Die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Aktien- und GmbH-Recht [1 ed.] 9783428587889, 9783428187881

Ist der Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH nichtig, so bleiben die mit der Feststellung beabsichti

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German Pages 172 [173] Year 2023

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Die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Aktien- und GmbH-Recht [1 ed.]
 9783428587889, 9783428187881

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 213

Die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Aktienund GmbH-Recht Von

Aileen Krämer

Duncker & Humblot · Berlin

AILEEN KRÄMER

Die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Aktien- und GmbH-Recht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 213

Die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses im Aktienund GmbH-Recht Von

Aileen Krämer

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier hat diese Arbeit im Jahr 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18788-1(Print) ISBN 978-3-428-58788-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2022 von dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Trier als Dissertation angenommen. Sie entstand nahezu vollständig während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am dortigen Lehrstuhl von Prof. Dr. Arnd Arnold in den Jahren 2019 bis 2021. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit leicht überarbeitet und Rechtsprechung und Literatur auf den Stand von Ende August 2022 gebracht. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Arnd Arnold. Er hat mich während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl stets gefördert und unterstützt. Seine Ideen und Anregungen haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Die Zeit am Lehrstuhl werde ich immer in guter Erinnerung behalten. Darüber hinaus danke ich Prof. Dr. Hans-Friedrich Müller für das von ihm freundlicherweise erstattete Zweitgutachten. Bedanken möchte ich mich bei Bernd Krämer und Monika C. Mack für die kritische Durchsicht dieser Dissertation. Ganz besonders danke ich meiner Familie. Ohne die Unterstützung und den Rückhalt meiner Eltern auf meinem bisherigen Lebensweg wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Meinem Verlobten Philipp danke ich für die liebevolle Unterstützung, das mir entgegengebrachte Verständnis sowie die anregenden Diskussionen. New York City, im Januar 2023

Aileen Krämer

Inhaltsübersicht Erster Teil

Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung 21

Zweiter Teil

Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft 27

§ 1 Funktion, Zusammensetzung und Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . 27 A. Funktion des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Verfahren der Aufstellung, Prüfung und Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Anfechtung des Jahresabschlusses, § 257 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Nichtigkeit des Jahresabschlusses, § 256 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 § 3 Bedeutung und unmittelbare Rechtsfolgen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 § 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 B. Gewinnverwendung auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . 53 C. Auswirkungen auf Folgeabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 D. Mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Dritter Teil

Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH 112

§ 1 Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 § 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A. Generelle Übertragbarkeit der §§ 256, 257 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Analoge Anwendung der einzelnen Vorschriften der §§ 256 ff. AktG . . . . . . . . . 121 C. Weitere Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

10

Inhaltsübersicht D. Behandlung der Thematik nach Inkraftreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

§ 3 Folgen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Pflicht zur Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 C. Ebenfalls schwebende Unwirksamkeit nachfolgender Jahresabschlüsse? . . . . . . 150 D. Mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführung und Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Vierter Teil

Wesentliche Ergebnisse 162

§ 1 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 162 § 2 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Inhaltsverzeichnis Erster Teil

Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung 21

Zweiter Teil

Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft 27

§ 1 Funktion, Zusammensetzung und Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . 27 A. Funktion des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Zusammensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Verfahren der Aufstellung, Prüfung und Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 § 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Regelungsgehalt der §§ 256, 257 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

II.

Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

B. Anfechtung des Jahresabschlusses, § 257 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I.

Allgemeine Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

II.

Besondere Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

III. Sonstige Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 IV. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 C. Nichtigkeit des Jahresabschlusses, § 256 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I.

Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Inhaltsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Generalklausel des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Verletzung der Vorschriften zu Kapital- und Gewinnrücklagen, § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Gliederungsmängel, § 256 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 d) Bewertungsfehler, § 256 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 aa) Überbewertung, § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . 39 bb) Unterbewertung, § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . 40 cc) Sondervorschriften, § 256 Abs. 5 S. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Prüfungsmängel, § 256 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

12

Inhaltsverzeichnis a) Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Verfahrensmängel, § 256 Abs. 2 und 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat, § 256 Abs. 2 AktG . . 42 b) Feststellung durch die Hauptversammlung, § 256 Abs. 3 AktG . . . . 43 II.

Geltendmachung der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

III. Heilung, § 256 Abs. 6 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Wirkung der Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Heilungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 § 3 Bedeutung und unmittelbare Rechtsfolgen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 § 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I.

Pflicht zur Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Meinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Abwarten als legitimes Mittel, sofern die Neuvornahme mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Differenzierung nach Nichtigkeitsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 c) Uneingeschränkte Pflicht zur Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Pflicht zur Neuvornahme, es sei denn, die Heilung steht unmittelbar bevor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

II.

Anforderungen an die Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Verfahrens- und Prüfungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Inhaltsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

B. Gewinnverwendung auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . 53 I. Anspruch gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Privilegierung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Begründete Zweifel an der Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Wertung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Heilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 II.

Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Aufrechnungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, § 242 BGB . . . . . . . . 60

Inhaltsverzeichnis

13

3. Anrechnungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4. Heilungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 C. Auswirkungen auf Folgeabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I.

Frühe Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Rechtsprechung des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) RGZ 64, 258 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) RGZ 98, 112 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) RGZ 120, 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Literatur zum Aktiengesetz 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Literaturansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

II.

Aktuelle Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

III. Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als Nichtigkeitsgrund i. S. v. § 256 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Vorrang der § 256 Abs. 4 oder Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Gläubigerschützender Charakter des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB . . . . . . . . 72 a) § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist keine gläubigerschützende Norm i. S. v. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 b) § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist gläubigerschützende Norm i. S. v. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Grundsatz der formellen Bilanzidentität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB . . . . . . . 75 1. Inhalt der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität im Falle der Nichtigkeit des Vorabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB mangels anknüpfungsfähiger Schlussbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nur bei Änderung des Vorabschlusses in Folge der Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Begründeter Ausnahmefall i. S. v. § 252 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Kein Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

14

Inhaltsverzeichnis c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Beschränkung auf wesentliche Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 V.

Notwendige Korrektur der Nichtigkeit des Folgeabschlusses? . . . . . . . . . . 83 1. Originäre Eröffnungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Korrektur in laufender Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Schwebende Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Argumente für und gegen eine originäre Eröffnungsbilanz . . . . . . . 87 b) Argumente für und gegen eine Korrektur in laufender Rechnung . . 88 c) Schwebende Unwirksamkeit nachfolgender Jahresabschlüsse? . . . . 90 aa) Schwebende Unwirksamkeit im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . 90 bb) Übertragung auf die drohende Nichtigkeit des Folgeabschlusses 91 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 d) Korrektur in laufender Rechnung in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . 93 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

VI. Pflicht der zuständigen Organe zur Herbeiführung voller Wirksamkeit . . . 95 VII. Heilung der schwebenden Unwirksamkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 VIII. Auswirkungen auf die Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Schwebende Unwirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses . . . 97 2. Folgen der schwebenden Unwirksamkeit für die Gewinnausschüttung

98

a) Anspruch auf Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Zulässigkeit der Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Ausschüttungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Ausschüttung nach pflichtgemäßem Ermessen zulässig . . . . . . 100 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (1) Gewinnausschüttung auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Folgeabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit des Vorjahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 IX. Schwebende Unwirksamkeit mehrerer Folgeabschlüsse bzw. Gewinnverwendungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 X. Geltendmachung der schwebenden Unwirksamkeit bzw. endgültigen Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 XI. Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft, um den Schwebezustand zu beenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Inhaltsverzeichnis

15

XII. Bestätigungsvermerk und schwebende Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . 105 XIII. Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der schwebenden Unwirksamkeit 106 D. Mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I.

Verantwortlichkeit des Vorstandes und des Aufsichtsrates . . . . . . . . . . . . . 106 1. Zivilrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

II.

Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Zivilrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Haftung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Haftung gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Dritter Teil

Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH 112

§ 1 Feststellung des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 § 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 A. Generelle Übertragbarkeit der §§ 256, 257 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 I.

Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

II.

Ansichten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. §§ 256, 257 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Allgemeines Beschlussmängelrecht unter Heranziehung einzelner Bestimmungen des § 256 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Anwendung der §§ 241 ff. AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. § 256 AktG analog unter Berücksichtigung der Besonderheiten der GmbH 116

III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Historische Entwicklung (planwidrige Regelungslücke) . . . . . . . . . . . . 117 a) Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetzes von 1971 . . . . . . . . . . . . 117 b) Regierungsentwurf eines Bilanzrichtliniengesetzes von 1985 . . . . . 118 c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Strukturelle Vergleichbarkeit (vergleichbare Interessenlage) . . . . . . . . . 119 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 B. Analoge Anwendung der einzelnen Vorschriften der §§ 256 ff. AktG . . . . . . . . . 121 I.

Anfechtung, § 257 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

II.

Sonderprüfungsverfahren, §§ 258 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

III. Nichtigkeitsgründe des § 256 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

16

Inhaltsverzeichnis 2. § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Sicherung des Anspruchs auf Dividendenausschüttung . . . . . . . . . . 126 b) Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Vorschriften zu Kapitalrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Vorschriften zu Gewinnrücklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Satzungsverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Ergebnis zur analogen Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG . . . 130 4. § 256 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5. § 256 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) § 256 Abs. 3 Nr. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 c) § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6. § 256 Abs. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 7. § 256 Abs. 5 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Überbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Unterbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Heilung, § 256 Abs. 6 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 V.

Nichtigkeitsklage, § 256 Abs. 7 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

VI. Ergebnis zur analogen Anwendung der §§ 256 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . 139 C. Weitere Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 D. Behandlung der Thematik nach Inkraftreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 3 Folgen der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 A. Pflicht zur Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 B. Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I.

Auszahlung lässt Stammkapital unberührt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

II.

Stammkapital durch Gewinnzahlung beeinträchtigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

III. Rückgewähr nach erfolgter Neuvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Heilungslösung bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Übertragung auf die GmbH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 C. Ebenfalls schwebende Unwirksamkeit nachfolgender Jahresabschlüsse? . . . . . . 150 I.

Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis II.

17

Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität im Falle der Nichtigkeit des Vorabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

III. Schwebende Unwirksamkeit als interessengerechtes Lösungsmodell . . . . 152 IV. Korrektur in laufender Rechnung in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 V.

Pflicht der zuständigen Organe zur Herbeiführung voller Wirksamkeit . . 154

VI. Heilung der schwebenden Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 VII. Auswirkungen auf die Gewinnverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 1. Schwebende Unwirksamkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses . . . 155 2. Auswirkungen der schwebenden Unwirksamkeit auf die Ergebnisverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Anspruch auf Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Zulässigkeit der Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 VIII. Schwebende Unwirksamkeit mehrerer Folgeabschlüsse bzw. Ergebnisverwendungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 IX. Geltendmachung der schwebenden Unwirksamkeit bzw. endgültigen Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 X.

Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft, um Schwebezustand zu beenden 159

XI. Haftungsrisiken der Geschäftsführung im Zusammenhang mit der schwebenden Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 D. Mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführung und Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I.

Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Zivilrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Strafrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

II.

Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Vierter Teil

Wesentliche Ergebnisse 162

§ 1 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 162 § 2 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. E. am Ende a. F. alte Fassung Abs. Absatz AG Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Amtsgericht AktG Aktiengesetz allg. M. allgemeine Meinung Alt. Alternative Anh. Anhang Anl. Anlage Anm. Anmerkung arg. argumentum Art. Artikel Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BB Betriebs-Berater Bd. Band Begr. Begründung Begr. RegE Begründung zum Regierungsentwurf BFH Bundesfinanzhof BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BiRiLiG Bilanzrichtlinien-Gesetz BT-Drucks. Bundestags-Drucksache bzw. beziehungsweise DB Der Betrieb DStR Deutsches Steuerrecht e. V. eingetragener Verein EGHGB Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einl. Einleitung f., ff. folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der FamFG freiwilligen Gerichtsbarkeit Fn. Fußnote FS Festschrift GesR Gesellschaftsrecht GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH

Abkürzungsverzeichnis GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbHR GmbH-Rundschau HGB Handelsgesetzbuch i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit IdW Institut der Wirtschaftsprüfer InsO Insolvenzordnung KAGB Kapitalanlagegesetzbuch Kap. Kapitel KG Kammergericht KStG Körperschaftsteuergesetz LG Landgericht MoPeG Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts neue Fassung n. F. Neue juristische Wochenschrift NJW NJW-RR Rechtsprechungsreport der Neuen Juristischen Wochenschrift Nr. Nummer NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht OLG Oberlandesgericht PublG Publizitätsgesetz Rn. Randnummer RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen S. Seite sog. sogenannt StGB Strafgesetzbuch UG Unternehmergesellschaft Var. Variante vgl. vergleiche WM Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung WPg Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZHR Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP ZPO Zivilprozessordnung

19

Erster Teil

Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung Diese Arbeit befasst sich mit der Frage, welche Folgen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses für die Aktiengesellschaft und die GmbH hat. Der Jahresabschluss ist von jedem Kaufmann am Ende eines Geschäftsjahres aufzustellen und dient der Darstellung der Vermögens-, Ertrags und Finanzlage des Unternehmens innerhalb der Rechnungsperiode, vgl. §§ 242, 264 Abs. 2 HGB. Er bildet unter anderem die Bemessungsgrundlage für den ausschüttbaren Gewinn.1 Gleichzeitig stellt er die zentrale Informationsquelle über die finanzielle Situation des Unternehmens für aktuelle und zukünftige Gesellschafter, Gläubiger und andere an der Gesellschaft beteiligten Interessengruppen dar.2 Sind die im Jahresabschluss getroffenen Feststellungen inhaltlich fehlerhaft oder wurde das gesetzlich vorgesehene Verfahren nicht eingehalten, so kann daraus die Nichtigkeit des Jahresabschlusses resultieren. Bei der Aktiengesellschaft bestimmt sich dies maßgeblich nach der Vorschrift des § 256 AktG, welche grundsätzlich abschließend die möglichen Nichtigkeitsgründe aufzählt.3 Da im GmbH-Gesetz eine entsprechende Regelung fehlt, sind Literatur und Rechtsprechung dazu übergegangen, die Nichtigkeitsgründe des § 256 AktG analog auf die GmbH anzuwenden, sofern die GmbH-spezifischen Besonderheiten dem nicht entgegenstehen.4 Ist der Jahresabschluss demnach nichtig, so bedeutet dies zunächst einmal, dass die mit dessen Feststellung beabsichtigten Rechtswirkungen ausbleiben.5 Welche Konsequenzen sich daraus im Einzelnen für die Gesellschaft ergeben, ist indessen in mehrfacher Hinsicht ungeklärt.

1 MHA AktR / Sandleben, § 17 Rn. 31; MHLS / Sigloch / Keller / Meffert, GmbHG, Anh. §§ 41–42a Rn. 43; Windbichler, GesR, § 31 Rn. 1. 2 MHA AktR / Sandleben, § 17 Rn. 22; MüKoBilanzR / Kessler / Freisleben, HGB, § 275 Rn. 2. 3 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 7; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 3. 4 BGH ZIP 1982, 1077 (1080); BGH NJW 1998, 1559 (1560); BGH GmbHR 2008, 1092 (1093); Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 24, 33; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177); Habersack / Casper / L öbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 68; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 36, 38; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 123, 196; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63 ff.; Lutter / Hommelhoff /  Bayer, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 24, 57; Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (147); MüKoAktG /  J. Koch, § 256 Rn. 87. 5 Koch, AktG, § 256 Rn. 32; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 207.

22

1. Teil: Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

Die wohl zentrale Folge für die Gesellschaft besteht darin, dass auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses keine Gewinne ausgeschüttet werden dürfen.6 Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn trotz des nichtigen Jahresabschlusses bereits Gewinne ausgezahlt wurden, etwa da die Nichtigkeit noch gar nicht im Raum stand oder als äußerst unwahrscheinlich eingeschätzt wurde. In diesem Fall sind die Aktionäre bzw. die Gesellschafter grundsätzlich zur Rückgewähr des Gewinns verpflichtet, es sei denn, sie waren zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung gutgläubig, vgl. § 62 Abs. 1 S. 2 AktG, § 32 GmbHG. Offen ist in diesem Zusammenhang aber, welche Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab zu stellen sind. Des Weiteren ist unklar, unter welchen Umständen die Abschlussverantwort­ lichen dazu verpflichtet sind, den nichtigen Jahresabschluss erneut fehlerfrei festzustellen. Mehrheitlich wird eine solche Pflicht zur Neuvornahme – ungeachtet des damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Aufwandes – befürwortet,7 was wiederum mit Schwierigkeiten verbunden ist: Wird der Jahresabschluss neuvorgenommen, so entstehen erstmals wirksame Ansprüche auf Dividendenzahlung. Konsequenterweise ist die Gesellschaft somit einerseits zur Ausschüttung der Dividende auf der Grundlage des erneut festgestellten Jahresabschlusses verpflichtet, anderseits kann sie die bereits für das betroffene Geschäftsjahr ausgeschütteten Gewinne zurückfordern. Gerade bei börsennotierten Aktiengesellschaften wäre die Rückforderung der zunächst ausgeschütteten Gewinne mit erheblichen Belastungen und einem drohenden Rufschaden verbunden, was insbesondere dann nicht gerechtfertigt ist, wenn sich hinsichtlich des im neuen Jahresabschluss festgestellten Bilanzgewinns keine Änderung ergeben hat.8 Grundsätzlich könnten der Anspruch auf Gewinnausschüttung und der Rückgewähranspruch miteinander verrechnet werden. Eine Aufrechnung scheidet aber immer dann aus, wenn der Anspruch der Gesellschaft auf Grund der Gutgläubigkeit des Aktionärs bzw. des Gesellschafters ausgeschlossen ist oder die Anteile veräußert wurden. Im Ergebnis wäre die Gesellschaft in diesen Fällen zur doppelten Ausschüttung der Dividende eines Geschäftsjahres verpflichtet, was mit einem erheblichen Schaden für die Gesellschaft verbunden wäre. Darüber, dass dies verhindert werden muss, besteht Einigkeit.9 Allerdings ist unsicher, auf welche Weise die erneute Ausschüttung ausgeschlossen werden kann.

6

Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses erstreckt sich gemäß § 253 Abs. S. 1 AktG auch auf den Gewinnverwendungsbeschluss. Nach allgemeiner Ansicht wird die Norm analog auf die GmbH angewandt. 7 Herrschende Ansicht, vgl. KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 94; Schön, FS 50 Jahre BGH Bd. 2, S. 153 (163); Geist, DStR 1996, 306 (306), BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 96; Koch, AktG, § 256 Rn. 33; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 82; Hennrichs, ZHR 2004, 383 (391); Barz, FS Schilling, S. 127 (132); Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 45. 8 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (314). 9 Vergleiche Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (376 f.); Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (151); ­Kowalski, AG 1993, 502 (507); MükoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 174 Rn. 62; Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (317); GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 260 ff.

1. Teil: Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

23

Klärungsbedürftig ist weiterhin, wie sich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses auf nachfolgende Jahresabschlüsse auswirkt. Es besteht Konsens darüber, dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht zwangsläufig die Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses bewirkt.10 Diskutiert wird aber, ob sich die Nichtigkeit des Folgeabschlusses aus der Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität ergeben kann. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB müssen die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz eines Geschäftsjahres mit den Wertansätzen der Schlussbilanz des vorausgegangenen Geschäftsjahres übereinstimmen. Dies wäre immer dann problematisch, wenn die Nichtigkeit des Jahresabschlusses erst nach einiger Zeit entdeckt wird oder aber jahrelang gerichtlich über die Wirksamkeit eines Jahresabschlusses gestritten wurde. Denn steht schließlich fest, dass der Jahresabschluss tatsächlich nichtig ist, so bedarf es grundsätzlich der bereits erwähnten Neuvornahme. Da die Abschlussverantwortlichen hierbei aber nicht an die im Rahmen des nichtigen Jahresabschlusses bereits getroffenen Feststellungen gebunden sind, können die Wertansätze des neuvorgenommenen Jahresabschlusses und die Wertansätze der Eröffnungsbilanz des nachfolgenden Jahresabschlusses rückwirkend auseinanderfallen.11 Sofern man in der Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB einen Nichtigkeitsgrund sieht, wäre somit auch der nachfolgende Jahresabschluss nichtig und müsste ebenfalls neuvorgenommen werden. Im schlimmsten Fall stünde demnach die Nichtigkeit einer ganzen Reihe von Jahresabschlüssen im Raum. Um die hiermit einhergehenden Konsequenzen für die Gesellschaft möglichst abzumildern, geht die herrschende Ansicht davon aus, dass auf den nichtigen Jahresabschluss nachfolgende Jahresabschlüsse zunächst schwebend unwirksam sind.12 Die nachfolgenden Jahresabschlüsse seien demnach vollständig wirksam, sobald der nichtige Vorjahresabschluss geheilt wird oder die inhaltsgleiche Neuvornahme erfolgt. Kommt es hingegen zur inhaltlich veränderten Neuvornahme, so sei der Folgeabschluss endgültig nichtig. Allerdings wird zunehmend angezweifelt, ob das Konstrukt der schwebenden Unwirksamkeit eine sachgerechte Lösung für das beschriebene Problem bietet.13 Im Übrigen ist weitestgehend offen, was die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses konkret für die Abschlussverantwortlichen, die Gesellschafter sowie die Abschlussprüfung bedeutet.

10 BGH NZG 2013, 957 (959); BGH NJW 1997, 196 (197); BGH AG 1998, 525 (527); OLG Köln AG 1998, 525 (527); Koch, AktG, § 256 Rn. 34; Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 256 Rn. 44; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 76; Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 44; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 85; IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 381; Hense, Wpg 1993, 716 (717); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (359); ­Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (305); Haase, DB 1977, 241 (242); Schedlbauer, DB 1992, 2097 (2103). 11 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (312). 12 Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 44; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 96; MüKoAktG / J.  Koch, § 256 Rn. 86; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 102; MükoAktG / Hüffer, § 256 Rn. 82 (2. Auflage); Kropff, FS Budde, S. 340 (349); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (365). 13 Zuletzt Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (305 ff.).

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1. Teil: Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

Diese Problemskizze verdeutlicht, dass im Hinblick auf die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses erhebliche Unsicherheiten für die Gesellschaft und deren Organe bestehen. Gleichzeitig drohen hohe finanzielle Schäden und auch das Ansehen der Gesellschaft ist gefährdet, etwa, wenn eine doppelte Gewinnausschüttung im Raum steht oder unter Umständen mehrere Jahresabschlüsse neuvorzunehmen sind. Mithin besteht ein großes praktisches Interesse daran, die bestehenden Unklarheiten zu beseitigen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es vor diesem Hintergrund, die Folgen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses von Aktiengesellschaft und GmbH problemorientiert zu untersuchen. Es soll Klarheit im Hinblick auf die aus der Nichtigkeit resultierenden Konsequenzen geschaffen werden, um den von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses Betroffenen Handlungs- und Planungssicherheit zu ermöglichen sowie mögliche Risiken aufzuzeigen. Hierbei ist insbesondere auf die bereits aufgeworfenen Fragen einzugehen. Zu klären ist somit, wann eine Neuvornahme erfolgen muss und unter welchen Umständen ausgeschüttete Gewinne zurückgezahlt werden müssen. Darüber hinaus ist zu untersuchen, ob trotz der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für das nachfolgende Geschäftsjahr Rechnung gelegt werden kann. Den Schwerpunkt der Arbeit bilden folglich die Auswirkungen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses auf die Gewinnverwendung sowie auf nachfolgende Jahresabschlüsse. Die in diesem Zusammenhang bereits entwickelten Lösungsansätze sind einer umfassenden Analyse zu unterziehen. Es soll ein Lösungsmodell gefunden werden, dass die bestehenden Unklarheiten unter Berücksichtigung aller beteiligten Interessen bestmöglich beseitigt. Letztlich soll herausgearbeitet werden, ob sich die für die Aktiengesellschaft gefundenen Ergebnisse auf die GmbH übertragen lassen. Mit der Nichtigkeit des Jahresabschlusses beschäftigte sich bereits J.-H. ­Weilep im Rahmen seiner 2011 erschienenen, staatswissenschaftlichen Dissertation.14 Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf den Tatbestandsvoraussetzungen der Nichtigkeit sowie den straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen für Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer. Die weiteren Folgen der Nichtigkeit, insbesondere die Behandlung nachfolgender Jahresabschlüsse, werden indessen eher deskriptiv aufgezeigt, während eine ausschöpfende Auswertung der hierzu in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Ansichten und Lösungsansätze nicht erfolgt. Darüber hinaus beschränkt sich die Untersuchung auf die Rechtslage bei der Aktiengesellschaft, auf die Nichtigkeit des GmbH-Jahresabschlusses sowie die damit verbundenen Konsequenzen wird nicht eingegangen. Folglich besteht durchaus noch Ergänzungsbedarf. Vor dem Hintergrund dieser Problemskizze, befasst sich der zweite Teil der vorliegenden Arbeit mit den Auswirkungen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses bei der Aktiengesellschaft, während im dritten Teil die Folgen der Nichtigkeit des 14

J.-H. Weilep, Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses.

1. Teil: Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

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GmbH-Jahresabschlusses dargestellt werden. Die Ausführungen zur Aktiengesellschaft beginnen mit einem Überblick über die Funktion des Jahresabschlusses, dessen Zusammensetzung sowie das Feststellungsverfahren.15 Gegenstand der Untersuchung ist sodann die fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung.16 Eingangs wird der Regelungsgehalt der §§ 256, 257 AktG beleuchtet, um dann die einzelnen Nichtigkeitsgründe zu beschreiben. Anschließend wird auf die Bedeutung der Nichtigkeit sowie deren unmittelbare Folgen eingegangen.17 Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse setzt sich die Arbeit daraufhin ausführlich mit den weiteren Auswirkungen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses auseinander. Nachdem festgestellt wurde, dass eine grundsätzliche Pflicht der Gesellschaft zur Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses besteht, werden die Auswirkungen der Nichtigkeit auf die Gewinnverwendung erörtert.18 Insbesondere wird gezeigt, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch der Gesellschaft gemäß § 62 Abs. 1 AktG besteht. Darüber hinaus wird erläutert, wie im Fall der Neuvornahme eine doppelte Ausschüttung vermieden werden kann. Das sich anschließende Kapitel der Arbeit befasst sich eingehend mit der Frage, unter welchen Umständen ein nichtiger Jahresabschluss die Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses bedingt. Hierbei wird gezeigt, dass die Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität einen Nichtigkeitsgrund im Sinne der Vorschrift des § 256 AktG darstellt.19 Ausgehend von diesem Befund wird erörtert, dass der Grundsatz der Bilanzidentität rückwirkend verletzt ist, wenn der nichtige Jahresabschluss inhaltsverändernd neuvorgenommen wurde.20 Da in der Folge mitunter über mehrere Perioden unklar bleibt, ob der nachfolgende Jahresabschluss nichtig oder wirksam ist, wird befürwortet, dass der nachfolgende Jahresabschluss zunächst schwebend unwirksam ist, bis endgültig feststeht, ob der Grundsatz der Bilanzidentität gewahrt wurde.21 Anschließend wird konkretisiert, welche Folgen die schwebende Unwirksamkeit für die Gesellschaft hat. Schließlich wird auf mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Vorstand, Aufsichtsrat sowie den Abschlussprüfer eingegangen.22 Auf dieser Basis beschäftigt sich der zweite Teil der Arbeit mit der Rechtslage bei der GmbH. Es wird zunächst herausgearbeitet, dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses sich im Ausgangspunkt nach § 256 AktG analog richtet.23 Davon ausgehend wird erörtert, welche Nichtigkeitsgründe unter Berücksichtigung der Besonderheiten der GmbH konkret übertragen werden können. Sodann kann unter 15

Siehe Zweiter Teil § 1. Siehe Zweiter Teil § 2. 17 Siehe Zweiter Teil § 3. 18 Siehe Zweiter Teil § 4 A. und B. 19 Siehe Zweiter Teil  § 4 C. III. 2. c). 20 Siehe Zweiter Teil  § 4 C. IV. 2. c). 21 Siehe Zweiter Teil  § 4 C. V. 4. 22 Siehe Zweiter Teil § 4 D. 23 Siehe Dritter Teil  § 2 A. III. 16

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1. Teil: Anlass, Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

sucht werden, welche Folgen die Nichtigkeit bei der GmbH hat. Dazu wird zunächst auf die Pflicht der Abschlussverantwortlichen zur Neuvornahme eingegangen, um anschließend die etwaig bestehenden Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter zu beleuchten.24 Nachdem insbesondere gezeigt wird, dass auch bei der GmbH auf den nichtigen Jahresabschluss nachfolgende Jahresabschlüsse vorerst schwebend unwirksam sind, werden die möglichen Konsequenzen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für Geschäftsführung und Abschlussprüfer beschrieben.25 Im vierten Teil der Arbeit werden schließlich die wesentlichen Ergebnisse in ­Thesen zusammengefasst.

24 25

Siehe Dritter Teil § 3 A. und B. Siehe Dritter Teil § 3 C. und D.

Zweiter Teil

Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft § 1 Funktion, Zusammensetzung und Feststellung des Jahresabschlusses Die Folgen eines nichtigen Jahresabschlusses können nicht erörtert werden, ohne dass vorab die Funktion des Jahresabschlusses sowie dessen Zusammensetzung in der gebotenen Kürze dargestellt wurden. Darüber hinaus ist darauf einzugehen, nach welchem Verfahren der Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft festzustellen ist.

A. Funktion des Jahresabschlusses Die Erstellung des Jahresabschlusses dient zunächst der Information aller am Unternehmen beteiligten Interessengruppen. Die Öffentlichkeit, aktuelle und zukünftige Aktionäre, Gläubiger, mögliche Kreditgeber sowie Arbeitnehmer der Gesellschaft erhalten auf objektivierter Basis Informationen über die innerhalb des Geschäftsjahres entstandenen und verbrauchten Werte sowie deren Bestand am Ende der Rechnungsperiode.1 Mit Hilfe dieser Daten können sie sich ein zutreffendes Bild über die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der Gesellschaft machen und dieses als Entscheidungsgrundlage für die Gestaltung zukünftiger Beziehungen zur Gesellschaft heranziehen.2 Außerdem erhält die Gesellschaft selbst wichtige Informationen, so kann etwa an Hand des Jahresabschlusses prognostiziert werden, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickelt.3 Des Weiteren erfüllt der Jahresabschluss eine Zahlungsbemessungsfunktion, indem er den während der Rechnungsperiode erwirtschafteten Gewinn abbildet.4 Nur der Gewinn abzüglich der gesetzlich oder satzungsgemäß zu bildenden Rücklagen darf an die Aktionäre ausgeschüttet werden, ansonsten handelt es sich 1

MHA AktR / Sandleben, § 17 Rn. 22; MüKoBilanzR / Kessler / Freisleben, HGB, § 275 Rn. 2. 2 Weller / Prütting, Handels- und Gesellschaftsrecht, § 24 Rn. 605; Dicken / Henssler, Bilanzrecht, Rn. 1. 3 MHLS / Sigloch / Keller / Meffert, GmbHG, Anh. §§ 41–42a Rn. 41. 4 MHA AktR / Sandleben, § 17 Rn. 31; MHLS / Sigloch / Keller / Meffert, GmbHG, Anh. §§ 41–42a Rn. 43; Windbichler, GesR, § 31 Rn. 1.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

um eine verbotene Einlagenrückgewähr, vgl. § 57 Abs. 3 AktG. Außerdem bildet der ausgewiesene Gewinn die Grundlage zur Bemessung etwaig auszuzahlender Erfolgsbeteiligungen, etwa an das Management.5 Auch innerhalb eines Vertragskonzerns sind die Feststellungen des Jahresabschlusses der abhängigen Gesellschaft maßgeblich, um den abzuführenden Gewinn (§ 301 AktG) zu bestimmen.6 Des Weiteren dient der Jahresabschluss der Dokumentation: Sachverhalte werden beweissicher erfasst und urkundlich festgelegt, so dass sie im Streitfall belegt werden können.7

B. Zusammensetzung Grundsätzlich besteht der Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft gemäß §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 S. 1 HGB aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem Anhang. Die Bilanz dient der Darstellung der Vermögenslage der Gesellschaft und besteht aus den Aktiva, nämlich dem Anlage- und Umlaufvermögen, sowie den Passiva.8 Auf der Passivseite zu berücksichtigen sind das Grundkapital (§ 272 Abs. 1 S. 2 HGB, 152 Abs. 1 AktG), Rücklagen (§ 266 Abs. 3 Pos. A II HGB), Rückstellungen (§ 266 Abs. 3 Pos. B HGB), Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 Pos. C HGB) sowie Rechnungsabgrenzungsposten (§ 266 Abs. 3 Pos. D HGB) und passive latente Steuern (§ 266 Abs. 3 Pos. E HGB). Die Gewinn- und Verlustrechnung hingegen beleuchtet die Ertragslage der Gesellschaft, indem sie Aufwendungen und Erträge des Jahres einander gegenüberstellt, §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB.9 Der Anhang wiederum erläutert die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung, §§ 284 ff. HGB. Hinsichtlich des Umfangs der Berichterstattung differenziert das HGB nach der Größe der Gesellschaft und danach, ob diese kapitalmarktorientiert ist, vgl. §§ 267, 264d HGB. Große und kapitalmarktorientierte Gesellschaften treffen weitergehende Verpflichtungen als kleine und mittelgroße Gesellschaften. Gemäß § 264 Abs. 1 S. 2 HGB haben kapitalmarktorientierte Gesellschaften, die nicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, den Jahres­ abschluss um eine Kapitalflussrechnung, einen Eigenkapitalspiegel und fakultativ eine Segmentberichterstattung zu erweitern. Der von mittelgroßen und großen Aktien­gesellschaften gemäß §§ 289 ff. HGB anzufertigende Lagebericht ist hingegen nicht Bestandteil des Jahresabschlusses.10

5

MHA AktR / Sandleben, § 17 Rn. 31. MüKoAktG / HennrichsPöschke, § 172 Rn. 49. 7 MHLS / Sigloch / Keller / Meffert, GmbHG, Anh. §§ 41–42a Rn. 38. 8 Brox / Henssler, Handelsrecht, § 9 Rn. 182. 9 Jung, Handelsrecht, § 30 Rn. 16. 10 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 10. 6

§ 1 Funktion, Zusammensetzung und Feststellung des Jahresabschlusses

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C. Verfahren der Aufstellung, Prüfung und Feststellung Zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist gemäß §§ 242 Abs. 1, 264 Abs. 1 HGB der Vorstand als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft verpflichtet. Jahresabschluss und Lagebericht sind innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahrs für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen, § 264 Abs. 1 S. 3 HGB. Bei großen und mittelgroßen Aktiengesellschaften sieht das Gesetz gemäß § 316 Abs. 1 HGB die Prüfung des aufgestellten Abschlusses durch einen unabhängigen Abschlussprüfer vor. Dieser ist auf Vorschlag des Aufsichtsrates oder der Aktionäre von der Hauptversammlung zu wählen, § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG. Unter Umständen bedarf es einer gerichtlichen Bestellung, vgl. § 318 Abs. 3 und 4 HGB. Überprüft wird, ob der Jahresabschluss gesetzliche und satzungsmäßige Vorgaben einhält (§ 317 Abs. 1 HGB) und äußerlich sachgemäß aufgestellt wurde.11 Der Abschlussprüfer erstellt einen Prüfungsbericht, den er an den Vorstand und den Aufsichtsrat weiterleitet, § 321 Abs. 1 und 5 HGB. Bestehen keine Einwendungen, so erteilt er den Bestätigungsvermerk, der gemäß § 322 Abs. 1 HGB Auskunft über das Prüfungsergebnis sowie Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung zu beinhalten hat. Unverzüglich nach der Prüfung durch den Abschlussprüfer, legt der Vorstand den Jahresabschluss und den Prüfungsbericht dem Aufsichtsrat vor, § 170 Abs. 1 AktG. Zudem macht er gemäß § 170 Abs. 2 AktG Vorschläge für die Verwendung des Bilanzgewinns. Nun prüft der Aufsichtsrat in Wahrnehmung seiner in § 111 AktG statuierten Überwachungspflicht ebenfalls den Jahresabschluss auf Rechtund Zweckmäßigkeit.12 Das Ergebnis hat er wiederum in einem Prüfungsbericht festzuhalten, den er dem Vorstand weiterleitet und über dessen Inhalt er die Hauptversammlung informiert, vgl. § 171 AktG. In diesem Bericht hat der Aufsichtsrat zu erklären, ob er den aufgestellten Jahresabschluss billigt, § 172 S. 1 AktG. Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluss, gilt dieser als verbindlich festgestellt. Die Feststellung, die sich zusammensetzt aus der Vorlage durch den Vorstand und dem Billigungsbeschluss des Aufsichtsrates, stellt ein korporationsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art dar.13 Billigt der Aufsichtsrat den Jahresabschluss nicht oder haben Vorstand und Aufsichtsrat beschlossen, dass ausnahmsweise die Hauptversammlung zuständig sein soll, entscheidet die Hauptversammlung über die Feststellung des aufgestellten Jahresabschlusses, vgl. § 173 AktG. Der festgestellte Jahresabschluss ist gemäß § 325 HGB offenzulegen.

11

Windbichler, GesR, § 31 Rn. 20. Windbichler, GesR, § 31 Rn. 22. 13 BGHZ 124, 111 (116); MüKoAktG / HennrichsPöschke, § 172 Rn. 22; Koch, AktG, § 172 Rn. 3. 12

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung Unterläuft den Abschlussverantwortlichen bei der Feststellung des Jahresabschlusses ein Fehler oder wurde dieser bereits inhaltlich falsch aufgestellt, so stellt sich die Frage, in welchen Fällen von der Nichtigkeit des Abschlusses auszugehen ist. Dies richtet sich primär nach § 256 AktG, dessen Inhalt im Folgenden zu untersuchen ist. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 256 AktG bereits ausführlich in Rechtsprechung und Literatur erörtert wurden,14 ist auf die Nichtigkeitsgründe nur in der gebotenen Kürze einzugehen.

A. Grundlagen I. Regelungsgehalt der §§ 256, 257 AktG Leidet der Jahresabschluss an einem Mangel, so kann dieser entweder anfechtbar oder nichtig sein. Wann dies der Fall ist, regeln die §§ 256, 257 AktG, welche das allgemeine Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG) als Spezialnormen verdrängen.15 Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bestimmt sich außer in den Fällen der §§ 234 Abs. 3, 235 Abs. 2 AktG nach § 256 AktG. Der Gesetzeswortlaut ist insofern ungenau als er von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses spricht, dieser als Rechen- und Wortbericht selbst jedoch nicht nichtig sein kann.16 Gegenstand der Nichtigkeit ist vielmehr die Feststellung als das Rechtsgeschäft, durch welches der Jahresabschluss rechtlich verbindlich wird.17 Bleibt es bei der grundsätzlichen Zuständigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat nach §§ 170, 172 AktG, so erfasst die Nichtigkeit mithin das gesamte korporationsrechtliche Rechtsgeschäft durch Vorstand und Aufsichtsrat, welches zur Feststellung des Jahresabschlusses erforderlich ist, sprich die Vorlage des Jahresabschlusses durch den Vorstand und das damit einhergehende Billigungsbegehren als auch den Billigungsbeschluss des Aufsichtsrates sowie die entsprechende Erklärung nach § 171 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 AktG.18 Entscheidet ausnahmsweise die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 173 AktG) ist der Hauptversammlungsbeschluss nichtig.19 Liegt keiner der aufgezählten Nichtigkeitsgründe vor, ist ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluss anfechtbar, wenn die Feststellung gegen Gesetz oder Satzung verstößt, vgl. § 257 S. 1, 243 Abs. 1 AktG. Gemäß § 257 Abs. 1 14

Vergleiche Kropff, FS Budde, S. 340 (340). BGH NJW 1994, 520 (521); KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 7; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 3. 16 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 1. 17 OLG Stuttgart NZG 2003, 778 (780); MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 5. 18 BGH NJW 1994, 520 (521); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 207. 19 OLG Stuttgart NZG 2003, 778 (780); MüKoAktG / J. Koch, AktG, § 256 Rn. 6. 15

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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S. 2 AktG kann die Anfechtung aber nicht auf inhaltliche Mängel gestützt werden. Ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluss ist hingegen überhaupt nicht anfechtbar. Gegen inhaltliche Fehler unterhalb der Nichtigkeitsschwelle des § 256 AktG kann daher nur im Wege des Sonderprüfungsverfahrens nach den §§ 258 ff. AktG vorgegangen werden. Gemäß § 258 Abs. 1 AktG bestellt das Gericht auf Antrag unabhängige Sonderprüfer, welche überprüfen, ob in dem festgestellten Jahresabschluss Posten nicht unwesentlich unterbewertet sind (§ 258 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG) oder die im Anhang gemachten Angaben unvollständig sind (§ 258 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG). Die Wirksamkeit des Jahresabschlusses bleibt von der Sonderprüfung aber unberührt.20 II. Regelungszweck Die Nichtigkeitssanktion soll zunächst die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften gewährleisten, so dass im Interesse aller an der Gesellschaft Beteiligten ein möglichst aussagekräftiger Jahresabschluss festgestellt und veröffentlicht wird.21 Grundsätzlich würde die Nichtigkeit der Feststellung bereits aus der Anwendung der allgemeinen beschlussrechtlichen Grundsätze resultieren. Beschlüsse des Vorstands bzw. des Aufsichtsrates, die gegen Verfahrensvorschriften oder inhaltliche Gesetzesvorschriften verstoßen, entfalten keine Wirkung.22 Hauptversammlungsbeschlüsse sind nach Maßgabe des § 241 AktG nichtig. Allerdings gehen mit der Nichtigkeit des Jahresabschlusses weitreichende Konsequenzen und Unsicherheiten für die Gesellschaft, deren Gläubiger sowie gegenwärtiger und zukünftiger Aktionäre einher.23 So erstreckt sich etwa die Nichtigkeitsfolge gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 AktG auch auf den Gewinnverwendungsbeschluss. Daher beschränkt der grundsätzlich abschließende Katalog des § 256 AktG die Nichtigkeitsfälle im Interesse der Rechtssicherheit auf besonders gravierende Mängel.24

B. Anfechtung des Jahresabschlusses, § 257 AktG Gemäß §§ 257 Abs. 1 S. 1, 243 Abs. 1 AktG ist der Hauptversammlungsbeschluss anfechtbar, wenn dieser gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Allerdings scheiden inhaltliche Mängel als Anfechtungsgrund aus, § 257 Abs. 1 S. 2 AktG. 20

MüKoAktG / J. Koch, § 258 Rn. 65. Koch, AktG, § 256 Rn. 1. 22 BGH NJW 2006, 374 (375); BGHZ 124, 111 (115); BGH NJW 1993, 2307 (2308); OLG Frankfurt NZG 2003, 331 (332). 23 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 9; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 2, 94 ff.; Schmidt /  Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 1. 24 BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 2; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 2. 21

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

Diese sind vielmehr – sofern die Nichtigkeitsschwelle des § 256 AktG nicht überschritten wurde – nur im Wege der Sonderprüfung (§§ 258 ff. AktG) kontrollierbar. I. Allgemeine Verfahrensfehler Als mögliche Anfechtungsgründe kommen Verfahrensfehler bei der Vorbereitung, der Durchführung der Hauptversammlung sowie bei der Beschlussfassung in Betracht, sofern diese nicht bereits unter § 256 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 AktG fallen.25 Als allgemeine Verfahrensfehler führen beispielsweise die mangelhafte Einberufung der Hauptversammlung, ein Verstoß gegen das Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 AktG oder die fehlerhafte Feststellung des Beschlussergebnisses zur Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses.26 Ungeschriebene Voraussetzung ist insofern aber stets, dass der Verstoß von hinreichender Relevanz ist, also bei wertender Betrachtung nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verstoß sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat.27 II. Besondere Verfahrensregeln Bei der Feststellung des Jahresabschlusses sind zudem die besonderen Verfahrensregeln der §§ 175, 176 AktG zu beachten. Eine Verletzung der Vorgaben führt, mit Ausnahme der zeitlichen Vorgaben bezüglich der Einberufung der Hauptversammlung, ebenfalls zur Anfechtbarkeit, sofern der Verstoß relevant ist.28 Nach herrschender Ansicht ist ein Verstoß gegen die Erläuterungspflicht des § 176 Abs. 1 S. 2 und S. 3 AktG nicht anfechtungsbegründend.29 Zwar kann richtigerweise aus dem Charakter der Norm als Sollvorschrift nicht zweifelsfrei geschlossen werden, dass ein Verstoß gegen diese keine Anfechtung rechtfertigen kann.30 Allerdings spricht ein Vergleich der Formulierungen von § 176 Abs. 1 S. 1 AktG und § 176 Abs. 1 S. 2, 3 AktG dafür, dass es sich bei § 176 Abs. 1 S. 2 und S. 3 AktG um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt.31 Darüber hinaus ist die Befolgung der Erläute-

25

GroßkommAktG / K . Schmidt, § 243 Rn. 21. KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 8 ff.; Koch, AktG, § 257 Rn. 3; BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 11. 27 BGH ZIP 2004, 2186 (2190); BGH NJW 2002, 1128 (1129); GroßkommAktG / Bezzenberger, § 257 Rn. 7; BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 12. 28 OLG München NZG 2013, 622 (624); MüKoAktG / J. Koch, § 257 Rn. 7 f.; BeckOGK /  Jansen, AktG, § 257 Rn. 14; Koch, AktG, § 176 Rn. 6. 29 KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 16; GroßkommAktG / Bezzenberger, § 257 Rn. 11; MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 176 Rn. 23; BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 15; a. A.: Heidel /  Steiner, Aktienrecht, § 257 Rn. 7; K. Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 257 Rn. 3; Hennsler­ Strohn / E . Vetter, § 257 Rn. 2. 30 KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 16. 31 KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 16; MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 176 Rn. 23. 26

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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rungspflicht kaum rechtssicher zu beurteilen.32 Damit ist der herrschenden Ansicht zuzustimmen. Ein Verstoß gegen § 176 Abs. 1 S. 2 und S. 3 AktG führt damit nicht zur Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses. III. Sonstige Verstöße Umstritten ist, ob sonstige Verstöße ebenfalls einen Anfechtungsgrund im Sinne von § 257 Abs. 1 S. 1 AktG darstellen. Etwa, wenn der Feststellungsbeschluss an sich zwar inhaltlich fehlerfrei ist, aber mit diesem über die Feststellung des Jahresabschlusses hinaus rechtswidrige Zwecke verfolgt werden, beispielsweise die unzulässige Verfolgung von Sondervorteilen (§ 243 Abs. 2 AktG) oder im Fall eines treuwidrigen Mehrheitsmissbrauchs (§ 243 Abs. 1 AktG). Gegen eine Anfechtbarkeit in solchen Fällen ließe sich anführen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur Verfahrensfehler eine Anfechtung begründen und im Übrigen die Anfechtung des Jahresabschlusses wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit ausgeschlossen sein sollte.33 Des Weiteren könnten Vorstand und Aufsichtsrat bei der Jahresabschlussfeststellung ebenfalls rechtswidrige Zwecke verfolgen, was aber unbestritten nicht zur Anfechtung des Jahresabschlusses führe. Eine Ungleich­ behandlung sei insofern aber nicht zu rechtfertigen.34 Allerdings schließt § 257 Abs. 1 S. 2 AktG die Anfechtung des durch die Hauptversammlung festgestellten Jahresabschlusses nur für inhaltliche Mängel aus. Vorliegend weist der Jahresabschluss aber gerade keinen solchen Mangel auf, sondern es werden mit dem inhaltlich nicht zu beanstandeten Beschluss rechtswidrige Zwecke verfolgt. Der Ausschluss findet folglich also gerade keine Anwendung.35 Darüber hinaus ist eine vollständige Gleichbehandlung von Jahresabschlüssen, die von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wurden, und von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschlüssen schon deshalb nicht möglich, weil nur Letztere angefochten werden können. Mit dem Gleichlauf beider Feststellungsmöglichkeiten kann folglich nicht argumentiert werden.36 Mithin ist die Anfechtung des Jahresabschlusses zuzulassen, wenn mit dem Beschluss rechtswidrige Zwecke verfolgt werden.37 Fraglich ist ferner, ob inhaltliche Fehler des Lageberichts die Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses begründen können. Dem könnte zunächst der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG entgegenstehen. Außerdem könnte durch die Hintertür 32

MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 176 Rn. 23. BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 16. 34 BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 16. 35 KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 17. 36 KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 17. 37 Ebenso KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 17; GroßkommAktG / Bezzenberger, § 257 Rn. 14; Koch, AktG, § 257 Rn. 5; Heidel / Steiner, Aktienrecht, § 257 Rn. 6; MüKoAktG / J. Koch, § 257 Rn. 10; a. A.: BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 16. 33

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

des § 257 AktG die Fehlerhaftigkeit des Lageberichts zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG führen, obwohl Mängel des Lage­ berichts von § 256 AktG gerade nicht erfasst sein sollen.38 Zudem ließe sich auch in diesem Zusammenhang gegen die Anfechtbarkeit anführen, dass nach dem Sinn und Zweck des § 257 AktG die Anfechtung des Jahresabschlusses die Ausnahme bleiben soll.39 Da der Lagebericht aber keinen Teil des Jahresabschlusses bildet, erstreckt sich der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG schon begrifflich nicht auf Mängel des Lageberichts.40 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass dem Lagebericht als Informationsquelle eine wichtige Bedeutung während des Feststellungsprozesses zukommt.41 Ist der Lagebericht nun fehlerhaft, so dass wesentliche Informationen entweder ganz fehlen oder falsch dargestellt werden, so muss der Feststellungsbeschluss konsequenterweise anfechtbar sein.42 IV. Anwendbare Vorschriften § 257 Abs. 2 AktG verweist im Hinblick auf die Bestätigung des Beschlusses, die Anfechtungsbefugnis, die Anfechtungsklage, den Streitwert sowie die Urteilswirkung und die Bekanntmachung der Verfahrensbeendigung auf die allgemeinen Vorschriften zur Anfechtungklage. Die Anfechtungsfrist beginnt unabhängig von einer unter Umständen erforderlichen Nachtragsprüfung gemäß § 257 Abs. 2 S. 2 AktG mit der Beschlussfassung. Hat die Anfechtungsklage Erfolg, so ist der Jahresabschluss nach § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG nichtig.

C. Nichtigkeit des Jahresabschlusses, § 256 AktG I. Nichtigkeitsgründe § 256 AktG differenziert zwischen Inhalts-, Prüfungs- und Verfahrensmängeln. Die Inhaltsmängel sind in § 256 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 sowie Abs. 4 und 5 AktG, die Prüfungsmängel in § 256 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG geregelt. Diese Nichtigkeitsgründe finden unabhängig davon, ob der Jahresabschluss von Vorstand und Aufsichtsrat oder von der Hauptversammlung festgestellt wurde, Anwendung. § 256

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BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 16. BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 16. 40 KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 18. 41 GroßkommAktG / Bezzenberger, § 257 Rn. 9a. 42 Ebenso KK-AktG / Arnold, § 257 Rn. 18; GroßkommAktG / Bezzenberger, § 257 Rn. 9a; Koch, AktG, § 257 Rn. 6; Heidel / Steiner, Aktienrecht, § 257 Rn. 3; MüKoAktG / J. Koch, § 257 Rn. 11; a. A.: BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 11. 39

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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Abs. 3 AktG nennt die zur Nichtigkeit führenden Verfahrensfehler für den Fall, dass ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellt. Bei der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat regelt wiederum § 256 Abs. 2 AktG, wann ein Verfahrensfehler die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bewirkt. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung, ob ein nichtigkeitsbegründender Mangel vorliegt, ist nach ganz herrschender Ansicht die Feststellung des Jahresabschlusses.43 1. Inhaltsmängel a) Generalklausel des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG Gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist ein Jahresabschluss nichtig, wenn er eine Vorschrift verletzt, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft dient. Der Vergleich mit § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG ergibt, dass Vorschrift im Sinne von § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nur Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht aber Satzungsbestimmungen meint.44 Teils wird angenommen, dass die verletzte Norm im Vergleich zu anderen verfolgten Zwecken überwiegend dem Gläubigerschutz dienen muss, da ansonsten der Anwendungsbereich des Nichtigkeitsgrundes uferlos wäre.45 Nach anderer Ansicht reicht es entgegen dem Wortlaut der Vorschrift aus, wenn die verletzte Norm von wesentlicher Bedeutung für den Gläubigerschutz ist, unabhängig von anderen Schutzzwecken.46 Gegen die erstgenannte Ansicht spricht, dass nicht ohne Weiteres bestimmbar ist, ob eine Norm tatsächlich primär dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft dient, was praktisch zu Differenzierungsproblemen führt.47 Zudem verbleibt § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG wegen der Sonderregelungen in § 256 Abs. 4 und Abs. 5 AktG sowie der Möglichkeit der Aktionäre Unterbewertungen und Informationspflichtverletzungen im Anhang im Wege der Sonderprüfung gemäß §§ 258 ff. AktG überprüfen zu lassen, auch dann nur ein geringer Anwendungsbereich, wenn man darauf abstellt, dass der Norm überwiegender Gläubigerschutz zukommt, so dass keine uferlose Anwendung des Nichtigkeitstatbestandes des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG droht.48 Damit kommt es nicht darauf an, ob den Gläubigerinteressen ein höheres Gewicht zukommt als anderen verfolgten Zwecken. Einschränkend ist aber zu fordern, dass der Verstoß gegen die gläubigerschützende Norm von wesentlicher Bedeutung für

43

KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 25; Koch, AktG, § 256 Rn.  6; Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 256 Rn.  2; Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 10. 44 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 21; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 12; GroßkommAktG /  T. Bezzenberger, § 256 Rn. 48. 45 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 49. 46 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 11; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 22; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 24. 47 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 11; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 22. 48 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 23.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage ist.49 Folglich erfasst § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG beispielsweise einen wesentlichen Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung (§§ 238 Abs. 1, 243 Abs. 1, 264 Abs. 2 S. 1 HGB), auch wenn nicht eindeutig festzustellen ist, ob diese Vorschriften primär dem Gläubiger- oder dem Aktionärsschutz dienen.50 b) Verletzung der Vorschriften zu Kapital- und Gewinnrücklagen, § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG Ein Jahresabschluss ist gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG nichtig, wenn bei seiner Feststellung Vorschriften zur Bildung von Kapital- oder Gewinnrücklagen oder Vorschriften zur Entnahme von Beträgen aus Kapital- oder Gewinnrücklagen verletzt wurden. Gemeint sind sowohl Satzungs- als auch gesetzliche Vorgaben.51 § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist insofern weiter gefasst als § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG, dem die Vorschrift als lex specialis vorgeht.52 Zum Anwendungsbereich der Norm zählen insbesondere Verstöße gegen §§ 58, 173 Abs. 2 S. 2, 230 bis 232, 237 Abs. 5, 300 sowie 301 S. 2 AktG.53 Werden unzulässiger Weise stille Reserven gebildet, so richtet sich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses hingegen nach § 256 Abs. 5 AktG, nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG.54 Auch die Vorschriften über die gesetzliche Rücklage in § 150 AktG werden grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Norm erfasst.55 Teils wird dies nur für den Fall befürwortet, dass eine zu hohe Rücklage gebildet wurde, nicht aber, wenn gar keine Rücklage gebildet oder die Rücklagen unzulässig aufgelöst wurden.56 In Folge der überhöhten Rücklagenbildung ergebe sich ein verringerter Jahresüberschuss, der an die Aktionäre ausgeschüttet werden kann. Werde aber keine oder eine zu niedrige Rücklage gebildet, so gehe es nicht um den Aktionärs-, sondern um den Gläubigerschutz. Konsequenterweise gehörten diese Fallgestaltungen nicht zu § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG, sondern zu § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Nur die dreijährige, nicht die sechsmonatige Heilungsfrist könne dem verfolgten Schutzzweck entsprechen. Andere Stimmen sprechen sich hingegen für eine uneingeschränkte Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG aus.57 Würde 49

OLG Köln NJW-RR 1993, 804 (806); BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 24; a. A. ­Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 12. 50 BGHZ 124, 111 (117); MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 11; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 21. 51 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 111 f. 52 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 34; Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 22. 53 Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 19; Koch, AktG, § 256 Rn. 15. 54 Koch, AktG, § 256 Rn. 15. 55 Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 256 Rn. 9; Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 22. 56 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 31; Koch, AktG, § 256 Rn. 15; KK-AktG / Ekkenga, § 150 Rn. 8. 57 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 39; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 34.

