Die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen [1 ed.] 9783428531721, 9783428131723

Ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang können öffentliche Auftraggeber "soziale Bel

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Die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen [1 ed.]
 9783428531721, 9783428131723

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1149

Die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen Von

Ipek Ölcüm

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

IPEK ÖLCÜM

Die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1149

Die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen

Von

Ipek Ölcüm

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz hat diese Arbeit im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: werksatz · Büro für Typografie und Buchgestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13172-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2008/2009 als Dissertation vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz angenommen. Die Untersuchung wurde im Januar 2009 abgeschlossen. Meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ludwig Gramlich danke ich für die engagierte und interessierte Unterstützung während der Bearbeitung. Frau Prof. Dr. Eva Waller sowie Frau Dr. Ines Dernedde danke ich für die Erstellung der Zweitund Drittgutachten. Herrn Prof. Dr. Jürgen Keßler danke ich dafür, dass er mir gleich zu Beginn meiner Studienzeit die Pforten zur wissenschaftlichen Tätigkeit an seinem Lehrstuhl öffnete. Herrn Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler danke ich dafür, dass er mir mit seinen freundlichen Worten den Anstoß gab, zu promovieren. Ferner danke ich dem Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung und ihren MitarbeiterInnen, die mich nicht nur finanziell, sondern auch ideell unterstützt haben. Nur mit dieser Unterstützung konnte ich diese Arbeit in der geplanten Zeit zu Ende stellen. Darüber hinaus danke ich den Rechtsanwälten Cem Alisik und Volkan Erceli von der Kanzlei PROFANDUM in Berlin, die mir zum Arbeiten an dieser Untersuchung kollegial und freundschaftlich ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt haben. Meinen FreundInnen Zehra, ihrem Sohn Dogukan, Daniel, Günay, Mete, Moira, Nadya, Oliver und Rebecca danke ich für ihre Geduld und ihr Verständnis im Umgang mit meinem „Zeitmangel“. Atilla danke ich vor allem für die Hilfe bei der Formatierungsüberarbeitung. Für die nie ausbleibende liebevolle Unterstützung zur Verwirklichung meiner Promotion danke ich aber vor allem meiner Familie, meinen Eltern, Sadiye und Erol Ölcüm, sowie meinen Schwestern Gülnihal und Dilek und insbesondere meiner kleinen Liebes- und Inspirationsoase, meiner Nichte Idil. Auch danke ich meinem Großonkel mit der weisen Dichterseele, Sadullah M. Öztürk, der immer an mich geglaubt und mich immer dann in anregenden Diskussionen motiviert hat, wenn ich dachte, dass ich nicht mehr kann. Meiner Familie und meinen Freunden widme ich diese Arbeit. Berlin, im Juni 2009

Ipek Ölcüm

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I.

Fragestellung und These der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II.

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Kapitel 1 Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

22

I.

Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

II.

„Soziale Unternehmen“ in Deutschland und Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . .

26

III. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht zur öffentlichen Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlicher Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentlicher Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eignungs- und Zuschlagskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eignungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuschlagskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sekundärzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Soziale Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 28 28 29 30 31 31 32 33 36

Kapitel 2 Rechtsquellen des Vergaberechts

38

I.

Geschichtliche Entwicklung des Vergaberechtsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

II.

Dogmatische Einordnung des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lehre vom Verwaltungsprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlich-rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wettbewerbsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 42 43 44

8

Inhaltsverzeichnis 5. Einfluss des europäischen Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

III. Regelungen des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

2. Primäres Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

a) Gründungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

b) Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

bb) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

cc) Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

dd) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

ee) Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

ff) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

c) Wettbewerbsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

d) Beihilferecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

3. Europäische Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

4. Sekundäres Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

b) Die früheren Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

c) Die neue „klassische“ Vergabekoordinierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . .

67

d) Die Sektorenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

e) Rechtsmittelrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

5. Verhältnis von Primär- und Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

IV. Internationale Abkommen zum Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

V.

73

Die Regelungen des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

a) Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

b) Das Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

c) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

d) Vergabeverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

e) Die Verdingungsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

f) Weitere Bundesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

aa) Arbeitsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

bb) Werkstätten für Behinderte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

g) Rechtliche Bestimmungen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

Inhaltsverzeichnis

9

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

VI. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

VII. Grundprinzipien des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wettbewerbsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gleichbehandlungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertraulichkeitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen . . . . . . . dd) Wirtschaftlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 87 87 87 91 93 93 96 96 96 96 96

Kapitel 3 Sekundärzwecke im Vergaberecht

98

I.

Die Regelung des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

II.

Sekundärzwecke im Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

III. Rechtstechnische Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswahl der geeigneten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausführungsbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104 105 110 111 113

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftspolitische Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegensteuerung bei konjunkturellen Schwankungen . . . . . . . . . . . . . . b) Tariftreueerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bekämpfung illegalen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Regionale Förderung durch Präferenzregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Mittelstandsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umweltpolitische Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umweltbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschaffung von Holz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 114 117 117 118 123 125 126 129 129 133 133

10

Inhaltsverzeichnis 4. Gesellschafts- und sozialpolitische Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Ausbildungs- bzw. Lehrlingsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Frauenförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Werkstätten für Behinderte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Langzeitarbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 e) Regelungen bezüglich Vertriebene und Aussiedler . . . . . . . . . . . . . . . . 145 f) Scientology-Schutzerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 g) Sanktionierung von Menschenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 h) Diskriminierungsschutz bei der Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 i) Sonstige sozialpolitisch motivierte Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

V.

Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. „Beentjes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Schlussanträge des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Das Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. „Nord-Pas-De-Calais“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Schlussanträge des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 d) Das Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. „Concordia Bus Finland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 c) Schlussanträge des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Das Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 4. „Wienstrom“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Schlussanträge des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Das Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. „Rüffert“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Schlussanträge des Generalanwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 d) Das Urteil des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6. Kritik an der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhaltsverzeichnis VI. „Soziale Belange“: Versuch der Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ähnlichkeiten mit umweltbezogenen Belangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede zwischen sozialen und umweltbezogenen Belangen . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 172 173 174 175

Kapitel 4 Anforderungen und Schranken

177

I.

Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. EG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einzelne Politiken und Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Integrationsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschäftigungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sozialpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Querschnittsaufgaben in der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatszielbestimmung Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 177 178 178 179 179 180 181 182 183 183 184 184 184 185

II.

Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. EG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Europäisches Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Beihilfenverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Europäisches Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäisches Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Eignungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuschlagskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 186 186 186 189 191 191 192 192 195 198 199 200 202 203

12

Inhaltsverzeichnis c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsches Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundgesetzliche Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfassungsrechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kopplungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstiges nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haushaltsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktbeherrschende Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Missbrauch marktbeherrschender Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wettbewerbsrecht (UWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wettbewerbsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unlauterkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kartellvergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regelungsgehalt des § 97 Abs. 4 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Vergabegrundsätze des § 97 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verdingungsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

204 204 204 205 209 209 209 210 211 211 213 213 215 216 218 218 218 219 220 221 221 221 221 222 225 225 227 227 228

Kapitel 5

I.

Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

229

Vergabekoordinierungsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergaberechtliche Grundsätze und Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Technische Spezifikationen gem. Art. 23 VKR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eignungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 229 232 233 234

II.

Inhaltsverzeichnis

13

5. Zuschlagskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonderregelung „Vorbehaltene Aufträge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die sozialgestalterische Generalnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehung des Art. 26 VKR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spektrum des Art. 26 VKR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkung des Art. 26 VKR im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 26 VKR . . . . . . . . . . . . . . . bb) Richtlinienkonforme Auslegung am Maßstab des Art. 26 VKR . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

236 238 239 239 240 243 243 245 246 247

Stufen der nationalen Vergaberechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erste Stufe der nationalen Vergaberechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweite Stufe der nationalen Vergaberechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Soziale Belange“ in der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aktueller Stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Realisierbarkeit von Sekundärzwecken in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . .

248 248 250 250 250 252 256 257 258 259

Kapitel 6 Zusammenfassende Thesen und Ausblick

265

I.

Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

II.

Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Mitteilungen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. ABl. EG ABl. EU Abs. a. E. a. F. Anh. AöR Apf Art. AT Az. BAnz. BayOblG BB Bbg. Beschl. BDI BGBl. BGH BGHZ BIP BKartA BKR BMU BMVBS BMVEL BMWi BR BR-Drucks. BT BT-A-Drucks. BT-Drucks

andere Auffassung am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Amtsblatt der Europäischen Union Absatz am Ende alte Fassung Anhang Archiv des öffentlichen Rechts Ausbildung, Prüfung, Fortbildung Artikel Österreich Aktenzeichen Bundesanzeiger Bayerisches Oberlandesgericht Betriebsberater Brandenburg Beschluss Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bruttoinlandsprodukt Bundeskartellamt Baukoordinierungsrichtlinie Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundesrat Bundesrat Drucksachen Bundestag Bundestag Ausschussdrucksache Bundestag Drucksachen

Abkürzungsverzeichnis BVerfG BVerfGE BVergG BW bzw. ca. CMLR DB DE ders. dies. djb DKR DÖV Drucks. DStGB DVBl. EAG EAGV ECU EG EGKS EGKSV Einf. Einl. endg. EP EU EuG EuGH EuR Euro EuZW e.V. EWGV EWS f. ff. Fn. GA GATT

Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des BVerfG Bundesvergabegesetz (Österreich) Baden-Württemberg beziehungsweise circa Common Market Law Review Der Betrieb Deutsch, Deutschland derselbe dieselbe Deutscher Juristinnenbund e.V. Diensleistungskoordinierungsrichtlinie Die öffentliche Verwaltung Drucksachen Deutscher Städte- und Gemeindebund Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der EAG European Currency Unit Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der EGKS Einführung Einleitung Endgültig Europäisches Parlament Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift) Europäische Gemeinschaftswährung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Vertrag zur Gründung d. Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende fortfolgende Fußnote Generalanwalt General Agreement on Tariffs and Trade

15

16 GB GBl. GD GemSen GG gGmbH GmbH GMBl. GPA GVBl. GWB GWh HGrG Hmb. Hrsg. Hs. IAO i. e. S. i. H.v. i.w. S. JA JuS JZ KJ KOM LGG lit. LKR LQR m.w. N. Nds. NdsVBl. n. F. NJ NJW Nr. NRW NuR NVwZ NWVBl. NZA

Abkürzungsverzeichnis Großbritannien Gesetzblatt Generaldirektion Gemeinsamer Senat der obersten Gerichstshöfe des Bundes Grundgesetz gemeinnützige GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt Government Procurement Agreement Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Gigawattstunde Haushaltsgrundsätzegesetz Hamburg(er) Herausgeber(in) Halbsatz Internationale Arbeitsorganisation im engeren Sinne in Höhe von im weiteren Sinne Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kritische Justiz Kommission Landesgleichstellungsgesetz litera Lieferkoordinierungsrichtlinie Law Quarterly Review mit weiteren Nachweisen Niedersachsen Niedersächsische Verwaltungsblätter neue Fassung Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

Abkürzungsverzeichnis NZBau NZS OECD PPLR RdA RdErl. RIW RL Rn. RP Rs. Rspr. Rz. S. SchwbG SGB SKR s. o. StG StGB ThürVBl. TZ UNCITRAL Urt. UWG Verb. Rs. WfB WISO WiVerw. WRP WTO WuW v. VergabeR VerwA Vgl. VgRÄG VgV VKR VO

17

Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergabrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Public Procurement Law Review Recht der Arbeit Runderlass Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Rheinland-Pfalz Rechtssache Rechtsprechung Randziffer Seite Schwerbehindertengesetz Sozialgesetzbuch Sektorenkoordinierungsrichtlinie, RL 2004/17/EG siehe oben Stadt und Gemeinde Strafgesetzbuch Thüringer Verwaltungsblätter Textziffer United Nations Commision on International Trade Law Urteil Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Verbundene Rechtssache Werkstätten für Behinderte Wirtschafts- und sozialpolitische Zeitschrift des Instituts für Sozialund Wirtschaftswissenschaften ISW Linz, AT Wirtschaft und Verwaltung Wettbewerb in Recht und Praxis World Trade Organization Wirtschaft und Wettbewerb von / vom Zeitschrift für das Vergaberecht Verwaltungs-Archiv Vergleiche Vergaberechtsänderungsgesetz Vergabeverordnung Vergabekoordinierungsrichtlinie, RL 2004/18/EG Verordnung

18 VOB VOF VOL VVDStRl VVE ZDB ZEuP ZfA ZfBR ZGR ZHR ZIP zit. ZRP ZUR ZVgR

Abkürzungsverzeichnis Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen Verdingungsordnung für Leistungen Veröffentlichung der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Verfassungsvertrag Europa Zentralverband Deutsches Baugewerbe Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitswissenschaft Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Vergaberecht

Einleitung I. Fragestellung und These der Untersuchung Betrachtet man das öffentliche Auftragswesen näher, so kristallisiert sich neben einigen anderen wesentlichen Problemen die Frage heraus, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang das Recht der Auftragsvergabe seitens öffentlicher Auftraggeber einer – zumindest partiellen – politischen Instrumentalisierung zugänglich ist bzw. sein sollte 1. Dabei geht es darum, ob und wie weit der Staat, wie dies oftmals zu geschehen scheint, über den Preis des Produkts hinaus bei der Vergabe auch soziale, ökologische, strukturpolitische und wirtschaftsethische Kriterien berücksichtigen darf oder gar muss 2. Es geht somit im Kern um die Verfolgung von „Sekundärzwecken“ 3 im öffentlichen Beschaffungswesen und damit um die Bewältigung der Dilemmata, welche sich aus dem Spannungsgeflecht zwischen der normativen Orientierung des Vergabeverfahrens am Wettbewerbsprinzip einerseits und andererseits dem Umstand ergeben, dass die für die Beschaffung zuständigen Entscheidungsträger im Lichte der ihnen zugewiesenen administrativen Gestaltungsbefugnis nicht nur dem Gebot ökonomischer Effizienz, sondern darüber hinaus normativ verankerten Handlungsgeboten sozialer Daseinsvorsorge 4 unterliegen (Art. 3 Abs. 3 S. 2, Art. 20, 28 GG). In der deutschen Literatur wird diese Diskussion auch unter der Überschrift „Sekundärzwecke“ 5 zusammengefasst, wobei dieser Ausdruck die nicht leistungsbezogenen Aspekte wie Tariftreue, struktur- und fiskalpolitische Ziele, Frauenförderung, Ausbildungsförderung und Förderung von Werkstätten für Behinderte miterfasst 6. Im Folgenden soll hiervon aus-, aber darüber hinausgehend untersucht werden, in welchem Rahmen und mit welchen Instrumentarien auch „soziale Aspekte“ bei der öffentlichen Auftragsvergabe Berücksichtigung finden können. Dabei sollen die so genannten Sekundärzwecke differenzierend betrachtet werden. Die 1

Vgl. zur Brisanz der Diskussion Willems, NWVBl. 2001, S. 75, 76. Vgl. Schäfer, Auftragswesen, S. 1 mit Beispielen. 3 Benedict, Sekundärzwecke, S. 17 ff. 4 Vgl. Forsthoff, Leistungsträger, S. 6; Püttner, Ambrosius, in: Cox, Daseinsvorsorge, S. 15 ff.; Bungenberg, Vergaberecht, S. 20 f. 5 Vgl. zu dem Begriff der Sekundärzwecke unten Kapitel 1, III. 4. 6 Dazu im Einzelnen unten Kapitel 3, IV. 2

20

Einleitung

wettbewerbliche Ausrichtung und Umsetzung der öffentlichen Auftragsvergabe ist sowohl in Deutschland als auch in Europa durchgängige Regel, die Berücksichtigung „außerwettbewerblicher“ Orientierungsvorgaben stellt allenfalls die im Einzelfall in Betracht kommende und zu legitimierende Ausnahme dar 7. Insofern gilt es die normativen Vorgaben des Vergaberechts der willkürlichen Disposition seitens der mit der Auftragsvergabe befassten öffentlichen Stellen zu entziehen 8. Allerdings bedarf es bei genauerer Analyse einer breiter ausgefächerten Differenzierung: So ist es nicht auszuschließen, dass bezüglich einzelner in ihren Handlungsmöglichkeiten tatsächlich oder wirtschaftlich benachteiligter Marktanbieter, beispielsweise Unternehmen, deren Beschäftigte sich teilweise oder überwiegend aus behinderten Mitarbeitern zusammensetzen 9, durch die Privilegierung und damit die „Ungleichbehandlung“ im Rahmen des Vergabeverfahrens erst die Voraussetzungen für die Teilnahme am Wettbewerbsprozess geschaffen werden 10. Insoweit ist mit der gesetzlichen Eröffnung des Marktzugangs nicht notwendig eine Verletzung des Wettbewerbsprinzips verbunden; vielmehr erweist sich diese Regelung nachgerade erst als dessen Realisierung. Darüber hinaus ist nicht einsichtig, warum es den öffentlichen Entscheidungsträgern bzw. Auftraggebern nicht möglich sein sollte, im Rahmen der für sie geltenden normativen Kompetenzzuweisungen sozialen Handlungs- und Gestaltungsgeboten auch im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe Rechnung zu tragen, soweit dies in transparenter und nicht diskriminierender Weise erfolgt 7

Vgl. dazu die ersten Vergaberichtlinien: Richtlinie 93/36/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. Nr. L 199 v. 9. 8. 1993, S. 1 (LKR); Richtlinie 93/37/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. Nr. 199 v. 9. 8. 1993, S. 54 (BKR); Richtlinie 92/50/EWG des Rates v. 18. 6. 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. Nr. L 209 vom 24. 7. 1992, S. 1(DKR); Richtlinie 93/38/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. Nr. L 199 v. 9. 8. 1993, S. 84 (SKR a.F.). Zuletzt geändert durch: Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 10. 1997 zur Änderung der Richtlinien 92/59/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge, ABl. Nr. L 328 v. 28. 11. 1997, S. 1 sowie Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 2. 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. Nr. L 101 v. 1. 4. 1998, S. 1. 8 Bunte, Kartellrecht, S. 315, 316. 9 „Social Enterprises“ in Großbritannien. In Deutschland setzt sich hierfür der Begriff der so genannten „Sozialen Unternehmen“ durch, vgl. dazu Kapitel 1, II. 10 Siehe auch Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 3. 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. EU Nr. L 134 v. 30. 4. 2004, S. 114 (VKR), Erwägungsgründe 28 ff.

II. Gang der Untersuchung

21

und der Kernbereich des wettbewerblichen Vergabeverfahrens nicht tangiert wird. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass im Rahmen des europäischen Binnenmarktes nur solche politischen Gestaltungsbefugnisse als legitim anzuerkennen sind, die mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Die vorliegende Arbeit soll aus dem breiten Spektrum der „Sekundärzwecke“ im Einzelnen die „sozialen Belange“ und deren Berücksichtigungsfähigkeit in Deutschland nach der aktuellen europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinie 11 untersuchen. Darüber hinaus soll geklärt werden, welche Gestaltungsmöglichkeiten sich dem deutschen Gesetzgeber hierdurch eröffnen 12. Dies setzt notwendig einen knappen Überblick hinsichtlich der sich de lege lata ergebenden Berücksichtigungsfähigkeit von Sekundärzwecken im Rahmen des Vergabeverfahrens sowie die Analyse der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH voraus 13, umso mehr, als bereits die Erwägungsgründe der aktuellen Vergaberichtlinie ausdrücklich auf die Verankerung von sozialen Belangen im dogmatischen Konzept des EuGH rekurrieren 14. Dabei soll im Rahmen dieser Untersuchung die Problematik nicht nur aus strikt juristischer Perspektive betrachtet werden, sondern Gegenstand der Darstellung ist gerade auch die Frage danach, ob und inwiefern die Berücksichtigung von sekundären Zwecken wirtschafts- oder sozialpolitisch sinnvoll ist.

II. Gang der Untersuchung Die vorliegende Untersuchung besteht aus sechs Kapiteln, wobei der Schwerpunkt bei den Kapiteln 3 bis 5 liegt. Im 1. Kapitel sollen zunächst die Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe dargestellt werden. Das 2. Kapitel soll die nationalen, europäischen und internationalen Rechtsquellen sowie die Grundprinzipien des Vergaberechts näher erläutern. Im 3. Kapitel werden die möglichen Sekundärzwecke dargestellt, um im 4. Kapitel Anforderungen und Schranken zu analysieren. In Kapitel 5 werden einerseits die Möglichkeiten, die die VKR für diese Zwecke eröffnet, näher dargestellt, und andererseits wird die Umsetzung dieser Möglichkeiten ins deutsche Recht untersucht. Abschließen soll die Untersuchung mit zusammenfassenden Thesen sowie einem Ausblick im 6. Kapitel. 11

Siehe Fn. 10. Siehe hierzu auch: Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion der FDP, BT-Drucks. 15/2624 zur Verschlankung des Vergaberechts, BT-Drucks 15/2753 v. 24. 3. 2004. 13 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes; EuGH, Urt. v. 26. 9. 2000, Rs. C-225/98, NZBau 2000, S. 584 ff. – Nord-Pas-De-Calais; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff. – Concordia Bus Finland; EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448 – 01, EuZW 2004, S. 81 ff. – Wienstrom; EuGH, Urt. v. 03. 4. 2008, Rs. C-346/06, NZBau 2008, S. 332 ff. – Rüffert. 14 Erwägungsgrund 1 VKR. 12

Kapitel 1

Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe I. Wirtschaftliche Bedeutung Viele Autoren haben schon verschiedentlich auf die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe aufmerksam gemacht 1. So schrieb bereits in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts Huber 2, dass die „Art und Weise“ der „Vergebung“ öffentlicher Aufträge „für manche Industriezweige eine Lebensfrage“ bilde 3. In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts finden sich erste ausführliche Veröffentlichungen zu diesem Rechtsgebiet 4. Pietzcker 5 schrieb 1978, dass öffentliche Aufträge in Deutschland in ganz erheblichem Umfang in den Dienst wirtschafts- und sozialpolitischer Ziele gestellt würden. Dabei führte er die Gründe hierfür darauf zurück, dass der staatliche Anteil an der Gesamtnachfrage und darüber hinaus auch die staatliche Einflussnahme sowie die Verantwortung für das Wirtschaftsgeschehen gestiegen seien 6. Ausgangspunkt jeder staatlichen Beschaffung von Waren oder Leistungen ist die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch den Staat 7. Eine Definition des Begriffs der öffentlichen Auftragsvergabe lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Allerdings können die wesentlichen Elemente als „Nachfrage von Trägern öffentlicher Verwaltung in privatrechtlicher Form nach den sachlichen Mitteln, die sie für die Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben benötigen“, umschrieben werden 8. 1 Vgl. Welter, Wettbewerbsordnung, S. 31 f.; Prieß, Vergaberecht, S. 1 ff.; Götz, Beschaffungsmärkte, S. 5. 2 Huber, F. C., Submissionswesen, S. 2. 3 Vgl. auch Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 39 m.w. N. 4 Vgl. Welter, Wettbewerbsordnung, S. 3 ff. 5 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 304. 6 Pietzcker, a.a. O., S. 304; so auch: Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 19 f. 7 Vgl. auch den Definitionsversuch durch Michaelis / Rhösa: „Öffentliches Auftragswesen dient der Durchführung staatlicher Aufgaben und der auf das Gemeinwohl ausgerichteten Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Einrichtungen“, in: Kunert, F.-J., a.a. O., S. 23 m.w. N.; Flach, Rechtsbindungen, S. 21: So fällt hierunter auch die Bedarfsdeckung, die durch den so genannten Sektorenauftraggeber etwa in den Bereichen Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung vorgenommen wird; Püttner, Verwaltungslehre, S. 166. 8 Pietzcker, a.a. O., S. 235 m.w. N.

I. Wirtschaftliche Bedeutung

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Sowohl bei der Eingriffs- als auch bei der Leistungsverwaltung erfüllt der Staat seine Aufgaben durch einen inzwischen gewaltig großen Verwaltungsapparat. Zur Erfüllung ihrer vielfältigen Aufgaben benötigt die öffentliche Verwaltung, wie jeder private Haushalt oder jedes Unternehmen auch, umfangreiche Güter, Bau- und Dienstleistungen 9. Ziel des Beschaffungswesens ist also die Befriedigung des auftretenden Bedarfs des Staats und seiner Einrichtungen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit seiner Tätigkeiten 10. Beginnend mit dem so oft zu diesem Anlass zitierten Bleistift 11, können dies Reparaturen an Gebäuden, Bestellungen externer Beratungen, Installation von Software oder Einkauf von Panzern sein. Dabei kann Beschaffung notwendiger oder nützlicher Güter einerseits im Wege der Eigenproduktion 12, andererseits durch den Erwerb am freien Markt und damit durch Teilnahme am Markt als „Kunde“ 13 erfolgen. Das öffentliche Auftragswesen umfasst dann die Gesamtheit der Regeln und Vorschriften, die dem Staat bei einem solchen Erwerb eine bestimmte Vorgehensweise vorschreiben 14. Zur Verwirklichung des Beschaffungsvorgangs stehen dem Staat verschiedene Instrumentarien zur Verfügung. Auch kann die öffentliche Auftragsvergabe zur Erreichung weitergehender Ziele Anwendung finden. Der Grund komplexer Regelungen liegt darin, dass die Erfüllung staatlicher Aufgaben einerseits aus den Steuergeldern der Bevölkerung finanziert wird 15 und andererseits gerade durch die Verfolgung öffentlicher Aufgaben wirtschafts- oder sozialpolitischer Art mit den Mitteln der Auftragsvergabe der Unterschied staatlicher Aufträge von Aufträgen der Privatwirtschaft am deutlichsten zum Ausdruck kommt 16. Zwar führte das Vergaberecht lange Zeit ein wissenschaftliches Schattendasein. Jedoch bringt es seine wirtschaftliche und politische Bedeutung, die auch die Europäische Union wie ihre Mitgliedstaaten anerkennen, mit sich, dass sich Praxis und Literatur mehr und mehr mit einzelnen Problemen beschäftigen. So nimmt es nicht Wunder, dass das Vergaberecht in den letzten Jahren in einem andauernden und rasanten Wandelungsprozess begriffen ist. Insofern ist die Bemerkung von Burgi 17, wonach „die Karriere des Vergaberechts von einem Regime des Ankaufs von Bleistiften und Panzerfahrzeugen zu einer zentralen Materie des 9

Lieber, KommunalPraxis 2003, S. 85, 86. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 55 f. 11 Vgl. Schenk, Vergaberecht, S. 23. 12 Maurer, Verwaltungsrecht, S. 40; Götzke, Umweltschutz, S. 4. 13 Welter, Wettbewerbsordnung, S. 19. 14 Marx, in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Auftragsvergabe, Rn. 1.1.; Koenig / Haratsch, NJW 2003, S. 2637, 2638. 15 Prieß, Vergaberecht, Vorwort, S. VII. 16 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 304. 17 Burgi, NVwZ 2001, S. 601, 604. 10

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Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

Privatisierungsfolgenrechts und damit zugleich des Verwaltungsorganisationsrechts schlicht beeindruckend“ sei, sehr anschaulich. Das öffentliche Auftragswesen ist auf Grund seiner wirtschaftlichen Kapazitäten auch für die Verwirklichung des Gemeinsamen bzw. des Binnenmarktes von immenser Bedeutung 18. Dies verdeutlichen und bestätigen auch die statistischen Angaben der Europäischen Union in ihrem Grünbuch zur öffentlichen Auftragsvergabe in Europa 19. Danach wurden europaweit etwa 11 % des Bruttoinlandsprodukts der EU über öffentliche Aufträge erzielt. Das sind mehr als 720 Mrd. Euro 20 bzw. 2000 Euro pro Unionsbürger jährlich. Für das Jahr 1998 schätzte die Europäische Kommission den Umfang der öffentlichen Aufträge auf über 700 Milliarden Euro, was wieder in etwa 11% des Bruttosozialprodukts der Gemeinschaft entsprach 21. In neuerer Zeit wird von einer Steigerung dieser Werte auf ca. 1,5 Milliarden Euro bzw. 16% des Bruttoinlandsprodukts der EU ausgegangen 22. Das entspricht in der Summe der Hälfte des deutschen BIP. Die Bedeutung öffentlicher Aufträge variiert je nach Mitgliedstaat zwischen 11 und 20 % des nationalen Bruttoinlandsprodukts. Dabei sind die letzten Erweiterungen der Gemeinschaft im Jahre 2005 und 2007 auf heute 27 Mitglieder noch nicht enthalten. Angesichts des gewaltigen Beschaffungspotentials des Staates ist es umso verwunderlicher, dass das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts in den Vordergrund der Aufmerksamkeit rückte. Die Öffnung des öffentlichen Auftragssektors im Rahmen des Binnenmarktes hat den grenzüberschreitenden Wettbewerb verstärkt und die von öffentlichen Haushalten gezahlten Preise gesenkt 23. Aufgrund der in den vielen Mitgliedstaaten bestehenden angespannten Haushaltslage sowie durch das Hinzutreten von 12 weiteren Mitgliedstaaten (von 2004 bis 2007) und einer fortschreitenden Privatisierung 24 öffentlicher Aufgaben ist zu erwarten, dass die Bedeutung des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe auch in den kommenden Jahren weiter 18

Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 9; Cecchini, Binnenmarkt, S. 37 ff. Grünbuch, KOM (1996) 583 endg., S. 1. 20 Seit dem 1. 1. 1999 wird der offizielle Währungskorb ECU im Verhältnis 1:1 durch den Euro fortgeführt, nicht aber ersetzt. Siehe Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates v. 19. 6. 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, ABl. EG Nr. L 162 v. 19. 6. 1997, S. 1. 21 KOM (1998) 143 endg., S. 1. 22 Pressemitteilung der Kommission v. 3. 2. 2004 (IP/04/149), S. 2; Byok, NJW 2004, S. 198, 199; vgl. auch Handbuch der Kommission umweltorientierte Beschaffung S. 5, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/environment/gpp/pdf/buying_green_handbook_de.pdf (10. 12. 2007). 23 Vgl. auch die Darstellungen auf der Seite der Europäischen Kommission – Der EU Binnenmarkt und das öffentliche Auftragswesen, abrufbar unter: http://ec.europa.eu /internal_market/publicprocurement/index_de.htm (25. 10. 2007). 19

I. Wirtschaftliche Bedeutung

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zunehmen wird. Dabei ist allerdings zu beachten, dass Privatisierung auch dazu führen kann, dass keine „öffentlichen Auftraggeber“ mehr tätig sind. In diesem Zusammenhang sind die besonderen Regelungen bezüglich der so genannten Sektorenauftraggeber, bei denen es sich um privatisierte Unternehmen handelt, die vorwiegend in der Daseinsvorsorge tätig sind, von besonderer Relevanz 25. Diese sind aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Leider existieren für Deutschland keine aktuellen Statistiken zum öffentlichen Auftragswesen. Daher schwanken die „im Umlauf befindlichen“ Werte stark. So stellte die Bundestagsfraktion der Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag 26 für ein soziales Vergaberecht fest, dass die Aufträge der öffentlichen Verwaltung an die private Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland rund 13 % des BIP, in etwa also 300 Mrd. Euro pro Jahr, ausmachten 27. Die letzte Erhebung der EU-Kommission 28, eine Art Prognose für die Weiterentwicklung des öffentlichen Auftragswesens, enthält eine Schätzung für drei Indikatoren. Diese stützen sich auf die Informationen, die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht wurden. Diese wiederum beziehen sich auf die Daten, die nationale statistische Ämter der Mitgliedstaaten an Eurostat übermitteln, sowie auf Erhebungen in den Sektorenbereichen. Sie sind Schätzungen des öffentlichen Auftragswesens insgesamt, des Wertes der veröffentlichten öffentlichen Aufträge und der Anzahl der veröffentlichten Vergabebekanntmachungen oder Aufforderungen zum Wettbewerb. So kommt die EU-Kommission für das öffentliche Auftragswesen in Deutschland auf ein Volumen von 360 Mrd. Euro für das Jahr 2003 29. Hingegen hält der Bundesverband der Deutschen Industrie eher 300 Mrd. Euro, also ca. 12 –15 Prozent des nationalen BIP, für 24

Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, auf die Zusammenhänge zwischen Privatisierung und Vergaberecht im Sinne: Vergaberecht als Privatisierungsfolgerecht oder als Privatisierungsrecht einzugehen, deshalb sei an dieser Stelle auf die umfangreichen Ausführungen in Steinberg, Verbundaufgabe, S. 173 ff. verwiesen. 25 Vgl. Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 3. 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie die Postdienste, ABl. EU Nr. L 134 v. 30. 4. 2004, S. 1 ff. (SKR); § 98 Nr. 1 und Nr. 4 GWB; §§ 7, 8 VgV, §§ 1 ff. VOB / A-SKR sowie §§ 1 ff. VOL / A-SKR (jeweils die 4. Abschnitte der VOL / A und VOB / A); siehe auch Broß, NZBau 2004, S. 465, 466. 26 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für ein transparentes, mittelstandfreundliches, innovationsoffenes und soziales Vergaberecht, BT-Drucks. 16/6786 v. 24. 10. 2007, S. 1. 27 Vgl. zu den Zahlen auch die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen über die ökologische öffentliche Beschaffung, BT-Drucks. 16/6371 v. 13. 09. 2007, S. 1. 28 EU Kommission, GD Binnenmarkt, Vergabewesen v. 1. 12. 2002 – CC/2003/22 DE „Indikatoren des öffentlichen Auftragswesens“ = Anlage I zur Untersuchung. 29 EU Kommission, GD Binnenmarkt, Vergabewesen v. 1. 12. 2002 – CC/2003/22 DE „Indikatoren des öffentlichen Auftragswesens“, S. 2 = Anlage I zur Untersuchung.

26

Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

realistisch 30. Es gibt eine Fülle an Statistiken, jedoch betreffen diese lediglich Ausschnitte und sind abhängig davon, auf welcher Grundlage, von welcher Institution und zu welchen Kriterien diese erstellt werden. So könnten die oben erwähnten Statistiken, die das Bundeswirtschaftsministerium zwecks Übermittlung an die EU-Kommission aufgrund europarechtlicher Vorgaben 31 führt, einen möglichen Anknüpfungspunkt geben. Allerdings ist hiervon der gesamte „Unterschwellenbereich“, der den Löwenanteil aller Vergabeverfahren in Deutschland ausmacht, nicht erfasst. Zudem werden auch die kommunalen Auftragsvergaben nicht einbezogen. Einen weiteren Anknüpfungspunkt enthalten, aber ebenfalls nur einen einzelnen Abschnitt betreffen die Zahlen, die das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums in seinen Jahresberichten veröffentlicht 32. Zwar differieren die Zahlenangaben zum Volumen öffentlicher Aufträge erheblich. In jedem Fall aber belegen die obigen Zahlen, dass das öffentliche Auftragswesen von erheblicher Bedeutung für die Gesamtwirtschaft ist. Auch verdeutlichen sie, dass es sich nach wie vor um einen Sachbereich handelt, der wie kaum ein anderer durch eine große wirtschaftliche Relevanz einerseits und in hohem Maße protektionistische Regelungen bzw. Verhaltensweisen und Bestrebungen andererseits gekennzeichnet ist 33.

II. „Soziale Unternehmen“ in Deutschland und Auftragsvergabe „Soziale Unternehmen“ 34 verfolgen neben ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit das Ziel, Arbeitsplätze für benachteiligte Menschen zu schaffen. Die Einbeziehung sozialer Belange beim öffentlichen Auftragswesen stellt gerade für diese oftmals kleinen Unternehmen eine nicht zu unterschätzende Säule dar. Soziale Unternehmen sind heute in vielen verschiedenen Branchen anzutreffen 35. Sie beschäftigen in der Regel einen Anteil von mindestens 25% und höchstens 50 % Menschen mit Behinderungen. Sie sind dadurch aktiv und nachhaltig an der Verbesserung 30 Vgl. Flyer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. (BDI), Nationale Vergaberechtsreform – Für ein vereinfachtes, modernisiertes und praxisorientiertes Vergaberecht, abrufbar unter: http://www.bdi-online.de/Dokumente/OeA-Verteidigung /Broschuere_zum_Vergaberecht_2007.pdf (30. 9. 2008). 31 Vgl. Art. 75, 76 VKR. 32 www.bescha.bund.de 33 Prieß, Vergaberecht, S. 3. 34 Orientierung an dem englischen Sprachgebrauch: „social enterprises“. 35 Soziale Unternehmen in Berlin gibt es in den Branchen: Bäckerei / Konditoreien, Büro / EDV, Garten- und Landschaftsbau, Gastronomie / Hotels / Events, Handwerk, Industrielle Fertigung, Manufaktur/ Kunsthandwerk, Naturkost, Recycling, Rund ums Haus. Siehe auch zu mehr Information: http://www.soziale-unternehmen-berlin.de/ (30. 9. 2008).

III. Begriffsbestimmungen

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der Lebenssituation dieser Menschen und der Entwicklung der regionalen Wirtschaft beteiligt. Eine Form der Sozialen Unternehmen sind die so genannten Integrationsbetriebe, die in § 132 SGB IX verankert sind. Sie ermöglichen ihren Mitarbeitern ein selbstbestimmtes und von öffentlicher Unterstützung unabhängiges Leben. Für jeden Menschen ist Arbeit und mithin der Arbeitsplatz ein grundlegender Bestandteil seines Lebens. So bedeutet die Integration von Menschen mit Behinderungen in das Arbeitsleben auch die Förderung der Einbeziehung in die Gesellschaft 36. Mithin leisten Soziale Unternehmen nicht nur einen Beitrag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen, sondern auch einen nicht zu unterschätzenden nachhaltigen Beitrag im gesamtwirtschaftlichen Sinne, indem unter anderem auch soziale Sicherungssysteme entlastet werden. Dabei werden „Integrationsunternehmen“ 37 vom Gesetzgeber als Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes definiert und werden von ihren Gesellschaftern und Eignern in eigener unternehmerischer Verantwortung geführt. Sie tragen also dieselben Risiken wie jedes andere Unternehmen am Markt und fördern dabei gleichzeitig die Integration von Menschen mit Behinderungen ins Arbeitsund Berufsleben. Insofern sind auch öffentliche Unterstützungen an so genannte „Soziale Unternehmen“ nicht als Subvention zu verstehen, sondern dienen vielmehr einem fairen Ausgleich der Nachteile, die durch die besondere Struktur der Belegschaft entstehen 38.

III. Begriffsbestimmungen Zum besseren Verständnis der Strukturen der öffentlichen Auftragsvergabe und mithin der im späteren Verlauf angebotenen Lösungsansätze sollen zunächst die wichtigsten Begriffe näher untersucht bzw. bestimmt werden.

36

Schmidt-Zadel, in: Stadler / Gredig, Integrationsfirmen, Grußwort, S. 7. Integrationsunternehmen sind rechtlich selbständige Kapital- der Personengesellschaften (wobei die häufigste Gesellschaftsform die gemeinnützige gGmbH ist); Integrationsunternehmen sind Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes und nicht als Einrichtungen der Sozialhilfe zu betrachten. Sie sind nicht mit den so genannten Werkstätten für Behinderte (WfB) zu verwechseln, die auch in § 141 SGB IX bzgl. der Auftragsvergabe besondere Berücksichtigung finden. Dazu mehr unten Kapitel 3, IV. 4. c). 38 Vgl. zum Nachteilsausgleich auch Stadler / Gredig, in: Stadler / Gredig, Integrationsfirmen, S. 9; problematisch ist, wenn es sich bei dem Integrationsunternehmen um eine gGmbH handelt. Diese können aufgrund der steuerrechtlichen „Gemeinnützigkeit“ einen ermäßigten Steuersatz berechnen und könnten insofern einen wettbewerblichen Vorteil haben, vgl. dazu Zimmermann, ZfBR 2008, S. 778, 783. 37

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Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

1. Vergabeverfahren Das Vergabeverfahren umfasst das gesamte Vorgehen, das von einem öffentlichen Auftraggeber vom Beginn der Vorbereitung der Beschaffung eines bestimmten Gutes oder einer bestimmten Leistung bis zum Ende ihrer Abwicklung durchgeführt wird bzw. werden muss. Regelmäßig beginnt ein Vergabeverfahren mit der Veröffentlichung von Vorinformationen und der anschließenden amtlichen Bekanntmachung. Dabei ist vor allem zwischen den Stadien vor und nach Zuschlagserteilung zu differenzieren. Nach deutschem Recht gibt es traditionell drei Verfahrensarten 39: Die öffentliche Ausschreibung, die beschränkte Ausschreibung und die freihändige Vergabe, die in strenger Hierarchie zueinander stehen. Dieser Systematik ist das europäische Recht gefolgt und unterscheidet zwischen „offenem Verfahren“, „nicht-offenem Verfahren“, „Verhandlungsverfahren“ sowie – neu – „wettbewerblicher Dialog“ 40.

2. Pflicht zur öffentlichen Vergabe Eine Vergabepflicht nach europäischem Recht besteht, wenn die drei folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Öffentlicher Auftraggeber Es muss sich um einen öffentlichen Auftraggeber handeln, da dieser in der Regel der Regelungsadressat des Vergaberechts ist 41. Der Kreis der öffentlichen Auftraggeber ist nicht in allen Fällen identisch, sondern davon abhängig, ob es sich um eine Vergabe mit nationaler oder mit europaweiter Publizität handelt und ob sich letztere auf den Sektorenbereich bezieht 42. Traditionell knüpfte der Begriff an die öffentlich-rechtliche Rechtsform an 43. Danach sind öffentliche Auftraggeber nur der Staat und seine Untergliederungen. Dieser formal-rechtliche Begriff wurde durch den funktionalen Auftraggeberbegriff für den Oberschwellenbereich 44 abgelöst, um eine „Flucht ins Privatrecht“ zu vermeiden, da hierunter gerade auch nicht öffentlich-rechtlich organisierte Auftraggeber fallen 45. Gemäß Art. 1 Abs. 9 VKR 46 sind „öffentliche Auftraggeber“ der Staat, die 39

Vgl. § 3 VOB / A sowie § 3 VOL / A. Art. 29 VKR. 41 Vgl. Hertwig, Auftragsvergabe, S. 48 ff. zu weiteren Regelungsadressaten, beispielsweise Dritten gemäß einer Nebenbestimmung zu erhaltenen Subventionen. 42 Ebenda. 43 Noch, Rechtsschutz, S. 62; Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 148, 150. 44 Vgl. dazu unten, 2.a). 40

III. Begriffsbestimmungen

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Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen. Was Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, ergibt sich dann aus Art. 1 Abs. 9 lit. a-c VKR. Danach liegt eine Einrichtung des öffentlichen Rechts vor 47, wenn diese zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse 48 liegende Aufgaben 49 nicht gewerblicher Art 50 zu erfüllen, eine Rechtspersönlichkeit besitzt und überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird und hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von den Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind 51. Unabhängig vom jeweiligen Rechtsträger werden die so genannten Sektorenauftraggeber erfasst, die auf Grund von behördlich gewährten besonderen oder ausschließlichen Rechten vor allem in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung tätig sind 52. Auch gelten Personen des Privatrechts, die Mittel für öffentliche Bauvorhaben verwalten oder von der öffentlichen Hand Baukonzessionen erhalten haben, als öffentliche Auftraggeber 53. Die Umsetzung der europäischen Vorgaben findet sich in § 98 GWB. b) Öffentlicher Auftrag Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. a VKR sind „öffentliche Aufträge“ zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen 45

Koenig / Haratsch, NJW 2003, S. 2637, 2638; Schütte / Horstkotte, Vergaberecht,

S. 21. 46

So auch umgesetzt in § 98 GWB. Wer in diesem Sinne als „öffentlicher Auftraggeber“ gilt, wird beispielhaft im Anhang I zur BKR aufgezeigt. Dabei eröffnen die Begriffe „im Allgemeininteresse liegende Aufgaben“ und „Aufgabenwahrnehmung in nicht gewerblicher Art und Weise“ einen sehr großen Auslegungsspielraum. 48 Schütte / Horstkotte, Vergaberecht, S. 21. 49 Vgl. Hertwig, Auftragsvergabe, S. 51: Dieser Begriff ist weit auszulegen und sei bereits dann erfüllt, wenn der Unternehmenszweck nicht durch das Unternehmensinteresse begrenzt wird. 50 Vgl. Hertwig, a.a. O., S. 52: Eine Aufgabe wird in „nicht gewerblicher Art und Weise“ wahrgenommen, wenn keine Gewinnerzielungsabsicht besteht, wenn die Einrichtung öffentliche Zuwendungen erhält, wenn die ihr entstehenden Kosten erstattet werden, kurz: wenn das Korrelat des Handelns im Wettbewerb fehlt. 51 Hier setzt die in dieser Arbeit nicht näher zu behandelnde so genannten InhouseProblematik mit sehr umfangreicher Rechtsprechung an, vgl. Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 144 ff. sowie Rindtorff / Gabriel, VergabeR 2004, S. 577 ff. 52 Vgl. Schäfer, Auftragswesen, S. 40 m.w. N. 53 Vgl. § 98 S. 1 Nr. 5 und 6 GWB. 47

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Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen 54. Eine Umsetzung dieser Regelung in deutsches Recht ist in § 99 GWB sowie mit näheren Erläuterungen in §§ 4 – 6 VgV erfolgt. Dabei ist der Begriff der „Entgeltlichkeit“ nicht auf Geldleistungen beschränkt, sondern erfasst auch alle anderen denkbaren geldwerten Leistungen 55. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Vergabevorschriften mittelbare Wirkung auch für weitere Personen erlangen, wenn sie bei der Gewährung von Zuwendungen im Rahmen des Zuwendungsbescheids als Nebenbestimmung aufgenommen werden 56. c) Schwellenwerte Die Vergabe- sowie die Sektorenkoordinierungsrichtlinie gelten nur für Vergaben ab einem bestimmten Auftragsvolumen 57. Dabei handelt es sich um die so genannten Schwellenwerte, nach denen sich entscheidet, ob eine lediglich nationale oder eine europaweite Publizität bei Einhaltung eines bestimmten Verfahrensrahmens in Rede steht. Entlang der Schwellenwerte besteht eine „Zweiteilung“ des deutschen Vergaberechts. Grund für die Existenz der Schwellenwerte ist gemäß der Kommission einerseits, dass die wettbewerbsorientierten Vergabevorschriften für Aufträge gelten, die für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten von Interesse sein dürften sowie andererseits, den Verwaltungs- und Bearbeitungsaufwand für kleinere Aufträge auf ein Mindestmaß zu reduzieren 58. Gemäß Art. 7 VKR sind dies 162.000 Euro bei bestimmten Liefer- und Dienstleistungsaufträgen, die von zentralen Regierungsbehörden 59 als öffentliche Auftraggeber vergeben werden, 249.000 Euro für sonstige öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge außerhalb des Sektorenbereichs sowie 6.242.000 Euro bei öffentlichen Bauaufträgen. Ins deutsche Recht umgesetzt wurden diese Werte durch § 100 Abs. 1 GWB i.V. m. § 2 VgV. Gegenwärtig finden über 95% aller kommunalen Vergaben unterhalb der EUSchwellenwerte statt 60. Die im Unterschwellenbereich wichtigen Regelungen sind wesentlich flexibler als die bei der Vergabe größerer Aufträge anzuwen54

Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 141. Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 99, Rn. 456 f.; BayOblG, Beschl. v. 27. 02. 2003, Az. Verg. 1/03. 56 Vgl. Schäfer, Auftragswesen, S. 136 ff. m.w. N. 57 Sehr ausführlich hierzu Pietzcker, in: Schwarze, Wirtschaftsrecht, S. 66, 67 f.; Breloer, Vergaberecht, S. 25 ff.; Koenig / Haratsch, NJW 2003, S. 2637, 2639. 58 KOM (1996) 583 endg., Anhang I, Punkt 3, S. 72. 59 Vgl. Anhang IV der VKR. 55

III. Begriffsbestimmungen

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denden Normen 61. Hierbei handelt es sich um haushaltsrechtliche Vorschriften 62, die Basisparagraphen der Verdingungsordnungen 63 sowie um die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot des EGV 64. Aus diesem Grund mag es auch sein, dass sich die Europäische Kommission nicht mehr an die definierten Schwellenwerte halten möchte und in einer Mitteilung die Binnenmarktrelevanz des Unterschwellenbereichs ausgearbeitet hat 65 mit der Folge, dass auch unterhalb der Schwellenwerte eine europaweite Ausschreibung verpflichtend sein soll 66.

3. Eignungs- und Zuschlagskriterien Systematisch zutreffend wird unterschieden zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien 67. Eignungskriterien betreffen die Voraussetzungen, die der Unternehmer erfüllen muss, Zuschlagskriterien betreffen das Gebot als solches. Bei der Prüfung der eingereichten Bieterunterlagen ist zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien streng zu trennen 68. a) Eignungskriterien Gemäß § 97 Abs. 4 HS. 1 GWB müssen Bieter über die nötige Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit verfügen. § 8 Nr. 3 VOB / A zählt auf, welche Angaben zum Nachweis der Eignung verlangt werden dürfen 69. Im ersten Schritt wird die „fachliche Eignung“ des Bieters anhand von Eignungskriterien festgestellt 70. Beispielsweise können Bieter gemäß Art. 45 VKR ausgeschlossen werden, gegen die ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, die 60

Vgl. Deutscher Städte- und Gemeindebund, 10 Kernforderungen des DStGB an eine Novellierung des Vergaberechts 2006, abrufbar unter: http://www.dstgb.de/homepa ge/kommunalreport/archiv_2006/entbuerokratisierung_und_investitionsbeschleunigung_ ernst_nehmen/novellierung_des_vergaberechts_neu.pdf (30. 09. 2008). 61 Maibaum, in: Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, S. 23, 29. 62 Siehe unten Kapitel 2, V. 2. b). 63 Siehe unten Kapitel 2, V. 2. e). 64 Siehe unten Kapitel 2, III. 2. b) ff). 65 Mitteilung der Kommission, Unterschwellenbereich, ABl. EU Nr. C 179 v. 1. 8. 2006, S. 2. 66 Vgl. Mitteilung der Kommission, Unterschwellenbereich, a.a. O., S. 3. 67 Vgl. Art. 53 Abs. 1 lit. a und b VKR. 68 Hölzl / Friton, NZBau 2008, S. 307, 308; Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 146 m.w. N. 69 Vgl. weitergehend § 8a VOB / A; siehe auch § 7, 7a VOL / A und §§ 10 –13 VOF. 70 Mayr, Vergabekriterien, S. 145; Wirner, ZfBR 2003, S. 545, 547.

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Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

Steuern oder Sozialversicherungsabgaben nicht ordnungsgemäß abgeführt oder die eine schwere, ihre berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellende Verfehlung begangen haben 71. Dadurch werden in materieller Hinsicht Kriterien zur Feststellung der persönlichen Eignung des Bieters im Hinblick auf seine berufliche Zuverlässigkeit festgelegt 72. In formeller Hinsicht werden dafür bindende Anforderungen vorgegeben, auf welche Weise von den Bietern der Nachweis über das Nichtvorhandensein von Ausschlussgründen zu führen ist 73. Gemäß Art. 46 VKR können öffentliche Auftraggeber die Bieter auffordern, den Nachweis zu erbringen, dass sie in die landesspezifischen Berufs- und Handelsregister ihres Herkunftslandes vorschriftsmäßig eingetragen sind 74. Die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit kann gemäß Art. 47 VKR in der Regel durch einen oder mehrere Nachweise erbracht werden. Die technische bzw. berufliche Leistungsfähigkeit kann gemäß Art. 48 VKR nur auf der Grundlage des dort in Abs. 2 festgelegten Kriterienkatalogs verlangt werden. b) Zuschlagskriterium Für den Zuschlag lassen sowohl die früheren EG-Richtlinien 75 als auch die aktuelle VKR 76 sowie SKR 77 dem nationalen Recht die Wahl zwischen dem Kriterium des niedrigsten Preises oder dem flexibleren Maßstab des wirtschaftlich günstigsten Angebots, bei dem neben dem Preis auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Die öffentliche Hand muss sich schon seit jeher unter dem Regime des Vergaberechts entscheiden, ob sie den billigsten Preis oder das wirtschaftlichste Angebot annehmen will 78. Dabei hat das Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots im deutschen Vergaberecht eine inzwischen jahrhundertelange Tradition 79. Der deutsche Gesetzgeber hat sich deshalb auch bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht für die zweite Alternative – das wirtschaftlich günstigste Angebot als Zuschlagskriterium – entschieden 80. Der niedrigste Preis alleine stellt mithin kein Zuschlagskriterium nach deutschem Recht dar 81. Mit anderen Worten: Der Zuschlag soll auf das Angebot erteilt werden, „das unter Be71

Vgl. Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 429. Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärung, S. 101 m.w. N. 73 Vgl. Dobmann, a.a. O., S. 102. 74 Der Sinn einer solchen Vorschrift liegt darin, ausländische Bieter davor zu schützen, den Nachweis ihrer Fachkunde unnötig mit zusätzlichen Nachweisen belegen zu müssen, die in ihrem Herkunftsland nicht erforderlich sind. 75 Vgl. Einleitung, Fn. 7. 76 Vgl. Einleitung, Fn. 10. 77 Vgl. oben, Fn. 25. 78 Vgl. Günther, in: BEST 3S e.V., Beschäftigungsunternehmen, S. 156 ff. 79 Vgl. hierzu ausführlicher Fante, Instrumentalisierung, S. 356 f. 80 § 97 Abs. 5 GWB, § 25 Nr. 3 VOL / A, § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB / A. 72

III. Begriffsbestimmungen

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rücksichtigung aller der in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR“ genannten Aspekte als das annehmbarste erscheint 82. Als Kriterien für das wirtschaftlich günstigste Angebot nennt Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR beispielhaft Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften 83, Betriebskosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferzeitpunkt und Lieferungs- und Ausführungsfrist. Den „Zuschlag“ nach den dafür vorgesehenen Kriterien erteilt der öffentliche Auftraggeber 84. Aspekte der Eignung dürfen hier – nach höchstrichterlicher Rechtsprechung 85 – keine Rolle mehr spielen. Die beiden Stufen sind strikt voneinander zu trennen. Der Zuschlag beendet das Vergabeverfahren. Die in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR enthaltenen auftragsbezogenen Kriterien 86 sind so genannte Hilfs- oder Wirtschaftlichkeitskriterien auch Zuschlagskriterien genannt. Diese Kriterien sind weder zwingend noch abschließend 87. Sie sind aber gemäß Art. 53 Abs. 2 VKR veröffentlichungspflichtig. Unterhalb der Schwellenwerte ergibt sich, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erfolgen hat aus § 25 Nr. 3 Abs. 2 und 3 VOB / A sowie § 25 Nr. 3 VOL / A.

4. Sekundärzwecke Die beschriebene wirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens 88 eröffnet dem Staat politische Gestaltungsspielräume 89. Seine bestehende Nachfragemacht kann der Staat über den Beschaffungszweck hinaus zur Erreichung politischer Zielsetzungen fernab der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit oder der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes einsetzen 90. Nach Pache 91 sind „öffentliche Aufträge nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland klassische Instrumente staatlicher Wirtschaftspolitik: Sie sind unmittelbar abga81 Ob das Kriterium des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ auch so in der Praxis zur Anwendung kommt, ist strittig. Oft beklagt die Auftragnehmerseite, dass in aller Regel letztlich doch der Preis den Ausschlag gebe und qualitative Merkmale vernachlässigt würden. 82 Ax / Schneider, in: Ax / Bischoff / Schneider, Regierungsentwürfe, Einf. S. 6. 83 Neu eingeführt durch die VKR. 84 Prieß, in: Prieß, Umbruch, S. 117, 121. 85 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes, Rn. 15 ff.; BGH, Urt. v. 8. 9. 1998, Az. X ZR 109/96, BGHZ 139, S. 273, 276 m.w. N. – Klärwerkserweiterung. 86 Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR verlangt einen Auftragsbezug, dazu mehr unten Kapitel 3, V. 3. und 4., Kapitel 4, II. b) bb) und Kapitel 5, I. 5. 87 Prieß, Vergaberecht, S. 276. 88 Vgl. oben Einleitung, I. 89 Siehe dazu unten Kapitel 3. 90 Lipka, Beihilferecht, S. 22; Prieß, Vergaberecht, S. 3. 91 Pache, DVBl. 2001, S. 1781, 1782.

