bei Gesellschaftergruppenidentität 136 – Bestellung von Sonderprüfern 143 – Depotstimmrecht Kreditinstitute 157 – Durchschlagen allgemeiner Stimmrechtsausschlüsse auf Geschäftsleiter 149 – Durchschlagen allgemeiner Stimmrechtsausschlüsse auf Gesellschafter einer Drittgesellschaft 154 – eigene Aktien 150 – Entsendungsrechte 135, 152 – Folgen eines Verstoßes 137 – Geschäftsleiter einer Komplementär-Gesellschaft 148 – 150 – Gesellschafter einer Komplementär-Gesellschaft 151, 153 f., 158 – Rechtssicherheit 154, 163 – Schutz vor Umgehungen 136, 152, 154 – Stimmrechtsbeschränkungen qua Aktienrecht 140 – Stimmrechtsbeschränkungen qua Personengesellschaftsrecht 141