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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immer dann, wenn im Gläubigerinteresse Rücklagen zu bilden sind, § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG einschlägig sein, käme § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG kaum noch zur Anwendung.58 Das wäre aber im Hinblick auf den Charakter der Vorschrift als Spezialnorm systemwidrig.59 Somit findet § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG stets Anwendung, wenn § 150 AktG verletzt wurde. c) Gliederungsmängel, § 256 Abs. 4 AktG § 256 Abs. 4 AktG regelt, in welchen Fällen die Verletzung von Vorschriften zur Gliederung des Jahresabschlusses oder zu den Formblättern, nach welchen der Jahresabschluss zu gliedern ist, die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich zieht. Die Regelung des § 256 Abs. 4 AktG geht auf § 243 Abs. 2 HGB zurück, wonach der Jahresabschluss klar und übersichtlich aufzustellen ist.60 Sinn und Zweck der Norm ist die Sicherung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses, die nur erfüllt werden kann, wenn sich die Gesellschaftsverhältnisse ohne Weiteres aus den getroffenen Feststellungen ablesen lassen.61 Von einem beachtlichen Gliederungsfehler ist etwa auszugehen, wenn nicht in ausreichender Tiefe aufgegliedert wurde, Posten an falscher Stelle angesetzt wurden oder das Saldierungsverbot des § 246 Abs. 2 S. 1 HGB missachtet wurde.62 Die Nichtigkeitsfolge gemäß § 256 Abs. 4 AktG tritt nur dann ein, wenn die Übersichtlichkeit und die Klarheit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt werden. Zu prüfen ist, ob der Jahresabschluss trotz des Gliederungsfehlers noch dazu geeignet ist, die Vermögens- Ertrags- und Finanzlage zutreffend abzubilden.63 Bagatellverstöße sind somit unbeachtlich, entscheidend ist, ob der fehlerhaft gegliederte Bilanzposten im Vergleich zu den anderen Bilanzposten betragsmäßig von Bedeutung ist.64 Teils wird zudem angenommen, dass die Verletzung bestimmter Gliederungs- und Formvorschriften stets als wesentlich einzuordnen ist, sofern die verletzte Norm von genereller Bedeutung ist.65 Richtigerweise müssen sowohl die Bedeutung der Norm als auch der betragsmäßige Umfang des Verstoßes im jeweiligen Einzelfall berücksichtigt werden.66 Indiziell kann auf den in § 256 Abs. 4 AktG a. F. aufgeführten Katalog, der in Folge des Bilanzrichtlinien-Gesetzes vom

58

KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 39. Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 34. 60 Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 13. 61 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 60; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 58. 62 LG München DB 2008, 343 (344); LG Stuttgart AG 1994, 473 (474); MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 52; Koch, AktG, § 256 Rn. 23. 63 LG München DB 2008, 343 (344); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 68. 64 Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 27; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 63. 65 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 37; Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 27. 66 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 54; Koch, AktG, § 256 Rn. 24. 59

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

19. 12. 1985 gestrichen wurde, sowie auf § 334 HGB zurückgegriffen werden.67 Des Weiteren ist fraglich, ob entsprechende Erläuterungen im Anhang die fehlerhafte Gliederung kompensieren können.68 Allerdings wird in diesem Fall regelmäßig nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung auszugehen sein, so dass die Frage dahinstehen kann.69 d) Bewertungsfehler, § 256 Abs. 5 AktG § 256 Abs. 5 AktG regelt die Nichtigkeit des Jahresabschlusses auf Grund von Bewertungsfehlern. Während eine Überbewertung gemäß § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG stets zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, ist eine Unterbewertung nur dann beachtlich, wenn die Vermögens- und Ertragslage vorsätzlich falsch wiedergegeben oder verschleiert wird, § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG. Anknüpfungspunkt zur Beurteilung, ob eine Über- bzw. Unterbewertung vorliegt, sind die Bilanzposten im Sinne des § 266 HGB, nicht die einzelnen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten.70 Innerhalb eines falschen Postens können somit falsche Bewertungen ausgeglichen werden.71 Ein Bewertungsfehler im Sinne des § 256 Abs. 5 AktG liegt nur dann vor, wenn ihn ein ordentlicher Kaufmann unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten hätte erkennen können.72 Unterschiedlich beurteilt wird, ob auch Ansatzfehler, etwa eine unzulässige Passivierung oder eine unterbliebene, aber gebotene Aktivierung, vom Anwendungsbereich des § 256 Abs. 5 AktG erfasst werden. Ein Teil der Literatur plädiert in diesem Fall für eine Subsumtion unter die Generalnorm des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG.73 Andere wiederum sind der Ansicht, dass der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs. 5 AktG für Ansatzfehler spezieller ist, so dass die Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ausscheidet.74 Dem könnte entgegengehalten werden, dass § 256 Abs. 5 AktG seinem Wortlaut nach nur Bewertungsfehler, nicht aber Ansatzfehler erfasst. Allerdings soll selbst nach Ansicht derjenigen, die die Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG befürworten, bei Ansatzfehlern die Wertung des § 256 67 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 63; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 54; Koch, AktG, § 256 Rn. 24. 68 So Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn.  37; Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 256 Rn. 15. 69 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 61. 70 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 41; Kowalski, AG 1993, 502 (503); a. A. Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 32. 71 OLG Celle BB 1983, 2229 (2233); Grigoleit / Ehmann, AktG, § 256 Rn. 6. 72 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 70; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 56. 73 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 31; Schulze-Osterloh, ZIP 2008, 2241 (2241 f.). 74 BGHZ 124, 111 (119); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 77; Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn.  29; Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 6.

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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Abs. 5 AktG im Rahmen des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG berücksichtigt werden. Hier wird deutlich, dass Bewertungs- und Ansatzfehler durchaus vergleichbar sind und daher auch gleichbehandelt werden sollten.75 Dies kann am einfachsten durch die direkte Anwendung des § 256 Abs. 5 AktG geschehen. aa) Überbewertung, § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG Eine Überbewertung liegt gemäß § 256 Abs. 5 S. 2 AktG vor, wenn Aktivposten mit einem höheren Wert, Passivposten mit einem niedrigeren Wert angesetzt sind, als dies nach den §§ 253 bis 256a HGB erlaubt ist. Die Aufzählung der Bewertungsvorschriften ist nicht abschließend.76 Aus der Norm ist zwar keine Einschränkung der Nichtigkeitsfolge ersichtlich, allerdings darf die Überbewertung im Hinblick auf den Zweck des § 256 AktG nach ganz herrschender Meinung auch hier nicht unwesentlich sein.77 Wann wiederum eine wesentliche Überbewertung anzunehmen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Sowohl der Vergleich mit § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG als auch die mit einer Überbewertung insbesondere für die Gläubiger der Gesellschaft einhergehenden Risiken sprechen dafür, dass keine zu hohen Anforderungen an die Wesentlichkeit zu stellen sind.78 Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses auszugehen, wenn gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Bilanzierung verstoßen wurde und die Überbewertung ihrem Umfang nach nicht bedeutungslos ist.79 Zur Konkretisierung dieser Voraussetzungen haben die Instanzgerichte verschiedene Parameter zur Bestimmung der Wesentlichkeit herangezogen. So soll es beispielsweise auf die Auswirkungen auf den Jahresgewinn und die Dividendenausschüttung80 oder auf das Verhältnis zur Bilanzsumme81 oder das Eigenkapital82 ankommen. Im Hinblick auf die Ausschüttungsbemessungsfunktion und den damit bezweckten Schutz der Gesellschaftsgläubiger, ist richtigerweise auf die Auswirkung der fehlerhaften Bewertung auf den Bilanzgewinn abzustellen.83 Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang auch die aus Gläubigersicht bedeutsamen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, etwa das Eigenkapital oder bestehende Verbindlichkeiten.84

75

KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 68; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 77. KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 69. 77 BGHZ 83, 341 (347); OLG Frankfurt NZG 2008, 429 (431); Bürgers / Körber / Lieder /  Schulz, AktG, § 256 Rn. 17; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn.  85; Schmidt / Lutter /  Schwab, AktG, § 256 Rn. 15; a. A.: Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 35. 78 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 71. 79 BGHZ 83, 341 (347). 80 OLG Frankfurt AG 2009, 542 (548). 81 OLG Hamm BB 1991, 2122 (2123). 82 FG Nürnberg BB 1987, 521 (521). 83 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 88; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 73. 84 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 73. 76

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

bb) Unterbewertung, § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG Auch die Unterbewertung einzelner Bilanzposten kann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen. Eine Unterbewertung ist gemäß § 256 Abs. 5 S. 3 AktG anzunehmen, wenn Aktivposten mit einem niedrigeren Wert oder Passivposten mit einem höheren Betrag angesetzt wurden, als dies zulässig ist. Auch hier ist die Aufzählung der §§ 253 bis 256a HGB nicht abschließend.85 Gemäß § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG führt die Unterbewertung nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, wenn die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft in Folge der Unterbewertung vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Die Vermögens- und Ertragslage ist als einheitlicher Begriff zu verstehen, der auch die Finanzlage der Gesellschaft umfasst.86 Unrichtig wiedergegeben ist die Vermögens- und Ertragslage, wenn falsche Angaben gemacht wurden.87 Verschleiert wird sie wiederum, wenn die Verhältnisse unklar und für Außenstehende unverständlich dargestellt werden.88 Subjektiv genügt bedingter Vorsatz der für die Aufstellung des Jahresabschlusses maßgeblich verantwortlichen Personen.89 Der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG ist nach einhelliger Meinung nur dann erfüllt, wenn der Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften wesentlich ist, wobei dieser Einschränkung wegen der zusätzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG wohl kaum eigenständige Bedeutung zukommt.90 cc) Sondervorschriften, § 256 Abs. 5 S. 4 AktG § 256 Abs. 5 S. 4 AktG stellt klar, dass bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Kapitalverwaltungsgesellschaften im Sinne des § 17 KAGB kein Verstoß gegen die Bewertungsvorschriften anzunehmen ist, wenn die Abweichung nach den für sie geltenden Sondervorschriften zulässig ist. 2. Prüfungsmängel, § 256 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG § 256 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG regeln die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in Folge von Prüfungsfehlern. § 256 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 AktG kommen nur dann als Nichtigkeitsgründe in Betracht, wenn die Gesellschaft eine gesetzliche Prüfungspflicht trifft, was bei kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) oder im 85

BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 71. MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 61; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 94. 87 Koch, AktG, § 256 Rn. 26a; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 61. 88 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 94; Koch, AktG, § 256 Rn. 26a. 89 Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 256 Rn. 18; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 74. 90 BGHZ 137, 378 (385); KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 75; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 60; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 71. 86

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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Fall einer Befreiung gemäß § 264 Abs. 3 HGB nicht der Fall ist. § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG ordnet die Nichtigkeit für den Fall an, dass gar keine Prüfung stattgefunden hat. § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG wiederum nennt die Fälle, in denen die Prüfung durch eine ungeeignete Person oder einen fehlerhaft bestellten Prüfer zur Nichtigkeit führt. § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG bezieht sich insofern auf § 316 Abs. 1 HGB, wonach ein nicht durch einen Abschlussprüfer geprüfter Jahresabschluss nicht festgestellt werden kann.91 Somit könnten die Anwendungsfälle des § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG eigentlich bereits unter § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG subsumiert werden. Folglich käme § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG keine eigenständige Bedeutung zu, was so nicht gewollt sein kann. Daher ist § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG als lex specialis zu § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu verstehen.92 a) Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG Ist die Abschlussprüfung unterblieben oder erfolgte eine erforderliche Nachtragsprüfung entgegen § 316 Abs. 3 HGB nicht, so ist der Jahresabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig. Dies gilt ebenfalls für eine Prüfung, die den Mindestanforderungen nicht genügt, da sie gegen grundlegende, die zwingende öffentlich-rechtliche Bedeutung der Pflichtprüfung berührende Bestimmungen verstößt.93 Auch völlig unzureichende Prüfungshandlungen führen damit zur Nichtigkeit nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG, etwa, wenn ganze Posten bei der Prüfung unberücksichtigt blieben.94 Dies gilt ebenfalls, wenn der Prüfungsbericht oder der Bestätigungsvermerk fehlt.95 b) Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG erfasst Fälle der fehlenden Eignung oder Bestellung des Prüfers. Gemäß § 319 Abs. 1 HGB hat die Abschlussprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfergesellschaft zu erfolgen. Ausnahmsweise kommt auch eine Prüfung durch einen Prüfungsverband in Betracht, vgl. Art. 25 EGHGB. Zusätzlich bedarf es gemäß § 319 Abs. 1 S. 3 HGB eines Auszugs aus dem Berufsregister, aus welchem die Anzeige der Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer hervorgeht. Erfolgte die Prüfung durch eine andere Person oder fehlt der Eintrag, so ist der Jahresabschluss nichtig nach § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG. Oblag die Bestellung des Abschlussprüfers ausnahmsweise der Hauptversammlung, so ist der Jahresab 91

Koch, AktG, § 256 Rn. 13; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 133. KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 26; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 14. 93 RG WPg 1970, 421 (423); OLG Stuttgart DB 2009, 1521 (1524); Koch, AktG, § 256 Rn. 11. 94 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn.  135; Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 23. 95 Koch, AktG, § 256 Rn. 12. 92

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

schluss ebenfalls nichtig, wenn ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss nicht gefasst wurde, dieser nichtig ist oder erfolgreich angefochten wurde.96 Die Wirksamkeit der Beauftragung des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat als schuldrechtlicher Vertrag hat hingegen keinerlei Einfluss auf die Gültigkeit des Jahresabschlusses.97 Bestellt das Gericht den Abschlussprüfer, so wird die Bestellung bereits mit Bekanntgabe des Beschlusses wirksam, § 40 Abs. 1 FamFG. Sollte die Verfügung später aufgehoben werden, bleibt die Bestellung bis zum diesem Zeitpunkt dennoch bestehen und die Wirksamkeit des Jahresabschlusses unberührt.98 § 256 Abs. 1 Nr. 3 a) bis c) AktG stellen klar, dass ein Verstoß gegen die aufgezählten Tätigkeitsverbote gerade nicht zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt, insoweit ist das Abschlussprüferersetzungsverfahren vorrangig.99 3. Verfahrensmängel, § 256 Abs. 2 und 3 AktG Während die bisher dargestellten Nichtigkeitsgründe unabhängig von der Art der Feststellung Anwendung finden, differenziert § 256 Abs. 2 und 3 AktG danach, welches Organ den Jahresabschluss festgestellt hat. § 256 Abs. 2 AktG betrifft den Regelfall der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat, § 256 Abs. 3 AktG ist bei Feststellung durch die Hauptversammlung maßgeblich. a) Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat, § 256 Abs. 2 AktG Gemäß § 256 Abs. 2 AktG ist ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluss nichtig, wenn eines der beiden Organe nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat. Indem der Gesetzgeber auf die ordnungsgemäße Mitwirkung abstellt, wird deutlich, dass nicht nur Gesetzes-, sondern auch Satzungsverstöße beachtlich sind.100 Hat eines der Organe hingegen gar nicht an der Feststellung mitgewirkt, ist der Jahresabschluss nicht nach § 256 Abs. 2 AktG nichtig, sondern wurde überhaupt nicht festgestellt.101 Folglich besteht auch keine Heilungsmöglichkeit. Dies ist auch dann der Fall, wenn entgegen § 107 Abs. 3 S. 7 AktG nur ein Ausschuss des Aufsichtsrates den Jahresabschluss billigt.102

96

KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 35; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 147 f. Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 256 Rn. 8; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 27. 98 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 24. 99 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 37. 100 BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 45. 101 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 49; MüKoAktG / J.  Koch, § 256 Rn.  44; Schmidt / Lutter /  Schwab, AktG, § 256 Rn. 29; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 46; a. A.: Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 20. 102 BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 47 (nur bei sofortiger Zuleitung durch den Vorstand); KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 51. 97

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung

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An einem verfahrensrechtlich wirksamen Beschluss des Vorstandes fehlt es, wenn nicht alle Vorstandsmitglieder beteiligt wurden oder der Vorstand unterbesetzt (vgl. § 76 Abs. 2 AktG) war.103 Auch der vom Aufsichtsrat zu fassende Billigungsbeschluss kann unter Verfahrensfehlern leiden, welche die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich ziehen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Beteiligungsrechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder verletzt wurden oder der Aufsichtsrat nach § 108 Abs. 2 AktG nicht beschlussfähig war.104 b) Feststellung durch die Hauptversammlung, § 256 Abs. 3 AktG § 256 Abs. 3 AktG bestimmt die Nichtigkeit eines durch Hauptversammlungsbeschluss festgestellten Jahresabschlusses bei Verfahrensfehlern. Danach ist der Jahresabschluss nichtig, wenn die Hauptversammlung entgegen § 121 Abs. 2 und 3 S. 1 oder Abs. 4 einberufen (§ 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG), gegen die Beurkundungsvorschrift des § 130 Abs. 1 und 2 S. 1 und Abs. 4 AktG verstoßen (§ 256 Abs. 3 Nr. 2 AktG) oder der Hauptversammlungsbeschluss erfolgreich angefochten wurde (§ 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG). II. Geltendmachung der Nichtigkeit Bezüglich der Geltendmachung der Nichtigkeit verweist § 256 Abs. 7 AktG sinngemäß auf die in § 249 AktG geregelte Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse. Folglich sind die Aktionäre, der Vorstand sowie ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats klagebefugt. Die Entscheidung wirkt inter omnes. Daneben kann auch allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben werden, das Urteil entfaltet aber dann nur Wirkung zwischen den Beteiligten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist über den Wortlaut des § 249 Abs. 1 S. 1 AktG hinaus auch der Insolvenzverwalter klagebefugt, sofern die angestrebte Nichtigkeit die Insolvenzmasse betrifft.105 Die Klagebefugnis folgt aus der auf die Insolvenzmasse bezogenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters.106 Ihn trifft im Rahmen seines Aufgabenbereichs die Pflicht, die Rechtmäßigkeit des korporativen Handelns und somit auch die ordnungsgemäße Buchführung sicherzustellen, da er in diesem Bereich den hierzu grundsätzlich berufenen Vorstand aus seinem Aufgabenbereich verdrängt. Es besteht folglich auch in diesem Fall ein berechtigtes Interesse an der Nichtigkeitsfeststellung mit 103

MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 35, 37; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 49 f.; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 174. 104 Koch, AktG, § 256 Rn. 19; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 40 f.; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 57. 105 BGHZ 225, 198 (205 ff.); BGH NZG 2021, 1603 (1605). 106 BGHZ 225, 198 (207).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

inter-omnes-Wirkung.107 Die Nichtigkeitsfeststellung betrifft die Insolvenzmasse, wenn die beanstandeten Mängel nachteilige Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben, also der beanstandete Jahresabschluss durch einen für die Masse günstigeren Jahresabschluss ersetzt werden soll.108 Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Klage gegen die Gesellschaft zu richten, welche nach dem Grundsatz der Doppelvertretung durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird.109 III. Heilung, § 256 Abs. 6 AktG 1. Wirkung der Heilung Gemäß § 256 Abs. 6 AktG kann die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach Ablauf der Heilungsfrist nicht mehr geltend gemacht werden. Insofern könnte man davon ausgehen, dass lediglich die Geltendmachung der Nichtigkeitsgründe ausgeschlossen ist, die materielle Rechtslage aber unverändert bleibt.110 Allerdings bezweckt § 256 Abs. 6 AktG nicht bloß, dass die Nichtigkeit nur zeitlich begrenzt geltend gemacht werden kann, sondern nach Ablauf der Heilungsfristen soll eine klare Rechtslage bestehen.111 Darüber hinaus wird der nichtigkeitseinschränkenden Tendenz des § 256 AktG nur eine Heilungsvorschrift hinreichend gerecht, welche die Nichtigkeit trotz des bestehenden Mangels beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen vollständig beseitigt.112 Dies führt auch nicht dazu, dass der Fehler für die Zukunft anerkannt wird. Vielmehr ist ein Folgeabschluss, welcher den zur Nichtigkeit führenden Mangel wiederholt, ebenfalls nichtig und muss von der Unternehmensleitung beseitigt werden.113 Eine Korrekturpflicht im Hinblick auf den bereits geheilten Jahresabschluss anzunehmen, wäre hingegen praxisfremd.114 Mithin bewirkt die Heilung des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 6 AktG, dass der Jahresabschluss als von Anfang an wirksam zu behandeln ist.115 Folglich kann gegen den Jahresabschluss weder durch Nichtigkeitsklage noch auf andere Weise vorgegangen werden.116 Da nunmehr ein wirksamer Jahresabschluss vorliegt, hat die Gesellschaft auch ihre Pflicht zur Rechnungslegung er 107

BGHZ 225, 198 (206). BGHZ 225, 198 (207); BGH NZG 2021, 1603 (1605). 109 BGH NZG 2021, 1603 (1605); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 227a. 110 Müller, FS Quack, S. 359 (369); J.-H.  Weilep, Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, S. 177 ff. 111 Begründung zum RegE AktG 1965, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 347; Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (149). 112 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (149). 113 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (149). 114 Geist, DStR 1996, 306 (308); Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (149). 115 GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 265a; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 84; MüKo­A ktG  /  J. Koch, § 256 Rn. 64; Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (150). 116 Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (180). 108

§ 3 Bedeutung und unmittelbare Rechtsfolgen der Nichtigkeit

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füllt.117 Des Weiteren bewirkt die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses, dass ein auf diesem beruhender Gewinnverwendungsbeschluss ebenfalls gültig wird, § 253 Abs. 1 S. 2 AktG. 2. Heilungsfristen In den Fällen des § 256 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 2 und des Abs. 3 Nr. 1 und 2 AktG gilt eine sechsmonatige, im Übrigen eine dreijährige Heilungsfrist. Der Ablauf der Heilungsfrist beginnt mit der Bekanntmachung des Jahresabschlusses gemäß § 325 Abs. 2 HGB. Die Frist verlängert sich entsprechend, sofern eine Nichtigkeitsklage rechtshängig ist, vgl. § 256 Abs. 6 S. 2 AktG. Spezielle Heilungsvorschriften sind die §§ 234 Abs. 3, 235 Abs. 2 AktG. Nur bei fehlender Prüfung (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG) und erfolgreicher Anfechtung des Feststellungsbeschlusses der Hauptversammlung (§ 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG) besteht keine Heilungsmöglichkeit.

§ 3 Bedeutung und unmittelbare Rechtsfolgen der Nichtigkeit Nichtigkeit meint, dass die nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts beabsichtigten Rechtsfolgen nicht eintreten.118 Übertragen auf die Feststellung des Jahresabschlusses bedeutet dies zunächst, dass der Jahresabschluss mit seinem gesamten Inhalt von Anfang an wirkungslos ist und die von Vorstand und Aufsichtsrat bzw. der Hauptversammlung beabsichtigten Rechtswirkungen ausbleiben.119 Folglich kommt die Gesellschaft der sie gemäß §§ 242, 264 HGB treffenden Pflicht zur Rechnungslegung nicht nach, so dass sie grundsätzlich weiterhin zur gültigen Feststellung verpflichtet bleibt.120 Darüber hinaus wurde kein Bilanzgewinn ausgewiesen, über dessen Verwendung die Hauptversammlung gemäß § 174 AktG entscheiden könnte.121 Somit entsteht auch kein Anspruch der Aktionäre auf Gewinnausschüttung.122 Werden dennoch Gewinne ausgeschüttet, so sind diese gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG an die Gesellschaft zurückzugewähren, es sei denn, die Aktionäre waren bei Empfang der Leistung im guten Glauben (§ 62 Abs. 1 S. 2 AktG). Es können des Weiteren keine Rücklagen gemäß § 58 AktG eingestellt werden, da es ohne einen wirksamen Jahresabschluss an einer entsprechenden Bemessungs-

117

GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 266; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177). 118 Koch, AktG, § 256 Rn. 32; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 207. 119 BGH AG 1994, 124 (124); Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 74; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (176). 120 Geist, DStR 1996, 306 (308); Koch, AktG, § 256 Rn. 32. 121 BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 94; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 209. 122 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 209.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

grundlage mangelt.123 Aus demselben Grund kann auch der im Vertragskonzern nach § 301 AktG abzuführende Gewinn nicht ermittelt werden.124 Hat die Gesellschaft schuldrechtliche Verträge abgeschlossen, deren Leistungsinhalt sich nach dem Ergebnis der Gesellschaft bestimmt, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Jahresabschluss als Grundlage zur Bestimmung der Höhe der Leistung heranzuziehen ist.125 So beispielsweise bei Tantiemen, die Organmitgliedern oder leitenden Angestellten ausgezahlt werden. Ohne einen wirksamen Jahresabschluss entstehen auch diese Ansprüche nicht.126 Wurden mit der Feststellung des Jahresabschlusses weitere Beschlüsse verbunden, etwa zum Abhängigkeitsbericht oder Lagebericht, besteht die Möglichkeit, dass sich die Nichtigkeitsfolge gemäß § 139 BGB auf diese Beschlüsse erstreckt.127 Solange die Nichtigkeit noch nicht gerichtlich festgestellt wurde, ist aber zumindest die Offenlegungspflicht des § 325 HGB auch dann erfüllt, wenn ein nichtiger Jahresabschluss veröffentlicht wurde.128

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit A. Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses Ist der Jahresabschluss nach dem Ausgeführten nichtig, so stellt sich für die Abschlussverantwortlichen zunächst die Frage, ob der nichtige Jahresabschluss erneut fehlerfrei festzustellen ist, sog. Neuvornahme. Die Gesellschaftsorgane sind jedenfalls dann zur Neuvornahme des Jahresabschlusses verpflichtet, wenn bereits erfolgreich Nichtigkeitsklage erhoben wurde.129 Das gilt auch dann, wenn keine Heilungsmöglichkeit besteht, also bei Mängeln nach § 256 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 3 AktG.130 Die die Gesellschaft treffende Rechnungslegungspflicht kann in diesen Fällen nur durch eine erneute wirksame Feststellung erfüllt werden. Kontrovers diskutiert wird aber, ob eine Pflicht zur Neuvornahme besteht, wenn die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zwar nicht geltend gemacht wurde, den Gesellschaftsorganen aber bekannt ist. Dies ist besonders bedeutsam, da die fehlerfreie Wiederholung des Feststellungsprozedere mitunter mit einem erheblichen tatsächlichen und finanziellen Aufwand für die Gesellschaft verbunden ist. Davon ist etwa dann auszugehen, wenn eine erneute Abschlussprüfung erforderlich ist oder bereits Gewinne ausgeschüttet wurden.

123

MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 78. MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 78; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 94. 125 Henssler / Strohn / E . Vetter, AktG, § 256 Rn. 25. 126 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 213. 127 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 43. 128 Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 43; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 219; Koch, AktG, § 256 Rn. 33a. 129 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 90. 130 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 90. 124

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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I. Pflicht zur Neuvornahme 1. Meinungsbild a) Abwarten als legitimes Mittel, sofern die Neuvornahme mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden wäre Die Rechtsprechung131 sowie Teile der Literatur132 gehen davon aus, dass das Abwarten der Heilungsfrist ein legitimes Mittel darstellt. Eine Pflicht zur erneuten Feststellung des Jahresabschlusses solle nur dann bestehen, wenn eine Abwägung der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der Neuvornahme in Anbetracht der Bedeutung des Fehlers zu dem Ergebnis führt, dass der mit der Neuvornahme verbundene Aufwand für die Gesellschaft verhältnismäßig ist. Anderenfalls sei eine Verpflichtung zur Neuvornahme im Hinblick auf die kostenaufwendige Wiederholung des Feststellungsprozesses nicht zumutbar. Dem Vorstand sei insofern ein Ermessenspielraum einzuräumen. Teilweise werden zusätzliche Voraussetzungen gefordert. So soll die Neuvornahme nur dann entbehrlich sein, wenn auf Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses noch keine Gewinne ausgeschüttet wurden und eine zeitnahe Korrektur in laufender Rechnung erfolgen kann.133 b) Differenzierung nach Nichtigkeitsgrund Nach anderer Ansicht ist die Pflicht zur Neuvornahme abhängig von der Art des nichtigkeitsbegründenden Mangels. So seien die Gesellschaftsorgane bei Inhaltsmängeln (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 und 4, Abs. 4 und 5 AktG)134 bzw. darüber hinaus bei der Prüfung durch einen ungeeigneten Abschlussprüfer (§ 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG)135 zur Neufeststellung verpflichtet. Anderenfalls könne der Eintritt der Heilungsfrist abgewartet werden.

131

OLG Köln AG 1998, 525 (526); BayObLG AG 2001, 266 (266). Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 90; GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 248; Bezzenberger, WM 2020, 2093 (2100); ­Kowalski, AG 1993, 502 (505); Jungius / Schmidt, DB 2012, 1761 (1762); IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 404. 133 GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 249 ff.; Jungius / Schmidt, DB 2012, 1761 (1762). 134 Grigoleit / Ehmann, AktG, § 256 Rn. 16; J.-H. Weilep, Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, S. 185 ff. 135 Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 37. 132

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

c) Uneingeschränkte Pflicht zur Neuvornahme Nach einer weiteren Ansicht besteht unabhängig von dem Nichtigkeitsgrund eine uneingeschränkte Pflicht zur Neuvornahme, wenn den Gesellschaftsorganen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses bekannt ist.136 Die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechnungslegungspflicht sei höher zu bewerten als wirtschaftliche Belange der Gesellschaft. d) Pflicht zur Neuvornahme, es sei denn, die Heilung steht unmittelbar bevor Eine vermittelnde Ansicht geht von einer grundsätzlich bestehenden Verpflichtung zur erneuten wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses aus, da nur so der Legalitätspflicht der Gesellschaftsorgane nachgekommen werden könne.137 Ausnahmsweise entfalle aber die Pflicht zur Neuvornahme, wenn das Verstreichen der Heilungsfrist unmittelbar bevorstehe, so dass die Heilung wahrscheinlich sogar noch vor erfolgter Neuvornahme eintreten würde. 2. Stellungnahme Die Vertreter der erstgenannten Ansicht argumentieren, dass das Gesetz selbst vorsieht, dass nach Ablauf der in § 256 Abs. 7 AktG genannten Fristen auch ein nichtiger Jahresabschluss volle Bindungswirkung entfaltet, so dass folglich nicht von einem zwingenden Interesse der Öffentlichkeit an der Neuvornahme ausgegangen werden könne.138 Des Weiteren verliere der Mangel mit zunehmender Zeit immer weiter an Gewicht oder erledige sich schließlich vollständig, da sich ein Jahresabschluss ohnehin nur auf das jeweilige Geschäftsjahr beziehe.139 Auch von einer Fortsetzung des Fehlers im Folgeabschluss sei regelmäßig nicht auszugehen, so dass auch der nichtige Jahresabschluss nach Ablauf der Heilungsfrist ohne Weiteres die Pflicht der §§ 242, 264 HGB erfülle.140 Außerdem verursache die Korrektur des Fehlers erhebliche Kosten, die, insbesondere sofern dieser keinen Einfluss auf den Jahresgewinn oder nachfolgende Abschlüsse hat, außer Verhältnis zu den 136 Hennrichs, ZHR 2004, 383 (391); Barz, FS Schilling, S. 127 (132); Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 45. 137 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 94; Schön, FS 50 Jahre BGH Bd. 2, S. 153 (163); Geist, DStR 1996, 306 (306); BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 96; Koch, AktG, § 256 Rn. 33; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 82; Balthasar, Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, S. 221 f. 138 Kowalski, AG 1993, 502 (505). 139 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 249a; Bezzenberger, WM 2020, 2093 (2101); Kowalski, AG 1993, 502 (505). 140 Kowalski, AG 1993, 502 (505).

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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Nutzen der erneuten Feststellung stünden.141 Sollten Dritte wegen des nichtigen Jahresabschlusses einen Schaden erleiden, so stehe die Heilung des Jahresabschlusses der Geltendmachung entsprechender Ansprüche nicht entgegen, so dass auch im Interesse Dritter keine Neuvornahme geboten sei.142 Des Weiteren gehe die Neuvornahme mit einem Reputationsverlust und damit verbunden oftmals auch einer geringeren Ertragskraft der Gesellschaft einher. In Folge dessen könne die Haftungsmasse geschmälert werden, was wiederum den Interessen der Gläubiger widerspreche.143 Auch die Belange der Aktionäre erforderten keine Neuvornahme. Ihnen stehe es ohnehin frei, Nichtigkeitsklage zu erheben und so die Gesellschaft zur erneuten Feststellung zu zwingen.144 Darüber hinaus bewirke die Heilung des Jahresabschlusses deutlich eindeutiger und unproblematischer die Gültigkeit des auf dem nichtigen Jahresabschlusses beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses, als dies bei erneuter Feststellung des Jahresabschlusses der Fall sei.145 Somit sei es gerechtfertigt, den Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen über die Neuvornahme entscheiden zu lassen. Allerdings gehört es zum Verantwortungsbereich des Vorstands sicherzustellen, dass sich die Aktiengesellschaft rechtmäßig verhält. Damit geht die Pflicht einher, rechtswidriges Verhalten zu korrigieren und nicht einfach hinzunehmen.146 Anderenfalls stünde die Einhaltung – insbesondere der gläubigerschützenden – Normen quasi zur Disposition der Organe und Gesellschafter, was so nicht gewollt sein kann.147 Folglich sind die Abschlussverantwortlichen grundsätzlich auch dazu verpflichtet, einen nichtigen Jahresabschluss fehlerfrei erneut festzustellen. Überdies ist die in § 256 Abs. 6 AktG vorgesehene Heilungsmöglichkeit kein Indiz dafür, dass die Heilungsfrist abgewartet werden kann.148 In Folge der Heilung soll Rechtssicherheit und Klarheit bezüglich der Wirksamkeit des Jahresabschlusses eintreten. Der mit der Heilung einhergehende Vertrauensschutz ist aber nicht gerechtfertigt, wenn die Nichtigkeit bekannt ist.149 Der Gegenansicht ist insofern zuzustimmen, als dass die Bedeutung der Angaben im Jahresabschluss mit zunehmendem Zeitablauf an Gewicht verlieren. Die Entscheidung, wann dies bei welchem Fehler anzunehmen ist, hat der Gesetzgeber aber selbst getroffen, indem er entsprechende Heilungsfristen in § 256 Abs. 6 AktG festgelegt hat.150 Diese gesetzgeberische Wertung darf nicht dadurch unterwandert werden, dass die Entscheidung über die Neuvornahme dem Ermessen des Vorstands überlassen wird. 141

Kowalski, AG 1993, 502 (505). Kowalski, AG 1993, 502 (505). 143 Kowalski, AG 1993, 502 (505). 144 Kowalski, AG 1993, 502 (505). 145 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 249. 146 Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 45; Koch, AktG, § 256 Rn. 33. 147 Geist, DStR 1996, 306 (307). 148 Geist, DStR 1996, 306 (308). 149 Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 37. 150 Geist, DStR 1996, 306 (308); Balthasar, Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, S. 220 f. 142

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

Des Weiteren besteht durchaus ein öffentliches Interesse daran, dass der nichtige Jahresabschluss neuvorgenommen wird. Ansonsten könnten die am Unternehmen beteiligten Interessengruppen mit falschen Informationen konfrontiert werden.151 In Folge dessen besteht die Gefahr, dass die Wertigkeit bestehender Forderungen falsch eingeschätzt oder Investitionen getätigt werden, die bei Kenntnis der wahren Sachlage unterblieben wären. Zwar könnten insofern auch nach Heilung des Jahresabschlusses Schadensersatzansprüche bestehen, unklar bleibt aber, ob diese realisierbar sind.152 Zu berücksichtigen ist außerdem, dass es den Gesellschaftsorganen ohnehin nicht möglich sein dürfte, den Fehler im Jahresabschluss zu verheimlichen, ohne dass sie sich pflichtwidrig verhalten.153 Erfolgt eine Korrektur im neuen Jahresabschluss, bedarf diese einer entsprechenden Begründung im Anhang. Auch ein Hinweis darauf, dass die Eröffnungsbilanz aus einem nichtigen Jahresabschluss übernommen wurde, ist zu erwarten. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der formellen Bilanzkontinuität nicht unproblematisch.154 Der mit dem nichtigen Jahresabschluss einhergehende Reputationsverlust droht mithin unabhängig davon, ob eine Neuvornahme erfolgen muss oder nicht. Im Übrigen berücksichtigt § 256 AktG bereits auf tatbestandlicher Seite, welche weitreichenden Folgen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses für die Gesellschaft hat: Nur besonders schwerwiegende Mängel bewirken die Nichtigkeit. Folglich ist in den Nichtigkeitsfällen davon auszugehen, dass der mit der Neuvornahme verbundene Aufwand gerechtfertigt ist, da Bagatellen ohnehin nicht in den Anwendungsbereich des § 256 AktG fallen. Insofern macht es auch keinen Sinn, die Pflicht zur Neuvornahme von der Art des Nichtigkeitsgrundes abhängig zu machen. Außerdem ermöglicht nur die Neuvornahme eine Berichtigung des Fehlers unmittelbar an dessen Entstehungsort. Somit kann auch ausgeschlossen werden, dass der Mangel sich auf Folgeabschlüsse auswirkt. Allerdings erscheint es tatsächlich nicht einleuchtend, auch dann die Neuvornahme von Vorstand und Aufsichtsrat zu fordern, wenn die Feststellung mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als schlichtweg die Heilungsfrist verstreichen zu lassen. Damit ist der letztgenannten Auffassung zuzustimmen. 3. Ergebnis Es besteht eine grundsätzliche Pflicht der Gesellschaftsorgane, einen bekanntermaßen nichtigen Jahresabschluss erneut fehlerfrei festzustellen. Diese Verpflichtung besteht unabhängig von der Art des Mangels, an dem der Jahresabschluss leidet. Einzig falls die Neuvornahme mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als die Heilung abzuwarten, darf von der fehlerfreien Wiederholung abgesehen werden. 151

Geist, DStR 1996, 306 (308). Geist, DStR 1996, 306 (308). 153 Geist, DStR 1996, 306 (308 f.). 154 Geist, DStR 1996, 306 (309). 152

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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II. Anforderungen an die Neuvornahme Ist die Gesellschaft zur Neuvornahme verpflichtet, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an das Prozedere zu stellen sind. Da es sich technisch betrachtet um die erstmalige Aufstellung des Jahresabschlusses handelt, sind – unabhängig davon, ob nach § 173 AktG zunächst die Hauptversammlung über den Jahresabschluss beschlossen hatte – gemäß § 172 AktG Vorstand und Aufsichtsrat für die Feststellung zuständig.155 Die an die Neuvornahme zu richtenden Anforderungen bestimmen sich im Übrigen nach dem Nichtigkeitsgrund.156 1. Verfahrens- und Prüfungsfehler Liegt ein Verfahrensfehler nach § 256 Abs. 2 oder 3 AktG vor, so ist das Feststellungsverfahren fehlerfrei nachzuholen. Dies bedeutet im Rahmen von § 256 Abs. 2 AktG, dass das gesamte korporationsrechtliche Rechtsgeschäft, bestehend aus der Aufstellung durch den Vorstand und der Billigung des Aufsichtsrates, wiederholt werden muss.157 Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn unmittelbar nach Billigung auffällt, dass der Billigungsbeschluss verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Hier kann der Aufsichtsrat ohne erneute Aufstellung durch gültige Beschlussfassung verhindern, dass die Nichtigkeitsfolge eintritt.158 Leidet der Jahresabschluss an einem Prüfungsmangel (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 AktG), muss vor der erneuten Feststellung die fehlende Prüfung nachgeholt oder fehlerfrei durch eine geeignete, ordnungsgemäß bestellte Person erfolgen.159 Im Grundsatz ist keine erneute Aufstellung oder inhaltliche Änderung des Jahresabschlusses erforderlich. Diese kann sich aber aus dem Prüfungsergebnis ergeben.160 2. Inhaltsfehler Bei einem materiellen Fehler ist der Jahresabschluss hingegen stets neu aufzustellen. Hierbei ist der Vorstand nicht an die ursprüngliche Aufstellung gebunden, sondern kann bestehende Ermessenspielräume frei ausüben.161 Unklar ist, ob bei der Neuvornahme werterhellende Umstände und Tatsachen zu berücksichtigen 155

BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 99; Barz, FS Schilling, S. 127 (132). MüKoAktG / J.Koch, § 256 Rn. 83; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 93. 157 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 93; Koch, AktG, § 256 Rn. 33a; MüKoAktG / J.Koch, § 256 Rn. 83; a. A.: Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 91. 158 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 259. 159 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 91. 160 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 257. 161 MüKoAktG / J.Koch, § 256 Rn. 83; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 93; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 92. 156

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

sind, da es sich rein rechtlich betrachtet um die erstmalige Aufstellung handelt.162 Dagegen spricht sich die Lehre von der punktuellen Fehlerkorrektur aus, nach welcher werterhellende Umstände nicht mit einzubeziehen sind und lediglich der fehlerhafte Teil des Jahresabschlusses geändert werden darf.163 Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren, dass im Hinblick auf die an die Neuvornahme zu stellenden Anforderungen zu differenzieren sei zwischen der öffentlich-rechtlichen Pflicht des Kaufmanns zur Aufstellung des Jahresabschlusses und gesellschaftsrecht­ lichen Feststellung. Während die gesellschaftsrechtliche Pflicht unerfüllt bliebe, sei die Gesellschaft ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nachgekommen. Die Sanktion der Nichtigkeit in § 256 AktG betreffe aber gerade diesen Bereich nicht. Daher bedürfe es nur einer punktuellen Korrektur, wobei neue, nach dem Zeitpunkt der ursprünglichen Feststellung gewonnene Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden dürften. Dies sei die Folge des Werterhellungsprinzips, wonach auch im Fall der Neuvornahme auf den Kenntnisstand am Tag der erstmaligen Bilanzaufstellung abzustellen sei. Für die Lehre von der punktuellen Fehlerkorrektur spricht, dass die Neuaufstellung mit einem geringeren Aufwand verbunden wäre, wenn sich die Korrektur nicht auf werterhellende Tatsachen erstreckt.164 Außerdem würden sich die Angaben im Jahresabschluss ausschließlich auf den Zeitraum bis zum jeweiligen Stichtag beziehen, so dass die Abschlüsse möglichst vergleichbar wären.165 Allerdings ist es wenig sinnvoll im Hinblick auf die durchzuführende Neuvornahme zwischen einer gesellschaftsrechtlichen und einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zu unterscheiden und den Jahresabschluss so künstlich aufzuspalten. Es handelt sich um ein zusammengefügtes Gesamtwerk, das auch nur als solches über Aussagekraft hinsichtlich der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage der Gesellschaft verfügt.166 Daher wäre es völlig widersprüchlich, wenn der Jahresabschluss entgegen nunmehr gewonnener Erkenntnisse bewusst falsch festgestellt werden müsste.167 Dafür finden sich auch im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte.168 Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Neuvornahme einzig der nichtigkeitsbegründende Fehler zu korrigieren ist, sondern vielmehr sind auch werterhellende Umstände und Tatsachen zu berücksichtigen. Der Lehre von der punktuellen Fehlerkorrektur ist eine Absage zu erteilen.

162

So GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 255a; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 92; MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 172 Rn. 63; Balthasar, Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, S. 222 f. 163 Küting / Kaiser, WPg 2000, 577 (593 ff.). 164 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 252. 165 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 252. 166 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 252. 167 MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 172 Rn. 63; Kropff, WPg 2000, 1137 (1137 ff.). 168 MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 172 Rn. 63; Kropff, WPg 2000, 1137 (1137 ff.).

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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Nach erfolgter Aufstellung ist der Jahresabschluss erneut zu prüfen. Ob die Pflicht zur Abschlussprüfung im vollen Umfang besteht169 oder unter den erleichterten Voraussetzungen der Nachtragsprüfung nach § 316 Abs. 3 HGB erfolgen kann,170 wird ebenfalls uneinheitlich beantwortet. Letztlich geht aber auch die Ansicht, die eine umfassende Prüfung verlangt, davon aus, dass bei gleich gebliebenen Inhalten der Prüfungsbericht wiederholt werden darf und nur geänderte Positionen einer umfassenderen und vertiefteren Prüfung bedürfen. Somit besteht praktisch kein Unterschied zwischen den Ansichten. Die Prüfung kann grundsätzlich durch den bereits für das Geschäftsjahr bestellten Prüfer erfolgen.171 Im Anschluss an die Abschlussprüfung ist der aufgestellte und geprüfte Jahresabschluss ordnungsgemäß festzustellen.