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Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

ben- und haushaltsrechtlich relevant und eignen sich zusätzlich in hohem Maße als konjunkturpolitische, infrastrukturelle, wettbewerbliche oder sozialstaatliche Steuerungs- und Förderungsinstrumente“. Beim öffentlichen Auftragswesen ist insofern zwischen zweierlei Aspekten zu unterscheiden: Einerseits gibt es Ziele, die mit dem Auftragsgegenstand verbunden sind, und anderseits solche, die es nicht sind. Dieser Abgrenzungsfrage kommt international keine so große Bedeutung zu wie in Deutschland 92. In der deutschen Literatur 93 wird in diesem Zusammenhang diskutiert, wo genau die Grenze zur Instrumentalisierung zu ziehen ist, und wann sich ein im Vergabeverfahren verfolgtes Ziel nicht mehr nur auf den Beschaffungszweck, sondern auf einen darüber hinausgehenden Zweck bezieht. Eine solche Differenzierung erscheint auch erforderlich, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, was unter den verschiedenen Überschriften 94: politische Zwecke 95, allgemeinpolitische Zwecke 96, öffentliche 97 oder soziale 98 Belange, vergabefremde Zwecke 99, wirtschaftsfremde Kriterien 100, beschaffungsfremde Ziele 101 oder Sekundärzwecke 102 im Auftragswesen oder politischer 103, manchmal aber auch sozialer Auftragsvergabe zu verstehen ist. Der Primärzweck jedes Vergabeverfahrens ist der Zweck, die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und anderer staatlicher bzw. öffentlicher Stellen zu sichern 104. Der Primärzweck liegt damit in der staatlichen Bedarfsdeckung; diese 92 Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 74 f., beispielsweise ist in den USA die Prüfung der Zulässigkeit politischer Zweckverfolgungen stark am konkreten Zweck orientiert und wird auch davon abhängig gemacht. In Deutschland wird hingegen zunächst diskutiert, ob im Allgemeinen politische Zweckverfolgungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe zulässig sind und anschließend auf den konkreten Fall geschlossen. 93 Dreher / Haas / v. Rintelen, Beihilferecht, S. 7; Schäfer, Auftragswesen, S. 49; Huber, ThürVBl. 2000, S. 193, 195. 94 Der Streit zur Berücksichtigungsfähigkeit von nicht auftragsbezogenen Belangen beginnt in der Literatur schon bei den Begrifflichkeiten. Vgl. Schäfer, Auftragswesen, S. 48 m.w. N. 95 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 1 ff. 96 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649. 97 Schäfer, Auftragwesen, S. 1 ff. 98 Rust, EuZW 2000, S. 205, 206; Arrowsmith, Perspektives, S. 11, 256 f. 99 Ziekow, NZBau 2001, S. 72, 73; Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 138; Hopf, Vergabemanagement, Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97, Rn. 248 ff.; S. 193 ff.; Prieß, Vergaberecht, S. 277; Dreher, WuW 1997, S. 949, 951, Marx, in: Schwarze, Wirtschaftsrecht, S. 77 ff. 100 Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn 29. 101 Fante, Instrumentalisierung, S. 28; Bultmann, ZfBR 2004, S. 134, 134; Reichert, Tariftreueerklärungen, S. 53; Opitz, NZBau 2001, S. 12, 14. 102 Benedict, Sekundärzwecke, S. 1 ff.; Scharpenack, Sekundärzwecke, S. 1 ff. 103 Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 338; Burgi, in: Storr, Wettbewerb, S. 97, 106.

III. Begriffsbestimmungen

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bildet den Ausgangspunkt für jedes Ausschreibungsverfahren. Im Vordergrund der Auftragsvergabe steht also die Beschaffung derjenigen Güter und Leistungen, welche die vergebende Stelle zur Erfüllung ihrer bestimmungsgemäßen Aufgaben benötigt 105. Diesem primären Zweck der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit stehen alle sonstigen Zwecke, die mit dem oder durch das Vergabeverfahren verfolgt werden, gegenüber und nach. Da sie sich nur im Rahmen des Primärzwecks realisieren lassen, bezeichnet Benedict diese als Sekundärzwecke 106. Was die Verwendung der Begrifflichkeiten angeht, besteht kein Konsens. Allerdings ist viel problematischer als der Streit um die exakten Begrifflichkeiten („vergabefremde Zwecke“ 107, „Sekundärzwecke“ 108, „beschaffungsfremde Kriterien“ 109, „wettbewerbsfremde Zwecke“) der Streit über deren Zulässigkeit. Die Begriffe sind an keiner Stelle gesetzlich definiert; sie bedürfen aber der akkuraten Bestimmung und Abgrenzung, da, obwohl in der literarischen Diskussion damit zwar immer die gleiche Problematik schlagwortartig beschrieben werden soll, im einzelnen diese Termini schon eine Wertung beinhalten, die der konkreten Diskussion über die Zulässigkeit nicht dienlich ist 110. So spricht zwar § 16 Nr. 2 VOB / A von der Unzulässigkeit von so genannten „vergabefremden Zwecken“, allerdings bezieht sich der Begriff an dieser Stelle nur auf den Beschaffungsvorgang 111. Insofern führt die Verwendung des Begriffs „vergabefremde“ Ziele oder Zwecke in eine falsche – möglicherweise sogar negativbelastete – Richtung 112. Die genannten Begriffe legen jeweils mit ihrem Zusatz „fremd“ eine Unzulässigkeit dieser Aspekte nahe 113 und verengen so auch den Blick auf zusätzliche Kriterien hinsichtlich der Eignung oder des Zuschlags, obwohl es mehr Ansatzpunkte für die Verfolgung sozialer Belange gebe 114. Es 104

Püttner, Verwaltungslehre, S. 161. Benedict, Sekundärzwecke, S. 16. 106 Vgl. Benedict, a.a. O., S. 17, der bei seiner Formulierung „Sekundärzwecke“ an den in der englischsprachigen Diskussion verbreiteten Begriff „secondary policies“ anknüpft; vgl. Arrowsmith, LQR (11) 1995, S. 235, 239. 107 Dreher / Haas / v. Rintelen, Beihilferecht, S. 7 unterscheiden sogar zwischen echten vergabefremden Kriterien und politisch motivierten, aber zugleich bieter- und auftragsbezogenen Unterkriterien insbesondere im Umweltbereich. Bei letzteren handele es sich um keine vergabefremden Kriterien; vgl. auch Dornbusch, Verknüpfung, S. 24 f. 108 Benedict, Sekundärzwecke, S. 1 ff.; Dörr, JZ 2004, S. 703, 710. 109 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 15 ff. 110 Vgl. Meyer, N., a.a. O., S. 66; Beuttenmüller, Auftragswesen, S. 47 f. 111 Vgl. Portz / Schranner, in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 16 Rn. 26; Planker, in: Kappelmann / Messerschmidt, VOB, § 16, Rn. 21. 112 So ähnlich sieht das auch Höpfl, WISO 2004, S. 105, 111; Schima, NZBau 2002, S. 1. 113 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 66. 114 Vgl. Schäfer, Auftragswesen, S. 49 m.w. N. 105

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Kap. 1: Grundlagen der öffentlichen Auftragsvergabe

kann nicht von einer pauschalen Unzulässigkeit oder Zulässigkeit gesprochen werden, da die Bandbreite der „Sekundärzwecke“ sehr weit ist. Auch hat die Verwendung der Begriffe mit dem Zusatz „fremd“ keine Berechtigung mehr, da der deutsche Gesetzgeber in § 97 Abs. 4 GWB gerade von „anderen oder weitergehenden Anforderungen“ im Rahmen des Vergabeverfahrens ausgeht 115. Zudem impliziert „fremd“, dass andere als Preiskriterien dem Vergabewesen fremd seien 116. Beispiele für die Bandbreite weitergehender Anforderungen sind: Regionalförderung, Konjunktursteuerung, Innovationsförderung 117, Mittelstandsförderung, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Ausbildungsförderung, Förderung der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen, von Spätaussiedlern oder Opfern nationalsozialistischer Verfolgung sowie Umweltschutz, Förderung der Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben oder der Gleichbehandlung von ethischen und religiösen Minderheiten, Schutz vor Sekten, Schutz des Tarifrechts und des (deutschen) Handwerks, Schutz vor gesamtwirtschaftlichen Nachteilen durch Schwarzarbeit 118. Zwar hat sich in der deutschsprachigen Literatur der Begriff „vergabefremd“ durchgesetzt, aber im Folgenden soll – aus oben schon dargelegten Gründen – als Oberbegriff der neutralere der „Sekundärzwecke“ dienen 119. Die Bezeichnungen Primär- und Sekundärzweck implizieren hierbei keine Rangfolge. Inhalt dieser Untersuchung sollen allerdings insbesondere die sozialen Belange sein, die einen Teil der beschaffungsneutralen Sekundärzwecke darstellen. Darunter sind unter anderem die Förderung der Eingliederung von Menschen mit Behinderungen ins Arbeitsleben, die Förderung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern sowie die Förderung der Gleichbehandlung von ethnischen und religiösen Minderheiten zu subsumieren 120.

5. Soziale Belange Eine allgemeine Definition der „sozialen Belange“ gibt es in der Literatur nicht 121. Etwaige Abhandlungen oder Erwähnungen von sozialen Belangen in der Literatur erfolgen immer mit dem Verweis auf die interpretierende Mittei115

Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 74. Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 339. 117 Boehme-Neßler, DVBl. 2006, S. 1257, 1261. 118 Vgl. die Aufzählung bei Benedict, Sekundärzwecke, S. 19. 119 Es kann nicht Ziel dieser Arbeit sein, lediglich den Streit um die Begrifflichkeiten auszutragen, vielmehr sollen gerade die „sozialen Belange“ näher klassifiziert und definiert werden. 120 Mehr dazu in Kapitel 3, IV. 121 Vgl. zum Versuch der Definition der sozialen Belange im Rahmen dieser Untersuchung unten Kapitel 3, VI. 116

III. Begriffsbestimmungen

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lung der Kommission zu diesen 122. Die Kommission 123 misst in ihrer Mitteilung dem Ausdruck einen großen und damit sehr allgemeinen Bedeutungsradius zu und ist der Ansicht, dass dieser sehr unterschiedliche Bereiche abdecke 124. So könnten damit sowohl Maßnahmen bezeichnet werden, die die Einhaltung von Grundrechten, Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung garantieren, als auch einzelstaatliche sozialrechtliche Vorschriften sowie die Umsetzung der einschlägigen Richtlinien der Gemeinschaft. Darüber hinaus sollen aber auch so genannte Präferenzklauseln, beispielsweise zur Wiedereingliederung von benachteiligten oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Personen, und positive Diskriminierungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder der sozialen Ausgrenzung unter den Begriff der „sozialen Belange“ subsumiert werden können 125. Dem hier verwendeten Begriff der „sozialen Belange“ soll ebenfalls ein großes Bedeutungsspektrum zukommen, so dass sowohl sozial-, gesellschafts- als auch arbeitsmarktpolitische Bereiche abgedeckt werden können – wie sich im Folgenden noch zeigen wird. Zusammenfassend wird man unter soziale Belange all jene Gesichtspunkte subsumieren können, die die rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebensbedingungen von Personen oder Personengruppen sichern oder verbessern sollen 126. Dabei muss dies auf der Grundlage gesellschaftspolitischer Leitbilder und Programme entschieden werden.

122 Vgl. Hopf, Vergabemanagement, S. 197; Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97 Rn. 256; Pache / Rüger, EuZW 2002, S. 169, 170; Rittner, EuZW 1999, S. 677 ff.; Rust, EuZW 1000, S. 205 ff. 123 KOM (2001) 566 endg., Einl., S. 5. 124 Als interpretierende Mitteilung spiegelt sich allerdings nur die Auffassung der Kommission zu dieser Thematik wider, rechtlich bindende Entscheidungen obliegen auf der Grundlage des primären Gemeinschaftsrechts des EGV allein dem EuGH, vgl. Hopf, Vergabemanagement, S. 197. 125 Vgl. oben, Fn. 123. 126 So auch: Ziekow, Beschaffungswesen, S. 11.

Kapitel 2

Rechtsquellen des Vergaberechts Der Staat ist – trotz seines oben dargestellten 1 enormen Nachfragepotentials – ein schwacher Marktteilnehmer 2. Dies liegt insbesondere daran, dass er vielfach nach Leistungen fragt, für die kein objektiver Marktpreis vorhanden ist, und ihm somit die Marktübersicht fehlt 3. Die Vergabevorschriften sollen dem Staat mehr Marktübersicht verschaffen. Dabei findet die rechtliche Beurteilung der öffentlichen Auftragsvergabe auf drei Ebenen statt: WTO-Recht, Europarecht und nationales Recht.

I. Geschichtliche Entwicklung des Vergaberechtsregimes Die Notwendigkeit, öffentlichen Bedarf zu decken, gibt es, seitdem es „organisierte Gemeinwesen“ gibt 4. Die Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens ist in dem Maße gewachsen, in dem der Umfang der Aufträge zugenommen hat. So bedarf es, um sich der dogmatischen Einordnung des Vergaberechts zu nähern, eines kurzen geschichtlichen Rückblicks auf die Entwicklung des deutschen Vergabewesens. Gekennzeichnet ist das Vergabewesen durch eine zunehmende Einbindung Privater in die staatliche Bedarfsdeckung 5. Eine „öffentliche Ausschreibung“ soll in Deutschland erstmalig beim Festungsbau in Ingolstadt im Jahre 1542 stattgefunden haben. Schon für den Anfang des 17. Jahrhunderts lassen sich spezielle Einkaufsanweisungen an Beamte in einigen Kommunen nachweisen 6. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war das so genannte „Lizitationsverfahren“ gang und gäbe 7. Da dieses Verfahren zu einem ruinösen Wettbewerb unter den Bewerbern führte, nahm man zunehmend Abstand hiervon. Mit dem Erlass der ersten umfassenden Vergabevorschriften, der Bayerischen Verdingungsordnung von 1833 1 2 3 4 5 6

Siehe oben Kapitel 1, I. Hertwig, Auftragsvergabe, S. 2. Hertwig, a.a. O., S. 3 m.w. N. Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 29. Vgl. Kunert, F.-J., a.a. O., S. 29 f. m.w. N. Kunert, F.-J., a.a. O., S. 30 m.w. N.; vgl. Grau, Entwicklung, S. 39, 49.

I. Geschichtliche Entwicklung des Vergaberechtsregimes

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und der Preußischen Verdingungsordnung von 1834, wurde dann das Prinzip der schriftlichen Ausschreibung bei Beibehaltung der reinen Preiskonkurrenz eingeführt. Dies setzte sich in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts allgemein durch 8. Allerdings waren auch die Folgen des reinen Preiswettbewerbs teilweise so katastrophal 9, dass ab ca. 1880 Reformversuche unternommen wurden. Qualitätsprüfungen sollten die reine Preiskonkurrenz relativieren 10. 1914 wurde ein Entwurf eines „Reichsgesetzes betreffend das öffentliche Verdingungswesen“ 11 vorgelegt, dessen Beratung im Reichstag jedoch am Kriegsausbruch scheiterte. In der Weimarer Zeit wurden diese Bemühungen wieder aufgenommen, konnten sich allerdings nicht durchsetzen. Statt dessen beschloss der Reichstag, einen Reichsverdingungsausschuss aus Vertretern des Reiches, der Länder, der Kommunal-, Industrie-, Handwerks- und Handelsverbände sowie der Gewerkschaften einzusetzen, um einheitliche Grundsätze für die Vergabe von Leistungen und Lieferungen zu schaffen. Zentral war für die zur Weimarer Zeit 12 geschaffenen Verdingungsordnungen die Betonung marktwirtschaftlicher und privatrechtlicher Grundsätze 13 mit dem Ziel, „die Beschaffung durch die öffentliche Hand nicht zu einem Fremdkörper im marktwirtschaftlichen System“ werden zu lassen 14. Durch die Reichshaushaltsordnung vom 31. 12. 1922 wurde dann eine der ersten Regelungen des Vergaberechts im Deutschen Reich geschaffen, die vorschrieb, dass den Verträgen, die für Rechnung des Reiches geschlossen werden, eine öffentliche Ausschreibung vorhergehen soll 15. Huber 16 sah sehr früh schon den „sozialwirtschaftlichen“ Gesichtspunkt der Auftragsvergabe, indem er das staatliche Verdingungswesen im Zusammenhang mit der allgemeinen Frage der Staatsintervention sah. Die Staatsproduktion über7 Dieses Verfahren wurde auch als Abstreichungsverfahren bezeichnet und stellte eine „umgekehrte“ Versteigerung bei gleichzeitiger Anwesenheit der Auftragsbewerber dar, vgl. dazu Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 126. 8 Vgl. Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 30 m.w. N. 9 Die „Schleuderkonkurrenz“ ließ zu, dass der Zuschlag häufig auf unter die Selbstkosten kalkulierte Angebote wenig zuverlässiger Unternehmen fiel. Die Folge waren Lohndumping, Verwendung schlechter Materialien etc. 10 Kunert, F.-J., a.a. O., S. 31 m.w. N. 11 Abgedruckt in: Beutinger, Submissionswesen, S. 213 ff. 12 Im Jahr 1926 wurde die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), Teile A, B und C, jetzt geltend in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. 3. 2006, BAnz Nr. 94a v. 18. 5. 2006 sowie 1932/1936 die Verdingungsordnung für Leistungen – ausgenommen Bauleistungen – (VOL) in der jetzt geltenden Fassung 2006, BAnz Nr. 100a v. 30. 5. 2006, erlassen. 13 Dies spiegelt sich auch in der Schaffung und Beauftragung des außerparlamentarischen Gremiums „Verdingungsausschuss“ wider. 14 Kunert, O., Vergaberecht, S. 9; Noelle / Rogmans, Auftragswesen, S. 21. 15 Wittig, Vergaberecht, S. 1 ff. m.w. N. 16 Huber, F.C., Submissionswesen, S. XII.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

haupt verknüpfte er mit der Pflicht des Staates, bei seinen Beschaffungen nicht nur die bare Rentabilität, sondern auch die Vorteile größerer Volkskreise im Blick zu behalten. Dabei werden die überwiegend zivilrechtlichen Regelungen der öffentlichen Auftragsvergabe von dem Bemühen geleitet, privatwirtschaftliche Regelungsautonomie und innere Bindung des institutionell öffentlichen Auftraggebers mit haushaltswirtschaftlichen Motiven zu verbinden 17. Dieses System wurde nach Inkrafttreten des Grundgesetzes 18 mit der Betonung marktwirtschaftlicher und privatrechtlicher Grundsätze fortgeführt 19. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts ist eine weitere Bedeutungskomponente des öffentlichen Auftragswesens hinzugetreten: Die Relevanz für den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt. Zunehmend rückte der Fokus auf das wirtschaftspolitische Integrationsinteresse 20 der Europäischen Gemeinschaft. Europaweit sollte neben dem privatwirtschaftlichen Nachfragemarkt ein so genannter „öffentlicher Markt“ etabliert werden, um damit Integrationshemmnisse zu beseitigen 21. Dies zeigen auch die Vergaberichtlinien, deren einheitliches Ziel es ist, „einen echten Wettbewerb zu schaffen und die Grundfreiheiten zu verwirklichen“ 22. Dadurch erhielt auch das deutsche Vergaberecht einen insgesamt wettbewerbsrechtlichen Charakter. Durch das Vergaberechtsänderungsgesetz 23 erfolgte dann auch eine Neuordnung des deutschen Vergaberechts vom staatszentrierten hin zum wettbewerbs- und bieterorientierten Rechtsregime. Dies zeigt sich in den Regelungen des Kartellvergaberechts im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 24 (in den §§ 97 ff.). Allerdings besteht unterhalb der Schwellenwerte immer noch eine haushaltsrechtliche Verankerung des Vergaberechts und somit eine Nähe zum öffentlichen Recht. Der dogmatische Ausgangspunkt für die Betrachtung des Vergaberechts befindet sich aber durch die traditionell privatrechtliche Einordnung der Vergaberechtsgeschäfte (insbesondere Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags) überwiegend im Zivilrecht

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Vgl. Kunert, O., Vergaberecht, S. 8 m.w. N. Die Entwicklungen zur Zeit des Nationalsozialismus sollen in den hiesigen Erörterungen außen vor bleiben. Näheres zu dieser Entwicklung in: Kunert, F.J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 32 ff. 19 Vgl. BMWi, Ludwig Erhard, 1955 an den Bundesrechnungshof, in: Michaelis / Rhösa, Preisbildung, Textteil II. 1. g. 20 Götz, Beschaffungsmärkte, S. 5 ff. 21 Weißbuch, KOM (1985), 310 endg., S. 4 f.; Noch, Vergaberecht, S. 21. 22 Erwägungsgrund 2 VKR. 23 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgRÄG) v. 26. 8. 1998, BGBl. I, S. 2512. 24 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung v. 15. 7. 2005, BGBl. I, S. 2114, zuletzt geändert durch Art. 1a des Gesetzes v. 18. 12. 2007, BGBl. I, S. 2966. 18

II. Dogmatische Einordnung des Vergaberechts

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und durch die starke wettbewerbliche Orientierung des europäischen Vergaberechts im Wettbewerbsrecht 25. Fraglich ist allerdings, in welchem Verhältnis das privatrechtlich ausgeprägte Vergaberecht zum öffentlichen Recht steht. 26 Der Staat und seine Untergliederungen decken gewöhnlich ihren Bedarf an Sach- und Dienstleistungen durch den Abschluss zivilrechtlicher Verträge, so dass man das Vergaberecht auch pauschal dem privaten Wirtschaftsrecht zuordnen könnte. 27 Allerdings unterliegen sie hierbei öffentlich-rechtlichen Bindungen 28. Mithin ist zu klären, ob eine pauschale Einordnung sachgerecht ist. Dies bedarf eines Blickes auf die bisherige rechtswissenschaftliche Einordnung des Vergaberechts.

II. Dogmatische Einordnung des Vergaberechts 1. Lehre vom Verwaltungsprivatrecht Vorherrschend war zunächst eine zivilrechtliche Einordnung der öffentlichen Auftragsvergabe 29. Im Vordergrund stand die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht 30. Nach dieser liegt besonders dann Verwaltungsprivatrecht vor, wenn die öffentliche Verwaltung, um ihre durch öffentlich-rechtliche Aufgabenbestimmung zugewiesenen und damit unmittelbar öffentlichen Verwaltungszwecke zu erfüllen, Privatrechtsverhältnisse eingeht 31. Überlagert und modifiziert wird das der privatrechtlich handelnden Verwaltung grundsätzlich zur Verfügung stehende Zivilrecht durch bestimmte öffentlich-rechtliche Bindungen, um eine „Flucht in das Privatrecht“ 32 zu verhindern 33. Im Unterschied hierzu ordnete die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht fiskalische Hilfsgeschäfte, die der reinen Bedarfsbeschaffung dienen, und zu denen auch gerade die Beschaffungstätigkeit im Wege der öffentlichen Auftragsvergabe gehört, alleine dem Zivilrecht zu 34. In neuerer Zeit öffnet sich die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht für öffentlich-rechtliche 25

Kunert, O., Vergaberecht, S. 6. Vgl. hierzu auch: Kunert, O., a.a. O., S. 7. 27 Maurer, Verwaltungsrecht, S. 42, 459; Pietzcker, ZHR 162 (1998), 427, 428; Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 3; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, Vor. 97, Rn. 57; Kunert, O., a.a. O., S. 7. 28 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 428. 29 Kunert, O., Vergaberecht, S. 13 m.w. N.; vgl. auch Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318, 331. 30 Röhl, JuS 2002, S. 1053, 1054 f. 31 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 29. 32 Fleiner, Verwaltungsrecht, S. 326, der schon 1928 hiervon schrieb. 33 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 29. 26

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

Einflüsse auf die öffentliche Auftragsvergabe 35. So wird der mit der Kategorisierung in verwaltungsprivatrechtliches und rein fiskalisches Verwaltungshandeln verbundene weitgehende Ausschluss öffentlich-rechtlicher Einflüsse auf rein fiskalisches Handeln nicht mehr aufrechterhalten 36. Hingegen wurde die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht dahingehend weiterentwickelt, dass nicht mehr eine strenge Unterscheidung zwischen Verwaltungsprivatrecht und Fiskalverwaltung vorherrschend ist. Vielmehr steht im Mittelpunkt die eigentlich maßgebliche Frage, welchen öffentlichen Bindungen die privatrechtlich handelnde Verwaltung unterworfen ist 37. Mithin sollten öffentliches Recht und Privatrecht im Bereich des öffentlichen Auftragsverhältnisses in einem wechselseitigen Auffangverhältnis stehen 38.

2. Öffentlich-rechtliche Einordnung Versuche, die öffentlich-rechtliche Seite der Auftragsvergabe zu stärken, hat es schon immer gegeben 39. Diesen lag weit überwiegend die mangelnde Trennschärfe des für die Unterscheidung des fiskalischen Handelns vom verwaltungsprivatrechtlichen Handeln maßgeblichen Kriteriums der Unmittelbarkeit zugrunde. Zusehends sind allerdings öffentlich-rechtliche Einflüsse und mithin eine Öffnung der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht zu beobachten 40. Im Fokus der diesbezüglichen Diskussion stand die Bindung des Staates an Art. 3 Abs. 1 GG 41. Eine völlig neue Beurteilung des öffentlichen Auftragswesens unter zur Hilfenahme der im Subventionsrecht entwickelten „Zweistufen-Theorie“ wurde ebenfalls teilweise gefordert 42. Danach würde das eigentliche Vergabeverfahren als öffent34 BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, Az. KZR 1/61, BGHZ 36, S. 91, 96; BGH, Urt. v. 26. 11. 1975, Az. VIII ZR 164/74, BGHZ 65, S. 284, 287; dies sah Badura, VVDStRL 30 (1972), S. 327, 330 (Diskussionsbemerkung) anders: „Das Auftragswesen der öffentlichen Hand ist nicht einfach fiskalische Hilfstätigkeit der Verwaltung; denn durch sein Volumen und die Art und Weise, wie es verwendet wurde, gehört es in die so nicht richtig greifbaren Grundzusammenhänge des Staats- und Verwaltungsrechts hinein.“ 35 Kunert, O., Vergaberecht, S. 14. 36 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 21, 30. 37 Krebs formuliert dies in: VVDStRL 52 (1993), S. 248, 274 f. als eine Abkehr von einer ausschließlichen „Aufgabenorientierung“ hin zu einer „Normorientierung“. 38 Kunert, O., Vergaberecht, S. 22 f. m.w. N. 39 Kunert, O., a.a.O, S. 25 f.; Wallerath, Bedarfsdeckung, 33 ff. 40 Dadurch sollte vor allem auch der Rechtsschutz für bietende Unternehmer gestärkt werden. Bis hin zur Öffnung des deutschen Vergaberechts durch das EG-Recht, vermied der deutsche Gesetzgeber bewusst die Entstehung subjektiver Rechtspositionen der bietenden Unternehmen. Vgl. hierzu auch die Begründungen zur „haushaltsrechtlichen Lösung“ in: BT-Drucks. 12/4636 v. 25. 3. 1993, S. 12. 41 Vgl. Kunert, O., Vergaberecht, S. 15 m.w. N.

II. Dogmatische Einordnung des Vergaberechts

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lich-rechtliches Verfahren gewertet und mit der Zuschlagserteilung in Form eines Verwaltungsaktes abgeschlossen werden. Diesem würde dann in einem zweiten Schritt der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags folgen, der die Zuschlagserteilung umsetzt. Diese Idee konnte sich jedoch genauso wenig durchsetzen wie verschiedentliche Ansätze in der Literatur, das zustande kommende Vertragsverhältnis als ein ausschließlich öffentlich-rechtliches zu qualifizieren 43.

3. Verfassungsrechtliche Implikationen In seiner viel kritisierten Entscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht 44 fest, dass eine Gleichbehandlung von Auftragsvergaben unter- und oberhalb der Schwellenwerte verfassungsrechtlich nicht geboten sei 45. Der Vergaberechtsschutz finde seine Grundlage nicht in Art. 19 Abs. 4 GG, da das öffentliche Auftragswesen nicht in Ausübung „öffentlicher Gewalt“ erfolge. Vielmehr sei der allgemeine Justizgewährungsanspruch einschlägig mit dessen Hilfe sich Betroffene auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen können 46. Seine Ablehnung die Vergabeentscheidung als Ausübung öffentlicher Gewalt zu qualifizieren, begründete das Bundesverfassungsgericht mit dem Fehlen eines Subordinationsverhältnisses. Diesem Vorbild – also der Ablehnung eines öffentlich-rechtlichen Charakters – folgte dann auch das Bundesverwaltungsgericht, in dem es in seiner Entscheidung vom 2. 5. 2007 die Einschlägigkeit des Verwaltungsrechtswegs unterschwelliger Auftragsvergaben ablehnte. Damit ergibt sich – wie Knauff 47 ganz richtig feststellt – eine sonderbare Situation: Zwar ist das öffentliche Auftragswesen unterhalb der Schwellenwerte haushaltsrechtlich 48 und somit öffentlichrechtlich geprägt, wird aber letztlich dem Privatrecht zugeordnet. Dagegen ist das Vergaberecht oberhalb der Schwellenwerte grundsätzlich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geregelt 49, hat aber aufgrund der Normierung subjektivöffentlicher Rechte zahlreiche öffentlich-rechtliche Aspekte. Insofern weisen entgegen der Entscheidung des BVerfG sowohl das strenge vergaberechtliche Verfahren wie auch das Nachprüfungsverfahren oberhalb der Schwellenwerte mehr Parallelen zum Verwaltungsprozessrecht als zum klassischen Zivilrecht auf 50. 42

Kunert, O., a.a. O., S. 15; Burgi, NVwZ 2007, S. 737, 738. Vgl. Zuleeg, WiVerw 1984, S. 112, 115 f.; in Frankreich unterliegt der zustande kommende Vertrag dem öffentlichen Recht. Die Einzelheiten sind im Code des marchés publics geregelt, vgl. auch dazu Steinberg, Verbundaufgabe, S. 63 m.w. N. 44 BVerfG, Beschl. v. 13. 6. 2006, Az. 1 BvR 1160/03, VergabeR 2006, 871. 45 Vgl. Knauff, VergabeR 2008, S. 313, 314. 46 Gaier, NZBau 2008, S. 289. 47 Siehe Knauff, VergabeR 2008, S. 313, 314. 48 Hierzu im Einzelnen unten, V. b). 49 Dazu siehe sogleich unten, V. c). 50 Knauff, VergabeR 2008, S. 313, 315. 43

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4. Wettbewerbsrechtliche Dimension Durch das Vergaberechtsänderungsgesetz 51 erfuhr das deutsche Vergaberecht eine konzeptionelle Neuausrichtung: weg von einem staatszentrierten, hin zu einem wettbewerbs- und bieterorientierten Rechtsregime 52. Besonders deutlich wird dies durch die Verankerung im vierten Teil des GWB 53 in der Form des Kartellvergaberechts 54. Dies ist auf den Einfluss des europäischen Vergaberechts zurückzuführen. Leitend ist bei der wettbewerbsrechtlichen Einordnung des Vergaberechts das Verständnis vom „Quasi-Privaten“. Dies leite sich aus der Ähnlichkeit des staatlichen Auftraggebers mit fiskalischer und privater Marktteilnahme ab 55. Der Vergleich hinkt allerdings in Anbetracht der „Doppelrolle“ des Staates. Dieser ist nicht nur „Schiedsrichter“ und „Mitspieler“, sondern auch die Instanz, die die „Spielregeln“ erstellt 56. Mithin hat der öffentliche Auftraggeber einen besonderen Status, der nicht außer Acht gelassen werden darf, bringt er doch eine Überlegenheit des öffentlichen Auftraggebers mit sich 57. Auch erscheint eine Trennung dieser beiden Persönlichkeiten, wie dies zuvor mit der „Fiskustheorie“ versucht wurde, aufgrund der tatsächlichen Identität zwischen Hoheitsträger und Fiskus wenig sinnvoll 58. Die öffentliche Auftragsvergabe dient doch gerade der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder dazu, die hierfür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen 59. Der zu deckende Bedarf richtet sich dabei eben nicht wie bei privaten Wirtschaftsteilnehmern ausschließlich nach wirtschaftlichen Erwägungen, die auf Grund rein privatautonomer Willensbildung zustande kommen. Öffentliche Aufgaben und die daraus folgenden Bedarfsdefinitionen werden durch die politischen Überzeugungen und Wünsche der jeweiligen Mehrheit in der Demokratie gebildet 60. Dadurch fließen also wirtschaftsund strukturpolitische Erwägungen auch dann ein, wenn jegliche „vergabefremden“ Einflüsse unterbunden sind 61. Mit anderen Worten: Der Bedarfsdefinition 51

Siehe oben, Fn. 23. Kunert, O., Vergaberecht, S. 5; Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 1 ff.; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S 427, 430 f. 53 Siehe oben, Fn. 24. 54 Knauff, VergabeR 2008, S. 313. 55 Hailbronner, WiVerw. 1994, 173, 234; ders., in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 99, Rn. 335. 56 Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 317 m.w. N.; Pietzcker, Staatsauftrag, S. 355 f. 57 Einerseits spiegelt dies sich in dem Prestigegewinn des Auftragnehmers wider und andererseits hat der öffentliche Auftraggeber aufgrund seiner besseren Zahlungsfähigkeit, die auf der Steuerfinanzierung beruht, eine stärkere Verhandlungsmacht als ein Privater. 58 Wolff / Bachof / Stober / Kluth, Verwaltungsrecht, § 23, Rn. 21. 59 Kunert, O., Vergaberecht, S. 19. 60 Kunert, O., a.a. O., S. 19. 61 Kunert, O., a.a. O., S. 19. 52

II. Dogmatische Einordnung des Vergaberechts

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gehen immer auch politische Zweckmäßigkeits- bzw. Opportunitätserwägungen voraus. Selbstverständlich ist dabei, dass aus haushaltsrechtlicher Sicht immer sichergestellt werden muss, dass die eingesetzten Mittel auch sparsam verwendet werden 62. Dies kann nur durch öffentliches Recht gesteuert werden. Hierin manifestiert sich auch der grundlegende Unterschied von privaten Unternehmen und öffentlicher Hand. Der Staat kann also auch nicht „Quasi-Privater“ sein. Mithin muss das im Vergaberecht unstreitig dominierende Wettbewerbsprinzip die öffentlich-rechtlichen Besonderheiten der öffentlichen Akteure berücksichtigen 63.

5. Einfluss des europäischen Vergaberechts Seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gewann das öffentliche Auftragswesen für die Verwirklichung des Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes in der EG zunehmend an Bedeutung. Durch die Schaffung eines europaweiten „marché public“ sollte das Integrationshindernis des rein nationalen Einkaufs durch öffentliche Auftraggeber beseitigt werden 64. Hierbei nimmt und nahm der europäische Gesetzgeber keine Rücksicht auf die sehr unterschiedlichen Unterteilungen in den einzelnen Mitgliedstaaten zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht. Vielmehr erfolgt die europäische Normsetzung zielorientiert und pragmatisch 65. Zur Verwirklichung der Vertragsziele werden, je nachdem, mit welchem Instrument das Ziel besser erreicht werden kann, sowohl öffentlichrechtliche als auch privatrechtliche Instrumente verwendet 66. Bei der Harmonisierung der öffentlichen Auftragsvergabe ist zu beobachten, dass sich der europäische Gesetzgeber eher öffentlich-rechtlicher Instrumentarien bedient hat. So ist das vorgeschriebene Verfahren einzuhalten. Mithin besteht eine strikte Verfahrensbindung, die sich in der öffentlichen Bekanntmachung, im Transparenzgebot sowie festgelegten objektiven Auswahlkriterien widerspiegelt 67. Allerdings bringt die Europäisierung des Vergaberechts auch die Vorgabe einer wettbewerbsrechtlichen Tendenz für das deutsche Vergaberecht mit sich, die schließlich in den Regelungen der §§ 97 ff. GWB umgesetzt wurde 68. Seit dem 31. 03. 2004 liegen nunmehr nach einer lang anhaltenden Neuregelungsdiskussion auf EGEbene zwei 69 neue Vergaberichtlinien vor 70. 62

Kunert, O., Vergaberecht, S. 19. Maurer, Verwaltungsrecht, S. 45. 64 Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 55 ff. m.w. N.; Dörr, JZ 2004, S. 703, 704 f.; Madsen, PPLR. 2002, S. 265, 266; Zuleeg, ZeuP 2004, S. 636, 638 f. 65 Das so genannte „Hoflieferantentum“ sollte durch die Beschaffungsliberalisierung bekämpft werden. 66 Skouris, EuR 1998, S. 111, 115. 67 Skouris, a.a. O., 127 f. 68 Zuleeg, ZEuP 2004, S. 636, 638 f. 63

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

6. Zwischenergebnis Das Vergaberecht ist ein Rechtsbereich, in dem sich Zivilrecht, Wettbewerbsrecht, öffentliches Recht und Europarecht intensiv, teilweise auch kontrovers, begegnen und sich gleichzeitig wechselseitig beeinflussen und ergänzen 71. Der dogmatische Ausgangspunkt der Betrachtungen des Vergaberechts liegt mittlerweile überwiegend – jedoch gerade nicht ausschließlich – im Wettbewerbsrecht und mithin im Zivilrecht 72. Am Ende eines Vergabeverfahrens steht in der Regel ein mit dem Bieter abgeschlossener privatrechtlicher Vertrag, der die zivilrechtliche Betrachtung des Vergaberechts zunächst rechtfertigt. Allerdings ist nicht nur das Ergebnis des Vergabeverfahrens, sondern der Weg dorthin zu betrachten. So sind die Definition des Auftragsgegenstandes sowie dessen Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Regeln bedeutsam. Die oben ausgeführten Einordnungen 73 demonstrieren, dass der dogmatische Ausgangspunkt des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte – bedingt durch den wettbewerbsrechtlichen Impetus, die kartellrechtliche Verankerung der deutschen Umsetzung sowie die traditionell privatrechtliche Einordnung der Vergaberechtsgeschäfte – überwiegend im Zivil- und im Wettbewerbsrecht liegt 74. Jedoch sind die widerstreitenden Aussagen des Wettbewerbsrechts und des öffentlichen Rechts im Sinne praktischer Konkordanz so zu einem Ausgleich zu bringen, dass ihnen jeweils zur möglichst optimalen Wirksamkeit verholfen wird 75. Insoweit verdrängen öffentlichrechtliche Maßstäbe mit Verfassungsrang die einfachgesetzlichen wettbewerbsrechtlichen Maßstäbe.

69 Dabei handelt es sich einerseits um die VKR, dazu siehe Einleitung, Fn. 10 und andererseits um die SKR, dazu siehe Kapitel 1, Fn. 25. 70 Vgl. hierzu Mader, EuZW 2004, S. 425, 426; Fischer, K., EuZW 2004, S. 492, 494; Keßler / Ölcüm, EWS 2004, S. 337, 338; Rechten, NZBau 2004, S. 366, 369; Beckmann, NZBau 2004, S. 600; Odendahl, EuZW 2004, S. 647; Opitz, VergabeR 2004, S. 421; Steinberg, NZBau 2005, S. 85, 86. 71 Kunert, O., Vergaberecht, S. 25. 72 Ingenstau / Korbion, VOB, Einl., Rn. 1; Steinberg, Verbundaufgabe, S. 63; Maurer, Verwaltungsrecht, S. 459; Prieß, Vergaberecht, S. 175. 73 Vgl. oben, II. 74 Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 6 m.w. N. 75 Kunert, O., Vergaberecht, S. 20.

III. Regelungen des Gemeinschaftsrechts

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III. Regelungen des Gemeinschaftsrechts 1. Grundlagen Die oben ausgeführte 76 europäische Rechtsetzungstätigkeit hat zum Teil tief greifende Änderungen des deutschen Vergaberechts notwendig gemacht 77. Da das geltende deutsche Recht der öffentlichen Auftragsvergabe auch fast ausschließlich auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben 78 beruht, erscheint es sinnvoll, zunächst die europäischen Grundlagen des Vergaberechts darzustellen. Die Römischen Verträge aus dem Jahre 1957 erwähnten das öffentliche Auftragswesen nicht. Im Weißbuch der Kommission zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes 79 aus dem Jahre 1985 hatte sich die Kommission zum Ziel gesetzt, das öffentliche Auftragswesen zu liberalisieren. Die damals bestehende „Aufsplitterung“ in einzelstaatliche Vergabemärkte wurde als technische Schranke einer effizienten „Ressourcenallokation“ empfunden 80. Im Rahmen der Europäisierung der Wirtschaft wurde schon früh in der Geschichte der EU erkannt, dass durch die fehlende Regelung der Auftragsvergabe solchen Unternehmen, die zwar innerhalb der Gemeinschaft, aber nicht in der ausschreibenden Region ansässig sind, weitgehend die Chance genommen wurde, bei der Auftragsvergabe bedacht zu werden 81. Vergabepolitik ist damit ein Element der Binnenmarktpolitik 82. Mithin war Hauptursache der Veränderungen im Bereich der vergaberechtlichen Regelungen der angezeigte Harmonisierungsbedarf auf EG-Ebene 83. Insbesondere war die Kommission bemüht, die Waren- und 76

Vgl. oben, II, 5. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 49; Wittig, Vergaberecht, S. 9; Byok, NJW 1998, S. 2774, 2776. 78 Noch, Rechtsschutz, S. 1, bezeichnet die grundlegenden und sehr weitgehenden Umwälzungen im deutschen Vergaberecht als „Paradebeispiel“ für die starke Einwirkung des Europarechts auf bestehende nationale Rechtsstrukturen; Schütte / Horstkotte, Vergaberecht, S. 15. 79 Nach Art. 14 EGV handelt es sich beim Binnenmarkt um einen „Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital“ gesichert ist. 80 Weißbuch, KOM (1985), 310 endg., S. 4, 5; Hertwig, Auftragsvergabe, S. 14 f. m.w. N. 81 Vgl. Wittig, Vergaberecht, S. 10 m.w. N.; vgl. Weißbuch, KOM (85), 310 endg., S. 4. 82 Vgl. Fernandez Martin, Procurement, Foreword: „procurement has long been (and remains) among the most controversial areas of law and policy in the European Union“; S. 4: „Public procurement policy has undergone a remarkable evolution in the European Community. From an uncelebrated origin, it became one of the chosen sons of the 1992 Internal Market project.“ 83 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 429. 77

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

Dienstleistungsfreiheit auch in diesem volkswirtschaftlich wesentlichen Bereich herzustellen, Diskriminierungen zu beseitigen und zu verhindern. Die Verwirklichung der Liberalisierung des Vergaberechts sollte mit dem Instrument der Richtlinien erreicht werden. In der Folge wurden verschiedene Richtlinien 84 zur Koordinierung der nationalen Vergabevorschriften erlassen. Inhalt war vor allem die europaweite Publizität und diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftrags ab bestimmten Schwellenwerten. Die öffentliche Hand ist bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an das europäische Gemeinschaftsrecht gebunden. Dabei ist zwischen der Bindung an das primäre und der an das sekundäre Gemeinschaftsrecht zu unterscheiden. Im Vordergrund der öffentlichen Auftragsvergabe steht einerseits die Bindung an den EG-Vertrag und andererseits die Bindung an die Vergaberichtlinien.

2. Primäres Gemeinschaftsrecht a) Gründungsverträge Primäres Gemeinschaftsrecht sind vor allem die Gründungsverträge 85 der EG. Dies sind hauptsächlich die drei Integrationsverträge. Obwohl der Form nach 84 Vgl. zu den vorherigen Richtlinien Einleitung, Fn. 7; spätere Anpassungen der Richtlinien an das WTO-Beschaffungsübereinkommen durch folgende Richtlinien: Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 10. 1997 zur Änderung der Richtlinien 92//50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungs-, Liefer- und Bauaufträge, ABl. EG Nr. L 328 v. 28. 11. 1997, S. 1 sowie Richtlinie 98/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 2. 1998 zur Änderung der Richtlinie 93/38/EWG über die Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. EG Nr. L 101 v. 1. 4. 1998, S. 1. Darüber hinaus wurden Rechtsmittelrichtlinien erlassen, die den nicht berücksichtigen Bieter im Falle einer Missachtung der Verfahrensregeln effektive Rechtschutzmöglichkeiten in den Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen: Richtlinie 89/665/EWG des Rates v. 21. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. Nr. L 395 v. 30. 12. 1989, S. 33 (Rechtsmittelrichtlinie); Richtlinie 92/13/EWG des Rates v. 25. 2. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. Nr. L 76 v. 23. 3. 1992, S. 14 (Rechtsmittelsektorenrichtlinie); zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. 12. 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/23/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. Nr. L 335 v. 20. 12. 2007, S. 31; vgl. zu den aktuellen Richtlinien oben, Einleitung, Fn. 10 und Kapitel 1, Fn. 25. 85 Im Folgenden soll der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) interessieren, dazu siehe unten, Fn. 87. Die Verträge zur Gründung der EGKS (EGKSV) sowie zur Gründung der EAG (EAGV) werden nicht behandelt.

III. Regelungen des Gemeinschaftsrechts

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uneinheitlich, ist das primäre Gemeinschaftsrecht grundsätzlich eine einheitliche Rechtsmasse, die in sich keinen qualitativen Differenzierungen zugänglich ist. So liegen die Ziele der EG nach Art. 2 EGV insbesondere darin, eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens zu verwirklichen, die Beschäftigung, den sozialen Schutz, die Gleichstellung der Geschlechter, den Umweltschutz, die Hebung der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedern zu fördern 86. Diese Ziele sollen durch die Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes, einer Wirtschafts- und Währungsunion und durch die Durchführung gemeinsamer Politiken und Maßnahmen erreicht werden. Ein einheitliches europäisches Vergaberecht lässt sich dem Primärrecht also nicht entnehmen. Im EG-Vertrag 87 wird das öffentliche Auftragswesen ebenfalls nicht explizit geregelt 88. Lediglich im Zusammenhang mit der Forschung und Entwicklung (Art. 163 Abs. 2 EGV) sowie im Rahmen der Zweckbestimmung der Assoziierung (Art. 183 Nr. 4 EGV) findet die öffentliche Auftragsvergabe als Instrument bzw. Zweck Erwähnung. Nach Art. 2 handelt es sich beim EGV jedoch um einen Rahmenvertrag, der die gesamte Wirtschaftstätigkeit erfasst 89. Es besteht Einigkeit, dass das öffentliche Auftragswesen trotz des Fehlens selbständiger Vorschriften vom Regelungsbereich des EGV erfasst wird 90. Hieraus lässt sich allerdings noch kein Hinweis ableiten, wie das öffentliche Auftragswesen selbst ausgestaltet werden soll. Dies ergibt sich aber vor allem aus den Grundfreiheiten. b) Grundfreiheiten aa) Grundlagen Die Grundfreiheiten des EGV sind unmittelbar, d. h. ohne eine gesonderte Umsetzung in nationales Recht, anwendbar und verleihen EU-Bürgern subjekti86

Schäfer, Auftragswesen, S. 285; vgl. dazu unten Kapitel 4, I. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung von Amsterdam v. 2. 10. 1997, BGBl. 1998, S. II-386, ber. BGBl. 1999, S. II-416, geändert durch Art. 2 Nizza-Vertrag v. 26. 2. 2001, ABl. Nr. C 80, S. 1, ber. ABl. Nr. C 96, S. 27, Art. 4 Nr. 1 EU-Erweiterungs-Protokoll v. 26. 2. 2001, ABl. Nr. C 80, S. 49, geändert ABl. 2003, Nr. L 236, S. 33, EU-Beitrittsakte 2003 v. 16. 4. 2003, ABl. L 236, S. 940 und Art. 1 Protokoll Nr. 3 zur EU-Beitrittsakte 2003 v. 16. 4. 2003, ABl. L 236, S. 940 und EUBeitrittsakte 2007 v. 25. 4. 2005, ABl. L 157, S. 203. 88 Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärung, S. 34 ff. m.w. N.; nach einem der „Väter des Vertrages“ sei eine ausdrückliche Regelung des öffentlichen Auftragswesens von den Parlamenten aufgrund der starken protektionistischen Traditionen nicht akzeptiert worden; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 124; Schabel, Auftragsvergabe, Teil A, Einf., S. 2. 89 Prieß, Vergaberecht, S. 7. 90 Stolz, Auftragswesen, S. 5 f. m.w. N.; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 124. 87

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

ve Rechte 91. Sie sind von den nationalen Gerichten und Behörden mit Vorrang vor entgegenstehendem nationalem Recht anzuwenden; unabhängig davon, ob sich die Begünstigten hierauf berufen 92. Die Mitgliedstaaten sind auch ohne eine ausdrückliche primärrechtliche Regelung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nicht völlig frei 93. Sie haben vielmehr die im Primärrecht festgelegten Grundfreiheiten, die das Mittel zur Errichtung des Gemeinsamen Marktes sind, immer zu beachten 94. Zu beachten ist allerdings, dass dem Staat ein bestimmter Grad an „Beschaffungsautonomie“ zugestanden werden muss. Dies zielt auf ein relativ großes Maß an Freiheit auf der Ebene der Bedarfsdefinition ab 95. So betont Arrowsmith 96, dass der öffentliche Auftraggeber selbst das Recht haben muss zu bestimmen, welche Produkte, Bau- oder Dienstleistungen er benötigt und welche Anforderungen diese zu erfüllen haben. Schon die Wahl eines bestimmten Produkts statt eines anderen ebenfalls denkbaren oder die Festlegung bestimmter Qualitätsstandards kann nämlich im Ergebnis dazu führen, dass ausländische Waren bzw. Unternehmen benachteiligt werden 97. Insofern erschiene es nicht angemessen, jede Anforderung an die zu beschaffende Leistung an den Grundfreiheiten zu messen 98. Die Grundfreiheiten sind Ausprägungen des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Art. 12 EGV 99. Aus den Grundfreiheiten leitete der EuGH vergaberechtliche Grundsätze ab, die bei der grenzüberschreitenden Vergabe von Aufträgen zu beachten sind 100. Bevor der Gemeinschaftsgesetzgeber im Laufe der letzten 91 Die unmittelbare Anwendbarkeit der Grundfreiheiten hat der EuGH bereits früh anerkannt: EuGH, Urt. v. 5. 2. 1963, Rs 26/62, NJW 1963, S. 974 – van Gend & Loos; EuGH, Urt. v. 17. 12. 1970, Rs. 33/70, NJW 1971, S. 1006 – S.A.C.E.; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1974, Rs. 2/74, NJW 1975, S. 513 – Reyners; EuGH, Urt. v. 3. 12. 1974, Rs. 33/74, Slg. 1974, S. 1299 – van Binsbergen; EuGH Urt. v. 22. 6. 1989, Rs. 103/88, Slg. 1989, S. 1839, Rn. 30 f. – Costanzo. Die unmittelbare Anwendung der Grundfreiheiten beruht auf dem Gedanken, dass die uneingeschränkte gleichmäßige Geltung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten entscheidend für das Funktionieren der Gemeinschaft ist, vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 24 m.w. N.; Noch beschreibt, dass die Grundfreiheiten einen „grundrechtsähnlichen Charakter“ hätten, vgl. dazu Noch, Vergaberecht, S. 22. 92 Benedict, NJW 2001, S. 947. 93 Dazu unten Kapitel 4, II. 1. a). 94 Prieß, Vergaberecht, S. 8 ff.; Braun / Hauswaldt, EuZW 2006, S. 176, 177. 95 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 188. 96 Arrowsmith, Procurement, S. 584 f. 97 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 188. 98 Arrowsmith, a.a. O., S. 584 f. 99 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 8 m.w. N. 100 EuGH, Urt. v. 22. 6. 1993, Rs. C-243/89, EuZW 1993, 607 ff., Rn. 33 ff. – Storebaelt; EuGH, Urt. v. 25. 4. 1996, Rs. C-87/94, EuZW 1996, 54 ff., Rn. 70 ff. – Wallonische Busse; EuGH, Urt. v. 13. 10. 2005, Rs. C-458/03, EuZW2005, 727 ff., Rn. 48 f. – Parking Brixen; EuGH, Urt. v. 6. 4. 2006, Rs. C-410/04, EuZW 2006, 415 ff, Rn. 21 – Bari; vgl. auch unten, VI.

III. Regelungen des Gemeinschaftsrechts

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30 Jahre zahlreiche sekundärrechtliche Normen zur Öffnung der europäischen Vergabemärkte erließ, waren die Grundfreiheiten der einzige Ansatzpunkt für die Rechtsprechung des EuGH, Diskriminierungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu unterbinden 101. Wenn ein öffentlicher Auftraggeber Waren oder Dienstleistungen bezieht oder Bauleistungen vergibt, sind in erster Linie die Art. 28, 43, 49 EGV berührt. Darüber hinaus ist auch immer Art. 12 EGV von Bedeutung, wenn es um ein Vergabeverfahren geht, an dem sich auch ausländische Unternehmen oder Konsortien beteiligen. Dabei erweisen sich die Vorschriften über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit eher im Zusammenhang mit öffentlichen Bauaufträgen von Bedeutung, während für die Vergabe öffentlicher Lieferaufträge vorrangig (aber nicht ausschließlich) auf die Regeln über den freien Warenverkehr abgestellt wurde 102. Die im Folgenden noch zu erörternden Grundfreiheiten sind trotz der sekundärrechtlichen Regelungen weiterhin bedeutsam und zu beachten 103. Besondere Bedeutung erlangt das Primärrecht in solchen Verfahren, die von den Vergaberichtlinien mangels Anwendbarkeit 104 nicht erfasst werden. Das ist dann der Fall, wenn sich der einzelne Bieter mangels Erreichens der Schwellenwerte 105 nicht auf die sekundärrechtlichen Regelungen berufen kann 106. Hier bilden die Grundfreiheiten den einzigen gemeinschaftsrechtlichen Prüfungsmaßstab für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Vergabeentscheidungen der Mitgliedstaaten wie auch der Europäischen Gemeinschaft selbst 107. Zwar ist die Bedeutung für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte durch die Regelungen sekundärrechtlicher Natur in den letzten Jahren zurückgedrängt worden 108. Jedoch sind die Normen des Primärrechts als gegenüber den Richtlinien höherrangiges Recht weiterhin zu beachten. Schließlich bilden die Grundfreiheiten die Grundlage, den Rahmen und die Grenze der Rechtssetzungsgewalt der Gemeinschaft für das Sekundärrecht. Insofern ist das Verhältnis von Gründungsverträgen zu Sekundärrecht auf 101

Vgl. Prieß, Vergabercht, S. 8 m.w. N. Sterner, Rechtsbindungen, S. 37 m.w. N. 103 Problematisch in diesem Zusammenhang ist eine Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen. Diese hat keine unmittelbar verpflichtende Wirkung für die Mitgliedstaaten, vgl. Mitteilung der Kommission, Unterschwellenbereich, ABl. Nr. C 179 v. 24. 7. 2006. 104 Schäfer, Auftragswesen, S. 287 f. Dies betrifft aber auch die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, die keine sekundärrechtliche Regelung erfahren haben sowie den teilweise nicht erfassten Bereich des Rüstungsmarktes. Weitere Ausnahmen sind Finanzdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehaufträge, Arbeitsverträge, F&E-Projekte. Vgl. Art. 16 VKR sowie Art. 19 ff. SKR. 105 Siehe oben Kapitel 1, III, 2. c). 106 Otting, StG 1996, S. 462. 107 Prieß, Vergaberecht, S. 22. 108 Dazu sogleich unten, 4. 102

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europäischer Ebene vergleichbar mit dem Verhältnis der Verfassung zu einfachgesetzlichem Recht auf nationaler Ebene 109, so dass eine primärrechtskonforme Auslegung des Sekundärrechts geboten ist. Vor allem aber besteht ein enger Zusammenhang zu den Grundfreiheiten 110. Anwendung finden die Grundfreiheiten grundsätzlich nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Wann im Rahmen öffentlicher Aufträge ein grenzüberschreitender Vorgang vorliegt, ist indes nicht einfach zu bestimmen. In jedem Fall liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, wenn sich EG-ausländische Unternehmen um einen Auftrag bewerben oder wenn sich inländische Unternehmer bewerben, die EG-ausländische Waren liefern oder verwenden wollen, aber auch, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von den durch den Vertrag gewährten Freiheiten Gebrauch gemacht hat und wieder in seinen Heimatstaat zurückkehrt 111. Soweit an das Unternehmen oder die Leistung bestimmte Anforderungen gestellt werden, die gegebenenfalls auch EG-ausländische Unternehmen bzw. Waren erfüllen sollen, wird man sagen können, dass diese generell den Grundfreiheiten genügen müssen 112. Denn es lässt sich nie ausschließen, dass durch die fraglichen Bestimmungen ausländische Unternehmen von der Bewerbung bzw. das Unternehmen von der Lieferung oder Verwendung ausländischer Waren abgehalten werden 113. Auf den grenzüberschreitenden Bezug verzichtet der EuGH dann, wenn der öffentliche Auftrag in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinie fällt und bei nicht abschließenden Regelungen die Marktfreiheiten subsidiär herangezogen werden 114. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung aller Grundfreiheiten erlauben, sind nach der Rechtsprechung des EuGH beispielsweise der Verbraucherschutz 115, der Umweltschutz 116, die Lauterkeit des Han109

Oppermann, Europarecht, S. 681, 688; Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 10 f. Frenz, Europarecht, S. 528. 111 Epiney, in: Calliess / Ruffert, Europarecht, Art. 12 EGV, Rn. 30 m.w. N. 112 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 183. 113 Ebenda. 114 Noch, Rechtsschutz, S. 20; vgl. auch: EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff., Rn. 29 – Beentjes. 115 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1979, Slg., S. 649, Rn. 8 – Cassis de Dijon; EuGH, Urt. v. 4. 12. 1986, Slg., S. 3755, Rn. 30 – Kommission / Bundesrepublik Deutschland; EuGH, Urt. v. 7. 3. 1990, Slg., S. I-667, Rn. 18 – GB-INNO-BM; EuGH, Urt. v. 13. 12. 1990, Slg., S. I-4827 Rn. 12 – Pall; EuGH, Urt. v. 30. 4. 1991, Slg., S. I2023, Rn. 17 – Boscher; EuGH, Urt. v. 9. 8. 1994, Slg., S. I-3879 Rn. 20 – Meyhu; EuGH, Urt. v. 9. 7. 1997, Slg., S. I-3843, Rn. 46 – De Agostini; EuGH, Urt. v. 5. 10. 2004, Slg., S. I-8961, Rn. 21 – CaixaBank. 116 EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Slg., S. 531, Rn. 13 – Procureur; EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Slg., S. 4607, Rn. 9 – Kommission / Dänemark; EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Slg., S. I110

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delsverkehrs 117, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege 118, die Verfolgung von kulturpolitischen Zielen 119 und der Gesundheitsschutz 120. Der EU-Vertrag sieht gem. Art. 6 Abs. 2 auch den Grundrechtsschutz als Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung an. Dies stellt nach der Rechtsprechung des EuGH ebenfalls ein berechtigtes Interesse dar,das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung der Grundfreiheiten zu rechtfertigen 121. bb) Dienstleistungsfreiheit Die Dienstleistungsfreiheit ist insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Bauund Dienstleistungsaufträge relevant, aber auch bei Leistungen wie beispielsweise Abfallsammlung, -transport und -entsorgung. Gemäß Art. 49 EGV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft grundsätzlich verboten. Erfasst wird jede selbständige entgeltliche Leistung, die von Unionsbürgern oder Gesellschaften erbracht wird. Die Dienstleistungsfreiheit umfasst mithin alle Situationen, in denen eine Dienstleistung grenzüberschreitend erbracht werden kann 122. Dabei erfasst die Dienstleistungsfreiheit sowohl die Personen- als auch Produktfreiheit 123. Nicht notwendig ist, dass sich eine der an einer Dienstleistung beteiligten Parteien zwecks Erbringung oder Empfang der Leistung in einen anderen Mitgliedstaat begibt. Durch die Dienstleistungsfreiheit wird der tendenziell auf nationale Räume ausgerichtete öffentliche Sektor europaweit geöffnet. Da bei der Auftragsvergabe insbesondere Leistungen von Diensten jeder Art nachgefragt werden, ist die Dienstleistungsfreiheit häufiger als die anderen Grundfreiheiten betroffen. Neben dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit etwa durch das nur ausländische Bieter erfassende Erfordernis einer Niederlassungsgenehmigung 124 oder einer Eintragung im Berufsregister 125 des Heimatstaates werden vor allem versteckte Diskriminierungen relevant 126. Bezogen auf das Vergabeverfahren 127 4431, Rn. 29 ff. – Kommission / Belgien; EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Slg., S. I-4473, Rn. 19 – Aher-Waggon. 117 EuGH, Urt. v. 20. 2. 1979, Slg., S. 649, Rn. 8 – Cassis de Dijon; EuGH, Urt. v. 13. 12. 1990, Slg., S. I-4827, Rn. 12 – Pall; EuGH, Urt. v. 9. 7. 1997, Slg., S. I3843, Rn. 46 – De Agostini. 118 EuGH, Urt. v. 3. 12. 1974, Slg., S. 1299, Rn. 14 ff. – Van Binsbergen; EuGH, Urt. 12. 12. 1996, Slg., S. I-6511, Rn. 36 – Reisebüro Broede. 119 EuGH, Urt. v. 25. 7. 1991, Slg., S. I-4007, Rn. 23, 27 – Gouda; EuGH, Urt. v. 5. 10. 1994, Slg., S. I-4795, Rn. 19 – TV10. 120 EuGH, Urt. v. 1. 2. 2001, Slg., S. I-837, Rn. 28 – Mac Queen u. a. 121 EuGH, Urt. v. 12. 6. 2003, Slg., S. I-5659, Rn. 74 – Schmidberger. 122 Prieß, Vergaberecht, S. 15. 123 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 194. 124 EuGH, Urt. v. 3. 6. 1992, Rs. C-360/89, Slg., S. I-3401, 3418 – Kommission / Italien; vgl. auch EuGH, Urt. v. 10. 2. 1989, Rs. 76/81. Slg., S. 417 – Transporoute.

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sind damit alle Ausschlussgründe, die unmittelbar oder mittelbar 128 an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, verboten 129. Demnach weitet sich der von den Verboten der personenbezogenen Grundfreiheiten 130 betroffene Regelungsbereich vom Diskriminierungs- zum Beschränkungsverbot 131 aus. Danach bedürfen alle Maßnahmen der Rechtfertigung vor den Grundfreiheiten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr zu behindern, d. h. auch entsprechende Maßnahmen nichtdiskriminierender Art 132. Eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit kann gerechtfertigt sein, wenn vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen: „Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zwecks zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“ 133 Ein wesentlicher Gesichtspunkt, der eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann, ist auch hier der Verbraucherschutz 134. Kein Rechtfertigungsgrund ist ein lediglich örtlich gebundener Tarifvertrag. Kürzlich hat der EuGH 135 entschieden, dass eine Regelung, nach der Auftragnehmer an den niedersächsischen Bau-Tarifvertrag gebunden sind, der nicht für allgemeinver-

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EuGH, Urt. v. 26. 9. 2000, Rs. C-225/98, NZBau 2000, S. 584 ff. – Nord-Pas-DeCalais. 126 Vgl. Frenz, Europarecht, S. 537 f. m.w. N.; Prieß, Vergaberecht, S. 19 f. m.w. N. 127 Dazu unten Kapitel 4, II. a) bb). 128 Mittelbar diskriminierende Regelungen unterscheiden zwar typischerweise nicht formell zwischen inländischen und ausländischen Bietern, jedoch erschweren sie den ausländischen Bietern die Tätigkeit im Empfangsstaat im Vergleich zu inländischen Bietern. 129 Prieß, Vergaberecht, S. 17. 130 Personenbezogene Grundfreiheiten sind die Niederlassungs- und Arbeitnehmerfreizügigkeit. Produktverkehrsfreiheiten sind die Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit. 131 St. Rspr., z. B. EuGH, Urt. v. 12. 12. 1996, Rs. C-3/95, Slg., S. I-06511, Rn. 25 – Reisebüro Broede: „... verlangt diese Bestimmung nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen, selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistungserbringer wie für Dienstleistungserbringer anderer Mitgliedstaaten gelten, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistungserbringers, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.“ 132 EuGH, Urt. v. 3. 12. 1974, Rs. 33/74, Slg., S. 1299, Rn. 10 –12 – Van Binsbergen; EuGH, Urt. v. 25. 7. 1991, Rs. C-76/90, Slg., S. I-4221, Rn. 12 – Säger. 133 EuGH, Urt. v. 27. 10. 2005, Rs. C-234/03, EuZW 2006, S. 153, 155, Rn. 25 – Contse. 134 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 195. 135 EuGH, Urt. v. 03. 4. 2008, Rs. C-346/06, NZBau 2008, S. 332 ff. – Rüffert.

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bindlich erklärt wurde, nicht mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie 136 vereinbar ist, die ihrerseits im Lichte der Dienstleistungsfreiheit auszulegen ist 137. cc) Warenverkehrsfreiheit Die Vergabekoordinierungsrichtlinie erfasst Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Soweit bei der Auftragserfüllung Waren eingesetzt werden und die Produktlieferung im Vordergrund steht, ist die Warenverkehrsfreiheit betroffen. Relevant wird die Warenverkehrsfreiheit also insbesondere bei öffentlichen Lieferaufträgen. Sie ist in den Art. 23 –31 EGV geregelt und wird vor allem durch die Zollunion (Art. 23, 25 EGV) sowie das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen (Art. 28 f. EGV) gewährleistet. Sie erlangt insbesondere dann Bedeutung, wenn der öffentliche Auftraggeber dem Auftragnehmer die Verwendung bestimmter, nationaler Produkte bei der Ausführung des Auftrags vorschreibt 138. Dabei erfasst die Warenverkehrsfreiheit auch solche nationalen Maßnahmen, die nicht unmittelbar inländische Waren, sondern inländische Lieferanten bevorzugen, denn diese werden ihrerseits eher inländische Waren liefern 139. Insbesondere werden damit auch ausländische Hersteller, die sich direkt um einen Auftrag bewerben wollen, benachteiligt und damit wird die Warenverkehrsfreiheit beschränkt 140. Nach Art. 28 EGV sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, vorbehaltlich der Rechtfertigungsgründe des Art. 30 EGV, zwischen den EG-Mitgliedstaaten verboten. Dabei sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen alle Maßnahmen, die die Einfuhr einer Ware 141 der Menge oder dem Wert nach begrenzen 142. Im Bereich des Vergaberechts bilden die Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen die häufigste Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit 143. Die Definition der Maßnahme gleicher Wirkung reichte nach der so genannten Dassonville-Formel des EuGH 144 sehr weit. Gemäß diesem Urteil erfasste das Verbot „jede Maßnahme der Mit136 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. Nr. 18 v. 21. 12. 1996, S. 1 ff. 137 Dazu im Einzelnen unten Kapitel 3, V. 5. 138 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 175. 139 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 177. 140 Ebenda. 141 Unter „Waren“ im Sinne der Art. 23 – 30 EGV sind alle beweglichen Sachen zu verstehen, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können; vgl. auch EuGH, Urt. v. 10. 12. 1968, Rs. 7/68, Slg., S. 633, 642 – Kommission / Italien; EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. 2/90, Slg., S. I-4431, Rn. 22 – Abfalltransport. 142 Vgl. Definition des EuGH, Urt. v. 12. 7. 1973, Rs. 2/73, Slg., S. 865, Rn. 7 – Geddo. 143 Ziekow, Beschaffungswesen, S. 18. 144 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1974, Rs. 8/74, Slg., S. 837, 852 – Dassonville.

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gliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell, zu behindern“ 145. Nach seiner zweiten Leitentscheidung „Cassis de Dijon“, die unterschiedslos auf nationale wie auf eingeführte Waren anwendbar ist, sind Eingriffe vom Verbot des Art. 28 EGV freigestellt, wenn sie notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls zu entsprechen 146. Daneben gilt die Ausnahme des Art. 30 EGV. Jedoch erwiesen sich diese Ausnahmen nicht als hinreichend, um den Verbotstatbestand des Art. 28 EGV in der Auslegung des EuGH auf die echten Hindernisse für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu begrenzen, so dass der EuGH in seiner dritten Grundsatzentscheidung „Keck“ im Jahre 1993 die zuvor im Rahmen der „Dassonville-Rechtsprechung“ entwickelten Grundsätze weiter einengte, indem bestimmte nationale Regelungen bereits auf Tatbestandsebene als Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit ausgeschlossen wurden. Hierzu unterschied er zwischen produktbezogenen (warenbezogenen) und vertriebsbezogenen (vermarktungsbezogenen) Beschränkungen und entschied, dass vertriebsbezogene mitgliedstaatliche Regelungen von Art. 28 EGV schon tatbestandlich nicht mehr erfasst werden, wenn sie nicht diskriminierend wirken 147. Insofern sind nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sie den Absatz inländischer Erzeugnisse und Erzeugnisse aus den anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren, vom Verbot des Art. 28 EGV ausgenommen 148. Hingegen sind produktbezogene Regelungen von vornherein zur Handelsbehinderung geeignet und damit Maßnahmen gleicher Wirkung – auch dann wenn sie diskriminierungsfrei sind. Sie können lediglich durch zwingende Gründe gerechtfertigt werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine nationale Vertriebsvorschrift, wenn sie denn keine Maßnahme gleicher Wirkung darstellen soll, weder einen offen diskriminierenden Charakter haben darf, weil sie dann nicht mehr in den Bereich der Ausnahmen von „Cassis de Dijon“ und „Keck“ fallen kann, noch zu einer Aufsplitterung des EG-Marktes in nationale Märkte führen darf 149. Die Warenverkehrsfreiheit spielt eine zentrale Rolle bei der Verwirklichung des Binnenmarktes im Bereich der Vergabe von Aufträgen durch öffentliche und Sektorenauftraggeber 150. So stellen solche Vergabevorschriften in den Mit145

EuGH, Urt. v. 11. 7. 1974, Rs. 8/74, Slg., S. 837, 852 – Dassonville. EuGH, Urt. v. 20. 2. 1978, RS. 120/78, Slg. 1979, S. 649 – Cassis de Dijon. 147 Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 12 m.w. N.; Becker, EuR 1994, S. 162, 164. 148 EuGH, Urt. v. 24. 11. 1993, Rs. C-267 u. 268/91, Slg., S. I-6097, Rn. 16 – Keck. 149 Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 13 m.w. N. 150 Diese Relevanz findet sich auch im 2. Erwägungsgrund der VKR sowie im 9. Erwägungsgrund der SKR wieder. 146

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gliedstaaten eine unzulässige Behinderung dar 151, denen zufolge die bei der Ausführung zu verwendenden Materialien den einheimischen Normen zu entsprechen haben und diese Übereinstimmung von Seiten des Bewerbers durch eine Bescheinigung nachzuweisen ist 152. dd) Niederlassungsfreiheit Inhalt der Niederlassungsfreiheit ist das Recht eines ausländischen Unternehmers, unter gleichen Bedingungen, wie sie für Inländer bestehen, eine Tätigkeit selbständig auszuüben. Gemäß Art. 43 Abs. 1 EGV sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verboten. Dabei schützt Art. 43 EGV gemäß Art. 48 EGV juristische ebenso wie natürliche Personen 153. Mithin steht die Niederlassungsfreiheit nationalen Maßnahmen entgegen, die die Ausdehnung von selbständiger Erwerbstätigkeit über das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hinaus behindern oder weniger attraktiv machen können 154. Werden also beispielsweise zum Vergabeverfahren nur einheimische Bieter zugelassen oder werden ausländische Unternehmer auf andere Weise aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit gegenüber inländischen Unternehmen benachteiligt, liegt darin eine Verletzung des Art. 43 EGV 155. Ausnahmen ergeben sich gemäß Art. 46 Abs. 1 EGV dann, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt ist 156.

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Da diese Regelungen die Verwendung eingeführter Waren erheblich erschweren und nach einheimischen und eingeführten Waren ausdrücklich unterscheiden, sind sie als offen diskriminierende Maßnahmen gleicher Wirkung zu qualifizieren. 152 Vgl. EuGH, Urt. v. 22. 9. 1988, Rs. 45/87, Slg., S. 4929 – Kommission Irland (Dundulk); EuGH, Urt. v. 20. 3. 1990, Rs. C-21/88, Slg., S. I-889, Rn. 11 – Du Pont Nemours Italiana; EuGH, Urt. v. 117.1991, Rs. C-351/88, Slg., S. I-3641 – Laboratori Bruneau; EuGH, Urt. v. 22. 6. 1993, Rs. C-243/89, Slg., S. I-3353 – Kommission / Dänemark (Storebaelt). 153 Gemäß Art. 48 EGV stehen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten Gesellschaften gleich, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. 154 Schäfer, Auftragswesen, S. 386. 155 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 17 f. m.w. N. 156 Dabei muss die Beschränkung verhältnismäßig sein. Weiterhin ist darauf zu achten, dass Abweichungen von den Regeln über die Freizügigkeit eng auszulegende Ausnahmevorschriften sind, was namentlich für den Begriff der öffentlichen Ordnung gilt. Vgl. hierzu: EuGH, Urt. v. 4. 12. 1974, Rs 41/74, Slg., S. 1337 – van Duyn.

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ee) Arbeitnehmerfreizügigkeit Gemäß Art. 39 Abs. 1 EGV ist innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen 157. Eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte vorliegen, wenn ein öffentlicher Auftraggeber bestimmte Anforderungen an das einzusetzende Personal stellt. Im Fall „Storeboelt“ sah der EuGH einen Verstoß gegen Art. 48 EWGV (jetzt Art. 39 EGV) in einer Vertragsklausel, nach der den Unternehmern vorgeschrieben wurde, soweit wie möglich dänische Arbeitskräfte zu verwenden 158. ff) Diskriminierungsverbot Das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 12 EGV ist gegenüber den oben genannten Grundfreiheiten subsidiär 159, wird also von den anderen spezielleren Grundfreiheiten verdrängt. Bei Art. 12 Abs. 1 EGV handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen (ungeschriebenen) Gleichheitssatzes des europäischen Gemeinschaftsrechts 160. Er erfasst nur natürliche Personen. Eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit liegt vor, wenn die Nationalität als Kriterium für eine Ungleichbehandlung herangezogen wird 161. Dabei fallen hierunter sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen 162. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn allein die Herkunft als Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung genommen wird. Eine mittelbare hingegen ist auch dann gegeben, wenn für eine Ungleichbehandlung auf Kriterien abgestellt wird, die typischerweise nur Aus- oder Inländer erfüllen können 163. Im europäischen Vergaberecht ist das Diskriminierungsverbot wegen seiner strukturellen Gefährdung durch staatliche Stellen, die Aufträge aus unterschiedlichen (aber möglicherweise nachvollziehbaren) Gründen heimatnah vergeben, besonders sorgfältig zu beachten 164. Inso157

Art. 39 Abs. 2 EGV. EuGH, Urt. v. 22. 6. 1993, Rs. C-243/89, Slg., S. I-3353 – Kommission / Dänemark (Storebaelt). 159 Vgl. EuGH, Urt. v. 14. 7. 1994, Rs. C-379/92, Slg., S. I-3453, 3495 – Peralta; Prieß, Vergaberecht, S. 8. 160 Kling, Instrumentalisierung, S. 25 m.w. N. 161 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 197. 162 Vielfach werden auch die Termini offene / versteckte oder direkte / indirekte Diskriminierung verwandt. 163 Beuttenmüller, Auftragswesen, S. 149 m.w. N. 164 Prieß, Vergaberecht, S. 10. 158

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fern enthalten die neuen Vergaberichtlinien nunmehr ausdrücklich ein generelles Verbot der Diskriminierung 165. So dürfen die von den Bietern zu erfüllenden Vergabekriterien nicht so gestaltet werden, dass sie von ausländischen Bietern nur erheblich schwerer oder praktisch gar nicht erfüllt werden können 166. Das Verbot der Diskriminierung schließt eine Verpflichtung zur Transparenz ein, damit festgestellt werden kann, ob dieses auch beachtet wird 167. c) Wettbewerbsregeln Die Wettbewerbsregeln in Art. 81 ff. EGV haben das Ziel, einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Bereich des Gemeinsamen Marktes zwischen ihren Mitgliedstaaten herzustellen 168. Fraglich ist, ob neben den Grundfreiheiten des EGV auch die Wettbewerbsregeln in Art. 81 ff. EGV auf die öffentliche Auftragsvergabe anzuwenden sind 169. Früher und teilweise heute immer noch wurde die Anwendbarkeit der Art. 81 – 86 EGV auf die staatliche Beschaffungstätigkeit abgelehnt 170. Dies wurde damit begründet, dass die Nachfrage durch den Staat keine unternehmerische Tätigkeit sei 171. Eine Parallele zu der im deutschen Recht vorherrschenden Auffassung, dass die staatliche Nachfrage dem GWB unterfalle, könne nicht gezogen werden 172. Die Grundfreiheiten sollten nur den Staat als solchen, die Art. 81 ff. EGV (mit Ausnahme des Art. 86 EGV) hingegen allein die Privatwirtschaft binden 173. Die heute herrschende Auffassung geht von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Art. 81 ff. EGV auf die öffentliche Beschaffungstätigkeit ergänzend zu den Grundfreiheiten aus 174. Begründet wird dies damit, dass die Mitgliedstaaten bzw. alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts bei ihrer Teilnahme am 165 Vgl. Art. 2 VKR, Art. 10 SKR. In den früheren Richtlinien: Art. 22 Abs. 4 BKR; Art. 3 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 4 DKR; Art. 4 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 5 SKR a.F. 166 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes. 167 Vgl. EuGH Urt. v. 7. 12. 2000, Rs. C-324/98, EuZW 2001, S. 90 – Teleaustria; EuGH, Urt. v. 18. 11. 1999, Rs. C-275/98, Slg., S. I- 8291, Rn. 31 – Unitron Scandinavia; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 18. 6. 2002, Rs. C-92/00, Slg., S. I-5553, Rn. 45 – Hospital Ingenieure. 168 EuGH, Urt. v. 13. 2. 1976, Rs. 85/76, Slg. 1979, S. 461, 554, Rn. 132 – HoffmannLa Roche. 169 Sterner, Rechtsbindungen, S. 41 ff.; vgl. unten Kapitel 4, II, 1.1.7. 170 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 333; Kämmerer / Thüsing, ZIP 2002, S. 596, 599. 171 Pietzcker, a.a. O., S. 333. 172 Pietzcker, AöR 107 (1982), S. 61, 66; ders., Staatsauftrag, S. 333 f. 173 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 333. 174 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 125; Karenfort / von Koppenfels / Siebert, BB 1999, S. 1825, 1832; Prieß, Vergaberecht, S. 24.

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geschäftlichen Verkehr den Wettbewerb in einer Weise beschränken könnten, die zu einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels geeignet sei 175. Maßnahmen, die ausländische Anbieter bei der Vergabe benachteiligen, könnten als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Position qualifiziert werden, so dass Art. 12 Abs. 1 EGV und Art. 82 S. 1 und S. 2 lit. c EGV verletzt seien 176. Darüber hinaus wird aus Art. 86 EGV der Schluss gezogen, dass Mitgliedstaaten verpflichtet seien, bei der Einwirkung auf bestimmte Unternehmen keine mit den Wettbewerbsregeln unvereinbaren Maßnahmen zu treffen 177. Der EuGH 178 legt einen funktionalen Unternehmerbegriff zugrunde und qualifiziert die staatliche Nachfrage nach Gütern und Leistungen als unternehmerisch im Sinne der Art. 81 ff. EGV 179. Dabei meint der funktionale Unternehmensbegriff „jede wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung“ 180. Ausreichend ist danach, dass ein Unternehmen in Konkurrenz zu anderen Unternehmen treten könnte, die diese Dienstleistung oder Ware mit Gewinnerzielungsabsicht anbieten. Mithin sind die Wettbewerbsregeln der Art. 81 ff. grundsätzlich neben den nationalstaatlichen Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen anwendbar 181, allerdings nur insoweit, als die Nachfrage durch den öffentlichen Auftraggeber für eine wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt. Der Missbrauchstatbestand des Art. 82 EGV setzt voraus, dass der Auftraggeber über eine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teilmarkt verfügt 182. Häufig wird es, wenn regionale Beschaffungsstellen öffentliche Aufträge ausschreiben, an der marktbeherrschenden Stellung fehlen 183. 175 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 372 ff. 374; Flach, Rechtsbindungen, S. 64, 174, 261; Mestmäcker / Bremer, BB 1995, Beilage, S. 9. 176 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 27 m.w. N. 177 Mestmäcker / Bremer, BB 1995, Beilage, S. 11; Kayser, Regelungsspielräume, S. 23. 178 EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg., S. I-1979, Rn. 20 – Höfner und Elser; EuGH, Urt. v. 17. 2. 1993, Rs. C-159 u. 160/91, Slg., S. I-637, Rn. 17 – Poucet und Pistre; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1994, Rs. C-364/92, Slg., S. I-43, Rn. 18 – Eurocontrol; EuGH, Urt. v. 18. 6. 1998, Rs. 35/96, Slg., S. I-3851, Rn. 36 – Gebührenordnung für Zollspediteure; EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000, Rs. C-180 – 184/98, Slg., S. I-6451, Rn. 74 – Pavlov. 179 EuGH, Urt. v. 20. 3. 1985, Rs. 41/83, Slg., S. 873, 885 – Kommission / Italien; EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg., S. I-1979, 2017 – Höfner und Elser; EuGH, Urt. v. 19. 1. 1994, Rs. C-364/92, Slg., S. I-43, 61 – Eurocontrol; ebenso: Sterner, Rechtsbindungen, S. 42 ff.; Götz, Beschaffungsmärkte, S. 37 f. 180 EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg., S. I-1979, Rn. 21 – Höfner / Macroton. 181 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 28, im Falle eines Widerspruchs zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht haben die Vorschriften des EGV Vorrang. 182 Vgl. zur Marktbeherrschung EuGH Urt. v. 8. 6. 1971, Rs. 78/70, Slg., S. 487 – Deutsche Grammophon / Metro; EuGH, Urt. v. 21. 2. 1973, Rs. 6/72, Slg., S. 215 – Continental Can; EuGH, Urt. v. 5. 10. 1988, Rs. 247/86, Slg., S. 5987 – Alcatel. 183 Kling, Instrumentalisierung, S. 29 m.w. N.

III. Regelungen des Gemeinschaftsrechts

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d) Beihilferecht Kontrovers diskutiert wird in der Literatur 184, ob und inwieweit die Beihilfevorschriften des EG-Vertrages (Art. 87 ff. EGV) auf die öffentliche Auftragsvergabe Anwendung finden. Bevorzugungsregelungen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens können sowohl als Beihilfen als auch als Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. d. Art. 28 EGV verstanden werden 185. Nach Art. 87 Abs. 1 EGV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, grundsätzlich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen 186. Das Beihilfeverbot hat keine unmittelbare Wirkung 187. Seine volle rechtliche Wirkung entfaltet das Beihilfeverbot des Art. 87 Abs. 1 EGV in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten erst durch Konkretisierung 188. Bei der Gewährung einer Beihilfe werden einem Unternehmen Vorteile zugewendet, die sich als Vermehrung der Aktiv- oder als Verringerung der Passivposten darstellen 189. Dadurch wird die finanzielle Leistungsfähigkeit und somit die Position des Unternehmens im Wettbewerb verbessert, also seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt 190. Bei einer Auftragserteilung werden zwar von beiden Seiten Leistungen erbracht. Jedoch ist damit auch immer die Möglichkeit einer Gewinnerzielung und somit die Mehrung eines Aktivpostens des Unternehmens verbunden, was seinerseits die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steigern wird. Die Besonderheit bei der Erteilung eines öffentlichen Auftrags aufgrund von Bevorzugungsregelungen liegt darin, dass das betreffende Unternehmen bei der Ausschreibung – also im Rahmen eines konkreten Wettbewerbs – bevorzugt und so seine Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird. 184 Götz, Beschaffungsmärkte, S. 37 ff.; Krohn, Umweltschutz, S. 167 ff.; Bartosch, EuZW 2001, S. 229, 232; Wittig, Vergaberecht, S. 30, 56 f.; Jennert, NZBau 2003, S. 417, 418; ders., WRP 2003, S. 459, 460; Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 149 ff.; Prieß, Vergaberecht, S. 25 m.w. N.; Lipka, Beihilferecht, S. 141; Eilmannsberger, WuW 2004, S. 384, 385 f.; Fischer, H.-G., VergabeR 2004, S. 1, 5; Cremer, ZUR 2003, S. 261, 262 f.; Prieß, Vergaberecht, S. 25. 185 Vgl. unten Kapitel 4, II. a) ff). 186 Schäfer, Auftragswesen, S. 408 ff. 187 EuGH, Urt. v. 22. 3. 1977, Rs. 78/76, Slg., S. 595 – Steinike und Weinling / Bundesrepublik Deutschland; Streinz, Europarecht, S. 344, Rn. 16. 188 Streinz, Europarecht, S. 412, Rn. 1019. 189 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 147. 190 Ebenda.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

Der Begriff der Beihilfe wird im EGV nicht definiert. Der EuGH sieht Beihilfen als „Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, welche ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat“ 191. Merkmale einer Beihilfe sind der spezifische Vorteil und die fehlende Gegenleistung auf Seiten des Empfängers, ihre unmittelbare oder mittelbare Gewährung aus staatlichen Mitteln und die Freiwilligkeit der Gewährung 192. Beihilfen sind demnach alle Arten unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Förderung 193. Nicht erforderlich ist die Unentgeltlichkeit der Leistungsgewährung 194. Entscheidend ist vielmehr im Rahmen des Austauschverhältnisses, wie sie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vorliegt, die Marktgerechtigkeit der Gegenleistung 195. Weiter muss eine tatsächliche oder drohende innergemeinschaftliche Wettbewerbsverfälschung gegeben sein. Hierunter ist jede Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des Begünstigten im aktuellen oder potentiellen Wettbewerb zu verstehen 196. Zudem muss eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten vorliegen. Auch nur schwach wirkende Handelsbeeinträchtigungen können vom Verbot des Art. 87 Abs. 1 EGV nicht ausgenommen werden 197. Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags kann ein beihilferechtlich erhebliches Begünstigungselement enthalten, soweit sie unter Berücksichtigung aller Umstände ökonomisch nicht gerechtfertigt ist 198. Relevant wird diese Problematik insbesondere dann, wenn ein deutlich überhöhtes, wirtschaftlich nicht angemessenes Entgelt für eine Unternehmensleistung erbracht werden soll 199. Alle offenen Mehrpreisgewährungen des Staates an bestimmte bevorzugte Bewerber 191 EuGH, Urt. v. 23. 2. 1961, Rs. 30/59, Slg., S. 1, 50 – Steenkolenmijnen in Limhurg / Hohe Beborde; vgl. auch Flach, Rechtsbindungen, S. 149, der darlegt, dass der Begriff Beihilfen über den Begriff der Subvention (staatliche Zuwendungen in Form von Geld- und Sachleistungen) hinausgeht und jede staatliche Maßnahme erfasst, die bei dem begünstigten Unternehmen Belastungen vermindern, welche es sonst zu tragen hätte. 192 Streinz, Europarecht, S. 411, Rn. 1017. 193 Dies können Zuschüsse, Kreditbegünstigungen, Steuererleichterungen, Befreiung von Abgaben, Übernahme von Bürgschaften etc. sein. 194 Kling, Instrumentalisierung, S. 31. 195 Kayser, Regelungsspielräume, S. 81. 196 EuGH, Urt. v. 17. 9. 1980, Rs. 730/79, Slg., S. 2671, 2688 – Philip Morris. Weitere Voraussetzung nach der Kommission ist die Spürbarkeit der Wettbewerbsverfälschung. Einmalige Beihilfen mit einem Umfang bis 100.000 Euro gelten nach der Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission v. 15. 12. 2006 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf „De-minimis“-Beihilfen, ABl. Nr. L 379, S. 5 ff., generell als nicht spürbar. 197 Kling, Instrumentalisierung, S. 33 m.w. N. 198 Müller-Graff, ZHR 152 (1988), S. 404, 419; Götz, Beschaffungsmärkte, S. 36; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, Vor §§ 97 ff., Rn. 21; Boesen, Vergaberecht, § 97, Rn. 127. 199 Sterner, Rechtsbindungen, S. 45 m.w. N.; vgl. auch unten Kapitel 4, II. a) ff).

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sind insofern beihilferechtlich relevant. Der Zuschlag auf ein Angebot, das nicht zugleich das günstigste ist, kann demnach die Voraussetzungen einer Beihilfe erfüllen 200. Fraglich ist, ob darüber hinaus aus staatlichen Mitteln gespeiste Förderprogramme zugunsten einzelner Regionen oder Gruppen mit den Beihilfevorschriften in Konflikt geraten können 201. Da Beihilfen gleichzeitig Maßnahmen sind, die geeignet sind, Einfuhren zu behindern, stellt sich hier insbesondere die Frage nach dem Verhältnis der Art. 87 ff. EGV zu Art. 28 ff. EGV. Der EuGH hatte hierüber schon in seinen Entscheidungen „Du Pont de Nemours“ 202 sowie „Laboratori Bruneau“ 203 zu befinden, in denen es um nationale Präferenzregelungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe ging. Danach dürfe Art. 87 EGV keinesfalls dazu dienen, den Vorschriften des EG-Vertrages über den freien Warenverkehr ihre Wirkung zu nehmen. Generalanwalt Lenz 204 ging in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache „Du Pont de Nemours“ von einer parallelen Anwendung der Art. 28 EGV und Art. 87 EGV aus, da die Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich für eine Spezialität der Beihilfevorschriften gegenüber der Warenverkehrsfreiheit spreche, aber dennoch einzelne Bestandteile einer Beihilferegelung nach Art. 28 EGV beurteilte. Halte der EuGH Art. 28 EGV selbst dann für anwendbar, wenn die rechtliche Qualifizierung der Maßnahme als Beihilfe insgesamt unstreitig ist, so müsse dies um so mehr für den Fall gelten, in dem die Regelung gerade nicht eindeutig einer der beiden Kategorien zugeordnet werden kann 205. In der Literatur wird oft die Meinung vertreten, dass eine Maßnahme entweder nach den Beihilfevorschriften oder nach den Marktfreiheiten zu beurteilen sei; diese Autoren gehen also von einer alternativen Anwendung der Vorschriften aus 206. Andere hingegen nehmen grundsätzlich eine parallele Anwendung an 207. Nach der Rechtsprechung des EuGH 208 stehen die Vorschriften über die 200

Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 34 m.w. N. Sterner, Rechtsbindungen, S. 45 m.w. N. 202 EuGH, Urt. v. 20. 3. 1990, Rs. C-21/88, Slg., S. I-889, 922, Rn. 20 f. – Du Pont de Nemours. 203 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1991, Rs. C-351/88, Slg., S. I-3641, 3656 f., Rn. 7 – Laboratori Bruneau. 204 Schlussanträge GA Lenz v. 28. 11. 1989 zu EuGH, Urt. v. 20. 3. 1990, Rs. C-21/88, Slg., S. I-889, 905 – Du Pont de Nemours. 205 Schäfer, Auftragswesen, 409 m.w. N.; Schlussanträge GA Lenz, siehe vorherige Fn. 204. 206 Ehlers, JZ 1992, S. 199, 200; Cremer, EuR 1996, S. 225, 236 f.; Martin-Ehlers, WuW 1999, S. 685, 688; Sterner, Rechtsbindungen, S. 46 m.w. N.; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 149 ff. m.w. N.; Benedict, Sekundärzwecke, S. 216 geht von der Spezialität der Beihilfevorschriften aus. 207 Schäfer, Auftragswesen, 409 m.w. N.; Bartosch, EuZW 2001, S. 229, 230. 201

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Warenverkehrsfreiheit und die Beihilfevorschriften gleich geordnet nebeneinander und sind somit gegebenenfalls kumulativ anzuwenden. Dabei beruft sich der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung, nach der als Beihilfe zu qualifizierende Maßnahmen nicht vom Verbot des Art. 30 EGV ausgenommen seien 209. Bevorzugungsregelungen sind grundsätzlich auch als Beihilfen zu qualifizieren. Welche Konsequenzen sich daraus ergeben, soll an dieser Stelle noch nicht erörtert werden 210. e) Zwischenergebnis Vor dem Erlass der sekundärrechtlichen Normen zur Öffnung der europäischen Vergabemärkte boten die Grundfreiheiten einen Ansatzpunkt für die Rechtsprechung, Diskriminierungen zu unterbinden 211. Auch nach dem Inkrafttreten der Vergaberichtlinien sind die Grundfreiheiten zu beachten, da sie insbesondere auch in den Bereichen, in denen das europäische Vergaberechtsregime nicht gilt, Anwendung finden. Nach dem zweiten Erwägungsgrund der VKR zielt das sekundärrechtliche Vergaberecht auf eine effektive Verwirklichung der unternehmerischen Grundfreiheiten 212. Mithin sind die im Folgenden noch näher zu erörternden Vergaberichtlinien als Ausprägung der Grundfreiheiten zu begreifen 213. Sie wurden erlassen, um die Wirksamkeit der Grundfreiheiten und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb zu garantieren. Im Vordergrund des europäischen Rechts steht das Ziel, in einem formalisierten Verfahren möglichst allen potentiellen Bietern freien Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu gewähren und dadurch Wettbewerb herzustellen.

3. Europäische Grundrechte Die „Europäischen Grundrechte“ sind in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geregelt 214. Sie wurden erstmals in der Charta schriftlich niedergelegt und orientieren sich an der Europäischen Menschenrechtskonventi208

Zur Rechtsprechung siehe oben, Fn. 176; Sterner, Rechtsbindungen, S. 45. Hierzu sehr ausführlich Meyer, N., Zielsetzungen, S. 149 ff., die vielmehr eine Abkehr von der Rechtsprechung des EuGH in „Du Pont de Nemours“, vgl. bereits oben, Fn. 202, sieht und die neue Linie als nicht überzeugend beschreibt. 210 Vgl. dazu unten Kapitel 4, II. a) ff). 211 Prieß, Vergaberecht, S. 8. 212 Frenz, Europarecht, S. 526. 213 Vgl. sogleich unten, 4. 214 Informationen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Union Europäisches Parlament, Rat, Kommission – Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 209

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on. Allerdings sind sie noch nicht rechtlich bindend, da der Vertrag über eine Verfassung für Europa 215, der dies bewirken sollte, nicht in Kraft getreten ist 216. Sie werden aber vom Vertrag von Lissabon gestärkt 217. Die EU erhält somit einen Katalog von politischen, wirtschaftlichen, sozialen und Bürgerrechten, die nicht nur für die Union und ihre Institutionen, sondern auch für die Mitgliedstaaten bei der Anwendung und Umsetzung des Gemeinschaftsrechts bindend werden 218. Da diese Entwicklung gerade erst begonnen hat und die „europäischen Grundrechte“ noch im Fluss sind haben sie auch im Gegensatz zu den häufig herangezogenen Grundfreiheiten in der vergaberechtlichen Rechtsprechung des EuGH noch keine herausragende Rolle gespielt 219. Die Befassung mit den vergaberelevanten Grundrechten der Berufs- und Eigentumsfreiheit spielte sich bisher lediglich im nationalen Bereich ab.

4. Sekundäres Gemeinschaftsrecht a) Grundlagen Die EU verfügt nicht nur über einen primärrechtlichen Rechtsrahmen für das öffentliche Auftragswesen, der die nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten sehr stark beeinflusst, sondern auch über einen sekundärrechtlichen 220. So ist die öffentliche Hand bei der Vergabe von Aufträgen auch an sekundäres Gemeinschaftsrecht gebunden. Sekundäres Gemeinschaftsrecht sind insbesondere der EG-Rechtsetzungsgewalt entspringende Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen. Sekundärrecht wird zur Durchsetzung der primärrechtlichen Anforderungen geschaffen, so dass die primärrechtlichen Zielrichtungen ABl. EU C 303, S. 1 v. 14. 12. 2007; vgl. dazu Callies, EuZW 2001, S. 261 ff.; Tettinger, NJW 2001, S. 1010 ff.; Jarass, Grundrechte, S. 1 ff. 215 Vertrag über eine Verfassung für Europa v. 29. 10. 2004, ABl. Nr. C 310 v. 16. 12. 2004, S. 1 ff. 216 Siehe dazu unten Kapitel 4, I. c). 217 Vgl. Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. 12. 2007, ABl. Nr. C 306 v. 17. 12. 2007, S. 1, 156. 218 Für das Vereinigte Königreich und Polen gilt dies mit Einschränkungen, vgl. Protokoll über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich, in: Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet am 13. 12. 2007, ABl. C 306 v. 17. 12. 2007, S. 156 f.; vgl. auch Noch, Vergaberecht, S. 23. 219 Frenz, EuZW 2006, S. 748, 749 leitet auch aus den europäischen Grundrechten vergaberechtliche Grundsätze ab, die der EuGH zuvor schon aus den Grundfreiheiten abgeleitet hat, vgl. dazu oben, III. b). 220 Höpfl, WISO 2004, S. 105, 110.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

als Auslegungshilfe für das Sekundärrecht fungieren können 221. Zur Regelung der komplexen Materie Vergaberecht entschied sich der europäische Gesetzgeber für die Form der Richtlinie, da sie mit größerer Flexibilität auf die bestehenden, sehr unterschiedlichen Rechtstraditionen in den Vergaberechtsordnungen der verschiedenen Mitgliedstaaten Rücksicht nehmen könne 222. Die Vergaberichtlinien dienen der Ausgestaltung und Verwirklichung der eben dargelegten Grundfreiheiten 223. Dabei gehen sie mit ihren detaillierten Regelungen über die Vorgaben des EGV hinaus und erschöpfen sich nicht in einer bloßen Präzisierung der Grundfreiheiten 224. Bereits 1964 hat die Europäische Gemeinschaft begonnen, sukzessive Richtlinien zum Vergaberecht zu erlassen 225. Aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit kam es dann 1993 zu der Neuabfassung von EGRichtlinien, die von den Mitgliedstaaten bis zum 1. 7. 1994 umzusetzen waren 226. Für das öffentliche Auftragswesen ergingen insgesamt sechs Richtlinien. Von diesen waren vier materiellrechtlicher Natur 227 und hatten die Durchführung von Vergabeverfahren zum Gegenstand. Bei den verbleibenden zwei handelt es sich um die Rechtsmittelrichtlinie 228 und die Rechtsmittelsektorenrichtlinie 229, die einen Mindeststandard an effektivem Rechtsschutz festlegen. Die aktuelle Rechtslage schließlich wird durch zwei neue Vergaberichtlinien bestimmt, die die vier materiellrechtlichen Vergaberichtlinien ersetzen: Einerseits die Vergabekoordinierungsrichtlinie 230, die die vorherigen Richtlinien für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsrichtlinien zusammenfasst und ersetzt, und andererseits die Sektorenkoordinierungsrichtlinie 231, die an die Stelle der Sektorenrichtlinie tritt. Daneben gelten die Rechtsmittelrichtlinien 232. Alle genannten Richtlinien kommen erst ab Erreichen der in diesen festgesetzten Schwellenwerten zur Anwendung. Hierin liegt auch ein Unterschied zur Geltung des primären Gemeinschaftsrechts, die vom Erreichen der Schwellenwerte unabhängig ist. Die Umsetzungsfrist für die EU-Mitgliedstaaten endete am 30. 1. 2006.

221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232

Wittig, Vergaberecht, S. 17. Lipka, Beihilferecht, S. 29. Vgl. oben, III, 2.2. Kling, Istrumentalisierung, S. 40. Neßler-Boehme, DÖV 2000, S. 145, 146 m.w. N. Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärung, S. 95 m.w. N. Siehe oben, Einleitung, Fn. 7. Siehe oben, Fn. 84. Siehe oben, Fn. 84. Vgl. zur VKR oben, Einleitung, Fn. 10; vgl. auch im Einzelnen unten Kapitel 5, I. Vgl. zur SKR oben, Kapitel 1, Fn. 25. Vgl. oben, Fn. 84.

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b) Die früheren Vergaberichtlinien Die älteste der materiellen Richtlinien ist die Baukoordinierungsrichtlinie (BKR) 71/305/EWG aus dem Jahre 1971 233. Gegenstand der BKR sind öffentliche Bauaufträge. Sie legte Schwellenwerte für ihre Anwendung fest und regelte die subjektive Komponente des Vergaberechts durch die Gewährung von subjektiven Rechten für die Bieter. Zweck der Richtlinie war die Harmonisierung der unterschiedlichen Submissionsbedingungen der einzelnen Mitgliedstaaten, um hierdurch mehr Transparenz zu schaffen und Diskriminierungen ausländischer Wettbewerber zu beseitigen. Darüber hinaus wurde das Vergabeverfahren detailliert mit den einzelnen Pflichten der Auftraggeber geregelt, und es wurden einheitliche Begriffe und Definitionen normiert 234. 1977 wurde dann die Lieferkoordinierungsrichtlinie (LKR) 77/62/EWG 235 mit derselben Zwecksetzung erlassen. Die LKR gleicht in wesentlichen Punkten der BKR und ergänzt diese in einigen Bereichen. Ihr folgte im Jahre 1992 die letzte Ausbaustufe der Harmonisierungsbemühungen in Form der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie (DKR) 236, der eine Auffangfunktion zukam. Unter die DKR fallen all jene Aufträge, die weder einen Bau- noch einen Lieferauftrag darstellen. Seit ihrem Erlass wurden diese Richtlinien mehrfach, unter anderem zur Anpassung an das geänderte WTO-Abkommen der Uruguay-Runde modifiziert 237. Die früheren Vergaberichtlinien enthielten keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Verfolgung sozialpolitischer Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge 238. c) Die neue „klassische“ Vergabekoordinierungsrichtlinie Die VKR 239 ersetzt die früheren, oben angesprochenen BKR, LKR und DKR. Durch die zusammengefasste Form sollte das materielle Vergaberecht vereinfacht, verschlankt, modernisiert und flexibilisiert werden 240. Insbesondere neu 233

Vgl. zur BKR oben, Einleitung, Fn. 7. Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 56; Hopf, Vergabemanagement, S. 32. 235 Vgl. zur LKR ebenfalls oben, Einleitung, Fn. 7. 236 Vgl. zur DKR auch oben, Einleitung, Fn. 7. 237 Prieß, Vergaberecht, S. 56; vgl. zu den Änderungen Einleitung, Fn. 7. 238 Lediglich Art. 23 BKR, Art. 28 DKR und Art. 29 SKR a.F. sahen ein besonderes Vergabeverfahren für die Gesamtplanung und den Bau von Sozialwohnungen vor. Die Bestimmung ging auf die 70er Jahre zurück und hatte als alleiniges Ziel, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, Bauaufträge im sozialen Wohnungsbau an einen einzigen Auftragnehmer zu vergeben, der sowohl für die Planung als auch für den Bau zuständig wäre. Im Übrigen galten die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie vollständig. 239 Vgl. oben, Einleitung, Fn. 10. 240 Vgl. Erwägungsgründe 1, 12 der VKR. 234

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

geregelt werden die Schwellenwerte 241, die durch die Kommission gemäß Art. 78 VKR nach Überprüfung der Wertgrenzen alle zwei Jahre gegebenenfalls neu festgesetzt werden. Durch die elektronische Auftragsvergabe soll einerseits das Vergabeverfahren modernisiert und andererseits der Wettbewerb und die Effizienz des Beschaffungswesens erhöht werden 242. Besonders interessant für die folgende Untersuchung sind Art. 19, 26, und 53 der Richtlinie, die die Möglichkeit der Verfolgung sekundärer Zielsetzungen eröffnen 243. Hinzu kommen ein neues optionales Beschaffungsverfahren, der „wettbewerbliche Dialog“ gemäß Art. 29 VKR sowie das optionale „dynamische Beschaffungssystem“ nach Art. 33 VKR, die Regelung zu den Rahmenvereinbarungen gemäß Art. 32 VKR und das „zentrale Beschaffungssystem“ gemäß Art. 11 VKR. d) Die Sektorenrichtlinie Der Vollständigkeit halber sollen die frühere 244 und die neue 245 SKR hier kurz Erwähnung finden 246. Die speziellen Regelungen für den Sektorenbereich sollten der Besonderheit der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung 247 gerecht werden 248. Die SKR n.F. ersetzt die frühere Sektorenrichtlinie und dehnt den Anwendungsbereich auf Postdienste aus. Bei den mit der neuen SKR einhergehenden Änderungen handelt es sich im Wesentlichen 249 um solche, die auch in der VKR erfolgten, mit lediglich anderen „Hausnummern“. e) Rechtsmittelrichtlinien Die Vergaberichtlinien selbst enthalten keine spezifischen Vorschriften, mit denen sich die Einhaltung der Vergabeverfahren sicherstellen lässt 250. Deshalb 241

Diese wurden für alle Bereiche angehoben, vgl. Art. 7 VKR. Art. 42, 54 sowie Erwägungsgrund 12 der VKR. 243 Bei diesen Regelungen handelt es sich um für die einzelnen Mitgliedstaaten optionale Formulierungen, vgl. Keßler / Ölcüm, EWS 2004, S. 337, 341. 244 Vgl. zur SKR a.F. oben, Einleitung, Fn. 7. 245 Vgl. zur SKR n.F. oben, Kapitel 1, Fn. 25. 246 Im Folgenden wird insbesondere auf die Neuerungen, die die VKR bringt eingegangen. Das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe im Bereich der Sektoren ist durch eine Reihe von Sondervorschriften gekennzeichnet, da noch keine vollständige Deregulierung erreicht ist. Zudem hat die noch unten in Kapitel 3, V zu diskutierende EuGHRechtsprechung in erster Linie die klassischen Vergaberichtlinien zum Gegenstand. 247 Der Bereich der Telekommunikation ist hiervon inzwischen freigestellt, da infolge der Liberalisierung in den 90er Jahren Wettbewerb entstanden ist. 248 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 15. 249 Die VKR und SKR n.F. wurden als Legislativpaket erlassen. Unterschiede, u. a.: Die SKR n.F. regelt nicht den „wettbewerblichen Dialog“. 242

IV. Internationale Abkommen zum Vergaberecht

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wurden die Rechtsmittelrichtlinien 251 erlassen. Diese sollen auf europäischer Ebene gewährleisten, dass einem nicht berücksichtigten Bieter bei Missachtung der Verfahrensregeln oberhalb der Schwellenwerte 252 effektive Rechtsschutzmöglichkeiten in den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen 253. Darüber hinaus soll ein effektives Rechtsschutzverfahren die Gefährdung der Investitionssicherheit verhindern 254.

5. Verhältnis von Primär- und Sekundärrecht Fraglich ist, ob das primäre, das sekundäre Gemeinschaftsrecht oder beide nebeneinander gelten sollen, wenn ein Sachverhalt vorliegt, in dem beide Anwendung finden können 255. Der EuGH wendet grundsätzlich zuerst das Sekundärrecht an, sofern es existiert 256. Allerdings schließen sich Primär- und Sekundärrecht nicht gegenseitig aus, vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar 257. Hierfür spricht auch, dass das sekundäre Gemeinschaftsrecht konform mit den Bestimmungen des EG-Vertrages sein muss 258. Ist das Sekundärrecht mangels Erreichens der Schwellenwerte im Bereich der Vergaberichtlinien auf den konkreten Fall nicht anwendbar oder widerspricht das Sekundärrecht dem höherrangigen Primärrecht, dann findet ausschließlich Primärrecht Anwendung 259.