B. Gewinnverwendung auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses Gemäß § 174 Abs. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung über die Verwendung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Bilanzgewinns. Ist der Jahresabschluss nichtig, so folgt daraus nach § 253 Abs. 1 S. 1 AktG auch die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses. Da der Anspruch der Aktionäre auf Gewinnausschüttung aber einen wirksamen Gewinnverwendungsbeschluss voraussetzt, darf die Gesellschaft keine Dividenden auszahlen.172 Wurden auf der Grundlage des nichtigen Beschlusses allerdings bereits Gewinne ausgeschüttet – etwa, da die Nichtigkeit des Jahresabschlusses noch unbekannt war – so stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft die gezahlte Dividende zurückverlangen kann. Ferner ist unklar, wie sich die Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses auf die Gewinnverwendung auswirkt. I. Anspruch gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG Haben die Aktionäre Leistungen entgegen der Vorschriften des Aktiengesetzes erlangt, so sind diese an die Gesellschaft zurückzugewähren, vgl. § 62 Abs. 1 S. 1 AktG. Dieser aktienrechtliche Rückgewähranspruch geht als speziellere Vorschrift der condictio indebiti nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB vor.173 Der Anspruch ist

169

Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 92; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 256. 170 IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 406; MüKoAktG / J.Koch, § 256 Rn. 83; KK-AktG /  Arnold, § 256 Rn. 93. 171 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 256; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 93; Beck­ OGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 100; a. A.: Kowalski, AG 1993, 502 (506). 172 Heidel, Aktienrecht, § 253 Rn. 7. 173 KK-AktG / Drygala, § 62 Rn.  16; Bürgers / Körber / Lieder / Westermann, AktG, § 62 Rn. 1.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

körperschaftlicher Natur, so dass die Einschränkungen der §§ 814, 817 S. 2, 818 Abs. 3 BGB keine Anwendung finden.174 Zweck der Vorschrift ist es, verbotswidrige Leistungen wieder dem Vermögen der Aktiengesellschaft zuzuführen, um so dem Grundsatz der Kapitalerhaltung Genüge zu tun.175 Der Anspruch auf Dividendenzahlung leitet sich aus dem mitgliedschaftlichen Recht auf Gewinnausschüttung gemäß § 58 Abs. 4 AktG, einem wirksamen Gewinnverwendungsbeschluss gemäß § 174 AktG und einem wirksamen Jahresabschluss, §§ 172, 173 AktG, ab.176 Ist der Gewinnverwendungsbeschluss nun in Folge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 AktG ebenfalls nichtig, entsteht kein Anspruch der Aktionäre auf Gewinnausschüttung, so dass keine Auszahlung erfolgen darf, § 57 Abs. 3 AktG.177 Wurden allerdings bereits Gewinne ausgeschüttet, so erfolgte die Auszahlung damit entgegen der Vorschriften des Aktiengesetzes und ist grundsätzlich nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG an die Aktiengesellschaft zurückzuzahlen. 1. Privilegierung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG Gemäß § 62 Abs. 1 S. 2 AktG sind die Aktionäre aber nur dann zur Rückzahlung der ausgeschütteten Dividende verpflichtet, wenn sie positiv wussten oder fahrlässig nicht wussten, dass sie nicht berechtigt waren, den Gewinnanteil dem Grunde und der Höhe nach zu beziehen.178 Dieser Ausschluss ist gerechtfertigt, da Aktionäre regelmäßig keinerlei Einblicke in die inneren Abläufe und Vorgänge der Gesellschaft haben und somit schutzbedürftig sind.179 Wurden Gewinne auf der Grundlage eines nichtigen Jahresabschlusses ausgeschüttet, so ist allerdings bislang unklar, wann von der Gutgläubigkeit der Aktionäre im Sinne von § 62 Abs. 1 S. 2 AktG ausgegangen werden kann und folglich ein Anspruch auf Rückzahlung des Gewinns gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG ausscheidet. Damit der Haftungsausschluss des § 62 Abs.1 S. 2 AktG greift, darf den Aktionären nicht vorwerfbar sein, dass sie nicht wussten, dass die Gewinnausschüttung auf einem nichtigen Gewinnverwendungsbeschluss bzw. Jahresabschluss basiert. Ausgangspunkt zur Bestimmung der einzuhaltenden Sorgfalt ist die allgemeine Vorschrift des § 276 Abs. 2 BGB.180 Entscheidend ist also, ob die Aktionäre bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten erkennen können, dass die Dividende auf Grund der Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht hätte ausgezahlt werden dürfen. Der zugrunde zu legende Sorgfaltsmaßstab ist objektiv zu 174

MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 8. GroßkommAktG / Arnold / Notz, § 62 Rn. 9. 176 GroßkommAktG / Arnold / Notz, § 62 Rn. 81; MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 70. 177 MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 40. 178 MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 70. 179 BeckOGK / Cahn, AktG, § 62 Rn. 26; Schmidt / Lutter / Fleischer, AktG, § 62 Rn. 21. 180 KK-AktG / Drygala, § 62 Rn. 83; Koch, AktG, § 62 Rn. 13. 175

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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bestimmen, wobei nach Lebens- und Berufskreisen zu differenzieren ist.181 Fahrlässig kann die Unkenntnis nur dann sein, wenn sie auch vermeidbar gewesen wäre.182 Maßgeblicher Zeitpunkt ist insofern der Empfang der Leistung.183 Was dies im Fall der Nichtigkeit des Jahresabschlusses konkret für die an die Sorgfalt der Aktionäre zu stellenden Anforderungen im Rahmen des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG bedeutet, ist umstritten. a) Meinungsstand Einigkeit in Literatur und Rechtsprechung besteht zunächst dahingehend, dass zwischen Kleinaktionären und Großaktionären, sprich Mehrheits- und unternehmerisch tätigen Aktionären, zu unterscheiden ist.184 Danach soll von einem Kleinanleger, der seine Aktien durch einen Depotverwalter verwalten lässt, keine besondere einzuhaltende Sorgfalt gefordert werden, sofern der Jahresabschluss durch den Abschlussprüfer bestätigt ist und ein Hauptversammlungsbeschluss vorliegt.185 aa) Klageerhebung Nach einer Ansicht soll im Übrigen regelmäßig von fahrlässiger Unkenntnis der Aktionäre im Sinne von § 62 Abs. 1 S. 2 AktG auszugehen sein, wenn Anfechtungsklage gegen den Gewinnverwendungsbeschluss erhoben und dieser entsprochen wurde.186 Dies wird teilweise auf den Rechtsgedanken des § 142 Abs. 2 BGB gestützt.187 Teils wird die analoge Anwendung des § 122 BGB befürwortet. Es soll also darauf ankommen, ob der Aktionär nach seinen Kenntnismöglichkeiten von der Anfechtung selbst und der Berechtigung der Gründe, auf die sie gestützt ist, hätte wissen müssen.188 bb) Begründete Zweifel an der Wirksamkeit Eine andere Ansicht stellt darauf ab, ob bei Empfang der Leistung begründeter Anlass dazu bestand, an der ordnungsgemäßen Aufstellung des Jahresabschlusses oder der Wirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses zu zweifeln, sofern 181

MüKoBGB / Grundmann, § 276 Rn. 55, 59; Jauernig / Stadler, BGB, § 276 Rn. 28 ff. Grüneberg, BGB, § 276 Rn. 21. 183 KK-AktG / Drygala, § 62 Rn. 85; GroßkommAktG / Arnold / Notz, § 62 Rn. 90. 184 BGH NZG 2016, 1182 (1184 f.); OLG Stuttgart AG 2015, 283 (285); MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 74. 185 GroßkommAktG / Arnold / Notz, § 62 Rn. 87, BGH NZG 2016, 1182 (1184). 186 Schmidt / Lutter / Fleischer, AktG, § 62 Rn. 24; GroßkommAktG / Arnold / Notz, § 62 Rn. 89. 187 Koch, AktG, § 62 Rn. 13. 188 BeckOGK / Cahn, AktG, § 62 Rn. 28. 182

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

dies für den Aktionär erkennbar war.189 Wann dies der Fall sein soll, wird indessen nicht genauer ausgeführt. cc) Wertung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 5 KStG Hennrichs wiederum will den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab an Hand der Wertung des § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 5 KStG genauer bestimmen.190 Dort ist geregelt, dass das Einkommen einer Europäischen Gesellschaft, einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, die aufgrund eines Gewinnabführungsvertrags im Sinne von § 291 Abs. 1 AktG ihren gesamten Gewinn an ein anderes gewerbliches Unternehmen abführt, nur als Einkommen des Organträgers steuerlich zu berücksichtigen ist, wenn die in Nummer 1 bis 5 genannten Voraussetzungen eingehalten werden. Hier sieht § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 b) KStG vor, dass der Gewinnabführungsvertrag auch dann als durchgeführt gilt, wenn die abgeführten Gewinne beziehungsweise ausgeglichenen Verluste auf einem Jahresabschluss beruhen, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält, sofern ein ordentlicher Kaufmann unter Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht hätte erkennen können, dass der Jahresabschluss fehlerhaft erstellt wurde. Davon ist nach Satz 5 insbesondere dann auszugehen, wenn ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk durch den Abschlussprüfer nach § 322 Abs. 3 HGB erteilt wurde. Leidet der Jahresabschluss aber unter Mängeln, die zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, so darf kein (uneingeschränkter) Bestätigungsvermerk erteilt werden.191 Hieraus folgert Hennrichs, dass auch zur Ermittlung der im Rahmen von § 62 Abs. 1 S. 2 AktG einzuhaltenden Sorgfalt keine höheren Anforderungen an einen Kaufmann gestellt werden könnten als an einen sachverständigen Abschlussprüfer. Damit sei der Aktionär jedenfalls dann gutgläubig im Sinne von § 62 Abs. 1 S. 2 AktG, wenn ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk vorliegt. Denn in diesem Fall könne mangels Erkennbarkeit der Pflichtwidrigkeit auch nicht von fahrlässiger Unkenntnis ausgegangen werden. b) Stellungnahme Nimmt man mit der erstgenannten Ansicht an, dass sich die Aktionäre bereits dann nicht mehr auf die Privilegierung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG berufen können, wenn sie von einer gegen den Gewinnverwendungsbeschluss erhobenen Klage wissen, so müsste auch eine anhängige Klage gegen den Jahresabschluss zur Bösgläu 189

Hölters / Weber / Mayer / Albrecht vom Kolke, AktG, § 62 Rn. 14; Lutter, FS Helmrich, S. 685 (695). 190 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (311 f.). 191 OLG Karlsruhe ZIP 1985, 409 (411); GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 218; Koch, AktG, § 256 Rn. 32; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 81; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 91.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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bigkeit führen. Schließlich ist der Gewinnverwendungsbeschluss eo ipso ebenfalls gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 AktG nichtig, sofern er auf einem nichtigen Jahresabschluss beruht. Für diese Ansicht spricht, dass sie ein klares Kriterium liefert, um den Sorgfaltsmaßstab genauer auszugestalten. Allerdings wäre regelmäßig anzunehmen, dass ein Großteil der Aktionäre bösgläubig und somit rückgewährpflichtig nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG ist. Denn immer dann, wenn die Klageerhebung in den Gesellschaftsblättern gemäß § 246 Abs. 4 S. 1 AktG veröffentlicht oder der Jahresabschluss bzw. der Gewinnverwendungsbeschluss während der Hauptversammlung gerichtlich oder durch Anträge der Aktionäre angegriffen wurde, müsste davon ausgegangen werden, dass die Aktionäre bei Empfang der Gewinne nicht mehr im guten Glauben waren.192 Folglich wäre der Anwendungsbereich des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG denkbar gering. Dies entspricht aber nicht dem Zweck der Norm. Vielmehr sollen die Aktionäre, die normalerweise keine Einblicke in die internen Vorgänge der Aktiengesellschaft haben, geschützt werden.193 Anderenfalls würde die Verwendung des Gewinns enorme Risiken bergen, insbesondere da die Aktionäre sich nicht auf Entreicherung berufen können.194 Hinzu kommt, dass es ihnen regelmäßig nicht möglich ist einzuschätzen, ob die gegen den Jahresabschluss oder den Gewinnverwendungsbeschluss erhobenen Einwände berechtigt sind oder nicht.195 Darüber hinaus kann kaum erwartet werden, dass Kleinanleger die Bekanntmachungen im Bundesanzeiger regelmäßig verfolgen. Letztlich geht es also darum, den Aktionär zu schützen, um die Aktie als Form der Vermögensanlage attraktiv auszugestalten.196 Dem widerspräche es aber, zu hohe Anforderungen an den zu fordernden Sorgfaltsmaßstab im Rahmen des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG zu stellen.197 Sofern danach differenziert wird, ob der Aktionär begründeten Anlass hat, an der ordnungsgemäßen Gewinnausschüttung zu zweifeln, können die Umstände des jeweiligen Einzelfalls möglichst umfassend gewürdigt werden. Andererseits bietet dieses Kriterium kaum einen Anhaltspunkt für die Aktionäre. Welche Fallgruppen hierunter fallen, bleibt offen. Insbesondere unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Risiken für die Aktionäre eröffnet diese Ansicht somit keine klaren Differenzierungskriterien. Anders ist dies, wenn man darauf abstellt, ob ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wurde. Zu Recht wird darauf verwiesen, dass an die Sorgfalt eines einfachen Aktionärs grundsätzlich keine höheren Anforderungen als an die des fachkundigen Abschlussprüfers gestellt werden können. Allerdings kann ein uneingeschränkt erteilter Bestätigungsvermerk nicht ausnahmslos zur Anwendung

192

Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (311). MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 63. 194 BeckOGK / Cahn, AktG, § 62 Rn. 26. 195 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (310). 196 BeckOGK / Cahn, AktG, § 62 Rn. 26. 197 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (310). 193

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG führen. Insofern sollte durchaus weiterhin zwischen unternehmerisch tätigen (Mehrheits-)Aktionären und Kleinanlegern unterschieden werden. Da Kleinanleger regelmäßig keine vertieften Kenntnisse über die ordnungsgemäße Feststellung eines Jahresabschlusses haben und zudem keine Möglichkeit besteht, sich über interne Vorgänge der Gesellschaft zu informieren, stellt der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers die einzige Informationsquelle bezüglich der Wirksamkeit des Jahresabschlusses dar. Sollte dieser uneingeschränkt erteilt worden sein und hat darüber hinaus die Hauptversammlung auf der Grundlage des Jahresabschlusses über die Gewinnverwendung entschieden, so findet der Ausschlusstatbestand des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG Anwendung. Der Sachverhalt ist aber dann anders zu bewerten, wenn es sich bei dem rückgewährpflichtigen Aktionär um einen Großaktionär handelt. Ein unternehmerisch tätiger Aktionär verfügt in der Regel über weitaus größere Kenntnisse im Hinblick auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Jahresabschlusses. Auf Grund seiner geschäftlichen Verbindungen und der Stellung innerhalb der Gesellschaft wird es ihm normalerweise leichter fallen, Einblick in interne Vorgänge zu gewinnen. Auch hier dürfen natürlich keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, so dass sich der Großaktionär grundsätzlich ebenfalls auf die Prüfungsergebnisse des fachkundigen Abschlussprüfers verlassen können muss. In einem zweiten Schritt ist aber zu prüfen, ob die Indizwirkung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nicht entkräftigt werden kann, da dem Großaktionär unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles begründete Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Gewinnausschüttung hätten kommen müssen. Sollte dies der Fall sein, so greift die Privilegierung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG trotz des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nicht. c) Zwischenergebnis Ein Anspruch auf Rückgewähr des auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses ausgeschütteten Gewinns besteht nicht, wenn die Privilegierung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG zu Gunsten des Aktionärs greift. Dies ist der Fall, wenn der Aktionär im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung gutgläubig im Hinblick auf die Berechtigung, den Gewinnanteil beziehen zu dürfen, war. Insofern ist zwischen Großaktionären und Kleinaktionären zu differenzieren. Die Haftung von Kleinanlegern ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Jahresabschluss über einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk verfügt und die Hauptversammlung auf der Grundlage des Jahresabschlusses über die Ergebnisverwendung entschieden hat. Großaktionäre können sich ebenfalls auf die Indizwirkung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks verlassen, dürfen aber darüber hinaus nach den Umständen des Einzelfalls keine begründeten Zweifel daran haben, dass die Gewinnausschüttung rechtmäßig ist.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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2. Heilung Wird der nichtige Jahresabschluss gemäß § 256 Abs. 6 AktG geheilt, so gilt dies auch für den mangelhaften Gewinnverwendungsbeschluss, § 253 Abs. 1 S. 2 AktG. Diese Heilung wirkt auf den Zeitpunkt der Aufstellung zurück, so dass die Gewinne zu Recht bezogen wurden und ein Anspruch nach § 62 AktG entfällt.198 II. Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses Ist der Jahresabschluss nichtig, so ist er, sofern noch keine Heilung gemäß § 256 Abs. 6 AktG eingetreten ist, grundsätzlich erneut festzustellen.199 Hierbei sind die beteiligten Organe regelmäßig frei und nicht an den nichtigen Jahresabschluss und dessen Festsetzungen gebunden.200 Da der neu festgestellte Jahresabschluss keine Rückwirkung entfaltet, bleibt es bei der von § 253 Abs. 1 S. 1 AktG angeordneten Nichtigkeit des auf dem alten Jahresabschluss beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses.201 Das gilt selbst dann, wenn der Bilanzgewinn in gleicher Höhe festgesetzt wird.202 Demnach müsste die Hauptversammlung auf der Grundlage des neu festgestellten Jahresabschlusses erneut über die Gewinnverwendung beschließen und es würden erstmals Ansprüche der Aktionäre auf Ausschüttung der Dividende entstehen. Gleichzeitig wären bereits nach erstmaligem Beschluss über die Gewinnverwendung fälschlicherweise ausgezahlte Gewinne nach Maßgabe des § 62 Abs. 1 AktG zurückzugewähren. Gerade bei börsennotierten Aktiengesellschaften wäre die Rückforderung der zunächst ausgeschütteten Gewinne mit erheblichen Belastungen und einem drohenden Rufschaden verbunden, was insbesondere dann nicht gerechtfertigt ist, wenn sich hinsichtlich des im neuen Jahresabschluss festgestellten Bilanzgewinns keine Änderung ergeben hat.203 Des Weiteren bestünde wegen § 62 Abs. 1 S. 2 AktG kein Rückgewähranspruch gegen gutgläubige Aktionäre. Auch neue Aktionäre, die die Aktie in der Zwischenzeit im Wege der Einzelrechtsnachfolge erworben haben, haften nicht nach § 62 AktG.204 Folglich käme es zu einer doppelten Ausschüttung der Gewinne eines Geschäftsjahres im Widerspruch zur momentanen Ertragslage.205 Darüber, dass dieses Er-

198

Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (312); GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 267; Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 39. 199 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 A. I. 2. 200 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (312). 201 GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 260; Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (312). 202 GroßkommAktG / K . Schmidt, § 253 Rn. 7; Koch, AktG, § 253 Rn. 4; Kropff, FS Budde, S. 340 (353). 203 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (314). 204 Bürgers / Körber / Lieder / Westermann, AktG, § 62 Rn.  5; KK-AktG / Drygala, § 62 Rn. 39; GroßkommAktG / Arnold / Notz, § 62 Rn. 42; MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn. 30; a. A.: Wiesner, FS Raiser, S. 471 (481). 205 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (375 f.).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

gebnis nicht gewollt sein kann, besteht Einigkeit. Allerdings werden verschiedene Lösungsmodelle befürwortet. Eine gesetzliche Regelung fehlt insofern. 1. Aufrechnungslösung Legt man die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zu Grunde, so könnte die Aktiengesellschaft gegen den Anspruch der Aktionäre auf Ausschüttung der Dividende auf Grundlage des neu gefassten Gewinnverwendungsbeschlusses mit dem Anspruch auf Rückgewähr der bereits auf Grundlage des nichtigen Gewinnverwendungsbeschlusses ausgezahlten Gewinne nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG aufrechnen, §§ 387 ff. BGB. Die Ansprüche würden, soweit sie sich decken, erlöschen, § 389 BGB. 2. Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, § 242 BGB Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass dem Anspruch der Gesellschaft auf Rückgewähr gemäß § 62 Abs. 1 S. 1 AktG der Einwand dolo agit qui petit quod statim redditurus est gemäß § 242 BGB entgegensteht.206 Die Gesellschaft könne nur zurückfordern, was sie nicht nach dem neuen Feststellungsbeschluss wieder ausschütten müsse. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn die Heilung des Jahresabschlusses abgewartet werden soll.207 Andererseits sei es den Aktionären verwehrt, die Dividendenzahlung für das Geschäftsjahr zu verlangen, für welches sie bereits Gewinne ausgeschüttet bekommen haben. 3. Anrechnungslösung Nach anderer Ansicht ist eine doppelte Ausschüttung zu verhindern, indem sich jeder Aktionär die auf seine Aktie bereits erfolgte Auszahlung des Gewinns anrechnen lassen muss, unabhängig davon, ob er selbst oder sein Rechtsvorgänger die Dividende erhalten hat.208 Grundlage der Anrechnung bilde insofern ein erneuter Gewinnverwendungsbeschluss, welcher auf dem neuvorgenommenen Jahresabschluss basiert.

206

Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (151); Kowalski, AG 1993, 502 (507); J.-H. Weilep, Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, S. 278. 207 Kowalski, AG 1993, 502 (507). 208 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (376 f.).

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4. Heilungslösung Andere Stimmen in der Literatur sprechen sich hingegen für die entsprechende Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG aus.209 Gemäß § 253 Abs. 1 S. 2 AktG bewirkt die Heilung des nichtigen Jahresabschlusses durch Zeitablauf nach § 256 Abs. 6 AktG, dass auch der auf dem ursprünglich nichtigen Jahresabschluss basierende unwirksame Gewinnverwendungsbeschluss geheilt wird. Da dies mit ex tunc-Wirkung erfolgt, sind die Gewinne rechtmäßig ausgeschüttet worden. Dies müsse erst recht gelten, wenn der Jahresabschluss nicht durch bloßes Abwarten geheilt wird, sondern aktiv von den zuständigen Organen neu aufgestellt werde.210 Sofern der neu festgestellte Jahresabschluss also einen gleich hohen bzw. ausreichenden Bilanzgewinn ausweist, bedürfe es keines erneuten Beschlusses über die Gewinnverwendung, sondern der bereits gefasste Gewinnverwendungsbeschluss stelle eine rechtmäßige Grundlage für die Gewinnausschüttung dar. Insofern könne auch auf freie Rücklagen zurückgegriffen werden.211 Ist der neu ausgewiesene Gewinn hingegen geringer, so bestünden Ansprüche gemäß § 62 AktG gegen bösgläubige Aktionäre in Höhe der Differenz. Entsteht der Gesellschaft dennoch ein Schaden, komme eine Haftung der Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2, 3 Nr. 2 AktG in Betracht.212 5. Stellungnahme Für die Aufrechnungslösung spricht, dass sie den gesetzlichen Vorgaben der §§ 387 ff. BGB entspricht.213 Allerdings wäre die Gesellschaft auf Grund des neugefassten Gewinnverwendungsbeschlusses dazu verpflichtet, gutgläubigen Alt-Aktionären sowie Neu-Aktionären, die die Aktionärsstellung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erlangt haben, die Dividende auszuschütten.214 Da an die Gutgläubigkeit der Aktionäre keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind und die Aktiengesellschaft insofern die Beweislast trifft,215 besteht regelmäßig bei einem Teil der Aktionäre kein Anspruch auf Rückzahlung des zunächst ausgeschütteten Gewinns. Gleiches gilt für Neu-Aktionäre, an die noch kein Gewinn ausgeschüttet wurde. Eine Aufrechnung mit dem Anspruch gemäß § 62 AktG auf Rückzahlung der zu Unrecht ausgeschütteten Erst-Dividende käme mangels Auf 209

MükoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 174 Rn. 62; Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (317); IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 162; GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 262; Bezzen­ berger, WM 2020, 2093 (2100). 210 GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 262. 211 MükoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 174 Rn. 62; Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (318). 212 IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 162 Fn. 299. 213 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (314). 214 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (314). 215 MüKoAktG / Bayer, § 62 Rn.  76; Hölters / Weber / Mayer / Albrecht vom Kolke, AktG, § 62 Rn. 15.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

rechnungslage gerade nicht in Betracht.216 Die Gesellschaft wäre zu einer doppelten Ausschüttung auf eine Aktie gezwungen, die aber von der Vermögens- und Ertragslage nicht gedeckt ist und sich in den folgenden Geschäftsjahren periodenfremd gewinnmindernd auswirken würde.217 Dies wäre darüber hinaus nicht mit dem Sinn und Zweck der Regelungen über die Nichtigkeit des Jahresabschlusses vereinbar (§§ 256, 253 AktG), die die Gewinnausschüttung auf der Grundlage des nichtigen Jahresanschlusses gerade verhindern sollen.218 Die Aufrechnungslösung ist daher abzulehnen. Problematisch an einer Lösung über Treu und Glauben nach § 242 BGB ist, dass der Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nur auf den Aktionär Anwendung finden kann, der die erste Dividendenzahlung auch empfangen hat.219 Damit wären Erwerber der Aktien im Wege der Einzelrechtsnachfolge nicht erfasst, ihnen stünde unabhängig von den bereits ausgezahlten Gewinnen ein voller Dividendenanspruch zu, was gerade verhindert werden soll. Außerdem findet der Lösungsansatz keine Stütze im Gesetz und wirkt daher konstruiert. Somit ist auch dieser Lösungsansatz abzulehnen. Für die Anrechnung der bereits ausgeschütteten Erst-Dividende auf den Gewinnanspruch, also für eine Betrachtung auf die einzelne Aktie, lässt sich anführen, dass sowohl die Aktionäre, die bereits eine Dividende empfangen haben, als auch mögliche Erwerber der Aktien nicht damit rechnen können, dass für ein und dasselbe Geschäftsjahr zweimal Gewinne ausgezahlt werden und insofern nicht schutzwürdig sind.220 Dagegen spricht aber, dass die Anrechnungslösung letztlich die Rechtsfolge des § 389 BGB herbeiführt, allerdings ohne dass die Voraussetzungen des § 387 BGB vorliegen.221 Außerdem erfolgt die Anrechnung unabhängig von der Gut- bzw. Bösgläubigkeit der Aktionäre, was im Widerspruch zu der Wertung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG steht.222 Darüber hinaus wäre nach diesem Modell selbst dann ein erneut von der Hauptversammlung zu fassender Gewinnverwendungsbeschluss im Sinne von § 174 AktG erforderlich, wenn der neu festgestellte Jahresabschluss einen identischen Jahresüberschuss ausweist und sich somit hinsichtlich des Ausschüttungsumfangs keinerlei Unterschiede ergeben.223 Dies stellt einen unnötigen Mehraufwand für die Gesellschaft dar, welchen die Heilungslösung vermeidet. Weist der neu festgestellte Jahresabschluss Gewinne in gleicher Höhe wie der alte Jahresabschluss aus, so erhält der ursprünglich nichtige Gewinnverwendungsbeschluss durch die Heilung rückwirkend einen Rechts-

216

Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (314). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (376). 218 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (376). 219 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (376). 220 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (376). 221 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (316). 222 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (316). 223 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (318). 217

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grund.224 Die Frage nach einer Verrechnung stellt sich damit erst gar nicht. Sofern diese Rechtsfolge auf eine analoge Anwendung des § 253 Abs. 1 S. 1 AktG gestützt werden soll, setzt dies eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage voraus.225 Es finden sich keine gesonderten gesetzlichen Regelungen zur Behandlung des geschilderten Problems. Die Heranziehung der allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der §§ 387 ff. BGB führt – wie gezeigt – zu einem untragbaren Ergebnis. Damit besteht eine planwidrige Regelungslücke. Außerdem müsste eine vergleichbare Interessenlage bestehen. Zweck der Heilungsvorschriften der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG ist es, für Rechtssicherheit und -frieden zu sorgen.226 Nach dem Ablauf von sechs Monaten bzw. drei Jahren sollen sowohl der Jahresabschluss als auch der Gewinnverwendungsbeschluss in den von § 256 Abs. 6 AktG genannten Fällen trotz des Fehlers endgültig wirksam sein. Ein vergleichbares Bedürfnis besteht, wenn auf der Grundlage eines unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses Gewinne ausgezahlt wurden und nun unklar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Aktionäre die Dividende zurückbezahlen müssen. Die entsprechende Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG bietet den Aktionären die Gewissheit, dass die Gewinne nunmehr rechtmäßig ausgeschüttet worden und es zu keiner Rückabwicklung kommt. Andererseits kann die Gesellschaft sicher sein, dass sie nicht zur erneuten Ausschüttung verpflichtet ist. Mithin ist auch die Interessenlage vergleichbar. Für die Heilungslösung spricht des Weiteren ein Erst-Recht-Schluss: Wenn der auf einem nichtigen Jahresabschluss beruhende Gewinnverwendungsbeschluss gemäß § 253 Abs. 1 S. 2 AktG durch bloßen Zeitablauf geheilt wird, so muss dies erst recht gelten, wenn die zuständigen Organe aktiv einen neuen, fehlerfreien Jahresabschluss aufstellen, der den bereits gefassten Gewinnverwendungsbeschluss deckt.227 Somit hält einzig die Heilungslösung einer kritischen Würdigung stand. Sie sorgt für einen gerechten Interessenausgleich und lässt sich rechtsdogmatisch begründen. 6. Ergebnis Weist der neu festgestellte Jahresabschluss also einen gleich hohen bzw. ausreichenden Bilanzgewinn aus, so stellt der bereits gefasste Gewinnverwendungsbeschluss in entsprechender Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG die rechtmäßige Grundlage für die Gewinnausschüttung dar. Sollte der im neu festgestellten Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn hingegen geringer ausfallen, so ist erneut über die Gewinnverwendung zu entscheiden. Die Differenz zu den bereits ausgeschütteten Gewinnen kann die Gesellschaft nach Maßgabe des § 62 Abs. 1 AktG von den Aktionären zurückverlangen. Entsteht der Gesellschaft den 224

Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (317). Tettinger / Mann, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, Rn. 274. 226 RegE AktG, BT-Drucks. IV/171, S. 205. 227 GroßkommAktG / Bezzenberger, § 256 Rn. 262; Bezzenberger, WM 2020, 2093 (2100). 225

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

noch ein Schaden, so haften die Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2, 3 Nr. 2 AktG, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind.

C. Auswirkungen auf Folgeabschlüsse Ist der Jahresabschluss eines Geschäftsjahres nichtig, stellt sich die Frage, ob die Nichtigkeit Auswirkungen auf die darauffolgenden Jahresabschlüsse hat. Keine Schwierigkeiten bereitet der Fall, dass der auf den nichtigen Jahresabschluss nachfolgende Jahresabschluss unter einem eigenständigen Fehler leidet. Handelt es sich um einen Mangel im Sinne von § 256 AktG, so ist der nachfolgende Jahresabschluss nichtig. Die Nichtigkeit tritt dabei völlig unabhängig von der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ein.228 Das gleiche gilt, wenn der nachfolgende Jahresabschluss den Mangel des Vorabschlusses wiederholt, sog. Fehleridentität.229 Mangels gesetzlicher Rückwirkung laufen die Heilungsfristen für jeden Jahresabschluss gesondert, auch die Neuvornahme beschränkt sich auf den jeweiligen Jahresabschluss.230 Weitaus problematischer ist hingegen die Konstellation, dass der nachfolgende Jahresabschluss an sich fehlerfrei festgestellt wurde, also nicht an einem selbstständigen Nichtigkeitsgrund leidet. Der Grundsatz der Bilanzidentität, auch als Grundsatz der Bilanzverknüpfung bezeichnet, verlangt, dass die Eröffnungsbilanz eines Jahresabschlusses auf der Schlussbilanz des vorherigen Jahresabschlusses beruht.231 Nun könnte die in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB gesetzlich normierte Bilanzkontinuität in zweierlei Hinsicht auf Grund der Nichtigkeit des Vorabschlusses verletzt sein. Zum einen könnte man argumentieren, dass, da der Vorabschluss nun mal nichtig ist und damit keine Wirkung entfaltet, bereits keine Schluss­ bilanz existiert, die als Eröffnungsbilanz übernommen werden kann. Dann wäre der nachfolgende Jahresabschluss ohne Weiteres ebenfalls nichtig. Zum anderen wäre es möglich, dass sich durch die Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses nachträglich inhaltliche Änderungen ergeben, was zur Folge hätte, dass die Werte der Schlussbilanz des erneut festgestellten Jahresabschlusses nicht mit den Werten und Ansätzen der Eröffnungsbilanz des nachfolgenden Jahresabschlusses übereinstimmen und somit die Bilanzkontinuität durchbrochen wäre. Sofern man des Weiteren annimmt, dass die Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB einen Nichtigkeitsgrund nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG begründet, wäre somit auch der nachfolgende Jahresabschluss nichtig.

228

Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 256 Rn. 44. BGH AG 1998, 525 (527); MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 85. 230 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 76 f.; Hölters / Weber//Waclawik, AktG, § 256 Rn. 44. 231 BeckBil-Komm / Störk / Büssow, HGB, § 252 Rn. 5; Kütting / Weber / Selchert, Handbuch der Rechnungslegung, § 252 Rn. 25. 229

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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Wird erst nach Jahren entdeckt, dass ein Vorjahresabschluss nichtig ist, könnte dies dazu führen, dass die Wirksamkeit einer ganzen Reihe von Jahresabschlüssen zweifelhaft ist. Die Folgen für die Gesellschaft im Hinblick auf bereits getätigte und noch vorzunehmende Gewinnausschüttung, die Besteuerung sowie den mit der notwendigen Neufeststellung verbundenen Aufwand wären geradezu drakonisch.232 I. Frühe Ansichten Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Frage, ob und unter welchen Umständen sich die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses auf den nachfolgenden Jahresabschluss auswirkt, diskutiert. Das HGB in der Fassung vom 10. Mai 1897 sah vor, dass der Jahresabschluss von der Generalversammlung festzustellen war, vgl. § 260 HGB 1897. Stand ein Jahresabschluss im Widerspruch zu Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, so konnte dieser gemäß § 271 HGB 1897 angefochten werden. Eine die Nichtigkeit des Jahresabschlusses regelnde Norm kannte das HGB 1897 hingegen nicht.233 Es ergingen zwischen 1903 und 1928 drei Entscheidungen des Reichsgerichts, welche die skizzierte Frage um die Nichtigkeit des Folge­ abschlusses zumindest anreißen. In der Literatur zum HGB 1897 wird die Thematik – soweit ersichtlich – noch nicht erörtert. 1. Rechtsprechung des Reichsgerichts a) RGZ 64, 258 Im Jahr 1906 beschäftigte sich das RG mit der Frage, ob ein Aktionär, der Anfechtungsklage gegen einen Jahresabschluss erhoben hat, auch alle weiteren, während der Schwebezeit des Prozesses durch die Generalversammlung festgestellten Jahresabschlüsse anfechten muss, um sein Anfechtungsrecht nicht zu verlieren. Das Gericht lässt offen, ob nach Klageerhebung festgestellte Jahresabschlüsse ipso iure nichtig sind, sofern sie zu dem später ergangenen Urteil in Widerspruch stehen. Es stellt aber klar, dass die Nichtigkeit für die noch aufzustellenden Bilanzen von Einfluss sein muss.234 Insofern lässt das RG die während der Schwebezeit des Prozesses festgestellten Jahresabschlüsse außen vor, geht aber davon aus, dass die nach Urteilsverkündigung festzustellenden Jahresabschlüsse jedenfalls in dessen Sinne festgestellt werden müssen. Teilweise wird diese Aussage im Sinne einer Berichtigungspflicht gedeutet.235 In der Tat meint das Reichsgericht wohl, dass 232 Haase, DB 1977, 241 (241 f.); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (309); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (357). 233 Eberspächer, Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen nach § 241 Nr. 3 AktG, S. 53. 234 RGZ 64, 258 (260). 235 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (357).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

noch festzustellende Bilanzen die sich aus der Nichtigkeit des Jahresabschusses ergebenden Änderungen berücksichtigen müssen. In Richtung einer generellen Nichtigkeit der nachfolgenden Jahresabschlüsse kann die Entscheidung jedenfalls nicht interpretiert werden.236 b) RGZ 98, 112 1920 hatte das RG zu entscheiden, ob ein Aktionär, der gegen einen die Jahresbilanz genehmigenden Generalversammlungsbeschluss Anfechtungsklage erhoben hat, keinen Rechtsschutz mehr verdient, wenn er im Rahmen des Feststellungsbeschlusses im folgenden Geschäftsjahr für die Genehmigung des Jahresabschlusses stimmt. Hier führt das Gericht aus, dass die aufeinanderfolgenden Bilanzen insofern im Zusammenhang stehen, als dass die Abrechnung eines jeden Geschäftsjahres den Saldo des vorausgegangenen Geschäftsjahres zugrunde legt. Dem stünde es aber nicht entgegen, Änderungen an den nachfolgenden Bilanzen vorzunehmen, um diese dem ergangenen Urteil entsprechend zu korrigieren.237 Insofern schließt sich das Gericht der Entscheidung aus dem Jahr 1906 an. Ausgangspunkt der Überlegungen des RG ist letztlich der heute in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB geregelte Grundsatz der Bilanzidentität, wonach die Werte der Eröffnungsbilanz eines Geschäftsjahres mit den Werten der Schlussbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahres übereinstimmen müssen. Von der automatischen Nichtigkeit des nachfolgenden Abschlusses kann aber auch hier nicht gesprochen werden. In Anknüpfung an RGZ 64, 258 ist die Gesellschaft aber dazu verpflichtet, die nachfolgenden Jahresabschlüsse entsprechend zu korrigieren. c) RGZ 120, 28 Diese Entscheidung beschäftigt sich mit dem Zusammenspiel dreier aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse. Der für das Geschäftsjahr 1922/1923 festgestellte Jahresabschluss wurde zunächst erfolgreich angefochten und sodann neu festgestellt. Gleichzeitig beschloss die Generalversammlung die Umstellung des Grundkapitals von Goldmark in Reichsmark und stellte den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1923/1924 fest, wobei auf der Passivseite bereits das Grundkapital in Reichsmark aufgeführt wurde. Anschließend genehmigte sie die ReichsmarkEröffnungsbilanz, errichtet für den 1. 10. 1924. Die Klage richtete sich schließlich gegen die im darauffolgenden Jahr festgestellte Jahresbilanz für das Geschäftsjahr 1924/1925. Gestützt wurde die Klage auf die Begründung, dass die Bilanz wegen Überbewertung unheilbar nichtig sei. Dieser Argumentation des Klägers 236 237

Ebenso Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (357). RGZ 98, 112 (114).

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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schließt sich das Gericht letztlich zwar nicht an, kommt aber dennoch zu dem Ergebnis, dass der Jahresabschluss 1924/1925 nichtig ist.238 Da bereits der Jahresabschluss 1923/1924 auf der Passivseite das Grundkapital in Reichsmark beziffert, die Reichsmark-Eröffnungsbilanz aber erst für den 1. 10. 1924, also das nachfolgende Geschäftsjahr, aufgestellt wurde, mangele es an einer rechtsgültigen Währungsumstellung. In Folge dessen hänge die Passivseite der Bilanz völlig in der Luft. Daraus folge ebenfalls die Nichtigkeit des Beschlusses zum Jahresabschluss 1924/1925.239 In diesem Zusammenhang stellt das Reichsgericht drei allgemeine Kriterien auf, an Hand derer zu ermitteln ist, ob die Nichtigkeit des einen Jahresabschlusses auch die Nichtigkeit der nachfolgenden Jahresabschlüsse bewirkt. Der nachfolgende Abschluss sei demnach nichtig, wenn er 1. auf einem unheilbar nichtigen Beschluss beruht, 2. sich fachlich an diesen Beschluss anschließt und 3. inhaltlich die Gültigkeit des Vorabschlusses voraussetzt.240 Diese Kriterien entsprechen einem Verstoß gegen den heute in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB normierten Grundsatz der Bilanzidentität.241 Die Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses kann hiernach nicht generell angenommen werden, vielmehr werden weitergehende Voraussetzungen postuliert.242 Außerdem resultiert die Nichtigkeit des Folgeabschluss letztlich daraus, dass die Gesellschaft die den Bilanzen zugrundeliegende Währung nicht ordnungsgemäß umgestellt hatte. Es handelt sich also um eine absolute Sonderkonstellation. d) Zwischenergebnis Sowohl RGZ 64, 258 als auch RGZ 98, 112 treffen keine Aussage darüber, ob die in der Schwebezeit des Prozesses festgestellten Jahresabschlüsse in Folge der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ebenfalls nichtig sind. Die nach Urteilsverkündung noch aufzustellenden Bilanzen müssen aber die sich mit dem Urteil ergebenden Änderungen berücksichtigen. Gegebenenfalls sind auch bereits festgestellte Abschlüsse zu korrigieren. RGZ 120, 28 formuliert erstmals allgemeingültige Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der nachfolgende Jahresabschluss ebenfalls nichtig ist. Diese sind im Sinne des Grundsatzes der Bilanzidentität zu verstehen. Die drei Entscheidungen lassen mithin nicht völlig offen, welche Auswirkungen ein nichtiger Jahresabschluss auf nachfolgende Jahresabschlüsse hat.243 Insbesondere RGZ 120, 28 erteilt der automatischen Nichtigkeit des Folgeabschlusses eine Absage, indem über die Nichtigkeit des Vorabschlusses hinausgehende Anforderungen an die Nichtigkeit des nachfolgenden Abschlusses gestellt werden. Auch die 238

RGZ 120, 28 (32 f.). RGZ 120, 28 (34 f.). 240 RGZ 120, 28 (31). 241 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (358). 242 Ebenso Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (358). 243 Anders noch Hüffer, AktG, 5. Auflage, § 256 Rn. 34. 239

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in RGZ 64, 258 und RGZ 98, 112 angesprochenen Korrekturmöglichkeiten lassen nichtigkeitseinschränkende Tendenzen erkennen.244 2. Literatur zum Aktiengesetz 1937 Nach Inkrafttreten des Aktiengesetzes von 1937 erging keine Rechtsprechung mehr zu der Frage, inwieweit die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses die Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses bedingen kann. Allerdings wurde die Literatur im Anschluss an die Entscheidungen des Reichsgerichts auf die Problematik aufmerksam. Die Quellen werden meist dahingehend interpretiert, dass ein auf einen nichtigen Jahresabschluss folgender Jahresabschluss ohne Weiteres ebenfalls nichtig sei.245 Das Aktiengesetz vom 30. Januar 1937 sah vor, dass der Jahresabschluss grundsätzlich von Vorstand und Aufsichtsrat festzustellen ist, vgl. § 125 Abs. 1 und 2 AktG 1937. Wie auch unter der aktuellen Fassung des Aktiengesetzes, konnten sich Vorstand und Aufsichtsrat gemäß § 125 Abs. 3 AktG 1937 dazu entscheiden, der Hauptversammlung die Feststellung des Jahresabschlusses zu überlassen. Sofern es bei der Feststellung durch Vorstand und Aufsichtsrat blieb, regelte § 202 AktG 1937 die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses. Gemäß § 202 Abs. 1 AktG 1937 war ein Jahresabschluss nichtig, wenn Vorstand und Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt haben (Nr. 1), er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar war oder seinem Inhalt nach überwiegend gläubigerschützende oder sonst dem öffentlichen Interesse dienende Vorschriften verletzt (Nr. 2) oder sein Inhalt gegen die guten Sitten verstößt (Nr. 3). a) Literaturansichten Zwar nannte § 202 Abs. 1 AktG 1937 die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses nicht explizit als möglichen Nichtigkeitsgrund, dennoch bestand Einigkeit dahingehend, dass die Nichtigkeit des vorausgegangenen Abschlusses auch für die nachfolgenden Abschlüsse von Bedeutung sein muss. Godin / Wilhelmi differenzieren etwa danach, ob ein nichtiger Jahresabschluss für die nachfolgende Bilanz nur die logische oder aber auch die rechtliche Grundlage bildet. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass der vorherige Jahresabschluss wegen des Grundsatzes der formellen Bilanzidentität notwendig die rechtliche Grundlage für nachfolgende Jahresabschlüsse sei. Konsequenterweise folge aus der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses auch die Nichtigkeit der folgenden Abschlüsse.246 244

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (358). Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 76; Hense, WPg 1993, 716 (717); Kropff, FS Budde, S. 340 (342). 246 Godin / Wilhelmi, AktG, 2. Auflage, § 202 Anm. 7. 245

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Nach Baumbach / Hueck sind während des laufenden Anfechtungsprozesses festgestellte Jahresabschlüsse stets nichtig, soweit die nachfolgenden Bilanzen auf der nichtigen Bilanz beruhen.247 Da grundsätzlich jede Bilanz auf der vorhergehenden beruht, deutet Zöllner die Formulierung dahingehend, dass hier wohl die Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität gemeint sei.248 Dafür spricht zudem, dass die vom Reichsgericht in RGZ 64, 258 sowie in RGZ 98, 112 erwähnte Korrektur nachfolgender Bilanzen als praktisch und vertretbar eingeschätzt wird.249 Adler / Düring / Schmaltz vertreten ebenfalls, dass die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses sich grundsätzlich auf die nachfolgenden Abschlüsse erstreckt, da sie buchhalterisch und bilanzrechtlich wegen des Grundsatzes der formellen Bilanzidentität auf dem nichtigen Jahresabschluss beruhen.250 Adler führt diesen Gedanken weiter und beschreibt, dass sofern Korrekturen am nichtigen Jahresabschluss erfolgen und sich daher andere Vorträge ergeben, notwendigerweise alle nachfolgenden Jahresabschlüsse entsprechend zu ändern sind, um den Grundsatz der formellen Bilanzidentität als tragenden Grundsatz der ordnungsgemäßen Buchführung zu wahren.251 b) Zwischenergebnis Nach Ansicht der Literaturvertreter zum Aktiengesetz 1937 ist entscheidend für das Schicksal des Folgeabschlusses, ob der Grundsatz der Bilanzidentität gewahrt wurde. Wurde dieser durchbrochen, so ist auch der nachfolgende Jahresabschluss nichtig, ansonsten bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit der Folgebilanz keine Bedenken. Demnach wird auch hier nicht vertreten, dass ein auf einen nichtigen Jahresabschluss folgender Jahresabschluss stets und ohne Weiteres nichtig sei. Unklar bleibt aber, welche Anforderungen an den Grundsatz der Bilanzidentität zu stellen sind. Die Einschätzung, dass unter dem AktG 1937 nach allgemeiner Literaturansicht Folgeabschlüsse generell als nichtig betrachtet wurden, kann aber nicht bestätigt werden.252

247

Baumbach / Hueck, AktG, 12. Auflage, § 200 Anm. 2 B. Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (358 f.). 249 Baumbach / Hueck, AktG, 12. Auflage, § 200 Anm. 2 B. 250 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 3. Auflage, § 129 Rn. 130. 251 Adler, WPg 1949, 109 (113). 252 Ebenso Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (358 f.). 248

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

3. Fazit Weder die Rechtsprechung des Reichsgerichts zum HGB 1897 noch die Literatur zum AktG 1937 nehmen an, dass ein auf einen nichtigen Jahresabschluss nachfolgender Jahresabschluss ebenfalls automatisch nichtig ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Folgeabschluss den Grundsatz der Bilanzidentität wahrt. Wann dies der Fall ist, wird allerdings nicht näher erörtert. II. Aktuelle Ansätze Heute ist allgemein anerkannt, dass aus der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses nicht ohne Weiteres die Nichtigkeit des nachfolgenden bzw. der nachfolgenden Jahresabschlüsse folgt.253 Diese Einschätzung kann in erster Linie auf die nichtigkeitseinschränkende Tendenz des § 256 AktG254 gestützt werden, der es widersprechen würde, pauschal von der Nichtigkeit eines Jahresabschlusses auszugehen, nur weil dieser auf einen nichtigen Vorjahresabschluss folgt. Die automatische Nichtigkeit des bzw. der nachfolgenden Jahresabschlüsse hätte zur Folge, dass es unabhängig von Art und Tragweite des nichtigkeitsbegründenden Mangels stets der erneuten Feststellung aller dem mangelhaften Jahresabschluss nachfolgenden Jahresabschlüsse bedürfe. Je nach Art und Umfang des Mangels wäre der damit verbundene Aufwand deutlich höher als dessen Bedeutung für die zutreffende Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft. Mit dem Sinn und Zweck des § 256 AktG wäre dies nicht vereinbar. Darüber hinaus steht einer generellen Nichtigkeit des Folgeabschlusses die in § 256 Abs. 6 AktG vorgesehene Heilungsmöglichkeit entgegen, denn ansonsten könnte die Nichtigkeit des an sich geheilten Jahresabschlusses auch noch nach Fristablauf geltend gemacht werden, indem Nichtigkeitsklage gegen den Folgejahresabschluss erhoben würde.255 Es entstünde große Rechtsunsicherheit, die § 256 AktG gerade zu verhindern sucht.256 Außerdem würde sich die Nichtigkeit des Folgeabschlusses gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 AktG auch auf den auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses gefassten Gewinnverwendungsbeschluss erstrecken. Dies hätte zur Folge, dass die Gesellschaft keine Gewinne ausschütten dürfte, dennoch erfolgte Dividendenzahlungen wären zurückzugewähren, vgl. § 62 Abs. 1 AktG. Auch diese Rechtsfolge wäre mit 253 BGH NZG 2013, 957 (959); BGH NJW 1997, 196 (197); BGH AG 1998, 525 (527); OLG Köln AG 1998, 525 (527); Koch, AktG, § 256 Rn. 34; Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 256 Rn. 44; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 76; Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 44; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 85; IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 381; Hense, WPg 1993, 716 (717); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (359); ­Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (305); Haase, DB 1977, 241 (242); Schedlbauer, DB 1992, 2097 (2103). 254 Vergleiche Zweiter Teil  § 2 A. II. 255 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 282; Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (359, 363). 256 Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 44.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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der gesetzgeberischen Intention, die gravierenden Nichtigkeitsfolgen auf wesentliche Mängel zu beschränken, unvereinbar. Mithin stünde der mit der generellen Nichtigkeit der nachfolgenden Jahresabschlüsse verbundene organisatorische und finanzielle Aufwand sowie die sich für die Gesellschaft ergebenden erheblichen Unsicherheiten völlig außer Verhältnis zu den mit der Nichtigkeitssanktion verfolgten Zwecken. Ausgangspunkt der heute unbestrittenen Ansicht ist daher, dass, da die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses nicht als Nichtigkeitsgrund in § 256 AktG genannt ist, jedenfalls nicht von der generellen Nichtigkeit des Folgeabschlusses ausgegangen werden kann.257 Der nachfolgende Jahresabschluss kann demnach auf Grund des nichtigen Vorjahresabschlusses nur dann ebenfalls nichtig sein, wenn er einen der in § 256 AktG aufgezählten Nichtigkeitstatbestände verwirklicht. In Betracht kommt insofern ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) als gläubigerschützende Norm gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Ob § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB eine solche Vorschrift darstellt und wann im Falle der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses überhaupt ein Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB vorliegt, ist allerdings nach wie vor weitgehend ungeklärt. III. Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als Nichtigkeitsgrund i. S. v. § 256 AktG Wie bereits gesehen, ist die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses nicht im abschließenden Katalog der Nichtigkeitsgründe in § 256 AktG genannt. Der nachfolgende Jahresabschluss könnte aber ebenfalls nichtig sein, wenn sich die Verletzung des Grundsatzes der Bilanzidentität unter einen der in der Vorschrift genannten Nichtigkeitsgründe subsumieren ließe. In Betracht kommt insofern § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG, wonach ein Jahresabschluss nichtig ist, wenn er seinem Inhalt nach Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend dem Schutz der Gläubiger der Gesellschaft dienen. Ob der in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB normierte Grundsatz der Bilanzidentität eine solche Norm darstellt, ist umstritten. Zudem könnten die Sonderregelungen der § 256 Abs. 4 und 5 AktG als speziellere Normen vorgehen.