IV. Internationale Abkommen zum Vergaberecht Weitere Rechtsbindungen ergeben sich in Anbetracht dessen, dass Vergaberegeln heute auch zum globalen Wettbewerb gehören auf internationaler Ebene. Dabei wird dieses Vergaberecht völkerrechtlichen Ursprungs immer dann zu berücksichtigen sein, wenn Unternehmen aus Drittstaaten an einem Vergabeverfahren in der Gemeinschaft teilnehmen bzw. Waren oder Dienstleistungen aus 250

Götz, Beschaffungsmärkte, S. 12. Vgl. oben, Fn. 84. 252 Siehe oben Kapitel 1, III. 2. c); vgl. zum Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte Huber, JZ 2000, S. 877, 879. 253 Siehe dazu Ackermann, ZHR 164 (2000), S. 394, 398. 254 Antweiler, EuZW 2003, S. 330, 331. 255 Vgl. Götz, Beschaffungsmärkte, S. 40 ff. 256 Kling, Instrumentalisierung, S. 40 m.w. N. 257 Vgl. EuGH, Beschl. v. 13. 3. 1987, Rs. 45/87, Slg., S. 1369 – Dundalk; EuGH, Urt. v. 3. 6. 1992, Rs. C-360789, Slg., S. I-3401. 3417 ff. – Kommission / Italien; dazu: Hailbronner / Weber, EWS 1997, S. 73, 75. 258 Götz, Beschaffungsmärkte, S. 41 f. 259 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 41; Sterner, Rechtsbindungen, S. 59 f. 251

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

dritten Staaten Bestandteil eines Angebots sind oder wenn sich Unternehmen aus der Gemeinschaft in den Drittländern um Aufträge bewerben oder Waren und Dienstleistungen aus der Gemeinschaft Gegenstand eines Angebots in einem Drittland sind 260. Im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) wurde ein Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen abgeschlossen. Dies ist das so genannte GPA 261. Es ist ein internationales „plurilaterales“ Abkommen zwischen einzelnen Staaten der WTO, das für die Vertragsparteien ab bestimmten Schwellenwerten gilt 262. Durch diese Regelungen ist es aber nicht zu einer Rechtsvereinheitlichung gekommen, vielmehr werden lediglich Mindestanforderungen angegeben, um eine Liberalisierung und Ausweitung des Welthandels zu erreichen 263. Mit anderen Worten: Es sollten Handelshemmnisse abgebaut werden 264. Insofern spiegelt es auch einen globalen Trend zu geregelten Ausschreibungsverfahren wider. Das GATT 265 trat am 1. 1. 1948 in Kraft und wurde im Jahre 1994 in eine eigenständige internationale Organisation, die Welthandelsorganisation eingegliedert. Die Europäische Gemeinschaft ist dem GPA 1994 beigetreten 266. Inhaltlich gleichen die Regelungen im GPA stark den Vergaberichtlinien der EG, da die Kommission einen maßgeblichen Einfluss auf die Schaffung des neuen WTOVergaberechts ausgeübt hat 267. Dies spiegelt sich besonders in den Grundsätzen des GPA wider: Inländergleichbehandlung 268, Meistbegünstigung 269 sowie Dis260

Prieß, Vergaberecht, S. 31; Kunnert, WTO-Vergaberecht, S. 110. Agreement on Government Procurement. Zur Liberalisierung von öffentlichen Aufträgen wurde zunächst das Government Procurement Agreement, das GPA 1979 v. 12. 04. 1979 und im Rahmen der Uruguay-Runde zur Gründung der „World Trade Organization“ das GPA 1994 v. 23. 12. 1994 geschlossen = amtliche englische Fassung, in: ABl. EG 1994 Nr. L 336 v. 23. 12. 1994, S. 273; nichtamtliche deutsche Fassung, in ABl. EG Nr. C 256 v. 3. 9. 1996, S. 1, abgedruckt in: Schabel, Auftragsvergabe, Teil B 8, S. 1 ff.; vgl. auch Gramlich, RIW 1995, S. 793, 797; Schwarze, in: Schwarze, Wirtschaftsrecht, S. 13, 15. 262 Meyer, T. R., in: Schwarze, Wirtschaftsrecht, S. 47, 50; Herma, in: Stoye / Freitag / Benken / Herma / Köppen, Vergaberecht, S. 93, 99; Ziekow, VergabeR 2003, S. 1, 2; Herma, NuR 2002, S. 8, 9; Griem, NVwZ 1999, S. 1171, 1176. 263 Gleichner, in: Baudenbacher, Wirtschaftsrecht, S. 193. 264 Bungenberg, Vergaberecht, S. 29; Arrowsmith, PPLR 2002, S. 235, 236; Hopf, apf 2006, S. 225, 232. 265 General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen v. 30. 10. 1947 von 23 Vertragsparteien geschlossen, in der Fassung v. 1. 3. 1969, in: Benedek, Welthandelsorganisation, S. 64 ff.; vgl. Haase, Harmonisierung, S. 35, 36. 266 Beschluss des Rates v. 22. 12. 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986 –1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche, ABl. EG Nr. L 336, S. 1 v. 23. 12. 1994. 267 Gramlich, RIW 1995, S. 793, 799; Hailbronner / Weber, EWS 1997, S. 73, 82. 261

IV. Internationale Abkommen zum Vergaberecht

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kriminierungsverbot 270. Da die EU dem GPA beigetreten ist, fallen grundsätzlich alle öffentlichen Aufträge, die die Schwellenwerte der EU überschreiten, hierunter 271. Nicht unter das GPA fallen hingegen solche Aufträge, die nach § 100 Abs. 2 GWB nicht den EU-Vergaberichtlinien unterfallen. Das Nachfolgeabkommen des ursprünglichen Vertrags von 1979, das von elf weiteren Vertragsstaaten unterzeichnete plurilaterale Abkommen „Agreement on Government Procurement“ (GPA), ist am 1. 1. 1996 in Kraft getreten 272. Der Zuschlag ist auf das niedrigste bzw. vorteilhafteste Angebot zu erteilen 273. Beim GPA handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der nur von der Europäischen Gemeinschaft und nicht auch von deren einzelnen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde 274. Aus europäischer Sicht steht das GPA zwischen dem primären und dem sekundären Gemeinschaftsrecht. Mithin bleibt es beim Vorrang des Primärrechts gem. Art. 300 Abs. 5 und 6 EGV. Für die Mitgliedstaaten sowie für die Organe der Gemeinschaft ist das GPA gem. Art. 300 Abs. 7 EGV verbindlich 275. Insofern stellen die von der WTO gezogenen Grenzen für nationale Regierungen wichtige Vorgaben für das nationale bzw. sekundäre europäische Vergaberecht dar 276. Wegen des Vorrangs des GPA vor sekundärem Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht hatte die Gemeinschaft auch die Pflicht, die Vergaberichtlinien umzugestalten 277. 268 Vgl. Huelmann, Beschaffungswesen, S. 128: Danach sind die Parteien des Abkommens verpflichtet, alle Waren im Rahmen des GPA gleich zu behandeln, und müssen auch festlegen, dass im Geltungsbereich des GPA alle Vertragsparteien hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Betätigung die gleichen Rechte haben. 269 Die Meistbegünstigung beinhaltet das Gebot, dass die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates im jeweils anderen Staat mindestens genau so günstig wie die Angehörigen eines dritten Staates gestellt werden müssen. 270 Danach ist die unterschiedliche Behandlung gleicher Tatbestände verboten. Darüber hinaus soll die Chancengleichheit aller Bewerber um öffentliche Aufträge gesichert und eine Bevorzugung ortsansässiger Bieter aus politischen, privaten oder fiskalischen Gründen unter Missachtung globaler ökonomischer Zusammenhänge verhindert werden. 271 Vgl. Erwägungsgrund 7 VKR. 272 Das GPA wurde durch Beschluss des Rates v. 22. 12. 1994 im Namen der EG in Bezug auf die in ihre Zuständigkeit fallenden Bereiche genehmigt, ABl. EG Nr. L 336, S. 273 v. 23. 12. 1994. 273 Vgl. Art. XIII Abs. 4 lit. B GPA. 274 Siehe oben, Fn. 266. 275 Vgl. auch Prieß, Vergaberecht, S. 31. 276 Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 19. 277 Insofern besteht auch keine Notwendigkeit, solange die Vergaberichtlinien bzw. nationales Recht nicht zum Nachteil von Bewerbern und Bietern im Vergabeverfahren abweichen, vgl. Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 83; Fischer, RIW 2003, S. 247, 350.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

Dabei sieht das GPA auch die Unterteilung der Vergabekriterien in Eignungsund Zuschlagskriterien vor 278. Darüber hinaus können auch Auftragsausführungsbedingungen formuliert werden. Nach Gleichner können diese allerdings in keinem Fall „vergabefremde“ Kriterien einbeziehen, da damit die Regelungen zu den Eignungs- und Zuschlagskriterien umgangen werden würde 279. Soziale Belange oder politische Zielsetzungen 280 stellen bei Vergabeverfahren mit internationaler Beteiligung nach Gaedtke zunächst „handelsfremde“ Anliegen dar, die mit dem handelsbezogenen Anliegen einer möglichst umfassenden Wettbewerbsgleichheit von inländischen und ausländischen Anbietern kollidieren. Fraglich ist, ob handelsfremde Aspekte oder auch politische Zwecke nach dem GPA zulässig sind. Mehrere Staaten haben einige politische Zwecke vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen 281. In diesen festgelegten Fällen gelangt das Abkommen nicht zur Anwendung, solange faktische Diskriminierungen, die ausländische Bieter im Rahmen solcher Ausnahmen erfahren, außer Betracht bleiben 282. Hier hat das GPA mithin direkte Bedeutung für die Berücksichtigungsfähigkeit von politischen Belangen auf deutscher Ebene. Allerdings sind von diesen Regelungen gerade nicht die sozialen Belange erfasst. Wenn der Anwendungsbereich des GPA u. a. mit Erreichen der Schwellenwerte gegeben ist, gelten bestimmte Verbotstatbestände des GPA, die es zu beachten gilt 283. So könnte sich eine Unzulässigkeit zunächst aus den gemeinsamen Vorschriften über das Vergabeverfahren ergeben 284, die eine einheitliche Gestaltung der Verfahren vorsehen 285. Auch könnten das Diskriminierungsverbot 286 sowie die Regelungen die technischen Spezifikationen 287 betreffend potentielle Hindernisse bei der Verfolgung sozialer Belange darstellen. 278 Gleichner, in: Baudenbacher, Wirtschaftsrecht, S. 193, 202 ff.; Grolimund, WTO, S. 11, 12. 279 Gleichner, a.a. O., S. 218. 280 Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 17 ff. verwendet diesen Begriff und meint damit sehr umfassend alle „handelsfremden“ Anliegen. Diskutiert wird, ob eine „Sozialklausel“ in das WTO-Recht aufzunehmen ist, das betrifft insbesondere grundlegende Arbeitsstandards, vgl. dazu Bericht über das Grünbuch der Kommission – Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft (KOM (96) 0583 – C4 – 0000/97), A4 – 0309/97 v. 9. 10. 1997, Berichterstatter: Michael Tappin, S. 7, 22, 33. 281 Vgl. Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 110, der u. a. die USA anführt, die mittelständische Unternehmen, wenn sie von verschiedenen benachteiligten Minderheiten (small and minority business; businesses owned by minorities, disabled veterans and women) geführt werden, von dem GPA ausgeschlossen haben (Minderheitenförderung). Deutschland hat auch einen begünstigen Kreis, nämlich der vom letzten Weltkrieg betroffenen Personen festgelegt (Kriegsopferprivilegierung), Arrowsmith, WTO, S. 344 f. 282 Vgl. Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 110. 283 Gaedtke, a.a. O., S. 118. 284 Fischer, RIW 2003, S. 347, 348 f. 285 Vgl. Gaedtke, a.a. O., S. 118 m.w. N.

V. Die Regelungen des deutschen Rechts

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Die von der WTO gezogenen Grenzen für nationale Vorschriften stellen wichtige Vorgaben für das nationale bzw. europäische Vergaberecht dar 288. Insofern sind die EG-Vergaberichtlinien im Sinne des GPA auszulegen. Art. XXIII GPA räumt den Staaten sehr weitreichende Ausnahmen ein. Diese sind auslegungsbedürftig. Gaedtke 289 setzt sich sehr ausführlich mit der Konkretisierung der Möglichkeiten und Grenzen politischer Auftragsvergabe nach dem GPA auseinander und fordert dabei Mindeststandards durch die WTO vor allem für die Bereiche Umwelt, Menschenrechte und Arbeitnehmerschutz 290. Im Ergebnis hält er die Verfolgung politischer Zwecke im Vergabeverfahren in weitem Umfang für zulässig, solange die Verfahrensvorschriften eingehalten werden 291.

V. Die Regelungen des deutschen Rechts 1. Überblick Im deutschen Recht wird das öffentliche Auftragswesen vom Verfassungsrecht, von einfachen Gesetzen, Rechtsverordnungen und von Verwaltungsvorschriften geprägt. 286

Art. III GPA als Grundnorm, die einerseits das Gebot der Inländerbehandlung, andererseits das Gebot der Meistbegünstigung umfasst, vgl. Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 138 f. 287 Art. VI GPA. Bei den technischen Spezifikationen handelt es sich um technische Anforderungen, die an ein Produkt jenseits der Produktdefinition gestellt werden. Dies kann eine reiche Quelle für versteckte Diskriminierungen ausländischer Produkte darstellen, wenn sie so formuliert werden, dass sie genau auf den inländischen Bewerber „passen“, den ausländischen Bieter hingegen zu einer Umstellung der Produktion zwingen. 288 Anzumerken ist, dass die Einbeziehung sozialer Belange auch aus Sicht des Subventionsabkommens der WTO, Agreement on Subsidies and Countervailing Maesures (SCMA) eingeschränkt sein könnte, wenn die Einbeziehung als eine Beihilfe im Sinne des SCMA qualifiziert wird, hierzu sehr ausführlich Gleichner, in: Baudenbacher, Wirtschaftsrecht, S. 193, 219 ff.; vgl. dazu auch Ohloff, EuZW 2000, S. 645, 647. 289 Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 17 ff., S. 44, S. 162 ff. behandelt die Ausnahmen in Art. XXIII GPA und dabei auch die ohnehin für den Beschaffungsbereich der „nationalen Sicherheit“ bestehende Ausnahme des Art. XXIII Abs. 1 GPA sehr ausführlich. Unter anderem rechtfertigt er mit Art. XXIII Abs. 1 GPA auch die Zulässigkeit des Verlangens nach Scientology-Erklärungen in Deutschland, da das Gedankengut der ScientologyOrganisation als eine Gefährdung für den Rechtsstaat eingestuft wird. 290 Vgl. Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 174 ff.; vgl. zum Bereich ökologische Aspekte auch Grolimund, WTO, S. 15 ff. 291 Gaedtke, a.a. O., S. 208; so auch Ollmann, VergabeR 2008, S. 447, 452, der soziale Belange für möglich hält, solange diese diskriminierungsfrei ausgestaltet sind, so auch Arrowsmith, WTO-Procurement, S. 344; a. A. Kunnert, WTO-Vergaberecht, S. 275 f., allerdings ohne nähere Begründung.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

In erster Linie bezweckt das deutsche Vergaberecht die Befolgung des haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprinzips und die gleichmäßige und faire Behandlung aller Bieter 292. Traditionell war das deutsche Vergaberecht ein Teil des Haushaltsrechts und als solches in §§ 30 HGrG, 50 BHO und den verschiedenen Landeshaushaltsordnungen geregelt. Insofern hatte es den Zweck, eine wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel zu sichern. Durch die europäischen Regelungen im Bereich des Vergaberechts fand eine Entwicklung des deutschen Vergaberechts vom haushaltsrechtlichen Innenrecht zum (auch) bieterschützenden Außenrecht statt 293. Allerdings hat sich der deutsche Gesetzgeber weitgehend auf das gemeinschaftsrechtlich Geforderte beschränkt und die Umsetzung des Gemeinschaftsrechts nur bezüglich der Aufträge oberhalb der Schwellenwerte vorgenommen 294. Insofern besteht auch eine nicht unproblematische Zweiteilung 295 des deutschen Vergaberechts, die sich insbesondere in der Einschlägigkeit verschiedener Rechtsgrundlagen und unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten manifestiert. Die europarechtlichen Vorgaben konnten nur in einzelnen, langwierigen Etappen in deutsches Vergaberecht um- und damit durchgesetzt werden. Insofern ist für die Grenzen, die das Vergaberecht selbst der Berücksichtigung sozialer Belange bei der öffentlichen Beschaffung zieht, die Unterscheidung zwischen den Bereichen ober- und unterhalb der Schwellenwerte von zentraler Bedeutung. Oberhalb der Schwellenwerte liegt dem deutschen Vergaberecht regelungstechnisch das so genannte „Kaskadenprinzip“ mit einem dreistufigen Aufbau zugrunde 296. Auf der ersten Stufe befindet sich das GWB, auf der zweiten Stufe die Vergabeverordnung als Bindeglied 297 und schließlich auf der dritten Stufe die drei verschiedenen Verdingungsordnungen. Die frühere „haushaltsrechtliche Lösung“ 298 wurde nach langen Kontroversen von der aktuellen „kartellrechtlichen Lösung“ 299 ersetzt. Das noch immer bestehende „Kaskadensystem“ und 292

Ingenstau / Korbion, VOB, Einl., Rn. 38 f. Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 430; Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 138, Rn. 1; Byok, NJW 2001, S. 2295, 2299; Otting, NJW 2000, S. 484, 486; Hailbronner / Weber, EWS 1997, S. 73, 79 f. 294 Vgl. dazu oben Kapitel 1, III. 2. c). 295 Vgl. Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 139; Pietzcker, in: Schwarze, Wirtschaftsrecht, S. 66, 73. 296 Cremer, in: Prieß, Umbruch, S. 29, 32; Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 140; zum Kaskadenprinzip aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht vgl. Pietzcker, NZBau 2000, S. 64 ff. 297 Die Vergabeverordnung (VgV) ist das Bindeglied zwischen den gesetzlichen Regelungen über europaweit bekannt zu machende Vergabeverfahren und den einzelnen Verdingungsordnungen. Sie ist darüber hinaus das „Sammelbecken“ für alle bei der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben erforderlich gewordenen Nachbesserungen. 293

V. Die Regelungen des deutschen Rechts

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damit die Unübersichtlichkeit des deutschen Vergaberechts sollten mit der Reform zur Umsetzung der aktuellen Vergaberichtlinien ursprünglich abgeschafft werden. Allerdings wurde dies nach der Bildung der aktuellen Bundesregierung 2005 von dieser verworfen, um wohl auch eine Verspätung der Umsetzung zu verhindern 300. Ein großes, sämtliche Regelungen des öffentlichen Auftragswesens regelndes „Vergabegesetz“ ist bis heute nicht erlassen worden. Mithin befinden sich Regelungen zur öffentlichen Auftragsvergabe im Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), in der Bundeshaushaltsordnung (BHO) sowie in Landeshaushaltsordnungen (LHO) und schwerpunktmäßig in den Verdingungsordnungen (VOB / A 301; VOL / A 302, VOF 303), sowie für den Oberschwellenbereich zusätzlich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 97 –127 GWB), in der VgV sowie in einzelnen Vergabegesetzen der Länder.

2. Einzelheiten a) Grundgesetz Fraglich ist, inwiefern das Grundgesetz und hier insbesondere die Grundrechte bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu beachten sind. In Betracht kommen Art. 12 GG (Berufsfreiheit), Art. 14 GG (Eigentumsgarantie), die Gleichheitsge298 Die Bezeichnung haushaltsrechtliche Lösung rührt daher, dass der deutsche Gesetzgeber 1993 in das HGrG drei neue Regelungen (§§ 57 a – c) eingeführt hatte, mit denen er – entsprechend dem grundsätzlichen Charakter des Haushaltsrechts als Innenrecht – die Gewährung subjektiver Rechte ausschließen wollte, vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/4636 v. 25. 3. 1993, S. 12 unter A. e.E.: „Das Konzept hat zum Ziel, individuelle, einklagbare Rechtsansprüche der Bieter nicht entstehen zu lassen.“, vgl. auch Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 74, 139 ff.; Hermes, JZ 1997, S. 909, 911; Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 138; Bartl, Aufträge, S. 5, 7; Knauff, VergabeR 2008, S. 312, 313; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 435 f. 299 „Kartellrechtliche Lösung“ bezeichnet die Implementierung des Vergaberechts in das GWB durch das VgRÄG; Schenk, Vergaberecht, S. 187; Noch, Vergaberecht, S. 31; Schwarze, EuZW 2000, 133, 137; Breloer, Vergaberecht, S. 23; Thieme / Corell, DVBl. 1999, S. 884, 885 f. 300 Vgl. dazu unten Kapitel 5, II. 301 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen, Hinweise für die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB / A) Ausgabe 2006 in der Fassung der Bekanntmachung v. 20. 3. 2006, BAnz. Nr. 94a v. 8. 5. 2006, S. 9. 302 Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL / A) Ausgabe 2006 in der Fassung der Bekanntmachung v. 6. 4. 2006, BAnz. Nr. 100a v. 18. 5. 2006. 303 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in der Fassung v. 16. 3. 1006, BAnz. Nr. 91a v. 13. 5. 2006.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

bote des Art. 3 Abs. 1 und 3 GG, Art 2 Abs. 1 (Wirtschaftsfreiheit und Wettbewerb) sowie Art. 4 GG (Religionsfreiheit) und Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber bestimmte öffentliche Belange zu verwirklichen hat. So hat er nach Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG das Sozialstaatsprinzip und nach Art. 20a GG die Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen zu beachten sowie nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG die Gleichstellung der Geschlechter und nach Art. 109 Abs. 2 GG ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht anzustreben. Ein eventuell sich auftuendes Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Anforderungen ist nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen 304. Die Grundrechtsgeltung im öffentlichen Auftragswesen wird in der vergaberechtlichen Literatur relativ ausführlich behandelt 305 und ist umstritten 306. Eine eventuelle Grundrechtsbindung bzw. -verpflichtung des Staates bei privatrechtlichen Handlungen wird unter dem Schlagwort der „Fiskalgeltung der Grundrechte“ 307 diskutiert 308. Da der Streit in anderen Monographien bereits ausführlich erörtert wurde und die vorliegende Untersuchung andere Schwerpunkte setzen möchte, soll er nur in Grundzügen dargestellt werden. Zur Weimarer Zeit ging man noch allgemein von der inzwischen obsoleten traditionellen Fiskustheorie aus, nach der die fiskalische Verwaltung und mithin die öffentliche Auftragsvergabe im Wesentlichen frei von den Schranken der Grundrechte sei 309. Später wurde angenommen, dass der Staat dort, wo er privatrechtlich auftritt, nicht grundrechtsverpflichtet, sondern grundrechtsberechtigt sei 310. Allerdings liegt dieser Meinung die falsche Annahme zugrunde, dass der Staat „in seinen fiskalischen Rechtsverhältnissen nicht als Staat, sondern als Privater stände“ 311. In Anknüpfung an Art. 1 Abs. 3 GG, nach dem die vollziehende Gewalt an die „nachfolgenden“ Grundrechte des GG gebunden ist, setzte sich dann in den 50er Jahren die Ansicht durch, dass der Staat immer an die Grundrechte gebunden sei, unabhängig davon, in welcher Rechtsform er handele 312. Er könne deshalb auch niemals grundrechtsberechtigt sein 313. 304

Schäfer, Auftragswesen, S. 45. Vgl. Otting, StG 1996, S. 462, 464; Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 105 ff.; Wittig, Vergaberecht, S. 137 ff.; Kling, Instrumentalisierung, S. 42 m.w. N.; Götzke, Umweltrecht, S. 36 ff.; Cremer, in: Prieß, Umbruch, S. 29, 37. 306 Vgl. Rittner, Rechtsgrundlagen, S. 49; Hermes, JZ 1997, S. 909, 912 f.; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649, 652 m.w. N.; Hädicke, Normsetzung, S. 83, 86; Dreier, in. Dreier, Grundgesetz, Art. 1 III, Rn. 66 ff. 307 Löw, DÖV 1957, S. 879, 880. 308 Siehe oben Kapitel 2, II. vgl. auch Bogs, BB 1963, S. 1269, 1271. 309 Vgl. statt vieler: Kling, Instrumentalisierung, S. 45 f. 310 Bettermann, Gewerbefreiheit, S. 3 ff. 311 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 46 m.w. N. 305

V. Die Regelungen des deutschen Rechts

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Ebenfalls in den 50er Jahren kam die Meinung von der absoluten Drittwirkung der Grundrechte auf 314. Nach dieser sollten auch für private Einzelne und Gruppen die Grundrechte unmittelbar gelten. Die Vertreter dieser Auffassung wollten dies durch einen „Erst-Recht-Schluss“ für den Fiskus erreichen 315, so dass auch der öffentliche Auftraggeber, wenn er privatrechtlich aktiv wird, an diese gebunden wäre. Allerdings wird diese Lehre seit dem Lüth-Urteil, in welchem die Drittwirkung der Grundrechte über zivilrechtliche Generalklauseln bejaht wurde, nicht mehr vertreten 316. Emmerich möchte zum Problem der Grundrechtsbindung bei der öffentlichen Auftragsvergabe die Lösung im Privatrecht suchen, namentlich im Kartellrecht, nämlich in § 20 Abs. 1 GWB 317. Hierbei übersieht er, dass eine mögliche Anwendung des Kartellrechts den Geltungsvorrang des Grundgesetzes nicht beseitigen kann 318. Des Weiteren wird die These vertreten – quasi als Mittelweg zwischen den anderen Auffassungen – dass die fiskalische Tätigkeit des Staates den Bindungen der Grundrechte nur mittelbar unterliege 319. Danach wären die Grundsätze von der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte 320 anzuwenden. Allerdings vermag dies nicht zu überzeugen: Da der Fiskalbereich der Verwaltung zuzuordnen ist, gilt Art. 1 Abs. 3 GG auch dort 321. Die Rechtsprechung unterscheidet nach der unmittelbaren oder der mittelbaren Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung 322. So hat der BGH 323 in Fällen, in denen sich die öffentliche Hand zur unmittelbaren Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben privatrechtlicher Mittel bedient hatte, die Grundrechtsbindung bejaht 324. Dagegen hat er die Grundrechtsbindung für den Fall der öffentlichen Auftragsvergabe im Ergebnis

312 Löw, DÖV 1957, S. 879, 880; Maurer, Verwaltungsrecht, S. 41 f.; Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 82; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649, 653; Hermes, JZ 1997, S. 909, 912. 313 Noch, Rechtsschutz, S. 224; Huber, JZ 2000, S. 877, 878. 314 Nipperdey, DVBl. 1958, S. 445, 446. 315 Nipperdey, a.a. O., S. 446. 316 BVerfG, Urt. v. 15. 1. 1958, Az. 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, S. 198. 317 Emmerich, JuS 1979, S. 332, 334. 318 Kling, Instrumentalisierung, S. 53. 319 Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1, Rn. 501. 320 Nipperdey, DVBl. 1958, S. 445, 446. 321 Vgl. Kling, Instrumentalisierung S. 56 ff. m.w. N.; Maurer, Verwaltungsrecht, S. 45; Ziekow / Siegel, ZfBR 2004, S. 30, 35. 322 Vgl. zu dieser Unterscheidung auch Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 307. 323 BGH, Urt. v. 10. 12. 1958, Az. V ZR 70/57, BGHZ 29, S. 76 ff.; BGH, Urt. v. 23. 9. 1969, Az. VI ZR 19/68, BGHZ 52, S. 325 ff. 324 Fallgruppe der Daseinsvorsorge.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

verneint, da die Rechtsbeziehungen hier von vornherein einen privatrechtlichen Charakter trügen 325. Schließlich wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, dass der Staat auch dann an die Grundrechte gebunden sei, wenn er in Privatrechtsform auftritt. Dies wird damit begründet, dass es kein Reservat staatlichen Handelns bzw. Wirkens geben solle, das dem Geltungsbereich der Verfassung nicht untersteht 326. Nicht die Handlungsform des Staates sei entscheidend, sondern ob der Staat als Subjekt auftrete, da er mit der Deckung seines Sach- und Dienstleistungsbedarfs kein privates, sondern ein öffentliches Interesse verfolge 327. Diesem Verständnis ist der Vorzug zu geben, da das Grundgesetz nur verfasste Staatlichkeit kennt und rechtliche Bindungen des Staates unabhängig von der Einordnung des staatlichen Verhaltens als hoheitliche, verwaltungsprivatrechtliche oder fiskalische Tätigkeit bestehen 328. Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gilt, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist 329. Daraus ergibt sich, dass der öffentliche Auftraggeber verpflichtet ist, nur sachliche 330, auf die zu vergebende Leistung bezogene Kriterien zu verwenden 331. Dabei bleibt ihm ein gewisser Entscheidungsspielraum, den er ermessensfehlerfrei ausüben muss 332. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt also nur vor, wenn sich ein vernünftiger, sachbezogener Grund für die jeweilige Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Art. 3 Abs. 3 GG mit seinem Verboten von absoluten Differenzierungsmerkmalen ist im Privatrechtsverkehr der öffentlichen Hand und damit auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe uneingeschränkt anwendbar. Art. 3 Abs. 3 GG ist lex specialis gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG. Mithin darf auf Art. 3 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht nur dann zurückgegriffen werden, wenn keines der in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Unterscheidungsmerkmale finaler Ansatzpunkt für eine Bevorzugung oder Benachteiligung war 333. 325

BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, Az. KZR 1/61, BGHZ 36, S. 91 ff. Verfassungsgebundenheit sei die ratio essendi des vom Grundgesetz verfassten Staates, vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 64 m.w. N. 327 Noch, Rechtsschutz, S. 226. 328 Kling, Instrumentalisierung, S. 69. 329 Vgl. Ingenstau / Korbion, VOB / A, § 8 Nr. 1, Rn. 5 f. m.w. N. zur Rechtsprechung. 330 Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass auch der Sozialstaatsgedanke der Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG den erforderlichen Sachzusammenhang herstellt, vgl. dazu: Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 116, der das Sozialstaatsgebot zur Inhaltsbestimmung des Art. 3 GG heranzieht.; vgl. auch Kling, Instrumentalisierung, S. 73. 331 Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 172. 332 Furtwängler, Gleichheitssatz, S. 122 ff. 333 Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 77 m.w. N.; Pünder, VerwArch 95 (2004), S. 38, 43. 326

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Die einzelnen für das öffentliche Auftragswesen relevanten Grundrechte werden im Folgenden unter Schranken 334 erörtert. Unterhalb des Verfassungsrechts sind insbesondere haushalts-, wettbewerbs- und vergaberechtliche Vorgaben bedeutsam. Zu beachten ist allerdings die Subsidiarität der Grundrechte und der damit einhergehende Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzes. Das heißt, wenn und soweit eine Rechtsfrage durch Gesetz geregelt ist, muss der zu entscheidende Konfliktfall nach diesem Gesetz gelöst werden 335. Allerdings ist dieses Gesetz immer grundrechtskonform auszulegen 336. b) Das Haushaltsrecht Die verfassungs- und rechtsstaatlichen Bindungen des öffentlichen Auftraggebers erschöpfen sich nicht in der Anwendbarkeit der Grundrechte 337. Vielmehr ist jeder öffentliche Auftraggeber an das Haushaltsrecht gebunden 338. Besonders bedeutsam ist dies im Unterschwellenbereich der öffentlichen Auftragsvergabe, da hier die gesetzliche Grundlage des Vergaberechts nicht §§ 97 ff. GWB sind, sondern das Haushaltsrecht 339. Dabei umfasst der Begriff des Haushaltsrechts aus Art. 109 Abs. 3 GG die Gesamtheit der Rechtsregeln, die sich auf die Haushaltswirtschaft einer Wirtschaftseinheit der öffentlichen Hand beziehen 340. Regelungen das Haushaltsrecht betreffend finden sich im Grundgesetz (Art. 104a ff. GG), im Haushaltsgrundsätzegesetz 341, im Stabilitätsgesetz 342 und in den Haushaltsordnungen von Bund, Ländern und Gemeinden 343. Einschlägige Regeln die öffentliche Ausschreibung betreffend sind in § 30 HGrG, in den §§ 55 ff. BHO 344 und in den Landeshaushaltsordnungen sowie in den Haushaltsordnungen von sonstigen öffentlich-rechlichen Körperschaften einschließlich der kommunalen 334

Vgl. Kapitel 4, II. Ossenbühl, DÖV 1971, S. 521, 523. 336 Ossenbühl, a.a. O., S. 523. 337 Vgl. auch Kling, Instrumentalisierung, S. 91 ff. 338 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, Vor 97 ff., Rn. 107 ff. 339 Siehe bereits oben Kapitel 1, III. 2. c). 340 Kling, Instrumentalisierung, S. 92 m.w. N. 341 Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder (HGrG) v. 19. 8. 1969, BGBl. I, S. 1273, zuletzt geändert durch Art. 123 der Verordnung v. 31. 10. 2006, BGBl. I, S. 2407. 342 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) v. 8. 6. 1967, BGBl. I, S. 582, zuletzt geändert durch Art. 135 der Verordnung v. 31. 10. 2006, BGBl. I, S. 2407. 343 Vgl. die Übersichten bei Hopf, apf 2008, S. 1, 11 f. 344 Bundeshaushaltsordnung (BHO) v. 19. 8. 1969, BGBl. I, S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes v. 13. 12. 2007, BGBl. I, S. 2897. 335

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Haushaltsordnungen der Länder enthalten. Zu beachten sind auch die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts gemäß § 1 S. 1 StabG, § 2 S. 3 HGrG / BHO 345. Besonders wichtig im Rahmen der Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Belange sind die Gebote der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, an die alle öffentlichen Auftraggeber gemäß § 6 HGrG, § 7 Abs. 1 BHO gebunden sind. In den Bundesländern sind dem § 7 Abs. 1 BHO entsprechende Regelungen eingeführt worden 346. Realisiert werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Bereich der öffentlichen Beschaffung durch rechtlich strukturierte Vergabeverfahren. Mit der Verankerung der Regelungen in §§ 57 a-c HGrG a.F. hatte der Bundesgesetzgeber zunächst den Willen dokumentiert, die haushaltsrechtliche Tradition jedenfalls teilweise fortzusetzen 347. Hiervon hat er sich später durch die Umsetzungen in §§ 97 ff. GWB aber distanziert 348. Regelmäßig muss der Vergabe von Aufträgen über Lieferungen und Leistungen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. c) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Der haushaltsrechtliche Charakter des Rechts der öffentlichen Auftragsvergabe ist seit Ende der 80er Jahre durch den Erlass von diversen Richtlinien durch die Europäische Gemeinschaft also zunehmend modifiziert worden 349. Der deutsche Gesetzgeber hat die gebotene Anpassung durch das VgRÄG 350 von 1998 345 Dieser Verpflichtung kommt die öffentliche Hand u. a. durch ein gemessen an der Konjunktur antizyklisches Verhalten nach, vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 93 m.w. N. 346 Vgl. beispielhaft: § 31 Thüringer Landeshaushaltsordnung v. 19. 9. 2000, GVBl. 2000, S. 282 ff. zuletzt geändert durch Art. 5 des Thüringer Haushaltsbegleitgesetzes 2008/2009 v. 20. 12. 2007; § 31 Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) Baden-Württemberg v. 7. 2. 1973, GBl. v. 10. 2. 2001, S. 466 ff.; § 25a Abs. 1 GemHVO Brandenburg v. 26. 6. 2002, GVBl. 2002, S. I-154; § 30 Hessische GemHVO v. 13. 7. 1974, GVBl. 1974, S. I-275, § 25 GemHVO Nordrhein-Westfalen v. 16. 11. 2004, GVBl. 2004 NRW Nr. 41, S. 644, § 22 GemHVO Rheinland-Pfalz v. 18. 5. 2006, GVBl. 2006, S. 203 ff. Diese einheitlichen Grundsätze sind in der Regel auch in den Basisparagraphen der VOB / A und der VOL / A niedergelegt. 347 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 437. 348 Dieser Entscheidung gingen mehrere Vertragsverletzungsverfahren der EG-Kommission voraus, in denen sie sich darauf stütze, dass das deutsche Recht dem sich benachteiligt fühlenden Unternehmen keine Möglichkeit gewährte, die ihm nach den EGRichtlinien zustehenden Rechte vor Gericht geltend zu machen. Diese Meinung stütze auch der EuGH, Urt. v. 11. 8. 1995, Rs. C-433/93, Slg. 1995, S. I-2303 ff. – Kommission / Deutschland, vgl. Jasper / Marx, in: Vergaberecht, Einführung, S. XV. 349 Vgl. zu den Vergaberichtlinien oben, Einleitung, Fn. 7, 10, Kapitel 1, Fn. 25, Kapitel 2, Fn. 84. 350 Siehe oben, Fn. 23.

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vorgenommen, welches die EG-Richtlinien im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 351 umgesetzt hat. Diese „kartellrechtliche Lösung“ sollte auch den Zweck der Öffnung für Wettbewerb verdeutlichen. Dabei wird die Zweiteilung des deutschen Vergaberechts besonders relevant, wenn es um das Rechtsschutzsystem, aber auch, wenn es um die Berücksichtigung sozialer Belange geht. Das Kartellvergaberecht findet unterhalb der Schwellenwerte keine Anwendung 352. Mithin ist das GWB für den Unterschwellenbereich der öffentlichen Aufträge irrelevant. Vielmehr ist gesetzliche Grundlage für die Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte das Haushaltsrecht, Verwaltungsvorschriften und insbesondere die Basisparagraphen der Verdingungsordnungen 353. Das GWB normiert in §§ 97 –129 das „Kartellvergaberecht“ und geht dabei davon aus, dass Aufträge im Wege des Wettbewerbs in transparenten Verfahren unter Beachtung des Diskriminierungsverbots zu vergeben sind. §§ 97 – 101 GWB enthalten die materiellen Regelungen 354, §§ 102 –129 GWB die formellen Regelungen des Vergaberechts. Dabei finden sich die wesentlichen Grundsätze des materiellen Vergaberechts im § 97 GWB. Dort sind in Abs. 1 das Wettbewerbsprinzip und das Transparenzprinzip, in Abs. 2 der Gleichbehandlungsgrundsatz, in Abs. 3 der Mittelstandsschutz, in Abs. 4 der Grundsatz, dass Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben werden und weitergehende Kriterien eines formellen Gesetzes bedürfen, in Abs. 5 das Prinzip, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgt, und in Abs. 7 der Anspruch der Bieter auf Einhaltung der Vergabevorschriften aufgeführt 355. d) Vergabeverordnung Gemäß § 127 Abs. 1 GWB hat die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates die Vergabeverordnung 356 erlassen. Diese trat am 01. 02. 2001, also zwei Jahre nach den §§ 97 –129 GWB, erstmalig in Kraft und wurde seitdem mehrfach geändert 357. Die Vergabeverordnung trifft gem. § 1 VgV nähere Bestim351

Siehe oben, Fn. 24. Pietzcker, in: Schwarze, Wirtschaftsrecht, S. 61 ff. 353 Daneben müssen aber auch die EG-Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot sowie das Transparenzgebot aus europarechtlicher Sicht beachtet werden, vgl. dazu oben Kapitel 2, III., 2. 354 Die hier zwar nicht erstmalig und neu geregelt sind, aber durch die Regelung im GWB eine Aufwertung zu Gesetzesrang erfahren. 355 Zu den Grundprinzipien sogleich unten, VI. 356 Vergabeverordnung (VgV) zuletzt geändert durch Dritte Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung v. 23. 10. 2006, BGBl. I, S. 2334. 357 Leinemann, Vergabe, S. 1. 352

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

mungen über das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhaltende Verfahren sowie die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Durchführung von Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge, deren geschätzte Auftragswerte die europäischen Schwellenwerte 358 erreichen oder übersteigen. Mithin ist auch das VgV im Unterschwellenbereich nicht anwendbar. Darüber hinaus verweist die VgV in §§ 4 – 7 auf die jeweiligen Verdingungsordnungen und ermöglicht so die Verknüpfung des GWB mit diesen. e) Die Verdingungsordnungen Das Regelungsprinzip der Verdingungsordnungen geht sehr weit zurück 359. Es wurde in der Weimarer Zeit geschaffen und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes fortgeführt 360. Die vom Reichsverdingungsausschuss aufgestellten Verdingungsordnungen wurden als Dienstvorschriften eingeführt 361. Der Erlasscharakter 362 der Verdingungsordnungen war der Grund dafür, dass die Rechtsordnung ihnen nicht den Charakter von Rechtsnormen zuerkannte, sondern sie lediglich als Verwaltungsvorschriften galten. Das schon erwähnte Kaskadenprinzip 363 sieht vor, dass das GWB den gesetzlichen Rahmen setzt und die Einzelheiten in den Verdingungsordnungen geregelt werden. Dabei inkorporiert das VgV die Verdingungsordnungen, so dass diese insoweit – oberhalb der Schwellenwerte – die Rechtsqualität von Bundesrechtsverordnungen erlangen 364. Die Verdingungsordnungen gelten sowohl ober- als auch unterhalb der Schwellenwerte. Die Rechtsauffassung, wonach Verdingungsordnungen 365 keine Rechtsnormen, sondern lediglich Verwaltungsvorschriften sind, wirkt heute unterhalb der europäischen Schwellenwerte im Bereich nationaler Vergaben fort 366. In der Regel sind die „Basisparaphen“ der Verdingungsordnungen unterhalb der Schwellenwerte aufgrund innerdienstlicher Weisungen in Form von Runderlassen, anzuwenden, wobei der Umfang der Anwendungspflichten landesrechtlich sehr unterschiedlich geregelt 358

Vgl. § 2 der VgV. Siehe hierzu auch oben, I. 360 Näheres zur Entwicklung der Verdingungsordnungen in: Ingenstau / Korbion, VOB, Einl., Rn. 1 ff. 361 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 13 m.w. N. 362 D. h. es mangelt den Verdingungsordnungen an der Einhaltung des für die Entstehung von Gesetzen vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahrens. 363 Siehe oben, V, 1. 364 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 481. 365 Dies bezieht sich auf die Basisparagraphen der VOL / A und VOB / A. 366 Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 141. Folglich ist das die Vergabegrundsätze regelnde Ministerium – in den Grenzen des primären Gemeinschaftsrechts und des Verfassungsrechts – darin frei, Abweichungen von den Vorgaben dieser Verwaltungsvorschriften zu gestatten. 359

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ist. Die Bindung ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgestaltet 367. Hingegen findet – wie oben dargelegt 368 – oberhalb der Schwellenwerte der vierte Teil des GWB Anwendung mit der Folge, dass die Verdingungsordnungen im Umfang der Verweisungen in § 97 Abs. 6 GWB und in der Vergabeverordnung (§§ 4 ff. VgV) Rechtsnormcharakter erhalten 369. Dabei ist rechtstechnisch zu beachten, dass die Basisparagraphen alle Vergaben, also ober- und unterhalb der Schwellenwerte, betreffen. Die a- und b-Paragraphen finden zusätzlich Anwendung, wenn es sich um Vergaben oberhalb der Schwellenwerte handelt. Dieses so genannte „Schubladenprinzip“ wurde erstmalig durch die VOL-Fassung 1984 eingeführt 370. In den Verdingungsordnungen finden sich die detaillierten Einzelvorschriften zu verschiedenen Vergabearten, den Vergabegrundsätzen 371, den Vergabeunterlagen, den Leistungsbeschreibungen, den Teilnahmebedingungen, der Angebotsprüfung, den Zuschlags- und Bindefristen usw. So könnten die Verdingungsordnungen auch als „Kernstücke“ des Vergaberechts bezeichnet werden 372. In den Verdingungsordnungen VOB / A, VOL / A und VOF sind die Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens geregelt. Die Bestimmungen der Teile A der Verdingungsordnungen werden ergänzt durch „Vergabehandbücher“ des Bundes und teilweise auch der Länder. Diese Vergabehandbücher enthalten Kommentierungen zu einzelnen Bestimmungen der Verdingungsordnungen sowie Formblätter zu den einzelnen Verfahrensschritten. Dabei handelt es sich lediglich um „Verwaltungsrichtlinien“, die keine Außenwirkung entfalten und mithin keine subjektiven Rechte begründen. f) Weitere Bundesgesetze aa) Arbeitsförderung Gemäß dem aufgehobenen § 279a SGB III konnten öffentliche Träger bis zum 31. 12. 2007 durch einen angemessenen Zuschuss zu den Kosten von Arbeiten zur Verbesserung der Infrastruktur unter Vorliegen bestimmter Bedingungen vom „Arbeitsamt“ gefördert werden, wenn der Träger mit der Durchführung der Arbeiten ein Wirtschaftsunternehmen beauftragt, das sich verpflichtet, für 367

Dazu sehr ausführlich Ziekow, Beschaffungswesen, S. 51 ff. Siehe oben, V, 2. c). 369 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 13; Fante, Instrumentalisierung, S. 239. 370 Vgl. Fante, a.a. O., S. 372. 371 Vgl. Wettbewerbsprinzip in § 2 Nr. 1 S. 2 VOB / A, § 2 Nr. 1 Abs. 1 VOL / A; Gebot der diskriminierungsfreien Vergabe in § 2 Nr. 2 VOB / A, § 2 Nr. 1 VOL / A; Gebot wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen, als Ausdruck des Transparenzprinzips in § 2 Nr. 1 S. 3 VOB / A, § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL / A; Gleichbehandlungsgrundsatz in § 8 Nr. 1 VOB / A, § 7 Nr. 1 Abs. 1 VOL / A; vgl. auch unten, VI. 372 Lipka, Beihilferecht, S. 40 m.w. N. 368

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eine zwischen dem Arbeitsamt und dem Träger festgelegte Zeit eine bestimmte Zahl von Arbeitslosen zu beschäftigen, die diesem vom Arbeitsamt zugewiesen werden. Dabei musste das Wirtschaftsunternehmen die Arbeitnehmer weit überwiegend zur Erledigung der geförderten Arbeiten einsetzen, der Anteil der zugewiesenen Arbeitslosen durfte 35% der voraussichtlich Beschäftigten nicht übersteigen und der Träger musste die Mittel zur Förderung bei der Auftragsvergabe zusätzlich zu den sonst eingesetzten Mitteln verwenden. Der Träger, also der öffentliche Auftraggeber, war verpflichtet, die bei der Beauftragung des Wirtschaftsunternehmens jeweils geltenden Bestimmungen des Vergaberechts zu beachten. Eine vergleichbare Regelung besteht aktuell, soweit ersichtlich, nicht. bb) Werkstätten für Behinderte Ebenfalls bei der Vergabe zu berücksichtigen ist die Regelung des § 141 SGB IX 373. Danach sind Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen 374 ausgeführt werden können, bevorzugt diesen Werkstätten anzubieten. Dabei meint der Wortlaut „angeboten“ auch die bevorzugte Auftragserteilung, da sonst eine solche Regelung sinnlos wäre 375. Mit der Zustimmung des Bundesrates erlässt die Bundesregierung allgemeine Verwaltungsvorschriften 376. g) Rechtliche Bestimmungen der Länder Vergaberechtliche Regelungen können auch in Landesgesetzen enthalten sein. Sechs Landesvergabegesetze enthielten teilweise Tariftreueerklärungen 377. Das Land Nordrhein-Westfalen sowie Sachsen-Anhalt haben die Tariftreueerklärungen noch vor dem Urteil des EuGH in der Rechtssache „Rüffert“ aufgehoben 378. Das Land Schleswig-Holstein 379 hat als einziges ein so genanntes Tariftreuegesetz 380. Neben den Landesvergabegesetzen gibt es aber noch andere Gesetze bzw. Verordnungen, die Regelungen zum öffentlichen Auftragswesen treffen. 373

Früherer § 56 SchwbG; vgl. auch unten Kapitel 3, IV. 4. c). Gemäß § 142 S. 3, 4 SGB IX führt die Bundesagentur für Arbeit ein Verzeichnis der anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen. 375 Vgl. auch Schäfer, Auftragsvergabe, S. 66. 376 Siehe unten Kapitel 3, IV. 4. c); Richtlinie v. 10. 05. 2001, BAnz. 2001, Nr. 109, S. 1773, die nach § 159 Abs. 4 SGB IX bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 141 S. 2 SGB IX weiter anzuwenden ist. 377 Siehe hierzu im Detail Kapitel 3, IV. 2. b). 378 Siehe zu dieser Rechtsprechung unten Kapitel 3, V. 5. 379 § 3 Tariftreuegesetz Schleswig-Holstein v. 7. 3. 2003, GVOBl. 2003, S. 136, Geltungsbeginn 21. 12. 2007 und Geltungsende 31. 12. 2010. Ein vorgezogenes Außer-KraftSetzen aufgrund von „Rüffert“ ist nicht ersichtlich. 374

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Festzuhalten ist weiter, dass alle Bundesländer zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst Gleichstellungsgesetze bzw. Frauenförderverordnungen erlassen haben 381. Einige dieser Vorschriften enthalten eine vergaberechtliche Regelung, so dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in einigen Ländern auch diese Landesgleichstellungsgesetze zu berücksichtigen sind 382. Vergaberechtlich relevant sind auf Landesebene auch Mittelstandsförderungsgesetze, denen es um die Beteiligung mittelständischer Unternehmen an öffentlichen Aufträgen geht 383.

3. Zwischenergebnis Das Kaskadensystem des deutschen Vergaberechts und die Zweiteilung in Bereiche unter- und oberhalb der europäischen Schwellenwerte sind normtechnisch kein Glanzstück 384. Der Anwender muss sich zunächst klar darüber werden, ob der zu vergebende Auftrag unterhalb oder oberhalb der Schwellenwerte liegt. Anschließend muss in einem nächsten Schritt im Falle von Aufträgen ober380 Vgl. zu der Problematik „Tariftreue“, dem EuGH Urteil „Rüffert“ und der damit einhergehenden Aussetzung einiger Landesgesetze sowie bzgl. der Tariftreue im Einzelnen unten Kapitel 3, IV, 3 und V, 5. 381 So: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. 382 Dazu siehe unten Kapitel 3, IV. 4. b). 383 Vgl. dazu unten Kapitel 3, IV. 2. e); § 22 Gesetz zur Mittelstandsförderung BW v. 19. 12. 2000, GBl. 2000, S. 745; § 12 Mittelstandsförderungsgesetz Bayern v. 8. 10. 1974 zuletzt geändert Art. 8 Gesetz über Zuständigkeiten zum Vollzug wirtschaftsrechtlicher Vorschriften v. 12. 7. 1986, GVBl. 1986, S. 126; § 5 Brandenburgisches Mittelstandsförderungsgesetz v. 8. 5. 1992, BbgGVBl. 1992, S. I-166 zuletzt geändert durch Gesetz v. 24. 5. 2004, BbgGVBl. 2004, S. 194; Mittelstandsförderungsgesetz Hamburg v. 2. 3. 1977, HmbGVBl. 1977, S. 55 zuletzt geändert durch Gesetz v. 21. 2. 2006, HmbGVBl. 2006, S. 59; § 6 des Gesetzes zur Förderung der kleinen und mittleren Unternehmen des hessischen Wirtschaft v. 23. 9. 1974, GVBl. 1974, S. I-458 zuletzt geändert durch Gesetz v. 16. 6. 2005, GVBl. 2005, S. I-426; § 15 Mittelstandsförderungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern v. 14. 12. 1993, GVOBl. 1994, S. 3; § 14 Gesetz zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen v. 30. 4. 1978, Nds. GVBl. 1978, S. 377 zuletzt geändert durch Gesetz v. 20. 11. 2001, Nds. GVBl. 2001, S. 701; § 21 Mittelstandsgesetz NRW v. 8. 7. 2003, GVBl. 2003, S. 421; § 18 Mittelstandsförderungsgesetz RheinlandPfalz v. 3. 2. 1978, RPGVBl. 1978, S. 103 zuletzt geändert durch Gesetz v. 24. 5. 1982, RPGVBl 1982, S. 129; § 17 Mittelstandsförderungsgesetz Saaland v. 21. 7. 1976, SaarABl. 1976, S. 841 zuletzt geändert durch Gesetz v. 15. 2. 2006, SaarABl. 2006, S. 474; § 14 Mittelstandsförderungs- und -vergabegesetz Schleswig-Holstein v. 17. 9. 2003, GVOBl. 2003, S. 43 zuletzt geändert durch Gesetz v. 15. 5. 2004, GVOBl. 2004, S. 142; § 13 Mittelstandsförderungsgesetz Thüringen v. 17. 12. 1992, ThGVBl. 1991, S. 391 zuletzt geändert durch Gesetz v. 23. 12. 2005, ThGVBl. 2005, S. 446. 384 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 437.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

halb der Schwellenwerte ermittelt werden, welcher Teil der Verdingungsordnung einschlägig ist. Mithin bleibt festzuhalten, dass für Vergaben ober- und unterhalb der Schwellenwerte des Art. 7 VKR, § 2 VgV grundsätzlich verschiedene Rechtsregime gelten: Ab Erreichen der Schwellenwerte die VKR bzw. die diese umsetzenden deutschen Regelungen der §§ 97 ff. GWB, der VgV und der Verdingungsordnungen, unterhalb der Schwellenwerte dagegen das Haushaltsrecht und die Basisparagraphen der Verdingungsordnungen. Allerdings werden durch das primäre Gemeinschaftsrecht und das Verfassungsrecht für alle Vergaben einheitlich geltende Maßstäbe gesetzt.

VI. Österreich In Österreich ist das öffentliche Auftragswesen einheitlich im Bundesvergabegesetz 2006 385 geregelt. Dabei ist besonders § 19 Abs. 6 BVergG hervorzuheben. Danach kann im Vergabeverfahren auf die Beschäftigung von Frauen, von Personen im Ausbildungsverhältnis, von Langzeitarbeitslosen, von Menschen mit Behinderung und älteren Arbeitnehmern sowie auf Maßnahmen zur Umsetzung sonstiger sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden 386. Dies kann insbesondere durch die Berücksichtigung derartiger Aspekte bei der Beschreibung der Leistung, bei der Festlegung der technischen Spezifikationen, durch Festlegung konkreter Zuschlagskriterien oder durch die Festlegung von Bedingungen im Leistungsvertrag 387 erfolgen. Hier hat der österreichische Gesetzgeber die Möglichkeiten, die die VKR für die Einbeziehung sozialer Belange eröffnet, in vollem Umfang umgesetzt. Mithin besteht hierin eine gesetzliche Grundlage für die Berücksichtigung sozialer Belange, so wie sie auch in den VKR der EU den einzelnen Mitgliedstaaten ermöglicht wird. Darüber hinaus sieht das BVergG in § 84 vor, dass bei allen in Österreich durchzuführenden Vergabeverfahren in Österreich geltende arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen sowie ILOKernarbeitsnormen zu beachten sind.

385 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen – Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) v. 31. 01. 2006, BGBl. I, S. 1 ff. 386 Freise, NZBau, 2004, 83, 86. 387 Siehe hierzu die Regelung § 99 Abs. 1 Nr. 13 BVergG; vgl. auch Schnabl, in: Eisenberger, Gleichstellung, S. 454, 471 f.

VII. Grundprinzipien des Vergabeverfahrens

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VII. Grundprinzipien des Vergabeverfahrens 1. Grundlagen Wie oben ausgeführt gelten in Abhängigkeit davon, ob die Auftragssumme ober- oder unterhalb der Schwellenwerte liegt, unterschiedliche Bestimmungen 388. Aus dem Binnenmarktkonzept lassen sich jedoch zentrale Prinzipien 389 für die Vergaberichtlinien ableiten, die auch für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte gelten. Das Vergaberecht stellt klare Anforderungen an das Vergabeverfahren und die Vergabeentscheidung 390. Diese Anforderungen sind die Grundprinzipien, die jeder Vergabeentscheidung zu Grunde liegen müssen. Die praktische Bedeutung der Grundsätze liegt insbesondere in der Schließung etwaiger Regelungslücken 391. Dabei gilt es auch hier zu beachten, dass die Anwendbarkeit der allgemeinen Vergabegrundsätze aus § 97 GWB, die Anwendbarkeit der kartellvergaberechtlichen Vorschriften und somit einen Vergabesachverhalt oberhalb der Schwellenwerte voraussetzt. Allerdings finden sie sich überwiegend auch in den Basisparagraphen der Verdingungsordnungen in abgeschwächter Form wieder 392.

2. Einzelheiten a) Wettbewerbsprinzip Eines der wesentlichen Prinzipien des Vergaberechts, das in jeder Phase 393 des Vergabeverfahrens zu beachten ist, ist das Wettbewerbsprinzip 394. Normiert 395 ist es in § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOB / A, § 2 Nr. 1 VOL / A, § 4 Abs. 1 VOF 396. Danach werden Waren-, Bau- und Dienstleistungsbeschaffungen 388

Vgl. Kapitel 1, III. 2. c). Vgl. Erwägungsgrund 2 VKR; Hopf, Vergabemanagement, S. 73. 390 Burgi, NZBau 2008, S. 29, 30. 391 Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 152. 392 Unterhalb der Schwellenwerte gelten die Vorschriften der Verdingungsordnungen zum Wettbewerbsgrundsatz: § 2 Nr. 1 Abs. 1, 2 VOL / A, § 2 Nr. 1 S. 2 VOB / A, § 4 Abs. 1 VOF; zum Gleichbehandlungsgrundsatz: § 2 Nr. 2 VOL / A, § 8 Nr. 1 VOB / A, § 4 Abs. 2 VOF. Der Transparenzgrundsatz fehlt, stattdessen gibt es eine Reihe von Bekanntmachungs- und Mitteilungsregeln. 393 Vgl. Glahs, in: Kappelmann / Messerschmidt, Kommentar, § 2, Rn. 34; Gröning, ZIP 1999, S. 52, 54; Schütte / Horstkotte, Vergaberecht, S. 5, 12. 394 Zum Wettbewerbsprinzip als „overriding principle“ vgl. Keßler / Ölcüm, EWS 2004, S. 337, 338; Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 6, 10; Byok, NJW 2004, S. 198, 199 f. 395 Vgl. zu den weiteren gesetzlichen Konkretisierungen des Wettbewerbsgrundsatzes Hopf, Vergabemanagement, S. 75. 389

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

von den öffentlichen Auftraggebern „im Wettbewerb“ vergeben. Bei der Vergabe soll also der Wettbewerb die Regel sein 397. Was mit Wettbewerb gemeint ist, erfährt aber weder im GWB noch in den Verdingungsordnungen eine Definition. Ludwig Erhard meinte: „Es muss das Ziel sein, dass für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens der Grundsatz des Wettbewerbs sich ebenso sehr durchsetzt, wie dies gegenwärtig schon für den privaten Auftragsbereich der Fall ist.“ 398. Das Wettbewerbsprinzip wurde im deutschen Vergaberecht schon immer betont 399. Vor In-Kraft-Treten des GWB war dies in den §§ 57a bis 57c HGrG 400 und der seinerzeitigen Nachprüfungsverordnung verankert 401. Enthalten war das Wettbewerbsprinzip auch bereits in den verschiedenen Verdingungsordnungen 402. Insofern stellt es nichts Neues dar. Allerdings ist es durch die Regelungen der EG-Vergaberichtlinien sowie seiner Bedeutung für die Verwirklichung des Binnenmarktes und schließlich durch die Aufnahme in § 97 Abs. 1 GWB stärker in den Mittelpunkt gerückt worden 403. Es ist integrierendes Ziel des Vergaberechts und soll zu einer möglichst breiten Beteiligung der Wirtschaft und einer hieraus resultierenden Vielzahl an Angeboten führen. In den Erwägungsgründen zur VKR wird Wettbewerb – ohne dabei näher definiert zu werden – wie folgt beschrieben: „Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, empfiehlt sich die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren.“ 404. Unternehmen aus allen Mitgliedstaaten sollen also die gleichen Chancen erhalten 405. „Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Teilnahme einer Einrichtung des öffentlichen Rechts als Bieter in einem Verfahren zur Vergabe öffentlicher 396 Diese Vorschriften werden durch eine Vielzahl von weiteren Vorschriften in den Verdingungsordnungen ergänzt und konkretisiert; vgl. auch: Glahs, in: Kappelmann / Messerschmidt, Kommentar, VOB / A, § 2 Rn. 33. 397 Glahs, in: Kappelmann / Messerschmidt, Kommentar, VOB / A, § 2, Rn. 33 ff. 398 Ludwig Erhard in: Welter, Wettbewerbsordnung, S. 3. 399 Wie die Aussage Erhards zeigt, ging es primär darum, kostengünstig einzukaufen. Dies ist nach EG-Gesetzgebung lediglich eine Nebenfolge. 400 Diese Vorschriften wurden durch das Vergaberechtsänderungsgesetz zum 1. 1. 1999 aufgehoben. 401 Leinemann, Vergabe, S. 2. 402 Vgl. § 2 Nr. 1 S. 2 VOB / A, § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL / A; Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97, Rn. 180 ff. 403 Vgl. auch Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 143; Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 129 m.w. N. 404 Erwägungsgrund 2 VKR. 405 Noch, Vergaberecht, S. 19.

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Aufträge keine Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privatrechtlichen Bietern verursacht.“ 406 Die Richtlinie will also dazu beitragen, die nationalen Märkte für den Wettbewerb zu öffnen. Später wird dann in Art. 44 Abs. 3 VKR der „echte Wettbewerb“ erwähnt, den es im Vergabeverfahren zu gewährleisten gilt. Jedoch wird dieser zu erstrebende „echte Wettbewerb“ 407 genauso wenig definiert wie zuvor der Wettbewerb als solcher. Der Wortlaut der Erwägungsgründe legt nahe, dass es sich bei Wettbewerb zwar um ein Grundprinzip des Vergaberechts handelt. Allerdings stellt dieser keinen Selbstzweck 408 dar, vielmehr soll er als Hilfsmittel zur Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes dienen. Die Suche nach einer Definition des Wettbewerbsbegriffs führt weder in der wirtschaftswissenschaftlichen noch in der juristischen Literatur zu einer allgemein akzeptierten Definition. Vielmehr ist der Begriff des Wettbewerbs einer der umstrittensten 409. So handelt es sich nach einer Meinung um ein dynamisches Ausleseverfahren, bei dem die Wettbewerber das gleiche Ziel haben und außenstehende Dritte darüber entscheiden, wer das Ziel in welchem Umfang erreicht 410. Hieraus folgten eine Rivalität und ein Abhängigkeitsverhältnis. Mithin lässt sich Wettbewerb bezogen auf die Wirtschaft als ein Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit und Rivalität zwischen Marktteilnehmern verstehen 411. Dabei sei der Wettbewerb auch hier nicht nur Selbstzweck, vielmehr solle er gesamtwirtschaftlich vorteilhafte Ergebnisse erbringen, indem er die fundamentalen ökonomischen Funktionen der Steuerung, Allokation, Innovation, Verteilung, Anpassung und Kontrolle erfüllt 412. Der EuGH geht von einem gleichheitsorientierten Wettbewerbsbegriff aus und formuliert: „Das Vorliegen von Wettbewerb schließt es jedoch, für sich genommen, nicht aus, dass eine vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt. So könnte eine solche Stelle z. B. finanzielle Einbußen hinnehmen, um eine bestimmte Einkaufspolitik der Einrichtung zu verfolgen, mit der sie eng verbunden ist.“ 413 406

Erwägungsgrund 3 VKR. Zu dieser Formulierung siehe auch Art. 14 LKR, Art. 6 BKR: „Damit auf dem Gebiet des Bauwesens ein echter Wettbewerb entsteht [...]“, Art. 20 DKR: „Um Praktiken zu unterbinden, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen [...]“, Art. 12 SKR: „gemeinschaftsweiter Wettbewerb“. 408 So auch Steinberg, Verbundaufgabe, S. 107. 409 Olten, Wettbewerbstheorie, S. 16. 410 Baßeler / Heinrich / Koch, Volkswirtschaft, S. 196. 411 Baßeler / Heinrich / Koch, a.a. O., S. 196. 412 Baßeler / Heinrich / Koch, a.a. O., S. 197. 413 EuGH Urt. v. 10. 11. 1998, Rs. C-360/96, Slg., S. I-6821 – BFI. 407

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

Dies bedeutet, dass es im Rahmen der Richtlinien zulässig sein muss, als öffentlicher Auftraggeber Allgemeinwohlbelange zu verfolgen. In Erwägungsgrund 1 VKR hat der europäische Gesetzgeber dies klargestellt. Problematisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Wettbewerb durch die Bevorzugung einzelner Gruppen verfälscht werden könnte. Andererseits könnte gerade die Berücksichtigung bzw. die Einbeziehung „sozialer Belange“ zur Herstellung von Chancengleichheit, die für einen funktionierenden Wettbewerb unabdingbar ist, beitragen 414. Nach Leinemann 415 bedeutet das Wettbewerbsprinzip, dass möglichst vielen Unternehmen die Möglichkeit zur Teilnahme an einem Vergabeverfahren gegeben wird. Jeder Bieter soll die gleiche Chance haben, den Zuschlag zu erhalten, und nicht durch vermeidbare rechtliche und faktische Umstände an der Teilnahme am Wettbewerb gehindert werden 416. Dies ist die im Vergaberecht vorherrschende Herangehensweise an die Definition des Wettbewerbsbegriffs. Wettbewerb bezieht sich hier lediglich auf die Auftragnehmer. Wettbewerb im wettbewerbstheoretischen Sinne hingegen geht viel weiter und betrifft die ganze Marktstruktur, mithin auch den Auftraggeber, der im Vergaberecht allerdings vorgegeben ist 417. Es geht also darum, auf der Seite der potentiellen Auftragnehmer eine Situation zu erreichen, die es vielen ermöglicht, sich um Aufträge zu bewerben. Durch das Festlegen von Anforderungen können potentielle Auftragnehmer in ihrer Entscheidungs- und Handlungsfreiheit beschränkt werden, wenn sie diese Anforderungen nicht erfüllen können. Problematisch wird dies nur dann, wenn eine unangemessene Marktmacht entsteht und diese ausgenutzt wird 418. Häufig wird damit argumentiert, dass der öffentliche Auftraggeber seine marktbeherrschende Stellung oder Monopolstellung ausnutze. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass die Übertragung der Wettbewerbstheorie der Doppelstellung der öffentlichen Auftraggeber nicht gerecht wird und an Widersprüchen leidet 419. Einerseits sollen sich öffentliche Auftraggeber wie Private verhalten, um so den Wettbewerb zu optimieren. Dabei dürften sie dann nur den Preis oder das „wirtschaftlichste Angebot“ als Kriterium ansetzen, um im marktwirtschaftlichen Sinne zu handeln. Andererseits übersieht diese Gleichsetzung, dass jeder Private, der durch und durch marktwirtschaftlich agiert, auch „fair“ gehandelten Kaffee kaufen, auf bestimmte Steine, Holz oder Textilien, die unter 414

Vgl. Keßler / Ölcüm, EWS 2004, S. 337, 337. Leinemann, Vergabe, S. 3. 416 Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärung, S. 119 m.w. N. 417 Steinberg, Verbundaufgabe, S. 112, 115. 418 Vgl. Steinberg, a.a. O., S. 112 m.w. N. Wann Unangemessenheit der Marktmacht vorliegt, lässt sich wissenschaftlich nicht ganz klar sagen. Wenn eine marktbeherrschende Stellung des öffentlichen Auftraggebers vorliegt, könnte man diese annehmen. 419 Steinberg, Verbundaufgabe, S. 113. 415

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Kinderarbeit hergestellt wurden, verzichten kann oder eben nur Langzeitarbeitslose einstellt und seine Arbeitnehmer nur nach Tarif bezahlt, ohne dabei seine Stellung auszunutzen 420. Fordert man also, dass öffentliche Auftraggeber sich marktwirtschaftlich verhalten, muss man konsequenterweise auch zulassen, dass diese über das unmittelbare Ertragsziel hinausgehende soziale Belange bzw. Erwägungen anstellen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Wettbewerbsprinzip in jedem Fall wettbewerbsbeschränkende und -verzerrende sowie unlautere Verhaltensweisen verbietet, dass eine allgemein akzeptierte Definition des Wettbewerbsprinzips aber nicht existiert. b) Transparenzgebot Das Transparenzgebot ist als weiteres zentrales Element des Vergaberechts in § 97 Abs. 1 GWB bzw. in § 2 Nr. 1 S. 3 VOB / A sowie § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL / A normiert 421. Es verlangt die Schaffung eines klaren und nachvollziehbaren Vergabeverfahrens und die Verwendung von nachvollziehbaren Entscheidungskriterien 422. Dabei ist es in jeder Phase des Vergabeverfahrens zu beachten und eng verzahnt mit dem Wettbewerbsprinzip 423. Transparenz beugt Korruption vor, da sie der Verwaltung Begründungs- und Informationspflichten auferlegt, die eine Begünstigung von Privaten aus sachfremden Motiven erheblich erschwert 424. Sie dient somit der Verwirklichung des ebenfalls in § 97 Abs. 1 GWB niedergelegten Wettbewerbsgedankens 425. Eine enge Verbindung besteht zudem zu dem Gleichbehandlungsgebot 426 des § 97 Abs. 2 GWB 427. Das Transparenzgebot ist auch wesentliche Voraussetzung für die Herstellung der Chancengleichheit in Bezug auf die formalen Bedingungen der Teilnahme der Bieter am Wettbewerb und dient auch insofern der Schaffung eines funktionierenden Wettbewerbs 428. So hat es auch eine unterstützende Funktion im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot 429. Konkretisiert wird es durch die Publizitätsvorschriften, die den 420

So auch Steinberg, a.a. O., S. 113. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rn. 16 ff. mit den verschiedenen Einzelausformungen, die u. a. durch die Rechtsprechung hierzu entwickelt wurden; vgl. dazu auch Burgi, NZBau 2008, S. 29, 30; Jaeger, NZBau 2001, S. 427, 428. 422 Vgl. Dobmann, Tariftreueerkläung, S. 120 m.w. N. 423 Hopf, Vergabemanagement, S. 75. 424 Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 125 m.w. N. 425 Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97, Rn. 190. 426 Sogleich unten, VI. 2. d). 427 Vgl. Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97, Rn. 190 m.w. N. 428 Leinemann, Vergabe, S. 4. 429 Dazu gleich unten, VI. 2. c). 421

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

öffentlichen Auftraggeber verpflichten, die auftragsrelevanten Umstände für alle zugänglich zu veröffentlichen. Damit soll erreicht werden, dass interessierte Unternehmen ausreichend Kenntnis von Bedingungen und nachgefragten Leistungen erhalten 430. Je ausgeprägter die Verpflichtung zur Veröffentlichung von zu vergebenden Aufträgen ist, desto schwieriger ist es für Vergabestellen, eine versteckte Bevorzugung nationaler Bieter vorzunehmen. So ist es dann auch wesentlich für die Transparenz eines Vergabeverfahrens, dass die einzelnen Verfahrensschritte von der vergebenden Stelle dokumentiert werden. Diese Dokumentation dient dem Ziel, die Entscheidungen der Vergabestelle sowohl für die Überprüfungsinstanzen als auch für die Bieter überprüfbar zu machen 431, und mithin dem wirksamen Rechtsschutz. Transparenz ist auch ein Grundanliegen des europäischen Vergaberechts. Die VKR erwähnt das Transparenzprinzip im 2. Erwägungsgrund 432 als Grundsatz des Vergaberechts und legt in Art. 35 ff. ausführlich dar, was dazu gehört. Gegner der Berücksichtigung sozialer, ökologischer oder überhaupt zusätzlicher Bedingungen argumentieren, dass diese das Vergabeverfahren intransparent machten 433. Allerdings enthalten öffentliche Ausschreibungen in ihren Leistungsbeschreibungen immer viele Definitionen, technische Spezifikationen, Eignungsund Zuschlagskriterien, die der Auftraggeber konkretisieren muss. Die Transparenz wird gerade mit der Veröffentlichung all dieser Definitionen etc. gewahrt. Zudem fordert die VKR die Gewichtung der Zuschlagskriterien 434. So werden alle Anforderungen transparent, und die objektive Vergleichbarkeit ist gesichert. Es ist also nicht ersichtlich, dass soziale Belange zur Intransparenz der Ausschreibung führen müssen. Solange die verfolgten politischen Zwecke einerseits bekannt gemacht und dokumentiert werden und andererseits überprüft werden können, steht einer Berücksichtigung dieser Belange das Transparenzgebot nicht entgegen 435.

430

Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 152; Hopf, Vergabemanagement, S. 76. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14. 8. 2003, Az. Verg 46/03, VergabeR 2004, S. 232 f. 432 Darauf folgend wird es in Erwägungsgrund 12, 14, 35, 39, 46 erwähnt. 433 Prieß, Vergaberecht, S. 128, 129; Kling, Instrumentalisierung, S. 205. 434 Vgl. Erwägungsgrund 46 VKR; Art. 40 Abs. 5 lit. e, Art. 53 VKR; Anh. VII Teil A VKR. 435 Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 126 ff., dieser führt auch darüber hinausgehend Argumente an, die sich aus dem Vergleich mit anderen internationalen vergaberechtlichen Instrumenten wie dem UNCITRAL-Modellgesetz über das öffentliche Auftragswesen sowie den Vergaberichtlinien der Weltbank ergeben und für eine Berücksichtigung sozialer Belange sprechen. 431

VII. Grundprinzipien des Vergabeverfahrens

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c) Diskriminierungsverbot Das vergaberechtliche Diskriminierungsverbot findet seine Grundlage sowohl im Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als auch in Art. 12 EGV 436. Das Diskriminierungsverbot der Vergaberichtlinien geht aber über Art. 12 EGV hinaus. Es gilt für in- und ausländische Bieter, weil ansonsten eine echte Gleichbehandlung aller Bieter im Vergabeverfahren nicht denkbar wäre 437. Insofern verbietet es nicht nur die direkte (unmittelbare) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch die versteckte, mittelbare tatsächliche oder rechtliche Schlechterstellung von Marktteilnehmern in allen Phasen eines Vergabeverfahrens 438. Mithin wären „soziale Belange“ bei der Wertung von Angeboten wegen Missachtung des Diskriminierungsverbots unzulässig, wenn sie ausschließlich von inländischen Bietern oder von ausländischen Bietern nur mit größeren Schwierigkeiten erfüllt werden können 439. Die Verdingungsordnungen verbieten auch eine Beschränkung des Wettbewerbs auf Bewerber, die in bestimmten Regionen oder Orten ansässig sind 440. Entscheidend ist, in welcher Weise der öffentliche Auftraggeber die soziale Zielsetzung verfolgt. Insofern ist die Beurteilung der Zulässigkeit der Berücksichtigungsfähigkeit von sozialen Belangen nur unter Bewertung aller Umstände des Einzelfalls möglich. d) Gleichbehandlungsgebot Gemäß § 97 Abs. 2 GWB sind „alle Bieter im Verfahren gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet“. Entwickelt wurde der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz im Vergaberecht von der Rechtsprechung 441. Inhaltlich wird das Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB als einfachgesetzliche Festschreibung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des europarechtlichen Verbotes der Diskriminierung aufgrund der Staatsan436

Vgl. auch § 2 Nr. 2 VOL / A, § 2 Nr. 2 VOB / A für den Unterschwellenbereich; Bunte, Kartellrecht, S. 315. 437 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97, Rn. 44. 438 Vgl. zur Unterscheidung unmittelbare / mittelbare bzw. direkte / indirekte Diskriminierung EuGH, Urt. v. 29. 10. 1980, Slg., S. 3427, Rn. 9 – Boussac / Gerstenmeier; EuGH, Urt. v. 5. 12. 1989, Rs. C-3/88, Slg., S. 4035, Rn. 8 – Kommission / Italien; EuGH, Urt. v. 3. 6. 1992, Slg., S. I-3401, Rn. 11 – Kommission / Italien. 439 Müller-Wrede, VergabeR 2005, S. 32, 33. 440 Vgl. § 8 Nr. 1 S. 2 VOB / A, § 7 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOL / A. 441 Vgl. Steinberg, Verbundaufgabe, S. 99; Jaeger, NZBau 2001, S. 427, 429.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

gehörigkeit (Art. 12 Abs. 1 EGV) verstanden 442. Dem GWB ähnlich ist auch der Wortlaut in § 8 Nr. 1 VOB / A, § 7 Nr. 1 Abs. 1 VOL / A für den Unterschwellenbereich sowie auch des § 4 Abs. 2 VOF. Danach verlangen die Verdingungsordnungen im Gleichklang mit dem Gemeinschaftsrecht die Gleichbehandlung in- und ausländischer Bieter und verbieten die Beschränkung auf Bieter, die in bestimmten Bezirken ansässig sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet eine Besserstellung aufgrund der Ortsansässigkeit 443. Der EuGH führt zur Bedeutung des Grundsatzes aus, dieser „bedeute zum einen, [...] dass die Bieter sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt, zu dem diese vom öffentlichen Auftraggeber beurteilt werden, gleichbehandelt werden müssen. [...] Dies bedeutet konkret, dass die Zuschlagskriterien bei der Bewertung der Gebote objektiv und einheitlich auf alle Bieter anzuwenden sind. [...] Zum anderen schließt der Grundsatz der Gleichbehandlung eine Verpflichtung zur Transparenz ein [...]“ 444. Um bei der Zuschlagserteilung die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sicherzustellen, ist die – in der Rechtsprechung anerkannte – Verpflichtung zur Sicherstellung der erforderlichen Transparenz vorzusehen, damit sich jeder Bieter angemessen über die Kriterien und Modalitäten unterrichten kann, anhand deren das wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird 445. Diese Regel hat der europäische Gesetzgeber in Art. 2 VKR durch die Formulierung „öffentliche Auftraggeber haben alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nicht-diskriminierend zu behandeln [...]“ aufgenommen. Zwar geht der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB, wie eben dargelegt, auf das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV zurück, allerdings ist er nicht identisch mit diesem 446. Vielmehr leitet sich der Gleichbehandlungsgrundsatz aus dem primärrechtlichen Diskriminierungsverbot ab 447. Der Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit gewährleistet die Chancengleichheit der potentiellen Interessenten aus allen anderen Mitgliedstaaten, indem er deren Gleichbehandlung durch die öffentlichen Auftraggeber in sämtlichen Phasen des Vergabeverfahrens gebietet 448. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungs442

Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 476 m.w. N. Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 152. 444 EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448/01, EuZW 2004, 81, Rn. 47 ff. – Wienstrom; EuGH, Urt. v. 7. 12. 2000, Rs. C-324/98, Slg., S. I-10745, Rn. 58 – Teleaustria. 445 Ax / Schneider, in: Ax / Bischoff / Schneider, Regierungsentwürfe, Einf. S. 6; vgl. zur Zuschlagserteilung vgl. sogleich unten 2.5.4. sowie unten Kapitel 3, III, 3 und Kapitel 5, I. 5. 446 Vgl. hierzu die jeweils explizite Erwähnung beider Grundsätze in den Erwägungsgründen 2, 11, 12, 14, 15, 46 VKR. 447 Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 152. 448 Pünder, VerwArch (95) 2004, S. 38, 42. 443

VII. Grundprinzipien des Vergabeverfahrens

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grundsatz liegt hingegen auch dann vor, wenn nur inländische Unternehmen an dem Verfahren beteiligt sind, diese aber nicht alle in gleicher Weise partizipieren können 449 bzw. berücksichtigt werden. Das heißt, der Gleichbehandlungsgrundsatz steht auch indirekten Besserstellungen entgegen 450. Schon 1969 wurde eine europäische Richtlinie betreffend Warenlieferungen 451 erlassen, die die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen präzisiert. Die Richtlinie untersagte die direkte Diskriminierung und zählte Beispiele von verbotenen Erschwerungen auf. Weitergehende Konkretisierung erfuhren diese Anforderungen durch die Richtlinien zur Koordinierung der Vergabeverfahren bei Bauaufträgen 452 und bei Lieferaufträgen 453, die ihrerseits einen einheitlichen Verfahrensrahmen setzten. Sekundärrechtlich ist der Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 2 VKR sowie in Art. 10 SKR niedergelegt, der Diskriminierungen genauso verbietet, wie er eine Gleichbehandlung einfordert. Die zuvor bestehenden Auslegungsunsicherheiten, weil in den vorhergehenden Richtlinien 454 durchgehend von einem Diskriminierungsverbot und nicht von einem Gleichbehandlungsgrundsatz die Rede war, sind damit beseitigt.

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EuGH, Urt. v. 22. 6. 1993, Rs. C-243/89, Slg., S. I-3353, Rn. 33– Storebaelt; EuGH, Urt. v. 25. 4. 1996, Rs. C-87/94, Slg., S. I-2043, Rn. 52 – Wallonische Omnibusse. 450 Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 152 nennt hier beispielhaft die Ortsansässigkeit und die Zugehörigkeit zum Mittelstand. 451 Richtlinie 70/32/EWG der Kommission v. 17. 12. 1969 über die Lieferung von Waren an den Staat, seine Gebietskörperschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, ABl. Nr. L 13, S. 1. 452 Richtlinie 71/305/EWG des Rates v. 26. 7. 1971 zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der öffentlichen Bauaufträge und bei öffentlichen Bauaufträgen, die an die Auftragnehmer über ihre Agenturen oder Zweigniederlassungen vergeben werden, ABl. Nr. L 185. S. 5. 453 Richtlinie 77/62/EWG des Rates v. 21. 12. 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. Nr. L 13, S. 1. 454 Vgl. insbesondere Art. 22 Abs. 4 BKR, Art. 27 Abs. 4 DKR, Art. 19 Abs. 4 LKR, die explizit auf die Diskriminierung von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten abstellen; offener sind dagegen Art. 6 Abs. 6 und 22 Abs. 4 BKR, Art. 3 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 4 DKR, Art. 5 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 4 LKR, Art. 4 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 5 SKR, die zwar ausschließlich von einer Diskriminierung sprechen, diese jedoch nicht explizit auf das Merkmal der EG-Ausländereigenschaft beziehen.

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Kap. 2: Rechtsquellen des Vergaberechts

e) Weitere Grundsätze aa) Vertraulichkeitsgebot Das Vertraulichkeitsgebot ist nicht ausdrücklich im GWB aufgeführt, es gilt jedoch im Ausschreibungs- und Vergabeverfahren hinsichtlich aller im Rahmen des Verfahrens erhaltenen Informationen 455. bb) Treu und Glauben Der Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB gilt auch im Vergaberecht 456. Methodisch ist er den allgemeinen Grundsätzen des Vergaberechts zuzuordnen 457. cc) Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen Gemäß § 97 Abs. 3 GWB sind mittelständische Interessen durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen. Abs. 3 stellt eine Sonderregelung für mittelständische Interessen 458 dar. Durch die Regelung sollte klargestellt werden, dass diese Interessen gerade nicht den „vergabefremden Aspekten“ zuzurechnen sind 459. Dies kann allerdings nicht das Spannungsverhältnis insbesondere zu dem Wettbewerbsprinzip des Vergaberechts umgehen 460. Weitgehend unklar ist die Reichweite der Norm, da sie nicht nur ein Recht, sondern sogar eine Pflicht zur „angemessenen Berücksichtigung mittelständischer Interessen“ formuliert. Unterhalb der Schwellenwerte ist es in § 5 VOL / A sowie in § 4 Nr. 2 und 3 VOB / A geregelt 461. dd) Wirtschaftlichkeitsprinzip Wenn hier vom Wirtschaftlichkeitsprinzip 462 geschrieben wird, ist nicht das in Art. 114 Abs. 2 GG verankerte gemeint. Vielmehr geht es hier um das Zu455

Häfner, in: Ax / Bischoff / Schneider, Regierungsentwürfe, § 97, Rn. 30 ff. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8. 5. 2002, Az. Verg. 8 –15/01; Beschl. v. 20. 3. 2003, Az. Verg. 08/03; Beschl. v. 28. 5. 2003, Az. Verg 9/03. 457 Häfner, in: Ax / Bischoff / Schneider, Regierungsentwürfe, § 97, Rn. 30 ff. 458 Dazu mehr unten Kapitel 3, IV. 2., e); vgl. auch Kus, in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97, Rn. 63 ff. 459 Stellungnahme des Bundesrates v. 7. 11. 1997 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9340, S. 35 f. v. 3. 12. 1997. 460 Ziekow, Wirtschaftsrecht, S. 153. 461 Hopf, Vergabemanagement, S. 80, 201. 462 Siehe hierzu schon oben Kapitel 1, III. 3. b) sowie unten Kapitel 3, III. 3. 456

VII. Grundprinzipien des Vergabeverfahrens

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schlagskriterium im öffentlichen Auftragswesen, das allerdings seinerseits eine Konkretisierung des Art. 114 Abs. 2 GG im Bereich des Auftragswesens darstellt. Ein Vergabewettbewerb hat grundsätzlich die Gewähr dafür zu bieten, dass die zur sparsamen Haushaltsführung verpflichteten öffentlichen Auftraggeber ihre Waren und Dienstleistungen zu günstigsten Konditionen beschaffen können. Nach § 97 Abs. 5 GWB ist dem wirtschaftlichsten Angebot der Zuschlag zu erteilen. Für die Vergabepraxis ist diese Norm von größter Bedeutung 463. Die europäischen Vergaberichtlinien schreiben, diesen Grundsatz konkretisierend, als Zuschlagskriterium entweder den niedrigsten Preis oder das wirtschaftlich günstigste Angebot vor 464. Dabei ist die Wirtschaftlichkeit hier produktbezogen zu verstehen 465. Unterhalb der Schwellenwerte ist der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz in § 25 Nr. 3 Abs. 2 und 3 VOB / A, § 25 Nr. 3 VOL / A geregelt 466.

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Opitz, NZBau 2001, S. 12, 13. Vgl. Art. 53 VKR, Art. 55 SKR n.F., zuvor Art. 36 Abs. 1 DKR, Art. 30 Abs. 1 BKR, Art. 26 Abs. 1 LKR, Art. 24 Abs. 1 SKR a.F; vgl. unten Kapitel 5, I. 5. 465 Herma, in: Stoye / Freitag / Benken / Herma / Köppen, Vergaberecht, S. 93, 105 f. 466 § 16 Abs. 1 VOF spricht von „bestmöglicher Leistung“. Dies kann aber nur als „wirtschaftlichstes Angebot“ i. S. d. § 97 Abs. 5 GWB verstanden werden, vgl. auch Opitz, NZBau 2001, S. 12. 464

Kapitel 3

Sekundärzwecke im Vergaberecht I. Die Regelung des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB Ein Blick in die Vorschrift des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB scheint auf die Frage, ob dem Vergaberecht eine Instrumentalfunktion zukommt, ohne weiteres eine abschließende Antwort zu geben. Danach dürfen „andere oder weitergehende Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, wenn dies durch Bundesoder Landesgesetz vorgesehen ist.“ 1 Allerdings löst § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB die politische Instrumentalisierbarkeit des Vergaberechts nicht erschöpfend 2. So gelten die Vorschriften des Kartellvergaberechts gemäß § 100 Abs. 1 GWB erst ab einem bestimmten Schwellenwert. Insofern bleibt der Unterschwellenbereich ungeklärt. Darüber hinaus ist die europarechtliche Zulässigkeit der Regelung offen.

II. Sekundärzwecke im Vergabeverfahren Der Staat hat bei der Auftragsvergabe nicht nur den Mikroaspekt der günstigen Beschaffung zu beachten, sondern auch seine makroökonomische Verantwortlichkeit wahrzunehmen 3. Hier liegt also schon ein immanenter Zielkonflikt, der nicht ohne weiteres auszuräumen ist. Im Regelfall wird der öffentliche Auftraggeber neben dem mikroökonomischen Ziel der Bedarfsdeckung auch makroökonomische Ziele verfolgen 4. Indem die öffentliche Verwaltung durch Beschaffungsvorgänge direkt Einfluss nehmen kann, kommt dem öffentlichen Auftragswesen eine so genannte „Instrumentalfunktion“ zu. Dabei ist die Verfolgung sozialer Belange nicht etwa eine nur „wettbewerbsblinde“ Idee der Politik und Politiker. Vielmehr stehen hinter ihnen die politischen Überzeugungen und Wünsche der jeweiligen Mehrheit in der Demokratie, verstärkt durch das Moment der 1

Gröning, ZIP 1999, S. 52, 55; Burgi, NZBau 2001, S. 64, 67. Vgl. Benedict, NJW 2001, 947, 947; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649, 650; v. Loewenich, ZfBR 2004, 23, 26. 3 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 252; Vonderheid, Beschaffungswirtschaft, S. 260. 4 Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 3, m.w. N. 2

II. Sekundärzwecke im Vergabeverfahren

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Identifikation, weil dem öffentlichen Auftraggeber auch eine Vorbildfunktion für gesellschafts- und sozialpolitische Entwicklungen zugeschrieben wird 5. In dieser Funktion kommt die Steuerungs- und Förderdimension öffentlicher Aufträge in ökonomischer, sozialstaatlicher, infrastruktureller und konjunktureller Hinsicht zum Ausdruck 6. Wichtig erscheint allerdings auch die Unterscheidung zwischen einer bloßen Einbeziehung weitergehender Belange im Sinne einer Berücksichtigung und einer Instrumentalisierung des öffentlichen Auftragswesens. Unter Instrumentalisierung soll der Einsatz des öffentlichen Auftragswesens als eigenständiges politisches Gestaltungsmittel verstanden werden 7. Eine Einbeziehung weitergehender Belange im Sinne einer Berücksichtigung soll dagegen bedeuten, dass der Auftraggeber die gesamtwirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und sonstigen Auswirkungen seiner Beschaffung bedenkt und dies bei seiner Entscheidung beachtet 8. Die Grenze zwischen diesen beiden Varianten ist fließend. Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern die Einbeziehung im Sinne einer Berücksichtigung weitergehender Belange möglich ist. Die Geschichte der Berücksichtigung von Sekundärzwecken reicht in Deutschland weit zurück 9. Anfang des 20. Jahrhunderts schon erhielten Rüstungsunternehmen Aufträge, ohne dass wirklicher Bedarf für die bestellten Güter bestand, um für den Kriegsfall ausreichende Kapazitäten zur Verfügung zu haben 10. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus wurden insbesondere Unternehmen in Grenzgebieten gefördert, u. a. um das wirtschaftliche Gefälle zwischen einzelnen Landesteilen zu verringern 11. Dies geschah dergestalt, dass entweder eine prozentuale Quote öffentlicher Aufträge für Unternehmen in Grenzgebieten reserviert wurde oder – bei allgemeiner Beteiligung – Gebote dieser Unternehmen trotz höherer Preise den Zuschlag erhielten 12. Aufschlussreich für die Entwicklung in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist der Hinweis des Wirtschaftsund Sozialausschusses der EG darauf, dass das „öffentliche Auftragswesen ein Instrument der Regionalpolitik, der Technologie-, der Sozialpolitik und der Konjunkturpolitik darstellt und dass die Mitgliedstaaten in einer Übergangsphase noch die Möglichkeit eines Rückgriffs auf dieses Instrument haben müssen, solange in diesen Bereichen keine gemeinsame Politik besteht, die über zumindest 5

Vgl. auch Burgi, in: Storr, Wettbewerb, S. 97, 108. Kunert, F.-J., Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 2 m.w. N.; Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2286 f. 7 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 80. 8 Ebenda. 9 Dies ist nicht nur in Europa und Deutschland der Fall. Auch in den USA gibt es eine so genannte „national goal clause“ (Klausel, die ein Wirtschafts- oder Sozialprogramm betrifft). 10 Vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 305 m.w. N. 11 Ebenda. 12 Vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 305 m.w. N. 6

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

gleichwertige Instrumente verfügt“ 13. Dieser Standpunkt hat sich aber mit der Erkenntnis der integrationspolitischen Bedeutung des Vergabewesens für den europäischen Binnenmarkt zuletzt durch die Koordinierungsrichtlinien 14 im Vergaberecht geändert 15. In den 70er Jahren wurden in Deutschland sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene verwaltungsinterne Richtlinien erlassen, nach denen sozial- oder wirtschaftspolitische Kriterien bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werden sollten 16. Vor allem bei der Umsetzung des Legislativpakets in deutsches Recht hat die Diskussion über diese Thematik stark zugenommen. So weisen Umweltund Entwicklungsorganisationen sowie Gewerkschaften in den letzten Jahren verstärkt auf ökologisch unverantwortliche Beschaffungspraktiken der öffentlichen Hand sowie auf soziale Missstände in den Wertschöpfungsketten öffentlich beschaffter Produkte und Dienstleistungen hin 17 und fordern eine nachhaltige 18 bzw. faire 19 Beschaffung. Auch verschiedene Fraktionen des Bundestages fordern die Einbeziehung der Förderung der Gleichstellung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen 20. Festzuhalten ist, dass das öffentliche Auftragswesen schon immer bewusst von staatlicher Seite eingesetzt wurde, um aktuellen wirtschaftlichen, sozialund gesellschaftspolitischen Entwicklungen gerecht zu werden. Dabei werden in der Auseinandersetzung um die Zulässigkeit von Sekundärzwecken Argumente zur Legitimität, zur Effizienz und zur Praktikabilität ausgetauscht 21. „Puristen“ sind Gegner der Berücksichtigung von Sekundärzwecken und betrachten die Diskussion in der Literatur um deren Berücksichtigungsfähigkeit 13

Vgl. Benedict, Sekundärzwecke, S. 85, 86.; Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für die SKR 90, (89/C 139/08), ABl. V. 5. 6. 1989, Nr. C 139, S. 23, 27. 14 Vgl. oben zur VKR, Einleitung, Fn. 10 sowie zur SKR, Kapitel 1, Fn. 25. 15 Vgl. hierzu auch Kapitel 5, I. 16 Diese sind inzwischen außer Kraft. 17 Vgl. dazu auch die Vorbemerkung der Fragesteller in: Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks 16/4924 v. 2. 4. 2007 auf die kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zum sozialen und ökologischen Beschaffungswesen, BT-Drucks. 16/4733. 18 Zacher in: Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, S. 41 ff.; Geiger in: Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, S. 61 ff. 19 Butollo, Fairgabe, S. 1 ff. 20 Vgl. dazu: Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vergaberecht reformieren – Rechtssicherheit schaffen – Eckpunkte für die Reform, BT-Drucks. 16/ 8810 v. 10. 4. 2008, S. 1, 3, 7; Antrag der Fraktion DIE LINKE bei öffentlichen Aufträgen sozial-ökologische Anliegen und Tariftreue durchzusetzen, BT-Drucks. 16/6930 v. 7. 11. 2007; siehe auch unten Kapitel 5, II. 3. 21 Vgl. Schäfer, Auftragsvergabe, S. 51 ff.

II. Sekundärzwecke im Vergabeverfahren

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schlicht als „vergabefremd“ 22. Sie lehnen Sekundärzwecke grundsätzlich ab, da diese den Wettbewerb verfälschen würden 23. Dabei wird überwiegend von der Wirtschaftsordnung her argumentiert und verlangt, dass die öffentliche Beschaffungstätigkeit in die marktwirtschaftlich-wettbewerbliche Ordnung einzuordnen ist 24. Insofern nimmt es nicht Wunder, dass es sich bei den Vertretern dieser Meinung auch mehrheitlich um Wirtschaftsverbände handelt 25. Der Einsatz der Auftragsvergabe für andere als Beschaffungszwecke belaste die Erfüllung der Beschaffungsaufgabe und führe so zu einer Verteuerung 26 des Beschaffungsvorgangs 27. Zur Verteuerung der Beschaffung selbst komme noch zusätzlich ein bürokratischer Mehraufwand für die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle des Vergabeverfahrens 28. Die gewonnenen Vorteile ließen sich meist schon nicht quantifizieren 29. Auch kämen die „Bevorzugungen“ nicht dem gesamten begünstigten Adressatenkreis zu Gute, sondern nur denjenigen, die Unternehmer sind und zudem an den Staat lieferten 30. Das Vergaberecht sei produkt- und eignungsbezogen, und es solle keine Vermengung mit politischen Zielrichtungen erfolgen 31. So wird häufig davon ausgegangen, dass eine solche Berücksichtigung von weitergehenden Belangen zu Lasten einer längerfristigen Effizienz und Transparenz gehe 32. Kling meint, dass von vergabefremden Kriterien außerdem ein Abschreckungseffekt für potentielle Bieterunternehmen ausgehen könne 33. Nach Hertwig 34 könne der Staat angesichts des Volumens der Versuchung nicht widerstehen, mit der Vergabe öffentlicher Aufträge auch allgemeine politische Zielsetzungen zu verbinden und damit der Sache nach bestimmte Auf22

Weinacht, WuW 2000, S. 382, 383. So schon Benedict, Sekundärzwecke, S. 5 ff.; Stürner, Wettbewerb, S. 189; Dreher, JZ 2001, S. 140; Opitz, NZBau 2001, S. 12, 14. 24 Rieble, Arbeitsmarkt, Rn. 407; Rittner, Rechtsgrundlage, S. 137 ff.; ders., ZHR 152 (1988), S. 318, 322; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 116. 25 Vgl. Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, Vorwort, S. 11; siehe auch unten Kapitel 5, II, 3.3. 26 Kling, Instrumentalisierung, S. 208. 27 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 321. 28 Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2287. 29 Vgl. Rittner, EuZW 1999, S. 677, 679; Hopp, DB 2000, S. 29, 31, die mit einer solchen Herangehensweise aber auch die Vorteile der Berücksichtigung von weitergehenden Kriterien eingestehen. 30 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 7. 31 Portz, StG 2006, S. 277, 278 f. 32 Vgl. Sterner, Rechtsbindungen, S. 32, der hiervon ausgeht, wenn man bei der Beurteilung lediglich auf den Beschaffungszweck abstellt. Können hingegen mit der Auftragsvergabe jedoch weitere Zwecke erreicht werden, so sind diese bei der Beurteilung der Effizienz mit zu berücksichtigen. 33 Kling, Instrumentalisierung, S. 206 f. 34 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 5 f. m.w. N. und einer Aufzählung von Möglichkeiten. 23

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

tragnehmer zu subventionieren. Zudem würde eine Einbeziehung Zielkonflikte und Reibungsverluste schaffen: Dies sei dann der Fall, wenn ein Unternehmen das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat und ein anderes bestimmte „vergabefremde“ Kriterien erfüllt 35. Je weiter der Bewertungsspielraum für den öffentlichen Auftraggeber geöffnet wird, desto größer sei die Gefahr von Willkür 36. Der Staat solle sich im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens ebenso verhalten wie ein Privater, d. h. eine betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise einnehmen, um nur anhand der Vorteilhaftigkeit der Entscheidung für den Auftraggeber selbst zu entscheiden 37. So äußerte sich zuletzt auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums 38. Hingegen sprechen sich „Partisanen“ für die Berücksichtigung von Sekundärzwecken aus. Sie führen an, dass das Grundgesetz gerade wirtschaftspolitisch neutral sei, dem Staat so einen weiten wirtschaftspolitischen Gestaltungsspielraum belasse und damit auch Sekundärzwecke im öffentlichen Auftragswesen erlaube 39. Zudem würden sonst alle sozialpolitischen Maßnahmen im europäischen Bereich mit wettbewerblichen Gesichtspunkten, die das europäische Recht zentral bestimmen, kollidieren (und so in scheinbaren Widerspruch zu diesen geraten). In diesem Fall hätten dann die Wettbewerbsgesichtspunkte zurückzutreten, da ansonsten alle sozialen und sozialpolitischen Aspekte ausgehöhlt werden könnten 40. Diese Spaltung spiegelt sich auch bei den europäischen Organen wider. Die EG-Kommission sah in ihrem Vorschlag für die VKR die Aufnahme von sozialen Belangen nicht vor 41. Das Europäische Parlament sowie der Wirtschafts- und Sozialausschuss haben sich hingegen konsequent für Richtlinienbestimmungen eingesetzt, die weitergehende Kriterien bei der Auftragsvergabe berücksichtigungsfähig machen 42. 35 Rittner, EuZW 1999, S. 677, 679, Kling, Instrumentalisierung, S. 204 f., Hertwig, Auftragsvergabe, S. 5, Weissenberg, DB 1984, S. 2284, 2285. 36 Rittner, EuZW 1999, S. 677, 679. 37 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 68. 38 Gutachten Nr. 2/07 „Öffentliches Beschaffungswesen“ des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWi v. 12. 05. 2007, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Reda tion/PDF/Publikationen/gutachten-2-2007,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb= true.pdf (6. 11. 2008); vgl. unten Kapitel 5, II, 3.2. 39 Pietzcker, AöR 107 (1982), S. 61, 89; Grzeszick, DÖV 2003, S. 649, 656 f.; Osterloh, L., Rechtsgutachten, S. 30; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 118; Mühlbach, RdA 2003, S. 339, 341; Neßler, DÖV 2000, S. 145, 147; Rust, EuZW 2000, S. 205, 208. 40 Vgl. Benedict, Sekundärzwecke, S. 6 ff.; Höpfl, WISO 2004, S. 105, 107. 41 Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge von der Kommission vorgelegt am 30. 8. 2000, KOM (2000), 275 endg. / 2. 42 Vgl. zum Gesetzgebungsvorgang beispielhaft Abänderung 51, S. 32 von Art. 27 Abs. 1a und 1b (neu) des Vorschlags KOM (2000) 275 – C5 –036/2000 –2000/0115 (COD) v. 30. 8. 2000 sowie unten Kapitel 5, I.

II. Sekundärzwecke im Vergabeverfahren

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Dabei argumentieren die Befürworter differenzierter. So gestehen sie zwar ein, dass die Berücksichtigung sozialer Belange im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe manches Mal fehlgeschlagen sei oder eine nur geringe Wirkung entfaltet habe, und stimmen insofern einer Kosten-Nutzen-Abwägung zu 43. Allerdings sei nicht immer nur der Einzelfall zu beachten, sondern auch der gesamtwirtschaftliche Zusammenhang. So könnten in dem Falle, dass nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot ausgewählt wird, dennoch makroökonomisch Kosten eingespart werden, die für die anderweitige Verfolgung der übrigen Ziele anfallen würden 44. Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass die Berücksichtigung von weitergehenden Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht als Ersatz für direkte Regelungen angesehen werden kann. Sie diene lediglich der Ergänzung dieser Regeln, um ein Verhalten zu fördern, das über das gesetzliche Niveau hinausgeht 45. Jedenfalls seien weitergehende Kriterien nützliche und wirksame Instrumente, wenn sie in passender Weise eingesetzt würden 46. Der Einsatz von Sekundärzwecken kann ferner zu Lernimpulsen für den Auftragnehmer führen. D. h. vergaberechtliche Maßnahmen haben oftmals Signalwirkung auch für das Verfahren von Unternehmen außerhalb des Vergabeverfahrens, so dass öffentliche Auftraggeber zu verhaltenslenkenden Akteuren werden 47. Zu Zielkonflikten mit auftragsbezogenen Kriterien würde es nicht kommen, wenn sie als Vorbedingung ausgestaltet sind, da Unternehmen, die diese nicht erfüllen könnten, vom weiteren Verfahren ausgeschlossen würden 48. Die „Puristen“ gehen also von einem freien Markt aus, die „Partisanen“ von einer intervenierenden Ideologie des Staates bei seinen Einkäufen 49. Einerseits soll die öffentliche Beschaffung strikt auf betriebswirtschaftlicher Effizienz beruhen, die sowohl die öffentliche Hand finanziell entlastet als auch über die Stärkung des Wettbewerbs das Wirtschaftswachstum fördert. Andererseits soll die öffentliche Hand Verantwortung übernehmen, indem sie den rein betriebswirtschaftlichen Ansatz durch Einbeziehung politischer Gesichtspunkte korrigiert und so ihre Ziele durchsetzt 50. Hingegen ist die Meinung, dass in bestimmten Branchen die bevorzugte Vergabe eine „politische Subvention“ darstellen kann, auch wenn der Auftraggeber den vollen Gegenwert erhält, überholt 51. 43 44 45 46 47 48 49 50 51

Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2288. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 321; vgl. auch Schäfer, Auftragsvergabe, S. 54. Arrowsmith, LQR 111 (1995), S. 235, 245. Arrowsmith, a.a. O., S. 235, 245. Steinberg, Verbundaufgabe, S. 53. Rust, EuZW 2000, S. 205, 207. Vgl. Fernandez Martin, Procurement, S. 41 ff. Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 81 m.w. N. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 319 f.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Die Prämisse, die öffentliche Hand solle sich ebenso wie ein privates Unternehmen beim Einkauf verhalten und lediglich eine einzelwirtschaftliche (betriebswirtschaftliche) Betrachtungsweise einnehmen, ist unzutreffend. Denn der im betriebswirtschaftlichen Sinne beschriebene Vorteil bezieht sich auf die Sichtweise eines idealtypischen privaten Markteilnehmers. Dieser lässt nichtbetriebswirtschaftliche Faktoren bei seinen Entscheidungen stets außer Betracht. Allerdings entspreche ein solches Verhalten gerade nicht der Realität privater Marktteilnahme 52. So sei die Einbeziehung von Sekundärzwecken nicht nur bei öffentlichen Auftraggebern anzutreffen, sondern durchaus auch in der Privatwirtschaft 53. Insbesondere in Anbetracht eines „positiven Images“ spielen bei vielen Unternehmen der Privatwirtschaft soziale Faktoren eine Rolle bei Beschaffungsentscheidungen. Dabei übersieht die reine Orientierung am Markt und damit am Wettbewerb, die Grenzen und Schwächen dieses Systems bzw. dieser Ideologie. Nach Stürner 54 versuche die kompetitive Gesellschaft das Marktmodell zu verabsolutieren, indem sie entweder von vorneherein auf die stets wieder gleichmachende Macht des Marktes vertraut oder Gleichheit allein durch organisatorische Mechanismen bewirken will, die ihrerseits wieder gleich machenden Wettbewerb stimulieren. Interessant sind weitergehende Anforderungen neuerdings auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter dem Gesichtpunkt der Vielfalt 55. Nach dem Konzept des „Diversity Managements“ stellen gemischt zusammengesetzte Belegschaften ein gesteigertes Innovations- und Kreativitätspotential dar. Hierin enthalten sind aus vergaberechtlicher Sicht insbesondere sozialgestalterische Zielsetzungen, die beispielsweise der Integration von Langzeitarbeitslosen, Frauen, Auszubildenden, älteren und behinderten Arbeitnehmern sowie Angehörigen ethnisierter Minderheiten dienen 56.

III. Rechtstechnische Berücksichtigung Ziekow beschreibt die verschiedenen Phasen des Vergabeverfahrens als 3Phasen-Modell 57. Die erste Phase beziehe sich auf das Verhalten des Bieters vor dem Angebot, die zweite Phase auf die Entwicklung der Leistungsperspektive im Angebot und die dritte Phase auf die Erbringung der Leistung nach dem 52 53 54 55 56 57

Meyer, N., Zielsetzungen, S. 68 m.w. N. Arrowsmith, Procurement, S. 799. Stürner, Wettbewerb, S. 88. Wiedmann, Vergabekriterien, S. 181 m.w. N. Siehe dazu im Einzelnen unten, IV. 4. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 40.

III. Rechtstechnische Berücksichtigung

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Zuschlag. Diese Sichtweise soll hier um eine vierte Phase erweitert werden, und im Vordergrund soll dabei die Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Belange in den einzelnen Phasen stehen. Zur Berücksichtigung von Sekundärzwecken im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens stehen dem Auftraggeber danach rechtstechnisch im Rahmen des Vergabeverfahrens vier wesentliche Ansatzpunkte mit unterschiedlich weitem Spielraum zur Verfügung: Erstens die Leistungsbeschreibung, in der er die Anforderungen des Auftrags festlegt. Zweitens kann er den Kreis der Teilnehmer am Vergabeverfahren so beeinflussen, dass sich überwiegend oder sogar ausschließlich „erwünschte“ Teilnehmer um den Auftrag bewerben. Auf der dritten Stufe des Vergabeverfahrens kann der Auftraggeber die Zuschlagskriterien so modifizieren, dass unter den Teilnehmern die erwünschten Bewerber mittelbar oder sogar unmittelbar bevorzugt werden. Schließlich kann er auf einer vierten Stufe „soziale Belange“ dadurch in das Vergabeverfahren einbringen, dass er nach Erteilung des Zuschlags die Beachtung bestimmter Ausführungsbedingungen vom Auftragnehmer verlangt 58.

1. Leistungsbeschreibung Im Grunde genommen geht der eigentlichen Leistungsbeschreibung 59 zunächst die Grundentscheidung über die Beschaffung als solche voraus. Sie erfolgt vor der Anwendung der einschlägigen Richtlinien und Gesetze und bezieht sich auf die Wahl des Auftragsgegenstandes. Bevor es zur Leistungsbeschreibung kommt, muss also erst einmal der Auftragsgegenstand festgelegt bzw. definiert werden. Dies setzt einen Bedarf voraus. Bedarf ist etwas grundsätzlich Relatives und deshalb auch nicht eindeutig und objektiv feststellbar. Dem Auftraggeber bietet sich schon bei der Bedarfsfeststellung erstmalig die Möglichkeit, soziale Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Zwar wird es einerseits Fälle geben, in denen ein bestimmter Bedarf unabweisbar besteht, und andererseits Fälle, in denen sich das Bestehen eines bestimmten Bedarfs unter keinem Gesichtspunkt begründen lässt 60. In dieser Phase stellt sich der öffentliche Auftraggeber erstmalig die Frage: „Will ich („Ob“) und was will ich überhaupt bauen oder kaufen?“ Bei der Festlegung des Auftragsgegenstands haben öffentliche Auftraggeber große Freiheiten in Bezug auf das, was sie erwerben wollen 61. Die Rechtsvorschriften im Bereich des öffentlichen Auftragswesens befassen sich weniger 58 59 60 61

Benedict, Sekundärzwecke, S. 36. Prieß, NZBau 2004, S. 20, 21 f.; ders., NZBau 2004, S. 87, 88. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 69. Schima, NZBau 2002, S. 1; Dageförde-Reuter, NZBau 2002, S. 597, 598 m.w. N.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

damit, was öffentliche Auftraggeber kaufen, als damit, wie sie es kaufen. Die Bestimmung des Auftragsgegenstandes unterliegt nicht den Vorschriften der VKR 62. Wie oben schon ausgeführt, unterliegt die Phase der Bedarfsdefinition auch nicht der Restriktion des § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL / A 63. Aus diesem Grund schränkt auch keine Vergabevorschrift den Gegenstand und die damit einhergehende Definitionsphase eines Auftrags als solchen ein. Schon in dieser Phase können konjunktur- oder sozialpolitische Erwägungen 64 ausschlaggebend sein 65. Art. 109 Abs. 3 GG sieht eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft vor, was in § 11 StabG konkretisiert wird. Danach ist die Planung von Investitionsvorhaben zu beschleunigen, wenn eine das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht (§ 1 StabG) gefährdende Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit zu erwarten ist 66. Der Auftraggeber könnte sich in dieser Phase auch beispielsweise für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen entscheiden, die die besonderen Bedürfnisse einer bestimmten Personengruppe erfüllen, insbesondere benachteiligter oder ausgegrenzter Personen 67. Allerdings ist die Freiheit bei der Festlegung des Auftrags nicht gänzlich unbegrenzt. Insofern bleibt zwar viel Raum für die Berücksichtigung von sozialen Belangen, jedoch nur, wenn dies ohne Marktverzerrungen geschieht, das heißt, ohne dass der Marktzugang begrenzt oder behindert wird 68. Auch hier sind die Grundfreiheiten des EGV sowie das Diskriminierungsverbot zu beachten 69. Der Auftragsgegenstand besagt, welches Produkt, welche Dienst- oder Bauleistung zu beschaffen ist. Generell wird dieser Prozess der Festlegung zu einer grundlegenden Beschreibung des Produkts bzw. der Dienst- oder Bauleistung führen 70. Schon ein öffentlichkeitswirksamer Titel kann in dieser Phase eine Botschaft übermitteln und so das Bewusstsein für eine soziale Beschaffung steigern. 62

Auch die früheren Richtlinien machten diesbezüglich keine Vorgaben; Kühling, VerwA 95 (2005), S. 337, 340; vgl. auch KOM (2001) 274 endg. v. 4. 7. 2001, S. 8. 63 Vgl. oben Kapitel 2, V. 2. e). 64 Nach Keynes antizyklischer Wirtschaftspolitik ist in Zeiten einer wirtschaftlichen Flaute die fehlende private Nachfrage durch eine vermehrte öffentliche Auftragsvergabe zu kompensieren; vgl. sogleich unten, IV. 2. a). 65 Neßler, DÖV 2000, S. 145, 148. 66 Schäfer, Auftragsvergabe, S. 57. 67 Vgl. KOM (2001) 566 endg., S. 7, 8; manche Dienstleistungsaufträge, die eine bestimmte soziale Kategorie betreffen, haben als solche eine soziale Zweckbestimmung (z. B. ein Auftrag über Fortbildungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose). Ein weiteres Beispiel sind Aufträge, die den Erwerb von Material / Informatikdiensten speziell für Behinderte betreffen; Schima, NZBau 2002, S. 1; vgl. auch unten, IV, 4. 68 Auch hier gelten die Bestimmungen des EG-Vertrages in Bezug auf das Diskriminierungsverbot, die Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Warenverkehrsfreiheit; vgl. bereits oben Kapitel 2, III. 2. b). 69 Schima, NZBau 2002, S. 1, 2. 70 Vgl. Handbuch der Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 14.