257 BGH NJW 1997, 196 (197); BGH AG 1998, 525 (527); OLG Köln AG 1998, 525 (527); Koch, AktG, § 256 Rn. 34; Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 256 Rn. 44; Adler /  Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 76; Heidel, Aktienrecht, § 256 Rn. 44; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 85; IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 381; Haase, DB 1977, 241 (242); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (359); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (305).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

1. Vorrang der § 256 Abs. 4 oder Abs. 5 AktG Die Verletzung des Grundsatzes der Bilanzidentität könnte den Nichtigkeitsgründen des § 256 Abs. 4 oder Abs. 5 AktG zuzuordnen sein, so dass § 256 Abs. 1 S. 1 AktG als Generalklausel keine Anwendung findet. § 256 Abs. 4 AktG sanktioniert die fehlerhafte Gliederung des Jahresabschlusses sowie die Nichtbeachtung von Formblättern. Der Grundsatz der Bilanzidentität ist indes bereits begrifflich nicht § 256 Abs. 4 AktG zuzuordnen. Er dient weder der ordnungsgemäßen Gliederung eines Jahresabschlusses, noch schreibt er die Einhaltung von Formblättern vor. Er soll auch nicht die Übersichtlichkeit und Klarheit innerhalb eines Jahresabschlusses gewährleisten. Eine Subsumtion unter § 256 Abs. 4 AktG scheidet damit aus. Nach § 256 Abs. 5 AktG ist ein Jahresabschluss nichtig, sofern Bewertungsvorschriften nicht eingehalten und auf Grund dessen Posten über- oder unterbewertet wurden. § 252 HGB ist zwar mit der Überschrift „allgemeine Bewertungsgrundsätze“ überschrieben, aber ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität ist auch dem § 256 Abs. 5 AktG nicht zuzuordnen.258 Nicht jede Missachtung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB führt zu einer Über- oder Unterbewertung, sollte aber dennoch sanktioniert werden. Freilich wird im Rahmen der Bewertung, ob die Überbzw. Unterbewertung als wesentlich einzustufen ist, berücksichtigt, inwiefern die Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung befolgt wurden, dies allerdings nur als zusätzliches und nicht als maßgebliches Kriterium.259 Folglich passen die Nichtigkeitstatbestände der §§ 256 Abs. 4 AktG und 256 Abs. 5 AktG weder nach ihrem Wortlaut und noch ihrer ratio, wenn dem Grundsatz der Bilanzidentität nicht Genüge getan wurde.260 Richtigerweise sind Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und damit gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB, im Hinblick auf § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu untersuchen.261 2. Gläubigerschützender Charakter des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB Um den Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu erfüllen, müsste es sich bei § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB also um eine gläubigerschützende Norm handeln. Wie bereits erörtert, genügt es nach hier vertretener Ansicht262 entgegen dem Wortlaut, dass die verletzte Norm von wesentlicher Bedeutung für den Gläubigerschutz ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Vorschrift, sofern sie mehrere Zwecke verfolgt, überwiegend dem Gläubigerschutz dient. Ob diese Voraussetzung 258

A. A.: GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 283. Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. c). 260 Kropff, FS Budde, S. 340 (344). 261 Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. a). 262 Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. a). 259

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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bei dem in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB kodifizierten Grundsatz der Bilanzidentität erfüllt ist, wird im Schrifttum unterschiedlich bewertet. a) § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist keine gläubigerschützende Norm i. S. v. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG Nach einer Ansicht ist nicht davon auszugehen, dass der Grundsatz der Bilanzidentität nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB eine gläubigerschützende Vorschrift im Sinne von § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist.263 Primärer Zweck der Norm sei es vielmehr, das wirtschaftliche Gesamtergebnis eines Unternehmens sinnvoll auf einzelne Jahresperioden zu verteilen sowie eine vollständige Gewinnermittlung im Interesse der gewinnberechtigten Aktionäre zu garantieren. b) § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist gläubigerschützende Norm i. S. v. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG Die Gegenansicht wiederum bejaht den gläubigerschützenden Charakter des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB, so dass bei einem Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu bejahen wäre.264 Die Bindung der Gesellschaft an die Ansätze des Vorjahres ermögliche es den Gläubigern, die längerfristige Entwicklung des Unternehmens nachzuvollziehen und so die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zutreffend einzuschätzen. c) Stellungnahme Gegen die Einordnung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als gläubigerschützende Norm im Sinne von § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG wird angeführt, dass der Grundsatz der Bilanzidentität als bloßes Instrumentarium der Gewinnermittlung in erster Linie die Interessen der gewinnberechtigten Aktionäre und nicht die Belange der Gläubiger schützt. Als solches solle die Vorschrift sicherstellen, dass Aufwendungen sowie Erträge nicht ergebnisneutral in der Eröffnungsbilanz untergehen und in Folge dessen Gewinne entweder doppelt ausgeschüttet oder den Aktionären vorenthalten werden.265 Als weiterer von der Norm verfolgter Zweck sei die Ver 263 Müller, ZHR 2004, 414 (424); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (360); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (308); MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 172 Rn. 68; IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 381; MükoAktG / Hüffer, § 256 Rn. 82 (2. Auflage). 264 Kropff, FS Budde, S. 340 (343); MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 86; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 102, KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 96; Haase, DB 1977, 241 (242); Geßler /  Hefermehl / Eckardt / K ropff / Hüffer, AktG, § 256 Rn. 17; KK-AktG / Z öllner, § 256 Rn. 108 (2. Auflage). 265 Müller, ZHR 2004, 414 (424).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

teilung des erwirtschafteten Gesamtergebnisses eines Unternehmens auf einzelne Teilperioden zu nennen, wobei auch hier dem Gläubigerschutz jedenfalls keine wesentliche Bedeutung zukomme.266 Während § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG in der Fassung von 1985 auch den Verstoß gegen eine dem öffentlichen Interesse dienende Vorschrift genügen ließ, stellt die Textfassung seit einer Änderung im Rahmen des BiRiLiG 1985 nur noch darauf ab, ob der Norm ausschließlich oder überwiegend gläubigerschützender Charakter zukommt. Hieraus könnte gefolgert werden, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Norm in einem Maße einschränken wollte, der einer Subsumtion des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB unter § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG entgegensteht.267 Allerdings verkennt diese Ansicht, dass allein die zwingende Anknüpfung an die Ansätze des Vorjahres es den Gläubigern ermöglicht, die Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft über mehrere Jahre zu analysieren, um so die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft zutreffend einzuschätzen.268 Dabei haben die Gläubiger ein ebenso großes Interesse daran, dass Aufwendungen und Erträge nicht ergebnisneutral in der Eröffnungsbilanz untergehen, sondern die Lage der Gesellschaft zutreffend abgebildet wird. Dass der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse über die jeweilige Rechnungsperiode hinaus eine enorme Bedeutung zukommt, zeigt sich auch in § 265 Abs. 2 HGB.269 Danach ist sowohl in der Bilanz als auch in der Gewinn- und Verlustrechnung zu jedem Posten auch der Betrag des vorgehenden Geschäftsjahres anzugeben. Vergleichbar können die Jahresabschlüsse aber stets nur dann sein, wenn der Grundsatz der Bilanzidentität gewahrt wurde. Sogar die Gegenansicht räumt insofern ein, dass der Grundsatz der Bilanzidentität einen tragenden Grundsatz des Bilanzrechts darstellt, dessen Missachtung entsprechend sanktioniert werden müsse.270 Schließlich ist die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zur Gewinnverteilung nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für die Gläubiger wesentlich, da sie die Grundlage für die Bildung der gesetzlichen Rücklage darstellen.271 Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB zwar auch das Informationsrecht der Aktionäre schützt, dem Grundsatz der Bilanzidentität aber darüber hinaus auch für den Gläubigerschutz wesentliche Bedeutung zukommt. Dass daneben noch andere, gegebenenfalls gleichwertige Interessen verfolgt werden, ist insofern unerheblich.272 Im Übrigen kann der nichtigkeitseinschränkenden Tendenz des Gesetzgebers auf der Rechtsfolgenseite Rechnung getragen werden. Somit ist § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als eine gläubigerschützende Vorschrift im Sinne von § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG einzuordnen. 266

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (360). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (360). 268 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 96; Kropff, FS Budde, S. 340 (343). 269 Kropff, FS Budde, S. 340 (343). 270 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (360). 271 Kropff, FS Budde, S. 340 (344). 272 Ebenso Kropff, FS Budde, S. 340 (343). 267

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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3. Zwischenergebnis Die Verletzung des Grundsatzes der Bilanzidentität ist nicht im Katalog des § 256 AktG aufgeführt. Auch die Nichtigkeitsgründe der § 256 Abs. 4 AktG und § 256 Abs. 5 AktG sind nicht einschlägig. Es handelt sich aber bei § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB um eine gläubigerschützende Vorschrift im Sinne des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Folglich führt die Missachtung des Grundsatzes der Bilanzidentität in Folge der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ebenfalls zur Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses. IV. Grundsatz der formellen Bilanzidentität, § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB Um festzustellen, wann im Falle der Nichtigkeit des vorausgegangenen Jahresabschlusses die Verletzung des Grundsatzes der Bilanzidentität anzunehmen ist, muss zunächst herausgearbeitet werden, welche konkreten Anforderungen an die Buchführung zu stellen sind. 1. Inhalt der Norm Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB müssen die Wertansätze in der Eröffnungs­ bilanz eines Geschäftsjahres mit den Wertansätzen der Schlussbilanz des vorausgegangenen Geschäftsjahres übereinstimmen. Da keine Pflicht des Kaufmanns zur Erstellung einer jährlichen Eröffnungsbilanz besteht, ist der Begriff der Eröffnungsbilanz im materiellen Sinn zu verstehen, es kommt also darauf an, dass die Schlusssalden der vorangegangenen Periode mit den Saldenvorträgen auf den Bestandskonten zu Beginn des neuen Geschäftsjahres übereinstimmen.273 Somit darf zwischen Schlussbilanz des Vorjahres und Eröffnungsbilanz des nächsten Geschäftsjahres keine Buchung erfolgen, auch Bilanzinhalt und Bewertung müssen unverändert bleiben, es darf nichts hinzugefügt oder weggelassen werden.274 Vielmehr sind die in der Schlussbilanz angesetzten Werte der Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten, Bilanzierungshilfen sowie die Posten des Eigenkapitals unverändert zu übertragen.275 Es bedarf insofern der Identität hinsichtlich des Wertes und der Anzahl der einzelnen Finanzposten.276 Die Einhaltung des Grundsatzes der Bilanzidentität gewährleistet, dass der während der Lebensdauer eines Unternehmens erwirtschaftete Gewinn in der Summe dem in 273

Beck Bil-Komm / Störk / Büssow, HGB, § 252 Rn. 5; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 11. 274 MüKoBilanzR / Tiedchen, HGB, § 252 Rn. 8; MüKoHGB / Ballwieser, § 252 Rn. 5; Beck Bil-Komm / Störk / Büssow, HGB, § 252 Rn. 3. 275 MüKoBilanzR / Tiedchen, HGB, § 252 Rn. 8. 276 BeckOK / Poll, HGB, § 252 Rn. 1.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

den einzelnen Geschäftsjahren ermittelten Gewinn entspricht.277 Dies ist möglich, da sich bei Beachtung der Bilanzidentität höhere oder niedrigere Werte im vorausgegangenen Geschäftsjahr im Folgejahr genau umgekehrt auswirken, sog. Zweischneidigkeit der Bilanz.278 So ergibt sich eine Totalrechnung für die gesamte Lebensdauer des Unternehmens.279 Darüber hinaus sichert die vollständige und kontinuierliche Erfassung aller Aufwendungen und Erträge, dass den Aktionären keine Gewinne vorenthalten und somit die aktienrechtlichen Gewinnverteilungsregeln eingehalten werden.280 Letztlich geht es um eine lückenlose Rechnungs­legung, zwischen den Bilanzen darf nichts hinzugefügt oder weggelassen werden, alle Geschäftsvorgänge sind vollständig zu erfassen und fortzuschreiben.281 2. Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität im Falle der Nichtigkeit des Vorabschlusses Fraglich ist, ob ein Jahresabschluss, der inhaltlich an einen nichtigen Vorjahresabschluss anknüpft, automatisch gegen den Grundsatz der Bilanzidentität gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB verstößt. Davon wäre auszugehen, wenn der Grundsatz voraussetzt, dass die Eröffnungsbilanz des Folgejahres an eine rechtlich wirksame Schlussbilanz des vorausgegangenen Geschäftsjahres anknüpft. Dies wird zum Teil im Schrifttum angenommen. Nach anderer Ansicht droht die Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nur dann, wenn der nichtige Jahresabschluss im Rahmen der Neuvornahme inhaltlich geändert wird, so dass die Werte der Schlussbilanz des nunmehr wirksamen Abschlusses nicht mehr mit den in der Eröffnungsbilanz des Folgejahres verbuchten Werten übereinstimmen. a) Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB mangels anknüpfungsfähiger Schlussbilanz Ist nun der Vorjahresabschluss nichtig, so existiert rein rechtlich betrachtet keine wirksame Schlussbilanz deren Saldenvorträge auf die Bestandskonten im neuen Geschäftsjahr übertragen werden können. Schon allein aus diesem Umstand könnte gefolgert werden, dass der Grundsatz der formellen Bilanzidentität verletzt ist. Im Schrifttum wird zum Teil angenommen, dass unabhängig davon, ob die ermittelten Werte der nichtigen Schlussbilanz zahlenmäßig mit den Werten der Eröffnungsbilanz des Folgejahres übereinstimmen oder nicht, ein Verstoß gegen

277 Hopt / Merkt, HGB, § 252 Rn. 6; MüKoBilanzR / Tiedchen, § 252 Rn. 8; MüKoHGB / Ballwieser, § 252 Rn. 5. 278 Hopt / Merkt, HGB, § 252 Rn. 6; Luttermann / Großfeld, Bilanzrecht, Rn. 429. 279 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 9. 280 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 9. 281 MüKoBilanzR / Tiedchen, § 252 Rn. 8.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB vorliegt.282 Allein die Tatsache, dass keine Schlussbilanz im Rechtsinn existiert, führe dazu, dass im Rahmen der Rechnungslegung für das darauffolgende Geschäftsjahr an keine Bilanz angeknüpft werden könne. Folglich wäre der Grundsatz der Bilanzidentität stets verletzt, wenn der Jahresabschluss des vorherigen Geschäftsjahres nichtig ist. Erst mit dessen Neuvornahme oder Heilung existiere ein wirksamer Jahresabschluss, an welchen in Wahrung der Vorgaben des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB angeknüpft werden könne. Im Falle einer Neuvornahme setze dies voraus, dass die ermittelten Werte von Schlussbilanz und Eröffnungsbilanz weiterhin übereinstimmen. b) Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nur bei Änderung des Vorabschlusses in Folge der Neuvornahme Nach anderer Ansicht ist dem Grundsatz der Bilanzidentität bereits dann genüge getan, wenn das Zahlenwerk der Schlussbilanz den Saldenvorträgen zu Beginn des darauffolgenden Geschäftsjahres rein tatsächlich entspricht.283 Wird diese Interpretation des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB zugrunde gelegt, dann bedarf es lediglich der rein faktischen Übereinstimmung von Schluss- und Eröffnungsbilanz. Dass die Schlussbilanz rechtlich keinerlei Wirkung entfaltet, wäre irrelevant. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität läge nur dann vor, wenn sich im Rahmen der Neuvornahme die Werte des Vorjahresabschlusses veränderten und somit nicht mehr denjenigen der Eröffnungsbilanz des bzw. der nachfolgenden Jahresabschlüsse entspräche. c) Stellungnahme Für die erstgenannte Ansicht könnte sprechen, dass der nichtige Vorjahresabschluss keinerlei Rechtswirkung entfaltet und somit die Bilanz des nachfolgenden Jahres nicht unter Zugrundelegung der fehlerhaften Schlussbilanz fortgeschrieben werden darf. Man könnte darüber hinaus argumentieren, dass ansonsten die Übernahme etwaiger Fehler der Schlussbilanz sanktionslos toleriert würde. Allerdings ist der Folgeabschluss, sofern er den Nichtigkeitsgrund wiederholt, ebenfalls nichtig, so dass dieses Argument nicht durchgreift. Des Weiteren verlangt der Grundsatz der Bilanzidentität lediglich, dass die Werte der Schlussbilanz mit den in der Eröffnungsbilanz vorgetragenen Werten übereinstimmen. Es bedarf mithin der Identität des Zahlenwerks, welches schon 282

KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 95; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 102; KK-Rechnungslegungsrecht / Claussen, § 252 Rn. 11; ebenfalls dahingehend zu verstehen: Schmidt / Lutter /  Schwab, AktG, § 256 Rn. 44; Kropff, FS Budde, S. 340 (343). 283 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (362); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (305); diesbezüglich allerdings widersprüchlich: J.-H. Weilep, Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses, S. 214.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

rein begrifflich nicht nichtig sein kann.284 Es besteht – wie gesehen – keine Pflicht der Gesellschaft zur Erstellung einer Eröffnungsbilanz, die im Übrigen auch nicht an § 256 AktG zu messen ist.285 Auch die ratio des § 256 AktG spricht dafür, den Grundsatz der Bilanzidentität nicht bereits dann als verletzt zu betrachten, wenn aufgrund der Nichtigkeit des Vorabschlusses keine verbindlich festgestellten Schlussbilanzwerte existieren.286 Die Norm bezweckt die Fälle, in denen von der Nichtigkeit des Jahresabschlusses auszugehen ist, zu beschränken.287 Dies wird in erster Linie deutlich durch die abschließende Aufzählung der Nichtigkeitsgründe. Außerdem schließt der Gesetzgeber die Anfechtung des von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschlusses völlig aus, bei Feststellung durch die Hauptversammlung kann der Jahresabschluss nicht wegen inhaltlicher Fehler angefochten werden, § 257 Abs. 1 S. 2 AktG. Vor diesem Hintergrund kann ein Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als gläubigerschützende Norm im Sinne von § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht ohne Weiteres angenommen werden, sofern die Werte von Schluss- und Eröffnungsbilanz rein tatsächlich übereinstimmen. Diesen Befund stützt auch die in § 256 Abs. 6 AktG vorgesehene Heilungsmöglichkeit für nichtige Jahresabschlüsse. Diese wurde im Vergleich zu der Vorgängernorm § 202 Abs. 2 AktG von 1937 stark erweitert, um einer unbegrenzten Geltendmachung der Nichtigkeit entgegenzuwirken.288 So besteht nun für nahezu alle in § 256 AktG aufgezählten Nichtigkeitstatbestände eine Heilungsmöglichkeit, während § 202 Abs. 2 AktG 1937 eine solche nur bei fehlerhafter Mitwirkung der Feststellungsorgane, nicht aber bei inhaltlichen Mängeln vorsah. Nähme man nun an, dass der dem nichtigen Jahresabschluss nachfolgende Jahresabschluss stets mangels anknüpfungsfähiger Schlussbilanz ebenfalls wegen der Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig sei, so könnte die Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses auch nach der Heilung des ursprünglich nichtigen Jahresabschlusses geltend gemacht werden, da für jeden Jahresabschluss eine gesonderte Heilungsfrist gilt. Durch die Anknüpfung an die jeweils nichtigen Jahresabschlüsse würde in jedem neuen Geschäftsjahr eine neue Heilungsfrist in Gang gesetzt. Die Folge wäre letzten Endes, dass die Nichtigkeit des ersten Jahresabschlusses unbegrenzt über die nachfolgenden Jahresabschlüsse behauptet werden könnte. Somit träte selbst nach Ablauf der Heilungsfrist oder nach erfolgter Neuvornahme des ursprünglich nichtigen Jahresabschlusses keine Rechtssicherheit ein. Vielmehr bedürfte es der Neuvornahme aller Jahresabschlüsse.289

284

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (362). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (362); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (305). 286 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (362); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (306). 287 Vergleiche Zweiter Teil  § 2 A. II. 288 Gesetz über die Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (Aktiengesetz) vom 30. Januar 1937 (Reichsgesetzblatt I S. 148); Vergleiche die Begründung zum RegE AktG 1965 in: Kropff, Aktiengesetz, S. 347; Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (363). 289 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (363). 285

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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Damit verdient die zweitgenannte Ansicht Zustimmung. Die Nichtigkeit des Vorabschlusses führt nicht automatisch wegen der Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB zur Nichtigkeit des nachfolgenden Abschlusses. Es kommt entscheidend darauf an, ob Wertansätze der Schlussbilanz des Vorabschlusses rein faktisch mit denjenigen der Eröffnungsbilanz des nachfolgenden Abschlusses übereinstimmen. d) Zwischenergebnis Der Grundsatz der formellen Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) ist nicht bereits dann durchbrochen, wenn der nachfolgende Jahresabschluss an die Schlussbilanz des vorangegangenen nichtigen Jahresabschlusses anknüpft. Erst durch die rückwirkende Änderung der Wertansätze im Wege der Neuvornahme verletzt der nachfolgende Jahresabschluss § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB und ist grundsätzlich nichtig gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG. 3. Begründeter Ausnahmefall i. S. v. § 252 Abs. 2 HGB Der Grundsatz der Bilanzidentität gilt indessen nicht uneingeschränkt. Gemäß § 252 Abs. 2 HGB darf in begründeten Ausnahmefällen von den in § 252 Abs. 1 HGB normierten Grundsätzen abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall könnte für den Grundsatz der Bilanzidentität vorliegen, wenn der Vorjahresabschluss nichtig ist. Konsequenterweise wäre § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nicht verletzt, so dass auch der Nichtigkeitsgrund des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht mehr einschlägig wäre. a) Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB Eine Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass ein Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB gegeben ist, wenn der Vorjahresabschluss nichtig ist. Es bestünde ein begründetes Interesse der Gesellschaft, die Eröffnungsbuchungen im Folgejahr losgelöst von dem vorherigen Jahresabschluss vorzutragen.290 Teilweise wird aber einschränkend verlangt, dass die vorgenommenen Änderungen entsprechend gekennzeichnet291 bzw. ausführlich im Anhang erläutert werden.292

290 MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 172 Rn. 69; Mock, DB 2005, 987 (989); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (307); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 290; Hense, WPg 1993, 716 (718). 291 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 290. 292 Hense, WPg 1993, 716 (718).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

b) Kein Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB Die Gegenansicht nimmt nicht an, dass die Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität in Folge der Nichtigkeit des Vorabschlusses als begründeter Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB einzuordnen ist.293 Der Annahme eines Ausnahmetatbestandes stünden sowohl der Wortlaut als auch der Sinn des § 252 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 HGB entgegen. c) Stellungnahme Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Vertreter der erstgenannten Ansicht von unterschiedlichen Fällen ausgehen, in denen der Grundsatz der Bilanzidentität in Folge der Nichtigkeit des Vorabschlusses durchbrochen werden kann. Zum Teil wird angenommen, dass der Grundsatz verletzt ist, da der Vorabschluss inhaltlich verändert neu festgestellt wurde.294 Der andere Teil geht von der Situation aus, dass die Folgen der Nichtigkeit durch eine originäre Eröffnungsbuchung im darauffolgenden Jahresabschluss korrigiert werden.295 Sofern dem Grundsatz der Bilanzidentität in Folge der Neuvornahme nicht entsprochen wird, könnte man argumentieren, dass die Durchbrechung erst durch die erneute Feststellung eintritt, zu der die Gesellschaft aber grundsätzlich rechtlich verpflichtet ist. Hierin keine Ausnahme nach § 252 Abs. 2 HGB zu sehen, sei daher widersprüchlich.296 Plädiert man für eine originäre Eröffnungsbilanz, so könnte für die Annahme des § 252 Abs. 2 HGB sprechen, dass ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft an der Abweichung bestünde, diese diene einzig der zutreffenden Abbildung und Ermittlung des Ergebnisses des Unternehmens.297 Ginge man nicht von einem begründeten Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB aus, so wäre die Gesellschaft gezwungen alle Jahresabschlüsse ab dem nichtigen Jahresabschluss erneut festzustellen, was dem Gesetz aber so nicht ausdrücklich zu entnehmen sei.298 Allerdings sind an die Voraussetzungen des § 252 Abs. 2 HGB hohe Anforderungen zu stellen, so dass nicht leichthin vom Grundsatz der Bilanzidentität abgewichen werden kann.299 Es bedarf insofern einer umfassenden Bewertung der Umstände des Einzelfalls.300 Von entscheidender Bedeutung ist stets die Vorgabe 293

Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 20; GroßkommHGB / Kleindiek, § 252 Rn. 10; MüKoBilanzR / Tiedchen, HGB, § 252 Rn. 13; Kropff, FS Budde, S. 340 (345); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (361 f.). 294 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (307). 295 Mock, DB 2005, 987 (989); GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 289; Hense, WPg 1993, 716 (718). 296 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (307). 297 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 288 f. 298 Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (308). 299 MüKoHGB / Ballwieser, § 252 Rn. 95 f. 300 Koller / K indler / Roth / Drüen / Morck / Drüen, HGB, § 252 Rn. 8.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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des § 264 Abs. 2 HGB, wonach der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Aktiengesellschaft vermitteln soll.301 Erforderlich sind unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Vorgabe entsprechende Argumente, die einen Verstoß der in § 252 Abs. 1 HGB normierten Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung rechtfertigen.302 Als Ausnahme allgemein anerkannt ist beispielsweise die Berücksichtigung des Ergebnisverwendungsbeschlusses in der Eröffnungsbuchung sowie sog. Mitternachtsgeschäfte, etwa die Verschmelzung zweier Gesellschaften genau zu der juristischen Sekunde zwischen altem und neuem Geschäftsjahr.303 Die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ist hingegen nicht mit diesen Ausnahmen vergleichbar. Während es bei den anerkannten Ausnahmefällen lediglich um einzelne Geschäftsvorfälle geht, ist vorliegend der gesamte Vorjahresabschluss zunächst unwirksam festgestellt.304 Die Argumentation, dass die Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität durch entsprechende Erläuterungen im Anhang zu kompensieren sei, geht insofern fehl, als dem Anhang im Mehrjahresvergleich keine Bedeutung zukommt und er auf internationaler Ebene kaum Beachtung findet.305 Des Weiteren übernimmt die Gesellschaft regelmäßig die Ansatzwerte der nichtigen Schlussbilanz gerade um dem Grundsatz der Bilanzidentität zu entsprechen. Darin eine Ausnahme des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB zu sehen, leuchtet nicht ein.306 Folglich fällt es schwer Argumente zu finden, die, im Hinblick auf das Ziel des Jahresabschlusses, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zutreffend darzustellen, derart schwerwiegen, dass sie die Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität rechtfertigen. Gerade unter Berücksichtigung des restriktiven Charakters des § 252 Abs. 2 HGB kann im Falle der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses nicht von einem begründeten Ausnahmefall im Sinne der Norm ausgegangen werden. d) Zwischenergebnis Die Nichtigkeit des Folgeabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist nicht dadurch zu verhindern, dass der Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität aufgrund der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses als begründeter Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB behandelt wird.

301

Koller / K indler / Roth / Drüen / Morck / Drüen, HGB, § 252 Rn. 8. Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 252 Rn. 119; MüKoHGB / Ballwieser, § 252 Rn. 96. 303 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 16 f.; Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn / Böcking / Gros / Wirth, HGB, § 252 Rn. 6, 8. 304 Kropff, FS Budde, S. 340 (345). 305 Kropff, FS Budde, S. 340 (346). 306 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (361 f.). 302

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

4. Beschränkung auf wesentliche Verstöße Eine weitere Möglichkeit, eine zu weitgehende Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG im Falle der Durchbrechung der Bilanzidentität zu verhindern, könnte die Beschränkung der Nichtigkeitsfolge auf wesentliche Verstöße sein. Dafür spricht zunächst die nichtigkeitseinschränkende Tendenz des § 256 AktG, welche für inhaltliche Fehler in § 256 Abs. 4 sowie Abs. 5 AktG deutlich wird.307 Gemäß § 256 Abs. 4 AktG sind Gliederungs- und Formfehler nur dann nichtigkeitsbegründend, wenn sie die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigen. Die Nichtigkeit wegen Unterbewertung gemäß § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG tritt nur ein, wenn durch den Bewertungsfehler die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Diese Einschränkungen finden zwar keine direkte Anwendung auf § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG, sie sind aber Ausdruck des allgemeinen Grundgedankens, die Nichtigkeit möglichst auf besonders schwere Mängel zu beschränken und vom Grad der Gläubigergefährdung abhängig zu machen, der auch auf die vorliegende Konstellation übertragbar ist.308 Dem könnte entgegengehalten werden, dass bis zur Neuvornahme des nichtigen Vorjahresabschlusses überhaupt nicht feststellbar ist, ob ein wesentlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität vorliegt, da die zuständigen Organe bei erneuter Feststellung nicht an zuvor getroffene bilanzpolitische Entscheidungen gebunden sind, sondern bestehende Ermessenspielräume frei ausüben können.309 Allerdings ist nach hier vertretener Ansicht die Bilanzverknüpfung nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nur dann durchbrochen, wenn die Werte des neuvorgenommenen Jahresabschlusses nicht mehr mit den in der Eröffnungsbuchung des Folgejahres vorgetragenen Werten übereinstimmen.310 Somit kann durchaus ermittelt werden, ob es sich um eine wesentliche oder unwesentliche Abweichung handelt. Die nichtigkeitseinschränkende Tendenz des § 256 AktG sollte also auch dann berücksichtigt werden, wenn es um einen Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB geht. Problematisch ist aber, wann von einem wesentlichen Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB auszugehen ist. Einigkeit besteht insofern, als es nicht auf die absolute Höhe der Differenz ankommen kann, sondern die Einordnung vom Zweck der Bilanzierung her erfolgen sollte.311 Dem ist zuzustimmen. Entscheidend ist also, ob die Diskontinuität die zutreffende Abbildung der Vermögens- und Ertragslage, insbesondere auch im Mehrjahresvergleich, wesentlich beeinträchtigt.312 307

Kropff, FS Budde, S. 340 (346 f.). Kropff, FS Budde, S. 340 (347). 309 Kropff, FS Budde, S. 340 (347). 310 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. IV. 2. c). 311 Geßler / Hefermehl / Eckardt / K ropff / Hüffer, AktG, § 256 Rn. 17; KK-AktG / Z öllner, § 256 Rn. 108 (2. Auflage); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (364). 312 Geßler / Hefermehl / Eckardt / K ropff / Hüffer, AktG, § 256 Rn. 17; KK-AktG / Z öllner, § 256 Rn. 108 (2. Auflage); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (364). 308

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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5. Zwischenergebnis Der in § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB normierte Grundsatz der Bilanzidentität verlangt, dass die Schlusssalden des vergangenen Geschäftsjahres zu Beginn des neuen Geschäftsjahres unverändert und vollständig auf die Bestandskonten übertragen werden. Diese Vorgehensweise dient der Ermittlung des Gesamtergebnisses des Unternehmens während seiner Lebensdauer, ermöglicht einen Vergleich der Unternehmensentwicklung über mehrere Geschäftsjahre hinweg und sichert die Einhaltung der aktienrechtlichen Gewinnverteilungsregeln. Ein Verstoß gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB liegt vor, wenn das Zahlenwerk der Schlussbilanz rein tatsächlich nicht mit demjenigen der Eröffnungsbilanz übereinstimmt. Darauf, dass im Falle der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses rein rechtlich betrachtet gar keine Schlussbilanz existiert, kommt es indessen nicht an. Die Durchbrechung des Grundsatzes der Bilanzidentität in Folge inhaltlich veränderter Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses oder durch originäre Eröffnungsbuchung stellt keinen begründeten Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB dar. Damit ist ein Jahresabschluss, der gegen § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB verstößt, grundsätzlich gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität eine zutreffende Abbildung der Vermögens- und Ertragslage nicht wesentlich beeinträchtigt. V. Notwendige Korrektur der Nichtigkeit des Folgeabschlusses? Wie gezeigt, folgt aus der Durchbrechung der Bilanzkontinuität grundsätzlich die Nichtigkeit des Folgeabschlusses. Oftmals vergehen aber Jahre, bis die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses entdeckt bzw. der Streitfall über die Wirksamkeit eines Jahresabschlusses gerichtlich geklärt wird. Bis dahin bleibt unklar, ob der Folgeabschluss nach erfolgter Neufeststellung den Grundsatz der Bilanzidentität wahrt oder nicht, sprich, ob der Folgeabschluss endgültig wirksam ist oder nicht. Fraglich ist, wie dieser Schwebezustand rechtlich einzuordnen ist. Dem Folgeabschluss kann bis zur Neuvornahme jedenfalls keine volle Wirksamkeit zukommen, ansonsten bliebe die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses weitgehend folgenlos. Andererseits kann er auch nicht als nichtig behandelt werden. Denn sollte der Vorjahresabschluss inhaltsgleich erneut festgestellt werden oder sich doch als wirksam erweisen, käme es gar nicht zu einer Durchbrechung der Bilanzkontinuität und die Nichtigkeitsfolgen wären völlig unangebracht.313 Um diese Unsicherheiten und Probleme im Zusammenhang mit der drohenden Nichtigkeit des Folgeabschlusses zu minimieren, haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Lösungsmodelle entwickelt.

313

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (365 f.); Kropff, FS Budde, S. 340 (349).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

1. Originäre Eröffnungsbilanz Eine Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass die Gesellschaft die nichtige Schlussbilanz des Vorjahresabschlusses nicht als Grundlage für die Rechnungslegung im folgenden Geschäftsjahr verwenden darf. Stattdessen sei eine von den Werten der nichtigen Schlussbilanz unabhängige, sprich originäre Eröffnungs­ bilanz zu erstellen.314 Ein Teil der Vertreter dieser Ansicht argumentiert, dass diese Vorgehensweise gemäß § 252 Abs. 2 HGB zulässig sei, da die Gesellschaft ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse daran habe, die Eröffnungsbilanz unabhängig von der Schlussbilanz des Vorjahres aufzustellen.315 Die originäre Eröffnungsbuchung habe aber stets ergebniswirksam zu erfolgen und sei als periodenfremd zu kennzeichnen.316 Andere Befürworter der originären Eröffnungsbuchung sind der Ansicht, dass der Grundsatz der Bilanzidentität im Falle einer nichtigen Vorbilanz erst gar keine Anwendung findet, so dass die Gesellschaft die Folge­ bilanz problemlos mit originären Werten eröffnen könne, sofern sie dieses Vorgehen ausführlich im Anhang erläutert.317 Sobald der nichtige Vorjahresabschluss heile oder neuvorgenommen werde, bestehe schließlich ex nunc eine vortragungsfähige und auch -pflichtige Schlussbilanz, an welche gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB anzuknüpfen sei. Weicht die originäre Buchung von dieser Schlussbilanz ab, so sei der Folgeabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig. Damit werde die Gesellschaft faktisch gezwungen, die Eröffnungsbilanz so zu gestalten, wie die Schlussbilanz wirksam sein wird. 2. Korrektur in laufender Rechnung Andere Stimmen in der Literatur sprechen sich für eine Korrektur in laufender Rechnung aus.318 Demnach seien die Wertansätze des Vorjahres zwar zunächst in die Eröffnungsbuchung des Folgejahres zu übertragen, dann aber im laufenden Geschäftsjahr entsprechend zu berichtigen. Etwaige Auswirkungen der Nichtigkeit, etwa Ansprüche gegen die Aktionäre gemäß § 62 AktG, könne die Gesellschaft ebenfalls im noch offenen Jahresabschluss berücksichtigen. Folglich wäre das Ergebnis zwar unzutreffend auf die beiden Geschäftsjahre verteilt, das Gesamtergebnis beider Perioden würde aber übereinstimmen und der Grundsatz der Bilanzidentität wäre gewahrt. Denkbar wäre diese Vorgehensweise auch, wenn die entsprechenden Korrekturbuchungen nicht im unmittelbar nachfolgenden Geschäftsjahr, sondern im letzten noch offenen Jahresabschluss erfolgen sollen.319 314

Hense, WPg 1993, 716 (718); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 289. GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 290. 316 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 290. 317 Hense, WPg 1993, 716 (718 f.). 318 BGH NZG 2013, 957 (959); Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 93; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 288. 319 IdW, WP Handbuch, Kap. B Rn. 381; Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (307); Müller, ZHR 2004, 414 (424). 315

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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Unklar ist allerdings, welche Auswirkungen die Berichtigung in laufender Rechnung auf die Nichtigkeit des Vorabschlusses sowie die zwischenzeitlich bereits festgestellten Jahresabschlüsse hat. Teilweise wird angenommen, dass dem Mangel des Vorabschlusses durch die Korrektur im laufenden Geschäftsjahr keinerlei Bedeutung mehr zukommt. Die Neuvornahme des nichtigen Vorabschlusses erübrige sich damit. Folglich könne auch keine Diskontinuität zwischen den Jahresabschlüssen entstehen, so dass es auch keiner Anpassung zwischenzeitlicher Jahresabschlüsse bedürfe.320 Andere verlangen stets eine Kombination aus Neuvornahme des nichtigen Vorjahresabschlusses und entsprechender Korrektur im noch laufenden Geschäftsjahr.321 Hier muss also gemeint sein, dass sich durch die Neuvornahme die Wertansätze des Jahresabschlusses ändern, so dass der Grundsatz der Bilanzidentität durchbrochen ist. Die sich daraus ergebenden Änderungen könnten aber im letzten noch offenen Geschäftsjahr Berücksichtigung finden, so dass zwischenzeitliche Jahresabschlüsse nicht mehr rückwärtsberichtigt werden müssten. Teils wird die Korrektur in laufender Rechnung auf unwesentliche Fälle beschränkt322 bzw. nur dann als rechtmäßig angesehen, wenn die Berichtigung früherer Bilanzen einen unverhältnismäßig großen Aufwand für die Gesellschaft darstellen würde, dies aber weder für die Aktionäre noch für die Gläubiger vorteilhaft wäre und durch die Korrektur richtige inhaltliche Verhältnisse geschaffen werden können.323 Davon sei etwa in dem Fall auszugehen, wenn die Gesellschaft selbst bei fehlerfreier erneuter Feststellung des Jahresabschlusses weder geleistete Dividendenzahlungen noch Tantiemen zurückfordern könnte, die Ausschüttungsverhältnisse unverändert blieben und sich der Einblick in die Vermögens- und Ertragslage nicht verbessen würde.324 In allen übrigen Fällen wird eine Lösung über die schwebende Unwirksamkeit präferiert. Kropff wiederum erachtet eine Korrektur in laufender Rechnung nur dann als zulässig, wenn unklar ist, ob der Vorjahresabschluss tatsächlich nichtig ist. Bei nichtigkeitsbegründenden Mängeln soll die Korrekturbuchung in bestimmten Fällen das Abwarten der Heilungsfrist rechtfertigen.325 Sofern in der Berichtigung ein Verstoß gegen das Gebot des periodengerechten Gewinnausweises (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB) oder den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) gesehen wird, so sei entweder eine Ausnahme nach § 252 Abs. 2 HGB anzunehmen oder jedenfalls eine Subsumtion unter § 256

320 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (368); Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 93. 321 Müller, ZHR 2004, 414 (424); Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (307 f.). 322 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 86. 323 OLG Köln, NZG 1998, 554 (554 f.); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (368); Adler / Düring /  Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 93. 324 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (368) in Anlehnung an OLG Köln, NZG 1998, 554 (554 f.). 325 Kropff, FS Budde, S. 340 (358).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

Abs. 1 Nr. 1 AktG nicht möglich.326 Einigkeit besteht insofern, als dass die vorgenommene Änderung als periodenfremd zu kennzeichnen sei.327 3. Schwebende Unwirksamkeit Die herrschende Ansicht in der Literatur nimmt an, dass der nachfolgende Jahresabschluss solange schwebend unwirksam ist, bis ein wirksamer Vorjahresabschluss vorliegt, da dieser eine notwendige Wirksamkeitsvoraussetzung für den Folgeabschluss bildet.328 Zwar folge dies nicht unmittelbar aus dem Gesetz, die schwebende Unwirksamkeit sei aber eine selbstständige Mängelform eigenen Charakters, die etwa bei mangelhaften Hauptversammlungsbeschlüssen – ebenfalls ohne ausdrücklich gesetzlich geregelt zu sein – seit langem anerkannt sei. Im Unterschied zur Nichtigkeit, sei das betroffene Rechtsgeschäft nicht rechtswidrig, sondern es mangele lediglich an allen erforderlichen Geltungsvoraussetzungen. Diese könnten aber noch ohne Weiteres eintreten und das Rechtsgeschäft somit zu voller Wirksamkeit erwachsen. Dogmatisch wird die schwebende Unwirksamkeit des Folgejahresabschlusses teils mittels einer teleologischen Reduktion des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG begründet.329 Übertragen auf die Jahresabschlussfeststellung bedeute dies, dass der Folge­ abschluss vollständig wirksam werde, sobald der nichtige Vorjahresabschluss geheilt wird oder die inhaltsgleiche Neuvornahme erfolgt. In beiden Fällen würde der Folgeabschluss den Grundsatz der Bilanzidentität wahren, ein Nichtigkeitsgrund läge demnach abschließend nicht vor. Kommt es hingegen zur inhaltlich veränderten Neuvornahme, so sei der Folgeabschluss endgültig nichtig. Er müsse unter Wahrung der Bilanzverknüpfung erneut festgestellt werden. Gleiches gelte für alle weiteren auf dem nichtigen Vorjahresabschluss beruhenden Folgeabschlüsse. Die schwebende Unwirksamkeit des Folgejahresabschlusses trete auch unabhängig von der Art des nichtigkeitsbegründenden Mangels ein, schließlich stünde den verantwortlichen Organen im Rahmen der Neuvornahme auch bei Prüfungs- oder Verfahrensmängeln ein erheblicher Ermessenspielraum zu, so dass sich die Bilanzansätze verändern könnten.330

326

GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 288; Kropff, FS Budde, S. 340 (358). Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 93; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 288. 328 Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 256 Rn. 44; KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 96; MüKoAktG / J.  Koch, § 256 Rn. 86; BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn. 102; MükoAktG / Hüffer, § 256 Rn. 82 (2. Auflage); Kropff, FS Budde, S. 340 (349); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (365). 329 KK-AktG / Arnold, § 256 Rn. 96. 330 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (366). 327

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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4. Stellungnahme a) Argumente für und gegen eine originäre Eröffnungsbilanz Der Weg über eine originäre Eröffnungsbilanz erscheint auf den ersten Blick als praktikable Lösung, da der mit der Neuvornahme des Vorabschlusses sowie etwaiger Folgeabschlüsse verbundene Aufwand entfällt, was die Gesellschaft entlastet. Man könnte zudem argumentieren, dass durch die Pflicht zur eingehenden Erörterung der vorgenommenen Änderungen im Anhang ausgeschlossen werden könne, dass Vorgänge unbemerkt geändert werden.331 Die Informationsfunktion des Jahresabschlusses wäre überdies nicht gefährdet, schließlich seien die abweichenden Buchungen als periodenfremd gekennzeichnet.332 Des Weiteren könne § 256 I Nr. 1 AktG in Verbindung mit dem Grundsatz der Bilanzidentität wohl kaum dazu zwingen, falsche Werte in die Eröffnungsbilanz zu übernehmen. Sinnvoller sei es, die Werte bereits zu Beginn des neuen Geschäftsjahres zu korrigieren und so eine vollumfänglich wirksame Folgebilanz festzustellen.333 Auch § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB passe im zu diskutierenden Fall nicht. Schließlich könne nicht gelten, dass die Bewertungsmethoden beizubehalten sind, wenn diese zu falschen Ansätzen in der Vorbilanz geführt haben. Vielmehr stünden die Bewertungs­ methoden noch überhaupt nicht verbindlich fest, so dass sie auch nicht beibehalten werden müssten.334 Außerdem sei es völlig widersprüchlich, den Vorstand einerseits zur Korrektur des Vorabschlusses zu verpflichten, diesen aber andererseits zur Übernahme falscher Werte in die Folgebilanz zu zwingen.335 Es bestünde darüber hinaus nur eine sehr eingeschränkte Möglichkeit die Bilanz mit originären Werten fortzuschreiben. Wird die Nichtigkeit des Vorabschlusses geheilt oder wird dieser wirksam erneut festgestellt, so bestünde mit ex nunc-Wirkung eine vortragungsfähige und auch -pflichtige Schlussbilanz. Nunmehr gelte § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB uneingeschränkt, so dass der Folgeabschluss, wenn er den Grundsatz der Bilanzidentität durchbricht, gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig wäre. Im Ergebnis sei die Gesellschaft daher gezwungen, die originäre Eröffnungsbilanz dergestalt vorzutragen, wie der Vorabschluss bzw. die Schussbilanz künftig wirksam sein wird.336 Allerdings bleibt die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses oftmals lange Zeit unbekannt oder ungewiss, so dass die verantwortlichen Organe nicht oder nicht sicher wissen, dass sie an die Schlussbilanz des vorausgegangenen Geschäftsjahres nicht gebunden sind oder die Eröffnungsbilanz mit originären Werten fortschreiben können. Selbst wenn sie von der Nichtigkeit ausgehen, ist nicht immer vor 331

Hense, WPg 1993, 716 (718). GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 290. 333 Hense, WPg 1993, 716 (719). 334 Hense, WPg 1993, 716 (719). 335 Hense, WPg 1993, 716 (719). 336 Hense, WPg 1993, 716 (718). 332

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

hersehbar, wie die künftig erneut festzustellenden Vorbilanz aussehen wird. Der Lösung über eine originäre Eröffnungsbilanz steht des Weiteren der eindeutige Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB entgegen. Sofern die Vertreter dieser Ansicht sich darauf berufen, dass die Ausnahmevorschrift des § 252 Abs. 2 HGB anzuwenden bzw. deren Gedanken entsprechend heranzuziehen sei, so ist dem aus den bereits dargestellten Gründen zu widersprechen.337 Es kann nicht ausreichen, die vorgenommenen Änderungen im Anhang zu erläutern, insbesondere, weil nicht alle Aktiengesellschaften verpflichtet sind, einen solchen zu erstellen, vgl. § 264 Abs. 1 S. 5 HGB. Im Hinblick auf die Informationsfunktion des Jahresabschlusses darf nicht außer Betracht gelassen werden, dass dem Anhang auf internationaler Ebene kaum eine Bedeutung zukommt.338 Es muss verhindert werden, dass die Nichtigkeit des Jahresabschlusses durch zu praxisorientierte Lösungen an Relevanz verliert.339 Mithin ist der Ansicht, die eine originäre Eröffnungsbilanz als zulässig erachtet, eine Absage zu erteilen. b) Argumente für und gegen eine Korrektur in laufender Rechnung Sofern man die Korrektur in laufender Rechnung als gangbares Lösungs­modell betrachtet, so sollte dieses nicht nur dann Anwendung finden, wenn es um die Korrektur im Laufe des unmittelbar auf den nichtigen Jahresabschluss folgenden Geschäftsjahres geht, sondern es sollte auch dann eine Korrektur möglich sein, wenn zwischen nichtigem Vorabschluss und laufendem Geschäftsjahr bereits mehrere Jahresabschlüsse festgestellt wurden. Gerade, wenn der nichtige Jahresabschluss bereits einige Jahre zurückliegt, ist die Korrektur in laufender Rechnung für die Gesellschaft besonders attraktiv. Denn hier entfällt nach allen zu dieser Lösung vertretenen Ansichten die Pflicht zur Neuvornahme der zwischenzeitlichen Jahresabschlüsse. Damit bietet auch die Korrektur in laufender Rechnung eine praxisnahe Lösung, die der Gesellschaft den mit der Neuvornahme des nichtigen Vorabschlusses und gegebenenfalls der Folgeabschlüsse verbundenen erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand sowie den oftmals mit einer notwendigen Neuvornahme einer Reihe von Jahresabschlüssen verbundenen Reputationsverlust erspart.340 Für eine Vorwärtsbereinigung spricht, dass der Grundsatz der Bilanzidentität und damit der Wortlaut des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB gewahrt ist, da die Werte der Schlussbilanz des vorausgegangenen Geschäftsjahres unverändert übernommen und erst im Laufe des nächsten Geschäftsjahres angepasst werden.341 Das Gesamtergebnis der betroffenen Perioden ist rechnerisch korrekt dargestellt, wenn auch 337

Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. IV. 3. Kropff, FS Budde, S. 340 (346). 339 Kropff, FS Budde, S. 340 (346). 340 Ähnlich Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (309). 341 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 288. 338

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das Ergebnis der einzelnen Perioden selbst unzutreffend abgebildet wird.342 Durch die Kennzeichnung der vorgenommenen Änderungen als periodenfremd sollen die betroffenen Jahresabschlüsse aber dennoch hinreichend über die Finanz-, Ertragsund Vermögenslage des Unternehmens informieren.343 Man könnte des Weiteren argumentieren, dass die Korrektur in laufender Rechnung am ehesten der gesetzgeberischen Intention, die Nichtigkeitsgründe und -folgen zu beschränken, entspricht. Außerdem sieht § 261 Abs. 1 S. 1 AktG vor, dass eine im Rahmen einer Sonderprüfung nach § 258 AktG festgestellte, nicht unwesentliche Unterbewertung (§ 256 Abs. 5 S. 3 AktG) im letzten noch offenen Jahresabschluss zu korrigieren ist. Somit stellt die Vorwärtsbereinigung bilanzieller Fehler ein vom Gesetz vorgesehenes, zulässiges Verfahren dar.344 Für eine Korrektur in laufender Rechnung ließe sich zudem anführen, dass die Berücksichtigung der Nichtigkeitsfolgen des Vorabschlusses im letzten noch offenen Jahresabschluss der steuerrechtlichen Rechtsprechung zur Bilanzberichtigung entspricht.345 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtshofs sind unrichtige Bilanzansätze grundsätzlich bis zur Fehlerquelle zu korrigieren. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die vorangegangene Veranlagung und die zugrundeliegenden Bilanzen steuerrechtlich noch geändert werden können oder der Fehler sich steuerlich überhaupt nicht ausgewirkt hat. Damit ist ein unrichtiger Bilanzansatz in der ersten Schlussbilanz zu korrigieren, in der dies nach den maßgeblichen Vorschriften zu Bestandskraft und Verjährung möglich ist.346 Praktisch bedeutet das, dass ein falscher Bilanzansatz in der letzten noch offenen Veranlagung zu berücksichtigen ist. Überträgt man diesen Gedanken auf die Handelsbilanz, so könnte an die Stelle der noch offenen Veranlagung die Feststellung des Jahresabschlusses treten. Es sollen aber allerspätestens dann Rechtsfolgen eingetreten sein, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn die Hauptversammlung über die Gewinnverwendung beschlossen hat. Konsequenterweise müsse die Korrektur im letzten noch offenen Geschäftsjahr erfolgen.347 Gegen die Korrektur in laufender Rechnung spricht allerdings, dass trotz entsprechender Erläuterungen die Umgehung der Gewinnverteilungsregelungen sowie der gesetzlichen Vorschriften zur Rücklagenbildung nicht auszuschließen ist.348 Zwar stimmt das ermittelte Totalergebnis über die betroffenen Geschäftsjahre hinweg, je nachdem welche Änderungen in Folge der Neuvornahme vorgenommen werden, es droht aber die Verschiebung von Gewinnen zwischen den Perioden. Auch die Folgen der Nichtigkeit, insbesondere Ansprüche nach § 62 Abs. 1 AktG 342

GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 288. Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (308 f.). 344 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 93. 345 Müller, ZHR 2004, 414 (425 f.). 346 BFH BStBl.III 1966, 142 (142); BFH BStBl. II 1988, 886 (888); BFH BStBl. II 1989, 407 (409); BFH BStBl. II 1990, 1044 (1046). 347 Müller, ZHR 2004, 414 (425 f.). 348 Kropff, FS Budde, S. 340 (344). 343

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

würden erst im laufenden Geschäftsjahr aktiviert. Folglich könnte der Jahresabschluss nicht mehr uneingeschränkt seine Informations- sowie Ausschüttungsbemessungsfunktion erfüllen. Darüber hinaus droht – ebenso wie bei den originären Eröffnungsbuchungen – die Bagatellisierung der Nichtigkeitssanktion. Schließlich sollen nicht nichtigkeitsbegründende Mängel ebenfalls durch Korrektur in laufender Rechnung berichtigt werden.349 Ließe man dies auch vorliegend zu, so bestünde letztlich kaum ein Unterschied mehr zwischen einem bloß fehlerhaften, aber noch nicht nichtigen Jahresabschluss und einem nichtigen Jahresabschluss. § 256 AktG wäre letztlich überflüssig. Ist die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses noch ungewiss, so bietet die Korrektur in laufender Rechnung wenige Vorteile. Sollte sich letztlich ergeben, dass doch kein Nichtigkeitsgrund einschlägig ist, so wäre die erfolgte Korrektur unnötigerweise erfolgt und wieder zu eliminieren. Erst mit erfolgter Neuvornahme steht verbindlich fest, welche Anpassungen vorzunehmen sind.350 Mithin ist der Korrektur in laufender Rechnung grundsätzlich eine Absage zu erteilen. c) Schwebende Unwirksamkeit nachfolgender Jahresabschlüsse? Zu klären bleibt damit, ob der auf den nichtigen Jahresabschluss nachfolgende Jahresabschluss tatsächlich schwebend unwirksam ist, wie es die herrschende Literaturansicht annimmt. aa) Schwebende Unwirksamkeit im Aktienrecht Die schwebende Unwirksamkeit stellt eine gesonderte Kategorie der Mangelhaftigkeit von Rechtsgeschäften dar. Anders als bei einem nichtigen Rechtsgeschäft liegt kein Verstoß gegen geltendes Recht vor, sondern es fehlt am Vorliegen aller zur Wirksamkeit des jeweiligen Tatbestandes erforderlichen Voraussetzungen.351 Nach wie vor ist es aber noch möglich, dass die fehlenden Tatbestandsvoraussetzungen nachträglich eintreten und somit den Gesamttatbestand vervollständigen. Damit wird das schwebend unwirksame Rechtsgeschäft vollständig wirksam.352 Steht hingegen fest, dass die fehlende Voraussetzung nicht mehr eintreten kann, so ist das Rechtsgeschäft endgültig unwirksam und entfaltet keine Rechtswir 349

Marsch-Barner / Schäfer / Rabenhorst, Handbuch börsennotierte AG, § 57 Rn. 109; MHLS /  Sigloch / Keller / Meffert, GmbHG, Anh. §§ 41–42a Rn.  174; Hachmeister / Kahle / Mock / Schüppen /  Faaß / Kursatz, BilanzR, § 247 HGB Rn. 73. 350 Kropff, FS Budde, S. 340 (358). 351 BeckOGK / Drescher, AktG, § 241 Rn. 89; Koch, AktG, § 241 Rn. 6; Berg, Schwebend unwirksame Beschlüsse privatrechtlicher Verbände, S. 71. 352 Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 20; Berg, Schwebend unwirksame Beschlüsse privatrechtlicher Verbände, S. 51.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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kung.353 Folglich besteht auf Rechtsfolgenseite kein Unterschied zur Nichtigkeit, teilweise werden endgültig unwirksame Rechtsgeschäfte daher auch als nichtig bezeichnet.354 Im Aktienrecht ist die schwebende Unwirksamkeit als selbstständige Mängelform allgemein anerkannt.355 Dort tritt sie insbesondere im Beschlussmängelrecht auf, wenn etwa die nach § 181 Abs. 3 AktG oder nach § 195 Abs. 1 AktG erforderliche Eintragung eines Beschlusses in das Handelsregister noch nicht erfolgt ist, der Beschluss der Zustimmung bzw. eines Sonderbeschlusses bestimmter Gesellschafter bedarf (beispielsweise nach §§ 179 Abs. 3, 222 Abs. 2 AktG) oder eine benötigte staatliche Genehmigung noch nicht vorliegt.356 Auch die Feststellung eines Jahresabschlusses als korporationsrechtliches Rechtsgeschäft eigener Art kann gemäß § 173 Abs. 3 AktG schwebend unwirksam sein.357 Erfolgt die Feststellung ausnahmsweise durch die Hauptversammlung nach § 173 Abs. 1 AktG und nimmt diese nach bereits erfolgter Abschlussprüfung Änderungen an dem Jahresabschluss vor, so werden der Jahresabschluss sowie ein gegebenenfalls bereits auf diesem beruhender Gewinnverwendungsbeschluss erst wirksam, wenn der abgeänderte Jahresabschluss erneut nach Maßgabe des § 316 Abs. 3 HGB geprüft und ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers erteilt wird, § 173 Abs. 3 S. 1 AktG. Gemäß § 173 Abs. 3 S. 2 AktG ist der Jahresabschluss hingegen endgültig nichtig, wenn die Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nicht innerhalb von zwei Wochen nach Beschlussfassung erfolgt. bb) Übertragung auf die drohende Nichtigkeit des Folgeabschlusses Nun könnte man auch annehmen, dass ein auf einem nichtigen Vorjahresabschluss beruhender Folgeabschluss solange schwebend unwirksam ist, bis endgültig feststeht, ob dieser den Grundsatz der Bilanzidentität wahrt oder nicht. Der Folgeabschluss würde demnach vollständig wirksam, sobald der Vorabschluss geheilt oder inhaltsgleich neuvorgenommen wird. Erfolgt hingegen eine inhaltsverändernde Neufeststellung, so wäre der Grundsatz der Bilanzidentität durchbrochen und der Folgeabschluss damit endgültig unwirksam. 353

Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 20; Koch, AktG, § 241 Rn. 6; Berg, Schwebend unwirksame Beschlüsse privatrechtlicher Verbände, S. 51. 354 Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 21; MüKoAktG / Schäfer, § 241 Rn. 18. 355 RGZ 148, 175 (184 ff.); OLG Stuttgart AG 1993, 94 (94); BeckOGK / Drescher, AktG, § 241 Rn. 89; Grigoleit / Ehmann, AktG, § 241 Rn. 8; Henssler / Strohn / Drescher, AktG, § 241 Rn. 16 ff.; Koch, AktG, § 241 Rn. 6; Hölters / Weber / Englisch, AktG, § 241 Rn. 9; MüKoAktG / Schäfer, § 241 Rn. 16; a. A.: Baums, ZHR 1978, 582 (588). 356 BeckOGK / Drescher, AktG, § 241 Rn. 89 f.; Henssler / Strohn / Drescher, AktG, § 241 Rn.  16; Grigoleit / Ehmann, AktG, § 241 Rn. 8; MüKoAktG / Schäfer, § 241 Rn. 17. 357 Grigoleit / Grigoleit / Z ellner, AktG, § 173 Rn. 10; BeckOGK / Euler / Klein, AktG, § 173 Rn.  21; Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 173 Rn. 11.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

Fraglich ist, ob diese Konstellation einen Fall der schwebenden Unwirksamkeit darstellt. Wie gesehen setzt dies voraus, dass ein mehrgliedriger Tatbestand nicht vollständig erfüllt ist, die fehlende Voraussetzung aber noch ohne Weiteres eintreten kann. Demnach müsste die Wirksamkeit des Folgeabschlusses voraussetzen, dass der Grundsatz der Bilanzidentität abschließend gewahrt ist. Dieses fehlende Tatbestandsmerkmal könnte durch Heilung oder inhaltsgleiche Neuvornahme des Vorjahresabschlusses noch erfüllt werden. Dagegen könnte sprechen, dass in Folge der Anwendung der Grundsätze zur schwebenden Unwirksamkeit die Einhaltung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als zusätzliche Gültigkeitsvoraussetzung für die Jahresabschlussfeststellung behandelt wird, das Gesetz dies aber so weder in § 256 AktG noch an anderer Stelle vorsieht.358 Allerdings ist die schwebende Unwirksamkeit von Beschlüssen im Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG) ebenfalls nicht gesetzlich geregelt, dort aber als eigenständige Mängelform seit langem anerkannt, so dass dieses Gegenargument nicht durchgreift.359 Außerdem fordert § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB, dass aufeinanderfolgende Jahresabschlüsse nach dem Grundsatz der Bilanzidentität zu verknüpfen sind. Damit bestünde grundsätzlich eine gesetzliche Grundlage, die die Annahme rechtfertigen könnte, dass ein auf einen nichtigen Jahresabschluss nachfolgender Jahresabschluss zu seiner vollen Wirksamkeit der endgültigen Beachtung des Grundsatzes der Bilanzidentität bedarf. Außerdem zeigt § 173 Abs. 3 AktG, dass dem Gesetzgeber die schwebende Unwirksamkeit auch im Rahmen der Feststellung von Jahresabschlüssen nicht fremd ist.360 Des Weiteren entsteht bis zur Heilung oder Neuvornahme des Vorjahresabschlusses nun mal ein Schwebezustand, währenddessen nicht klar ist, ob der Folgeabschluss die beabsichtigten Rechtswirkungen entfaltet oder nicht. Während dieser Schwebezeit besteht auch kein rechtswidriger Zustand, da dem Grundsatz der Bilanzidentität vorerst, wenn auch nicht abschließend sicher, entsprochen wird. Diese Ungewissheit stellt den einzigen dem nachfolgenden Jahresabschluss anhaftenden Mangel dar. Dieser entfällt aber endgültig, sobald die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses geheilt wird oder dieser inhaltsgleich erneut festgestellt wird.361 Für die Anwendung der Grundsätze der schwebenden Unwirksamkeit spricht des Weiteren, dass dieses Lösungsmodell an der gesetzlich vorgesehenen, grundsätzlichen Pflicht zur Neuvornahme nichtiger Jahresabschlüsse ansetzt. Nur sofern die Wertansätze des Vorjahresabschlusses sich im Rahmen der erneuten Feststellung geändert haben, bedarf es auch der Neuvornahme des nachfolgenden Jahresabschlusses. So kann sichergestellt werden, dass der mit der Neuvornahme des Folgeabschlusses verbundene organisatorische und finanzielle Aufwand für die Gesellschaft nur dort entsteht, wo er auch tatsächlich gerechtfertigt ist. 358

GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 285; Hennrichs, FS Bergmann, S. 303 (307). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (366). 360 Kropff, FS Budde, S. 340 (348); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (366 Fn. 25). 361 Ähnlich Kropff, FS Budde, S. 340 (349). 359

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Diese Vorgehensweise bietet darüber hinaus den Vorteil, dass alle Vorgänge erfasst und in Anknüpfung an die Schlussbilanz korrekt dargestellt werden, so dass erst gar kein Spielraum für Manipulationen entsteht. Der Jahresabschluss kann seine Informations- sowie Gewinnbemessungsfunktion vollumfänglich erfüllen. Außerdem kann durch die Übertragung der Grundsätze zur schwebenden Unwirksamkeit ausgeschlossen werden, dass, bevor die bilanziellen Auswirkungen des nichtigen Jahresabschlusses geklärt sind, aus den Feststellungen des Folgeabschlusses zu weitreichende Konsequenzen gezogen werden, die dann gegebenenfalls wieder rückgängig gemacht werden müssten. Trotzdem kann aber vorläufig Rechnung gelegt werden, was immer dann nicht vergeblich ist, wenn der Grundsatz der Bilanzidentität gewahrt bleibt.362 Damit trägt die Lösung über die schwebende Unwirksamkeit der Besonderheit Rechnung, dass der Folgeabschluss, während noch nicht feststeht, ob er den Grundsatz der Bilanzidentität wahrt oder nicht, weder als vollständig wirksam noch als nichtig behandelt werden kann. Gesellschafts-, Aktionärs- und Gläubigerinteressen werden gleichermaßen berücksichtigt. cc) Zwischenergebnis Die Grundsätze der schwebenden Unwirksamkeit können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. So kann den mit dem Schwebezustand einhergehenden Unsicherheiten unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten bestmöglich Rechnung getragen werden. Das bedeutet, dass der Folgeabschluss solange schwebend unwirksam ist, bis er in Folge inhaltsgleicher Neuvornahme oder Heilung vollumfänglich wirksam oder aber nach inhaltsveränderter Neufeststellung endgültig unwirksam ist. Da den Abschlussverantwortlichen im Rahmen der Neuvornahme des Vorabschlusses stets Ermessenspielräume zustehen, können sich unabhängig von der Art des nichtigkeitsbegründenden Mangels wesentlich veränderte Bilanzansätze ergeben. Daher sind die Grundsätze zur schwebenden Unwirksamkeit bei allen Nichtigkeitsgründen anzuwenden.363 d) Korrektur in laufender Rechnung in Ausnahmefällen Bei all diesen theoretischen Erwägungen darf nicht vergessen werden, welche enormen Auswirkungen die Neuvornahme von Jahresabschlüssen in der Praxis hat. Dort wo dieser Aufwand absolut nicht gerechtfertigt ist, muss auf die Neuvornahme ausnahmsweise verzichtet werden können.364 Hier kann auf die von Zöllner auf 362

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (366 f.). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (366 f.). 364 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 249; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 93. 363

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

gestellten Kriterien zurückgegriffen werden. Demnach genügt es ausnahmsweise, den Mangel in laufender Rechnung zu korrigieren, wenn die Neuvornahme einen unverhältnismäßig großen Aufwand für die Gesellschaft darstellt, die erneute Feststellung aber weder für die Aktionäre noch für die Gläubiger vorteilhaft wäre und durch zeitnahe Korrektur richtige inhaltliche Verhältnisse geschaffen werden können.365 Davon sollte insbesondere ausgegangen werden, wenn selbst bei fehlerfreier erneuter Feststellung weder geleistete Dividendenzahlungen noch Tantiemen zurückgefordert werden könnten, die Ausschüttungsverhältnisse unverändert blieben und sich der Einblick in die Vermögens- und Ertragslage nicht verbessen würde.366 Erfolgt in einer derartigen Konstellation die Korrektur im letzten noch offenen Geschäftsjahr, bedarf es keiner Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses.367 Die gegen eine solche Vorgehensweise vorgebrachten Argumente greifen in diesem Fall nicht durch. Bleiben die Ausschüttungsverhältnisse unverändert und ergeben sich auch keine Rückforderungsansprüche, droht weder die Umgehung der Gewinnverteilungsregelungen noch der Vorschriften zur Rücklagenbildung. Da sich durch die Neuvornahme auch keine neuen Informationen zur Vermögens- und Ertragslage ergeben, bedarf es der erneuten Feststellung auch nicht im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft. Die Neuvornahme des Vorabschlusses sowie die gegebenenfalls ebenfalls erforderliche erneute Feststellung der nachfolgenden Jahresabschlüsse wäre eine bloße Formalität, derer es weder zur Wahrung der Aktionärs- noch der Gläubigerinteressen bedarf. In derartigen Sonderfällen wäre die Nichtigkeitsfolge unangebracht, eine Bagatellisierung droht gerade nicht. Allerdings verbleibt wohl kaum ein Anwendungsbereich für die Korrektur in laufender Rechnung, sofern – wie hier – angenommen wird, dass nur ein wesentlicher Verstoß überhaupt erst zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führt.368 5. Zwischenergebnis Die Grundsätze der schwebenden Unwirksamkeit sollten entsprechende Anwendung finden, wenn unklar ist, ob ein auf einen nichtigen Jahresabschluss nachfolgender Jahresabschluss den Grundsatz der Bilanzidentität wahrt oder nicht, und damit offen ist, ob der Folgeabschluss wirksam oder aber nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig ist. Wird der Vorjahresabschluss geheilt oder inhaltsgleich neuvorgenommen, ist der Folgeabschluss vollständig wirksam. Kommt es hingegen zur inhaltsveränderten Neuvornahme, so ist der Folgeabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig und muss ebenfalls erneut festgestellt werden. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Berichtigung früherer Bilanzen einen unverhältnismäßig großen Auf 365

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (368 f.) in Anlehnung an OLG Köln ZIP 1998, 994. Konstellation bei OLG Köln, ZIP 1998, 994 (996). 367 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (368 f.). 368 Jungius / Schmidt, DB 2012, 1761 (1762). 366

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wand für die Gesellschaft darstellen würde, aber weder für die Aktionäre noch für die Gläubiger von Vorteil wäre, und durch die Korrektur richtige inhaltliche Verhältnisse geschaffen werden können. Hier kann eine Korrektur in laufender Rechnung erfolgen, ohne dass es der Neuvornahme des nichtigen Vorabschlusses bedarf. Konsequenterweise hat die Nichtigkeit nach erfolgter Korrektur keine Auswirkungen mehr, so dass insbesondere Gewinne wirksam ausgeschüttet wurden.369 VI. Pflicht der zuständigen Organe zur Herbeiführung voller Wirksamkeit Im Beschlussmängelrecht wird allgemein angenommen, dass mit dem schwebend unwirksamen Beschluss der Hauptversammlung die Pflicht der zuständigen Gesellschaftsorgane verbunden ist, die volle Wirksamkeit, etwa durch Veranlassung der Eintragung oder Einholen einer erforderlichen Zustimmungserklärung, herbeizuführen.370 Auch in der vorliegenden Konstellation könnten Vorstand und Aufsichtsrat dazu verpflichtet sein, auf die volle Wirksamkeit des Folgeabschlusses hinzuwirken. Dafür spricht, dass die Verwaltungsorgane im Fall der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ohnehin angehalten sind, den nichtigen Jahresabschlusses fehlerfrei zu wiederholen.371 Dann muss auch eine Pflicht bestehen, dafür zu sorgen, dass hinsichtlich des Folgeabschlusses klare Verhältnisse bestehen. Da dies durch die Neuvornahme des nichtigen Vorabschlusses zu erreichen ist, korrespondieren die beiden Pflichten. VII. Heilung der schwebenden Unwirksamkeit? Fraglich ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses geheilt wird. Denkbar ist zum einen die Heilung der nach inhaltsveränderter Neuvornahme des Vorjahresabschlusses gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB eingetretenen Nichtigkeit. Hier findet § 256 Abs. 6 AktG unmittelbare Anwendung, so dass die Nichtigkeit des Folgeabschlusses nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr geltend gemacht werden kann. Unklar ist allerdings, wann diese Frist zu laufen beginnt. Diese könnte – wie in § 256 Abs. 6 AktG vorgesehen – mit der Bekanntgabe des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger oder aber mit erfolgter Neuvornahme des Vorjahresabschlusses beginnen. Für letztere Variante spricht, dass erst mit erneuter, inhaltsveränderter Feststellung des vorherigen Jahresabschlusses feststeht, dass der Jahresabschluss nichtig ist, zuvor ist der Folgeabschluss lediglich schwebend unwirksam. Man 369

Ebenso Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (369). BeckOGK / Drescher, AktG, § 241 Rn. 93; KK-AktG / Noack / Z etzsche, Vor § 241 Rn. 28; MüKoAktG / Schäfer, § 241 Rn. 18. 371 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 A. I. 2. 370

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

könnte dem entgegensetzen, dass der Verstoß gegen das Gebot der Bilanzidentität bereits latent im Folgeabschluss angelegt war, so dass die Frist bereits ab Bekanntgabe ablaufen sollte.372 Einfacher ließe sich dieses Ergebnis erreichen, wenn man die Heilung der schwebenden Unwirksamkeit selbst, unabhängig von der Heilung oder Beseitigung der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses, in entsprechender Anwendung des § 256 Abs. 6 AktG zulässt.373 Dann könnte die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses unabhängig davon, ob die Nichtigkeit eintritt oder nicht, nach Ablauf von drei Jahren ab dessen Bekanntgabe im Bundesanzeiger nicht mehr geltend gemacht werden. Dagegen ließe sich anführen, dass allgemein anerkannt ist, dass die schwebende Unwirksamkeit gemäß § 173 Abs. 3 AktG nicht geheilt werden kann, da es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage mangelt.374 Ein Vergleich zu § 173 Abs. 3 AktG kann hier aber nicht ausschlaggebend sein. Entsprechend der gesetzlichen Regelung beläuft sich die Dauer der schwebenden Unwirksamkeit im Fall des § 173 Abs. 3 AktG maximal auf zwei Wochen. Erteilt der Abschlussprüfer innerhalb dieser Zeitspanne keinen Bestätigungsvermerk hinsichtlich der vorgenommenen Änderung, so ist der Jahresabschluss nichtig. Für diesen Nichtigkeitsmangel besteht – im Gegensatz zu § 256 AktG, wo § 256 Abs. 6 AktG die Heilung vorsieht – keine gesetzliche Heilungsmöglichkeit. Die Konstellationen sind mithin nicht vergleichbar, so dass aus der allgemeinen Ansicht zu § 173 Abs. 3 AktG keine Rückschlüsse gezogen werden können.375 Anders ist dies im Rahmen der §§ 241 ff. AktG. Hier wird allgemein angenommen, dass die schwebende Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen analog § 242 Abs. 2 AktG geheilt wird, wenn der unwirksame Beschluss ins Handelsregister eingetragen und gegen diesen Beschluss innerhalb der nächsten zwei Jahre keine Nichtigkeitsklage erhoben wurde.376 Im Unterschied zu § 173 Abs. 3 AktG besteht auch hier eine gesetzliche Heilungsmöglichkeit im Falle der Nichtigkeit, die entsprechend zur Heilung der nur schwebenden Unwirksamkeit herangezogen wird. Sofern man nun die Heilung der schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses zulassen würde, wäre dies in analoger Anwendung des § 256 Abs. 6 AktG ebenfalls nur dann möglich, wenn seit der Bekanntgabe des Jahres-

372

Kropff, FS Budde, S. 340 (352). So ohne nähere Begründung: KK-AktG / Z öllner, § 256 Rn. 109 (2. Auflage); Kropff, FS Budde, S. 340 (352), der aber nicht klar zwischen der Heilung der Nichtigkeit nach inhaltsveränderter Neuvornahme und der Heilung der schwebenden Unwirksamkeit unterscheidet. 374 Geßler / Hefermehl / Eckardt / K ropff / Hüffer, AktG, § 256 Rn. 100; BeckOGK / Euler / Klein, AktG, § 173 Rn. 20; MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 173 Rn. 55; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn.  85; KK-AktG / E .  Vetter, § 173 Rn. 70; Koch, AktG, § 173 Rn.  8; Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 173 Rn. 8. 375 Ebenso, allerdings mit anderer Begründung Kropff, FS Budde, S. 340 (352). 376 MüKoAktG / Schäfer, § 242 Rn. 26; OLG Schleswig NZG 2000, 895 (896); BeckOGK /  Casper, AktG, § 242 Rn. 27; GroßkommAktG / K .  Schmidt, § 242 Rn.  16; Hölters / Weber /  Englisch, AktG, § 242 Rn. 17; differenzierend K. Schmidt / Lutter / Schwab, AktG, § 242 Rn. 21. 373

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abschlusses im Folgeabschluss drei Jahre verstrichen sind und keine Nichtigkeitsklage erhoben wurde. Insofern sind diese Konstellationen sehr wohl vergleichbar. Des Weiteren ist nicht einzusehen, warum die Nichtigkeit eines nach § 256 Abs. 1 bis 4 AktG nichtigen Jahresabschlusses geheilt werden kann, während diese Möglichkeit für einen nur schwebend unwirksamen Jahresabschluss nicht besteht.377 Vielmehr müsste die schwebende Unwirksamkeit im Sinne eines argumentum a minore ad maius erst recht heilen. Dafür spricht auch die Tendenz des Gesetzgebers, die Nichtigkeitsfälle sowie -folgen zu begrenzen. Damit ist im Interesse der Rechtssicherheit anzuerkennen, dass die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses in entsprechender Anwendung des § 256 Abs. 6 AktG nach drei Jahren ab Bekanntgabe des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger geheilt wird, sofern innerhalb der Heilungsfrist keine Nichtigkeitsklage erhoben wurde. VIII. Auswirkungen auf die Gewinnverwendung 1. Schwebende Unwirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses Der Gewinnverwendungsbeschluss (§ 174 AktG) steht in engem Zusammenhang mit dem Jahresabschluss.378 Dies ergibt sich zunächst aus § 174 Abs. 1 S. 2 AktG, der bestimmt, dass die Hauptversammlung, wenn sie über die Verwendung des Bilanzgewinns entscheidet, an den festgestellten Jahresabschluss gebunden ist. Nach § 57 Abs. 3 AktG darf im Rahmen der Gewinnverwendung nur der im Jahresabschluss ausgewiesene Bilanzgewinn an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Noch deutlicher wird der enge Zusammenhang zwischen Gewinnverwendungs­ beschluss und Jahresabschluss in § 253 AktG. Gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 AktG ist ein auf einem nichtigen Jahresabschluss beruhender Verwendungsbeschluss ebenfalls nichtig. Wird der nichtige Jahresabschluss geheilt, so gilt dies grundsätzlich auch für den auf diesem Jahresabschluss basierenden Gewinnverwendungsbeschluss, § 253 Abs. 1 S. 2 AktG. Nun könnte sich diese enge Verknüpfung auch auf den Fall erstrecken, dass der Folgeabschluss aufgrund der Nichtigkeit des Vorabschlusses zwar schwebend unwirksam ist, die Hauptversammlung aber trotzdem auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Jahresabschlusses über die Gewinnverwendung entscheidet. Überträgt man die für die Nichtigkeit in § 253 AktG getroffene Regelung auf diese Konstellation, so würde dies bedeuten, dass auch der auf dem schwebend unwirksamen Folgeabschluss beruhende Gewinnverwendungsbeschluss zunächst einmal schwebend unwirksam ist. Entfiele nun die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses in Folge inhaltsgleicher Neuvornahme oder Heilung, würde auch der Gewinnverwendungsbeschluss voll wirksam. Wäre der

377 378

Kropff, FS Budde, S. 340 (352). Begründung RegE, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 339; Kropff, FS Budde, S. 340 (353).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

Folgeabschluss hingegen nach inhaltsveränderter Neuvornahme endgültig nichtig, würde dies auch für den Gewinnverwendungsbeschluss gelten. Dass Jahresabschluss und Gewinnverwendungsbeschluss auch bei schwebender Unwirksamkeit miteinander verbunden sind, zeigt § 173 Abs. 3 AktG. Die Rechtsfolgen werden hier, ebenso wie im Rahmen des § 253 Abs. 1 AktG, jeweils für beide Rechtsgeschäfte gemeinsam angeordnet.379 Es kann mithin angenommen werden, dass in § 253 Abs. 1 AktG eine generelle Wertung zum Ausdruck kommt, dass der Gewinnverwendungsbeschluss nicht unabhängig vom Jahresabschluss voll wirksam sein kann. Konsequenterweise ist auch vorliegend davon auszugehen, dass ein Gewinnverwendungsbeschluss, der auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Folgeabschlusses gefasst wurde, ebenfalls solange schwebend unwirksam ist, bis der Folgeabschluss entweder endgültig wirksam oder nichtig ist und sodann dieses Schicksal teilt.380 2. Folgen der schwebenden Unwirksamkeit für die Gewinnausschüttung Fraglich ist, ob auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet werden müssen bzw. können. Ist der Gewinnverwendungsbeschluss nicht schwebend unwirksam, sondern nach § 253 Abs. 1 S. 1 AktG nichtig, so gilt eine Ausschüttungssperre und der Vorstand darf keine Dividende an die Aktionäre auszahlen.381 Dem stünde das in § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG zum Ausdruck kommende Prinzip umfassender Vermögensbindung in der Aktiengesellschaft entgegen.382 § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG verbietet grundsätzlich jede Leistung an die Aktionäre, die außerhalb der ordnungsgemäßen Auszahlung des Bilanzgewinnes erfolgt.383 Dementsprechend steht den Aktionären ohne wirksamen Gewinnverwendungsbeschluss kein Anspruch auf Ausschüttung der Dividende gegen die Aktiengesellschaft zu.384 Selbst wenn der in Folge der Nichtigkeit erneut festgestellte Jahresabschluss den gleichen bzw. einen ausreichenden Bilanzgewinn wie der zuvor nichtige Jahresabschluss ausweist, bedarf es grundsätzlich eines erneuten Beschlusses der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns.385 Erst dann können die Aktionäre die Gewinnauszahlung verlangen. 379

Kropff, FS Budde, S. 340 (353). Kropff, FS Budde, S. 340 (352 f.); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (369). 381 MüKoAktG / J. Koch, § 253 Rn. 9; BeckOGK / Stilz / Schumann, AktG, § 253 Rn. 20. 382 MüKoAktG / Bayer, § 57 Rn. 2; Koch, AktG, § 57 Rn. 1, 2; BeckOGK / Cahn / v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 1 ff. 383 BGH NZG 2017, 344 (345); BGH NZG 2008, 106 (107); BeckOGK / Cahn / v. Spannenberg, AktG, § 57 Rn. 2. 384 Grigoleit / Ehmann, AktG, § 253 Rn. 7; Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 253 Rn. 11. 385 MüKoAktG / J. Koch, § 253 Rn. 9; GroßkommAktG / K . Schmidt, § 253 Rn. 7; K. Schmidt /  Lutter / Schwab, AktG, § 253 Rn. 6. 380

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a) Anspruch auf Gewinnausschüttung Auch im Fall der schwebenden Unwirksamkeit ist davon auszugehen, dass kein Anspruch der Aktionäre auf Gewinnauszahlung besteht.386 Würde man den Gewinnverwendungsbeschluss als völlig wirksam behandeln, entstünde die missliche Situation, dass die Aktionäre die Dividendenzahlung verlangen könnten, obwohl die Nichtigkeit des Folgeabschlusses und somit auch die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses droht. Sollte sich dieses Risiko realisieren, müssten die ausgeschütteten Gewinne nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG zurückgefordert werden, was einen unnötigen Aufwand darstellen und wegen § 62 Abs. 1 S. 2 AktG oftmals nicht möglich sein wird. Dies zu verhindern ist gerade eine wesentliche Aufgabe der schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses.387 b) Zulässigkeit der Gewinnausschüttung Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Vorstand trotz schwebender Unwirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses Gewinne an die Aktionäre auszahlen darf oder ob das Ausschüttungsverbot des § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG auch im Fall der schwebenden Unwirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses uneingeschränkt gilt. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass, sobald der nichtige Vorabschluss inhaltsverändert erneut vorgenommen wird, der schwebend unwirksame Folgeabschluss und der darauf beruhende schwebend unwirksame Gewinnverwendungsbeschluss endgültig unwirksam bzw. nichtig werden. Diese Rechtsfolge tritt rückwirkend ein, so dass der Folgeabschluss und damit entsprechend § 253 Abs. 1 S. 1 AktG der auf diesem basierende Gewinnverwendungsbeschluss ex tunc keine Rechtswirkungen entfalten, vgl. § 184 Abs. 1 BGB.388 Mangels eines wirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses wären etwaig bereits ausgeschüttete Gewinne also entgegen § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG geleistet worden. aa) Ausschüttungsverbot Kropff ist daher der Ansicht, dass § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG die Gewinnausschüttung auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses vollumfänglich ausschließt, und zwar unabhängig davon, ob bei erforderlicher erneuter Feststellung des Folgeabschlusses ein gleich hoher oder sogar ein höherer Bilanzgewinn zu erwarten ist.389 Nur, wenn unklar ist, ob der Vorabschluss überhaupt nichtig ist und Vorstand sowie Aufsichtsrat nach sorgfältiger, pflicht 386

Kropff, FS Budde, S. 340 (353); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (370). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (369). 388 Kropff, FS Budde, S. 340 (350); Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371). 389 Kropff, FS Budde, S. 340 (352 f., 359). 387

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

gemäßer Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass der Vorabschluss wirksam ist, sei es zulässig Gewinne auszuzahlen. bb) Ausschüttung nach pflichtgemäßem Ermessen zulässig Nach Zöllner ist es hingegen zulässig, Gewinne auf der Basis des schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses auszuzahlen, da ein Verstoß gegen die umfassende Vermögensbindung nach § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG gerade nicht vorliegt.390 Dafür spreche etwa § 59 AktG, wonach Gewinnabschläge auch ohne wirksamen Jahresabschluss und Gewinnverwendungsbeschluss ausgezahlt werden dürfen. Allerdings seien Vorstand und Aufsichtsrat dazu verpflichtet, unter Anwendung größtmöglicher Sorgfalt zu prüfen, ob der ausgezahlte Gewinn auch dann ausgeschüttet werden könnte, wenn der zugrundeliegende Jahresabschluss erneut festgestellt werden muss. Bei relevanter Prognoseunsicherheit habe die Ausschüttung zu unterbleiben. Außerdem könne durch „Sicherheitsabstände“ zum vorerst ausgewiesenen Bilanzgewinn eine zu hohe Gewinnausschüttung verhindert werden. Zusätzlich seien die Verwaltungsorgane angehalten, im Rahmen der Neuvornahme des Folgejahresabschlusses die ihnen zustehenden bilanziellen Ermessenspielräume dahingehend auszuüben, dass ein die Gewinnverwendungsmaßnahme deckender Bilanzgewinn ausgewiesen werde. cc) Stellungnahme (1) Gewinnausschüttung auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Folgeabschlusses Gegen die zulässige Ausschüttung von Gewinnen auf der Basis eines schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses lässt sich anführen, dass es eine wesentliche Funktion der schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses ist, die Neuvornahme des nichtigen Vorjahresabschlusses zu veranlassen.391 Könnten trotzdem Gewinne ausgezahlt werden, bestünde demnach kein Anreiz mehr für die Gesellschaft, die Nichtigkeit auszuräumen. Außerdem birgt die von Vorstand und Aufsichtsrat vor der Gewinnausschüttung aufzustellende Prognose, ob auch bei gegebenenfalls erforderlicher Neuvornahme des Folgeabschlusses ein die vorgenommene Gewinnausschüttung deckender oder sogar höherer Bilanzgewinn festgestellt wird, viele Unbekannte und damit das Risiko einer unrechtmäßigen Auszahlung. Denn sollte der Folgeabschluss nichtig und damit dessen Neuvornahme erforderlich sein, stehen Vorstand und Aufsichtsrat alle bilanzpolitischen Spielräume erneut zur Verfügung. Auch werterhellende Umstände sind bei der 390 391

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371 ff.). Kropff, FS Budde, S. 340 (355).

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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Neuvornahme zu berücksichtigen.392 Des Weiteren spricht die Vorschrift des § 253 AktG gegen die Zulässigkeit einer Gewinnausschüttung, da der auf einem nichtigen Jahresabschluss beruhende Gewinnverwendungsbeschluss stets nichtig ist, unabhängig davon, ob im Rahmen der Neuvornahme ein niedrigerer oder höherer Bilanzgewinn zu erwarten ist.393 Für die Zulässigkeit von Dividendenzahlungen könnte wiederum sprechen, dass auch auf der Grundlage eines angefochtenen Gewinnverwendungsbeschlusses Gewinne ausgeschüttet werden dürfen, wenn nach sorgfältiger Prüfung des Gewinnverwendungsbeschlusses die überwiegenden Gründe gegen eine erfolgreiche Anfechtung sprechen.394 Überträgt man diese Einschätzung, so müsste auch ein schwebend unwirksamer Gewinnverwendungsbeschluss ausreichen, wenn die von Zöllner verlangten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Konstellationen ist aber, dass ein anfechtbarer Gewinnverwendungsbeschluss im Gegensatz zu einem schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschluss zunächst vollumfänglich wirksam ist und erst nach erfolgreicher Anfechtungsklage nichtig wird.395 Außerdem ist die Anfechtungsklage regelmäßig ausschließlich darauf gerichtet, eine höhere Auszahlung zu erreichen, während außer Frage steht, dass die bereits beschlossene Auszahlung bestehen bleibt.396 Anders ist die Situation aber im Rahmen der schwebenden Unwirksamkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses. Ob ein ausreichender Bilanzgewinn im neu festgestellten Folgeabschluss ausgewiesen wird, ist nicht eindeutig vorhersehbar. Mithin sind die beiden Konstellationen nicht vergleichbar, so dass aus der Zulässigkeit von Gewinnausschüttungen auf der Grundlage eines angefochtenenen Gewinnverwendungsbeschlusses nicht auf die Zulässigkeit von Dividendenzahlungen auf Basis eines schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses geschlossen werden kann. Für eine zulässige Ausschüttung lässt sich aber § 59 AktG anführen, der zeigt, dass § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG nicht uneingeschränkt gilt, sondern unter bestimmten Umständen auch ohne gültigen Jahresabschluss und korrespondierendem Gewinnverwendungsbeschluss Gewinne ausgezahlt werden dürfen.397 Dies ist nach dem Wortlaut des § 59 AktG aber nur zulässig, wenn die Satzung dem Vorstand erlaubt, entsprechende Abschläge auszuzahlen, was regelmäßig nicht der Fall sein wird. Durch die erforderliche Satzungsermächtigung soll die Kompetenz der Hauptversammlung, über die Verwendung des Bilanzgewinns zu entscheiden, gesichert werden. Da die Hauptversammlung vorliegend aber selbst über die Gewinnverwendung entschieden hat, wurde ihre Zuständigkeit gewahrt, so dass auch der Satzungsvor 392

Kropff, FS Budde, S. 340 (354). Kropff, FS Budde, S. 340 (354). 394 Ganz herrschende Ansicht, vgl. Hennssler / Strohn / E . Vetter, GesR, § 174 Rn. 16; MüKoAktG / Hennrichs / Pöschke, § 174 Rn. 67; BeckOGK / Euler / Klein, AktG, § 174 Rn. 33. 395 Kropff, FS Budde, S. 340 (354). 396 Kropff, FS Budde, S. 340 (354). 397 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371). 393

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

behalt der Dividendenzahlung nicht entgegenstünde.398 Allerdings handelt es sich bei der Gewinnausschüttung auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses richtigerweise nicht um eine Abschlagszahlung im Sinne des § 59 AktG, sondern vielmehr um eine an sich „echte“ Gewinnauszahlung399, wobei die Besonderheit zu berücksichtigen ist, dass sich auf Grund einer gegebenenfalls erforderlichen Neufeststellung des schwebend unwirksamen Folgeabschlusses Änderungen ergeben können. Diese sind gewöhnlich trotz des den Verwaltungsorganen zustehenden bilanzpolitischen Entscheidungsspielraums und eventuell zu berücksichtigender werterhellender Umstände überschaubar.400 Insbesondere, wenn man wie Zöllner annimmt, dass Ermessensentscheidungen so zu treffen sind, dass ein die Ausschüttungsmaßnahme deckender Bilanzgewinn ausgewiesen werden kann, droht grundsätzlich keine Diskrepanz. Neben dem Grundsatz der formellen Bilanzidentität, ist schließlich auch der Grundsatz der materiellen Bilanzkontinuität bei der Neuvornahme zu beachten.401 Sollten Vorstand und Aufsichtsrat hingegen der Ansicht sein, dass dennoch durch die Neuvornahme nennenswerte Abweichungen möglich sind, so haben sie die Gewinnauszahlung zu unterlassen. Wie bereits gesehen, besteht gerade kein Anspruch der Aktionäre auf Dividendenzahlung. Eben in der Möglichkeit Gewinne nach sorgfältiger Prüfung trotz schwebender Unwirksamkeit auszuzahlen, läge ein großer Vorteil der schwebenden Unwirksamkeit, da eine Ausschüttungssperre sowohl für die Aktionäre als auch für die Gesellschaft wohl die unangenehmste Folge der Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses ist.402 Somit sprechen die besseren Argumente dafür, dass die Gesellschaft auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses Gewinne auszahlen darf, wenn sie die von Zöllner aufgestellten Voraussetzungen einhält. (2) Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit des Vorjahresabschlusses Zu klären bleibt, inwiefern es sinnvoll ist, die Zulässigkeit der Ausschüttung davon abhängig zu machen, dass zwar Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit des Vorjahresabschlusses besteht, aber Vorstand und Aufsichtsrat zu der Einschätzung gelangen, dass der Vorjahresabschluss wirksam ist. Gegen diese Vorgehensweise spricht, dass das Verbot von Dividendenzahlungen außerhalb eines wirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 57 Abs. 3 AktG nicht von subjektiven Faktoren, wie der Einschätzung von Vorstand und Aufsichtsrat, abhängig ist.403 Auch im Rahmen des Rückgewähranspruchs nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG spielen

398

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371). 400 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371, 373). 401 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (373). 402 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (371 f.). 403 Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (374). 399

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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die Sorgfaltspflichten der Verwaltungsorgane keine Rolle.404 Umgekehrt bleibt ein wirksamer Jahresabschluss wirksam, auch, wenn Vorstand und Aufsichtsrat zu einer anderen Einschätzung gelangt sind oder aber die Prüfung vollständig unterlassen haben.405 Insofern sind keine Argumente ersichtlich, die dafür sprechen, dass die Zulässigkeit der Gewinnausschüttung davon abhängig sein sollte, ob Vorstand und Aufsichtsrat den Vorabschluss als wirksam oder nichtig einschätzen. Die Ansicht von Kropff ist somit abzulehnen und der Auffassung von Zöllner zu folgen. dd) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist es daher wenig sinnvoll, auf die Prognose über die Wirksamkeit des Vorabschlusses abzustellen. Vielmehr sind Gewinnausschüttungen auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses entsprechend der von Zöllner entwickelten Lösung zulässig, wenn die Verwaltungsorgane nach sorgfältiger Prüfung der Ansicht sind, dass die Maßnahme auch von den Feststellungen eines gegebenenfalls neuvorgenommenen Folgejahresabschlusses gedeckt wäre und die zuständigen Organe im Fall der tatsächlich erforderlichen erneuten Feststellung bestehende Ermessensspielräume dahingehend ausüben, dass ein ausreichender Bilanzgewinn ausgewiesen wird. 3. Zwischenergebnis Der auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Folgeabschlusses gefasste Gewinnverwendungsbeschluss ist ebenfalls schwebend unwirksam. Wird der Folgeabschluss endgültig wirksam oder nichtig, so gilt dies auch für den auf dem Folgeabschluss beruhenden Gewinnverwendungsbeschluss. Während der Schwebezeit besteht kein Anspruch der Aktionäre auf Dividendenzahlung. Einer Auszahlung von Gewinnen steht § 57 Abs. 1, Abs. 3 AktG aber nicht entgegen, wenn Vorstand und Aufsichtsrat nach sorgfältiger Prüfung zu der Einschätzung kommen, dass der ausgezahlte Gewinn auch dann ausgeschüttet werden kann, wenn der zugrundeliegende Jahresabschluss erneut festgestellt werden muss. In diesem Fall haben die Verwaltungsorgane im Rahmen der Neuvornahme des Folgeabschlusses die ihnen zustehenden bilanziellen Ermessenspielräume dahingehend auszuüben, dass ein die Gewinnverwendungsmaßnahme deckender Bilanzgewinn ausgewiesenen werden kann.

404 405

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (374). Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (374).

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

IX. Schwebende Unwirksamkeit mehrerer Folgeabschlüsse bzw. Gewinnverwendungsbeschlüsse Durch den Grundsatz der Bilanzidentität sind auch die nachfolgenden Jahresabschlüsse mit dem nichtigen Jahresabschluss verbunden. Wird der Vorabschluss inhaltsverändert neu vorgenommen, so ist – wie ausführlich dargestellt – der Folgeabschluss nichtig. Es bedarf also auch der Neuvornahme dieses Jahresabschlusses. Ob der darauffolgende Jahresabschluss den Grundsatz der Bilanzidentität abschließend wahrt, bleibt mithin bis zur Neuvornahme des Folgeabschlusses unklar. Folglich muss sich die schwebende Unwirksamkeit nicht nur auf den unmittelbar auf den nichtigen Jahresabschluss nachfolgenden Jahresabschluss, sondern auch auf etwaige dem Folgeabschluss wiederum nachfolgende Jahresabschlüsse erstrecken. Entsprechendes gilt für die jeweils zugehörigen Gewinnverwendungsbeschlüsse.406 Die Folgeabschlüsse sowie die auf diesen beruhenden Gewinnverwendungsbeschlüsse werden voll wirksam, wenn der nichtige Vorabschluss geheilt oder inhaltsgleich neu festgestellt wird. Sie sind hingegen endgültig nichtig, wenn der jeweilige Vorabschluss inhaltsverändert neu vorgenommen wird. X. Geltendmachung der schwebenden Unwirksamkeit bzw. endgültigen Unwirksamkeit Fraglich ist, wie die schwebende Unwirksamkeit eines Folgeabschlusses gerichtlich geltend gemacht werden kann. Zunächst besteht die Möglichkeit, gegen den nichtigen Vorjahresabschluss im Wege der Nichtigkeitsklage (§§ 249, 256 Abs. 7 AktG) oder der allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) vorzugehen. Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass der Vorjahresabschluss nichtig ist, ist die Gesellschaft zur Neuvornahme des Jahresabschlusses verpflichtet. Nach erneuter Feststellung des Vorjahresabschlusses steht dann fest, ob der Folgeabschluss endgültig wirksam oder nichtig ist. Des Weiteren kann die schwebende Unwirksamkeit als Einwendung gegenüber einer Klage, etwa auf Gewinnausschüttung auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses, geltend gemacht werden.407 Auch eine Klage auf Feststellung der schwebenden Unwirksamkeit gemäß § 256 ZPO ist denkbar, sofern ein entsprechendes Feststellungsinteresse vorliegt.408 Ist der Jahresabschluss nach inhaltsveränderter Neuvornahme endgültig nichtig, besteht außerdem die Möglichkeit Klage nach §§ 249, 256 Abs. 7 AktG zu erheben und somit ein Urteil zu erwirken, das inter omnes gilt.

406

Kropff, FS Budde, S. 340 (350). So zum Beschlussmängelrecht: MüKoAktG / Schäfer, § 241 Rn. 19. 408 Ebenfalls zum Beschlussmängelrecht: MüKoAktG / Schäfer, § 241 Rn. 19. 407

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XI. Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft, um den Schwebezustand zu beenden Möchte die Aktiengesellschaft die schwebende Unwirksamkeit des bzw. der Folgeabschlüsse beenden, so stehen ihr grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Verfügung. Wie dargestellt, ist ausnahmsweise eine Korrektur in laufender Rechnung zulässig, wenn die Berichtigung früherer Bilanzen einen unverhältnismäßig großen Aufwand für die Gesellschaft darstellt, der weder für die Aktionäre noch für die Gläubiger von Vorteil ist und durch die Korrektur richtige inhaltliche Verhältnisse geschaffen werden können.409 Erfolgt in einem solchen Fall die Berichtigung im letzten noch offenen Geschäftsjahr, so erübrigt sich die schwebende Unwirksamkeit der vorherigen Jahresabschlüsse. Liegen diese Voraussetzungen hingegen nicht vor, so kann der Schwebezustand durch die Neuvornahme des nichtigen Vorabschlusses beendet werden. Sollte die Neuvornahme des Jahresabschlusses mehr Zeit in Anspruch nehmen als das Verstreichen der Heilungsfrist, so kann die Gesellschaft schlichtweg abwarten, bis die Frist abgelaufen ist. Gleiches gilt, wenn es um die Heilung der schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses geht. XII. Bestätigungsvermerk und schwebende Unwirksamkeit Zu klären bleibt, welche Auswirkungen die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses auf die Abschlussprüfung hat. Insofern ist fraglich, ob der Abschlussprüfer einen (uneingeschränkten) Bestätigungsvermerk erteilen darf. Gemäß § 322 Abs. 3 S. 1 HGB erklärt der Abschlussprüfer in einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, dass nach den bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen der aufgestellte Jahresabschluss den gesetzlichen Vorschriften entspricht und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen der Gesellschaft entsprechendes Bild der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage vermittelt. Zum Zeitpunkt der Prüfung ist der Folgeabschluss hingegen nicht wirksam, sondern schwebend unwirksam, denn noch ist nicht klar, ob der Grundsatz der Bilanzidentität abschließend gewahrt ist. Da der Folgeabschluss, wenn er inhaltsgleich neuvorgenommen oder geheilt wird, völlig fehlerfrei ist, kommt die Versagung des Bestätigungsvermerks jedenfalls nicht in Betracht. Andererseits ist der Folgeabschluss nichtig, wenn sich die Bilanzansätze des Vorjahresabschlusses in Folge der Neuvornahme verändern. Auf diese Besonderheit hat der Abschlussprüfer gemäß § 322 Abs. 3 S. 2 HGB hinzuweisen, sofern ihm die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses bekannt ist.410 Ob er den Bestätigungs­ 409

Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. V. 4. d). So auch Kropff, FS Budde, S. 340 (351) sowie Hense, WPg 1993, 716 (722), wenn auch mit leicht anderer Begründung. 410

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

vermerk darüber hinaus einschränkt, liegt in seinem Ermessen, verpflichtet ist der Abschlussprüfer dazu nicht. XIII. Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der schwebenden Unwirksamkeit Wie gesehen, können Vorstand und Aufsichtsrat auch auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses Gewinne an die Aktionäre ausschütten. Insofern sind sie aber angehalten vor der Gewinnausschüttung sorgfältig zu prüfen, ob der Gewinn auch dann ausgezahlt werden könnte, wenn der zugrundeliegende Jahresabschluss erneut festgestellt werden muss. Verletzen Vorstand und Aufsichtsrat diese Pflicht schuldhaft, so haften sie nach § 93 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 AktG bzw. § 116 AktG.411 Die Ersatzpflicht entfällt auch nicht deshalb, weil die Gewinnausschüttung auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruht (vgl. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG), da der Gewinnverwendungsbeschluss zumindest noch nicht gesetzmäßig ist. Ein Schaden für die Gesellschaft entsteht dann, wenn die zu Unrecht ausgeschütteten Gewinne wegen § 62 Abs. 1 S. 2 AktG oder aus praktischen Gründen nicht von den Aktionären zurückerlangt werden können. Werden der Folgeabschluss und damit der auf diesem beruhende Gewinnverwendungsbeschluss endgültig wirksam, so entfällt auch die Rechtswidrigkeit der Dividendenzahlung und damit die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat.412

D. Mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Vorstand, Aufsichtsrat und Abschlussprüfer Es stellt sich die Frage, welche möglichen Konsequenzen sich aus der Nichtigkeit des Jahresabschlusses für Vorstand und Aufsichtsrat sowie den Abschlussprüfer ergeben können. Insofern ist zwischen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu unterscheiden. I. Verantwortlichkeit des Vorstandes und des Aufsichtsrates 1. Zivilrechtliche Konsequenzen Sofern Vorstand und Aufsichtsrat den nichtigen Jahresabschluss ausführen, verletzen sie die Rechnungslegungspflicht, welche sie gegenüber der Gesellschaft 411

Zöllner, FS Scherrer, S. 357 (374); Kropff, FS Budde, S. 340 (355): für jeden Fall der Gewinnausschüttung auf Grundlage des schwebend unwirksamen Gewinnverwendungsbeschlusses. 412 Kropff, FS Budde, S. 340 (355).

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trifft, und haften dieser daher bei Verschulden auf Schadensersatz.413 Maßgebliche Haftungsvorschrift ist für den Vorstand § 93 AktG, den Aufsichtsrat kann eine Schadensersatzpflicht nach § 116 AktG treffen. Der zu ersetzende Schaden umfasst zum einen die Kosten für die erneute Feststellung des Jahresabschlusses sowie die in diesem Zusammenhang abermals durchzuführende Abschlussprüfung.414 Zum anderen besteht eine Ersatzpflicht, wenn trotz der Nichtigkeit des Jahresabschlusses sowie des auf diesem beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses fälschlicherweise Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet wurden, diese aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, etwa auf Grund des Ausschlusstatbestandes des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG, nicht mehr von den Anteilseignern zurückzuerlangen sind, vgl. § 93 Abs. 3 Nr. 1, 2 oder 5 AktG.415 Allerdings trifft die Abschlussverantwortlichen kein Verschulden, wenn bei inhaltlichen Mängeln die vorgenommene Gestaltung von internen oder externen Spezialisten als rechtlich zulässig eingeschätzt wurde und der Abschlussprüfer diese nicht beanstandet hat.416 Des Weiteren entfallen die Ersatzansprüche, wenn die Nichtigkeit des Jahresabschlusses sowie des auf diesem basierenden Gewinnverwendungsbeschlusses nach § 256 Abs. 6 AktG durch Zeitablauf geheilt werden.417 Darüber hinaus kann eine Außenhaftung der Organmitglieder anzunehmen sein. Da die bereits aufgezählten Straftatbestände Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sind, können Schadensersatzansprüche zukünftiger und aktueller Aktionäre sowie von Gesellschaftsgläubigern bestehen.418 2. Strafrechtliche Konsequenzen Die Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft machen sich gemäß § 331 Nr. 1 HGB strafbar, wenn sie die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahresabschluss vorsätzlich unrichtig wiedergeben oder verschleiern.419 Es genügt insofern Eventualvorsatz, so dass die Strafbarkeit auch dann zu bejahen ist, wenn die Organmitglieder es lediglich für möglich halten, dass eine Falschbewertung vorliegt, dies aber gleichgültig hinnehmen.420 Darüber hinaus droht eine Strafbarkeit nach § 400 Abs. 1 AktG, wenn die Verhältnisse der Gesellschaft in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand falsch wiedergegeben oder verschleiert werden. Wird unrichtig versichert, dass der Jahresabschluss ein zutreffendes Bild von der Lage des Unternehmens vermittelt, ist dies nach Maß 413

GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 215. GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 215; Hennrichs, ZHR 2004, 383 (391). 415 GroßkommAktG / T.  Bezzenberger, § 256 Rn. 215; Hennrichs, ZHR 2004, 383 (391); ­Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 416 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 215. 417 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 215. 418 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 216; Fleischer, WM 2006, 2021 (2026). 419 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 216. 420 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 414

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

gabe des § 331a HGB strafbar. Erfolgt auf der Grundlage des unrichtigen Jahresabschlusses eine zu hohe Dividendenzahlung, so stellt dies eine verbotene Einlagenrückgewähr dar (vgl. § 57 Abs. 1 AktG). Da der Unternehmensleitung eine Vermögensbetreuungspflicht zukommt, kann die Ausschüttung zu einer Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB führen.421 Legt der Vorstand bewusst einen nichtigen Jahresabschluss vor, um einen Kredit gewährt zu bekommen, so macht er sich des Betrugs nach § 263 StGB schuldig, wenn der anderen Partei dadurch ein Vermögensschaden entsteht.422 Kommt es dazu nicht, liegt ein Kreditbetrug nach § 265b Abs. 1 Nr. 1 a) StGB vor.423 Bei nur geringen Fehlern handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 HGB.424 Außerdem kommt eine Strafbarkeit der Vorstandsmitglieder gemäß §§ 401, 92 Abs. 1 AktG in Frage, wenn sich bei der Aufstellung des Jahresabschlusses gezeigt hat, dass die Hälfte des Grundkapitals verloren ist, der Vorstand es aber unterlassen hat, unverzüglich eine Hauptversammlung einzuberufen und ihr den Verlust anzuzeigen.425 Auch der Straftatbestand des Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 5, 7 a), Abs. 6 StGB kann erfüllt sein. Hinzu kommt bei Verletzung der Buchführungspflicht die Verwirk­ lichung des § 283 b Abs. 1 Nr. 1, 3 a) StGB.426 II. Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers 1. Zivilrechtliche Konsequenzen a) Haftung gegenüber der Gesellschaft Die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der Gesellschaft im Rahmen einer Pflichtprüfung im Sinne von § 316 Abs. 1 HGB ist in § 323 Abs. 1 S. 3 HGB geregelt.427 Danach sind der Abschlussprüfer, seine Gehilfen sowie die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter der Prüfergesellschaft sowohl der prüfungspflichtigen Gesellschaft selbst als auch einem mit dieser verbundenen Unternehmen zum Schadensersatz verpflichtet, wenn der jeweiligen Gesellschaft in Folge einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung ein Vermögensschaden entsteht. Zu den von § 323 Abs. 1 S. 3 HGB erfassten Pflichten zählt insbesondere die Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung, vgl. § 323 Abs. 1 S. 1 1. HS HGB. Gemäß § 317 Abs. 1 S. 2 HGB erstreckt sich die Abschlussprüfung darauf, ob die gesetzlichen Vorgaben sowie die diese ergänzenden Bestimmungen 421 BGH NJW 2010, 3458 (3460); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 216; Weilep /  Weilep, BB 2006, 147 (152). 422 GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 216; Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 423 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 424 Vgl. für die GmbH: Wimmer, DStR 1997, 1931 (1934). 425 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 426 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 427 MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn. 15.

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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eingehalten wurden. Zu dieser Frage muss der Abschlussprüfer sowohl nach § 321 Abs. 2 S. 1 HGB im Prüfungsbericht als auch nach § 322 Abs. 3 S. 1 HGB im Abschlussvermerk Stellung nehmen. Mithin ist die Wirksamkeit oder Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach vorzugswürdiger Ansicht Gegenstand der Abschlussprüfung.428 Somit verletzt der Abschlussprüfer beispielsweise seine Pflichten, wenn er schuldhaft trotz Überbewertung einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt und die Scheingewinne daraufhin ausgeschüttet werden.429 Allerdings kann die Haftung gemäß § 254 BGB zu kürzen sein oder komplett entfallen, soweit die prüfungspflichtige Gesellschaft für den entstandenen Schaden mitverantwortlich ist.430 Davon ist insbesondere auszugehen, wenn gesetzliche Vertreter oder Mitarbeiter der Gesellschaft den Abschluss vorsätzlich gefälscht haben, vorsätzlich gefälschte Dokumente vorlegen oder vorsätzlich unrichtig Auskunft geben.431 Im Übrigen ist der Anspruch gemäß § 323 Abs. 1 S. 3 HGB nach Maßgabe des § 323 Abs. 2 HGB der Höhe nach begrenzt, wenn weder eine vorsätzliche Pflichtverletzung noch im Fall einer Kapitalgesellschaft i. S. v. § 316a S. 2 Nr. 1 HGB eine grob fahrlässige Pflichtverletzung vorliegt. Im Verhältnis zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht stellt § 323 Abs. 1 S. 3 HGB eine Spezialregelung dar, welche den allgemeinen Vorschriften vorgeht.432 Deliktische Ansprüche, etwa gemäß §§ 823, 824, 826 BGB, sind hingegen denkbar, wobei zu beachten ist, dass § 323 HGB kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellt.433 Sollte einer der aufgeführten Ansprüche neben § 323 Abs. 1 S. 3 BGB bestehen, so findet die Haftungsbegrenzung des § 323 Abs. 2 HGB keine Anwendung.434 b) Haftung gegenüber Dritten Auch ein mit der Gesellschaft verbundenes Unternehmen kann einen Anspruch gemäß § 323 Abs. 1 S. 3 HGB geltend machen, sofern ihm in Folge der Pflichtver 428

Koch, AktG, § 256 Rn. 32; GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 217; BeckOGK /  Jansen, § 256 Rn. 94; Kropff, FS Havermann, S.  321 (337 ff.); Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 256 Rn. 23. 429 BGH AG 1994, 81 (81); GroßkommAktG / T. Bezzenberger, § 256 Rn. 215. 430 OLG Jena Urt. v. 16. 1. 2008 – 7 U 85/07, BeckRS 2011, 18092; BeckBil-Komm / Justenhoven / Feldmüller, HGB, § 323 Rn. 95; MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn. 74. 431 OLG Jena Urt. v. 16. 1. 2008 – 7 U 85/07, BeckRS 2011, 18092; BeckBil-Komm / Justenhoven / Feldmüller, HGB, § 323 Rn. 96. 432 MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn. 14; BeckOGK / Bormann, HGB, § 323 Rn. 140; a. A.: Baetge / K irsch / T hiele / Hennrichs, Bilanzrecht, § 323 HGB Rn. 60. 433 Baetge / K irsch / T hiele / Hennrichs, Bilanzrecht, § 323 HGB Rn. 60; BeckOGK / Bormann, HGB, § 323 Rn.  141; Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn / Böcking / Gros / Rabenhorst, HGB, § 323 Rn. 16. 434 BeckOGK / Bormann, HGB, § 323 Rn.  141; Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn / Böcking /  Gros / Rabenhorst, HGB, § 323 Rn.  16; a. A.: Baetge / K irsch / T hiele / Hennrichs, Bilanzrecht, § 323 HGB Rn. 60.

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2. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft

letzung des Abschlussprüfers ein Schaden entstanden ist. Ob darüber hinaus Ansprüche Dritter gegen den Abschlussprüfer in Betracht kommen, richtet sich nach den allgemeinen Regeln.435 Im Hinblick auf eine mögliche vertragliche Haftung wird diskutiert, ob sich ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter i. V. m. dem Prüfungsvertrag ergeben kann. Während ein Teil der Literatur436 der Ansicht ist, dass es sich bei § 323 Abs. 1 S. 3 HGB und den deliktischen Vorschriften um eine abschließende Regelung der Dritthaftung des Abschlussprüfers handelt, spricht sich eine andere Meinung437 aus Gerechtigkeitsgründen für eine Haftung aus. In der Rechtsprechung besteht indessen Einigkeit darüber, dass Ansprüche Dritter nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter durchaus bestehen können, aber an die Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich strenge Anforderungen zu stellen sind, da ansonsten die gesetzgeberische Wertung des § 323 Abs. 1 S. 3 HGB unterlaufen wird.438 Insbesondere müsse für den Abschlussprüfer erkennbar sein, dass im Drittinteresse eine über die gesetzlich vorgeschriebene Prüfungspflicht hinausgehende Leistung erwartet wird.439 Gegen die Einbeziehung prüfungsfremder Dritter in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags spricht zunächst der Wortlaut des § 323 Abs. 1 S. 1 HGB, welcher die Haftung des Abschlussprüfers ausdrücklich nur auf mit der prüfungspflichtigen Gesellschaft verbundene Unternehmen erweitert.440 Auch in den allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom 1. Januar 2017, welche dem Prüfungsbericht als Anlage beizulegen sind, wird in Abschnitt 1 Abs. 2 deutlich gemacht, dass eine Haftung gegenüber Dritten nur in Betracht kommt, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde oder sich aus zwingenden gesetzlichen Regelungen ergibt.441 Hintergrund der Regelungen ist es, die Haftung des Abschlussprüfers angemessen zu begrenzen. Könnten sich eine Vielzahl von dem Abschlussprüfer unbekannten Gesellschaftern, Gläubigern oder zukünftigen Anteilserwerbern auf eine Verletzung der Pflichten aus dem Prüfungsvertrag berufen, entstünde ein unüberschaubares Haftungsrisiko, welches dem Abschlussprüfer nicht zumutbar wäre.442 Dieser Intention würde es 435 BGH BB 1961, 652 (652); BGH ZIP 1998, 826 (828); BeckBil-Komm / Justenhoven /  Feldmüller, HGB, 323 Rn. 142 ff.; MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn.  91; Koller / K indler / Roth /  Drüen / Morck / Bach, HGB, § 323 Rn. 9. 436 BeckOGK / Bormann, HGB, § 323 Rn. 151; MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn. 152. 437 Heppe, WM 2003, 753 (760 f.); Otto / Mittag, WM 1996, 325 (331 f.); Grunewald, ZGR 1999, 584 (598) für den Fall, dass eine Kontaktaufnahme zwischen Drittem und Abschlussprüfer stattgefunden hat; Sieger / Gätsch, BB 1998, 1408 (1408 f.). 438 BGH DStR 2012, 1825 (1826); BGH ZIP 2009, 1166 (1167 f.); BGH Beschl. v. 11. 11. 2008 – III ZR 313/07, BeckRS 2008, 24194 Rn. 5; BGH ZIP 2008, 2270 (2270 ff.); BGH AG 2006, 197 (198); OLG Köln BeckRS 2016, 06014 Rn. 24; OLG München Urt. v. 12. 11. 2009 – 23 U 2516/09, BeckRS 2009, 86159; OLG Düsseldorf DStRE 2010, 449 (451 ff.). 439 BGH DStR 2012, 1825 (1826). 440 MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn. 153. 441 MüKoHGB / Ebke, § 323 Rn. 136. 442 BGH DStR 2012, 1825 (1826).