III. Rechtstechnische Berücksichtigung

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Es stellt also kein besonderes Problem aus vergaberechtlicher Sicht dar, wenn ein Auftrag eine soziale Zweckbestimmung hat 71. In diesem Rahmen können z. B. soziale Belange dergestalt berücksichtigt werden, dass der Bau eines Gebäudes einschließlich der Büromöbel barrierefrei und behindertengerecht sein solle, Fortbildungskurse nur für Langzeitarbeitslose 72 ausgeschrieben oder nur „ökologischer“ Strom gekauft werden soll 73. Dies hat allerdings vor allem unter Beachtung des Transparenzgrundsatzes und der Nichtdiskriminierung zu erfolgen 74. Hat der Auftraggeber die Definition des Auftrags vorgenommen und insbesondere den Auftragsgegenstand präzisiert, formuliert er die technischen Anforderungen. Dies ist die so genannte Leistungsbeschreibung, die in §§ 9, 9a, 9b VOB / A, §§ 8, 8a, 8b VOL / A sowie § 8 VOF näher geregelt ist. Hier können spezifische Materialien unter Berücksichtigung von Produktions- und Verarbeitungsmethoden gekauft werden. Der festgelegte Auftragsgegenstand muss in messbare technische Spezifikationen 75 umgesetzt werden, die in einem öffentlichen Beschaffungsverfahren direkt anwendbar sind. Nach der VKR sollten öffentliche Auftraggeber, wo immer dies möglich ist, technische Spezifikationen 76 festlegen, die das Kriterium der Zugänglichkeit für Personen mit einer Behinderung oder das Kriterium der Konzeption für alle Benutzer berücksichtigen 77. Die Auftraggeber haben die Möglichkeit, technische Spezifikationen festzulegen, die den Gegenstand des Liefer- oder Dienstleistungsauftrags genauer bestimmen. Die technischen Spezifikationen müssen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sein und dürfen die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern 78. Sie sind klar festzulegen, so dass alle Bieter wissen, was die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers umfassen. Dabei dürfen die Auftraggeber insbesondere verlangen, dass die ausgeschriebenen Produkte nach einem bestimmten Herstellungsverfahren produziert 71

Vgl. KOM (2001) 566 endg., S. 8. Denkbar wäre an dieser Stelle auch die Definition für alleinerziehende Mütter oder Menschen (Alte oder Jugendliche) mit Migrationshintergrund etc. 73 Hierzu sogleich im Einzelnen unten, IV. 74 Siehe oben Kapitel 2, VI. 2. 75 Unter technischen Spezifikationen sind bei öffentlichen Liefer- und Dienstleistungsaufträgen Anforderungen zu verstehen, „die in einem Schriftstück enthalten sind, das Merkmale für ein Erzeugnis oder eine Dienstleistung vorschreibt“. Bei öffentlichen Bauaufträgen werden sämtliche technischen Anforderungen an die Bauleistung und die verwendeten Materialien, Erzeugnisse und Lieferungen als technische Spezifikationen aufgefasst, die eine Bezeichnung zur Erfüllung des festgelegten Verwendungszwecks ermöglichen, vgl. zu den Definitionen Anhang VI, Ziffer 1 VKR. 76 Vgl. zur Begriffsbestimmung Anh. TS VOB / A1, hinter Anh. I; Anhang TS VOL / A, hinter Anh. II; Anhang TS VOF, hinter Anh. II. 77 Vgl. Art. 23 sowie Erwägungsgrund 29 VKR. 78 Vgl. Art. 23 Abs. 2 VKR. 72

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

werden, sofern dies bewirkt, dass sich das Produkt von anderen konkurrierenden Produkten unterscheidet und es den Bedürfnissen des Auftraggebers entspricht. Wichtig ist insbesondere bei den technischen Spezifikationen die Beachtung des Art. 23 Abs. 8 VKR 79. Dieser sieht ausdrücklich vor, dass nicht – sofern es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist – auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Gemäß Art. 23 Abs. 3 lit. b und Abs. 6 VKR sind z. B. Umwelteigenschaften ausdrücklich als technische Spezifikation zugelassen 80. Insofern können Leistungs- und Funktionsanforderungen künftig auch Umwelteigenschaften umfassen. Hierunter sind sämtliche Auswirkungen des Produkts auf die Ökosphäre zu verstehen 81. Auch können nunmehr „Produktionsprozesse und -methoden“ Gegenstand der Leistungsbeschreibung sein 82. Dadurch können über die dem Endprodukt anhaftenden Auswirkungen auf die Umwelt hinaus auch die umweltbezogenen Effekte bei seiner Erstellung berücksichtigt werden 83. Ferner kann zur Beschreibung der Anforderungen auf Normen, Siegel, Zertifikate und ähnliches zurückgegriffen werden 84. Diese Methode ist eindeutiger als eine freie und formlose Beschreibung der Anforderungen. Zu beachten ist, dass Unternehmen, die gleichwertige Leistungen erbringen, aber nicht dieser Norm folgen bzw. deren Produkt nicht das Siegel oder Zertifikat besitzen, und die Gleichwertigkeit auch nachweisen, gemäß Art. 23 Abs. 4 VKR nicht mit der Begründung, „den Normen sei nicht gefolgt oder das Siegel bzw. Zertifikat läge nicht vor“, abgelehnt werden dürfen. „Soziale Spezifikationen“ wurden nicht in Art. 23 VKR aufgenommen. Es existiert lediglich ein entsprechender Erwägungsgrund 34 85 der VKR, wonach Unternehmer verpflichtet sind, die Vorschriften über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen sowie die arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einschließlich kollektiver und individueller Rechte, die sich aus dem geltenden Arbeitsrecht, richterlichen Entscheidungen und allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen ergeben, einzuhalten 86. Geschieht dies nicht, ist es dem Erwägungsgrund zufolge möglich, die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen als schwere Verfehlung oder 79

Art. 23 Abs. 8 VKR wurde umgesetzt in § 8a Nr. 5 VOL / A; § 9 Nr. 10 VOB / A. Erwägungsgrund 45 SKR. 81 Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 341. 82 Anhang VI, 1. a. der VKR. 83 Vgl. Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 341. 84 Vgl. auch Art 23 Abs. 3 lit. a und Anhang VI der VKR; Beispiel: „Blauer Engel“; vgl. zu einer Auflistung bekannter Zertifikate und Siegel Hopf, apf 2006, S. 289, 297 f. 85 Erwägungsgrund 44 SKR. 80

III. Rechtstechnische Berücksichtigung

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als ein Delikt anzusehen, das die berufliche Zuverlässigkeit des Unternehmens in Frage stellt und dessen Ausschluss von dem Verfahren der Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Folge haben kann. Allerdings wird dies durch Art. 45 Abs. 2 lit. c VKR, der die Eignungsprüfung betrifft, wieder relativiert, da nur ein solcher Bewerber ausgeschlossen werden kann, der aufgrund eines nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates rechtskräftigen Urteils wegen eines Delikts verurteilt worden ist. Die Nichteinhaltung eines Tarifvertrages stellt in Deutschland aber kein Delikt dar. Die Funktionen der Technischen Spezifikationen 87 sind zweierlei: Einerseits beschreiben sie den Auftrag und bestimmen insofern das Wettbewerbsniveau, an dem sich Unternehmen orientieren. Andererseits enthalten sie messbare Anforderungen und stellen mithin Mindestkriterien dar, die die Angebote erfüllen müssen. Die Vorschriften der VOL / A sowie der VOB / A zur Leistungsbeschreibung sind überwiegend technischer Natur. Allerdings können Spezifikationen bestimmter Materialien oder umweltgerechte Produktionsmethoden aufgenommen werden, sofern diese relevant sind. Gütezeichen 88 können als Hilfe bei der Aufstellung der technischen Spezifikationen dienen sowie als Mittel für den Nachweis der Erfüllung der technischen Spezifikationen bei der Prüfung der Erfüllung der Anforderungen, solange sie für alle Betroffenen zugänglich und verfügbar sind. In § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL / A werden aber auch Ursprungsorte, Bezugsquellen und Verfahren erwähnt, wobei diese nur dann vorgeschrieben werden dürfen, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Damit sollen vor allem Diskriminierungen und willkürliche Beschränkungen des Wettbewerbs vermieden werden. Folglich könnten im Unterschwellenbereich grundsätzlich solche Bezugsquellen ausgeschlossen werden, die sich durch rechts- und sozialfeindliche Produktionsmethoden auszeichnen 89. 86 Das EU Parlament brachte diesen Erwägungsgrund ursprünglich als Änderungsvorschlag zu der VKR ein, vgl. Abänderung 51, S. 32 von Art. 27 Abs. 1a und 1b (neu) des Vorschlags KOM (2000) 275 – C5 – 036/2000 – 2000/0115 (COD) v. 30. 8. 2000. Die Kommission hat diesen Änderungsvorschlag allerdings nicht übernommen, sondern sich dafür entschieden, diesen als Auslegungshilfe im Rahmen eines Erwägungsgrundes heranzuziehen. Dabei ließ sie die Formulierung offen, ob Instrumente gemeint sind, die im Niederlassungsstaat des Unternehmens oder am Ort der Leistungserbringung gelten, wobei es offensichtlich um letzteres ging. Die Formulierung entstand nach langem Ringen im Parlament und den Ausschüssen. Der Industrieausschuss forderte, die Unternehmer sollten verpflichtet sein, die genannten Bestimmungen am Ort der Erbringung einzuhalten. Der Rechtsausschuss sprach stattdessen von für „allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen“. Das Kompromissangebot der SPE-Fraktion lautete „allgemein gültige“ Verträge. 87 Vgl. zur Begriffsbestimmung Anh. TS VOB / A1, hinter Anh. I; Anhang TS VOL / A, hinter Anh. II; Anhang TS VOF, hinter Anhang II; siehe auch unten Kapitel 5, I. 3. 88 Art. 23 VKR gestattet hier im speziellen „Umweltgütezeichen“ bei der Festlegung von umweltbezogenen Leistungs- und Funktionsanforderungen zu verwenden. 89 Maibaum, in: Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, S. 28.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Oberhalb der Schwellenwerte gilt § 8a VOL / A, der auf die technischen Spezifikationen Bezug nimmt. Nach § 8a Nr. 5 VOL / A darf, soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, in den zu verwendenden technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren hingewiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden 90. Verarbeitungs- und Produktionsmethoden dürfen im Rahmen der technischen Spezifikationen dann Erwähnung finden, wenn diese mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen 91.

2. Auswahl der geeigneten Unternehmen Die Auswahl der geeigneten Unternehmen erfolgt aufgrund der so genannten Eignungskriterien 92. Eignungskriterien beziehen sich ausschließlich auf die Auswahl der Bieter. In der Phase der Eignungsprüfung wird festgestellt, welche der Verfahrensteilnehmer die Eignung mitbringen, den Zuschlag zu erhalten. Insbesondere die persönliche Situation eines Bieters kann zum Ausschluss vom Vergabeverfahren führen. Im Wesentlichen geht es dabei gemäß Art. 45 VKR um den Ausschluss eines Bieters, wenn der Auftraggeber Kenntnis davon hat, dass dieser Bewerber oder Bieter aus einem der in Abs. 1 genannten Gründe rechtskräftig verurteilt wurde oder über sein Vermögen gemäß Abs. 2 ein Insolvenz- / Konkursverfahren eröffnet oder eine Verpflichtung zur Zahlung von Sozialbeiträgen nicht erfüllt oder Steuern und / oder Abgaben nicht abgeführt wurden 93. Es erfolgt also einerseits eine Negativauswahl der Bieter aufgrund negativer Auswahlkriterien 94. Bei der Positivauswahl andererseits konzentrieren sich diese Merkmale auf die Fähigkeit eines Unternehmens, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen. Mithin sind Eignungskriterien in drei verschiedene Bereiche zu unterteilen 95: erstens die persönlichen Gründe, die zum Ausschluss aus dem Verfahren führen, zweitens die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit und schließlich drittens die technische und berufliche Leistungsfähigkeit 96. § 97 90

Die Regelung entspricht Art. 23 Abs. 8 VKR. So z. B. bei der Beschaffung von Ökostrom, hierzu vgl. auch die Erörterungen zu den Umweltbelangen unten, IV. 3. 92 Siehe oben, Kapitel 1, III. 3. a). 93 So kann z. B. ein Bieter, der rechtskräftig wegen Nichteinhaltung nationaler Rechtsvorschriften, beispielsweise über das Verbot von Schwarzarbeit, verurteilt worden ist, gemäß Art. 45 VKR von einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. 94 Steinberg, Verbundaufgabe, S. 57. 95 Vgl. Art. 44 ff. VKR; Art. 54 Abs. 4 SKR mit Verweis auf die Ausschlussgründe der VKR. 96 Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 341. 91

III. Rechtstechnische Berücksichtigung

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Abs. 4 GWB, §§ 7, 7a VOL / A, §§ 8, 8a VOB / A zählen als Eignungskriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Unternehmen auf. Die in §§ 7, 7a VOL / A sowie in §§ 8, 8a VOB / A genannten Eignungskriterien lassen zumindest unmittelbar keine Berücksichtigung sozialer Belange zu. Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums 97 sind in Deutschland agierende Unternehmen verpflichtet, die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation zum Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit 98 zu beachten. Beachten sie diese Grundprinzipien und Rechte nicht, müssten sie prinzipiell wegen fehlender Zuverlässigkeit vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Insofern besteht Rechtssicherheit in Bezug auf Unternehmen, die selbst in der Produktion tätig sind. Schwierig erscheint die Beurteilung der Situation, in denen Unternehmen am Ende der Lieferkette stehen und weder Kenntnis von den Produktionsmethoden der eingekauften Handelsware haben noch direkten Einfluss auf diese ausüben können. Offen bleibt die Frage, ob und worin hier der Verstoß des Unternehmers gegen deutsche Gesetze liegt 99.

3. Zuschlagserteilung Die Zuschlagserteilung stellt die letzte Phase des eigentlichen Ausschreibungsprozesses dar. Aus den geeigneten Bewerbern ist derjenige auszuwählen, der den Zuschlag erhält 100. Der EuGH versteht unter Zuschlagskriterien all jene Parameter, die dem Vergleich der verschiedenen Angebote dienen 101. In dieser Phase bewerten die Beschaffungsverantwortlichen die Qualität derjenigen Angebote, die die technischen Spezifikationen erfüllen, um das geeignetste auszuwählen 102. Die Zuschlagskriterien beziehen sich also auf die Wertung der Angebote 103 untereinander hinsichtlich der für den Auftragsgegenstand festgelegten Anforderun97 Schreiben des BMWi v. 6. 3. 2008 zu ökologischen und sozialen Kriterien im Vergaberecht, veröffentlicht, abrufbar unter: http://www.eineweltnetzbayern.de/site _kinderarbeit/dokuwiki/_media/dokumente/brief_vom_bmwi_20080306.pdf?id=recht&c ache=cache (30. 11. 2008). 98 Übereinkommen 29 v. 28. 6. 1930 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO über Zwangs- und Pflichtarbeit am 1. 5. 1932 in Kraft getreten; Übereinkommen 182 v. 17. 6. 1999 der Internationalen Arbeitsorganisation über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit am 19. 11. 2000 in Kraft getreten; vgl. auch http://www.bayern-gegen-ausbeuterische-kinderarbeit.de/ (30. 11. 2008). 99 Maibaum in: Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, S. 23, 35. 100 Mayr, Vergaberecht, S. 211, spricht von der wohl auch wichtigsten Entscheidung im Vergaberecht. 101 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353, 354. – Beentjes. 102 Procura+Handbuch, ICLEI (Hrsg.), S. 27, abrufbar unter: http://www.procuraplus .org/index.php?id=5079 (30. 11. 2008). 103 Prieß, in: Prieß, Umbruch, S. 117, 119.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

gen. Die Zuschlagserteilung selbst soll auf der Grundlage objektiver, qualitativer Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden 104. Gemäß § 97 Abs. 5 GWB, §§ 25, 25a VOL / A, §§ 25, 25a VOB / A erhält derjenige Bieter den Zuschlag, dessen Angebot das „wirtschaftlichste“ ist 105. Die Auftraggeber haben bei dieser Konstellation neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien zu berücksichtigen. Diese Kriterien können beispielsweise die Qualität, die Ausführungs- und Lieferfristen, den Preis, die Betriebskosten, die Rentabilität, die Zweckmäßigkeit, der Kundendienst und die technische Hilfe, die Ästhetik, die technische Leistung oder die Umweltfreundlichkeit der Leistung betreffen. Dabei sind die Gewichtungen aller Zuschlagskriterien oberhalb der Schwellenwerte anzugeben 106. Einigkeit besteht dahingehend, dass diese Kriterien, nach denen sich die wirtschaftliche Günstigkeit beurteilt, nicht abschließend sind, da die bisherigen wie auch die neuen Richtlinien sie eben nur beispielhaft aufzählen 107. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Verfolgung von Sekundärzwecken im öffentlichen Auftragswesen war die Phase der Zuschlagserteilung besonders umstritten. Diese Diskussion wurde durch die Regelung des Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR beendet, der nunmehr zumindest „Umwelteigenschaften“ ausdrücklich als Zuschlagskriterium anführt. Die Berücksichtigung sozialer Aspekte betreffend findet sich in Art. 53 VKR kein Anhaltspunkt. Allerdings könnten sich für die Zuschlagsentscheidung unterhalb der Schwellenwerte aus § 25 Nr. 3 VOL / A zusätzliche Anhaltspunkte ergeben. Nach § 25 Nr. 3 VOL / A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Dabei geht aus der VOL / A nicht hervor, welche „Umstände“ hier berücksichtigt werden können. Mithin könnten an dieser Stelle neben produktbezogenen auch produktionsbezogene Faktoren einbezogen werden. Ein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand wie in § 25a VOL / A für den Oberschwellenbereich vorgesehen, ist nicht ersichtlich. In jedem Fall ist bei der Formulierung der Zuschlagskriterien oberhalb der Schwellenwerte zu beachten, dass diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, quantifizierbar sind, in Relation zu den anderen Zuschlagskriterien gewichtet und, um die Transparenz zu garantieren, in den Ausschreibungsunterlagen klar definiert sind. Für den Unterschwellenbereich gilt, dass diese die 104

Vgl. oben Kapitel 2, III. 2. b). Vgl. bereits oben Kapitel 1, III. 3. b). 106 Vgl. Art. 53 Abs. 2 VKR; § 10a lit. a VOB / A; § 9a lit. c VOL / A; vgl. auch Prieß, in: Prieß, Umbruch, S. 117, 123. 107 Vgl. auch Steinberg, Verbundaufgabe, S. 59, 60, der diese Kriterien als positive Zuschlagskriterien bezeichnet. 105

III. Rechtstechnische Berücksichtigung

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EG-Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot sowie das Transparenzgebot beachten müssen.

4. Ausführungsbedingung Eine weitere Möglichkeit zur Berücksichtigung sozialer Belange sind Ausführungsbedingungen 108. Hierbei handelt es sich um Vertragsinhalte und nicht um Bevorzugungsregelungen, die unmittelbar die Auswahl des Unternehmers beeinflussen. Sie sind Regeln darüber, wie der Vertrag ausgeführt werden muss. Sie verlangen ein bestimmtes Verhalten erst für die Zukunft 109 und haben keinen Einfluss auf den Zuschlag 110. Erst wenn der Zuschlag erfolgt ist, folgt als nächster Schritt der Vertragsabschluss. Dieser beurteilt sich nach nationalem Recht und ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. Die Ausführungsbedingungen müssen ebenfalls schon wegen des Transparenzgrundsatzes in den Ausschreibungsunterlagen genannt werden. Dabei ist wichtig, dass es sich bei den Bedingungen zur Ausführung eines Auftrages nicht um (versteckte) technische Spezifikationen, Auswahl- oder Zuschlagskriterien handelt 111. Schon früher knüpfte der Staat – neben der Einflussnahme im Wege der Förderung und der zeitlichen Variierung der Vergabe – die Auftragserteilung an Bedingungen, um den Bieter zu einem erwünschten Verhalten zu veranlassen 112. Insbesondere konnten dies auch Kriterien sein, die über den Beschaffungszweck hinausgehende Ziele verfolgten. Als Beispiele hierfür sind vor allem die Einhaltung von Tarifverträgen 113 oder die Einstellung von Langzeitarbeitslosen 114 anzuführen. Darüber hinaus wurden Auftragnehmer auch schon in Verträgen der Deutschen Bundesbahn verpflichtet, für Transporte die Dienste der Bahn in Anspruch zu nehmen, oder Auftragnehmer des Bundesministeriums für Forschung und Technologie wurden in Forschungs- und Entwicklungsverträgen angehalten, anfallende Luftreisen bei der (staatlichen) Lufthansa zu buchen. Im Vordergrund solcher Regelungen stand nicht der eigentliche Beschaffungszweck, sondern die Förderung dieser eigenen Verkehrsbetriebe 115.

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Steinberg, Verbundaufgabe, S. 54, bezeichnet diese Phase des Vergabeverfahrens als Vertragsgestaltung. 109 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 105. 110 Anders beurteilt dies Wiedmann, Vergabekriterien, S. 278. 111 Vgl. KOM (2001) 274 endg., S. 25 sowie KOM (2001) 566 endg., S. 18. 112 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 329 f. 113 Siehe sogleich unten, IV. 2. b). 114 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649; Böhm / Danker, NVwZ 2000, S. 767, 768; Gurlit, in: Koreuber / Mager, Gleichberechtigung, S. 153, 162; vgl. unten, IV. 4. d). 115 Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 149; Pietzcker, a.a. O., S. 330.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Der Auftragnehmende ist also verpflichtet, die Bedingungen bei der Ausführung der Arbeiten oder der Lieferung zu erfüllen. In der Regel sehen solche Vereinbarungen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen sowie teilweise auch Kontrollrechte für den Auftraggeber vor. Sanktionsmittel des Auftraggebers können die Belegung mit einer Vertragsstrafe sein oder die außerordentliche Kündigung bzw. Rücktritt sowie eine Auftragssperre. Summa 116 lehnt Ausführungsbedingungen als systemwidrig ab, da § 25 VOB / A bzw. § 25 VOL / A die Wertung der Angebote in vier Schritten vorsehe und zusätzliche Anforderungen für die Auftragsausführung hier nicht reinpassen würden. Auftragsausführungsbedingungen sehen in der Regel auch vor, dass die Auftragnehmer ihren eventuellen Subunternehmern dieselben vertraglichen Verpflichtungen auferlegen müssen 117.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht 1. Grundlagen Den in Kapitel 2 dargestellten nationalen, europäischen und internationalen Rechtsquellen ist gemeinsam, dass sie dazu dienen, die wirtschaftlich günstigste sowie eine zuverlässige Beschaffung sicherzustellen. Sie sollen gewährleisten, dass alleine die Versorgungsfunktion des öffentlichen Auftrags im Vordergrund steht. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung setzt voraus, dass diese diejenigen Sachmittel und Leistungen beschafft, die sie zur Erfüllung ihrer bestimmungsgemäßen Aufgaben benötigt 118. Demgegenüber erfüllt die Verfolgung von Sekundärzwecken eine weitergehende Funktion. Die öffentliche Hand hat eine Vorbildfunktion und sollte eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es um gesellschafts- und sozialpolitische Zielsetzungen geht. Mit anderen Worten: „Öffentliche Gelder“ müssen auch eine lenkende Funktion haben und öffentliches Interesse fördern. Extrem kurzsichtig wäre es, wenn man bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ausschließlich die Ausgabenseite betrachtet und den Wirkungsradius des öffentlichen Auftragswesens vernachlässigt 119. So sieht das auch ein SPD-Abgeordneter, wenn er sagt, dass „es noch nie so wichtig wie heute war, die Einnahmenseite vor 116 Vgl. dazu auch unten, Kapitel 5, II, 3.3.; Stellungnahme von Hermann Summa, Richter am OLG Koblenz zu dem Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1171, S. 4 ff. 117 Vgl. beispielhaft die Ausgestaltung verschiedener Landestariftreueerklärungen, dazu sogleich unten, IV. 2. b). 118 Schäfer, Auftragsvergabe, S. 32. 119 Vgl. dazu die Auswirkungen der Rechtsprechung des EuGH in Sachen „Rüffert“ (hierzu unten, V. 5), die dazu führt, dass sogar der Deutsche Bundestag seine „Fahrdienstleistungen“ nicht mehr an die Tariftreue binden kann und somit „indirekt“ Arbeitnehme-

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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allem durch die Erhaltung von Arbeitsplätzen zu berücksichtigen“ 120. So bringt die Berücksichtigung weitergehender Belange Vorteile für das Gemeinwohl sowie bei einer langfristigen Betrachtung eine volkswirtschaftliche Kostenersparnis mit sich, auch wenn diese nicht immer in Zahlen ausgedrückt werden können 121. Allerdings sind unterschiedliche Zwecke nur schwer in ein einheitliches Konzept einzuordnen. So lassen sich unter Umständen strukturpolitische Zielsetzungen nicht ohne weiteres mit der Förderung von KMU vereinbaren 122. Möglicherweise können sich verschieden ausgerichtete Zielsetzungen auch gegenseitig blockieren. Somit stehen die Versorgungs- und die Instrumentalfunktion in einem Spannungsverhältnis zueinander. Gemäß § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB werden „Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“ Diese Öffnungsklausel 123 ermöglicht die Berücksichtigung von Sekundärzwecken bei der öffentlichen Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte. Zunächst sah der Entwurf des Vergaberechtsänderungsgesetzes vor, dass „weitergehende Anforderungen“ an Auftragnehmer nur gestellt werden dürften, wenn dies durch Bundesgesetz vorgesehen ist 124. Diese Fassung konnte sich im Bundesrat aber nicht durchsetzen 125. „Bei Aufträgen, die nicht unter die Richtlinien fallen, steht es den Auftraggebern frei, im Rahmen der von ihnen vergebenen Aufträge soziale Ziele zu verfolgen, sofern sie dabei die Vorschriften und allgemeinen Grundsätze des EGVertrages einhalten. Es obliegt den Mitgliedstaaten zu bestimmen, ob die Auftraggeber wirtschafts- und strukturpolitische, sozial-, gesellschafts-, menschenrInnen zu nicht unbedingt angemessenen Vergütungen und Arbeitsbedinungen beschäftigt, vgl. dazu unten Kapitel 5, II. 3. sowie die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu „Möglichkeiten der Anwendung sozialer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe auf Bundesebene“ v. 13. 11. 2008, BT-Drucks. 16/10965. 120 Vgl. SPD-Abgeordneter Kaspereit in: Stenographischer Bericht zur 230. Sitzung des Deutschen Bundestages Bonn v. 23. 04. 1998, Plenarprotokoll 13/210, S. 21121, 21122. 121 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 101; vgl. auch unten Kapitel 5, II. 5. sowie die Studie des Instituts für Arbeit und Technik (idw), Tariftreue beeinflusst Kosten öffentlicher Aufträge wengier als vermutet v. 20. 6. 2002, abrufbar unter: http://www .uni-protokolle.de/nachrichten/id/3154/ (30. 11. 2008) und http://www.netzgut.de/politik /tariftreue_beeinflusst_kosten_oeffentlicher_27722.html (30. 11. 2008). 122 Prieß, Vergaberecht, S. 4. 123 Die Verankerung einer gesetzlichen Öffnungsklausel war der Kern einer kontroversen parlamentarischen Auseinandersetzung um die Einführung politischer Zielsetzungen im Vergabeverfahren, vgl. Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 36 ff. 124 Vgl. § 106 Abs. 3 VgRÄG, s. o. Kapitel 2, Fn. 23. 125 Sehr ausführliche Darstellung zum Gesetzgebungsprozess des Vergaberechtsänderungsgesetzes in: Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 36 ff.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

rechts-, gleichstellungs- und arbeitsmarktpolitische sowie ökologische Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verfolgen wollen bzw. müssen“ 126. Soll öffentliche Auftragsvergabe sozialgestalterisch erfolgen oder zumindest eine sozialbevorzugende Wirkung entfallen? Nach der Regelungstechnik können jedenfalls die sozialen Belange im Hinblick auf Bevorzugung, Ausschluss und Inpflichtnahme unterschieden werden 127. Es gibt Bevorzugungen im engeren und im weiteren Sinn 128. Bei Bevorzugungen im engeren Sinn wird dem Angebot eines Bieters aus einem bestimmten Personenbereich gegenüber anderen Mitbietern der Vorzug gegeben. Bei Bevorzugungen im engeren Sinn ist zudem zwischen echten und unechten Bevorzugungen zu unterscheiden. Eine unechte Bevorzugung liegt vor, wenn sie sich nicht auf den Preis, sondern nur prozedural auswirkt 129. Der bevorzugte Bieter erhält hier auf sein im Vergleich zu Mitbietern gleiches wirtschaftliches Angebot den Zuschlag, oder ihm wird die Möglichkeit eingeräumt, in ein wirtschaftlich günstigeres Angebot eines Konkurrenten zu dessen Konditionen einzutreten 130. Bei einer echten Bevorzugung hingegen erhält der bevorzugte Bieter auch dann den Zuschlag, wenn sein Angebot über dem wirtschaftlichsten eines anderen liegt 131. Wenn nur eine angemessene Beteiligung der bevorzugten Personengruppe an der Auftragsvergabe sichergestellt werden soll, stellt dies eine Bevorzugung im weiteren Sinne dar. Dies kann beispielsweise durch Aufforderung zur Angebotsabgabe, durch Streuung der Aufträge oder durch Klauseln über die Erteilung von Unteraufträgen durch den nicht-bevorzugten Vertragspartner erfolgen 132. So können durch entsprechende Ausgestaltung der Vergaben Unternehmen oder bestimmte Leistungen auch ausgeschlossen werden. Meist geschieht dies in der Weise, dass ihre Eignung negativ beurteilt wird oder ihre Leistungen nicht der Leistungsbeschreibung entsprechen 133. Eine Inpflichtnahme des Auftragnehmers liegt vor, wenn Zusatzbedingungen aufgestellt werden, die diesen zu einem bestimmten Verhalten in der Zukunft veranlassen bzw. verpflichten sollen 134. Hierunter lassen sich die in Art. 26 VKR 126 127 128 129 130 131 132 133 134

KOM (2001) 566 endg., S. 3. Vgl. Otting, StG 1996, S. 461, 463. Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 58 m.w. N. Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2287. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 59 m.w. N. Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2286. Püttner, Verwaltungslehre, S. 183 f. Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 59. Pietzcker, Staatsauftrag; S. 329; Meyer, N., a.a. O., S. 59.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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formulierten Ausführungsbedingungen subsumieren. Diese Art der Berücksichtigung weitergehender Belange erscheint besonders sozialgerecht und ist, wie im Folgenden noch erläutert werden soll 135, auch europarechtlich zulässig. Folgende Bereiche, die hier unterteilt sind in wirtschafts-, umwelt-, gesellschafts- und sozialpolitische Belange, werden in Deutschland klassischerweise mit der öffentlichen Auftragsvergabe verknüpft:

2. Wirtschaftspolitische Belange a) Gegensteuerung bei konjunkturellen Schwankungen Welter 136 schrieb schon in den 60er Jahren, dass die Dosierung öffentlicher Aufträge ein wichtiges Mittel der Konjunkturpolitik ist. So sieht das Stabilitätsund Wachstumsgesetz auch vor, dass konjunkturellen Schwankungen mit der Vergabe öffentlicher Aufträge gegengesteuert werden soll 137. Ein solcher konjunkturpolitischer Einsatz öffentlicher Aufträge wird durch das Stabilitätsgesetz nicht nur gebilligt, sondern sogar gefordert 138. Eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft wird von Art. 109 Abs. 3 GG vorgesehen. Einfachgesetzlich konkretisiert wird die Bindung der öffentlichen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen an die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch § 11 StabG, wonach bei einer die Ziele des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (§ 1 StabG) gefährdenden Abschwächung der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit die Planung von Investitionsvorhaben zu beschleunigen ist. Im Sinne einer antizyklischen Konjunkturpolitik wird in Phasen der Hochkonjunktur die Vergabe öffentlicher Aufträge gedrosselt, während die öffentliche Hand in einer rezessiven Periode verstärkt einkaufen sollte 139. So ist nach § 2 Nr. 3 VOB / A auch anzustreben, die Aufträge so zu erteilen, dass die ganzjährige Bautätigkeit gefördert wird 140. Die Instrumentalisierung öffentlicher Aufträge zu konjunkturellen Zwecken warf und wirft keine Probleme auf, da von einer solchen Instrumentalisierung nicht nur einzelne, sondern gerade alle Unternehmen betroffen waren 141.

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Vgl. Art. 26 VKR sowie unten Kapitel 5, I. 7. siehe auch schon oben, III. 4. Welter, Wettbewerbsordnung, S. 327. 137 Vgl. oben, II. 1.; Lange, in: Meessen, Forschungspolitik, S. 61, 62. 138 Vgl. Lange, in: Meessen, Forschungspolitik, S. 61, 62; Prieß; Vergaberecht, S. 2. 139 Stolz, Auftragswesen, S. 86 m.w. N.; vgl. auch Neßler, DÖV 2000, S. 145, 147, der darüber hinaus auch industrie- bzw. forschungspolitische Sekundärzwecke diskutiert. 140 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 57. 141 Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2286. 136

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

b) Tariftreueerklärungen Die Idee, durch öffentliche Auftragsvergabe im Bereich der Lohnpolitik Mindestziele zu erreichen, ist keine deutsche Erfindung. So wurde in den USA schon im Rahmen des „Regierens durch Vertrag“ 142 in den 30er Jahren 143 des vergangenen Jahrhunderts Rahmenbedingungen kreiert, nach denen Minimallöhne für die vom Vertragspartner beschäftigten Arbeiter und bestimmte Arbeitsbedingungen einzuhalten waren 144. Auch auf europäischer Ebene wurde im Laufe der historischen Entwicklung mehrmals versucht, Tariftreueerklärungen in die relevanten vergaberechtlichen Richtlinien einzufügen 145. Allerdings konnte sich insoweit das Europäische Parlament gegenüber dem Rat nicht durchsetzen. Der mit der Berücksichtigung von Sekundärzwecken einhergehende Konflikt zwischen Versorgungs- und Instrumentalfunktion des Beschaffungswesens trat in Deutschland bei den so genannten Tariftreueerklärungen 146 besonders stark zu Tage 147. Tariftreueerklärungen beinhalten, dass der Bieter im Falle einer Auftragserteilung Arbeitnehmer, die er zur Auftragsausführung einsetzt, entsprechend den am Leistungsausführungsort gültigen Tarifverträgen entlohnen werde. Seit Mitte der 90er Jahre wurden Tariftreueerklärungen in Deutschland im Baubereich von öffentlichen Auftraggebern zunächst ohne gesetzliche Grundlage durch Verwaltungsvorschriften in der Gestalt von Runderlassen verlangt 148. Mit der Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien im Jahre 1998 in §§ 97 – 129 GWB begann eine erneute Diskussion über die Zulässigkeit von Tariftreueerklärungen im Vergaberecht 149. Dabei geht es um die Frage, ob öffentliche Auftraggeber von den teilnehmenden Bietern bei der Abgabe ihres Angebotes eine solche 142

„Government by contract“ als Lenkungsinstrument. 1931 wurde der Davis-Bacon-Act für die Baubranche und 1936 der Walsh-HealeyAct für die übrige Bundesbeschaffung verabschiedet; vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 120 m.w. N. 144 Pietzcker, a.a. O., S. 120 m.w. N.; vgl. auch Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 92 ff. zu Arbeitsstandards in den USA; Thüsing, NJW 2002, S. 2071, 2072. 145 Vgl. Benedict, Sekundärzwecke, S. 94 ff. m.w. N.; Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 124 f. 146 Im Folgenden sind mit Tariftreueerklärungen nur die „konstitutiven“ gemeint und nicht die „deklaratorischen“, vgl. zu der Unterscheidung Arnold, Tariftreuerklärungen, S. 21 ff.; Dreher, JZ 2000, S. 519, 519. 147 Arnold, Tariftreueerklärungen, 16 ff.; Hopp, DB 2000, S. 29; ders., DB 2000, S. 469, 470; Kreiling, NZA 2001, S. 1118, 1121; Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 15, 16 f. 148 Vgl. dazu sehr ausführlich Reichert, Tariflöhne, S. 29 ff.; beispielhaft angeführt sei hier die Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung zur Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen durch vertragliche Verpflichtung zur Einhaltung der in Bayern geltenden Lohntarife und zur restriktiven Weitergabe an Nachunternehmen v. 2. 7. 1996, Nr. B III 2 – 515 – 152 (StAnz. Nr. 27/97). 149 Vgl. Kämmerer / Thüsing, ZIP 2002, S. 596, 597; Scholz, RdA 2001, S. 193, 195. 143

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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verpflichtende Erklärung verlangen können. Ausgangspunkt der Problematik ist die Formulierung des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB. Danach ermöglicht das Gesetz in Durchbrechung des numerus clausus der Eignungskriterien aus § 97 Abs. 4 HS. 1 GWB die Bindung der Auftragsvergabe an weitergehende Anforderungen, soweit diese „durch Bundes- oder Landesgesetz“ 150 vorgesehen sind 151. Begründet wird das Verlangen nach einer Tariftreueerklärung damit, dass es gerade im Baubereich durch den Einsatz von (häufig ausländischen) Niedriglohnkräften zu Wettbewerbsverzerrungen komme und dies zu einer Gefährdung der Arbeitsplätze insbesondere bei tarifgebundenen, mittelständischen Unternehmen führe 152. In arbeitsmarktpolitisch sensiblen Bereichen würden durch die Regelung Arbeitsplätze erhalten, die einen ausreichenden sozialen Schutz und ein angemessenes Einkommen gewährleisten, sowie Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme vermieden 153. Nach Vorstößen von Bayern 154 und NRW 155 wurde von der Bundesregierung ein Entwurf zu einem Bundestariftreuegesetz eingebracht 156. Allerdings konnte 150 Vgl. auch Reichert, Tariftreueerklärungen, S. 35 f. mit einer Übersicht über Landestariftreueerklärungen. Diese Möglichkeit nutzen soweit ersichtlich: Bayern, Gesetz über die Vergabe von Bauaufträgen im Freistaat Bayern (Bauaufträge-Vergabegesetz) v. 28. 6. 2000, BayGVBl., S. 364; Berlin, Erstes Gesetz zur Änderung des Berliner Vergabegesetzes v. 19. 3. 2008, GVBl., S. 80, Lesefassung des mit Wirkung v. 30. 3. 2008 geänderten Berliner Vergabegesetzes v. 9. 7. 1999, GVBl., S. 369; Bremen, Vergabegesetz für das Land Bremen v. 17. 12. 2002, GVBl., S. 594; Hamburg, Hamburgisches Vergabegesetz v. 18. 2. 2004, HmbGVBl. 2004, S. 97; Niedersachsen, Landesvergabegesetz Niedersachsen v. 2. 9. 2002, Nds. GVBl., S. 395; Nordrhein-Westfalen, Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen im Land Nordhein-Westfalen – Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen v. 17. 12. 2002, GV NRW 2003, S. 8, das allerdings inzwischen außer Kraft ist; Saarland, Gesetz über die Vergabe von Bauaufträgen im Saarland v. 23. 8. 2000, GVBl. Saarland, S. 1846; Sachsen-Anhalt, Gesetz über die Vergabe öffentlicher Bauaufträge im Land Sachsen-Anhalt v. 29. 6. 2001, GVBl., S. 234; SchleswigHolstein, Gesetz zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen – Tariftreuegesetz Schleswig-Holstein v. 7. 3. 2003, GVBl. für Schl.-H. Nr. 4, S. 136. 151 Die bis dahin auf der Grundlage von Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestehenden Tariftreueerklärungen der Länder sollten nach Ablauf einer Übergangsfrist bis 30. 06. 2000 keine Gültigkeit mehr haben. 152 Vgl. Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Errichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen v. 12. 12. 2001, BT-Drucks. 14/7796, S. 1; vgl. auch Kämmerer / Thüsing, ZIP 2002, S. 596, 602; vgl. Kling, EuZW 2002, S. 229, 233 f. 153 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 81; so auch Änderungsgesetz zum Berliner Vergabegesetz, Drucks. 18/1155 v. 13. 3. 2008, S. 7, unter Punkt F sowie S. 10 a.E. 154 Bayerische Bundesratsinitiative „Entwurf eines Gesetzes für Tariftreueerklärungen“ v. 21. 12. 2000, BR-Drucks. 438/00, S. 2 ff.; Ziel dieser Gesetzesinitiative war die Einfügung eines § 5a in das Tarifvertragsgesetz, der den Landesgesetzgeber ausdrücklich ermächtigen sollte, Bauaufträge im Sinne des § 99 Abs. 3 GWB nur an solche Unternehmen / Nachunternehmer zu vergeben, die Tariftreueerklärungen abgeben.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

ein Gesetz zur Tariftreue auf Bundesebene nicht realisiert werden 157. Es scheiterte an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates 158. Das mit einer solchen Gesetzgebung angestrebte Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes deutscher Arbeitnehmer bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge kann unter die Überschrift Einhaltung sozialer Mindeststandards subsumiert werden. Der Kartellsenat des BGH 159, der über eine Rechtsbeschwerde im Rahmen der Vergabe von Straßenbauaufträgen zu entscheiden hatte, hielt die Tariftreueregelung des Berliner Vergabegesetzes a.F. (§ 1 Abs. 1 S. 2) 160 für verfassungswidrig und setzte daher das Verfahren aus, um das Gesetz im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen. Die erwartete Entscheidung des Gerichts erging im Juni 2006. Dabei erachtete das Bundesverfassungsgericht die Tariftreueregelung des Berliner Vergabegesetzes für mit dem Grundgesetz und dem übrigen Bundesrecht vereinbar 161. Das Argument, dass eine Tariftreueerklärung zur Kostenexplosion führe, wurde 2002 von verschiedenen Wissenschaftlern des Instituts für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen untersucht 162. Dabei kam die Studie 163 zu dem Ergebnis, dass ohne Tariftreuegesetze zwar Löhne und Lohnnebenkosten niedriger lägen. Allerdings waren die Folge nicht niedrigere Baukosten, sondern die Bauqualität und die Investitionen in Ausbildung reduzierten und die Sozialkosten erhöhten sich. Insofern komme es gerade nicht zu höheren Kosten durch Tariftreuegesetze, vielmehr würde die Ausbildung von Lehrlingen und Facharbeitern gefördert und eine höhere Qualität garantiert 164. 155 Nordrhein-Westfälische Bundesratsintiative „Entwurf eines Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen“ v. 22. 6. 2001, BR-Drucks. 322/01; vgl. Reichert, Tariftreueerklärungen, S. 32 m.w. N. 156 Entwurf eines Gesetzes zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen v. 20. 2. 2002, BTDrucks. 14/8285. 157 Vgl. Kämmerer / Thüsing, ZIP 2002, S. 596, 602; Kling, EuZW 2002, S. 229, 230 f. 158 Beschluss des Bundesrates v. 31. 5. 2002, BR-Drucks. 367/02. 159 BGH, Urt. v. 18. 1. 2000, Az. KVR 23/98, NJW 2000, S. 1288 ff. – Tariftreueerklärung; vgl. auch Berrisch / Nehl, ZIP 2000, S. 435 ff. 160 Berliner Vergabegesetzes v. 9. 7. 1999, GVBl. S. 369. 161 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51 ff. 162 Vgl. FAZ v. 20. 2. 2002 – „Tariftreue bedeutet keine Kostenexplosion“, abrufbar unter FAZ.NET: http://www.faz.net/s/RubA24ECD630CAE40E483841DB7D16F4211/Doc ~E6A362DDE6A5844769B59D6E28A9344EA~ATpl~Ecommon~Scontent.html (30. 11. 2008). 163 Vgl. zur Studie: „Der andere Blick über den Atlantik: Institut Arbeit und Technik untersuchte Vergabegesetze in den USA und ihre Auswirkungen“, abrufbar unter: http ://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/3154/ (12. 12. 2008); vgl. auch unten Kapitel 5, II, 5.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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Die europarechtliche Zulässigkeit der Tariftreueerklärung könnte sich aus Art. 95 Abs. 5 EGV ergeben. Danach können nationale Bestimmungen als Ausnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften nach Erlass der Harmonisierungsmaßnahme eingeführt werden, wenn gem. Art. 95 Abs. 5 der Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt bezweckt wird. Hier käme der Bereich der Arbeitsumwelt in Betracht. Zudem darf kein Verstoß gegen Art. 95 Abs. 6 EGV gegeben sein 165. Darüber hinaus muss für den betreffenden Mitgliedstaat ein spezifisches Problem bestehen, das erst nach Erlass der Harmonisierungsmaßnahmen aufgetreten sein darf 166. Außerdem müssen die nationalen Bestimmungen notwendig und verhältnismäßig sein. Eine Europarechtskonformität könnte zudem konkret aus Art. 27 Abs. 1 und 2 VKR folgen. Danach können öffentliche Auftraggeber von den Bietern oder Beteiligten eines Vergabeverfahrens die Angabe verlangen, dass sie „bei der Ausarbeitung ihres Angebots“ den Verpflichtungen hinsichtlich der „Arbeitsschutzbestimmungen“ und „Arbeitsbedingungen“, die dort gelten, wo die Arbeiten auszuführen sind, Rechnung getragen haben. Subsumiert man unter „Arbeitsbedingungen“ auch „Lohnbedingungen“, die gegebenenfalls durch tarifliche Rechtsnormen geregelt werden können, ist es nahe liegend, dass die VKR davon ausgeht, dass es am „Ort der Leistungserbringung“ einschlägige Lohnvorschriften gibt, die entsprechend den nationalen Besonderheiten gelten 167. Darüber hinaus könnte sich die Europarechtskonformität aus Art. 26 VKR ergeben. Danach können soziale Belange unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Auftragsausführung berücksichtigt werden. Dann müsste die Tariftreueerklärung eine soziale Ausführungsbedingung sein. Tariftreueerklärungen verfolgen einerseits die Erhaltung sozialer Mindeststandards und tragen damit zur Entlastung der bei hoher Arbeitslosigkeit oder bei niedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genommenen Systeme der sozialen Sicherheit bei 168. Andererseits soll es Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen, die ihre Arbeitskräfte nach den in Berlin geltenden Tarifen entlohnen, und Unternehmen, die teilweise deutlich geringere Entgelte zahlen, verhindern, um so einem Verdrängungswettbewerb entgegenzuwirken 169. In Landesvergabegesetzen werden die Tariftreueer164 Anders in BT-Drucks. 14/8285 v. 20. 2. 2002, Gesetzentwurf der Bundesregierung zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen, S. 2. Danach würde ein „Bundestariftreuegesetz“ zur Verteuerung von öffentlichen Bauaufträgen um schätzungsweise 5% führen. 165 Schäfer, Auftragsvergabe, S. 289 ff. 166 Schäfer, a.a. O., S. 291 m.w. N. 167 Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 100. 168 So z. B. zur Sicherung des Existenzminimums durch Hartz IV-Empfang trotz entgeltlicher Arbeit; vgl. hierzu auch die Begründung des aktuellen Berliner Vergabegesetzes, Abgeordnetenhaus Berlin, Drucks 16/1155 v. 5. 2. 2008 – Vorlage – zur Beschlussfassung – Erstes Gesetzes zur Änderung des Berliner Vergabegesetzes, S. 5. 169 Siehe vorhergehende Fußnote.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

klärungen als Ausführungsbedingungen formuliert. Zudem sind die Tariftreueerklärungen soweit ersichtlich auch mit dem Diskriminierungsverbot des EGV vereinbar. Einer Europarechtkonformität der Tariftreueerklärungen steht aber nach einem Urteil des EuGH 170 nunmehr die Arbeitnehmerentsenderichtlinie 171 entgegen. Das Oberlandesgericht Celle 172 hat am 03. 08. 2006 einen Vorlagebeschluss zum Europäischen Gerichtshof gefasst, um klären zu lassen, ob die Regelung des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB, insbesondere das Verlangen einer Tariftreueerklärung aufgrund des Niedersächsischen Landesvergabegesetzes, mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit und der Arbeitnehmerentsenderichtlinie vereinbar ist 173. Die am 3. April 2008 hierzu ergangene Entscheidung des EuGH 174 wurde wegen einer eventuellen Signalwirkung für andere Landesvergabegesetze mit besonderer Spannung erwartet. Der EuGH vertritt die Ansicht, dass die niedersächsische Tariftreueerklärung, die nach dem Landesvergabegesetz als Ausführungsbedingung formuliert ist, mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar ist 175. Tariftreueklauseln, die nicht auf der Grundlage eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages gefordert werden, seien nicht mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie vereinbar, die im Lichte der Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV auszulegen sei. Eine Rechtfertigung aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes komme nicht in Betracht. Zwar wird dieses Urteil erhebliche Konsequenzen sowohl für die vergaberechtliche Gesetzgebung als auch für die Praxis haben. Auch werden aktuell erlassene oder sich im Gesetzgebungsprozess befindende Landesvergabegesetze bzw. Tariftreuegesetze (erneut) überarbeitet werden müssen. So haben einige Bundesländer ihre Tariftreueerklärungen mit sofortiger Wirkung außer Kraft

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Vgl. unten, V, 5. Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18 v. 21. 1. 1997, S. 1. 172 OLG Celle, Beschl. v. 03. 08. 2006, Az. 13 U 72/06, VergabeR 2006, S. 756 ff.; vgl. dazu auch Anmerkungen Losch, VergabeR 2006, 760, 761, die die Klärungsbedürftigkeit durch den EuGH als zweifelhaft ansah. 173 Die Kommission stellte in ihrer Mitteilung KOM (2001), 566 endg., S. 24 jedenfalls ihre Meinung bzgl der Unvereinbarkeit der Tariftreueerklärung mit europäischem Recht wie folgt klar: „Der Ausschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen, das den für den betreffenden Sektor im Land des Auftraggebers geltenden Tarifvertrag nicht unterzeichnet hat, von der Beteiligung an einer Ausschreibung würde nicht nur gegen die Vergaberichtlinien verstoßen, sondern auch einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit sowie gegebenenfalls gegen die Niederlassungsfreiheit darstellen.“ 174 EuGH, Urt. v. 03. 4. 2008, Rs. C-346/06, NZBau 2008, S. 332 ff. – Rüffert. 175 Die Entscheidung wird näher unter Kapitel 3, V. 5. dargestellt. 171

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gesetzt, da die Regelung im Kern dem niedersächsischen Landesvergabegesetz entspreche 176. Allerdings sollte aus der Entscheidung nicht der voreilige Schluss gezogen werden, dass Tariftreueerklärungen per se europarechtswidrig und somit nicht zulässig seien. Im Rahmen der Entscheidung und der erarbeiteten Leitlinien für Tariftreueerklärungen erscheint eine europarechtskonforme Ausgestaltung möglich, wenn mehr Tarifverträge in Deutschland für allgemeinverbindlich erklärt würden und die Landesgesetzgeber diese als Ausführungsbedingungen formulieren würden. Darüber hinaus sind auch Mindestlöhne, die im Landesvergabegesetz festgelegt sind, unproblematisch 177. So wäre eine Ausgestaltung, die für die bei der Leistungserbringung vorzunehmenden Arbeiten in den Vergabeunterlagen Mindestlöhne festlegt, die den Tariflöhnen entsprechen, mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar und mithin europarechtskonform 178. Es zeichnet sich ab, dass nach Ablehnung des EuGH die Landesvergabegesetze künftig Mindestlöhne statt Tariftreueerklärungen als Ausführungsbedingungen vorsehen können 179. c) Bekämpfung illegalen Verhaltens Durch das öffentliche Auftragswesen wird zunehmend auch illegales Verhalten bekämpft 180. So sieht das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz 181 eine Auf176 Vgl. Dobmann, VergabeR 2008, S. 485, 486; beispielhaft Bayern, abrufbar unter: http://www.innenministerium.bayern.de/imperia/md/content/stmi/bauen/themen/ vergabe_vertragswesen/gesetze/aussetzung_tariftreueerklaerung_rs_080422.pdf (22. 09. 08) und Berlin: http://www.berlin.de/vergabeservice/rechtsverwaltvorschr/rechtsquellen .html (22. 09. 08). 177 Siehe auch das neu beschlossene Berliner Vergabegesetz, in dem nicht nur die Berücksichtigung des Tariflohns formuliert wird, sondern auch ein Mindestlohn i.H.v. 7,50 Euro für jede Branche, wenn kein Tariflohn vorhanden ist, vgl. § 1. a) bb) Vorlage zur Beschlussfassung über das Erste Gesetz zur Änderung des Berliner Vergabegesetzes, Abgeordnetenhaus Berlin, Drucks. 16/1155 – 2 v. 13. 3. 2008; vgl. auch Dobmann, VergabeR 2008, S. 484, 485. 178 Vgl. EuGH, Urt. v. 23. 11. 1999, Verbundene Rs. C-369/96 und C-376/96, Slg., S. I-8453, Rn. 41 f. – Arblade. 179 Siehe auch Steiff / André, NZBau 2008, S. 364; vgl. Amann / Schwenn, Öffentliche Auftragsvergabe – Bundesländer planen Aussetzung der Tarifbindung, FAZ.NET v. 4. 4. 2008, abrufbar unter: http://www.faz.net/s/Rub0E9EEF84AC1E4A389A8DC6C23 161FE44/Doc~E65CFA185AE41441FB3EB9E71083A9056~ATpl~Ecommon~Scontent .html (7. 11. 2008). 180 Dabei geht es um illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit, Korruption sowie Preisabsprachen, vgl. Noch, Rechtsschutz (1998), S. 52 ff. 181 Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung – Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz v. 23. 7. 2004, BGBl. I, S. 1842, zuletzt geändert durch Art. 4a des Gesetzes v. 7. 9. 2007, BGBl. I, S. 2246.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

tragssperre für bestimmte Bewerber vor: Nach § 21 SchwarzArbG werden von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen Bauauftrag der in § 98 Nr. 1 bis 3 und 5 GWB genannten Auftraggeber Bewerber bis zu einer Dauer von drei Jahren ausgeschlossen, deren nach Satzung oder Gesetz Vertretungsberechtigte nach den in Abs. 1 Nr. 1 –3 genannten Regelungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als neunzig Tagessätzen verurteilt oder mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500,- Euro belegt worden sind. Das bezieht sich auf bestimmte Verstöße gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz 182 selbst sowie gegen das Sozialgesetzbuch 183, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz 184 und das Strafgesetzbuch 185. Nach OECD-Studien können die Kosten öffentlicher Beschaffung durch Korruption um bis zu 20 % steigen 186. Insofern macht die Bekämpfung illegalen Verhaltens durch die Auftragsvergabe auch Sinn. Bayern hat beispielsweise eine Richtlinie zur Bekämpfung und Verhütung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung 187 erlassen sowie eine Bekanntmachung zur Bekämpfung von Schwarzarbeit auch durch das öffentliche Auftragswesen 188. Dem Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge kommt eine Sanktions- und Abschreckungsfunktion zu 189. Diese tritt insofern neben das Straf-, Ordnungswidrigkeiten- und Kartellrecht. Inwiefern es sich bei Auftragssperren, die sich aus dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz ergeben, auch um Sekundärzwecke handelt, ist zwar fraglich. Festzuhalten ist allerdings, dass mit der Bekämpfung illegalen Verhaltens letztlich der Schutz des jeweiligen Rechtsgutes verfolgt wird. Deutlich wird dies insbesondere bei Verstößen gegen arbeits-, steuer- oder sozialrechtliche Vorschriften 190, die jedoch nicht im Kern dieser Untersuchung stehen sollen. 182

Vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2, §§ 9 – 11 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Vgl. § 404 Abs. 1 oder 2 Nr. 3 SGB III. 184 Vgl. §§ 15, 15a, 16 Abs. 1 Nr. 1, 1b oder 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. 185 Vgl. § 266a Abs. 1 – 4 StGB. 186 OECD, DAC Network on Governance: Synthesis Report of Lessons Learned of Donor Practices in Fighting Corruption, DCD / DAC / GOVNET (2003), 1, abrufbar unter: http://www.oecd.org/dataoecd/14/44/19936969.pdf (30. 11. 2008). 187 Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung (Korruptionsbekämpfungsrichtlinie – KorruR), Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung v. 13. 04. 2004, Az. B III 2 – 515 – 238, AllMBl Nr. 4/2004. 188 Bekämpfung von Schwarzarbeit, illegaler Ausländerbeschäftigung, Vorenthalten von Sozialabgaben und Steuerhinterziehung (Schwarzarbeit, illegale Ausländerbeschäftigung – SchwArbBekämpf), Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 28. 07. 1998, AllMBll S. 643, StAnzNr. 32), geändert durch Bekanntmachung vom 06. 11. 2001, AllMBll S. 660, StAnz Nr. 46, http://www.innenministerium.bayern.de /imperia/md/content/stmi/bauen/themen/vergabe_vertragswesen/gesetze/4307.pdf (30.11. 2008). 189 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 91. 190 Vgl. hierzu m.w. N. Noch, Rechtsschutz, S. 55 ff.; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 92. 183