§ 4 Weitere Folgen der Nichtigkeit

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zuwiderlaufen, eine Dritthaftung vorschnell über die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter anzunehmen. Allerdings kann diesem Bedürfnis auf tatbestandlicher Seite entsprochen werden, so dass Ansprüche Dritter in diesem Zusammenhang nicht von vorneherein ausgeschlossen sein sollten. Berechtigterweise ist aber zu fordern, dass an die Voraussetzungen eines Vertrags zugunsten Dritter strenge Anforderungen zu stellen sind und folglich eine Haftung nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommt. Für eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags genügt es demnach nicht, dass Dritte auf Grund des erteilten Bestätigungsvermerks auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses vertrauen. Vielmehr muss für den Abschlussprüfer erkennbar sein, dass im Interesse eines Dritten eine über die Pflichtprüfung hinausgehende Leistung erwartet wird.443 Sollte demnach ausnahmsweise von der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags auszugehen sein, so muss die Haftungsbeschränkung des § 323 Abs. 2 HGB auch auf den Anspruch des Dritten Anwendung finden, da die Haftung gegenüber dem Dritten nicht den Umfang der Primärhaftung gegenüber dem Auftraggeber übersteigen darf.444 2. Strafrechtliche Konsequenzen Verletzt der Abschlussprüfer seine Berichtspflicht, so macht er sich gemäß § 332 HGB und § 403 AktG strafbar.445 Des Weiteren kann er sich der Beihilfe (§ 27 StGB) strafbar machen, wenn er vom Vorgehen der Geschäftsführung weiß und trotzdem einen Bestätigungsvermerk erteilt.446 Als Bußgeldtatbestand kommt § 334 Abs. 2 HGB in Betracht.

443

BGH DStR 2012, 1825 (1826); BGH Beschl. v. 11. 11. 2008 – III ZR 313/07, BeckRS 2008, 24194 Rn. 5. 444 BGH BB 1998, 1152 (1154); BGH ZIP 2012, 1128 (1130); BeckBil-Komm / Justenhoven /  Feldmüller, HGB, § 323 Rn. 173; Sieger / Gätsch, BB 1998, 1408 (1409). 445 Heidel, AktG, § 256 Rn. 46. 446 Heidel, AktG, § 256 Rn. 46; Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152).

Dritter Teil

Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH Zu untersuchen bleibt, welche Konsequenzen die Nichtigkeit des Jahresabschlusses für die GmbH hat. Fraglich ist insbesondere, wie sich die Nichtigkeit auf die Gewinnverwendung auswirkt und ob in diesem Zusammenhang die für die Aktiengesellschaft befürwortete Heilungslösung ebenfalls eine tragfähige Lösung darstellt. Außerdem ist zu prüfen, ob das für die Aktiengesellschaft gefundene Lösungsmodell der schwebenden Unwirksamkeit von Folgeabschlüssen auf die GmbH übertragen werden kann. Voraussetzung hierfür wäre jeweils, dass die Interessenlage bei der GmbH vergleichbar ist und auch keine GmbH-spezifischen Besonderheiten einer Übertragung entgegenstehen. Um dies beurteilen zu können, ist zunächst zu erläutern, wie der Jahresabschluss einer GmbH zustande kommt und unter welchen Voraussetzungen von dessen Nichtigkeit auszugehen ist.

§ 1 Feststellung des Jahresabschlusses Der Jahresabschluss einer GmbH besteht gemäß §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 S. 1 HGB aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie dem Anhang (§§ 284 ff. HGB). Der Lagebericht ist hingegen auch bei der GmbH nach herrschender Ansicht nicht Teil des Jahresabschlusses (289 HGB), so dass für dessen Feststellung nicht die Gesellschafterversammlung, sondern einzig die Geschäftsführung zuständig ist.1 Zwar argumentiert eine Ansicht in der Literatur, dass der Lagebericht derart eng mit dem Jahresabschluss verbunden sei, dass eine einheitliche Feststellung erfolgen sollte.2 Dem ist aber zu entgegnen, dass sofern die Beteiligung der Gesellschafterversammlung auch bezüglich des Lageberichts für erforderlich gehalten wird, dies problemlos im Rahmen des Gesellschaftsvertrags verbindlich festgelegt werden kann.3 Des Weiteren steht es den Gesellschaftern frei, Weisungen hinsichtlich der Gestaltung des Lageberichts zu erteilen.4 Letztlich ist der Wortlaut der §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 HGB eindeutig, so dass der Lagebericht richtigerweise nicht Teil des Jahresabschlusses ist.5 1

  Noack / Servatius / Haas / Noack, § 46 Rn. 9; Scholz / K .  Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 7; ­ owedder / Pentz / Ganzer, GmbHG, § 46 Rn. 3; MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 16a; AltR meppen, GmbHG, § 46 Rn. 3. 2 Rowedder / Schmidt-Leithoff / Koppensteiner / Gruber, GmbHG (5. Auflage), § 46 Rn. 3. 3 MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 16a. 4 MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 16a. 5 MHLS / Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 18.

§ 1 Feststellung des Jahresabschlusses

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Die Aufstellung des Jahresabschlusses einer GmbH erfolgt durch die Geschäftsführung (§§ 264 Abs. 1 S. 1 HGB, § 41 GmbHG), diese hat den Jahresabschluss innerhalb der Frist des § 264 Abs. 1 S. 3 HGB bzw. § 264 Abs. 1 S. 4 HGB aufzustellen und im Anschluss gemäß § 42a Abs. 1 GmbHG unverzüglich der Gesellschafterversammlung vorzulegen. Ist die GmbH prüfungspflichtig (§ 316 Abs. 1 S. 1 HGB), so hat die Abschlussprüfung nach Maßgabe der §§ 316 ff. HGB zu erfolgen. Im Anschluss ist der Prüfungsbericht des Abschlussprüfers den Gesellschaftern zuzuleiten (§ 42a Abs. 1 S. 2 GmbHG). Dies gilt im Fall einer mitbestimmten GmbH gemäß § 42a Abs. 1 S. 3 GmbHG ebenfalls für die Prüfungsergebnisse des Aufsichtsrates. Sodann entscheidet die Gesellschafterversammlung gemäß §§ 46 Nr. 1, 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit über die Feststellung des Jahresabschlusses, ohne dass die Einhaltung einer besonderen Form erforderlich wäre.6 In der Satzung kann die Zuständigkeit über die Feststellung des Jahresabschlusses übertragen werden, so dass auch die Feststellung durch die Geschäftsführung, den Aufsichtsrat oder einen Ausschuss denkbar ist.7 Bleibt es bei der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung, so haben die Gesellschafter regelmäßig acht Monate Zeit, um über den Jahresabschluss zu beschließen, vgl. § 42a Abs. 2 S. 1 GmbHG. Handelt es sich um eine kleine GmbH im Sinne von § 267 Abs. 1 HGB, dann gilt nach § 42a Abs. 2 S. 1 GmbHG eine verlängerte Frist von elf Monaten. Bei einer Ein-Mann-GmbH bedarf es keiner förmlichen Gesellschafterversammlung, allerdings ist der Beschluss nach Maßgabe des § 48 Abs. 3 GmbHG unverzüglich zu protokollieren.8 Im Rahmen der Jahresabschlussfeststellung ist die Gesellschafterversammlung nicht an den von der Geschäftsführung vorgelegten Entwurf gebunden, sondern kann innerhalb der Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung und Bilanzierung sowie eventuell getroffener Satzungsvorgaben Bilanzierungswahlrechte frei ausüben.9 Weicht allerdings eine prüfungspflichtige GmbH von dem Entwurf der Geschäftsführung ab, so bedarf es einer Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3 HGB.10 Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob die Gesellschafterversammlung nach erfolgter Änderung – und damit vor der erforderlichen Nachtragsprüfung – den Feststellungsbeschluss fassen darf oder ob der geänderte Jahresabschluss erst nach der Prüfung festgestellt werden kann. Insofern könnte § 173 Abs. 3 AktG entsprechend gelten.11 Danach wird die Feststellung bezüglich des geänderten Jahresabschlusses erst vollständig wirksam, wenn der 6

Scholz / K .  Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 9, 16; MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 27 f.; MHLS / Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 31, 33. 7 MHLS / Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 89; Scholz / K .  Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 46; Rowedder / Pentz / Ganzer, GmbHG, § 46 Rn. 10. 8 MHLS / Römermann, GmbHG, § 46 Rn. 35; MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 29. 9 BGH GmbHR 2008, 1092 (1094), BGH NZG 2008, 783 (785); Noack / Servatius / Haas /  Noack, GmbHG, § 46 Rn. 9; Rowedder / Pentz / Ganzer, GmbHG, § 46 Rn. 6; Scholz / K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 14; MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 30. 10 MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 32; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 14. 11 So FG Düsseldorf DStRE 06, 340 (343); MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 32; Noack /  Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  26; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 72.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

Abschlussprüfer einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Erfolgt die Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks aber nicht innerhalb von zwei Wochen nach Beschlussfassung, so ist die Feststellung nichtig, § 173 Abs. 3 S. 2 AktG. Für eine Analogie spricht, dass wie bei der Aktiengesellschaft der mit einer weiteren Gesellschafterversammlung verbundene Aufwand wo möglich vermieden werden sollte. Überdies besteht ein ebenso großes Bedürfnis nach rascher Klärung. Mithin gilt § 173 Abs. 3 AktG auch im GmbH-Recht.12 Infolge der Feststellung durch die Gesellschafterversammlung wird der Jahresabschluss als Grundlage für die Gewinnverteilung, als Anfangsbilanz des Folgejahres sowie für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander sowie gegenüber der Gesellschaft verbindlich.13 Gemäß § 325 Abs. 1 und Abs. 1a HGB ist der festgestellte Jahresabschluss von den Geschäftsführern innerhalb von zwölf Monaten nach Abschlussstichtag des Geschäftsjahres offenzulegen. Dies erfolgt durch Einreichung der entsprechenden Unterlagen zum elektronischen Bundesanzeiger, bei einer Kleinst-GmbH genügt es nach § 326 Abs. 3 HGB, wenn die erforderlichen Informationen zur dauerhaften Hinterlegung eingereicht und ein Hinterlegungsauftrag erteilt wird.

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung Eine ausdrückliche Regelung, welche Inhalts- oder Verfahrensfehler zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, enthält das GmbH-Gesetz nicht. Hier zeigt sich die Tendenz des Gesetzgebers, viele die GmbH betreffende Fragen entweder gar nicht oder nur lückenhaft zu normieren.14 So finden sich generell schon keine Vorschriften zu der Frage, wie mit mangelhaften Gesellschafterbeschlüssen zu verfahren ist. Daher sind sowohl Rechtsprechung als auch der Großteil der Literatur dazu übergegangen, das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG) unter Berücksichtigung der GmbH-spezifischen Besonderheiten entsprechend anzuwenden.15 Das bedeutet im Grundsatz, dass auch im GmbH-Recht zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen zu unterscheiden ist. Ein Beschluss ist analog § 241 AktG nichtig, wenn einer der in § 241 AktG 12

BFH GmbHR 2007, 206 (208); MüKoGmbHG / Liebscher, § 46 Rn. 32. BGH NZG 2009, 659 (661); OLG Hamm GmbHR 2006, 1204 (1204); Rowedder / Pentz /  Ganzer, GmbHG, § 46 Rn. 4; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 9, 13. 14 Siehe dazu etwa Fleischer, GmbHR 2008, 673; Habersack / Casper / Löbbe / Ulmer / Habersack, GmbHG, Einl. Rn. A26 ff. 15 BGH GmbHR 1954, 28 (29); BGH NJW 1954, 385 (386); BGH NJW 1987, 2514 (2514 f.); BGH NJW 1996, 259 (259); Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 1, 3; Altmeppen, GmbHG, Anh. § 47 Rn.  2; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh.  47 Rn.  3; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1; Windbichler, GesR, § 22 Rn. 17; a. A.: Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, S. 219 ff.; Casper, ZHR 1999, 54 (84), die einen Anspruch auf Aufhebung des Beschlusses aus dem allgemeinen Rechtsinstitut der Mitgliedschaft in Verbänden ableiten wollen. 13

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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genannten, teilweise im Hinblick auf die Eigenart der GmbH modifizierten Nichtigkeitsgründe einschlägig ist. Liegt hingegen keiner der aufgeführten Nichtigkeitsgründe vor, ist der von der Gesellschafterversammlung gefasste Beschluss zunächst bindend, kann aber durch Anfechtungsklage beseitigt werden (§§ 243, 245, 246 AktG analog). Sofern es um Mängel im Hinblick auf das Verfahren der Feststellung oder den Inhalt des Jahresabschlusses geht, verdrängen im Aktienrecht die Spezialregeln der §§ 256, 257 AktG das allgemeine Beschlussmängelrecht.16 So könnte es auch im GmbH-Recht sein, so dass sich die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 AktG analog bestimmen würde und der Jahresabschluss gemäß § 257 Abs. 1 S. 2 AktG analog nur bei Verfahrensfehlern anfechtbar wäre. Davon wäre auszugehen, wenn die Anwendung der Spezialregelungen der §§ 256, 257 AktG auch im GmbH-Recht sinnvoll ist. Ansonsten wäre an Hand der §§ 241 ff. AktG analog zu bestimmen, ob der Jahresabschluss wirksam festgestellt wurde.

A. Generelle Übertragbarkeit der §§ 256, 257 AktG Die entsprechende Anwendung der §§ 256, 257 AktG kommt nur dann in Frage, wenn eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage bestehen. Ob dies der Fall ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich bewertet. I. Rechtsprechung Nach Ansicht der Rechtsprechung finden die Grundsätze des § 256 AktG auf die GmbH entsprechende Anwendung.17 Da das Verfahren der Sonderprüfung (§§ 258 ff. AktG) hingegen nicht analogiefähig sei, komme der Ausschluss der Anfechtbarkeit wegen inhaltlicher Mängel gemäß § 257 Abs. 1 S. 2 AktG für die GmbH nicht in Betracht.18 Somit führe ein Verstoß gegen Gesetz oder Satzung, der nicht bereits die Nichtigkeit des Jahresabschlusses begründet, stets zu dessen Anfechtbarkeit. Sofern nur ein marginaler Mangel vorliege, sei das Anfechtungsrecht aber aus Treuepflichtgründen ausgeschlossen.

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Vergleiche Zweiter Teil  § 2 A. I. BGH ZIP 1982, 1077 (1080); BGH NJW 1998, 1559 (1560); OLG Hamm AG 1992, 233 (234); OLG Hamm OLGR Hamm 1995, 237 (238), BGH GmbHR 2008, 1092 (1093). 18 BGH GmbHR 1998, 324 (326); BGH GmbHR 2008, 1092 (1093); KG Berlin NZG 2001, 845 (846); OLG Brandenburg GmbHR 1997, 796 (797). 17

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

II. Ansichten in der Literatur 1. §§ 256, 257 AktG analog Frühe Literaturstimmen halten die §§ 256, 257 AktG für grundsätzlich analogiefähig, wobei im Interesse der Rechtssicherheit auch bei der GmbH der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG entsprechend gelten soll.19 Es bestünde aber ein Anspruch der Gesellschafter darauf, dass die nächste Bilanz mit berichtigten Werten erstellt werde. 2. Allgemeines Beschlussmängelrecht unter Heranziehung einzelner Bestimmungen des § 256 AktG Ein anderer Teil der Literatur bestimmt die Wirksamkeit des Jahresabschlusses einer GmbH nach den allgemeinen Nichtigkeits- und Anfechtungsvorschriften der §§ 241 ff. AktG und wendet nur vereinzelt Bestimmungen des § 256 AktG analog auf die GmbH an.20 Die §§ 256, 257 AktG bilden ein in sich geschlossenes, auf die Besonderheiten der Aktiengesellschaft abgestimmtes System, welches mangels vergleichbarer Interessenlage nicht insgesamt auf die GmbH übertragbar sei. 3. Anwendung der §§ 241 ff. AktG analog Eine vereinzelt in der Literatur vertretene Ansicht geht davon aus, dass sich Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses einer GmbH nach den allgemeinen Vorschriften richten, wobei § 256 AktG allenfalls eine Orientierungsmöglichkeit bietet.21 Für die Anwendung der §§ 256, 257 AktG bestünde kein Raum. 4. § 256 AktG analog unter Berücksichtigung der Besonderheiten der GmbH Der Großteil der Literatur wiederum wendet § 256 AktG analog als abschließende Regelung zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses ebenfalls auf die GmbH an, soweit dessen Bestimmungen auf die GmbH passen.22 Da mit den §§ 238 ff., 19

Gutbrod, GmbHR 1966, 80 (84 f.); Däubler, GmbHR 98, 4 (11). Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (135); Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 109 ff. 21 Altmeppen, GmbHG, § 42a Rn. 37 f.; Hachenburg / Schilling / Z utt, GmbHG, Anh. § 47 Rn.  62 ff.; Rowedder / Schmidt-Leithoff / Koppenstein / Gruber, GmbHG (5. Auflage), § 47 Rn. 109. 22 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 24, 33; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177); Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 68; Scholz /  K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 36, 38; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 123, 196; 20

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264 ff. HGB übereinstimmende Regelungen für Jahresabschlüsse aller Kapital­ gesellschaften gelten, sei auch die Gültigkeit des Jahresabschlusses von Aktiengesellschaft und GmbH weitestgehend nach denselben Grundsätzen zu bestimmen. Im Übrigen bedürfe es auch bei der GmbH der Nichtigkeitssanktion des § 256 AktG, um den Gläubigerschutz sowie die Einhaltung der Kapitalsicherungsvorschriften sicherzustellen.23 Gleichzeitig seien die Nichtigkeitsfolgen aber auf gravierende Fehler zu beschränken, was durch die abschließende Regelung der Nichtigkeitsgründe in § 256 AktG gewährleistet werde.24 § 257 Abs. 1 S. 2 AktG finde hingegen keine Anwendung, weil die Norm nur im Zusammenhang mit den §§ 258 ff. AktG Sinn ergäbe, die Vorschriften zum Sonderprüfungsverfahren aber nicht analogiefähig seien. III. Stellungnahme 1. Historische Entwicklung (planwidrige Regelungslücke) Fraglich ist bereits, ob tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Um dies beurteilen zu können, ist zunächst die historische Entwicklung zu untersuchen. a) Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetzes von 1971 Erstmalig enthielt ein in der sechsten Wahlperiode eingebrachter Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetzes eine ausdrückliche Bestimmung zur Nichtigkeit der Jahresabschlussfeststellung, welche sich maßgeblich an § 256 AktG orientierte.25 § 203 Abs. 1 RegE GmbHG 1971 sah vor, dass ein Jahresabschluss, dessen Inhalt überwiegend gläubigerschützende oder sonstige im öffentlichen Interesse bestehende Vorschriften verletzt (Nr. 1), der entgegen einer bestehenden Prüfungspflicht nicht (Nr. 2) oder von einer nicht geeigneten Person (Nr. 3) geprüft wurde oder Vorschriften über die Einstellung von Beiträgen in Sonderrücklagen oder deren Entnahme verletzt, nichtig ist. Nach § 203 Abs. 2 RegE GmbHG 1971 sollte ein Jahresabschluss, welcher die Gliederungsvorschriften oder die Vorgaben zu Formblättern wesentlich missachtet, ebenfalls nichtig sein. Auch eine Über­bewertung sollte die Nichtigkeitsfolge nach sich ziehen (§ 203 Abs. 3 RegE GmbHG 1971). Im Übrigen war in Absatz 4 eine Heilungsmöglichkeit vorgesehen, sowie in Absatz 5 ein Verweis auf die Nichtigkeitsklage geplant. Die Anfechtung wegen inhaltlicher Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63 ff.; Rowedder / Pentz / Ganzer, GmbHG, § 46 Rn.  8; Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 24, 57; Weilep /  Weilep, BB 2006, 147 (147); MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 87; Balthasar, Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, S. 235 ff. 23 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 24 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 87. 25 BT-Drs. VI/3088.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

Mängel sollte durch die Vorschrift nicht ausgeschlossen werden, da nicht jeder Jahresabschluss einer GmbH durch einen Abschlussprüfer zu prüfen war und die inhaltliche Kontrolle des Jahresabschlusses damit weiterhin Aufgabe der Gesellschafter bleiben sollte.26 Die Einführung eines Sonderprüfungsverfahrens wegen unzulässiger Unterbewertung hielt man insofern ebenfalls für entbehrlich.27 Letztlich wurde der Regierungsentwurf nicht abschließend behandelt, sondern in der achten Wahlperiode durch den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GmbHGesetzes und anderer handelsrechtlicher Vorschriften28 ersetzt. Eine Norm zur Regelung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses war darin aber nicht mehr enthalten. b) Regierungsentwurf eines Bilanzrichtliniengesetzes von 1985 Erst der Regierungsentwurf eines Bilanzrichtliniengesetzes von 198529 behandelte die Thematik erneut. § 42g GmbHG des Entwurfes sah in Absatz 1 vor, dass ein Jahresabschluss unbeschadet der Nichtigkeit wegen schwerwiegender Verfahrensfehler sowie in Folge erfolgreicher Anfechtungsklage nichtig sein sollte, wenn er in wesentlichem Umfang kein den tatsächlichen Verhältnissen der Gesellschaft entsprechendes Bild vermittelt (Nr. 1), entgegen einer bestehenden Prüfungspflicht nicht (Nr. 2) oder durch eine ungeeignete Person (Nr. 3) geprüft wurde oder gesetzliche oder statutarische Bestimmungen über die Einstellung oder Entnahme von Beträgen in Gewinn- oder Kapitalrücklagen verletzt (Nr. 4). § 42g Abs. 2 GmbHG beinhaltete des Weiteren eine Heilungsmöglichkeit. Laut Gesetzesbegründung hielt die Bundesregierung die Einführung des § 42g GmbHG im Interesse der Rechtssicherheit für erforderlich.30 Inhaltich entsprach die Norm der ebenfalls geplanten Neufassung des § 256 AktG. Da die vierte Bilanzrichtlinie übereinstimmende bilanzrechtliche Vorgaben für die Aktiengesellschaft und die GmbH vorsah, hielt man es für geboten auch die Nichtigkeit des Jahresabschlusses für beide Gesellschaftsformen übereinstimmend zu regeln.31 Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses übernahm den geplanten § 42g GmbHG letztlich aber nicht, sondern wies lediglich daraufhin, dass es weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben soll, Grundsätze zu entwickeln, wann der Jahresabschluss einer GmbH nichtig ist. Als Grundlage hierzu soll insofern der unverändert gebliebene § 256 AktG dienen.32

26

BT-Drs. VI/3088, S. 194. BT-Drs. VI/3088, S. 194. 28 BT-Drs. 8/1347. 29 BT-Drs. 10/317. 30 BT-Drs. 10/317, S. 112. 31 BT-Drs. 10/317, S. 112. 32 BT-Drs. 10/317, S. 130 f. 27

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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c) Schlussfolgerungen Einer planwidrigen Regelungslücke könnte damit entgegenstehen, dass der Gesetzgeber sich mehrfach mit einer möglichen Regelung zur Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit des GmbH-Jahresabschlusses beschäftigt hat. So sah § 203 Abs. 1 RegE GmbHG 1971 eine Regelung in Anlehnung an die Nichtigkeitsvorschrift im Aktienrecht vor, die lediglich an wenigen Stellen modifiziert war, um den Besonderheiten der GmbH gerecht zu werden. § 42g GmbHG RegE BiRiLiG 1985 sollte die geplante aktienrechtliche Regelung sogar vollständig übernehmen. Trotzdem ist keiner der vorgeschlagenen Entwürfe Gesetz geworden. Andererseits überließ der Gesetzgeber es bewusst der Rechtsprechung, ausgehend von § 256 AktG Grundsätze für die Nichtigkeit des GmbH-Jahresabschlusses zu entwickeln. Hierin ist sicherlich eine Distanzierung von der vollständigen und unveränderten Übernahme der aktienrechtlichen Regelungen zu sehen.33 Trotzdem sollen die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit ausgehend von den aktienrechtlichen Normen bestimmt werden. Es bestehen damit keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Gesetzgeber der analogen Anwendung einzelner Vorschriften der §§ 256 f. AktG völlig verschließt und eine planwidrige Regelungslücke generell abzulehnen ist. Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, ob die jeweilige Norm zu den Eigenarten der GmbH auch tatsächlich passt. 2. Strukturelle Vergleichbarkeit (vergleichbare Interessenlage) Darüber hinaus müsste auch eine vergleichbare Interessenlage anzunehmen sein. Die aktienrechtlichen Spezialregelungen bezwecken, dass die Gesellschaft und deren Verwaltungsorgane sich auf den Jahresabschluss als sichere Grundlage für Entscheidungen von großer finanzieller Bedeutung verlassen können.34 Deshalb sind die Mängel, welche zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen, abschließend in § 256 AktG genannt. Auch eine zu weitreichende Anfechtungsmöglichkeit würde dem berechtigten Interesse der Gesellschaft nach Rechtssicherheit entgegenstehen, da zwischen Anfechtungsklage und der Entscheidung des Gerichts unklar bleibt, ob der Jahresabschluss Bestand hat. Wegen der schwerwiegenden Konsequenzen für die Gesellschaft würden zudem erpresserische Anfechtungsklagen drohen.35 Daher ist der von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellte Jahresabschluss überhaupt nicht und der von der Hauptversammlung festgestellte Jahresabschluss nicht wegen inhaltlicher Mängel anfechtbar. Gleichzeitig muss aber trotzdem garantiert werden, dass die Angaben im Jahresabschluss korrekt und möglichst aussagekräftig sind.36 Die Aktiengesellschaft ist als Publikumsgesellschaft konzipiert, welche durch eine 33

So auch Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (133). Ausschussbericht zu den §§ 256 bis 261, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 343. 35 Ausschussbericht zu den §§ 256 bis 261, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 343. 36 MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 87. 34

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

Vielzahl von nicht miteinander verbundenen Aktionären Kapital zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks zu beschaffen versucht (Kapitalsammelfunktion).37 Die Aktie ist am Markt frei handelbar und kann ohne größeren Aufwand übertragen werden. Für gegenwärtige und zukünftige Aktionäre ist der Jahresabschluss die zentrale Informationsquelle.38 Auch Gläubiger und andere an der Gesellschaft Beteiligte, etwa Beschäftigte, müssen sich an Hand des Jahresabschlusses ein verlässliches Bild von der Lage der Gesellschaft machen können, so dass an der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften ein öffentliches Interesse besteht.39 Um von einer strukturellen Vergleichbarkeit ausgehen zu können, müssten diese Erwägungen zumindest in wesentlichen Teilen auf die GmbH übertragbar sein. Sicherlich besteht ein ebenso großes Bedürfnis der GmbH und ihrer Organe sich auf die Feststellungen des Jahresabschlusses verlassen zu können, da dieser auch hier als Grundlage für finanzielle Entscheidungen herangezogen wird. Fraglich ist aber, ob der Jahresabschluss einer GmbH eine vergleichbare Informationsfunktion erfüllt. In diesem Zusammenhang fällt zunächst auf, dass die GmbH auf einen kleineren Kreis von Gesellschaftern angelegt ist, welche die Vorteile einer beschränkten Haftung für sich nutzen, aber kein Kapital am Markt beschaffen möchten.40 Die Übertragung der Gesellschaftsanteile ist deutlich aufwendiger (notarielle Beurkundung nach § 15 Abs. 3 bzw. 4 GmbHG) und ihr gehen regelmäßig Vertragsverhandlungen voraus, die der potentielle Erwerber nutzen kann, um sich ein Bild von der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu machen.41 Den Gesellschaftern selbst steht nach § 51 a GmbHG ein umfassendes Auskunfts- und Einsichtsrecht zu, was ihnen ermöglicht, jederzeit die Geschäftsbücher einzusehen und sich auf diese Weise über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zu informieren.42 Anders als bei der Aktiengesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG) handelt die Geschäftsführung nicht eigenverantwortlich, sondern unterliegt den Weisungen der Gesellschafter, so dass diese problemlos Einfluss auf die Unternehmensleitung nehmen können, vgl. § 37 GmbHG.43 Ohnehin verbleibt der Gesellschafterversammlung – anders als der Hauptversammlung (§§ 76, 119 AktG) – ein umfassender Zuständigkeitsund Aufgabenkreis, vgl. § 46 GmbHG. So entscheidet die Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 1 GmbH selbst über die Feststellung des Jahresabschlusses. Den Gesellschaftern einer GmbH stehen mithin im Vergleich zu den Aktionären einer Aktiengesellschaft deutlich weitreichendere Informations- und Einflussmöglich 37

Hommelhoff, Die deutsche GmbH im System der Kapitalgesellschaften, S. 27, 37; Fehren­ bach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, S. 117. 38 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (134). 39 Ausschussbericht zu den §§ 256 bis 261, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 343; Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 110. 40 Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, S. 120; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (135). 41 Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, S. 121 ff.; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (135). 42 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (135). 43 Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 111.

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keiten zur Verfügung. Ein mit den Aktionären der Aktiengesellschaft vergleichbares Informationsbedürfnis der Gesellschafter im Hinblick auf den Jahresabschluss besteht daher nicht. Allerdings ist die GmbH wie die Aktiengesellschaft eine Kapitalgesellschaft, so dass für die Gesellschaftsschulden nur die Gesellschaft selbst, nicht aber die Gesellschafter persönlich haften. Es ist mithin von zentraler Bedeutung für die Gläubiger der Gesellschaft, wie die Gesellschaft finanziell dasteht. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft widerspiegelt. Insofern stellt auch der GmbH-Jahresabschluss eine Informationsquelle von öffentlichem Interesse da, was die Offenlegungspflicht nach § 325 HGB bestätigt. Mithin besteht ein vergleichbares Interesse an der Bestandskraft des Jahresabschlusses sowie der Sanktionswirkung der Nichtigkeit bei schwerwiegenden Mängeln, so dass die Spezialregeln der §§ 256, 257 AktG grundsätzlich entsprechend auch auf die Jahresabschlussfeststellung in der GmbH Anwendung finden sollten. Gleichzeitig bestehen aber auch strukturelle Unterschiede im Hinblick auf die Bedeutung und das Zustandekommen des Jahresabschlusses bei Aktiengesellschaft und GmbH, welche zu berücksichtigen sind. Demnach verbietet sich eine pauschale Übertragung, vielmehr ist für jede Regelung gesondert zu bestimmen, ob sie auch der Interessenlage in der GmbH entspricht. 3. Ergebnis Es besteht eine planwidrige Regelungslücke und auch die Interessenlage ist – wenn auch nicht uneingeschränkt – vergleichbar, so dass die Spezialregeln der 256, 257 AktG grundsätzlich entsprechende Anwendung im GmbH-Recht finden. Auf Grund der bestehenden strukturellen Unterschiede ist allerdings für jede Norm gesondert zu bestimmen, ob sie den Besonderheiten der GmbH gerecht wird.

B. Analoge Anwendung der einzelnen Vorschriften der §§ 256 ff. AktG I. Anfechtung, § 257 AktG Es bestehen keine Zweifel daran, dass ein Jahresabschluss, der gegen Gesetz oder Satzung verstößt, ohne nichtig zu sein, in analoger Anwendung der §§ 257, 243 AktG anfechtbar ist.44 Genauer zu untersuchen ist aber, ob auch der Ausschluss 44

BGH GmbHR 1998, 324 (326); BGH GmbHR 2008, 1092 (1093); KG Berlin NZG 2001, 845 (846); OLG Brandenburg GmbHR 1997, 796 (797); Habersack / Casper / Löbbe / Raiser /  Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 130; Scholz / K .  Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 38; Brete /  Thomsen, GmbHR 2008, 176 (177); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (145).

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

nach § 257 Abs. 1 S. 2 AktG im GmbH-Recht entsprechend gilt. Dann könnte der Jahresabschluss einer GmbH nur wegen verfahrensrechtlicher, nicht aber aufgrund inhaltlicher Mängel angefochten werden. Im Aktienrecht wollte man die Anfechtung des Jahresabschlusses möglichst ausschließen, um den rechtlichen Bestand des einmal festgestellten Jahresabschlusses zu sichern.45 Daher kann ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluss überhaupt nicht und ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluss nur wegen Verfahrensfehlern angefochten werden. Folge des Ausschlusses ist allerdings, dass die Aktionäre nicht gegen eine Unterbewertung, welche sich außerhalb des Nichtigkeitsgrundes des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG bewegt, vorgehen können. Daher besteht nach §§ 258 ff. AktG die Möglichkeit, ein Sonderprüfungsverfahren einzuleiten.46 Fraglich ist, ob ein so weitreichender Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit im GmbH-Recht gerechtfertigt ist. Sicherlich besteht auch in der GmbH ein Interesse daran, die Anfechtung des Jahresabschlusses und die damit verbundenen Unsicherheiten für die Gesellschaft möglichst zu verhindern. Allerdings sind die mit einer Anfechtungsklage verbunden Konsequenzen für die GmbH nicht so weitreichend wie für die Aktiengesellschaft.47 Da die Anzahl der Gesellschafter regelmäßig überschaubar ist, lassen sich kleinere Fehler ohne großen Aufwand beheben. Des Weiteren besteht ein deutlich geringeres Risiko für erpresserische Anfechtungsklagen, da die Gesellschaft auch losgelöst von den Feststellungen des Jahresabschlusses bereits Gewinne vorab ausschütten kann.48 Sollte die Anfechtungsklage dennoch nur deshalb erhoben werden, um die Gesellschaft zu blockieren, so ist diese wegen des Missbrauchs der Treuepflicht abzuweisen.49 Darüber hinaus führen – wie gesehen – ohnehin nur relevante Mängel zu einem Anfechtungsrecht.50 Das Interesse an der Bestandskraft kann daher hier nicht höher wiegen als die inhaltliche Richtigkeit des Jahresabschlusses, so dass die mit der analogen Anwendung des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG verbundene Einschränkung des Anfechtungsrechts der Gesellschafter in der GmbH nicht hingenommen werden kann. Der GmbH-Jahresabschluss kann mithin auch wegen inhaltlicher Mängel angefochten werden. Folglich ist ein Jahresabschluss, der gegen Gesetz oder Satzung verstößt, ohne nichtig zu sein, nach §§ 257 Abs. 1 S. 1, 243 AktG analog anfechtbar.

45

MüKoAktG / J. Koch, § 257 Rn. 2; BeckOGK / Jansen, AktG, § 257 Rn. 3; Koch, AktG, § 257 Rn. 2. 46 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (147). 47 Begr. RegE GmbHG 1971, BT-Drs. VI/3088, S. 195. 48 RGZ 85, 43 (44 f.); BGH NJW 2002, 3774 (3775); BFH BB 1991, 1694 (1695); BGH ZIP 2013, 1222 (1224); BGH AG 1978, 106 (107); OLG Hamm GmbHR 1992, 456 (457); Habersack / Casper / Löbbe / L euschner, GmbHG, § 29 Rn. 229; Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 106; Lutter / Hommelhoff / Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 45; Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 69; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 98; G. Hueck, ZGR 1975, 133 (148). 49 BGH GmbHR 2008, 1092 (1093). 50 Vergleiche Zweiter Teil § 2 B.

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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II. Sonderprüfungsverfahren, §§ 258 ff. AktG In diesem Zusammenhang stellt sich des Weiteren die Frage, ob das Sonderprüfungsverfahren nach den §§ 258 ff. AktG analogiefähig ist. Die §§ 258 ff. AktG beruhen auf der aktienrechtlichen Besonderheit, dass der Jahresabschluss grundsätzlich von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird und die Aktionäre in diesen Fällen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 256 AktG mangels Anfechtungsrechts nicht gegen eine fehlerhafte Feststellung vorgehen können.51 Da insbesondere an die Nichtigkeit wegen Unterbewertung nach § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG hohe Anforderungen zu stellen sind und die Aktionäre zudem regelmäßig keine Einblicke in gesellschaftsinterne Angelegenheiten haben, bliebe eine Unterbewertung unterhalb der Nichtigkeitsschwelle folgenlos.52 Um dies zu verhindern, kann nach den §§ 258 ff. AktG eine mögliche Unterbewertung sowie eine unvollständige Berichterstattung im Anhang durch einen Sonderprüfer untersucht werden. Gleichzeitig bleibt die Wirksamkeit des Jahresabschlusses unberührt,53 so dass die mit einer Anfechtung des Jahresabschlusses verbundene Rechtsunsicherheit vermieden werden kann. Bei der GmbH entscheiden die Gesellschafter hingegen selbst über die Feststellung des Jahresabschlusses.54 Zugleich kommt ihnen ein umfassendes Auskunftsund Einsichtsrecht in die Gesellschaftsbücher (§ 51a GmbHG) zu, mittels dessen die im aufgestellten Jahresabschluss gemachten Angaben überprüft oder fehlende Informationen eingeholt werden können.55 Darüber hinaus ist die Tragweite der Anfechtung eines GmbH-Jahresabschlusses – wie gerade ausgeführt – nicht mit derjenigen bei der Aktiengesellschaft vergleichbar. Deshalb ist die Anfechtung auch nicht ausgeschlossen oder auf verfahrensrechtliche Mängel beschränkt.56 Somit entsteht erst gar keine Schutzlücke, die durch ein Sonderprüfungsverfahren nach den §§ 258 ff. AktG analog zu schließen wäre. Im Übrigen besteht für die Gesellschafter die Möglichkeit bilanzielle Fragen im Wege der allgemeinen Sonderprüfung untersuchen zu lassen.57 Im Ergebnis besteht daher kein Raum für eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen zum Sonderprüfungsverfahren (§§ 258 ff. AktG) auf die GmbH.58

51

Grigoleit / Ehmann, AktG, § 258 Rn. 1; GroßkommAktG / Mock, § 258 Rn. 13. Grigoleit / Ehmann, AktG, § 258 Rn. 1; MüKoAktG / J. Koch, § 258 Rn. 2. 53 MüKoAktG / J. Koch, § 258 Rn. 65. 54 KK-AktG / Arnold, § 258 Rn. 11. 55 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (148). 56 KK-AktG / Arnold, § 258 Rn. 11. 57 GroßkommAktG / Mock, § 258 Rn. 51. 58 BGH GmbHR 1998, 324 (326); KG Berlin, NZG 2001, 845 (845); GroßkommAktG / Mock, § 258 Rn. 51; KK-AktG / Arnold, § 258 Rn. 11; MüKoAktG / J.  Koch, § 258 Rn. 67; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (148). 52

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

III. Nichtigkeitsgründe des § 256 AktG 1. § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG Nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist ein Jahresabschluss nichtig, wenn sein Inhalt Vorschriften verletzt, die im Wesentlichen dem Gläubigerschutz dienen.59 Erfasst werden nur Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften, nicht aber satzungsrecht­ liche Bestimmungen. Dazu gehören in erster Linie die Bilanzierungsvorschriften, insbesondere die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung, Ansatzvorschriften sowie die Vorschriften über den Anhang.60 Fraglich ist, ob ein Verstoß gegen diese Normen auch bei der GmbH die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich ziehen sollte. Dafür spricht, dass die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften gleichermaßen für die GmbH gelten, so dass deren Missachtung auch bei einem GmbH-Jahresabschluss sanktioniert werden sollte. Den Gläubigern einer GmbH steht ebenso wie bei einer Aktiengesellschaft nur die Gesellschaft als Haftungsobjekt zur Verfügung. Die Aussagekraft des Jahresabschlusses ist mithin für die Gläubiger beider Gesellschaftsformen von enormer Bedeutung, so dass sie sich darauf verlassen können müssen, dass die Vorgaben zur ordnungsgemäßen Bilanzierung und Buchführung eingehalten wurden. Dieser Befund wird dadurch gestützt, dass der Gläubigerschutz im GmbH-Gesetz eine zentrale Rolle einnimmt.61 Durch die analoge Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist er ebenfalls bei der Feststellung des Jahresabschlusses gewährleistet. Andererseits ist auch bei der GmbH im Interesse der Rechtssicherheit sicherzustellen, dass nur ein Verstoß von erheblichem Gewicht, welcher den von der Norm bezweckten Schutz der Gesellschaftsgläubiger vollständig oder wesentlich beeinträchtigt, zur Nichtigkeit führt.62 Ist dies nicht der Fall oder verstößt der Inhalt des Jahresabschlusses gegen eine Bestimmung der Satzung, ist der Jahresabschluss hingegen nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.63 Eine Anfechtung wegen des Inhalts des Jahresabschlusses ist bei der GmbH – wie gezeigt – problemlos möglich. Gegen eine analoge Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG bestehen folglich keine Bedenken, sie entspricht der Interessenlage bei der GmbH ebenso wie bei der Aktiengesellschaft.64 Als GmbH-spezifische Besonderheit ist der Jahresabschluss 59

Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. a). Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. a). 61 Hommelhoff, Die deutsche GmbH im System der Kapitalgesellschaften, S. 27, 39. 62 BGH NJW 1983, 42 (42); BGH NJW 1994, 520 (520); LG Frankfurt DB 2001, 1483 (1483); MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 125. 63 Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63b; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 125. 64 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  25; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63b ff.; Habersack / Casper / Löbbe//Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 125 ff.; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 112; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (135). 60

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog nichtig, wenn entgegen § 42 Abs. 1 GmbHG das gezeichnete Kapital im Jahresabschluss nicht richtig ausgewiesen ist.65 2. § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG sichern die lückenlose Einhaltung der Prüfungsvorschriften.66 Gemäß § 316 Abs. 1 HGB ist auch der Jahresabschluss einer GmbH von einem Abschlussprüfer zu prüfen, es sei denn, es handelt sich um kleine Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 1 HGB). Da mithin die gleichen Prüfungsvorgaben für die Aktiengesellschaft und die GmbH bestehen, können die Nichtigkeitsgründe der § 256 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 AktG ohne Weiteres auf die GmbH übertragen werden.67 Ein Jahresabschluss ist daher entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig, wenn eine prüfungspflichtige GmbH den Jahresabschluss ohne vorherige Abschlussprüfung feststellt. Dies gilt auch dann, wenn zwar eine Prüfung vorgenommen wurde, diese aber den Mindestanforderungen nicht genügt, da kein Prüfungsbericht erstattet oder der Bestätigungsvermerk nicht erteilt oder verweigert wurde.68 In analoger Anwendung des § 173 Abs. 3 AktG ist der Jahresabschluss auch dann gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig, wenn die Gesellschafterversammlung den bereits festgestellten Jahresabschluss nach erfolgter Abschlussprüfung ändert und der Abschlussprüfer nicht innerhalb von zwei Wochen im Rahmen der erforderlichen Nachtragsprüfung nach § 316 Abs. 3 HGB einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt.69 Bestimmt der Gesellschaftervertrag einer kleinen GmbH eine Prüfungspflicht und findet dennoch keine Abschlussprüfung statt, so ist § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nicht entsprechend anwendbar. Der Jahresabschluss kann aber angefochten werden.70 § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG ordnet wiederum die Nichtigkeitsfolge für einen Jahresabschluss an, der von einer nicht befähigten Person geprüft wurde, wobei einige der in § 319 HGB genannten Voraussetzungen explizit von der Nichtigkeitssanktion ausgenommen sind. Hierunter fällt die Konstellation, dass der Abschlussprüfer 65

Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178). Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 72. 67 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 99; Noack / Servatius / Haas//Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  26, 27; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63f, 63g; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 72; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 128; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (136). 68 OLG Stuttgart NZG 2009, 951 (951); Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63f; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178). 69 Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63f; Noack / Servatius / Haas /  Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 26; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 128; Habersack /  Casper / L öbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 72; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178). 70 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 99; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (136). 66

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

nicht ordnungsgemäß bestellt wurde. Grundsätzlich entscheidet die Gesellschafterversammlung über die Person des Abschlussprüfers (§ 318 Abs. 1 S. 4 HGB), daraufhin erteilt die Geschäftsführung bzw. ein gegebenenfalls vorhandener Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag. Fehlt der Wahlbeschluss oder ist dieser nichtig, so ist der Jahresabschluss ebenfalls analog § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG nichtig.71 3. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG Auch der Nichtigkeitstatbestand des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG könnte auf den Jahresabschluss der GmbH entsprechende Anwendung finden. Gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist ein Jahresabschluss nichtig, der bei seiner Feststellung gesetzliche oder statutarische Bestimmungen über die Einstellung von Beträgen in Kapitalund Gewinnrücklagen oder die Entnahme von Beträgen aus Kapital- und Gewinnrücklagen verletzt. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG geht der Generalnorm des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG als lex specialis vor.72 Eine ältere Ansicht lehnt die analoge Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG auf die GmbH mit der Begründung ab, dass das GmbH-Gesetz keine Vorschriften über Rücklagen enthält.73 Dies war im Hinblick auf § 42 Nr. 3 und 4 GmbHG a. F. schon damals zweifelhaft.74 Heute geht die ganz herrschende Meinung davon aus, dass § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG für den GmbH-Jahresabschluss entsprechend gilt.75 Eine nähere Begründung findet sich hierzu aber kaum. Daher ist zu untersuchen, ob die Nichtigkeitssanktion des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG bei der Verletzung der für die GmbH maßgeblichen Vorschriften über die Einstellung und Entnahme von Rücklagen nach aktueller Rechtslage sach- und interessengerecht ist. a) Sicherung des Anspruchs auf Dividendenausschüttung Sinn und Zweck des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist es, die Einhaltung der sich aus Gesetz und Satzung ergebenden Vorgaben über Rücklagen sicherzustellen. Zentrale Norm ist in diesem Zusammenhang § 58 Abs. 1 AktG, der einen Ausgleich bildet zwischen dem Aktionärsinteresse an einer möglichst hohen Gewinnaus 71

Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63g. Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. b). 73 Hachenburg / Schilling / Z utt, GmbHG, § 47 Anh. Rn. 67; Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 112 f. 74 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (137). 75 Adler / D üring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 99; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  28; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn.  63i; Ebenroth / Boujong / Joost / Strohn / Böcking / Gros, HGB, § 272 Rn.  39; MHLS / Römermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 204; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 71; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47, Rn. 129; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (137). 72

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

127

schüttung und dem Interesse der Verwaltung an der Selbstfinanzierung der Gesellschaft.76 Im Regelfall stellen Vorstand und Aufsichtsrat den Jahresabschluss fest (§ 172 AktG) und entscheiden in diesem Zusammenhang auch, ob und in welcher Höhe Gewinnrücklagen zu bilden sind. Um dennoch sicherzustellen, dass ein angemessener Teil des Jahresüberschusses an die Aktionäre ausgeschüttet wird, bestimmt § 58 Abs. 2 S. 1 AktG, dass sofern die Satzung keine genauere Bestimmung trifft, nur maximal die Hälfte des Jahresüberschusses zur Rücklagenbildung verwendet werden darf. Enthält die Satzung eine Regelung, so dürfen Vorstand und Aufsichtsrat nach § 58 Abs. 2 S. 3 AktG keine Beträge in Gewinnrücklagen einstellen, wenn diese die Hälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit die Gewinnrücklagen nach der Einstellung die Hälfte des Grundkapitals übersteigen würde. Damit dient die Nichtigkeitssanktion des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG zunächst der Sicherung des Dividendenbezugsrechts der Aktionäre. Die GmbH-Gesellschafter entscheiden indessen selbst gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG über die Feststellung des Jahresabschlusses und damit über die Einstellung in Gewinnrücklagen. Sie brauchen also nicht im gleichen Maße wie die Aktionäre der Aktiengesellschaft davor geschützt werden, dass ein übermäßig großer Anteil des Gewinns in Gewinnrücklagen eingestellt wird. Insofern besteht keine vergleichbare Interessenlage.77 b) Gläubigerschutz Darüber hinaus stellen Rücklagen als zusätzliches Haftkapital eine Reserve zum Stammkapital dar, so dass die Einhaltung der Vorschriften zur Bildung und Entnahme von Rücklagen auch im Interesse der Gläubiger sicherzustellen ist.78 § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG hat damit nicht nur Aktionärs-, sondern auch Gläubigerschutzcharakter. Eine Analogie ließe sich also dann begründen, wenn die für die GmbH geltenden gesetzlichen Vorschriften über die Einstellung und Entnahme von Beträgen in Rücklagen auch im Interesse der Gläubiger bestehen. Zu unterscheiden sind insofern Kapital- und Gewinnrücklagen. Kapitalrücklagen erfassen Beiträge, die der Gesellschaft von außen auf der Grundlage gesellschaftsrechtlicher Vorgänge zugeflossen sind und nicht zum gezeichneten Kapital gehören.79 Gewinnrücklagen werden hingegen aus dem Jahresüberschuss, also aus eigenen Erträgen der Gesellschaft gebildet.80

76

BeckOGK / Jansen, AktG, § 256 Rn.  44; Hölters / Weber / Waclawik, AktG, § 58 Rn. 1. Im Ergebnis ebenso Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (136 ff.). 78 In Bezug auf Kapitalrücklagen BeckOGK / Pöschke, HGB, § 272 Rn. 93. 79 Hopt / Merkt, HGB, § 272 Rn. 6; BeckOGK / Pöschke, HGB, § 272 Rn. 91; MüKoHGB /  Reiner, HGB, § 272 Rn. 64. 80 BeckOGK / Pöschke HGB, § 272 Rn. 91; MüKoHGB / Reiner, HGB, § 272 Rn. 105. 77

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

aa) Vorschriften zu Kapitalrücklagen Zunächst regelt § 272 Abs. 2 HGB, welche Beträge in der Bilanz als Kapitalrücklage auszuweisen sind. Die Vorschrift dient nicht dem Schutz der Anteilsinhaber, sondern besteht im öffentlichen Interesse.81 Sie gilt gleichermaßen für die Aktiengesellschaft und die GmbH. Da keine Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung ersichtlich sind, sollte die Missachtung der Vorgaben des § 272 Abs. 2 HGB auch bei der GmbH zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG führen.82 § 42 Abs. 2 S. 3 GmbHG ergänzt bei der GmbH § 272 Abs. 2 HGB. Die Norm bestimmt, dass zusätzlich zu den in § 272 Abs. 2 HGB genannten Fällen auch bei einer bestehenden Nachschusspflicht eine Kapitalrücklage zu bilden ist. Konsequenterweise muss auch ein Verstoß gegen § 42 Abs. 2 S. 3 GmbHG mit der Nichtigkeit entsprechend § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG sanktioniert werden.83 Spezialgesetzliche Normen zur Bildung und Auflösung von Gewinnrücklagen sind in § 58b GmbHG und § 58c GmbHG zu finden. Übersteigt nach einer vereinfachten Kapitalherabsetzung die Aktivseite nach Auflösung der Rücklagen und Herabsetzung des Stammkapitals die Passivseite, so sind die verbleibenden Beträge bis zu einer Höhe von 10 % des herabgesetzten Stammkapitals gemäß § 58b Abs. 2 GmbHG in Kapitalrücklagen einzustellen.84 § 58b Abs. 3 GmbHG wiederum ordnet an, zu welchen Zwecken die eingestellten Rücklagen in den nächsten fünf folgenden Geschäftsjahren verwandt werden dürfen. So soll verhindert werden, dass die aus der Kapitalherabsetzung gewonnen Mittel an die Gesellschafter ausgezahlt werden, wodurch die Haftungsmasse der Gläubiger weiter schmilzt.85 Dies soll auch dann durch gesetzlich angeordnete Rücklagenbildung verhindert werden, wenn der bei der Beschlussfassung über die Kapitalherabsetzung angenommenene Verlust oder die angenommene Wertminderung letztlich doch nicht eingetreten ist oder ausgeglichen wurde, vgl. § 58c GmbHG.86 Die strengen Vorgaben bilden hierbei das Gegengewicht dazu, dass im Rahmen des vereinfachten Kapitalherabsetzungsverfahrens auf eine Vielzahl von Gläubigerschutzinstrumenten, wie etwa der Sicherstellung und Information verzichtet wird.87 Da hier zentraler Sinn und Zweck der Gläubiger- und nicht der Gesellschafterschutz ist, bedarf es 81

Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (137). Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  28; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63i; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 129; Brete /  Thomsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (137). 83 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  28; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63i; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 129; Brete /  Thomsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (137). 84 MHLS / Waldner, GmbHG, § 58b Rn.  4; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 58b Rn. 4. 85 MHLS / Waldner, GmbHG, § 58b Rn.  3; Rowedder / Pentz / Schnorbus, GmbHG, § 58b Rn. 1. 86 MüKoGmbHG / J. Vetter, § 58c Rn. 2. 87 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 58b Rn. 1; MHLS / Waldner, GmbHG, § 58b Rn.  3; MüKoGmbHG / J. Vetter, § 58b Rn. 4. 82

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

129

auch dann der Nichtigkeitssanktion des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG analog, wenn die Feststellungen des GmbH-Jahresabschlusses die Vorgaben der § 58b Abs. 2 oder Abs. 3 GmbHG bzw. § 58c GmbHG verletzt.88 bb) Vorschriften zu Gewinnrücklagen Die GmbH ist im Gegensatz zur Aktiengesellschaft (§ 150 AktG) gesetzlich nicht generell zur Bildung einer Gewinnrücklage verpflichtet. Allerdings gelten die Vorschriften des § 272 Abs. 3 bis Abs. 5 AktG ebenfalls für die GmbH. § 272 Abs. 3 HGB regelt welche Beträge als Gewinnrücklage ausgewiesen werden dürfen. Gemäß § 272 Abs. 4 HGB sind Rücklagen für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen einzustellen. Der Erwerb dieser Anteile soll nicht zur wirtschaftlichen Rückzahlung von Grund- oder Stammkapital führen.89 Somit dient die Norm primär dem Kapitalschutz und besteht somit ebenfalls primär im Gläubigerinteresse. § 272 Abs. 5 HGB wiederum regelt, wann im Fall einer phasengleichen Dividendenaktivierung eine Gewinnrücklage zu bilden ist. Anhaltspunkte dafür, dass ein Verstoß gegen diese Vorschriften anders als bei der Aktiengesellschaft nicht zur Nichtigkeit führen sollte, sind nicht ersichtlich, so dass auch insofern § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG analoge Anwendung findet.90 Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen § 5a Abs. 3 GmbHG, wenn es sich um eine UG handelt. Die Thesaurierungspflicht soll das im Vergleich zur GmbH geringere Stammkapital kompensieren und dient damit ebenfalls in erster Linie dem Gläubigerschutz, so dass auch insofern die entsprechende Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG gerechtfertigt ist.91 c) Satzungsverstöße Abschließend bleibt zu klären, ob – wie bei der Aktiengesellschaft92 – Verstöße gegen Satzungsvorschriften den Jahresabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG analog nichtig machen. Ursprünglich sah der RegE AktG vor, dass auch ein von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellter Jahresabschluss angefochten werden kann, 88

Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  28; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63i; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 129; Brete /  Thomsen, GmbHR 2008, 176 (178). 89 Beck Bil-Komm / Störk / Kliem / Meyer, HGB, § 272 Rn. 301; MüKoHGB / Reiner, HGB, § 272 Rn. 117. 90 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  28; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63i; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 129; Brete /  Thomsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (138). 91 BT-Drs. 16/6140, S. 32; Altmeppen, GmbHG, § 5a Rn. 25, 30; MüKoGmbHG / Rieder, GmbHG, § 5a Rn. 30. 92 Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. b).