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d) Regionale Förderung durch Präferenzregelungen Durch Verwaltungsvorschriften, die der bevorzugten Vergabe öffentlicher Aufträge an Unternehmen aus „notleidenden Gebieten“ 191 dienten, und später durch die Richtlinien für die bevorzugte Berücksichtigung von Unternehmen aus dem Zonenrandgebiet und West-Berlin 192, die mit § 2 Nr. 3 Zonenrandförderungsgesetz 193 eine gesetzliche Grundlage erhielten, sollten benachteiligte Regionen gefördert werden. Nach einem Runderlass des Bundeswirtschaftsministeriums 194 konnten Bieter nach der „Wende“, wenn sie ihren Sitz in den neuen Bundesländern oder Ost-Berlin hatten oder erklärten, zu mehr als 50 % mit Subunternehmen zusammenarbeiten, die ihren Sitz in den neuen Bundesländern haben, auch dann den Zuschlag erhalten, wenn sie lediglich das zweitgünstigste Angebot abgegeben haben, oder es konnte ihnen Gelegenheit gegeben werden, auf das Angebot des günstigsten Bieters einzusteigen und auf diese Weise den Zuschlag zu erhalten 195. Allerdings sind aktuelle Regionalförderungen in Deutschland nicht ersichtlich. Bei einer Bevorzugung aufgrund der Ortsansässigkeit liegt in jedem Fall 191 § 24 Nr. 3 S. 3 VOL / A in der Fassung 1932/36 (in Geltung bis 1984). Als solche Gebiete waren in der Hauptsache das Zonenrandgebiet und Berlin (West) anerkannt, s. § 1 b) der Richtlinie für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 31. 3. 1954, BAnz. Nr. 68; Bekanntmachung über die Anerkennung notleidender Gebiete v. 3. 4. 1954, BAnz. Nr. 68, geändert durch Bekanntmachung v. 28. 11. 1957, BAnz. Nr. 236. 192 Richtlinie v. 11. 8. 1975, BAnz. Nr. 152, S. 1, aufgehoben mit Richtlinie v. 1.7.1991, BAnz. Nr. 130, S. 4645, und Vorgängerrichtlinien. Auch diese Richtlinien haben die Länder mehr oder weniger übernommen, siehe z. B. für NRW den genannten Runderlass des MWi v. 14. 6. 1976, MBl., S. 1458. 193 Vgl. auch Pietzcker, Staatsauftrag, S. 330; ZonenrandförderungsG v. 5. 8. 1971, BGBl. I, S. 1237; zuletzt geändert durch Art. 8 § 2 des Gesetzes v. 6. 6. 1994, BGBl. I, S. 1184, 1193. § 2 war letztmals für das Haushaltsjahr 1990 im Rahmen der im Bundeshaushaltsplan dafür bereitgestellten Mittel anzuwenden, siehe § 13 Abs. 3 ZonenrandförderungsG in der durch Art. 5 Nr. 2 des Gesetzes v. 24. 6. 1991, BGBl. I, S. 1322, 1331, geänderten Fassung. Berliner Betriebe wurden v. ZonenrandförderungsG allerdings nicht erfasst, insofern blieben die Richtlinien die alleinige Rechtsgrundlage. 194 Erlass des BMBau v. 26. 6. 1991, BAnz. Nr. 124, S. 4467 (zur VOB); Erlass des BMWi v. 15. 5. 1992, BAnz. Nr. 94, S. 4153 (zur VOL); jeweils mit nachfolgenden Änderungen und Verlängerungen, siehe zuletzt: Erlass des BMWi v. 15. 11. 1993, BAnz. Nr. 227, S. 10455, 10456 (zur VOL); Erlass des BMBau v. 14. 10. 1993, BAnz. Nr. 201, S. 9679 (zur VOB); Runderlass. des MWi v. 11. 12. 1995, MBl., S. 2461; verlängert bis 31. 12. 1998 durch Runderlass des MWi v. 24. 10. 1996, MBl., S. 2438; bis 31. 12. 2000 durch Runderlass des MWi v. 1. 9. 1998, MBl. 1995; bis 31. 12. 2002 durch Runderlass des MWi v. 23. 11. 2000, MBl., S. 1439. Bei den „Regionen mit Entwicklungsrückstand“ handelt es sich um die sog. Ziel-1-Gebiete im Sinne der EG-Strukturfonds-Verordnung, s. die Erläuterungen unter Punkt II des Runderlass des MWi LSA v. 16. 7. 1996, MBl., S. 2358 (Erlass betreffend Leistungen von Architekten und Ingenieuren). 195 Vgl. auch Hertwig, Auftragsvergabe, S. 6.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV sowie meist eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EGV vor 196. Auch ist aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes sowie des Diskriminierungsverbotes die Rechtsprechung des EuGH bezüglich regionaler und nationaler Präferenzen sehr restriktiv 197. Insofern sind solche Regelungen – soweit ersichtlich – weder in Deutschland noch in anderen Mitgliedstaaten zu finden. e) Mittelstandsförderung Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts initiierte der us-amerikanische Congress ein Programm der Mittelstandshilfe, bei dem Beschaffungsverträge die Funktion von Subventionen übernahmen 198. Später wurde dieses Programm erweitert, um auch kleinere Unternehmen, die im Besitz von Angehörigen von besonderen Minoritäten sind, zu fördern 199. Unter anderem gehört zu den Aufgaben der Small Business Administration, dass kleine und mittlere Unternehmen einen bestimmten Prozentsatz an öffentlichen Aufträgen erhalten 200. Diesem Modell schloss sich auch die deutsche Mittelstandspolitik an, indem sie zur Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen und damit zur Verstärkung sowie zur Verwirklichung des Wettbewerbs ein Mittelstandsprogramm ins Leben rief 201. Ursache dieser Art von Mittelstandspolitik war eine überproportionale Beteiligung großer Unternehmen an Staatsaufträgen, da die Kapazitäten von Großunternehmen die der mittleren und kleineren Unternehmen beträchtlich überstiegen. Größere Unternehmen wiesen oftmals eine günstigere Kostenstruktur und eine bessere Ausstattung sowie besseres Know How auf. So flossen 1976 denn auch nur 12 % der Ausgaben des Bundes für Forschungs- und Entwicklungsaufträge an klein- und mittelgroße Unternehmen 202. Es wurde eine starke Tendenz öffentlicher Stellen bezüglich der 196

Vgl. oben Kapitel 2, III. 2. b) sowie unten Kapitel 4, II. 1. a). EuGH, Urt. v. 20. 3. 1990, Rs. C-21/88, Slg., S. I-889, Rn. 7f. – Du Pont de Nemours Italiana; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1991, Rs. C351/88, Slg., S. I-36641, Rn. 7 f. – Laboratori Bruneau; EuGH, Urt. v. 3. 6. 1992, Rs. C-360/89, Slg., S. I3401, Rn. 16 f. – Kommission / Italien; EuGH, Urt. v. 22. 6. 1993, Rs. C-243/89, Slg., S. I-3353, Rn. 32, 66, 69 – Storebaelt. 198 Small Business Programm in den USA, näheres hierzu: Pietzcker, Staatsauftrag, S. 121 ff., Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 85. 199 Insbesondere galt dies Unternehmen, die der Wiedereingliederung von Vietnamveteranen dienten, die bevorzugte Einstellung von Menschen mit Behinderungen vorantrieben, und der Durchsetzung von Umweltschutzbestimmungen, vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 121 m.w. N. 200 Vgl. Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 85 m.w. N. 201 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 315 ff. 202 Unterrichtung durch die Bundesregierung – Faktenbericht 1977 zum Bundesbericht Forschung, BT-Drucks. 8/1116, S. 14, abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21 /btd/08/011/0801116.pdf (30. 11. 2008). 197

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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bevorzugten Vergabe von Aufträgen an große Unternehmen beobachtet. Dem sollte Einhalt geboten werden. Das Gebot des Mittelstandsschutzes dient der Herstellung der Chancengleichheit 203 kleiner und mittlerer Unternehmen 204 im Vergleich zu Großunternehmen 205. Auf Landesebene ergingen dann schließlich verschiedene Mittelstandsförderungsgesetze 206. In Bayern gibt es beispielsweise eine Richtlinie für die Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen und freier Berufe bei der Vergabe öffentlicher Aufträge 207, die unter anderem regelt, welche Regelungen der VOB und VOL im Interesse der KMU besonders zu beachten sind, ferner auch die Unterteilung in Unteraufträgen bei Großaufträgen. Durch die Einführung der losweisen Vergabe sollten auch kleine und mittlere Unternehmen eine größere Chance erhalten, an Vergabeverfahren teilzunehmen und Aufträge zu erhalten 208. So ist unter anderem die Einführung des § 97 Abs. 3 GWB für Vergaben oberhalb der Schwellenwerte ein Ergebnis der deutschen Mittelstandspolitik 209. Unterhalb der Schwellenwerte ist § 5 Nr. 1 VOL / A zu beachten. Danach hat der Auftraggeber in jedem Fall, in dem dies nach Art und Umfang der Leistung zweckmäßig ist, diese in Lose zu zerlegen, damit sich auch kleine und mittelständische Unternehmen um Lose bewerben können. In § 4 Nr. 2, 3 VOB / A finden sich Legaldefinitionen für Teil- und Fachlose. Gemäß § 4 Nr. 2 sind umfangreiche Bauleistungen möglichst in Lose zu teilen und nach Losen zu vergeben (Teillose), und gemäß § 4 Nr. 3 S. 1 VOB / A sind Bauleistungen verschiedener Handwerks- oder Gewerbezweige in der Regel nach Fachgebieten oder Gewerbezweigen getrennt zu vergeben (Fachlose). § 7 Nr. 3 VOL / A schreibt vor, dass bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe regelmäßig auch KMU in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern sind. Darüber hinaus 203

Vgl. auch die Regelung § 4 Abs. 5 VOF, die auch der Chancengleichheit von kleineren Büroorganisationen sowie von Berufsanfängern dienen soll, siehe dazu Hopf, Vergabemanagement, S. 88. 204 Zur KMU-Definition und quantitativer Abgrenzung vgl. Hopf, Vergabemanagement, S. 201, 202. 205 Hopf, a.a. O., S. 80. 206 Vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 317. 207 Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung v. 04. 12. 1984, StAnz. Nr. 49, geändert durch Bek. v. 06. 11. 2001, StAnz. Nr. 46, AllMBl. S. 667, abrufbar unter: http:/ /www.innenministerium.bayern.de/imperia/md/content/stmi/bauen/themen/vergabe_vertr agswesen/gesetze/mittelstandsrl_oeffentliches_auftragswesen.pdf (22. 09. 08). 208 Vgl. Burgi, NZBau 2006, S. 606, 608 ff. arbeitet heraus, dass mittelstandsfreundliche Vergabe nicht an regionale, sondern an strukturelle Gegebenheiten anknüpft und das Ziel nicht Ergebnis-, sondern Chancengerechtigkeit sei; vgl. auch Willems, Mittelstand, S. 56 f. 209 Entsprechende Regelungen finden sich auch in der Verdingungsordnung für Leistungen (§ 5 VOL / A), in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (§ 4 VOB / A) und in der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (§ 4 VOF).

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

bestimmt § 10 Nr. 2 Abs. 1 VOL / A, dass in den Verdingungsunterlagen festzulegen ist, dass der Auftragnehmer bei der Einholung von Angeboten für Unteraufträge regelmäßig kleine und mittlere Unternehmen angemessen beteiligt. Obwohl diese Regelungen sehr weich formuliert sind, beinhalten solche Formulierungen in jedem Fall eine gewisse Begünstigung von KMU im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens 210. Die gesetzliche Verankerung der mittelständischen Interessen sollte vor allem Wettbewerbsnachteile beseitigen bzw. ausgleichen, denen kleine und mittlere Unternehmen ausgesetzt sind. Mithin stellt dies eine strukturpolitische Maßnahme dar, die im Spannungsverhältnis zwischen der wirtschaftlich günstigsten Beschaffung einerseits und der Erhaltung eines breiten Mittelstandes 211 andererseits steht. Auf eine mittelstandsbezogene Ausgestaltung des Vergaberechts soll auch weiterhin geachtet werden. So hat sich an der Formulierung des § 97 Abs. 3 GWB bisher nichts geändert. Darüber hinaus ist es sogar ein besonders wichtiges Anliegen der aktuellen Regierungskoalition, dass auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe die mittelständischen Strukturen der deutschen Wirtschaft berücksichtigt werden müssen 212. Dies spiegelt sich auch im Beschluss der Bundesregierung über Schwerpunkte zur Vereinfachung des Vergaberechts im bestehenden System wider 213. Danach ist „zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung im Mittelstand auf eine mittelstandsgerechte Ausgestaltung des künftigen Vergaberechtes besonders zu achten“ 214. Darüber hinaus sieht auch der aktuelle Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts eine Verstärkung der Wirkung des § 97 Abs. 3 GWB vor, in dem nur in begründeten Fällen keine Losvergabe stattzufinden hat 215. Nach verbreiteter Ansicht enthält § 97 Abs. 3 einen allgemeinen Förderauftrag an die öffentlichen Auftraggeber zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen im Rahmen des Anwendungsbereichs des GWB 216. Dies sei aus der Verpflichtung, die Interessen des Mittelstands angemessen zu berücksichtigen, abzuleiten. Mithin gewährt § 97 Abs. 3 GWB kleinen und mittleren Unternehmen subjektive Rechte 217. Allerdings ist der Umfang dieses Förderauftrags im Einzelnen 210

Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 475. Vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 316. 212 Vgl. Wuermeling, StG 2006, S. 275, 276. 213 Vgl. Beschluss der Bundesregierung über Schwerpunkte zur Vereinfachung des Vergaberechts im bestehenden System v. 28. 06. 2006, abrufbar unter: http://www.bmwi.de /BMWi/Redaktion/PDF/B/beschluss-schwerpunkte-zur-vereinfachung-des-vergaberechts -im-bestehenden-system,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (30. 11. 2008). 214 Vgl. Beschluss der Bundesregierung über Schwerpunkte zur Vereinfachung des Vergaberechts im bestehenden System v. 28. 06. 2006, a.a. O. 215 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts v. 13. 8. 2008, BT-Drucks. 16/10117, S. 3, 27. 216 Vgl. Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97 Rn. 155, 156; Schäfer, Auftragsvergabe, S. 101 ff. 211

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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umstritten 218. Materiellrechtlich brachte § 97 Abs. 3 GWB nichts neues, da die Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose bereits aus den Verdingungsordnungen folgt 219. Die Formulierung „vornehmlich“ in § 97 Abs. 3 GWB zeigt, dass die Mittelstandsförderung allerdings dadurch nicht erschöpft sein muss. Nach Dreher erhält Abs. 3 damit den Charakter einer Querschnittsklausel 220. Sein Normzweck liege in der Stärkung des Mittelstandsschutzes im Vergaberecht 221. Dabei lässt § 97 Abs. 3 GWB die Vergabegrundsätze des § 97 Abs. 1 und 2 GWB unberührt 222. Auch die VKR räumt den KMU gemäß Art. 25 eine Vorzugsstellung ein. Danach kann der öffentliche Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen den Bieter auffordern oder er kann von einem Mitgliedstaat verpflichtet werden, den Bieter aufzufordern, ihm in seinem Angebot den Teil des Auftrags, den der Bieter gegebenenfalls im Wege von Unteraufträgen an Dritte zu vergeben gedenkt, sowie bereits die vorgeschlagenen Unterauftragnehmer bekannt zu geben. Gemäß Erwägungsgrund 32 VKR sind Bestimmungen über Unteraufträge vorgesehen, um den Zugang für kleine und mittlere Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zu fördern. Zudem sieht auch die Kommission jüngst die Bedeutung der KMU 223 für Europa und sieht in dem „Small Business Act“ 224 in Umsetzung der Strategie von Lissabon vor, dass der Zugang zu öffentlichen Aufträgen für KMUs durch „Best Practice Beispiele“ 225 erleichtert wird 226.

3. Umweltpolitische Belange a) Umweltbelange Die jährlich stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz der Klimakonvention, auch Welt-Klimagipfel genannt und die zunehmende Medienpräsenz durch täglich neue Meldungen über den Klimawandel haben die Umweltbelange in die 217

Vgl. Hailbronner, a.a. O., § 97 Rn. 156. Vgl. Schäfer, Auftragsvergabe, S. 102 m.w. N. 219 Vgl. § 4 Nr. 1, 2 VOB / A, § 5 VOL / A. 220 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97, Rn. 75. 221 Dreher, a.a. O., § 97; Rn. 74. 222 Dazu mehr unten Kapitel 4, II, 3.4.3. 223 99 % der Unternehmen in der EU sind KMU (Unternehmen mit maximal 250 Beschäftigten und einem Höchstumsatz v. 50 Mio. Euro), vgl. dazu Pressemitteilung v. 25. 6. 2008, IP/08/1003, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do ?reference=IP/08/1003&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en (7. 11. 2008). 224 Vgl. KOM (2008), 394 endg., S. 1 ff. 225 Vgl. SEC (2008), 2193, S. 1 ff. (noch nicht in deutscher Sprache verfügbar). 226 Vgl. Pressemitteilung v. 25. 6. 2008, IP/08/1003, a.a. O. 218

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Mitte der Gesellschaft gerückt. Tag für Tag entwickelt der Mensch mehr Bewusstsein die Notwendigkeit und Dringlichkeit den Schutz unserer Umwelt betreffend. Eingang in das öffentliche Auftragswesen hat der Aspekt des Umweltschutzes aber schon 1981 gefunden. Damals gab das Umweltbundesamt eine vom Institut für Stadtforschung erarbeitete Studie heraus, die Anregungen zu umweltfreundlichem Einkauf für Verwaltungen von Bund, Ländern und Gemeinden enthielt 227. Durch einen Runderlass 228 bestimmte das Bundesministerium des Inneren 1983 für seinen Geschäftsbereich, dass der Umweltschutz in der öffentlichen Vergabepolitik stärker berücksichtigt werden sollte. Eine Integration der Umweltdimension in das öffentliche Beschaffungswesen wird in Anbetracht des volkswirtschaftlichen Gesamtnutzens auch international angestrebt 229. In dem Grünbuch „Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union“ befasste sich die EU Kommission erstmalig auch mit der Verknüpfung des Vergabewesens mit der Umweltpolitik. Dabei stellte sie fest, dass die damaligen EGVergaberichtlinien den öffentlichen Auftraggebern einen gewissen Spielraum für die Förderung umweltgerechten Verhaltens ließen, der von den Mitgliedstaaten auch genutzt werde 230, und stellte verschiedene Möglichkeiten für die Berücksichtigung von Umweltbelangen dar 231. Nach Art. 6 EGV müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der in Art. 3 des EG-Vertrags genannten Gemeinschaftspolitiken und Maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in die Vergabeverfahren einbezogen werden 232. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 17. 9. 2000 in Sachen „Concordia Bus Finland“ diese Vorschrift als Begründung für eine Einbeziehung von umweltbezogenen Belangen in das Vergabeverfahren herangezogen 233. Die VKR 234 stellt daher klar, wie die öffentlichen Auftraggeber zum Umweltschutz und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können, und garantiert, dass bei Auftragsausschreibung ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis erzielt werden kann 235. Die Europäische Kommission hat 2005 zur Klärung der rechtlichen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umweltbelangen ein Handbuch „Umweltorientierte Beschaffung“ herausgegeben 236. Hierin beschreibt sie wesentliche Elemente einer umweltori227

Schäfer-Breede / Hucke / Neitzel, Vergabepolitik, 1981. Runderlass des BMI über die stärkere Berücksichtigung des Umweltschutzes in der öffentlichen Vergabepolitik v. 25. 11. 1983, GMBl. 1984, S. 20. 229 Vgl. Handbuch Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 8. 230 KOM (1996) 583 endg., S. 49, 50, 51. 231 KOM (1996) 583 endg., S. 51, 52. 232 Vgl. Beckmann, NZBau 2004, S. 600 sowie unten Kapitel 4, I. 1. b). 233 Vgl. dazu unten, V. 3. 234 Erwägungsgründe 5, 29, 33, 43, 44, 46; Art. 23, 26, 53 VKR. 235 Ax / Schneider, in: Ax / Bischoff / Schneider, Regierungsentwürfe, Einf., S. 4. 236 Vgl. Handbuch Kommission umweltorientierte Beschaffung. 228

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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entierten Beschaffung und die Strategien, die dorthin führen. Der öffentliche Auftraggeber kann durch seine zweifelsohne bestehende Kaufkraft einen entscheidenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, indem er sich für umweltgerechte Waren und Dienstleistungen entscheidet. Das umweltorientierte Beschaffungswesen soll Beispiel sein und Einfluss auf den Markt ausüben, indem es Anreize für die Entwicklung umweltorientierter Technologien bietet 237. In diesem Sinne wurde im sechsten Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft auch niedergelegt, dass zur Erreichung des Umweltziels unter anderem öffentliches Beschaffungswesen nach ökologischen Kriterien auszulegen ist 238. Dabei beschreibt das Handbuch „Umweltorientierte Beschaffung“, auf welchen Stufen des Vergabeverfahrens schrittweise umweltbezogene Belange berücksichtigt werden können 239. Hierin stellt die Kommission richtigerweise fest, dass staatliche Beschaffungsstellen den ökologischen Wert von Waren, Dienstund Bauleistungen viele Jahre nicht wirklich berücksichtigt haben. Der globale wirtschaftliche und politische Hintergrund habe sich aber geändert, und das Konzept der Nachhaltigkeit ist in den Vordergrund getreten. Dem solle dieses Handbuch gerecht werden. Bei diskriminierungsfreier Anwendung sind Umweltschutzgesichtspunkte sowohl mit der Dienstleistungsfreiheit als auch den sonstigen Grundfreiheiten vereinbar 240. Dies ist nunmehr auch in der VKR geregelt, die die Zulässigkeit der Einbeziehung von Umweltbelangen in Art. 26 VKR als Ausführungs- und in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR als Zuschlagskriterium vorsieht 241. Dabei ist bei der Formulierung als Zuschlagskriterium die in den Entscheidungen „Concordia-Bus-Finland 242 “ sowie „Wienstrom 243 “ aufgestellte Auftragsbezogenheit zu beachten, die sich auch in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR wieder findet 244. 237

Vgl. Handbuch Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 5. Vgl. Beschl. Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 7. 2002 über das sechste Aktionsprogramm (2002 – 2012) der EG, ABl. EG Nr. L 242, S. 1 (Art. 3 Ziff. 6). 239 Vgl. Handbuch Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 14 ff. 240 Vgl. EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448 – 01, EuZW 2004, S. 81 ff. – Wienstrom. 241 Art. 53 Abs. 2 VKR präzisiert sehr wichtige Anforderungen an die Transparenz. Insofern verdeutlicht Art. 53 VKR damit auch das Wechselspiel aus Öffnung gegenüber ökologischen Aspekten durch die explizite Aufnahme der Umwelteigenschaften als Zuschlagskriterium einerseits und andererseits zugleich dem Ausbau der Transparenzanforderungen, vgl. Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 345. 242 Siehe unten Kapitel 4, V. 3. 243 Siehe unten Kapitel 4, V. 4. 244 Vor diesen Entscheidungen des EuGH war die vergaberechtliche Zulässigkeit einer Ausschreibung von Ökostrom noch umstritten. Inzwischen beziehen immerhin das Bundesumweltministerium sowie die zu seinem Geschäftsbereich gehörenden Be238

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) obligatorisch. Diese Verpflichtung resultiert nicht aus den Vergaberichtlinien, kann aber Auswirkungen auf die Festlegung des Auftragsgegenstands oder der Auftragsausführungsklauseln haben 245. Dabei liefert die UVP den nationalen Behörden relevante Informationen, die sie in die Lage versetzen, ihre Entscheidungen in umfassender Kenntnis der Umweltauswirkungen zu treffen 246. Die Argumente, die früher noch gegen die Berücksichtigung von umweltbezogenen Belangen im öffentlichen Auftragswesen angeführt wurden, dürften aufgrund der expliziten Erwähnung dieses Aspekts zumindest oberhalb der Schwellenwerte sowohl als Zuschlagskriterium in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR als auch als Ausführungsbedingung gemäß Art. 26 VKR keine Bedeutung mehr haben. Im Vordergrund steht nunmehr, dass das optimale Preis-Leistungs-Verhältnis auch Umweltbelange erfassen kann, solange dabei Chancengleichheit und Transparenz gewährleistet werden. Darüber hinaus tragen innovative Produkte und deren finanzieller Schub durch das öffentliche Beschaffungswesen zu Preissenkungen bei und machen solche Produkte für den privaten Käufer attraktiver 247. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Umweltbelange völlig unproblematisch sowohl unter- als auch oberhalb der Schwellenwerte auf allen Stufen des Vergabeverfahrens berücksichtigt werden können. Die Europäische Kommission rät hierzu auch in ihrem Handbuch „Umweltorientierte Beschaffung“. Dabei gilt es zu beachten, dass bei den Technischen Spezifikationen 248 sowie bei der Festlegung der Zuschlagskriterien 249 alle Anforderungen aufgenommen werden können, die mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen. Hingegen können keine Umweltbelange einbezogen werden, die keinen Bezug zu dem betreffenden Produkt aufweisen. Einer Auftragsbezogenheit bedarf es bei der Formulierung als Ausführungsbedingung aus europarechtlicher Sicht nicht 250.

hörden Ökostrom, vgl. dazu Dokumentation der Ökostrom-Ausschreibung von BMU / UBA im zweiten Halbjahr 2006 http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf /beschaffung_dokumentation.pdf (22. 09. 08). 245 Vgl. Handbuch Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 15 f. 246 Vgl. § 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung – UVPG in der Fassung der Bekanntmachung v. 25. 6. 2005, BGBl. I S. 1757, 2797, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 23. 10. 2007, BGBl. I S. 2470. 247 Vgl. Handbuch Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 11. 248 Vgl. Art. 23 VKR; siehe auch unten Kapitel 5, I. 3. 249 Vgl. Art. 53 VKR; siehe auch unten Kapitel 5, I. 5. 250 Vgl. unten Kapitel 5, I. 7.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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b) Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz 251 sowie entsprechende Vorschriften der Landesabfallgesetze und mehrere Rechtsverordnungen regeln, dass bei der Beschaffung auf die Vermeidung, Verminderung, Verwertung und Beseitigung von Abfall Bedacht zu nehmen ist 252. Ziel ist es, den Ressourceneinsatz je Erzeugniseinheit zu minimieren. Nach § 37 Abs. 1 S. 2 KrW- / AbfG ist die öffentliche Hand 253 verpflichtet, bei der Beschaffung oder Verwendung von Material und Gebrauchsgütern, bei Bauvorhaben und sonstigen Aufträgen zu prüfen, ob und in welchem Umfang Erzeugnisse eingesetzt werden können, die sich durch Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit und Wiederverwendbarkeit oder Verwertbarkeit auszeichnen, im Vergleich zu anderen Erzeugnissen zu weniger oder zu schadstoffärmeren Abfällen führen oder aus Abfällen zur Verwertung hergestellt werden. Damit soll durch das Beschaffungsverhalten öffentlicher Auftraggeber zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, zur Schonung der natürlichen Ressourcen und zur Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen beigetragen werden 254. Öffentliche Auftraggeber werden durch § 37 Abs. 1 Krw- / AbfG berechtigt, darüber zu entscheiden, ob als abfallwirtschaftlich sinnvoll eingestufte Produkte zum Einsatz kommen können und diese auch dann zu beschaffen, wenn sie etwas teuerer sind als die konventionellen Alternativen 255. Insofern nehmen öffentliche Auftraggeber auch hier eine Vorbildfunktion ein. c) Beschaffung von Holz Die Beschaffung von Holz und Holzprodukten aus Regenwäldern und anderen Urwäldern hat in jüngster Zeit ein erhebliches Maß an öffentlichem Interesse und medialer Aufmerksamkeit erfahren 256. Wälder haben eine herausragende Bedeutung für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen und für die Bewahrung und nachhaltige Nutzug der biologischen Vielfalt. Insofern ist es zur Verhinderung einer weiteren Zerstörung notwendig, dass Wälder weltweit nach251 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen – KrW- / AbfG v. 27. 9. 1994, zuletzt geändert durch Art. 2 Gesetz zur Ablösung des Abfallverbringungsgesetzes v. 19. 7. 2007, BGBl. Nr. I33, S. 1462 ff. 252 Vgl. § 4 KrW- / AbfG. 253 Behörden des Bundes und die seiner Aufsicht unterstehenden Stellen. 254 Steinberg, Verbundaufgabe, S. 49; Schumacher, DVBl. 2000, S. 467. 255 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 238. 256 Vgl. Liebrich, Kettensägen fressen sich in Regenwälder hinein, sueddeutsche.de v. 14. 5. 2008, abrufbar http://www.sueddeutsche.de/wissen/167/301164/text/ (7. 11. 2008); vgl. auch http://www.fsc-deutschland.de/infocenter/inhalt/info/news/projekt e/gutesholz.htm (7. 11. 2008).

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

haltig bewirtschaftet werden und dass der Holzeinschlag legal erfolgt. Einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels will die Bundesregierung leisten, indem sie die Zertifizierung nachhaltig bewirtschafteter Wälder unterstützt und bei Beschaffungsmaßnahmen künftig nur Holz aus zertifizierten Beständen beschafft. Die Bundesverwaltung soll nur noch Holz und Holzprodukte aus nachweislich legaler und nachhaltiger Waldbewirtschaftung erwerben. Dabei erfassen die Begriffe „legal“ und „nachhaltig“ nicht nur umweltrelevante, sondern auch soziale und wirtschaftliche Bedingungen 257. In der Anlage zu dem Gemeinsamen Erlass des BMWi, BMVEL, BMU und BMVBS vom 17. 01. 2007 258 wird dies auch als politisches Ziel benannt 259. Auch früher schon wurden Anforderungen an die Leistung durch den Auftraggeber aufgestellt, nach denen die Verwendung tropischer Hölzer nur bei Vorliegen zwingender Gründe erlaubt oder nur Tropenholz aus nachhaltiger Bewirtschaftung zugelassen war 260.

4. Gesellschafts- und sozialpolitische Belange a) Ausbildungs- bzw. Lehrlingsförderung Huber berichtet schon 1885 im Zusammenhang mit der Reform des öffentlichen Auftragswesens von der Gefährdung der Gehilfen sowie von der misslichen „Lehrlingszüchterei“ bei Beibehaltung der damaligen vergaberechtlichen Strukturen 261. Vor 1999 wurde die Berücksichtigung von ausbildenden Betrieben im Rahmen des Vergabeverfahrens sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene durch Verwaltungsvorschriften geregelt 262. Ziel solcher Regelungen war, die Wirtschaft in ihren Bemühungen um die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen 257

So soll die Bewirtschaftung bei einer legalen, nachhaltigen Forstwirtschaft u. a. auf den Erhalt der Artenvielfalt, der Produktivität und der Vitalität gerichtet sein und auch soziale Aspekte, z. B. das Wohlergehen der Arbeiter oder die Interessen von einheimischen oder waldabhängigen Menschen, berücksichtigen, vgl. Handbuch der Kommission umweltorientierte Beschaffung, S. 26. 258 Erlass zur Beschaffung v. Holzprodukten v. 13. 10. 2006, B 15 –01080 –90, GMBL 2007, Nr. 3, S. 67. 259 Vgl. Punkt 2 der Anlage zum gemeinsamen Erlass zur Beschaffung von Holzprodukten v. 17. 01. 2007, B 15 – 01080 – 90, GMBL 2007, Nr. 3, S. 67. 260 Vgl. den Gem. RdErl. des MVk, des MWi und MUmw des Landes NRW v. 1. 6. 1989 für Staatshochbauverwaltung, MBl. S. 934, der die Verwendung tropischer Hölzer nur bei Vorliegen zwingender Gründe erlaubte. 261 Huber, F.C., Submissionswesen, S. 10; vgl. zum damaligen Vergaberecht oben Kapitel 2, I. 262 Lehrlingserlass des Bundes v. 9. 9. 1997, BAnz. Nr. 181, S. 12441; der nrw. Lehrlingserlass v. 27. 9. 1996, MBl., S. 1659, geändert u. verlängert bis 27. 9. 2000 mit RdErl. v. 18. 9. 1998, MBl., S. 1023; den bayerischen Lehrlingserlass v. 27. 1. 1998, AllMBl., S. 79, verlängert bis 31. 12. 2003 mit Bekanntmachung v. 12. 12. 2000, AIIMBl. 2001, S. 3; den saarl. Erlass v. 22. 4. 2003, ABl., S. 491; § 2 des Berliner Vergabegesetzes

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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zu unterstützen und so der schwierigen Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt zu begegnen 263. Die Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften in den verschiedenen Bundesländern 264 und auf Bundesebene war sehr unterschiedlich. Für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte hatte die Bundesregierung mit Beschluss vom 20. 12. 2000 265 letztmalig die Geltung des so genannten Lehrlingserlasses vom 9. 9. 1997 bis 31. 12. 2001 verlängert 266. Laut einer Antwort 267 der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus 2006 gibt es keine Überlegungen, einen solchen Beschluss erneut zu fassen, da dieser keine spürbaren Auswirkungen auf die Schaffung neuer Ausbildungsplätze gehabt habe. Vielmehr habe die Praxis gezeigt, dass weitestgehend Unternehmen, die sich am Wettbewerb um öffentliche Aufträge beteiligen, auch ohne Sonderregelungen und Bevorzugung Lehrlinge ausbilden 268. In Bayern wurde der Lehrlingserlass für Aufträge, die sich unterhalb der Schwellenwerte bewegen, mit Beschluss der Bayerischen Staatsregierung vom 23. 12. 2004 269 erneut verlängert. Eine weitere Verlängerung ist nicht ersichtlich.

v. 9. 7. 1999, GVBl., S. 369; Der hessische Lehrlingserlass v. 10. 9. 1997, StAnz. S. 2987, auszugsweise auch abgedruckt in VergabeR 1997, S. 49, aufgehoben mit Kabinettsbeschluss v. 13. 2. 2001, StAnz. S. 1173, schloss nicht ausbildende Unternehmen sogar grundsätzlich von der Vergabe aus. Eine Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben war früher auch in der VOB / A vorgesehen (vgl. § 25 Nr. 4 S. 1 VOB / A, Fassung 1952). In Österreich schreibt das Bundesvergabegesetz vor, auf die Beschäftigung von Personen mit Ausbildungsverhältnis Bedacht zu nehmen, wobei unklar ist, wie dies genau zu verstehen ist. 263 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 71 m.w. N. 264 Vgl. Bayern: Bevorzugte Berücksichtigung von Ausbildungsbetriebenbei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Bek. d. Bay. StReg. v. 27. 1. 1998, bay. AmtBl., S. 79; Hamburg: Richtlinie zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe nach VOL / A, VOB / A und VOF, Beschl. d. hmb. Senats v. 27. 10. 1998, hmb. MittVw., S. 141; NRW: Bevorzugte Berücksichtigung von Ausbildungsbetrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, Rundeerlass des nrw MwiV, MBl. NRW, S. 1659, zuletzt geändert durch Runderlass v. 18. 9. 1998, MBl. NRW, S. 1023; Saarland: Erlass der Regierung des Saarlandes über die bevorzugte Vergabe von Ausbildungsbetrieben bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 22. 4. 1998, saarl. Amtbl. S. 491. 265 Beschluss der Bundesregierung v. 9. 9. 1997, BAnz. Nr. 245, S. 24070 v. 30. 12. 2000. 266 Hopf, Vergabemanagement, S. 211. 267 Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/1505 zur Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangeboten und Förderung von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge – BT-Drucks. 16/ 1712 v. 01. 06. 2006. 268 Einen statistischen Nachweis gibt es hierfür allerdings nicht. 269 Verlängerung des unterhalb der Schwellenwerte geltenden „Lehrlingserlasses“ v. 27. 11. 1998 bis zum 31. 12. 2003 v. 12. 12. 2000, AIIMBl. 2001, S. 3.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Nach § 2 des früheren Berliner Vergabegesetzes sollten Unternehmen, die Ausbildungsplätze bereitstellen, bevorzugt bei der Zuschlagserteilung berücksichtigt werden 270. Die Berliner Regelung erfasste sowohl den Ober- als auch den Unterschwellenbereich der öffentlichen Auftragsvergabe; sie war allerdings nur auf Bau- sowie Dienstleistungen bei Gebäuden und Immobilien anwendbar 271. Konkretisiert wurde sie unter anderem durch ein Rundschreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 272. Danach sollte im Rahmen von beschränkten Ausschreibungen in geeigneten Fällen bis zu einer Wertgrenze von 100.000 Euro unter Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen unter den zur Abgabe eines Angebots Aufzufordernden eine Vorauswahl auch unter dem Gesichtspunkt „Ausbildungsbetrieb“ stattfinden. Dann erfolgte der Wettbewerb nur unter solchen Bewerberunternehmen, die im gewerblichen Bereich ausbilden. Eine vergleichbare gesetzliche Regelung ist weder auf Bundes- noch auf Landesebene ersichtlich 273. Hingegen setzt die Bundesregierung zur Steigerung des Angebots an Ausbildungsstellen auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. In diesem Sinne hat die Bundesregierung mit Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft im März 2007 den „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“ um weitere drei Jahre verlängert 274. Mit dem Ausbildungspakt verpflichten sich die Partner freiwillig, in enger Zusammenarbeit mit den Ländern jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen ein Ausbildungsangebot zu machen. b) Frauenförderung Die Idee, die öffentliche Auftragsvergabe zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zu nutzen, ist nicht neu 275. Vielmehr wurden solche Ziele schon früh von einzelnen Landtagen sowie einzelnen Fraktionen formuliert. So forderten die Grünen 1998 in NRW, dass die öffentliche Auftrags- und Mittelvergabe an das Kriterium der Frauenförderung 270 Erstes Gesetz zur Änderung des Berliner Vergabegesetzes v. 19. 3. 2008, GVBl., S. 80, Lesefassung des mit Wirkung v. 30. 3. 2008 geänderten Berliner Vergabegesetzes v. 9. 7. 1999, GVBl., S. 369. 271 Vgl. § 2 Berliner Vergabegesetz. 272 Vgl. Rundschreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, SenStadt VI A Nr. 08/2007, Vergabe- und Vertragswesen (VOB) – Bevorzugung von Ausbildungsbetrieben, 09. 05. 2007, gültig bis 31. 12. 2008. 273 Vgl. dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/1712 v. 01. 06. 2006. 274 Vgl. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/root,did=48252.html (30. 11. 2008) m.w. N. 275 Vorbild ist die „affirmative-action-Bewegung“ in den USA, vgl. dazu Gurlit, in: Koreuber / Mager, Gleichberechtigung, S. 153, 154; v. Wahl, KJ 1996, S. 180, 181.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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zu binden sei. Jede Mark, die der Staat ausgibt, solle auch für Frauen Wirkung schaffen 276. In Punkt VIII im Rahmen des Aktionsprogramms „Frau und Beruf“ sah die rot-grüne Regierung in ihrem Koalitionsvertrag 1998 noch „eine „Bindung der öffentlichen Auftragsvergabe an frauenfördernde Maßnahmen“ vor 277. Dieses Vorhaben wurde aber nicht verwirklicht. Stattdessen hat die damalige Bundesregierung 2001 auch hier mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft eine Vereinbarung zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern abgeschlossen 278. Darin sagen die Spitzenverbände zu, ihre Mitglieder zu entsprechenden Maßnahmen anzuhalten. Solange diese Vereinbarung erfolgreich umgesetzt wird, verzichtet die Bundesregierung darauf, auf gesetzlichem Wege tätig zu werden. Mithin wird sie auch keine entsprechende Regelung für die öffentliche Auftragsvergabe treffen. In ihrem Antrag vom 15. 2. 2006 zur Verwirklichung der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt – Innovationsgeheimnis Männerdominanz 279 fordert die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, dass die Gleichstellung von Frauen in der Privatwirtschaft nicht weiter der Freiwilligkeit der Unternehmen überlassen bleiben solle. Vielmehr sollen gesetzliche Regelungen Anreize setzen, gerade die Potentiale von Frauen zu nutzen. Dazu gehörten etwa die besondere Berücksichtigung solcher Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen, die sich aktiv für die Geschlechtergleichstellung einsetzen. So wird in der kleinen Anfrage vom 17. 05. 2006 280 u. a. festgestellt, dass die Gleichstellung der Geschlechter in der Privatwirtschaft nicht vorankomme. Die freiwillige Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden von 2001 würde kaum messbare Ergebnisse bringen. Daher seien konkrete Anreize für Unternehmen ein wichtiger und notwendiger Schritt. Der Deutsche Juristinnenbund (djb) hat in einem Offenen Brief 281 vom 16. 7. 2007 an verschiedene Bundesministerien, insbesondere zur Geschlechtergleich276

Vgl. Hürten, Wettbewerbsvorteil, S. 2 ff. Vgl. zum Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen v. 20. 10. 1998, abgedruckt in ZRP 1998, S. 485, 497. 278 Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft v. 2. 7. 2001, abrufbar unter http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche /gleichstellung,did=6408.html (7. 11. 2008); vgl. hierzu auch Schäfer, Auftragsvergabe, S. 78 f. 279 Vgl. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt verwirklichen – Innovationsgeheimnis Männerdominanz beenden v. 15. 2. 2006, BT-Drucks. 16/712, S. 2, 4. 280 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangebot und Förderung von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 17. 05. 2006, BT-Drucks. 16/1505. 277

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

stellung bei der öffentlichen Auftragsvergabe Stellung genommen. Der djb vertritt die Auffassung, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge ein geeignetes Instrument zur Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben darstelle, und erinnert an die sich aus Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG ergebende Verpflichtung des Staates, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Das öffentliche Auftragswesen habe gerade in Zeiten knapper öffentlicher Mittel und schwacher Konjunktur eine große Bedeutung für die staatliche Wirtschaftspolitik. öffentliche Auftragsvergabe sei sowohl ein Instrument der Konjunktur- als auch der Infrastrukturpolitik und gleichzeitig ein Steuerungsund Förderinstrument von Wettbewerb und Sozialstaat. In einigen Bundesländern wird die Vergabe öffentlicher Aufträge auch schon mit der Frauenförderung verknüpft 282. Ein bestehender Ansatz ist das Instrumentarium der Landesgleichstellungsgesetze 283. In einigen Gleichstellungsgesetzen ist Frauenförderung mit der Auftragsvergabe verbunden, wird allerdings unterschiedlich ausgestaltet. Dieses Instrument greift nicht dirigistisch in die Wirtschaft ein, sondern gibt lediglich allen, die mit öffentlichen Geldern arbeiten, das Ziel „Frauenförderung“ vor. Wie sich jedes einzelne Unternehmen – sofern es an öffentlichen Aufträgen interessiert ist – diesem Ziel nähert, bleibt ihm überlassen 284. Allerdings findet sich lediglich in einigen Bundesländern eine aktive Gleichstellungspolitik. So sehen lediglich drei Landesgleichstellungsgesetze vor, dass bei gleichwertigen Angeboten derjenige Bieter zu bevorzugen ist, der sich der Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben angenommen hat 285. Im Land Sachsen-Anhalt bestand bis Mai 1997 eine Regelung, die die bevorzugte Berücksichtigung von Unternehmen normierte, welche sich der Chancengleichheit von Frauen und Männern annahmen 286. In Berlin regelt § 13 Abs. 1 S. 1 des Landesgleichstellungsgesetzes 287, dass beim „Abschluss von Verträgen über Leistungen, die einen Aufwand von mehr als 281 Deutscher Juristinnenbund (djb), Offener Brief zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Stellungnahme vom 16. 07. 2007, abrufbar unter: http://www.djb.de/Kommissionen/kommission-oeffentliches-recht-europa-und -voelkerrecht/St-07-14-%C3%B6ffentl.-Auftragsvergabe/ (22. 07. 2007). 282 Vgl. dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 8. 6. 1999 – Das Land Berlin bindet Aufträge an die Frauenförderung, S. 19; Rust, EuZW 1999, S. 453, 457. 283 Siehe oben Kapitel 2, V. 2. g). 284 Hürten, Wettbewerbsvorteil, S. 14. 285 Berlin, Brandenburg, Saarland. 286 Frauenfördergesetz des Landes Sachsen-Anhalt (FrFG) in der Fassung v. 27. 05. 1997, zuletzt geändert am 12. 08. 1997. 287 Landesgleichstellungsgesetz (LGG) in der Fassung v. 06. 09. 2002, GVBl., S. 280, zuletzt geändert durch Achtes Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes v. 19. 07. 2006, GVBl., S. 575.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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50.000 Euro erfordern, in den jeweiligen Vertrag die Verpflichtung des Auftragnehmers aufzunehmen ist, Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in seinem Unternehmen durchzuführen sowie das geltende Gleichbehandlungsrecht zu beachten.“ Danach wird also die Vergabe eines öffentlichen Auftrags des Landes Berlin an die Selbstverpflichtung eines Unternehmens zur Frauen- und Familienförderung geknüpft. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 gilt dies nicht für Betriebe, die in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen. Bei dieser Form der Regelung handelt es sich um eine Inpflichtnahme bzw. Ausführungsbedingung des Auftragnehmers. Zu beachten ist, dass § 13 durch die seit 1999 geltende Frauenförderverordnung 288 konkretisiert wird. Diese enthält einen Katalog mit achtzehn Maßnahmen, von denen die jeweils ausgewählten zu Beginn des Auftrags einzuleiten, fort- oder umzusetzen sind. Das Brandenburgische LGG 289 sieht in § 14 vor, dass beim Abschluss von Verträgen über Leistungen mit einem Aufwand von über 100.000 Deutsche Mark 290 bei gleichwertigen Angeboten das Angebot angenommen werden soll, bei welchem sich der Bieter zur Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben verpflichtet hat. Das Nähere regelt auch hier eine Rechtsverordnung der Landesregierung, die Frauenförderverordnung 291. Sie gilt nur unterhalb der EU-Schwellenwerte und bevorzugt Unternehmen mit dem höchsten Quotienten aus dem Anteil beschäftigter Frauen und deren Anteil am Gesamtaufkommen von Lohn- und Gehaltszahlungen. Ein solches Unternehmen erhält das Eintrittsrecht zum Gesamtpreis des eigentlichen Wettbewerbssiegers mit geringerer Gesamtquote, wenn das eigene Angebot nicht mehr als 20% davon nach oben abweicht. Hierbei handelt es sich um eine unechte Bevorzugung. Das saarländische Landesgleichstellungsgesetz 292 regelt ebenfalls in § 27 in Form von Ausführungsbedingungen, dass die Grundzüge des LGG zu beachten sind. 288

Verordnung über die Förderung von Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge – Frauenförderverordnung (FFV) v. 23. 08. 1999, GVBl., S. 498. 289 Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst im Land Brandenburg v. 04. 07. 1994, GVBl. I, S. 254, zuletzt geändert durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes und anderer Rechtsvorschriften v. 30. 11. 2007, GVBl. I, S. 193. 290 Das Brandenburgische LGG ist v. 4. 7. 1994 und wurde seither nicht geändert. So ist der Wert 100.000 Deutsche Mark heute in Euro umzurechnen, also als ca. 50.000 Euro zu lesen. 291 Verordnung über die bevorzugte Berücksichtigung von Frauen im Erwerbsleben – Frauenförderverordnung (FrauFöV) v. 25. 4. 1996, GVBl. II Nr. 22, S. 354, zuletzt geändert durch Verordnung v. 18. 2. 2002, GVBl. II Nr. 5, S. 139. 292 Landesgleichstellungsgesetz Saarland v. 24. 04. 1996, ABl., S. 623, zuletzt geändertdurch Gesetz zur Reform der saarländischen Verwaltungsstrukturen (VSRG) v. 21. 11. 2007, ABl., S. 2393.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Das Land Thüringen regelt in § 22 S. 1 seines Gleichstellungsgesetzes 293, dass „die öffentlichen Auftraggeber im Geltungsbereich des Gesetzes auch beim Abschluss von Verträgen über Leistungen mit einem Auftragswert von über 125.000 Euro an der Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen mitwirken und darauf achten, dass nicht gegen Diskriminierungsverbote verstoßen wird.“ Das Nähere soll gemäß § 22 S. 2 eine Verwaltungsvorschrift der Landesregierung regeln, die jedoch bis heute nicht verabschiedet ist. In der Vergabepraxis hat die Bestimmung damit keine Bedeutung. Eine weitere verbindliche Regelung – allerdings nicht im Rahmen eines Landesgleichstellungsgesetzes – zur aktiven Gleichstellungspolitik gibt es in Schleswig-Holstein 294. Die Landesbeschaffungsordnung Schleswig-Holstein 295 sieht vor, dass ab einem Auftragsvolumen von 10.000 Euro 296 und ab einer Zahl von 21 Beschäftigten die Erarbeitung eines betrieblichen Frauenförderplanes gemäß Nr. 9 Abs. 2 für das Unternehmen grundsätzlich zur Vertragsbedingung zu machen ist. In jeder öffentlichen Ausschreibung, beschränkten Ausschreibung oder freihändigen Vergabe ist ab einem Auftragsvolumen von 10.000 Euro auf diese Verpflichtung hinzuweisen. Dies diene der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen, insbesondere bei Einstellung, Beschäftigung, beruflicher Bildung und beruflichem Aufstieg. In dem Frauenförderplan soll der Ist-Stand der Frauenrepräsentanz in dem Unternehmen wiedergegeben und darüber hinaus sollen Zielvorgaben für die Bereiche, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, zur Erhöhung des Frauenanteils festgelegt werden. Unternehmen, die den betrieblichen Frauenförderplan nicht vorlegen, gelten regelmäßig so lange als nicht zuverlässig im Sinne von § 2 Nr. 3 VOL / A, wie der Nachweis nicht erbracht ist 297. Art. 3 Abs. 2 EGV verlangt, dass bei allen Tätigkeiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1 EGV darauf hingewirkt wird, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Der Gleichstellungsgedanke findet sich also in der Europäischen Gemeinschaft als Zielbestimmung wieder. Insofern spricht Art. 3 Abs. 2 EGV auch für eine großzügige Auslegung der Zulässigkeit der Frauenförderung im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens 298. Allerdings 293 Thüringer Gleichstellungsgesetz (ThürGleichG) v. 03. 11. 1998, GVBl 1998, S. 309, zuletzt geändert durch Art. 3 Thüringer Euro-Umstellungsgesetz v. 24. 10. 2001, GVBl. 2001, 256. 294 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 16/1712 v. 01. 06. 2006, S. 2. 295 Landesbeschaffungsordnung Schleswig-Holstein, Gl.-Nr. 2006.32, ABl. Schl.-H. 2005, S. 205, Bekanntmachung des Finanzministeriums v. 18. 02. 2005. 296 Netto, ohne Umsatzsteuer. 297 Vgl. Nr. 9 Abs. 5 der Landesbeschaffungsordnung Schleswig-Holstein. 298 Vgl. Ziekow, NZBau 2001, S. 72, 78; Neßler, DÖV 2000, S. 145, 151; Rust, EuZW 2000, S. 205, 207.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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ist Art. 3 Abs. 2 EGV nicht direkt anwendbar, da die Vorschrift eher die Tätigkeit der Gemeinschaft und nicht die der Mitgliedstaaten betrifft 299. Andererseits gewinnt aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht die Querschnittsaufgabe 300 des „Gender Maintreaming“ aus Art. 2, 3 Abs. 2 und 127 Abs. 2 EGV zusehends an Bedeutung 301. Möglicherweise kommt man der Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben durch Anwendung des Gedankens des „Gender Mainstreaming“ im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens näher. „Gender Mainstreaming“ besteht in der (Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung der Entscheidungsprozesse mit dem Ziel, dass die an politischer, verwaltender, organisatorischer und unternehmerischer Gestaltung beteiligten Akteurinnen und Akteure den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Ebenen einnehmen 302. Mithin versteckt sich hinter dem Schlagwort „Gender Mainstreaming“ eine Strategie zur Umsetzung gleichstellungspolitischer Ziele, die allerdings viel differenzierter ist als die gemeinhin bekannte „Frauenförderung“ bzw. „Frauenbevorzugung“. Im Kern geht es darum, dass auf allen Ebenen der Politik und des öffentlichen Lebens ein neues Denken etabliert wird. Es ist keine isolierte Spezialmaßnahme, sondern findet Anwendung auf allen Ebenen der Politik und Verwaltung, um eine weitere Streuung zu erfahren 303. Dabei handelt es sich bei der Zielgruppe des „Gender Mainstreaming“ gerade nicht um die simple Unterscheidung zwischen Mann und Frau, es soll vielmehr weitergehend zwischen diesen einzelnen Gruppen differenziert werden. Die Geschlechterrollen und verhältnisse sind in verschiedene soziale, politische, ökonomische und kulturelle Hintergründe eingebunden. Hier kommt der „Diversity-Ansatz“ 304 zum Tragen, der Frauen und Männer nicht als in sich homogene Gruppen begreift, sondern die vielfältigen Lebensumstände und Bedürfnisse herausarbeitet. Es gibt also keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit 305. Dieses handlungsleitende Prinzip soll in Verwaltung, Organisationen, Politik, bei Unternehmen und deren Beschäftigten sowie auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe Berücksichtigung 306 finden 299

Vgl. unten Kapitel 4, I. 1. a). Vgl. hierzu unten Kapitel 4, I. 1. b). 301 Vgl. auch Wiedmann, Vergabekriterien, S. 182; Kocher, RdA 2002, S. 167, 171. 302 Vgl. auch mit weitergehender Information: http://www.gender-mainstreaming.net /bmfsfj/generator/gm/Wissensnetz/was-ist-gm,did=13986.html (7. 11. 2008). 303 Vgl. Pirstner-Ebner, EuZW 2004, S. 205. 304 Diversity bedeutet Vielfalt. 305 Kocher, RdA 2002, S. 167, 168; http://www.gender-mainstreaming.net (7. 11. 2008). 306 In Österreich gibt es hierzu schon erste Ansätze: vgl. http://www.gem.or.at /repository/GeM-InfoLetterNr7_2004.pdf am 24. 09. 2007 wonach „Genderaspekte“ Be300

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

mit dem Ziel der Herstellung tatsächlicher Chancengleichheit. Insofern könnte das Konzept des „Gender Mainstreaming“ zu einer Ausführungsbedingung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gemacht werden. c) Werkstätten für Behinderte Gemäß § 141 SGB IX 307 können Aufträge der öffentlichen Hand, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ausgeführt werden können, bevorzugt im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung 308 diesen Werkstätten angeboten werden. Werkstätten für behinderte Menschen (WfB) und Blindenwerkstätten bedürfen einer Anerkennung durch die Bundesagentur für Arbeit bzw. die nach Landesrecht zuständigen Behörden, um bevorzugt zu werden 309. Das Leistungsangebot der WfB umfasst Auftragsarbeiten, Eigenanfertigungen und Dienstleistungen. So sind sie insbesondere im Zuliefererbereich anzutreffen. Mit diesen Bevorzugungsregelungen soll einerseits die Eingliederung Behinderter in das berufliche, kulturelle und soziale Leben in der Bundesrepublik Deutschland erleichtert werden. Andererseits sollen die wettbewerbliche Benachteiligung dieser Personengruppe abgebaut und sie soll stärker an öffentlichen Aufträgen beteiligt werden. Darüber hinaus würde die Vergabe an WfB zu einer Minderung der auch von öffentlichen Arbeitgebern nach § 77 SGB IX zu entrichtenden Ausgleichsabgabe führen, da 50% des Rechnungsbetrages gemäß § 140 Abs. 1 SGB IX auf diese Abgabe angerechnet werden. § 141 S. 1 SGB IX verpflichtet die öffentliche Hand unmittelbar zur pflichtgemäßen Ausübung von Ermessen dabei, ob eine Person oder ein Personenkreis bei der Auftragserteilung „bevorzugt zu berücksichtigen“ ist. Dabei besteht die Bevorzugung zunächst darin, dass die betroffenen Personen bzw. Unternehmen bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern sind 310. stand des kompletten Vergabeverfahrens sein können und dementsprechend für die verschiedenen Ebenen des Vergabeverfahrens Möglichkeiten der Berücksichtigung erarbeitet wurden. 307 Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – Art. 1 des Gesetzes v. 19. 2. 2001, BGBl. I, S. 1046, zuletzt geändert durch Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes v. 18. 12. 2007, BGBl. I, S. 2984; vormals §§ 54, 56 SchwbG; vgl. auch § 2 Nr. 4 VOL / A der sowohl bei den WfB als auch bei den Regelungen betreffend Vertriebene und Aussiedler gilt, siehe unten, 4.6. sowie auch Hopf, Vergabemanagement, S. 87. 308 Vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 7. 11. 2006, Az. KZR 2/06, GuT 2007, S. 167. 309 § 141 SGB IX; § 5 Blindenwarenvertriebsgesetz in der Fassung v. 9. 4. 1965, BGBl. I, S. 311 – nicht mehr in Kraft. 310 Es handelt sich also um eine Bevorzugung im weiteren Sinne, siehe oben, II.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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In einer Entscheidung vom 7. November 2006 geht der BGH von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer derartigen Berücksichtigung von sozialen Belangen im Sinne des GWB aus und stellt fest, dass keine Diskriminierung oder unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB vorliege, wenn den sich an der Ausschreibung beteiligenden Unternehmen rechtzeitig davon Kenntnis gegeben wird, damit diese die Möglichkeit hätten, die Bedingungen für die bevorzugte Berücksichtigung zu erfüllen 311. Auch stellt der BGH fest, dass es weder der öffentlichen Hand als Normadressatin des § 20 Abs. 1 GWB noch einem anderen marktbeherrschenden Unternehmen grundsätzlich verwehrt sei, sich bei der Auswahl zwischen mehreren Bewerbern auch von Gemeinwohlbelangen leiten zu lassen 312. Allerdings dürften diese Gemeinwohlbelange nicht mit einem Mittel verfolgt werden, das mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielrichtung des Gesetzes nicht vereinbar ist 313. So müssten die einem Gemeinwohlbelang geschuldeten Voraussetzungen, die von einem Bieter erfüllt werden sollen, auch von anderen Interessenten erfüllt werden können und im Rahmen einer Ausschreibung offen gelegt werden. Insofern wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn die öffentliche Auftraggeberin bereits in der Ausschreibung darauf hinweisen würde, dass sie Interessenten in einem im Einzelnen darzulegenden Umfang bevorzugt, die sich verpflichten, verstärkt behinderte Menschen zu beschäftigen 314. Die Anwendung des § 141 S. 1 SGB IX führe jedoch nicht dazu, dass die bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an sich zu berücksichtigenden Grundsätze der sparsamen und rationellen Verwendung öffentlicher Mittel vollständig in den Hintergrund treten 315. Sie mache eine Ausschreibung gerade nicht überflüssig. Die öffentliche Hand sei aufgrund der Bestimmung nicht genötigt, eine anerkannte Werkstatt auch dann zu bevorzugen, wenn sie einen deutlich höheren Preis verlangt als ein Unternehmen, das diese Anerkennung nicht besitzt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sieht beispielsweise in § 3 Nr. 4 der von ihm erlassenen Richtlinie 316 für die Berücksichtigung von Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten vor, dass anerkannten Werkstätten für Behinderte und Blindenwerkstätten immer dann der Zuschlag zu erteilen ist, wenn 311