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

wenn sein Inhalt gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt.93 Der Rechts- und Wirtschaftsausschuss sprach sich hingegen einstimmig dafür aus, dass bei einem von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellten Jahresabschluss keine und bei einem von der Hauptversammlung festgestellten Jahresabschlusses nur bei Verfahrensmängeln eine Anfechtungsmöglichkeit bestehen sollte.94 Um dennoch die Einhaltung der aufeinander Bezug nehmenden Bestimmungen über die Bildung und Auflösung von Rücklagen zu gewährleisten, wurde § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG in den Katalog der Nichtigkeitsgründe aufgenommen.95 In der GmbH findet der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG – wie gezeigt – keine Anwendung, die Gesellschafterversammlung stellt den Jahresabschluss fest. Des Weiteren wird das erforderliche Mindestmaß an Gläubigerschutz durch die gesetzlichen Vorschriften sichergestellt, so dass die harte Nichtigkeitsfolge nicht unbedingt erforderlich ist. Außerdem ist davon auszugehen, dass gesellschaftsvertragliche Regelungen, welche die Bildung und Entnahme von Rücklagen betreffen, regelmäßig die Gesellschafterinteressen und nicht Belange der Gläubiger in den Blick nehmen. Unter Berücksichtigung der strukturellen Unterschiede sowie der historischen Besonderheiten bei der Aktiengesellschaft und der Schwere der Nichtigkeitssanktion als ultima ratio, ist eine analoge Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG im Hinblick auf statutarische Bestimmungen über die Bildung und Auflösung von Rücklagen nicht angezeigt. Die Kontrolle durch die Gesellschafter selbst im Wege der Anfechtungsklage ist insofern ausreichend.96 d) Ergebnis zur analogen Anwendung des § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist auf die GmbH analog anzuwenden, wenn die Feststellungen des Jahresabschlusses die für die GmbH geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Einstellung von Beträgen in Kapital- und Gewinnrücklagen oder zur Entnahme von Beträgen aus den Kapital- und Gewinnrücklagen verletzen. Dazu zählen § 272 Abs. 2 bis Abs. 5 HGB, § 42 Abs. 2 S. 3 GmbHG, § 58b Abs. 2 und 3 GmbHG sowie § 58c GmbHG. Wurde hingegen gegen eine entsprechende Satzungsbestimmung verstoßen, ist der Jahresabschluss lediglich anfechtbar.

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BT-Drs. IV/171, § 248 RegE AktG. Ausschussbericht, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 343. 95 Ausschussbericht, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 343. 96 Ebenso MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 129; MüKoAktG / J.  Koch, § 256 Rn.  87; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (138). 94

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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4. § 256 Abs. 2 AktG Gemäß § 256 Abs. 2 AktG ist der Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft nichtig, wenn Vorstand und Aufsichtsrat bei der Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt haben. Bei der GmbH stellt hingegen die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG den Jahresabschluss fest, so dass die analoge Anwendung des § 256 Abs. 2 AktG grundsätzlich ausscheidet.97 Etwas anderes könnte gelten, wenn die Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses im Gesellschaftsvertrag auf die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat oder eines der beiden Organe oder einen Beirat übertragen wurde.98 Allerdings handelt es sich dann, anders als bei der Aktiengesellschaft, nur um einen Verstoß gegen eine statutarische Bestimmung, welcher die Nichtigkeitsfolge des § 256 Abs. 2 AktG nicht rechtfertigen kann.99 Insbesondere kann ein von der Gesellschafterversammlung entgegen der Satzungsregelung festgestellter Jahresabschluss nicht nichtig sein, da er entsprechend des für die GmbH gesetzlich vorgesehenen Verfahrens festgestellt wurde.100 Der Jahresabschluss kann allenfalls angefochten werden. Die analoge Anwendung des § 256 Abs. 2 AktG ist hingegen nicht angezeigt. 5. § 256 Abs. 3 AktG Ein von der Hauptversammlung festgestellter Jahresabschluss ist gemäß § 256 Abs. 3 AktG nichtig, wenn die über die Feststellung des Jahresabschlusses beschlussfassende Hauptversammlung entgegen der Vorgaben des § 121 Abs. 2 und 3 S. 1 oder Abs. 4 AktG einberufen (Nr. 1), die Feststellung nicht gemäß § 130 Abs. 1, 2 S. 1 und Abs. 4 AktG beurkundet (Nr. 2) oder die Feststellung aufgrund einer Anfechtungsklage rechtswirksam für nichtig erklärt (Nr. 3) wurde. a) § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG Im Hinblick auf eine mögliche entsprechende Anwendung des § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG ist zu untersuchen, ob für die Einberufung der Gesellschafterversammlung einer GmbH dem § 121 Abs. 2 und 3 S. 1 oder Abs. 4 AktG entsprechende Vor 97

Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 100; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 130; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 87; MHLS /  Römermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn.  189; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 73; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (139); Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 113. 98 So für den Fall, dass Aufsichtsrat und Geschäftsführung entsprechend der Satzung den Jahresabschluss festzustellen haben, hierbei aber eines der Organe nicht ordnungsgemäß mitwirkt: MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 131. 99 Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 113. 100 MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 131.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

schriften gelten und ein Verstoß gegen diese auch bei der GmbH die Nichtigkeit des Jahresabschlusses rechtfertigen. § 121 Abs. 2 AktG bestimmt, dass die Hauptversammlung durch den Vorstand einzuberufen ist, welcher darüber mit einfacher Mehrheit entscheidet. Die Einberufung hat gemäß § 121 Abs. 3 S. 1 AktG die Firma, den Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der Hauptversammlung zu nennen. Außerdem ist die Einberufung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekanntzumachen. Sind alle Gesellschafter namentlich bekannt, kann die Einberufung auch mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen, vgl. § 121 Abs. 4 AktG. Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorgaben ist es, die Aktionäre zu aktivieren, so dass diese am Gesellschaftsgeschehen teilnehmen können, sowie die Anteilsinhaber mit den hierzu erforderlichen Informationen zu versorgen.101 Den Anforderungen der § 121 Abs. 2 und 3 S. 1 oder Abs. 4 AktG entspricht zunächst § 49 Abs. 1 GmbHG, wonach die Gesellschafterversammlung durch die Geschäftsführer berufen wird. Ergänzt wird § 49 Abs. 1 GmbHG durch § 51 Abs. 1 GmbHG, der die Einberufung der Gesellschafterversammlung durch Einladung der Gesellschafter durch eingeschriebenen Brief vorschreibt. Die Normen haben ebenfalls Schutzcharakter und legen Mindeststandards für die Einberufung fest, die die Partizipation aller Gesellschafter an der Gesellschafterversammlung als oberstes Organ der Willensbildung der GmbH sicherstellen soll.102 Bei allgemeinen Gesellschafterbeschlüssen, für welche nach ganz herrschender Meinung § 241 Nr. 1 AktG analog gilt,103 wird eine die Nichtigkeit rechtfertigende Verletzung der Normen angenommen, wenn die Gesellschafterversammlung gar nicht oder von einer unbefugten oder nicht identifizierbaren Person einberufen wurde.104 Des Weiteren ist der gefasste Beschluss nichtig, wenn nicht alle Gesellschafter eingeladen wurden oder dem gleichzustellende gravierende Ladungsmängel vorliegen.105 Eine ausdrückliche Regelung, welche inhaltlichen Anforderungen an die Einberufung zu stellen sind, fehlt zwar im GmbH-Gesetz, insofern ist aber anzunehmen, dass in Anlehnung an § 121 Abs. 3 AktG das Fehlen grundlegender Angaben, etwa zu Zeit und Ort der Gesellschafterversammlung, zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses führt.106 Gleiches muss auch für die Einberufung 101

BGH AG 1990, 78 (79); OLG Rostock AG 2013, 768 (770); MüKoAktG / Kubis, § 121 Rn.  1; Grigoleit / Herrler, AktG, § 121 Rn. 1. 102 MHLS / Römermann, GmbHG, § 49 Rn. 2; MüKoGmbHG / Liebscher, GmbHG, § 49 Rn. 5; BeckOKGmbHG / Schindler, GmbHG, § 51 Rn. 2; MüKoGmbHG / Liebscher, GmbHG, § 51 Rn. 2. 103 Vergleiche Dritter Teil § 2.  104 BGHZ 11, 231 (236); BGHZ 87, 1 (3); BayObLG GmbHR 1999, 984 (985); OLG Hamm GmbHR 1993, 743 (745 f.); Rowedder / Pentz / G anzer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 5; Scholz /  K. Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 64. 105 BGHZ 36, 207 (211); BGH NZG 2006, 349 (350); OLG München, GmbHR 2000, 486 (489); Rowedder / Pentz / Ganzer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 5; Altmeppen, GmbHG, Anh. § 47 Rn.  9; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 45; Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 12. 106 MHLS / Römermann, GmbHG, § 51 Rn. 51.

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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der Gesellschafterversammlung zwecks Feststellung des Jahresabschlusses gelten. Der Jahresabschluss ist für die Gesellschaft von zentraler Bedeutung, so bildet er etwa die Grundlage für die Ergebnisverwendung. Daher ist jedem Gesellschafter die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen und die Willensbildung zu beeinflussen. Dies kann bei derart gravierenden Mängeln nur durch die Nichtigkeitssanktion analog § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG effektiv sichergestellt werden.107 Im Rahmen der analogen Anwendung des § 241 Nr. 1 AktG auf die GmbH ist umstritten, ob die Verletzung der Formvorschrift des § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses führt.108 Ebenso wie § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG nennt § 241 Nr. 1 AktG die Verletzung der Formvorschrift des § 121 Abs. 4 AktG als Nichtigkeitsgrund. § § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG stellt im GmbH-Recht das Pendant zu § 121 Abs. 4 AktG dar,109 was für die entsprechende Anwendung spricht. Dagegen könnte man anbringen, dass Formvorschriften in der GmbH keine vergleichbare Bedeutung zukommt. Regelmäßig ist nur ein kleiner Kreis von miteinander in Verbindung stehenden Gesellschaftern über die Gesellschafterversammlung zu benachrichtigen und keine anonyme Masse von Aktionären. Die Nichtigkeitsfolge könnte insofern überzogen sein. Daher wird vorgeschlagen, diesem strukturellen Unterschied dadurch Rechnung zu tragen, dass ein Verstoß gegen § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG zwar grundsätzlich die Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses nach sich zieht, aber geheilt wird, wenn die Einladung den Gesellschaftern in irgendeiner Form zugeht, wobei die Gesellschaft die Beweislast trägt.110 Dieser Lösungsvorschlag berücksichtigt zum einen die GmbH-spezifischen Besonderheiten, trägt aber auch der wesentlichen Bedeutung Rechnung, welcher der Beschlussfassung insbesondere im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses zukommt. Er kann somit auf § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG übertragen werden. Weder § 241 Nr. 1 AktG noch § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG nennt die Verletzung des § 123 AktG als möglichen Nichtigkeitsgrund. Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 AktG ist die Hauptversammlung mindestens dreißig Tage vor dem Tag der Hauptversammlung einzuberufen. Auch § 121 Abs. 3 S. 2 AktG, wonach der Einladung zur Hauptversammlung die Tagesordnung beizufügen ist, ist nicht erwähnt. Wird die Hauptversammlung entgegen dieser Normen einberufen, ist die Feststellung des Jahresabschlusses also nur anfechtbar (§§ 257 Abs. 1 S. 1, 243 Abs. 1 AktG). Konsequenterweise ist bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Ladungs- und An-

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Lediglich mit Verweis auf die Kommentierung zu § 241 Nr. 1 AktG: Habersack / Casper /  Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 73; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn.  132; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 29. 108 Dafür: Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, § 51 Rn. 28; Henssler / Strohn / Hillmann, GmbHG, § 51 Rn. 21; MHLS / Römermann, GmbHG, § 51 Rn. 108; MüKoGmbHG / Liebscher, § 51 Rn.  49; a. A.: Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 29; Scholz / Seibt, GmbHG, § 51 Rn. 26. 109 BGHZ 36, 207 (211). 110 BeckOKGmbHG / Schindler, GmbHG, § 51 Rn. 56; MüKoGmbHG / Liebscher, § 51 Rn. 49.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

kündigungsfristen (§ 51 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GmbHG) auch bei der GmbH davon auszugehen, dass der Gesellschafterbeschluss bloß anfechtbar ist.111 Ist der Zweck der Gesellschafterversammlung überhaupt nicht mitgeteilt worden, ist umstritten, ob dies zur Anfechtung oder zur Nichtigkeit des Beschlusses führt.112 Gemäß § 51 Abs. 2 GmbHG soll der Zweck der Gesellschafterversammlung bei Einberufung angekündigt werden. Hierdurch soll den Gesellschaftern die Möglichkeit gegeben werden, sich hinreichend auf die Beschlussfassung vorzubereiten.113 Außerdem könnte ein Gesellschafter der Versammlung fernbleiben, da er davon ausgeht, dass nur marginale Beschlüsse gefasst werden, während tatsächlich über die Feststellung des Jahresabschlusses beraten und Beschluss gefasst wird.114 Allerdings haben die Gesellschafter weitgehende Möglichkeiten, um Einblicke in das Gesellschaftsgeschehen (Auskunftsrecht nach § 51a GmbHG) zu gewinnen. Unter Berücksichtigung des Ultima-ratio-Charakters der Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemäß § 256 AktG sind die Nichtigkeitsgründe möglichst zu beschränken. Sollte sich ein Gesellschafter dadurch übergangen fühlen, dass er nicht frühzeitig darüber informiert wurde, dass die Gesellschafterversammlung der Feststellung des Jahresabschlusses dient, so sind seine Interessen durch die Anfechtungsmöglichkeit ausreichend gewahrt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Jahresabschluss einer GmbH entsprechend § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG nichtig ist, wenn die Gesellschafterversammlung unter gravierendem Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1 GmbHG einberufen wurde.115 Zu berücksichtigen sind insofern die Heilungsmöglichkeiten des § 51 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG.116 b) § 256 Abs. 3 Nr. 2 AktG Die analoge Anwendung des § 256 Abs. 3 Nr. 2 AktG scheidet von vorneherein aus, da weder der Verlauf der Gesellschafterversammlung noch die Feststellung des Jahresabschlusses der notariellen Beurkundung oder einer anderen Form bedürfen.117 111

BGH NJW 1987, 2580 (2580); BeckOKGmbHG / Schindler, GmbHG. § 51 Rn. 59. Für bloße Anfechtbarkeit: Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, § 51 Rn. 37; Habersack / Casper / Löbbe / Hüffer / Schäfer, GmbHG, § 51 Rn. 28; Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, § 51 Rn. 30; für Nichtigkeit: OLG München GmbHR 2019, 298 (300); BeckOK­ GmbHG / Schindler, § 51 Rn. 62. 113 OLG München GmbHR 2019, 298 (300); MüKoGmbHG / Liebscher, § 51 Rn. 2. 114 Nicht in Bezug auf Jahresabschlüsse: BeckOKGmbHG / Schindler, § 51 Rn. 62. 115 Ebenso ohne nähere Begründung: Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (139). 116 Ähnlich Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178). 117 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 101; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63a; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (139). 112

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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c) § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG passt hingegen zur GmbH, weil auch hier zwischen Mängeln, die zur Nichtigkeit führen und Mängeln, die lediglich ein Anfechtungsrecht begründen, unterschieden wird.118 Hat die gegen den Feststellungsbeschluss erhobene Anfechtungsklage also Erfolg, so dass die Feststellung rechtswirksam für nichtig erklärt wird, ist der Jahresabschluss analog § 256 Abs. 3 Nr. 3 AktG nichtig. d) Zwischenergebnis Nr. 1 und Nr. 3 des 256 Abs. 3 AktG sind auf die Feststellung des Jahresabschlusses bei der GmbH analog anwendbar. Im Rahmen von § 256 Abs. 3 Nr. 1 AktG ist die Verletzung der aktienrechtlichen Bestimmung des § 121 Abs. 2 und 3 S. 1, Abs. 4 durch §§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 1 GmbHG zu ersetzen. 6. § 256 Abs. 4 AktG Der Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft ist gemäß § 256 Abs. 4 AktG nichtig, wenn er Vorschriften über die Gliederung des Jahresabschlusses verletzt und dadurch seine Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigt ist. Da das GmbH-Gesetz früher keine Gliederungsvorschriften enthielt, kam eine analoge Anwendung des § 256 Abs. 4 AktG nicht in Betracht.119 Mittlerweile stellen die §§ 265 ff. HGB die gleichen Anforderungen an die Gliederung der Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass durch den Jahresabschluss ein klarer, übersichtlicher und auch vergleichbarer Einblick in die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft gewonnen werden kann.120 Die Gliederungsvorschriften bestehen mithin im öffentlichen Interesse. Um die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse zu gewährleisten, bedarf es der analogen Anwendung des § 256 Abs. 4 AktG auf die GmbH.121 Die speziellere Norm des § 256 Abs. 4 AktG geht auch bei der GmbH der Generalnorm des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG vor.122 Ein Verstoß gegen die Gliederungsvorschriften zieht also nur dann 118

Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 101; Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (179); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (139). 119 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (140). 120 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (140). 121 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 101; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 30; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 133; MüKoAktG / J.  Koch, § 256 Rn.  87; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 70; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (179); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (140). 122 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (140); a. A.: Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 113 f.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach sich, wenn in Folge des Verstoßes die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses wesentlich beeinträchtigt ist. 7. § 256 Abs. 5 AktG § 256 Abs. 5 AktG könnte ebenfalls analoge Anwendung auf den GmbH-Jahresabschluss finden. Die Vorschrift bezieht sich auf die §§ 253 bis 256a HGB, die gleichermaßen für beide Kapitalgesellschaften gelten.123 a) Überbewertung § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG verbietet die Überbewertung von Posten, sofern die Überbewertung nicht bedeutungslos ist.124 Die Nichtigkeitssanktion ist auch bei der GmbH gerechtfertigt, weil hier ebenso garantiert werden muss, dass die Vermögenslage nicht günstiger erscheint als dies tatsächlich der Fall ist.125 Die zu § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG entwickelten Grundsätze können also bedenkenlos auf die GmbH übertragen werden. b) Unterbewertung Eine Unterbewertung führt gemäß § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG nur dann zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, wenn durch die Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Vielfach wird im Schrifttum – meist ohne Begründung – angenommen, dass die Vorschrift auf die GmbH übertragbar ist.126 Für eine Analogie ließe sich anführen, dass für die Rechnungslegung von GmbH und Aktiengesellschaft mit den §§ 253 bis 256a HGB die gleichen Normen gelten, so dass auch zur Bestimmung der Nichtigkeit im Falle einer Unterbewertung die gleichen Voraussetzungen heranzuziehen seien.127 Des Weiteren führe eine Unterbewertung nicht stets zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses, sondern nur unter den engen Voraus-

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Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 70. Vergleiche Zweiter Teil  § 2 C. I. 1. d) aa). 125 Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 70; Adler / Düring /  Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 101; MüKoAktG /  J. Koch, § 256 Rn. 87; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 79; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (179); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (141); Wimmer, DStR 1997, 1931 (1931). 126 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 101; MüKoAktG / J. Koch, § 256 Rn. 87; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 79; Habersack / Casper /  Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 70; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (179). 127 Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 101. 124

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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setzungen des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG.128 Außerdem habe auch der Jahresabschluss einer GmbH gemäß § 264 Abs. 2 HGB ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln.129 Allerdings bestehen im Hinblick auf die Unterbewertung bei der Aktiengesellschaft und GmbH erhebliche strukturelle Unterschiede. In Folge der Unterbewertung vermindert sich der Bilanzüberschuss, so dass weniger Gewinn ausgeschüttet werden kann. Allerdings stellt sich die Lage der Gesellschaft ungünstiger dar, so dass Interessen Dritter nicht betroffen sind.130 Bei der Aktiengesellschaft bedarf es dennoch im Fall des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG der Nichtigkeitssanktion, da der Jahresabschluss grundsätzlich von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wird und den Aktionären in diesem Fall kein Anfechtungsrecht zusteht, durch welches sie sich vor einer Verkürzung ihres Gewinnrechts schützen könnten. Wird in Folge der Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert, so sollen die Aktionäre nicht lediglich auf das Sonderprüfungsverfahren angewiesen sein, sondern der Jahresabschluss ist nach § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG nichtig.131 Anders ist dies bei der GmbH. Hier gilt der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG nicht, so dass gegen den Feststellungsbeschluss im Wege der Anfechtungsklage vorgegangen werden kann. Durch Einsicht in die Geschäftsbücher gemäß § 51a Abs. 1 GmbHG – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – besteht für die Gesellschafter jederzeit die Möglichkeit selbst zu überprüfen, ob eine Unterbewertung vorliegt.132 Die Gesellschafter können sich also selbst gegen eine mögliche Verkürzung ihres Gewinnrechts schützen, so dass die Nichtigkeitsfolge im Hinblick auf die Interessenlage bei der GmbH nicht angemessen erscheint.133 Sollte in Folge der Unterbewertung der Grundsatz des § 264 Abs. 2 HGB verletzt sein, so ist nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG zu bestimmen, ob der Jahresabschluss nichtig ist.134 Für eine analoge Anwendung des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG auf die GmbH besteht kein Raum. Der Jahresabschluss kann in Folge der Unterbewertung lediglich angefochten werden. c) Zwischenergebnis § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG ist analog auf die GmbH anwendbar, die Übertragung des § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG scheidet hingegen mangels vergleichbarer Interessenlage aus. 128

Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (142). Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (142). 130 BT-Drs. VI/3088, S. 127. 131 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (147). 132 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (148). 133 BT-Drs. VI/3088, S. 195; Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (142). 134 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (142), der ebenfalls davon ausgeht, dass § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog i. V. m. § 264 Abs. 2 HGB einschlägig ist, aber dennoch § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG entsprechend anwendet. 129

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

IV. Heilung, § 256 Abs. 6 AktG Gemäß § 256 Abs. 6 S. 1 AktG kann die Nichtigkeit des Jahresabschlusses in den jeweils aufgezählten Fällen nicht mehr geltend gemacht werden, wenn sechs Monate bzw. drei Jahre seit der Bekanntmachung nach § 325 Abs. 2 HGB vergangen sind. Der Ablauf der Heilungsfrist wird durch rechtshängige Feststellungsklage gehemmt, vgl. § 256 Abs. 6 S. 2 AktG. Eine ältere Literaturansicht geht davon aus, dass § 256 Abs. 6 AktG nicht geeignet ist für eine Analogie, da es an einer der Bekanntmachung im Bundesanzeiger vergleichbaren Veröffentlichung fehle und diese, wie ein Vergleich mit § 257 Abs. 2 S. 2 AktG zeige, entscheidender Anknüpfungspunkt für die Heilung sei.135 Seitdem der Jahresabschluss einer GmbH nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 HGB offenzulegen ist, geht diese Argumentation fehl. Nunmehr besteht ein Publizitätsakt, an welchen zum Zwecke der Heilung angeknüpft werden kann.136 So ist es allgemein anerkannt, dass die Heilungsvorschrift des § 242 Abs. 2 AktG aus Gründen der Rechtssicherheit auf Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, die ins Handelsregister eingetragen werden, entsprechende Anwendung findet.137 Hierzu führt der BGH insbesondere im Hinblick darauf, dass die Drei-Jahres-Frist des § 242 Abs. 2 S. 1 AktG zu kurz bemessen sein könnte, aus, dass es zwar richtig sei, dass bei einer GmbH mit einem kleinen Kreis von Gesellschaftern Gesellschafterbeschlüssen keine mit der Aktiengesellschaft vergleichbare Breitenwirkung zukomme und auf Grund der oftmals bestehenden persönlichen Beziehung zwischen den Gesellschaftern häufig versucht wird, sich außergerichtlich zu einigen. Der BGH stellt aber klar, dass diese Erwägungen im Interesse der bisherigen und zukünftigen Gesellschafter sowie der Gläubiger der Gesellschaft hinter dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zurücktreten.138 Zwar erwähnt das Gericht, dass diese Einschätzung bezüglich der einmonatigen Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG anders ausfallen könnte,139 für die sechsmonatige bzw. dreijährige Heilungsfrist des § 256 Abs. 6 AktG kann aber nichts anderes gelten wie im Rahmen des § 242 Abs. 2 Abs. 1 AktG.140 Innerhalb dieser Fristen besteht genug Zeit für eine außergerichtliche Einigung, falls diese von den Gesellschaftern angestrebt wird. Nach Ablauf der jeweiligen Frist muss das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, gerade im Hinblick auf die Bedeutung des Jahresabschlusses als Gewinnbemessungsgrundlage und alle damit einhergehenden Folgeprobleme höher gewichtet werden. Damit wird ein nichtiger GmbH-Jahresabschluss entsprechend § 256 Abs. 6 AktG geheilt, wenn seit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger in den Fällen der § 256 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 3 Nr. 1 und 2 135

Lehmann, Anwendung von Aktienrecht auf die GmbH, S. 114 f. Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 74. 137 BGH NJW 1981, 2125 (2126); BGH WM 1984, 473 (473 f.); Noack / Servatius / Haas /  Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 73; MHLS / Römermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 243; ­MüKoGmbHG  /  Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 143 ff. 138 BGH NJW 1981, 2125 (2126 f.). 139 BGH NJW 1981, 2125 (2127). 140 Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (143). 136

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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AktG analog sechs Monate oder in den Fällen der § 256 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5 AktG analog drei Jahre vergangen sind und die Nichtigkeit nicht gerichtlich geltend gemacht wurde.141 V. Nichtigkeitsklage, § 256 Abs. 7 AktG Für die Geltendmachung der Nichtigkeit könnte § 256 Abs. 7 AktG gelten, der wiederum auf § 249 AktG verweist. Sofern die §§ 241 ff. AktG analoge Anwendung finden, ist anerkannt, dass die Nichtigkeit des Gesellschaftsbeschlusses im Wege der Nichtigkeitsklage nach § 249 AktG analog zu verfolgen ist.142 Konsequenterweise ist gegen den Jahresabschluss die Nichtigkeitsklage analog § 256 Abs. 7 AktG, § 249 AktG statthaft. VI. Ergebnis zur analogen Anwendung der §§ 256 ff. AktG Die Nichtigkeitsgründe des § 256 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3, Abs. 4, Abs. 5 Nr. 1 AktG sowie die Heilungsvorschrift des § 256 Abs. 6 AktG können auf die GmbH übertragen werden. Auch § 256 Abs. 7 AktG ist entsprechend anwendbar. Bei der analogen Anwendung der jeweiligen Vorschrift sind stets die GmbH-spezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Keine Anwendung finden hingegen § 256 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 Nr. 2 AktG, da sie nicht der Interessenlage in der GmbH entsprechen. Liegt kein nichtigkeitsbegründender Mangel vor, so ist der Jahresabschluss analog §§ 257, 243 AktG anfechtbar. Der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG findet im GmbH-Recht hingegen keine Anwendung. Auch die Regelungen zum Sonderprüfungsverfahren (§§ 258 ff. AktG) sind nicht übertragbar.

C. Weitere Nichtigkeitsgründe Neben den auf die GmbH übertragbaren Nichtigkeitsgründen des § 256 AktG, kennt das GmbHG mit § 58e Abs. 3 GmbHG und § 58f Abs. 2 GmbHG weitere Fälle, in denen der Jahresabschluss nichtig ist. Die beiden Normen entsprechen den §§ 234 Abs. 3, 235 Abs. 2 AktG, welche § 256 Abs. 1 AktG explizit als zusätzliche Nichtigkeitsgründe nennt. Sie gehen den aktienrechtlichen Bestimmungen als 141

Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 256 Rn. 102; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 32; MHLS / Römermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 212; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 137; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn.  80; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 74; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (181); Gessler, FS Goerdeler, S. 127 (143). 142 Altmeppen, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

Spezialvorschriften vor.143 Bei einer Kapitalherabsetzung regelt § 58e Abs. 3 AktG, dass der Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses nichtig ist, wenn der Kapitalherabsetzungsbeschluss nicht innerhalb von drei Monaten nach dessen Beschlussfassung ins Handelsregister eingetragen wurde. Im Fall einer Kapitalherabsetzung bei gleichzeitiger Erhöhung des Stammkapitals müssen gemäß § 58f Abs. 2 GmbHG beide Beschlüsse binnen drei Monaten nach Beschlussfassung ins Handelsregister eingetragen werden, um die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zu verhindern. Darüber hinaus gilt, wie bereits ausgeführt, der Nichtigkeitsgrund des § 173 Abs. 3 AktG für die GmbH entsprechend.144 Fraglich ist, ob auch für diese Nichtigkeitsgründe eine Heilungsmöglichkeit besteht. Für den mit dem § 58e Abs. 3 GmbHG beinahe wortgleichen § 234 Abs. 3 AktG entspricht es der allgemeinen Meinung, dass der nichtige Jahresabschluss ebenfalls gemäß § 242 Abs. 3 AktG i. V. m. § 242 Abs. 2 AktG geheilt wird, wenn der Kapitalherabsetzungsbeschluss ins Handelsregister eingetragen wird.145 Da bei der GmbH ein ebenso großes Bedürfnis nach Rechtssicherheit besteht, muss dies auch hier gelten.146 Auch bei § 235 Abs. 2 AktG, der § 58f Abs. 2 GmbHG entspricht, besteht eine Heilungsmöglichkeit nach § 242 Abs. 3 AktG i. V. m. § 242 Abs. 2 AktG.147 Hier sind keine Gründe ersichtlich, warum dies nicht gleichfalls für die GmbH gelten sollte.148 Im Zusammenhang mit der Nichtigkeit nach § 173 Abs. 3 AktG kommt eine Heilung hingegen nicht in Betracht.149 Hier bleibt nur die Möglichkeit der Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3 HGB nach erneuter Aufstellung.150

D. Behandlung der Thematik nach Inkraftreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) Am 17. August 2021 ist das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) im Bundesgesetzblatt verkündet worden und tritt am 1. Januar 2024 in Kraft. Das Reformgesetz enthält in den §§ 110 ff. HGB n. F. erstmals 143

Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (179). Vergleiche Dritter Teil § 1.  145 Koch, AktG, § 234 Rn. 10; MüKoAktG / Oechsler, § 234 Rn. 18; GroßkommAktG / Sethe, § 234 Rn.  24; K. Schmidt / Lutter / Veil, AktG, § 234 Rn. 13; BeckOGK / Marsch-Barner / Maul, AktG, § 234 Rn. 16. 146 Scholz / Priester / Tebben, GmbHG, § 58e Rn.  14; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 58e Rn. 14; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 58e Rn. 7; Rowedder / Pentz / Schnorbus, GmbHG, § 58e Rn.  8; MüKoGmbHG / J. Vetter, § 58e Rn. 52; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (182). 147 Koch, AktG, § 235 Rn. 11; MüKoAktG / Oechsler, § 235 Rn.  17; Hölters / Weber / Haberstock / Greitemann, AktG, § 235 Rn. 22; Grigoleit / Rieder, AktG, § 235 Rn. 14. 148 MHLS / Waldner, GmbHG, § 58f Rn. 12; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (182). 149 Koch, AktG, § 173 Rn. 8; Adler / Düring / Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 173 Rn. 37; KK-AktG / E . Vetter, § 173 Rn.  70; Bürgers / Körber / Lieder / Schulz, AktG, § 173 Rn. 8. 150 Koch, AktG, § 173 Rn. 8. 144

§ 2 Fehlerhafte Jahresabschlussfeststellung 

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Regelungen zum Beschlussmängelrecht der Personenhandelsgesellschaften. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass ab Inkraftreten des MoPeG das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht (§§ 241 ff. AktG) wohl keine entsprechende Anwendung mehr auf die GmbH finden wird, da sich die neuen Vorschriften angesichts der typischerweise personalistisch geprägten Realstruktur der GmbH eher für eine Analogie anbieten.151 In der Vergangenheit stand die entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG insbesondere wegen der fehlenden Vergleichbarkeit zwischen Aktiengesellschaft und GmbH sowie der – als zu kurz empfundenen – einmonatigen Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG in der Kritik.152 Die fristgebundene Anfechtungsklage zwänge die GmbH-Gesellschafter zur Klageerhebung und stünde somit einer außergerichtlichen Einigung im Weg. In der Folge könnten die Innenbeziehungen zwischend den regelmäßig persönlich verbundenen Gesellschaftern irreparablen Schaden nehmen. Auch die Justiz sei dadurch unnötig belastet. Probleme bereitet auch die Frage, auf welchen Zeitpunkt zur Bestimmung des Fristbeginns im Rahmen des § 246 Abs. 1 AktG abgestellt werden sollte. Maßgeblich könnte der Zeitpunkt der Beschlussfassung153 oder der Zeitpunkt, zu dem der Gesellschafter Kenntnis von der Beschlussfassung erlangt hat oder erlangen musste,154 sein. Darüber hinaus wird die Vorschrift des § 245 AktG, welche die Anfechtungsbefugnis regelt, als für die GmbH unpassend empfunden.155 Durch die entsprechende Anwendung der §§ 110 ff. HGB n. F. könnte ein Großteil der beschriebenen Probleme zumindest entschärft werden. Die neuen Vorschriften differenzieren im Ausgangspunkt ebenso wie das Aktienrecht zwischen nichtigen (§ 110 Abs. 2 HGB n. F.) und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen (§ 110 Abs. 1 HGB n. F.). Mittels Anfechtungsklage kann ein Beschluss gemäß § 110 Abs. 1 HGB n. F. angegriffen werden, wenn Rechtsvorschriften verletzt wurden. Nichtig ist der Beschluss hingegen, wenn durch seinen Inhalt Rechtsvorschriften verletzt wurden, auf deren Einhaltung die Gesellschafter nicht verzichten können 151

Wörner / Ebel, NZG 2021, 963 (963 ff.); Bachmann, NZG 2020, 612 (613); für eine Implementierung im GmbHG: Otte, ZIP 2020, 1743 (1749); Meyer / Schwiete, NZG 2022, 1035 (1040); Liebscher / Günthner, ZIP 2022, 713 (721); für eine komplementäre Heranziehung beider Reglungskomplexe: Bayer / Rauch, DB 2021, 2609 (2617); Begr. RegE des MoPeG, BT-Drucks. 19/27635, S. 228: Ausstrahlen des Anfechtungsmodells auf das von der Rechtsprechung entwickelte Beschlussmängelrecht der GmbH. 152 Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen, S. 133 ff., 152; Noack /  Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anhang nach § 47 Rn. 3 ff.; Fehrenbach, Der fehlerhafte Gesellschafterbeschluss in der GmbH, S.117 ff.; Raiser, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 587 (599 ff.); Fleischer, GmbHR 2013, 1289 (1290 ff.). 153 Scholz / K .  Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 145; MHLS / Römermann, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 469; OLG Koblenz ZIP 1986, 1120 (1120). 154 Fleischer, GmbHR 2013, 1289 (1295); Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 62. 155 BGH GmbHR 2008, 426 (427); Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 45 Rn. 129, 134; Noack /  Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anhang nach § 47 Rn. 136.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

(Nr. 1) oder der Beschluss nach einer Anfechtungsklage rechtskräftig für nichtig erklärt wurde (Nr. 2). § 112 Abs. 1 S. 1 HGB n. F. sieht eine dreimonatige Anfechtungsfrist vor, welche gemäß § 112 Abs. 2 HGB n. F. mit der Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem anfechtungsbefugten Gesellschafter beginnt. Außerdem wird der Fristablauf für die Dauer von Vergleichsverhandlungen über den Gegenstand des Beschlusses oder die ihm zugrundeliegenden Umstände gehemmt, vgl. § 112 Abs. 3 HGB n. F. Zudem findet sich in § 111 Abs. 1 HGB n. F. eine Regelung zur Anfechtungsbefugnis, die weitestgehend der herrschenden Ansicht zur Anfechtungsbefugnis in der GmbH entspricht.156 Folglich bietet die Anwendung der §§ 110 ff. HGB n. F. zunächst einmal Vorteile gegenüber der Heranziehung der aktienrechtlichen Vorschriften, die den Besonderheiten der überwiegend personalistisch geprägten GmbH eher Rechnung tragen.157 Fraglich ist aber, ob sich auch die Nichtigkeit des GmbH-Jahresabschlusses künftig nach den §§ 110 ff. HGB n. F. richten sollte. Dann wäre der Jahresabschluss gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 HGB n. F. nichtig, wenn er zwingende Rechtsvorschriften verletzt. In der Folge würde jeder Verstoß gegen die typischerweise zwingeden materiellen Bilanznormen als Nichtigkeitsgrund eingeordnet. Dies wäre eine viel zu weitgehende Rechtsfolge, die angesichts der tiefgreifenden Konsequenzen der Nichtigkeit des Jahresabschlusses nicht gerechtfertigt ist.158 Andererseits werden von dem Wortlaut des § 110 Abs. 2 Nr. 1 HGB n. F. Verfahrensfehler, wie z. B. Einberufungsmängel, nicht erfasst, was mit dem zu dieser Thematik gefundenen Ergebnis nicht vereinbar wäre.159 Darüber hinaus sieht das Reformgesetz im Gegensatz zu § 256 Abs. 6 AktG keine Heilungsmöglichkeit vor. Doch auch bei der GmbH besteht – wie gesehen – ein berechtigtes Interesse an der durch die Heilung herbeigeführten Rechtssicherheit.160 Des Weiteren gelten für die Aktiengesellschaft und die GmbH als Kapitalgesellschaften die gleichen Rechnungs­legungsvorschriften, vgl. §§ 238 ff., 264 ff. HGB. Es liegt daher nahe, die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse beider Gesellschaftsformen nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen. Dagegen könnten die Modalitäten der Anfechtung des Jahresabschlusses nach den neuen Vorschriften zu beurteilen sein. Im Hinblick auf die möglichen Anfechtungsgründe macht es nach hier vertretener Ansicht wohl kaum einen Unterschied, ob auf § 257 AktG oder auf § 110 Abs. 1 HGB n. F. abgestellt wird, da der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG ohnehin keine Anwendung findet.161 Ent 156

Vergleiche Fleischer, GmbHR 2013, 1289 (1293). So auch Wörner / Ebel, NZG 2021, 963 (965 ff.); Liebscher / Günthner, ZIP 2022, 713 (721). 158 Arbeitskreis Bilanzrecht Hochschullehrer Rechtswissenschaft, ZIP 2021, S3 (S21); ­Schäfer, ZIP 2021, 1527 (1531). 159 Vergleiche Dritter Teil  § 2 B. III. 5. 160 Vergleiche Dritter Teil  § 2 B. IV. 161 Vergleiche Dritter Teil  § 2 B. I. 157

§ 3 Folgen der Nichtigkeit

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scheidend ist demnach, nach welchen Vorgaben sich die Anfechtungsfrist bemessen sollte. Für die Bestimmung der Frist nach § 112 HGB n. F. könnte zunächst sprechen, dass die längere Frist von drei Monaten sowie die Fristhemmung während Vergleichsverhandlungen Raum für außergerichtliche Lösungen bietet. Außerdem bestünde hinsichtlich des Fristbeginns Rechtsklarheit, vgl. § § 112 Abs. 2 HGB n. F. Allerdings handelt es sich bei einem Jahresabschluss auch um eine Informationsquelle von öffentlichem Interesse, was sich unter anderem an der Offen­ legungspflicht nach § 325 HGB zeigt. Da sich auch Interessengruppen außerhalb der Gesellschaft auf den Jahresabschluss verlassen können müssen, kommt der Bestandskraft des Jahresabschlusses im Vergleich zu anderen Beschlüssen größere Bedeutung zu. Eine verlängerte Anfechtungsfrist sowie die Hemmung des Fristablaufs während Vergleichsverhandlungen sind damit nicht zu vereinbaren. Somit sollte sich die Anfechtbarkeit des GmbH-Jahresabschlusses auch nach Inkraftreten des MoPeG nach den §§ 257, 246 AktG richten.

§ 3 Folgen der Nichtigkeit A. Pflicht zur Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses Wie bereits dargelegt, besteht für die Aktiengesellschaft grundsätzlich die Verpflichtung, den nichtigen Jahresabschluss erneut fehlerfrei festzustellen.162 Primär begründet wurde die Verpflichtung damit, dass ein breites öffentliches Interesse daran besteht, dass die Aktiengesellschaft bei der Feststellung des Jahresabschlusses die Rechnungslegungsvorschriften einhält. Fraglich ist, ob dies auch für die GmbH gilt. In diesem Zusammenhang ist abermals auf die strukturellen Unterschiede zwischen Aktiengesellschaft und GmbH einzugehen. Ein der Aktiengesellschaft entsprechendes öffentliches Interesse an der Rechnungslegung der GmbH besteht sicherlich nicht. Regelmäßig ist der Kreis der Gesellschafter überschaubar und die Gesellschafter sind nicht auf den Jahresabschluss als primäre Informationsquelle angewiesen, sondern können Einsichts- und Auskunftsrechte geltend machen. Da dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen Verhandlungen vorausgehen, können Interessenten vor Abschluss des Geschäfts ebenfalls Einsicht in die Bücher verlangen.163 Aber auch bei der GmbH kommt dem Jahresabschluss eine zentrale Bedeutung zu. So ist er für Dritte Entscheidungsgrundlage, etwa, wenn es um die Vergabe von Krediten, Lieferungen oder den Verkauf von Anteilen geht.164 Insofern ist das Abwarten der Heilungsfrist auch bei der GmbH kaum interessengerecht. Allerdings kann die im Rahmen der Stellungnahme zur Rechtslage bei der Aktiengesellschaft angenommene Ausnahme von der Pflicht zur Neuvornahme 162

Vergleiche Zweiter Teil  § 4 A. I. 2. Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177). 164 Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177). 163

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

ebenfalls auf die GmbH übertragen werden. Es muss damit keine Neuvornahme erfolgen, wenn die erneute Feststellung mehr Zeit in Anspruch nehmen würde als das Abwarten der Heilung. Gründe, warum dies nicht ebenfalls für die GmbH gelten sollte, sind nicht ersichtlich, so dass sich die Verpflichtung der Gesellschaft zur Neuvornahme im Ergebnis nach den gleichen Grundsätzen bestimmt wie bei der Aktiengesellschaft.165

B. Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter Gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG beschließt die Gesellschafterversammlung über die Ergebnisverwendung. Nach allgemeiner Ansicht ist § 253 AktG auf die GmbH entsprechend anwendbar.166 Das bedeutet, dass ein auf einem nichtigen Beschluss über die Jahresabschlussfeststellung beruhender Ergebnisverwendungsbeschluss ebenfalls nichtig ist, § 253 Abs. 1 S. 1 AktG analog. Wird die Nichtigkeit nach § 256 Abs. 6 AktG analog geheilt, so gilt dies in entsprechender Anwendung des § 253 Abs. 1 S. 2 AktG auch für den Verwendungsbeschluss. Da die Auszahlung des Gewinns sowohl einen wirksamen Jahresabschluss als auch einen wirksamen Ergebnisverwendungsbeschluss voraussetzt, kann im Fall der Nichtigkeit des Jahresabschlusses auf dessen Grundlage keine Gewinnausschüttung erfolgen.167 Werden dennoch Gewinne ausgezahlt, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Gewinne zurückgezahlt werden müssen. I. Auszahlung lässt Stammkapital unberührt Bleibt das Stammkapital der Gesellschaft durch die Gewinnausschüttung unangetastet, so ist Ausgangspunkt der anzustellenden Überlegungen, dass die Gewinnzahlung mangels wirksamen Jahresabschlusses sowie Ergebnisverwendungsbeschlusses ohne Rechtsgrund geleistet wurde. Da eine spezialgesetzliche Regelung im GmbH-Gesetz nicht existiert und Einigkeit darüber besteht, dass die analoge Anwendung des § 62 AktG auf Grund der Unterschiede in der Kapitalverfassung von Aktiengesellschaft und GmbH ausscheidet, ist für die Rückgewähr 165

So auch Balthasar, Die Bestandskraft handelsrechtlicher Jahresabschlüsse, S. 240 f. BGH GmbHR 2008, 1092 (1094); OLG Stuttgart GmbHR 2004, 662 (663); OLG Hamm BB 1991, 2122 (2122); Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 11, Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 65; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 43. 167 Ganz herrschende Meinung: BGH GmbHR 1998, 1177 (1177); BGH NZG 2004, 912 (913); BGH NJW 1998, 3646 (3646); BGH NJW 1998, 1559 (1559); BGH NZG 2004, 912 (913); OLG Düsseldorf NZG 2001, 1085 (1086); Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn.  49; Habersack / Casper / Löbbe / L euschner, GmbHG, § 29 Rn. 154; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 22a; Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 37; a. A.: Lutter / Hommelhoff, AktG, § 29 Rn. 4; Hommelhoff, FS Rowedder, S. 171 (184 f.); MüKoGmbHG / Ekkenga, § 29 Rn. 78 ff., wonach der Anspruch bereits durch den Feststellungsbeschluss entsteht und durch den Ergebnisverwendungsbeschluss bzw. durch Zeitablauf nach § 42a Abs. 2 GmbHG fällig wird. 166

§ 3 Folgen der Nichtigkeit

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§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB maßgebliche Anspruchsgrundlage.168 Der Rückerstattungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wird durch § 32 GmbHG modifiziert.169 Die Norm regelt, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 31 Abs. 1 GmbHG empfangene Gewinnanteile nicht zurückgezahlt werden müssen, wenn der Empfänger diese im guten Glauben bezogen hat. Ob der Empfänger zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung gutgläubig war oder nicht, richtet sich nach § 932 BGB.170 Der Gesellschafter darf also weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von der Mangelhaftigkeit des Jahresabschlusses und der daraus resultierenden Nichtigkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses haben.171 Insofern sind die Voraussetzungen der Privilegierung nach § 32 GmbHG weniger streng als diejenigen des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG, in dessen Anwendungsbereich bereits einfach fahrlässige Unkenntnis schadet.172 Sollte der zur Rückgewähr verpflichtete Gesellschafter entreichert sein, kann er sich außerdem auf § 818 Abs. 3 BGB berufen, sofern er keine positive Kenntnis von der Unrichtigkeit des Jahresabschlusses hat, vgl. § 819 Abs. 1 BGB.173 Ist der Geschäftsführung sowie der Mehrheit der Gesellschafter bekannt, dass die Gewinnauszahlung trotz nichtigem Jahresabschluss und nichtigem Ergebnisverwendungsbeschluss erfolgt, entfällt der Anspruch der Gesellschaft auf Rückerstattung nach § 814 BGB.174 Wird der Jahresabschluss gemäß § 256 Abs. 6 AktG analog geheilt, so wird auch der Ergebnisverwendungsbeschluss in entsprechender Anwendung des § 253 Abs. 1 S. 2 AktG wirksam, so dass die Gewinnauszahlung mit Rechtsgrund erfolgte und ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ausscheidet. II. Stammkapital durch Gewinnzahlung beeinträchtigt Ist in Folge der Gewinnauszahlung auf der Grundlage der unrichitgen Feststellungen des nichtigen Jahresabschlusses das Stammkapital der Gesellschaft betroffen, so richtet sich die Rückgewähr zusätzlich nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG. Hiernach ist der Gewinnanteil zurückzuzahlen, soweit dessen Ausschüttung gegen § 30 Abs. 1 GmbHG verstößt. Der Rückzahlungsanspruch ist im Rahmen von § 31 Abs. 1 GmbHG auf den ausgezahlten Betrag beschränkt und geht nicht soweit, dass das Stammkapital stets wieder aufzufüllen ist.175 Andererseits ist der Anspruch auch nicht der Höhe nach auf die Summe des Stammkapitals beschränkt, 168

Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (151); Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932). Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (151); Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932). 170 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 32 Rn. 7; MüKoGmbHG / Roßkopf / Notz, § 32 Rn.  41; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 32 Rn. 10; Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (151). 171 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 32 Rn. 7; Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932). 172 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 B. I. 1.  173 Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932). 174 Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932). 175 Noack / Servatius / Haas / Servatius, GmbHG, § 31 Rn. 16; MHLS / Heidinger, GmbHG, § 31 Rn. 29. 169

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

sondern kann sich im Fall bilanzieller Überschuldung auch auf höhere Beträge erstrecken.176 Des Weiteren finden die bereicherungsrechtlichen Beschränkungen der §§ 814, 818 Abs. 3 BGB auf den Anspruch gemäß §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG keine Anwendung.177 Die Rückgewährpflicht besteht ohne Einschränkung immer dann, wenn die Rückzahlung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, vgl. § 31 Abs. 2 GmbHG. Davon ist jedenfalls auszugehen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet im insolvenzrechtlichen Sinne ist.178 Ausreichend sind im Gläubigerinteresse wohl auch nicht nur vorübergehende Zahlungsstockungen, eine bestehende Unterbilanz aber nicht.179 Ist der Betrag hingegen nicht zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich, so ist der Anspruch auf Rückgewähr des Gewinnes gemäß § 31 Abs. 2 GmbHG ausgeschlossen, wenn der Gesellschafter bei Empfang der Zahlung im guten Glauben war. Nach herrschender Ansicht ist die Gutgläubigkeit ebenso wie bei § 32 GmbHG in Anlehnung an § 932 BGB zu bestimmen, so dass der Gesellschafter gutgläubig ist, wenn er bei Empfang der Leistung nicht wusste, dass durch die Auszahlung das Stammkapital beeinträchtigt wird und diese Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht.180 Eine andere Ansicht in der Literatur nimmt hingegen in Anlehnung an die aktienrechtliche Bestimmung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG an, dass bereits einfach fahrlässige Unkenntnis die Rückgewährpflicht auslöst.181 Die Vertreter dieser Ansicht argumentieren, dass nach der Rechtsprechung182 ein Gesellschafter, der einfach fahrlässig einem fehlerhaften Jahresabschluss zustimmt, der Gesellschaft zum Ersatz verpflichtet sei, so dass bei einfacher Fahrlässigkeit konsequenterweise auch ein Rückgewähranspruch nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG bestehen müsse, da für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle kein Grund bestehe.183 Dem lässt sich allerdings entgegenhalten, dass die beiden Ansprüche nicht direkt vergleichbar sind. Anknüpfungspunkt für die Haftung des einem fehlerhaften Jahresabschluss zustimmenden Gesellschafters ist, dass er hätte erkennen müssen, dass der Jahresabschluss nicht korrekt ist und daher seine Zustimmung nicht hätte erteilen dürfen. Für die Rückgewährpflicht gemäß §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 176

BGH NJW 1990, 1730 (1731); MüKoGmbHG / Ekkenga, § 31 Rn. 8 f.; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 15. 177 RGZ 80, 148 (152); RGZ 168, 292 (301); BGH NJW 1960, 285 (286); Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn. 2. 178 Noack / Servatius / Haas / Servatius, GmbHG, § 31 Rn.  19; Habersack / Casper / Löbbe / Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 39; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 31 Rn. 27; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 43. 179 Habersack / Casper / Löbbe / Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 40; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 31 Rn.  19; Noack / Servatius / Haas / Servatius, GmbHG, § 31 Rn. 19; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 43; a. A. bzgl. Zahlungsstockungen: MüKoGmbHG / Ekkenga, § 31 Rn. 50. 180 OLG München DB 1983, 166 (167); Noack / Servatius / Haas / Servatius, GmbHG, § 31 Rn.  18a; Habersack / Casper / L öbbe / Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 33; MHLS / Heidinger, GmbHG, § 31 Rn.  47; Roth / Altmeppen, GmbHG, § 31 Rn.  22; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn.  38; Gehrlein / Born / Simon / Kuntz, GmbHG, § 31 Rn. 24. 181 Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932); Peltzer / Bell, ZIP 1993, 1757 (1764). 182 BGH NJW 1985, 1030 (1030); BGH DStR1995, 1117 (1117). 183 Wimmer, DStR 1997, 1931 (1932).

§ 3 Folgen der Nichtigkeit

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GmbHG ist hingegen maßgeblich, ob für den Gesellschafter erkennbar war, dass in Folge der Auszahlung das Stammkapital beeinträchtigt wird. Hier können also durchaus widerspruchslos unterschiedlich strenge Anforderungen gestellt werden. Gegen eine Übertragung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG spricht darüber hinaus, dass das GmbH-Gesetz nach seinem Inkrafttreten an das BGB angepasst wurde.184 In diesem Zusammenhang ist aber keine Klarstellung dahingehend zu finden, dass die Gutgläubigkeit im Sinne von § 31 Abs. 2 GmbHG nicht in Orientierung an § 932 BGB zu bestimmen ist.185 Außerdem entsprach dieses Verständnis der Gutgläubigkeit bis zu Umsetzung der Kapitalrichtlinie auch den Anforderungen, welche im Rahmen des im Sinne § 62 Abs. 1 S. 2 AktG a. F. an die Gutgläubigkeit gestellt wurden. Da gerade im Hinblick auf die Kapitalerhaltung große Unterschiede zwischen der Aktiengesellschaft und der GmbH bestehen, zwingt die Änderung im Wortlaut des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG nicht dazu, auch im Rahmen von § 31 Abs. 2 GmbHG von einer verschärften Haftung der Gesellschafter auszugehen.186 Mithin ist die Gutgläubigkeit im Sinne von § 31 Abs. 2 GmbHG in Anlehnung an § 932 BGB zu bestimmen. Die Rückgewährpflicht nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG besteht demnach, wenn der empfangende Gesellschafter im Zeitpunkt der Auszahlung Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hat, dass durch die Gewinnausschüttung das Stammkapital der Gesellschaft angegriffen wird.187 Insofern trifft den Gesellschafter keine generelle Nachforschungspflicht, sofern keine konkreten Anhaltspunkte auf eine kritische finanzielle Lage der Gesellschaft hinweisen.188 Der Gesellschafter hat seinen guten Glauben nachzuweisen.189 Die Rückgewährverpflichtung nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG kann gemäß § 31 Abs. 4 GmbHG dem Gesellschafter nicht erlassen werden. Ist die Rückzahlung von einem der Gesellschafter nicht zu erlangen, sieht § 31 Abs. 3 GmbHG zudem eine anteilige Ausfallhaftung der übrigen Gesellschafter vor, wenn der Betrag zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Gemäß § 31 Abs. 6 GmbHG können die nach § 31 Abs. 3 GmbHG haftenden übrigen Gesellschafter sich gegenüber der Geschäftsführung regressieren, sofern diese ein Verschulden im Hinblick auf die verbotswidrige Auszahlung trifft. Wird die Nichtigkeit des Jahresabschlusses zwischenzeitlich geheilt, so hat dies keine Auswirkungen auf die Rückgewährpflicht gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG. Die Haftung knüpft nicht daran an, dass die Gewinne mangels wirksamen Jahresab 184

RGBl. 1898, S. 892. MüKoGmbHG / Ekkenga, § 31 Rn.  46; Habersack / Casper / Löbbe / Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 33. 186 Noack / Servatius / Haas / Servatius, GmbHG, § 31 Rn. 18a; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 38. 187 Ähnlich Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 39; Wälzholz, DStR 2004, 1972 (1973). 188 MHLS / Heidinger, GmbHG, § 31 Rn.  49; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 39; Habersack / Casper / Löbbe / Habersack, GmbHG, § 31 Rn. 34. 189 BGH NJW 2003, 3629 (3631); MHLS / Heidinger, GmbHG, § 31 Rn.  57; Henssler / Strohn /  T. Fleischer, GmbHG, § 31 Rn. 28. 185

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

schlusses bzw. Ergebnisverwendungsbeschlusses ausgeschüttet worden, sondern an die Beeinträchtigung des Stammkapitals. Diese entfällt gerade nicht in Folge der Heilung. Der Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG tritt neben den Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Ansprüche stehen selbstständig nebeneinander und richten sich nach den jeweils für sie geltenden, eigenen Regeln.190 Dies ist insofern interessant, als sich die Rückzahlungspflicht auf den Betrag beschränkt, welcher entgegen § 30 Abs. 1 GmbHG geleistet wurde. Sollte dies nur einen Bruchteil des ausgezahlten Gewinnes darstellen, richtet sich die Rückgewähr des restlichen Betrags wieder ausschließlich nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB mit den zuvor genannten Einschränkungen. III. Rückgewähr nach erfolgter Neuvornahme Ist der GmbH-Jahresabschluss nichtig, so sind die Abschlussverantwortlichen grundsätzlich zur Neuvornahme verpflichtet.191 Auch hier entfaltet die erneute Feststellung des Jahresabschlusses keine Rückwirkung, so dass ein auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses basierender Ergebnisverwendungsbeschluss gemäß § 253 Abs. 1 S. 1 AktG analog trotz erfolgter Neuvornahme nichtig bleibt. Folglich sind bereits ausgeschüttete Gewinne nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB bzw. §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG zurückzugewähren. Beschließen die Gesellschafter nun auf der Grundlage des neuvorgenommenen Jahresabschlusses abermals über die Ergebnisverwendung, so entsteht erstmals wirksam ein Anspruch der Gesellschafter auf Auszahlung ihres Gewinnanteils gemäß § 29 Abs. 1 GmbHG.192 Somit befindet sich auch die GmbH nach erfolgter Neuvornahme in der miss­ lichen Lage, dass die Gesellschaft einerseits zur Ausschüttung der Gewinne auf der Grundlage des erneut gefassten Ergebnisverwendungsbeschlusses verpflichtet ist, andererseits aber die bereits ausgezahlten Gewinne zurückverlangen muss. In diesem Zusammenhang ist problematisch, dass keine Rückgewährpflicht für auf der Grundlage der nichtigen Beschlüsse ausgeschüttete Gewinne besteht, wenn der empfangende Gesellschafter gutgläubig war und die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 GmbHG nicht vorliegen. Hier droht – wie bei der Aktiengesellschaft – eine doppelte Gewinnausschüttung, welche mit der Ertragslage des jeweiligen Geschäftsjahres nicht vereinbar ist.

190

Noack / Servatius / Haas / Servatius, GmbHG, § 31 Rn. 4; MüKoGmbHG / Ekkenga, § 31 Rn.  40; Scholz / Verse, GmbHG, § 31 Rn. 31. 191 Vergleiche Dritter Teil § 3 A. 192 BGH NZG 2004, 912 (913); BGH NJW 1998, 3646 (3646); BGH NJW 1998, 1559 (1559); BGH NZG 2004, 912 (913); OLG Düsseldorf NZG 2001, 1085 (1086); Noack /  Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 49; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 22; Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 37.

§ 3 Folgen der Nichtigkeit

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1. Heilungslösung bei der Aktiengesellschaft Bei der Aktiengesellschaft wurde befürwortet, dass entsprechend der Wertung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG der auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses gefasste Gewinnverwendungsbeschluss immer dann die rechtmäßige Grundlage für die bereits erfolgte Dividendenzahlung bildet, wenn im neu festgestellten Jahresabschluss ein gleich hoher bzw. ausreichender Bilanzgewinn ausgewiesen wurde, sog. Heilungslösung.193 Folglich bedarf es keiner Rückabwicklung und eine erneute Gewinnauszahlung kann nicht verlangt werden. Wird hingegen kein ausreichender Bilanzgewinn ausgewiesen, so ist auf der Basis des neuvorgenommenen Jahresabschlusses erneut über die Gewinnverwendung zu beschließen. Die Differenz zwischen ausgewiesenem Gewinn und bereits ausgeschüttetem Gewinn ist sodann von den bösgläubigen Gesellschaftern zu erstatten. Sollte der Gesellschaft dennoch ein Schaden verbleiben, so ist dieser nach Maßgabe des § 93 Abs. 2, 3 Nr. 2 AktG von der Geschäftsleitung zu ersetzen. 2. Übertragung auf die GmbH? Für die Anwendung der Heilungslösung im GmbH-Recht spricht, dass bei der GmbH genau wie bei der Aktiengesellschaft eine doppelte Gewinnausschüttung droht, da gutgläubige Gesellschafter gemäß § 32 GmbHG bzw. § 31 Abs. 2 GmbHG nicht zur Rückgewähr des bereits ausgezahlten Gewinns verpflichtet sind. Außerdem ist der mit einer Rückabwicklung einhergehende enorme Aufwand ebenfalls möglichst zu vermeiden. Müsste die GmbH, obwohl der neuvorgenommene Jahresabschluss einen gleich hohen Jahresüberschuss ausweist, erneut über die Ergebnisverwendung entscheiden, wäre dies eine überflüssige Formalität ohne Mehrwert. Darüber hinaus besteht ein ebenso großes Bedürfnis der Gesellschaft und der Gesellschafter nach Rechtssicherheit, welche die analoge Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG bietet. Mithin ist die Übertragung der Heilungslösung auf die GmbH gerechtfertigt. 3. Ergebnis Weist der neuvorgenommene Jahresabschluss einen ebenso hohen Bilanzgewinn aus wie der nichtige Jahresabschluss, so stellt der ursprünglich gefasste Ergebnisverwendungsbeschluss analog §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG die rechtmäßige Grundlage für die bereits erfolgte Gewinnausschüttung dar, so dass die Gesellschaft nicht erneut über die Ergebnisverwendung beschließen braucht. Sollte jedoch kein ausreichender Bilanzgewinn ausgewiesen werden, kann die GmbH die sich zwischen dem rechtsgrundlos gewährten Gewinn und dem nunmehr auszu 193

Vergleiche Zweiter Teil  § 4 B. II. 5.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

schüttenden Gewinn ergebende Differenz von den bösgläubigen Gesellschaftern herausverlangen. Sofern der Gesellschaft dennoch ein Schaden entsteht, ist zu prüfen, ob Schadensersatzansprüche (§ 43 Abs. 2 GmbHG) bestehen. IV. Fazit Die Rückgewährpflicht der GmbH-Gesellschafter richtet sich primär nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Die zu Unrecht ausgezahlten Gewinne sind aber nur dann zurückzugewähren, wenn der empfangende Gesellschafter wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, dass kein Bezugsrecht besteht. Insofern sind die GmbH-Gesellschafter stärker geschützt als die Aktionäre, die auch schon bei einfach fahrlässiger Unkenntnis eine Regresspflicht nach § 62 Abs. 1 S. 1 AktG trifft. Wurde durch die Auszahlung das Stammkapital angegriffen, so tritt neben den bereicherungsrechtlichen Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. Alt. 1 BGB die Rückzahlungspflicht gemäß §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG. Diese tritt unabhängig von der Gutgläubigkeit des Zahlungsempfängers ein, wenn sie zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, vgl. § 31 Abs. 2 GmbHG. Kommt die GmbH ihrer Pflicht zur Neuvornahme nach, wurden aber bereits auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses Gewinne ausgeschüttet, so bildet der ursprünglich gefasste Ergebnisverwendungsbeschluss entsprechend der Heilungslösung in (doppelt) analoger Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG dennoch den Rechtsgrund für die Ausschüttung, wenn der erneut festgestellte Jahresabschluss einen ausreichenden Jahresüberschuss bzw. Bilanzgewinn ausweist. Anderenfalls ist erneut über die Ergebnisverwendung zu beschließen und die sich ergebende Differenz von den rückerstattungspflichtigen Gesellschaftern herauszuverlangen.

C. Ebenfalls schwebende Unwirksamkeit nachfolgender Jahresabschlüsse? Auch bei der GmbH ist unklar, ob und wie sich die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses auf Folgeabschlüsse auswirkt. Wie gesehen, ist die Nichtigkeitsvorschrift des § 256 AktG weitestgehend auf die GmbH analog anwendbar. Damit könnte die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses die Nichtigkeit des nachfolgenden Jahresabschlusses nach § 256 I Nr. 1 AktG analog zur Folge haben, wenn nach inhaltsveränderter Neuvornahme der Grundsatz der Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) verletzt ist. Folglich könnte ebenso wie bei der Aktiengesellschaft ein Schwebezustand entstehen, währenddessen nicht klar ist, ob der Folgeabschluss die Voraussetzungen des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB endgültig wahrt oder nicht. Es könnte daher angezeigt sein, das für die Aktiengesellschaft befürwortete Lösungsmodell auf die GmbH zu übertragen. Dann wäre auch bei der GmbH davon auszugehen, dass ein auf einen nichtigen Jahresabschluss nachfolgender Jahresabschluss solange schwebend unwirksam ist, bis dieser entweder in Folge inhaltsgleicher Neu-

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vornahme oder Heilung vollständig wirksam oder aber nach inhaltsveränderter erneuter Feststellung endgültig unwirksam wird. I. Nichtigkeit gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB Um diese Frage beantworten zu können, ist zunächst herauszuarbeiten, ob sich die Nichtigkeit des Folgeabschlusses nach den gleichen Kriterien bestimmt wie bei der Aktiengesellschaft. Insofern ist auch im GmbH-Recht unbestritten, dass die Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses nicht per se die Nichtigkeit des Folgeabschlusses bewirkt, sondern der Folgeabschluss nur dann nichtig ist, wenn er an einem selbstständigen Nichtigkeitsgrund leidet.194 Im Hinblick auf die zentrale Bedeutung, welche dem Gläubigerschutz im GmbH-Recht zukommt, wurde die analoge Anwendung des Nichtigkeitstatbestandes des § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG bereits bejaht.195 Somit kommt auch bei der GmbH die Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB als möglicher Nichtigkeitsgrund für den Folgeabschluss in Betracht. Der Grundsatz der Bilanzidentität ist als allgemeiner Bewertungsgrundsatz bei der Feststellung des GmbH-Jahresabschlusses ebenfalls einzuhalten. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB stellt auch hier sicher, dass der Jahresabschluss die Vermögens-, Finanzund Ertragslage der Gesellschaft zutreffend und lückenlos abbildet. Der Einhaltung des Grundsatzes der Bilanzidentität kommt daher eine ebenso große Bedeutung für den Gläubigerschutz zu wie im Aktienrecht. Die Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB führt daher in Verbindung mit § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog ebenso zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH.196 In einem solchen Fall bloß von der Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses auszugehen, wäre indessen im Hinblick auf den besonderen Stellenwert, welcher dem Grundsatz der Bilanzidentität als allgemeinem Bewertungsgrundsatz zukommt, als Sanktion unangemessen. II. Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität im Falle der Nichtigkeit des Vorabschlusses Wann ein Folgeabschluss gegen den Grundsatz der Bilanzidentität gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB verstößt, kann bei der GmbH nicht anders beurteilt werden als bei der Aktiengesellschaft. Somit ist der Grundsatz der formellen Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB) nicht schon deshalb verletzt, weil der nachfolgende Jahresabschluss an die Schlussbilanz eines nichtigen Jahresabschlusses anknüpft, 194

Scholz / K . Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (181). Vergleiche Dritter Teil  § 2 B. III. 1. 196 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  25; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser /  Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69; Scholz / K. Schmidt, GmbHG, § 46 Rn. 37; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (177). 195

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sondern erst dann, wenn sich die Wertansätze im Wege der Neuvornahme des Vorjahresabschlusses rückwirkend ändern und somit rein faktisch nicht mehr mit den Wertansätzen der Eröffnungsbilanz des Folgeabschlusses übereinstimmen. Aus den bereits ausgeführten Gründen kann auch nicht von einem begründeten Ausnahmefall nach § 252 Abs. 2 HGB ausgegangen werden. Allerdings kann auch bei der GmbH nur ein wesentlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Bilanzidentität zur Nichtigkeit des Folgeabschlusses führen.197 Zur Beurteilung, wann die Verletzung des § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB wesentlich ist, muss es ebenso wie bei der Aktiengesellschaft entscheidend darauf ankommen, ob die Diskontinuität die zutreffende Abbildung der Vermögens- und Ertragslage, insbesondere auch im Mehrjahresvergleich, wesentlich beeinträchtigt. III. Schwebende Unwirksamkeit als interessengerechtes Lösungsmodell Folglich bestimmt sich die Nichtigkeit des Folgeabschlusses nach den gleichen Kriterien wie bei der Aktiengesellschaft. Es entsteht mithin auch bei der GmbH ein Schwebezustand, währenddessen unklar ist, ob der Folgeabschluss nach erfolgter Neuvornahme des Vorabschlusses den Grundsatz der Bilanzidentität wahrt oder nicht. Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft entsteht die Problematik, dass der Folgeabschluss einerseits nicht als vollkommen wirksam behandelt werden kann, die Nichtigkeitsfolgen aber überzogen wären. Aus den bereits ausgeführten Gründen scheidet eine Lösung über das Modell der originären Eröffnungsbilanz sowie die Möglichkeit einer Korrektur in laufender Rechnung grundsätzlich aus.198 Allerdings könnten die für Aktiengesellschaft entwickelten Grundsätze zur schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses auch im GmbH-Recht ein gangbares Lösungsmodell darstellen. In Literatur und Rechtsprechung findet sich zu der Thematik keine klare Aussage. Brete / Thomsen lassen offen, ob der Folgeabschluss als schwebend unwirksam oder nichtig zu behandeln ist.199 Kropff wiederum spricht sich zwar für die schwebende Unwirksamkeit des auf dem Folgeabschluss beruhenden Gewinnverwendungsbeschlusses aus, äußert sich ansonsten aber nicht dazu, wie die Problematik bei der GmbH zu behandeln ist.200 Diese Aussage lässt sich aber durchaus so interpretieren, dass die Grundsätze zur schwebenden Unwirksamkeit auch bei der GmbH gelten sollten. Letztlich kommt es maßgeblich darauf an, ob sich die für die Aktiengesellschaft gefundenen Argumente auf die GmbH übertragen lassen. Das GmbH-Gesetz selbst erwähnt die schwebende Unwirksamkeit zwar nicht, nach ganz herrschender An 197

Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 42a Rn.  25; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser /  Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 69. 198 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. V. 4. a) sowie b). 199 Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (181). 200 Kropff, FS Budde, S. 340 (353).

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sicht findet aber das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht der §§ 241 ff. AktG auf die GmbH analoge Anwendung, soweit es den Besonderheiten der GmbH entspricht. Dies schließt die schwebende Unwirksamkeit von Beschlüssen mit ein.201 § 173 Abs. 3 AktG gilt für den GmbH-Jahresabschluss ebenfalls analog.202 Dogmatisch ergeben sich damit keine Unterschiede zu der Bewertung bei der Aktiengesellschaft, mithin bestehen diesbezüglich keine Bedenken gegen die Anwendung der Grundsätze der schwebenden Unwirksamkeit auf die GmbH. Auch sofern im Rahmen der Stellungnahme zur Rechtslage bei der Aktiengesellschaft darauf abgestellt wurde, dass das Modell der schwebenden Unwirksamkeit an die grundsätzlich bestehende Pflicht zur Neuvornahme anknüpft, kann die Argumentation auf die GmbH übertragen werden. Wie gesehen, sind auch die Abschlussverantwortlichen der GmbH grundsätzlich dazu verpflichtet, einen nichtigen Jahresabschluss erneut fehlerfrei festzustellen, um so ihrer Pflicht zur Rechnungslegung nachzukommen.203 Da die Neuvornahme auch bei der GmbH mit organisatorischem und finanziellem Aufwand verbunden ist, gilt es diesen wo möglich zu vermeiden. Diesem Interesse trägt das Modell der schwebenden Unwirksamkeit Rechnung, denn einer erneuten Feststellung des Folgeabschlusses bedarf es immer dann nicht, wenn sich im Wege der Neuvornahme des Vorabschlusses keine veränderten Bilanzansätze ergeben. Gleichzeitig wird aber auch sichergestellt, dass alle Vorgänge vollständig erfasst werden und kein Raum für Manipulationen entsteht. Sollten sich im Rahmen der Neuvornahme Änderungen der Bilanzansätze ergeben, ist der Folgeabschluss entsprechend anzupassen, so dass eine lückenlose Rechnungslegung gewährleistet ist. Somit wird das Modell der schwebenden Unwirksamkeit insbesondere auch den Gläubigerinteressen gerecht, welche im GmbH-Recht eine wichtige Rolle einnehmen. Im Ergebnis kann das Modell der schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses im Grundsatz bedenkenlos auf die GmbH übertragen werden. Argumente, die gegen eine entsprechende Anwendung sprechen, sind nicht ersichtlich. Ob sich im Hinblick auf die Auswirkungen der schwebenden Unwirksamkeit Unterschiede zum Aktienrecht ergeben, bleibt zu prüfen.

201 BGH GmbHR 1954, 28 (29); BGH NJW 1954, 385 (386); BGH NJW 1987, 2514 (2514 f.); BGH NJW 1996, 259 (259); Lutter / Hommelhoff / Bayer, GmbHG, Anh. zu § 47 Rn. 1, 3; ­Altmeppen, GmbHG, Anh. § 47 Rn.  2; Habersack / Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. 47 Rn.  3; Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 1; Windbichler, GesR, § 22 Rn. 17. 202 Noack / Servatius / Haas / Noack, GmbHG, Anh. nach § 47 Rn. 63f; Noack / Servatius / Haas /  Kersting, GmbHG, § 42a Rn. 26; MüKoGmbHG / Wertenbruch, Anh. § 47 Rn. 128; Habersack /  Casper / Löbbe / Raiser / Schäfer, GmbHG, Anh. § 47 Rn. 72; Brete / T homsen, GmbHR 2008, 176 (178). 203 Vergleiche Dritter Teil § 3 A.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

IV. Korrektur in laufender Rechnung in Ausnahmefällen Im Rahmen der Stellungnahme zur Rechtslage bei der Aktiengesellschaft wurde vertreten, dass in Ausnahmefällen unter strengen Voraussetzungen eine Korrektur in laufender Rechnung erfolgen darf.204 Wenn die Neuvornahme nur einen unverhältnismäßig großen Aufwand darstellt, der weder im Gesellschafter- noch im Gläubigerinteresse erforderlich ist, muss auch bei der GmbH ausnahmsweise die Möglichkeit bestehen, durch Korrektur in laufender Rechnung richtige inhaltliche Verhältnisse zu schaffen. Wie bereits ausgeführt, greifen die gegen die Korrektur in laufender Rechnung angebrachten Argumente in dieser Konstellation nicht.205 Zur Bestimmung, ob eine Korrektur in laufender Rechnung zulässig ist, kann auf die für die Aktiengesellschaft entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Demnach bedarf es insbesondere keiner Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses, wenn selbst bei fehlerfreier erneuter Feststellung weder geleistete Gewinnzahlungen noch Tantiemen zurückgefordert werden könnten, die Ausschüttungsverhältnisse unverändert blieben und sich der Einblick in die Vermögens- und Ertragslage nicht verbessen würde. V. Pflicht der zuständigen Organe zur Herbeiführung voller Wirksamkeit Die zuständigen Gesellschaftsorgane der Aktiengesellschaft sind angehalten, den nichtigen Jahresabschluss fehlerfrei zu wiederholen und somit klare Verhältnisse hinsichtlich des Folgeabschlusses zu schaffen.206 Dasselbe muss auch für die Abschlussverantwortlichen der GmbH gelten. Im Interesse der Rechtssicherheit ist der Schwebezustand möglichst bald zu beenden. VI. Heilung der schwebenden Unwirksamkeit Die Heilungsvorschrift des § 256 Abs. 6 AktG findet analoge Anwendung auf die GmbH.207 Grundsätzlich würde also ein Folgeabschluss, der nach inhaltsveränderter Neuvornahme gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig ist, nach drei Jahren geheilt werden. Wie bereits ausführlich begründet, muss aber auch die Heilung der schwebenden Unwirksamkeit selbst analog § 256 Abs. 6 AktG möglich sein.208 Für die GmbH kann insofern nichts anderes gelten. Mithin wird die schwebende Unwirksamkeit des GmbH-Jahresabschlusses 204

Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. V. 4. d). Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. V. 4. d). 206 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. VI. 207 Vergleiche Dritter Teil  § 2 B. IV. 208 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. VII. 205

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geheilt, wenn nach der Offenlegung gemäß § 325 Abs. 1 HGB drei Jahre vergangen sind und keine Nichtigkeitsklage erhoben wurde. VII. Auswirkungen auf die Gewinnverwendung 1. Schwebende Unwirksamkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses Fraglich ist, ob bei der GmbH ein ebenso enger Zusammenhang zwischen Jahresabschluss und Ergebnisverwendungsbeschluss wie bei der Aktiengesellschaft besteht und somit der auf einem schwebend unwirksamen Jahresabschluss beruhende Ergebnisverwendungsbeschluss ebenfalls schwebend unwirksam ist. Dafür spricht, dass § 29 Abs. 1 GmbHG den Anspruch der Gesellschafter auf Gewinnausschüttung an den im Jahresabschluss festgestellten Jahresüberschuss bzw. Bilanzgewinn knüpft. Des Weiteren gilt § 253 AktG im GmbH-Recht analog,209 so dass sich die dort zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung, wonach ein Beschluss über die Gewinnverwendung nicht unabhängig vom zugrundeliegenden Jahresabschluss wirksam sein kann, problemlos übertragen lässt. Folglich ist auch der auf dem schwebend unwirksamen Folgeabschluss beruhende Ergebnisverwendungsbeschluss zunächst einmal schwebend unwirksam.210 Entfällt die schwebende Unwirksamkeit des Folgeabschlusses in Folge inhaltsgleicher Neuvornahme oder Heilung, wird auch der Ergebnisverwendungsbeschluss voll wirksam. Ist der Folgeabschluss hingegen nach inhaltsveränderter Neuvornahme endgültig nichtig, gilt dies auch für den Ergebnisverwendungsbeschluss. 2. Auswirkungen der schwebenden Unwirksamkeit auf die Ergebnisverwendung Die schwebende Unwirksamkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses könnte zur Folge haben, dass keine Gewinne an die Gesellschafter ausgezahlt werden können. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen der Frage, ob den Gesellschaftern ein durchsetzbarer Anspruch auf Auszahlung ihres Gewinnanteils zusteht und der Frage, ob die GmbH auf der Basis des schwebend unwirksamen Ergebnisverwendungsbeschlusses Gewinne ausschütten darf.

209

BGH GmbHR 2008, 1092 (1094); OLG Stuttgart GmbHR 2004, 662 (663); OLG Hamm BB 1991, 2122 (2122); Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 11; Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 65; Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 43. 210 Ebenso Kropff, FS Budde, S. 340 (353).

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

a) Anspruch auf Gewinnausschüttung Ist der Ergebnisverwendungsbeschluss nichtig, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Gewinnausschüttung vor, so dass der aus dem allgemeinen mitgliedschaftlichen Gewinnrecht erwachsende konkrete Gewinnauszahlungsanspruch der Gesellschafter nicht entsteht.211 Gleiches muss auch im Fall der schwebenden Unwirksamkeit gelten. Ansonsten könnten die Gesellschafter die Auszahlung ihres Gewinnanteils verlangen, bevor feststeht, welche bilanziellen Auswirkungen die Nichtigkeit des Vorabschlusses hat. b) Zulässigkeit der Gewinnausschüttung Allerdings könnte es der Gesellschaft trotzdem freistehen, Gewinne an die Gesellschafter auszuschütten. Anders als im Aktienrecht ist bei der GmbH nicht jede Ausschüttung an die Gesellschafter an den im Jahresabschluss ausgewiesenen Bilanzgewinn geknüpft (vgl. § 57 Abs. 3 AktG), sondern es kommt maßgeblich darauf an, ob die Auszahlung das Stammkapital unberührt lässt, § 30 Abs. 1 GmbHG. Da die strenge Kapitalbindung des § 57 AktG gerade nicht gilt, scheidet auch die Anwendung des § 59 AktG aus.212 Insofern könnte der GmbH innerhalb der Grenzen des § 30 Abs. 1 GmbHG das Recht zustehen, Gewinne auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Ergebnisverwendungsbeschlusses auszuzahlen. Vorweggenommene Gewinnausschüttungen vor Erstellung des Jahresabschlusses bzw. vor Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung, sog. Vorabausschüttungen, sind im GmbH-Recht allgemein anerkannt.213 Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Vorabausschüttung ist, dass ein ausgewiesener Gewinn in der angenommenen Höhe bei gewissenhafter Prüfung nach ordentlichen kaufmännischen Grundsätzen wahrscheinlich ist.214 Die Ausschüttung muss sich zudem in den Grenzen des § 30 Abs. 1 GmbHG bewegen, darf keinen existenzvernichtenden

211 BGH NZG 2004, 912 (913); BGH NJW 1998, 3646 (3646); BGH NJW 1998, 1559 (1559); BGH NZG 2004, 912 (913); OLG Düsseldorf NZG 2001, 1085 (1086); Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 49; Windbichler, GesR, § 22 Rn. 30. 212 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 60; Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn.  106; Hachmeister / Kahle / Mock / Schüppen / Schatz / Braun, BilanzR, § 29 Rn. 59; BFH GmbHR 1977, 160 (160); G. Hueck, ZGR 1975, 133 (140 f). 213 BGH NJW 2002, 3774 (3775); RGZ 85, 43 (44 f.); BFH BB 1991, 1694 (1695); BGH ZIP 2013, 1222 (1224); OLG Hamm GmbHR 1992, 456 (457); Habersack / Casper / Löbbe /  Leuschner, GmbHG, § 29 Rn. 229; Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 106; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 45; Altmeppen, GmbHG, § 29 Rn. 69; Rowedder / Pentz, GmbHG, § 29 Rn. 98; G. Hueck, ZGR 1975, 133 (148). 214 BGH NZG 2009, 659 (662); Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 61; Hachmeister / Kahle / Mock / Schüppen / Schatz / Braun, BilanzR, § 29 Rn. 59; MüKoGmbHG /  Ekkenga, § 29 Rn. 98; G.  Hueck, ZGR 1975, 133 (143); a. A.: Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 108, der nur auf die Verletzung des § 30 GmbHG abstellt.

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Eingriff darstellen und nicht zu einer Verletzung des § 15b InsO führen.215 Darüber, ob eine vorweggenommene Dividendenauszahlung erfolgen soll, entscheidet die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit.216 Sollte letztlich kein entsprechender Gewinn im Jahresabschluss festgestellt werden, so sind nicht gedeckte Beträge nach Bereicherungsrecht zurückzuzahlen. Sofern mit der Ausschüttung ein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 GmbHG verbunden war, besteht auch ein Rückgewähranspruch nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG. Da die Gewinne unter Vorbehalt ausgezahlt wurden, können die empfangenden Gesellschafter sich weder auf § 818 Abs. 3 BGB noch auf § 32 GmbHG berufen.217 Wenn die Ausschüttung unter den genannten Voraussetzungen bereits vor der Feststellung des Jahresabschlusses zulässig ist, muss eine Gewinnauszahlung erst recht möglich sein, wenn der Jahresabschluss sowie der auf diesem beruhende Ergebnisverwendungsbeschluss zwar schwebend unwirksam sind, die Gesellschafterversammlung den Jahresabschluss aber bereits festgestellt und über die Ergebnisverwendung entschieden hat. Um zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Gewinnausschüttung erfolgen darf, kann auf die zur Zulässigkeit von Vorabausschüttungen entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. So muss die Ausschüttung insbesondere den Vorgaben des § 30 Abs. 1 GmbHG entsprechen und auf einem Gesellschafterbeschluss beruhen. Darüber hinaus wird man auch verlangen müssen, dass die Gesellschafter nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis kommen, dass die Gewinnauszahlung auch von den Feststellungen eines gegebenenfalls neuvorgenommenen Folgejahresabschlusses gedeckt wäre. Im Fall einer tatsächlich erforderlichen erneuten Feststellung sind bestehende Ermessensspielräume dahingehend auszuüben, dass ein ausreichender Bilanzgewinn ausgewiesen wird. Würde man lediglich auf § 30 GmbHG abstellen, so könnte eine völlig überhöhte Gewinnausschüttung erfolgen, welche aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht mehr von den Gesellschaftern zurückerlangt werden könnte. Des Weiteren muss die Dividendenzahlung von der Entnahme als ergebnisunabhängige Auszahlung abgrenzbar sein.218 Sollte trotz erfolgter Prüfung ein Teil der Ausschüttung nicht von den zwischenzeitlich im Jahresabschluss getroffenen Feststellungen gedeckt sein, so ist dieser Betrag nach Bereicherungsrecht bzw. §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG zurückzugewähren. Auch hier finden § 818 Abs. 3 BGB sowie § 32 GmbHG keine Anwendung, sofern die Gesellschafter die Nichtigkeit des Vorjahresabschluss kennen oder damit ernstlich rechnen müssen.

215

Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 61; Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 29 Rn. 45; Windbichler, GesR, § 22 Rn. 33. 216 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 60; MHLS / Mock, GmbHG, § 29 Rn. 225. 217 RGZ 85, 43, (45); BGH NJW 2003, 3629 (3631); Hachmeister / Kahle / Mock / Schüppen /  Schatz / Braun, BilanzR, § 29 Rn. 60; MHLS / Mock, GmbHG, § 29 Rn. 227; a. A.: Scholz / Verse, GmbHG, § 29 Rn. 108; BGH GmbHR 2009, 712 (712), Rückgewähranspruch aus vertraglicher Abrede. 218 Noack / Servatius / Haas / Kersting, GmbHG, § 29 Rn. 61, bezüglich Vorabausschüttung.

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3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

c) Zwischenergebnis Der auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Folgeabschlusses gefasste Ergebnisverwendungsbeschluss ist ebenfalls schwebend unwirksam. Wird der Folgeabschluss endgültig wirksam oder nichtig, so gilt dies auch für den auf dem Folgeabschluss beruhenden Ergebnisverwendungsbeschluss. Während der Schwebezeit besteht mangels vollständig wirksamen Ergebnisverwendungsbeschlusses kein Anspruch der Gesellschafter auf Gewinnausschüttung. Dennoch kann die Gesellschaft innerhalb der Grenzen des § 30 Abs. 1 GmbHG Gewinne auszahlen, wenn sie nach sorgfältiger Prüfung zu der Einschätzung gelangt, dass die Maßnahme auch von den Feststellungen eines gegebenenfalls neuvorgenommenen Folgejahresabschluss gedeckt wäre. Im Rahmen der Neuvornahme des Folgeabschlusses haben die Abschlussverantwortlichen etwaig bestehende bilanzielle Ermessenspielräume dahingehend auszuüben, dass ein die Gewinnverwendungsmaßnahme deckender Bilanzgewinn ausgewiesenen werden kann. Dennoch zu viel ausgeschütteter Gewinn ist nach Bereicherungsrecht herauszugeben. VIII. Schwebende Unwirksamkeit mehrerer Folgeabschlüsse bzw. Ergebnisverwendungsbeschlüsse Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die schwebende Unwirksamkeit bei der GmbH nicht auch auf etwaige dem Folgeabschluss nachfolgende Jahresabschlüsse sowie auf diesen beruhenden Ergebnisverwendungsbeschlüsse erstreckt. Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft bleibt nach inhaltsveränderter Neuvornahme des ursprünglich nichtigen Jahresabschlusses bis zur Neuvornahme des unmittelbar folgenden Jahresabschlusses unklar, ob der wiederum darauf nachfolgende Jahresabschluss den Grundsatz der Bilanzidentität abschließend wahrt oder nicht. Mithin muss sich die schwebende Unwirksamkeit auch auf etwaige dem Folgeabschluss wiederum nachfolgende Jahresabschlüsse und Ergebnisverwendungsbeschlüsse erstrecken. Die Folgeabschlüsse sowie darauf beruhende Ergebnisverwendungsbeschlüsse werden voll wirksam, wenn der nichtige Vorabschluss geheilt oder inhaltsgleich neu festgestellt wird. Sie sind hingegen endgültig nichtig, wenn der jeweilige Vorabschluss inhaltsverändert neu vorgenommen wird. IX. Geltendmachung der schwebenden Unwirksamkeit bzw. endgültigen Unwirksamkeit Auch hier gilt das zur Aktiengesellschaft Herausgearbeitete entsprechend.219 Zunächst einmal kann also im Wege der Nichtigkeitsklage (§§ 249, 256 Abs. 7 AktG analog) oder der allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) gegen den nichti 219

Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. X.

§ 3 Folgen der Nichtigkeit

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gen Vorjahresabschluss vorgegangen werden. Die schwebende Unwirksamkeit selbst kann als Einwendung geltend gemacht werden. Außerdem besteht bei entsprechendem Feststellungsinteresse die Möglichkeit, auf Feststellung der schwebenden Unwirksamkeit nach § 256 ZPO zu klagen. Des Weiteren kann, nachdem feststeht, dass der Folgeabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig ist, Klage nach §§ 249, 256 Abs. 7 AktG analog erhoben werden.220 X. Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaft, um Schwebezustand zu beenden Im Hinblick auf die Handlungsmöglichkeiten, welche der Gesellschaft zukommen, um den Schwebezustand zu beenden, kann ebenfalls auf die Ausführungen zur Aktiengesellschaft verwiesen werden.221 Falls dies ausnahmsweise zulässig ist, kann die Gesellschaft durch eine Korrektur in laufender Rechnung klare Verhältnisse schaffen. Anderenfalls bedarf es der Neuvornahme des Vorabschlusses. Sollte die erneute Feststellung mehr Zeit in Anspruch nehmen, als die Heilungsfrist schlichtweg verstreichen zu lassen, so kann ausnahmsweise die Heilung abgewartet werden. XI. Haftungsrisiken der Geschäftsführung im Zusammenhang mit der schwebenden Unwirksamkeit Kennt der Geschäftsführer die schwebende Unwirksamkeit von Folgeabschluss und darauf beruhendem Ergebnisverwendungsbeschluss, so muss er abwarten, ob die Gesellschafterversammlung dennoch beschließt, Gewinne auszuzahlen. Tut er dies nicht und schüttet vorab Gewinne aus, so haftet der Geschäftsführer nach Maßgabe des § 43 Abs. 2 GmbHG. Insofern kann er sich auch nicht auf den schwebend unwirksamen Ergebnisverwendungsbeschluss berufen, da dieser noch nicht vollständig wirksam ist. Stellt die Ausschüttung auf der Grundlage des schwebend unwirksamen Ergebnisverwendungsbeschlusses eine Stammeinlagenrückgewähr dar, so ist der Geschäftsführer jedenfalls gemäß § 43 Abs. 2, 3 GmbHG schadensersatzpflichtig.

220 221

Vergleiche Dritter Teil  § 2 B. V. Vergleiche Zweiter Teil  § 4 C. XI.

160

3. Teil: Nichtigkeit des Jahresabschlusses einer GmbH

D. Mögliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen für Geschäftsführung und Abschlussprüfer I. Geschäftsführung 1. Zivilrechtliche Konsequenzen Die Haftung des Geschäftsführers im Fall eines nichtigen Jahresabschlusses richtet sich nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Hiernach haftet der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft, wenn er zumindest fahrlässig eine ihn treffende Pflicht verletzt.222 So etwa, wenn er auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses bzw. Ergebnisverwendungsbeschlusses Gewinne ausschüttet. Insofern kann der Geschäftsführer sich auch nicht auf den gefassten Gesellschafterbeschluss berufen, da dieser nichtig ist und ihn daher nicht entlastet.223 Allerdings kann die Geltendmachung treuwidrig (§ 242 BGB) sein, wenn der Ersatz nicht zur Aufrechterhaltung des Gewinnvortrags oder zu Rücklagenbildung erforderlich ist, da ansonsten den Gesellschaftern die Schadensersatzleistung über ihre Beteiligung neben der ohnehin schon erfolgten erhöhten Gewinnausschüttung doppelt zugutekommen würde.224 Stellt die Auszahlung auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses eine Stammeinlagenrückgewähr dar, so verstößt der Geschäftsführer gegen seine Verpflichtung aus § 30 GmbHG, vgl. § 43 Abs. 3 GmbHG. Da der Ersatz des Schadens zur Befriedung der Gläubiger erforderlich ist, kann sich der Geschäftsführer erst recht nicht darauf berufen, dass die Jahresabschlussfeststellung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erfolgte, vgl. § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG. 2. Strafrechtliche Konsequenzen Der Geschäftsführer macht sich gemäß § 331 Nr. 1 HGB strafbar, wenn er die Verhältnisse der Gesellschaft im Jahresabschluss vorsätzlich unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Es genügt insofern Eventualvorsatz, so dass die Strafbarkeit auch dann zu bejahen ist, wenn der Geschäftsführer es lediglich für möglich hält, dass eine Falschbewertung vorliegt, dies aber gleichgültig hinnimmt.225 Erfolgt auf der Grundlage des unrichtigen Jahresabschlusses eine zu hohe Gewinnauszahlung an die Gesellschafter, durch welche das Stammkapital angegriffen wird, und kennt der Geschäftsführer diese Umstände, so führt die Ausschüttung zu einer Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 StGB.226 Legt der Geschäftsführer bewusst 222

Lutter / Hommelhoff / Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 1. Habersack / Casper / Löbbe / Paefgen, GmbHG, § 43 Rn. 239; Scholz / Verse, GmbHG, § 43 Rn.  262; Rowedder / Pentz / Schnorbus, GmbHG, § 43 Rn.  92; Lutter / Hommelhoff / Kleindiek, GmbHG, § 43 Rn. 42. 224 Wimmer, DStR 1997, 1931 (1933). 225 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152); Wimmer, DStR 1997, 1931 (1934). 226 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152); Wimmer, DStR 1997, 1931 (1934). 223

§ 3 Folgen der Nichtigkeit

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einen nichtigen Jahresabschluss vor, um einen Kredit gewährt zu bekommen oder bezieht er sich auf den fehlerhaften Abschluss im Rahmen des Unternehmensverkaufs, so macht er sich des Betrugs nach § 263 StGB schuldig, wenn der anderen Partei dadurch ein Vermögensschaden entsteht. Kommt es dazu nicht, liegt ein Kreditbetrug nach § 265b Abs. 1 Nr. 1 a) StGB vor.227 Erkennt der Geschäftsführer im Nachgang, dass der Jahresabschluss unrichtig ist, so trifft ihn eine Berichtigungspflicht. Kommt er dieser nicht nach, droht die Verwirklichung der genannten Delikte durch Unterlassen (§ 13 StGB).228 Bei nur geringen Fehlern liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 334 Abs. 1 HGB vor.229 Wäre die Gesellschaft bei korrekter Bewertung insolvent gewesen, kommt außerdem eine Strafbarkeit wegen Verletzung der Verlustanzeigepflicht gemäß § 84 GmbHG in Betracht.230 Auch der Straftatbestand des Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 5, 7 a), Abs. 6 StGB kann erfüllt sein. Hinzu kommt bei Verletzung der Buchführungspflicht die Verwirklichung des § 283b Abs. 1 Nr. 1, 3 a) StGB.231 II. Abschlussprüfer Im Hinblick auf die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ergeben sich keine Unterschiede zu den Ausführungen zur Aktiengesellschaft.232 Der Gesellschaft gegenüber haftet der Abschlussprüfer also primär nach § 323 Abs. 1 S. 3 HGB, daneben können zudem deliktische Ansprüche bestehen. Eine Dritthaftung kommt hingegen nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn der Prüfungsvertrag Schutzwirkung zugunsten des Dritten entfaltet, wobei an die Voraussetzungen einer solchen Schutzwirkung hohe Anforderungen zu stellen sind. Es droht eine Strafbarkeit nach § 332 HGB, wenn die Berichtspflicht verletzt wurde. Darüber hinaus kann ein Fall der Beihilfe (§ 27 StGB) im Hinblick auf die von der Geschäftsführung verwirklichten Delikte vorliegen, wenn der Abschlussprüfer von dem Vorgehen weiß und dennoch einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt.

227

Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152); Wimmer, DStR 1997, 1931 (1934). Wimmer, DStR 1997, 1931 (1934). 229 Wimmer, DStR 1997, 1931 (1934). 230 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 231 Weilep / Weilep, BB 2006, 147 (152). 232 Vergleiche Zweiter Teil  § 4 D. II. 228

Vierter Teil

Wesentliche Ergebnisse § 1 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die Aktiengesellschaft 1. Es besteht eine grundsätzliche Pflicht der Gesellschaftsorgane, einen bekanntermaßen nichtigen Jahresabschluss erneut fehlerfrei festzustellen. Sollte die Neuvornahme aber mehr Zeit in Anspruch nehmen als das Abwarten der Heilung, darf von der fehlerfreien Wiederholung abgesehen werden. (Zweiter Teil § 4 A. I. 2.) 2. Auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses ausgeschüttete Gewinne sind nach Maßgabe des § 62 Abs. 1 AktG zurückzugewähren. Zur Bestimmung, ob ein Fall fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von § 62 Abs. 1 S. 2 AktG vorliegt, kommt es darauf an, ob ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt wurde. Liegt ein solcher vor, kann einem Kleinanleger kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Bei einem Großaktionär greift die Privilegierung des § 62 Abs. 1 S. 2 AktG trotz eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nicht, wenn dem Aktionär nach den Umständen des Einzelfalles begründete Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Gewinnausschüttung hätten kommen müssen. (Zweiter Teil § 4 B. I.) 3. Weist der neuvorgenommene Jahresabschluss einen gleich hohen bzw. ausreichenden Bilanzgewinn aus, so stellt der bereits auf der Grundlage des nichtigen Abschlusses gefasste Gewinnverwendungsbeschluss in entsprechender Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG die rechtmäßige Grundlage für die Gewinnausschüttung dar. Sollte der im neu aufgestellten Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn hingegen geringer ausfallen, so ist erneut über die Gewinnverwendung zu entscheiden. (Zweiter Teil § 4 B. II.) 4. Der auf einen nichtigen Jahresabschluss nachfolgende Jahresabschluss ist solange schwebend unwirksam, bis ein wirksamer Vorjahresabschluss vorliegt. Der Folgeabschluss wird vollständig wirksam, sobald der nichtige Vorjahresabschluss geheilt wird oder die inhaltsgleiche Neuvornahme erfolgt. Kommt es hingegen zur inhaltsveränderten Neuvornahme, so ist der Folgeabschluss gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB nichtig. Ausnahmsweise kann eine Korrektur in laufender Rechnung erfolgen, wenn die Berichtigung früherer Bilanzen einen unverhältnismäßig großen Aufwand für die Gesellschaft darstellen würde, die Berichtigung aber weder für die Aktionäre noch für die Gläubiger von Vorteil wäre und durch die Korrektur richtige inhaltliche Verhältnisse geschaffen werden können. (Zweiter Teil  § 4 C. V.)

§ 2 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die GmbH

163

5. Ein auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Folgeabschlusses gefasster Gewinnverwendungsbeschluss ist ebenfalls schwebend unwirksam. Wird der Folgeabschluss endgültig wirksam oder nichtig, so gilt dies auch für den auf diesem beruhenden Gewinnverwendungsbeschluss. Gewinnausschüttungen während der Schwebezeit sind zulässig, wenn Vorstand und Aufsichtsrat nach sorgfältiger Prüfung zu der Einschätzung kommen, dass der Gewinn auch dann ausgeschüttet werden kann, wenn der zugrundeliegende Jahresabschluss erneut festgestellt werden muss. (Zweiter Teil § 4 C. VIII.)

§ 2 Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung für die GmbH 1. Die Nichtigkeitsgründe des § 256 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4, Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3, Abs. 4, Abs. 5 Nr. 1 AktG sowie die Heilungsvorschrift des § 256 Abs. 6 AktG können auf die GmbH übertragen werden. Auch § 256 Abs. 7 AktG ist entsprechend anwendbar. Bei der analogen Anwendung der jeweiligen Vorschrift sind stets die GmbH-spezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Keine Anwendung finden hingegen § 256 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 Nr. 2 AktG, da sie nicht der Interessenlage in der GmbH entsprechen. (Dritter Teil § 2 B. III., IV. und V.) 2. Liegt kein nichtigkeitsbegründender Mangel vor, so ist der Jahresabschluss analog §§ 257, 243 AktG anfechtbar. Der Ausschluss des § 257 Abs. 1 S. 2 AktG findet im GmbH-Recht hingegen keine Anwendung. (Dritter Teil § 2 B. I.) 3. Im Hinblick auf die Pflicht zur Neuvornahme des nichtigen Jahresabschlusses gelten für die GmbH die gleichen Grundsätze wie für die Aktiengesellschaft. (Dritter Teil  § 3 A.) 4. Auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses an die Gesellschafter ausgezahlte Gewinne sind nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückzugewähren. Der Anspruch wird nach § 32 GmbHG modifiziert, so dass keine Rückgewährpflicht besteht, wenn die Gesellschafter zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung weder positive Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von der Mangelhaftigkeit des Jahresabschlusses und der daraus resultierenden Nichtigkeit des Ergebnisverwendungsbeschlusses hatten. Ist durch die Gewinnauszahlung das Stammkapital der Gesellschaft betroffen, so richtet sich die Rückgewähr zusätzlich nach §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 GmbHG. (Dritter Teil § 3 B. I. und II.) 5. Wird der Jahresabschluss neuvorgenommen, so bildet der ursprünglich gefasste Ergebnisverwendungsbeschluss in (doppelt) analoger Anwendung der §§ 256 Abs. 6, 253 Abs. 1 S. 2 AktG dennoch den Rechtsgrund für eine bereits auf der Grundlage des nichtigen Jahresabschlusses erfolgte Ausschüttung, wenn der erneut festgestellte Jahresabschluss einen ausreichenden Jahresüberschuss bzw. Bilanzgewinn ausweist. (Dritter Teil § 3 B. III.)

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4. Teil: Wesentliche Ergebnisse

6. Das Lösungsmodell der schwebenden Unwirksamkeit des Folgeabschlusses kann auf die GmbH übertragen werden. In Ausnahmefällen kann auch bei der GmbH eine Korrektur in laufender Rechnung erfolgen. (Dritter Teil § 3 C. III. und IV.) 7. Der auf der Grundlage eines schwebend unwirksamen Folgeabschlusses gefasste Ergebnisverwendungsbeschluss ist ebenfalls schwebend unwirksam. Während der Schwebezeit besteht mangels vollständig wirksamen Ergebnisverwendungsbeschlusses kein Anspruch der Gesellschafter auf Gewinnausschüttung. Dennoch kann die Gesellschaft innerhalb der Grenzen des § 30 Abs. 1 GmbHG Gewinne auszahlen, wenn die Gesellschafter nach sorgfältiger Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass die Maßnahme auch von den Feststellungen eines gegebenenfalls neuvorgenommenen Folgejahresabschluss gedeckt wäre. (Dritter Teil  § 3 C. VII.)

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Sachwortverzeichnis Aktiengesetz 1937  68 Anfechtungsklage  34, 55, 121 f. Anrechnungslösung 60 Ansatzfehler 38 Aufrechnungslösung 60 Dividendenzahlung, siehe Gewinnverwendung Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens 60 Ergebnisverwendungsbeschluss  144 ff., 155 Fehleridentität 64 Folgeabschluss  64 ff., 150 ff.

– schwebende Unwirksamkeit  95, 154 Heilungslösung  61, 149 Jahresabschluss – Anfechtbarkeit  31 ff., 115 ff., 121 f. – Aufstellung  29, 112 ff. – Feststellung  29, 112 ff. – Funktion 27 – Nichtigkeit  30 ff., 115 ff., 124 ff. – Zusammensetzung  28, 112 Kapitalrücklagen  36, 126 ff. Klagebefugnis des Insolvenzverwalters ​ 43 f. Korrektur in laufender Rechnung  84 f., 88 ff., 93 f., 154

Gesetz zur Modernisierung des Personen­ gesellschaftsrechts (MoPeG)  140 ff. Gewinnausschüttung, siehe Gewinnverwendung Gewinnrückgewähr  53 ff., 144 ff., 146 ff. Gewinnrücklagen  36, 126 ff. Gewinnverwendung  53 ff., 97 ff., 155 ff. Gewinnverwendungsbeschluss  31, 45, 53 f., 59, 97 f. Gläubigerschützende Norm  35, 72 ff., 124 Gliederungsmängel  37, 135 Grundsatz der Bilanzidentität  64, 71 ff., 75 ff., 151 Grundsatz der Bilanzkontinuität, siehe Grundsatz der Bilanzidentität Guter Glaube, siehe Gutgläubigkeit Gutgläubigkeit  54 ff., 145

Regierungsentwurf eines Bilanzrichtliniengesetzes von 1985  118 Regierungsentwurf eines GmbH-Gesetzes von 1971  117

Haftung – Abschlussprüfer  108 ff., 161 – Geschäftsführer  160 f. – Vorstand und Aufsichtsrat  106 ff. Heilung – Frist 45 – nichtiger Jahresabschluss  44 f., 138

Schwebende Unwirksamkeit – Bestätigungsvermerk 105 – Folgeabschluss  86, 90 ff., 104, 150 ff., 158 – Geltendmachung  104, 158 – Gewinnverwendung  97 ff., 104, 155 – Haftungsrisiken  104, 159

Lagebericht  33 f., 112 Lehre von der punktuellen Fehlerkorrektur ​ 51 f. Neuvornahme  46 ff., 59, 143 f. Nichtigkeitsklage  43, 139 Originäre Eröffnungsbilanz  84, 87 f. Prüfungsfehler, siehe Prüfungsmängel Prüfungsmängel  40 ff., 51 ff., 125

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Sachwortverzeichnis

Sonderprüfungsverfahren  118, 122, 123 Sorgfaltsmaßstab, siehe Gutgläubigkeit Stammkapital  144 ff. Überbewertung  39, 136

Unterbewertung  40, 136 f. Verantwortlichkeit, siehe Haftung Verfahrensfehler, siehe Verfahrensmängel Verfahrensmängel  42 ff., 51 ff., 131 ff.