BGH, Urteil v. 7. 11. 2006, Az. KZR 2/06, GuT 2007, S. 167, Tenor. Vgl. zur Interessenabwägung bei § 20 Abs. 4 GWB BGH, Urt. v. 9. 7. 2002, BGHZ 151, 274, 280, 283. 313 Vgl. BGH, Beschl. v. 18. 1. 2000, Az. KVR 23/98, WuW 2000, S. 327 ff.; BGH, Urteil v. 7. 11. 2006, Az. KZR 2/06, GuT 2007, S. 167, 168, Rn. 16. 314 Vgl. hierzu: BGH, Urt. v. 7. 11. 2006, Az. KZR 2/06, a.a. O., Rn. 16. 315 BGH, Urt. v. 7. 11. 2006, Az. KZR 2/06, GuT 2007, S. 167, 168, Rn. 20; vgl. Pahlen, in: Neumann / Pahlen / Majerski-Pahlen, SGB IX, § 141, Rn. 6. 316 Richtlinie v. 10. 05. 2001, BAnz. 2001, Nr. 109, S. 1773, die nach § 159 Abs. 4 SGB IX bis zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach § 141 S. 2 SGB IX weiter anzuwenden sind, siehe oben Kapitel 2, V, 2.6.2. 312

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

ihr Angebotspreis den des wirtschaftlich günstigsten Bieters 317 um nicht mehr als 15 % übersteigt. Diese Grundsätze sind mit den in den Ländern erlassenen Richtlinien im Wesentlichen identisch 318. d) Langzeitarbeitslosigkeit Der EuGH 319 erachtet die Koppelung der Vergabe von öffentlichen Aufträgen an die Erfüllung der Bedingung einer Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen als zulässig. § 262 SGB III 320 sieht vor, dass, wenn „bei der Durchführung einer Maßnahme die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an ein Wirtschaftsunternehmen vorgesehen ist, die Zuweisung geförderter Arbeitnehmer nichtdiskriminierend für alle Bewerber als vertragliche Nebenbedingung aufgenommen werden kann“. Diese Formulierung lehnt sich offenkundig an die europarechtliche Terminologie an, wie sie der EuGH in Beentjes 321 geprägt hat und wie sie (von der Kommission) im Rahmen der Novellierung der Richtlinien in die Figur der „Ausführungsbedingungen“ 322 integriert wurde 323. Ziel einer solchen Vorgehensweise ist es, den Arbeitmarkt zu beleben und die Beschäftigungssituation zu verbessern. Bei „geförderten Arbeitnehmern“ handelt es sich um solche, die im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Beschäftigung finden 324. Für diese Maßnahmen kommen insbesondere Arbeitnehmer in Betracht, die langzeitarbeitslos sind und die Voraussetzungen erfüllen, um Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit oder bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu enthalten 325. Allerdings regelt § 263 Abs. 2 SGB III umfangreiche Ausnahmen von der Förderungswürdigkeit, über die die Bundesagentur für Arbeit entscheiden kann. Nach einer Berliner Verwaltungsvorschrift sollten Auftragnehmer dazu verpflichtet werden, bei Bauarbeiten in den östlichen Bezirken ABM-Kräfte einzu317 Hier handelt es sich also um eine echte Bevorzugung im weiteren Sinn, vgl. oben Kapitel 3, II. 318 Vgl. Kossens, in: Kossens / von der Heide / Maaß, SGB IX, § 141, Rn. 7. 319 Dazu ausführlicher unten Kapitel 3, V. 1. 320 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung Art. 1 des Gesetzes v. 24. 3. 1997, BGBl. I, S. 594, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes v. 30. 10. 2008, BGBl. I, S. 2130. 321 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes; vgl. sogleich unten, V,1. 322 Art. 26 VKR; Art. 38 SKR. 323 So auch Steinberg, Verbundaufgabe, S. 44. 324 Vgl. §§ 260 ff. SGB III. 325 § 263 Abs. 1 SGB III.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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setzen 326, um den Arbeitsmarkt zu beleben und somit die Beschäftigungssituation zu verbessern 327. Die Stadt Heidelberg wagte sich kürzlich an diese Problematik. Ziel ist es, Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen 328. Dabei soll im Rahmen von verschiedenen Ausschreibungen für städtische Aufträge im Volumen von 2 Millionen Euro von bietenden Handwerkern und anderen Unternehmern verlangt werden, eine ganz bestimmte Auflage zu erfüllen: Bei der Ausführung des Auftrags müssen Langzeitarbeitslose oder andere als schwer vermittelbar geltende Arbeitslose beschäftigt werden 329. Dies entspreche zwar schon lange der Vergabepraxis in Heidelberg. Aktuell stütze sich die Stadt aber auf die vom deutschen Gesetzgeber noch nicht umgesetzte 330 Regelung des Art. 26 der VKR 331 und nehme dabei die bestehende Rechtsunsicherheit in Kauf 332. e) Regelungen bezüglich Vertriebene und Aussiedler Gemäß § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge 333 sind bei der Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand Spätaussiedler in den ersten 10 Jahren nach Verlassen der Aussiedlungsgebiete bevorzugt zu berücksichtigen. Dies gilt entsprechend für Unternehmen, an denen Spätaussiedler mit mindestens der Hälfte des Kapitals beteiligt sind, sofern diese Beteiligung und eine Mitwirkung an der Geschäftsführung für mindestens 326 Vgl. Beschäftigungswirksame Auftragsvergabe durch Einbeziehung von AB-Maßnahmen in den östlichen Bezirken und West-Staaken, Gemeinsames Rundschreiben. Nr. 1/ 1991 v. 22. 8. 1991, abgedruckt in: Meyer, Timm / Uekermann, Sammlung. 327 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 74 m.w. N. 328 Vgl. Rhein-Neckar-Zeitung v. 1.6.07, S. 3; Günther, in: BEST 3S, Beschäftigungsunternehmen, S. 156, 169. 329 Vgl. Stadt Heidelberg, Dezernat III, Amt für soziale Angelegenheiten und Altenarbeit – Fonds Aktive Beschäftigungspolitik v. 26. 10. 22005, Drucks. 0253/ 2005/BV, S. 8, 9; abrufbar unter: http://www.best3s.de/conpresso/_data/HeidelbergGemeinderatsbeschluss.pdf?PHPSESSID=88af98a164b1ee48ba854fb3ef2b7fb9 (7. 11. 2008). 330 Vgl. zur Vergaberechtsreform unten Kapitel 5, II. 331 Vgl. unten Kapitel 5, I. 7. 332 Seit 1988 gibt es in Heidelberg den „Fonds Aktive Beschäftigungspolitik“, der vorsieht, dass bei der Auftragsvergabe, die aus den Mitteln des Fonds finanziert werden, Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermittlungsschwierigkeiten beschäftigt werden, vgl. auch http://www.jugendagentur-hd.de/csm/_data/sv-pflichtiges_modell _f_r_heidelberg-2005.pdf (7. 11. 2008) sowie http://www.heidelberg.de/servlet/PB/menu /1118084_pcontent_l1/inhalt.html?Seite=&Jahr=2007&Monat=04&Tag=27 (7.11.2008). 333 Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge – Bundesvertriebenengesetz (BVFG) in der Fassung der Bekanntmachung v. 10. 8. 2007, BGBl. I, S. 1902, geändert durch Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes v. 12. 12. 2007, BGBl. I, S. 2840.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

sechs Jahre sichergestellt sind. Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 68 Abs. 1 des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung 334. Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass bei der Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand die genannten Bevölkerungsgruppen bevorzugt zu berücksichtigen sind. Nach Riese 335 können bevorzugende Regelungen bzgl. Spätaussiedler durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls im Sinne des Gemeinschaftsrechts 336 als gerechtfertigt angesehen werden, da hier berechtigte soziale Belange einer Bevölkerungsgruppe verfolgt werden, die in den anderen EG-Mitgliedstaaten keine Entsprechung haben. Eine Bevorzugung entfällt, wenn Vertriebene und Spätaussiedler in das wirtschaftliche und soziale Leben in Deutschland in einem ihren früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen entsprechenden Maße eingegliedert sind 337. f) Scientology-Schutzerklärungen Die Scientology-Schutzerklärung beinhaltet eine Erklärung über die Nichtzugehörigkeit zu Scientology und dient der Abwehr von Einflüssen der Scientology Organisation und deren Unternehmen auf öffentliche Bedienstete bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen 338. Ihr Ausgangspunkt ist, dass die ScientologyOrganisation weiterhin bemüht ist, ihren Einfluss auf Personen, Unternehmen und Organisationen auch mit Hilfe wirtschaftlicher Tätigkeiten auszuweiten. Dabei geht es insbesondere um subtile Beeinflussungsmöglichkeiten durch diese Organisation. Vergaberechtlich ist ein solches Verhalten als Unzuverlässigkeit im Sinne des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB i.V. m. § 7 Nr. 4 VOL / A zu bewerten. Bei der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hatten diese im Jahre 1997 empfohlen, externe Unternehmen, insbesondere Beratungs- und Schulungsunternehmen nicht zu beauftragen, die nach dem Konzept des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard arbeiten oder ihre MitarbeiterInnen entsprechend schulen lassen 339. Mit einer Erklärung sollte das sich bewerbende Unternehmen 334 Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung – Bundesentschädigungsgesetz (BEG) in der im BGBl. III, Gliederungsnummer 251 – 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 19 Abs. 2 des Gesetzes v. 12. 12. 2007, BGBl. I, S. 2840. 335 Riese, Vergaberecht, S. 258. 336 Vgl. oben Kapitel 2, III. 337 Vgl. § 68 Abs. 2 BEG und § 14 Abs. 4 BVFG. 338 Vgl. Anwendung einer Schutzklausel zur Abwehr von Einflüssen der Scientology Organisation, BAnz. Nr. 155 v. 21. 08. 2001, S. 18174; Diringer, NVwZ 2003, S. 901, 906; Ziekow, NZBau 2001, S. 72, 77; Prieß / Pitschas, ZVgR 1999, S. 144, 145; Prieß / Pitschas, ZVgR 1999, S. 144, 145.

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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verbindlich zusagen, gerade nicht in irgendeiner Art und Weise nach der „Methode“ des Scientology-Gründers R. Hubbard zu arbeiten, diese anzuwenden oder zu verbreiten. Die Klausel soll verhindern, dass die „Technologie“ 340 von L. Ron Hubbard bei der konkreten Vertragsausführung angewandt wird, um der Gefahr einer Einwirkung auf die öffentliche Verwaltung oder einer Datenausforschung durch die Scientology-Organisation wirksam zu begegnen. Die Erklärung ist nicht bei allen Vergaben von Beratungs- und Schulungsleistungen zu verlangen, sondern nur in den Fällen, in denen möglicherweise ein unerwünschter Einfluss über die im Rahmen der Leistungserbringung anwendbare „Technologie“ von L. Ron Hubbard entstehen kann, wie z. B. bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs bei Personal- und Managementschulungen 341. Dabei erfolgt die Einschätzung, ob ein innerer Zusammenhang besteht oder nicht und somit eine Erklärung gefordert werden darf oder nicht, durch die Vergabestellen nach pflichtgemäßem Ermessen. Wird die Unterzeichnung der Erklärung im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe verweigert, kann das Angebot gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL / A ausgeschlossen werden. Am 18. September 1998 wurde die so genannte SO-Schutzklausel auf Bundesebene eingeführt; dabei steht das SO für Scientology Organisation. Mit Rundschreiben vom 26. 07. 2001 wurde die neu formulierte Fassung der SOSchutzerklärung bekannt gemacht 342. Am 1. Februar 2001 hatte die Wirtschaftsministerkonferenz diese auf Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums mehrheitlich (ohne Gegenstimmen) den Ländern zur Anwendung empfohlen. Damit wurde auch eine bundes- und ländereinheitliche Anwendung ermöglicht, die die Verbreitung der „Hubbard-Technologie“ verhindern soll. Praktiziert wird diese Methode soweit ersichtlich von allen Bundesländern 343. Problematisch ist diese Anforderung allerdings auf internationaler Ebene 344. Dies zeigt auch die unterschiedliche Beurteilung der Scientology-Organisation 339 Vgl. Begründung zum Beschluss d. Wirtschaftsministerkonferenz zu Punkt 13 d. Tagesordnung v. 8. / 9. 6. 1999, abgedruckt in: Forum Vergabe, Monatsinfo 6/1999, Anl. 4, vgl. auch: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik /oeffentliche-auftraege,did=230046.html (27. 11. 2008). 340 Die Methoden, die Scientology anwendet, bezeichnet sie selbst als Hubbards „Technologie“. 341 Hopf, Vergabemanagement, S. 213. 342 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Bekanntmachung des Rundschreibens über die Anwendung einer Schutzklausel zur Abwehr von Einlüssen der Scientology Organisation und deren Unternehmen auf öffentliche Bedienstete bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen des Bundes über Beratungs- und Schulungsleistungen v. 8. 8. 2001, abrufbar unter: http://bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/S-T/scientology ,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (30. 11. 2008). 343 Vgl. beispielhaft Berlin: http://www.berlin.de/vergabeservice/glossar/schutzerklaer ung.html (22. 09. 08) sowie Bayern: http://www.innenministerium.bayern.de/imperia/md /content/stmi/bauen/themen/vergabe_vertragswesen/gesetze/bekscientologyschutzerklaer ung.pdf (22. 09. 08).

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

in Deutschland und in den USA 345. Als gemeinschaftskonform werden diese Erklärungen dann angesehen, wenn die Schutzklauseln auf die Vergabe solcher Beratungs- und Schulungsleistungen beschränkt werden, die keinerlei technischen Bezug aufweisen, sondern spezifisch auf psychologische Verhaltensmuster zugeschnitten sind 346. g) Sanktionierung von Menschenrechtsverletzungen Auch der Schutz der Menschenrechte wird zunehmend thematisiert 347. Im Kern geht es dabei um die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen 348. Besonders intensiv diskutiert wird insoweit der Bereich der „Kinderarbeit“. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete 1989 die UN-Kinderrechtskonvention 349. Diese soll die Entwicklung der Kinder fördern und sie vor Missbrauch und Gewalt schützen. Ausbeuterische Kinderarbeit wird ausdrücklich verboten. Im Jahr 1999 verabschiedete dann die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, das Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, das am 19. November 2000 in Kraft getreten ist 350. Nach Schätzungen der ILO arbeiten 218 Millionen Kinder im Alter von 5 – 17 Jahren – 126 Millionen davon unter ausbeuterischen Bedingungen – in Silberbergwerken, in Spielzeugfabriken, in Steinbrüchen, in Textilfabriken oder auf 344

Vgl. unten Kapitel 4, II. 2. b). Vgl. dazu ausführlicher Gaedtke, Auftragsvergabe, S. 99. 346 Ziekow, NZBau 2001, S. 72, 77. 347 Vgl. Bungenberg, Vergaberecht, S. 295 f. m.w. N.; Ziekow, Beschaffungswesen, S. 9; ders., VergabeR 2003, S. 1, 2. 348 ILO-Kernarbeitsnormen haben die Form von 8 Übereinkommen: Übereinkommen 29 über Zwangs- und Pflichtarbeit (1930); Übereinkommen 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit (1957); Übereinkommen 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechts (1948); Übereinkommen 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen (1949); Übereinkommen 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (1951); Übereinkommen 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (1958); Übereinkommen 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (1973); Übereinkommen 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999). 349 UN-Kinderrechtskonvention v. der Bundesrepublik unterzeichnet am 6. 3. 1992 (Zustimmung vom Bundestag und Bundesrat durch Gesetz v. 17. 2. 1992, BGBl. II, S. 121, Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde beim Generalsekretär der Vereinten Nationen am 5. 4. 1992 für Deutschland in Kraft getreten durch Bekanntmachung v. 10. 7. 1992, BGBl. II, S. 99. 350 Übereinkommen 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, in Kraft getreten am 19. 11. 2000, abrufbar unter: http://www.ilo.org/ilolex/german/docs/gc182.htm (22. 09. 08). 345

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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Orangenplantagen 351. Sie haben weder die Möglichkeit, die Schule zu besuchen noch eine Berufsausbildung anzutreten. Unter „ausbeuterischer“ Kinderarbeit sind alle Formen von Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft und Sklaverei, Missbrauch von Kindern zum Beispiel durch Prostitution und Pornografie, beim Drogenhandel und alle anderen Arbeiten, die Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Kindern gefährden, zu subsumieren. Art. 1 schreibt vor, dass jedes ratifizierende Mitglied unverzügliche und wirksame Maßnahmen zu treffen hat, um sicherzustellen, dass die schlimmsten Formen der Kinderarbeit vordringlich verboten und beseitigt werden. Dass es dabei weniger um Kinderarbeit im eigenen Land geht, versteht sich bei Industrieländern wie Deutschland von selbst, da diese fast ausschließlich in Schwellen- und Entwicklungsländern vorkommt 352. Indem in Industriestaaten aber Produkte auf den Markt gelangen, die mit Hilfe von ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden, beteiligen diese sich an der Ausbeutung der Kinder und tragen ebenfalls Verantwortung für die Zustände in anderen Erdteilen 353. Insofern verkennt das Argument des Wissenschaftlichen Beirats 354, wonach im westlichen Kulturkreis unstrittig sei, dass Kinder in die Schule gehen und nicht durch Arbeitseinsatz vom Schulbesuch abgehalten werden, völlig den Zusammenhang der öffentlichen Beschaffung in einer globalisierten Welt. Dabei ist das Argument des Beirats wohl so zu verstehen, dass sich dieser gegen die Einbeziehung von sozialen Belangen ausspricht. Die öffentliche Hand kann als Großverbraucher durch verantwortungsvolle Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen den Markt nachhaltig beeinflussen. Auch der Deutsche Städtetag setzt sich für die Berücksichtigung sozialer Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe ein, damit in Zukunft die Städte den Kauf von Produkten aus „ausbeuterischer“ Kinderarbeit vermeiden können 355. Die Stadt München kauft seit April 2003 nur noch Produkte ein, die nicht mit „ausbeuterischer“ Kinderarbeit in Verbindung zu bringen sind 356. Danach werden Unternehmen, die auf eine Ausschreibung hin ein Angebot für bestimmte 351 „Das Ende der Kinderarbeit: Zum Greifen nah“, Internationales Arbeitsamt, Genf, 2006, abrufbar unter: http://www.ilo.org/ipecinfo/product/viewProduct.do;jsessionid=0a0 38009cf2074de9ddc6d94c25911cbc9957adb922.hkzFngTDp6WImQuUaNaLb3D3lN4K -xaIah8S-xyIn3uKmAiN-AnwbQbxaNvzaAmI-huKa30xgx95fjWTa3eIpkzFngTDp6WIm QuxahyTc34TcheL8OexhOaOgzX9i4j38QfznA5Pp7ftolbGmkTy?productId=2425 (7.11. 2008). 352 Führ / Henselmann, in: Fonari / Führ / Stamm, Sozialstandards, S. 75. 353 Vgl. die Kampagne „Aktiv gegen Kinderarbeit“ von Earth Link 2003, abrufbar unter: http://www.earthlink.de/home.shtml (7. 11. 2008). 354 Gutachten Nr. 2/07 Öffentliches Beschaffungswesen, Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, S. 14, Rn. 42, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/Publikationen/gutachten-2-2007 ,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf (7. 11. 2008). 355 Pressemitteilung abrufbar unter: http://www.staedtetag.de/10/presseecke/dst_besch luesse/artikel/2006/02/15/00121/ (28. 10. 2008).

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Produkte 357 abgeben, von den städtischen Vergabestellen um Auskunft gebeten, in welchem Land das angebotene Produkt hergestellt und / oder bearbeitet wurde. Stellt sich heraus, dass der Ort der Produktion oder der Bearbeitung in Asien, Afrika oder Lateinamerika liegt, ist die Vorlage einer gesonderten Bestätigung 358 erforderlich. Diesem Beispiel sind zahlreiche deutsche Städte gefolgt, indem auch diese bei ihrer Beschaffung nur noch Produkte berücksichtigen, die frei von ausbeuterischer Kinderarbeit sind 359. In Bayern hat eine Bekanntmachung vom 29. 04. 2008 360 das Ziel, den Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit durch öffentliche Aufträge zu vermeiden. Handelt es sich um Produkte aus „kritischen“ Regionen, wird von den Bietern seit dem 1. Juni 2008 eine Erklärung verlangt, dass die Herstellung bzw. Bearbeitung der zu liefernden Produkte ohne ausbeuterische Kinderarbeit erfolgt. Die Abgabe einer wissentlich oder vorwerfbar falschen Erklärung 361 zieht nicht nur den Ausschluss vom laufenden Vergabeverfahren nach sich, sondern kann auch zum Ausschluss bei künftigen Vergabeverfahren führen. Die Bekanntmachung gilt für alle Behörden des Freistaats, wird aber auch den Kommunen zur Anwendung empfohlen. So lobenswert das Bewusstsein der Städte und Kommunen bezüglich ethisch und moralisch korrekter Beschaffung ist, so zweifelhaft ist aber die Wirkung bzw. Reichweite einer solchen Erklärung in der Praxis. Abzuwarten bleibt, ob es zu einer vermehrten Ausstellung von „proforma“ Erklärungen kommt, um lediglich den erforderlichen Nachweis zu erbringen. Zwar führen wissentlich oder vorwerfbar abgegebene Erklärungen zu einem Ausschluss vom laufenden und künftigen Vergabeverfahren, aber in der Regel wird 356 Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschuss der Stadt München vom 17. 07. 2002 zur Änderung der Vergabepraxis der Landeshauptstadt München – Keine Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit, in Kraft getreten am 18. 04. 2003, abrufbar unter: http://www.muenchen.de/cms/prod1/mde/_de/rubriken/Rathaus/05_aktuelles /ausschreibungen/beschluss.pdf (7. 11. 2008). 357 Bälle, Sportartikel, Sportbekleidung, Spielwaren, Teppiche, Wohn- und Kleidungstextilien, Natursteine, Pflastersteine, Lederprodukte aus Holz, Agrarprodukte wie Kakao, Orangensaft oder Tomaten. 358 Dabei handelt es sich entweder um eine unabhängige Zertifizierung, dass das Produkt nicht mittels ausbeuterischer Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt und / oder bearbeitet wurde (Fair-Handels-Siegel oder Rugmark-Siegel) oder eine verbindliche Zusage des Unternehmens oder dessen Lieferanten / Subunternehmer oder eine Selbstverpflichtung, in dem sie entsprechendes bestätigen. 359 Eine aktuelle Deutschlandkarte mit Überblick über Städte, die aktiv gegen ausbeuterische Kinderarbeit vorgehen, findet sich unter: http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de (7. 11. 2008). 360 Bekanntmachung zur Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit v. 29. 04. 08, Az.: B II 2 – 515 – 252, StAnz Nr. 20 v. 16. 05. 08. 361 Im Anhang der Bekanntmachung findet sich die Erklärung, abrufbar unter: http:/ /www.stmwivt.bayern.de/pdf/wirtschaft/StAnz-AllMBl-Bekanntmachung_Kinderarbeit .pdf (7. 11. 2008).

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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die einzelne Behörde nicht die Möglichkeit haben nachzuweisen, dass die Erklärung nicht der Wahrheit entspricht. Mithin ist zu erwarten, dass es an der abschreckenden Funktion und damit an der Durchsetzbarkeit mangeln wird. Nach einem interfraktionellen Antrag von CDU, SPD, Grüne und FDP / DVP hat der Wirtschaftsausschuss in Baden-Württemberg in seiner Sitzung am 7.Mai 2008 einstimmig beschlossen, dass beim Erwerb von Produkten die Landesregierung darauf achten soll, dass nur solche Produkte bzw. Erzeugnisse berücksichtigt werden, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit entstanden sind 362. Ob und in welcher Gestalt es zu einer Änderung der Vergabepraxis in Baden-Württemberg kommt, bleibt abzuwarten. h) Diskriminierungsschutz bei der Auftragsvergabe Der Diskriminierungsschutz könnte im Vergabeverfahren in Form einer so genannten Antidiskriminierungsklausel als Ausführungsbedingung Berücksichtigung finden 363. So genannte Antidiskriminierungsklauseln gibt es bereits in einigen europäischen Ländern 364. Beispielsweise hat Schweden eine solche „Musterantidiskriminierungsklausel“ ausgearbeitet, die die öffentlichen Auftraggeber als Ausführungsbedingung verwenden können 365. Weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene war der Diskriminierungsschutz Bestandteil der Diskussion über die Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Belange 366. Keine der Entscheidungen des EuGH 367 betrifft direkt oder indirekt den Diskriminierungsschutz, trotzdem sind diese für die Auslegung, ob und wie Diskriminierungsschutz im europäischen und somit auch im deutschen Vergaberecht berücksichtigt werden kann, von besonderer Bedeutung. Diskriminierung bezeichnet die Unterscheidung, Benachteiligung oder Herabwürdigung von Gruppen oder Individuen in einer Gesellschaft. Dabei wird zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung unterschieden. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund ihrer Rasse 362 Vgl. Pressemitteilung 037/2008 v. 07. 05. 08, abrufbar unter: http://www.landtagbw.de/aktuelles/rss/ausgabe_pm_xml.asp?PM=N0037_2008 (22. 09. 08). 363 Vgl. Baer / Ölcüm, Diskriminierungsschutz, S. 35 ff. 364 Vgl. hierzu McCrudden, Procurement, S. 417 ff. 365 Ordinance on Anti-Discrimination Clauses in Procurement Contracts (2006:260), in Kraft getreten am 1. 07. 2006; vgl. auch Report on Racism and Xenophobia in the Member States of the EU, Agentur der EU für Grundrechte, S. 69, abrufbar unter: http:/ /fra.europa.eu/fra/material/pub/racism/report_racism_0807_en.pdf (22. 09. 08). 366 Dies hat sich in den letzten Jahren europaweit geändert, vgl. Nielsen, Ruth, Discrimination and equality in public procurement, S. 48 ff., abrufbar unter: http://arbetsratt .juridicum.su.se/Filer/PDF/klaw46/discrimination.procurement.pdf (7. 11. 2008). 367 Siehe unten Kapitel 4, V.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

oder ethnischen Herkunft, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Ausrichtung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt. In der Realität finden Diskriminierungen eher subtil, also mittelbar statt. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren bestimmte Personen oder Personengruppen aufgrund bestimmter Merkmale in besonderer Weise benachteiligen können. Hiervon ausgenommen sind solche Regelungen, die durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sind. Im Folgenden sollen unter Diskriminierungsschutz im Rahmen des Vergabeverfahrens all jene Maßnahmen verstanden werden, die sowohl der Förderung als auch der Sicherung von Gleichberechtigung von verschiedenen Gruppen bzw. Individuen dienen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung einer Diskriminierung oder einer Ungleichbehandlung ausgesetzt sind. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz 368 ist am 18. August 2006 in Kraft getreten. Damit setzte Deutschland als einer der letzten EU-Mitgliedstaaten die vier EU-Antidiskriminierungsrichtlinien 369 in nationales Recht um. Ziel des Gesetzes ist, den Personen einen besseren Rechtsschutz zu gewähren, die aufgrund ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung ungerechtfertigt benachteiligt werden. Eine rechtliche Verknüpfung mit dem öffentlichen Auftragswesen, verbunden mit der Pflicht öffentlicher Institutionen, den Diskriminierungsschutz im Vergabeverfahren zu berücksichtigen, wie sie die Race Relation Amendment Act 2000 370 in Großbritannien vorsieht, in der die Pflicht zur Förderung der Rassengleichheit für die öffentlichen Auftraggeber

368 Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung der Gleichbehandlung v. 14. 8. 2006, BGBl. I Nr. 39, S. 1897. 369 Richtlinie 2000/43/EG des Rates v. 29. 6. 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. L 180, S. 22; Richtlinie 2000/78/EG des Rates v. 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. L 303, S. 16; Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 9. 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. L 269, S. 15; Richtlinie 2004/113/EG des Rates v. 13. 12. 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung von Gütern und Dienstleistungen, ABl. L 373, S. 37. 370 Vgl. § 19B „Discrimination by public athourities“, Race Relation (Amendment) Act 2000, abrufbar unter: http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2000/ukpga_20000034_en_1 (7. 11. 2008).

IV. Beispiele für Sekundärzwecke im deutschen Recht

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festgeschrieben ist, oder eine Klausel wie § 13 des Berliner Landesgleichstellungsgesetzes 371 bei der Auftragsvergabe des Landes, sieht das AGG nicht vor. Eine solche Verknüpfung des Diskriminierungsschutzes mit dem öffentlichen Auftragswesen könnte für Auftragnehmer aber ein Anreiz sein, bestimmte Individuen und Gruppen zu fördern und strukturelle sowie diskriminierungsbedingte Benachteiligungen abzubauen. i) Sonstige sozialpolitisch motivierte Belange Sowohl die VOB / A in § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. d als auch die VOL / A in § 8 Nr. 3 Abs. 4 sehen weitere sozialpolitisch motivierte Erwägungen vor. Danach ist der Auftraggeber berechtigt, diejenigen Bieter auszuschließen, die ihren Verpflichtungen zur Zahlung der Beiträge der gesetzlichen Sozialversicherung nicht ordnungsgemäß nachgekommen sind. Auch wenn diese Ausschlussmöglichkeit vornehmlich dem Schutze des Auftraggebers vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Versicherungsträger schützen soll, ist dieser Regelung doch auch ein sozialpolitischer Kontext immanent 372.

5. Ergebnis Die Weite der möglichen Gesichtspunkte, die sich in das Vergabeverfahren als soziale Belange einfügen lassen, ist nicht in Gänze erfassbar. Insofern erhebt die hier lediglich exemplarisch erfolgte Aufzählung auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist nicht abschließender Natur. Sie dient lediglich zur Demonstration der Möglichkeiten. Die umweltorientierte Beschaffung hat in den letzten 10 Jahren in Bezug auf das Bewusstsein und damit einhergehend die rechtlichen Möglichkeiten der Berücksichtigung von umweltbezogenen Belangen europaweit den Durchbruch geschafft. So ist die Einbeziehung von umweltbezogenen Belangen nicht nur zulässig, sondern es besteht diesbezüglich sogar weitgehend eine Pflicht. Diesen Durchbruch gilt es für die soziale Beschaffung noch zu erreichen. Die sozialpolitisch motivierten § 8 Nr. 5 Abs. 1 lit. d VOB / A und § 8 Nr. 3 Abs. 4 sind hier nicht im Ansatz verwertbar. Weder dem GWB, der Vergabeverordnung noch den Verdingungsordnungen lässt sich ein unmittelbarer Ansatzpunkt dafür entnehmen, dass ein Ausschluss von Bewerbern, die in Drittstaaten, ohne Menschen- und Kinderrechte zu beachten produzieren, zulässig wäre. Immerhin sieht § 141 SGB die spezielle Berücksichtigung von WfB vor. Auch bestehen 371 372

Oder auch § 14 des Brandenburgischen LGG. Götzke, Umweltschutz, S. 13.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

auf Länderebene Möglichkeiten bezüglich der Verknüpfung der Auftragsvergabe mit der Frauenförderung. Zudem sind erste Bemühungen gesellschaftspolitischer Art zur Beeinflussung der Politik sowie die Bemühungen verschiedener Länder, Kommunen und Gruppen klar zu erkennen. Dabei sind die Unsicherheiten auf der rechtlichen Ebene sowie das Fehlen von objektiv anerkannten Standards in vielen Bereichen nur zwei der Herausforderungen.

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken Von zentraler Bedeutung für das deutsche und europäische Vergaberecht ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, da gerade durch die Judikatur des EuGH die Frage nach der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen vorangetrieben wurde. Zu untersuchen ist im Folgenden deshalb, ob und welche neuen Impulse bzw. Akzente die fünf großen Entscheidungen des EuGH die Sekundärzwecke betreffend gebracht haben. Dabei ist allen voran das Urteil im Fall „Beentjes“ zu erörtern, die über 12 Jahre die erste und einzige Entscheidung des EuGH in diesem Bereich blieb.

1. „Beentjes“ a) Sachverhalt In der Entscheidung „Beentjes“ 373 hatte das niederländische Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei einen Bauauftrag im Rahmen von Maßnahmen zur Flurbereinigung öffentlich ausgeschrieben. In der Ausschreibung war die Bedingung enthalten, dass der Bewerber in der Lage sein müsse, Langzeitarbeitslose einzustellen 374. Die Firma Beentjes B.V. hatte u. a. deshalb nicht den Zuschlag erhalten, obwohl sie das niedrigste Angebot abgegeben hatte, weil sie nach Auffassung des Ministeriums nicht in der Lage zu sein schien, diese Bedingung zu erfüllen. Den Zuschlag erhielt das Unternehmen mit dem zweitniedrigsten Angebot. Dabei begründete die Vergabestelle ihre Wahl damit, dass es Beentjes an der für die in Rede stehenden Arbeiten erforderlichen Erfahrung fehle, dass ihr das Angebot von Beentjes weniger günstig erschienen sei und dass Beentjes nicht in der Lage sei, Langzeitarbeitlose einzusetzen. Daher erhob Beentjes B.V. Klage mit der Begründung, dass die Entscheidung des Auftraggebers, sie nicht 373

EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes. In der Bekanntmachung der Ausschreibung hieß es: „das beschäftigte Personal muss sich zu mindestens 70 % aus Langzeitarbeitslosen zusammensetzen, die von der örtlichen Arbeitsbeschaffungsstelle vermittelt wurden“, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts (GA) Darmon v. 4. 5. 1988, Rs. 31/87 Slg., S. 4635 – Beentjes. 374

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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zu berücksichtigen, obwohl sie das niedrigste Angebot unterbreitet habe, und den Zuschlag stattdessen dem Unternehmen mit dem zweitniedrigsten Angebot zu erteilen, gegen die Richtlinie 71/305/EWG 375 verstoße. Das zuständige niederländische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH u. a. die Frage vor, ob die genannte Bedingung mit der Richtlinie vereinbar sei. b) Problem Das Erfordernis der Einstellung von Langzeitarbeitslosen könnte insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit verstoßen, wenn eine solche Bedingung nur von einheimischen Bietern oder von Bietern aus anderen Mitgliedstaaten nur mit größeren Schwierigkeiten erfüllt werden kann 376. Darüber hinaus könnte problematisch sein, dass die Begründung des Ausschlusses eines Bieters, weil er nicht in der Lage sei, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen, weder mit der Prüfung der fachlichen Eignung der Unternehmer im Hinblick auf deren wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit noch mit den in Art. 29 Richtlinie 71/305/EWG genannten Kriterien für die Erteilung des Zuschlags zu tun hat. c) Schlussanträge des Generalanwalts Nach Auffassung des Generalanwalts könne ein Unternehmer nur aufgrund eines oder mehrerer Eignungskriterien, die sich auf die in Art. 25 und 26 Richtlinie 71/305/EWG vorgesehenen Faktoren beziehen und in der Bekanntmachung der Ausschreibung spezifiziert sind, oder aufgrund eines oder mehrerer der in Art. 29 vorgesehenen, in der Ausschreibungsbekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen spezifizierten Kriterien für die Erteilung des Zuschlags ausgeschlossen werden, wenn nicht ausschließlich auf das Kriterium des niedrigsten Preises abgestellt wird 377. Dabei geht der Generalanwalt davon aus, dass die sich aus Art. 26 ergebenden Kriterien erschöpfender Natur sind, also weitere Kriterien nicht zulässig seien 378. Daher hielt er auch den Ausschluss eines Bieters mit der Begründung, dass er nicht in der Lage sei, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen, für unzulässig.

375 Richtlinie 71/305/EWG des Rates v. 26. 7. 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. Nr. L 185, S. 5. 376 Vgl. Kapitel 2, III. 2. 377 Schlussanträge des GA Darmon v. 4. 5. 1988, Rs. 31/87, Slg., S. 4635, Rn. 39, 43 – Beentjes. 378 Schlussanträge des GA Darmon, a.a. O., Rn. 29.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

d) Das Urteil des EuGH Der EuGH folgte der Rechtsauffassung des Generalanwalts nicht und entschied, dass das Gemeinschaftsrecht einem Mitgliedstaat nicht verbiete, mit der Auftragsvergabe zugleich regionale Beschäftigungspolitik zu betreiben 379. Zwar sei die Bedingung, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen, weder Eignungs- noch Zuschlagskriterium 380. Aus der Richtlinie 71/305/EWG ergebe sich aber nur die Klassifizierung als Eignungs- oder Zuschlagskriterium. Das Gericht stellte fest, dass es sich bei einer solchen Regelung um eine besondere zusätzliche Bedingung handele, und stellte entgegen der Auffassung des Generalanwalts 381 fest, dass die in der Richtlinie genannten Kriterien nicht abschließender Natur seien. Insofern seien zusätzliche Bedingungen grundsätzlich zulässig, sie müssten jedoch, um mit der Richtlinie vereinbar zu sein, alle einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, vor allem die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, beachten sowie in der Bekanntmachung erwähnt werden 382. Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht keine Einordnung des zusätzlichen Kriteriums der „Einstellung von Langzeitarbeitslosen“ vornimmt, sondern es lediglich als „zusätzliche Bedingung“ bezeichnet. Insofern brachte die Entscheidung keine Klarheit darüber, wann und an welcher Stelle ein solches zusätzliches Kriterium verwendet werden darf. Es klärte lediglich, dass eine solche zusätzliche Bedingung mit der Richtlinie 71/305/EWG vereinbar ist, wenn sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung der Bieter aus anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft führt und die besondere zusätzliche Bedingung in der Bekanntmachung der Ausschreibung angegeben ist 383.

2. „Nord-Pas-De-Calais“ a) Sachverhalt In der Entscheidung „Nord-Pas-De-Calais“ 384 ging es um einen vergleichbaren Sachverhalt, der sich in Frankreich in der Region Nord-Pas-De-Calais 379 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes; vgl. dazu Hailbronner, WiVerw 1994, S. 173, 175; Dreher, JZ 2001, S. 140 bezeichnet das Urteil des EuGH als „groteskes Fehlurteil“ und verdeutlicht damit auch die kontroverse Diskussion Sekundärzwecke betreffend. 380 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff., Rn. 28 – Beentjes. 381 Vgl. Schlussanträge des GA Darmon v. 4. 5. 1988, Rs. 31/87, Slg., S. 4635, Rn. 29, 39, 43 – Beentjes. 382 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff., Rn. 29, 30 – Beentjes. 383 So auch Tenor 2 der Entscheidung, a.a. O. 384 EuGH, Urt. v. 26. 9. 2000, Rs. C-225/98, NZBau 2000, S. 584 ff. – Nord-Pas-DeCalais.

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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abspielte. Die Französische Republik sollte u. a. gegen die Verpflichtung aus Art. 30 der Richtlinie 93/37/EWG 385 verstoßen haben, indem sie das Zusatzkriterium betreffend eine öffentliche Maßnahme zur Beschäftigungsförderung auf örtlicher Ebene als Zuschlagskriterium formulierte 386. Die Region Nord-Pas-DeCalais hatte so mehrere Aufträge betreffend den Bau sowie Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten für Schulgebäude ausgeschrieben. Nach mehreren erfolglosen Mahnschreiben über einen Zeitraum von drei Jahren erhob hier schließlich die Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens Klage gegen Frankreich, in dem sie unter anderem die Verwendung dieses Zusatzkriteriums beanstandete. Die Bedingung bezüglich der Beschäftigung sei als Zuschlagskriterium formuliert und dies verstoße gegen Art. 30 Richtlinie 93/37/EWG. Es könne im Sinne der Entscheidung „Beentjes“ nur als Ausführungskriterium formuliert werden. b) Problem Die Region Nord-Pas-De-Calais hatte das zusätzliche Beschäftigungskriterium als ein Zuschlagskriterium bezeichnet. Ein solches Zuschlagskriterium ergab sich aber nicht aus der einschlägigen Richtlinie. Nach Art. 30 BKR 387 müssten als Zuschlagskriterium entweder das Kriterium des niedrigsten Preises oder das des wirtschaftlich günstigsten Angebots angewandt werden. In seiner Entscheidung „Beentjes“ hatte der EuGH die Bezeichnung des zusätzlichen Beschäftigungskriteriums noch offen gelassen und lediglich festgestellt, dass ein solches zusätzliches Kriterium mit den Richtlinien vereinbar sei, solange wesentliche Anforderungen des Gemeinschaftsrechts eingehalten werden 388. c) Schlussanträge des Generalanwalts Generalanwalt Alber bezieht sich in seinen Schlussanträgen 389 auf die Entscheidung „Beentjes“ und stellt fest, dass danach ein Beschäftigungskriterium 385 Richtlinie 93/37/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. Nr. 199 v. 9. 8. 1993, S. 54 (BKR). 386 Vgl. EuGH, Urt. v. 26. 9. 2000, Rs. C-225/98, NZBau 2000, S. 584 ff., Rn. 20 – Nord-Pas-De-Calais. 387 Art. 30 BKR entspricht dem früheren Art. 29 Richtlinie 71/305/EWG, siehe oben, Fn. 374. Die Richtlinie 71/305/EWG wurde, nachdem sie schon mehrfach in wesentlichen Punkten geändert worden war, durch die Richtlinie 93/37/EWG aus Gründen der Klarheit und Übersichtlichkeit neu kodifiziert. Bis auf einige redaktionelle Änderungen sind die im vorliegenden Fall maßgeblichen Regelungen der beiden Richtlinien identisch. 388 Vgl. zur Entscheidung „Beentjes“ oben, 1. 389 Schlussanträge des GA Alber v. 14. 3. 2000, Rs. C-225/98, Slg., S. I-7449, Rn. 43 – Nord-Pas-De-Calais.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

nichts mit den in Art. 29 Richtlinie 71/305/EWG genannten Kriterien für die Erteilung des Zuschlags zu tun hat. Der Beschäftigungsaspekt könne allenfalls als Hilfskriterium zulässig sein 390. Die Berücksichtigung als Zuschlagskriterium komme aber nicht in Frage. Insofern liege ein Verstoß gegen Art. 30 BKR vor, da das als Zuschlagskriterium ausgestaltete zusätzliche Beschäftigungskriterium nicht unmittelbar der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots diene 391. Allerdings stelle es keinen Verstoß gegen die einschlägige Richtlinie dar, wenn das Gebot der Beschäftigungsförderung als Ausführungskriterium gewertet würde 392. Der Generalanwalt wies überdies darauf hin, dass „es nicht verkannt werden soll, dass sich der Beschäftigungsaspekt gesellschaftspolitisch wohl anders darstellt als zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie (BKR), die aus heutiger Sicht sehr auf betriebswirtschaftliche und weniger volkswirtschaftliche Gesichtspunkte abstellt. Dies zu ändern wäre jedoch Sache des Gesetzgebers“ 393. d) Das Urteil des EuGH Der Gerichtshof folgte auch hier der Auffassung des Generalanwalts nicht. Hingegen bezog er sich auf sein Urteil in Sachen „Beentjes“ 394 und sah die Verwendung einer Bedingung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch französische Behörden bei der Vergabe von Aufträgen zum Bau von Schulgebäuden als zulässig an. Damit weitete er seinen schon in der Entscheidung „Beentjes“ vertretenen Standpunkt aus, dass die Kriterienkataloge der europäischen Vergaberichtlinien nicht als abschließend zu verstehen sind 395. Mithin stützte der EuGH hier im Ergebnis die Auffassung der französischen Regierung, die die Berücksichtigung politischer Kriterien im Europarecht für zulässig erachtete 396. Allerdings bewertete der EuGH anders als in der „Beentjes“-Entscheidung eine solche Bedingung nicht als zusätzliches Zuschlagskriterium 397, da es als Grund für den Ausschluss des Bieters diene. Insofern wich der Gerichtshof von seiner Meinung ab, dass eine solche zusätzliche Bedingung kein Eignungs- oder Zuschlagskriterium sein könne und berücksichtigte es als „Zusatzkriterium“. Damit ist im Bereich der Zuschlagskriterien mehr Flexibilität möglich. Andererseits bestätigte er seine Entscheidung „Beentjes“, nach der die Verfolgung von 390

Schlussanträge des GA Alber, a.a. O., Rn. 45. Schlussanträge des GA Alber v. 14. 3. 2000, Rs. C-225/98, Slg., S. I-7449, Rn. 45 – Nord-Pas-De-Calais. 392 Schlussanträge des GA Alber, a.a. O., Rn. 48. 393 Schlussanträge des GA Alber, a.a. O., Rn. 47. 394 Vgl. zur Entscheidung „Beentjes“ oben, 1. 395 Benedict, NJW 2001, 947, 948; vgl. ders., EWS 2000, S. 514, 515. 396 Vgl. auch Seidel, EuZW 2000, S. 755. 397 Bungenberg / Nowak, ZUR 2003, S. 10, 15. 391

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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im Allgemeininteresse liegenden Anforderungen im öffentlichen Auftragswesen zulässig sei, solange die Grundsätze Transparenz, Nichtdiskriminierung und die fundamentalen Prinzipien des Gemeinschaftsrechts beachtet werden, und beweist damit Kontinuität.

3. „Concordia Bus Finland“ a) Sachverhalt Das Beschaffungsamt der finnischen Stadt Helsinki schrieb den Betrieb des innerstädtischen Busverkehrs öffentlich aus 398. Das für die Stadt gesamtwirtschaftlich günstigste Angebot sollte den Zuschlag erhalten 399. Beurteilungskriterien sollten der Gesamtpreis des Linienbetriebs, die Qualität des Fuhrparks in Bezug auf die Stickoxid- und Lärmemissionen sowie das Qualitäts- und Umweltkonzept des Unternehmers sein 400. In der Beurteilung der Angebote sollten diese drei Kriteriengruppen anhand eines Punktesystems berücksichtigt werden 401. Die Klägerin, eine unterlegene Bieterin, hatte das preisgünstigste Angebot abgegeben, erhielt aber nicht den Zuschlag. Der Auftrag ging an ein Unternehmen, dessen Angebot wirtschaftlich am günstigsten war, da es den geringsten Stickoxidausstoß sowie den geringsten Lärmemissionswert hatte. Die Klägerin erhielt weder im Bereich Stickoxide noch im Bereich Lärmemissionen Zusatzpunkte. Die gleiche Punktzahl erhielten beide Unternehmen für das Qualitäts- und Umweltkonzept ihrer Angebote. b) Problem Fraglich war hier, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Auftraggeber bei der Zuschlagserteilung im Rahmen eines Dienstleistungsauftrags – wenn der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgt – Umweltschutzkriterien berücksichtigen darf. Problematisch war, dass zu den für die Vergabe zu berücksichtigenden Kriterien auch die Qualität des Fuhrparks mit weiteren zusätzlichen Kriterien betreffend die Stickoxid- und Lärmemissionen zählte. Die Klägerin erachtete dies als unangemessen und diskriminierend, da diese Kriterien faktisch nur von dem einen Unternehmer hätten erfüllt werden können 402. Darüber hinaus 398 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff. – Concordia Bus Finland. 399 Schlussanträge des GA Mischo v. 13. 12. 2001, Rs. C-513/99, Slg., S. I-7213, Rn. 16 – Concordia Bus Finland; vgl. auch Bultmann, ZfBR 2002, S. 818. 400 Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 17, 18, 19. 401 Vgl. im Einzelnen zur Wertung die Tabelle in Schneider, DVBl. 2003, S. 1186, 1190.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

bestehe auch kein unmittelbarer Zusammenhang zum Gegenstand der Ausschreibung. Das vorlegende finnische Gericht wollte nun u. a. wissen, ob Art. 36 Abs. 1 Richtlinie 92/50/EWG 403 oder Art. 34 Abs. 1 Richtlinie 93/38/EWG 404 es gestatten, bei den Kriterien für den auf der Grundlage des wirtschaftlich günstigsten Angebots zu vergebenden Auftrag die Verringerung der Stickoxid- und Lärmemissionen so zu berücksichtigen, dass für Fahrzeuge, deren Stickoxidausstoß oder Lärmpegel unterhalb gewisser Grenzen bleibt, Zusatzpunkte vergeben werden, die in die Gesamtbewertung der Angebote einfließen 405. c) Schlussanträge des Generalanwalts Generalanwalt Mischo stellt zunächst fest, dass auch Vergabekriterien, die im Allgemeininteresse liegen, sowie Umweltgesichtspunkte grundsätzlich zulässig sind, aber gleichwohl gewissen Einschränkungen unterliegen 406. Das Auswahlkriterium müsste alle einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts beachten, insbesondere die Verbote, die aus dem EG-Vertrag 407 folgen. Darüber hinaus müssen bei der An-wendung der Kriterien alle Verfahrensvorschriften der Richtlinie, insbesondere Publizitätsvorschriften, beachtet werden 408. Hieraus folge, wie der Gerichtshof in den Rechtssachen „Beentjes“ 409 und „Nord-Pas-DeCalais“ 410 entschieden hat, dass das Auswahlkriterium in der Ausschreibungsbekanntmachung ausdrücklich erwähnt werden muss, damit Unternehmer in der Lage sind, von seinem Bestehen Kenntnis zu erhalten 411. Den von den Regierungen Österreich, Schweden sowie der Kommission geforderten Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand erachtete der Generalanwalt nicht als erforderlich, stellte aber fest, dass dieser im konkreten Falle vorliege 412. Eine von den Regie402

Schlussanträge des GA Mischo v. 13. 12. 2001, Rs. C-513/99, Slg., S. I-7213, Rn. 22 – Concordia Bus Finland. 403 Richtlinie 92/50/EWG des Rates v. 18. 6. 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. Nr. L 209 v. 24. 7. 1992, S. 1(DKR). 404 Richtlinie 93/38/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. Nr. L 199 v. 9. 8. 1993, S. 84 (SKR a.F.). 405 Schlussanträge des GA Mischo v. 13. 12. 2001, Rs. C-513/99, Slg., S. I-7213, Rn. 62 – Concordia Bus Finland. 406 Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 93, 94, 123. 407 Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 96. 408 Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 97. 409 Siehe oben, 1. 410 Siehe oben, 2. 411 Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 97. 412 Schlussanträge des GA Mischo v. 13. 12. 2001, Rs. C-513/99, Slg., S. I-7213 ff., Rn. 108 ff. – Concordia Bus Finland.

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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rungen der Niederlande und Österreich sowie der Kommission für notwendig erachtete wirtschaftliche Relevanz des Umweltkriteriums sah der Generalanwalt aus mehreren Gründen als unangemessen an 413. d) Das Urteil des EuGH Die früheren Entscheidungen des EuGH betrafen öffentliche Bau- und Lieferaufträge. Im vorliegenden Fall wurden zum ersten Mal die bisherigen Überlegungen des Ge-richtshofs zum Vergaberecht auf die Richtlinien über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge übertragen. Der EuGH bejaht die Berücksichtigungsfähigkeit der Umweltfreundlichkeit bei der Zuschlagserteilung und zieht hierfür unter anderem die Querschnittsklausel des Art. 6 EGV heran. Zunächst wiederholte das Gericht seine Rechtsauffassung, dass die einschlägigen Vergaberichtlinien für die Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots nicht abschließender Natur seien und stellte klar, dass der wirtschaftliche Wert eines Gebots auch durch Kriterien mitbestimmt wird, die selbst nicht unmittelbar wirtschaftlicher Natur sind 414. Darüber hinaus stellte der EuGH erstmals in dieser Entscheidung das zusätzliche Kriterium der Auftragsbezogenheit auf, ließ diesbezüglich allerdings einigen Interpretationsspielraum 415, indem er von nicht allzu strengen Anforderungen an diese Voraussetzung ausging 416. Solange Umweltschutzaspekte mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhingen, ausdrücklich im Leistungsverzeichnis bzw. in der Bekanntmachung des Auftrags genannt würden, dem Auftraggeber keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumten und schließlich alle wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot, beachteten, sei ihre Berücksichtigung im Rahmen der Zuschlagsentscheidung erlaubt. Die Kriterien, die in die Beurteilung des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ eingingen, müssten 413

Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 100 ff. EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff., Rn. 56 – Concordia Bus Finland; vgl. auch Steinberg, EuZW 2002, S. 634, 635; Bultmann, ZfBR 2002, S. 818, 819; Egger, NZBau 2002, S. 601, 602. 415 Strenger interpretiert Bungenberg, NVwZ 2003, S. 314, 316, der eine Abkehr von „Beentjes“ und „Nord-Pas-De-Calais“ für möglich hält, so dass die Berücksichtigung von Kriterien wie der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit künftig unzulässig wären; differenzierter hingegen Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 347 und Steinberg, EuZW 2002, S. 628, 634, die davon ausgehen, dass nur solche Aspekte nicht als Zuschlagskriterium qualifiziert werden können, die keinerlei Bezug zum Auftragsgegenstand aufweisen, also mit dessen Erstellung, Lieferung oder Erbringung nicht in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang stehen. Sämtliche personellen und materiellen Faktoren könnten danach berücksichtigt werden, da sie alle einen Bezug zum Auftragsgegenstand aufweisen. Mithin würden nur solche Kriterien ausgegrenzt, die ausschließlich das sonstige Verhalten des Unternehmens außerhalb der Auftragserfüllung betreffen. 416 Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 346. 414

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

nicht notwendig rein wirtschaftlicher Natur sein. Entscheidend sei der subjektive Wert für den Auftraggeber.

4. „Wienstrom“ a) Sachverhalt In dem Urteil des EuGH in der Sache „Wienstrom“ 417 ging es um ein Vergabeverfahren, bei dem die Republik Österreich die Lieferung von Elektrizität ausgeschrieben hatte 418. Auftragsgegenstand waren der Abschluss eines Rahmenvertrages und darauf aufbauende Einzelverträge zur Belieferung sämtlicher im Bundesland Kärnten gelegenen Verwaltungsstellen des Bundes mit elektrischem Strom. Zuschlagskriterien zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots sollten das Kriterium des Nettopreises pro Kilowattstunde, das mit 55 % bewertet wurde, und das Kriterium Energie aus erneuerbaren Energieträgern, das mit 45 % in die Bewertung einging, sein. Dabei war als besonderes Kriterium für die Auswahl festgelegt, dass Angebote ausgeschieden würden, die keinen Nachweis dafür enthielten, dass „der Bieter in den vergangenen zwei Jahren und / oder in den kommenden zwei Jahren zumindest 22,5 GWh pro Jahr elektrische Energie, die aus erneuerbaren Energieträgern stammt, erzeugt oder zugekauft hat und / oder zukaufen wird und an Endverbraucher geliefert hat und / oder liefern wird“. Angebote, bei denen die Menge der lieferbaren Energie aus erneuerbaren Energieträgern nicht über 22,5 GWh pro Jahr hinausgingen, wurden nicht berücksichtigt. b) Problem Das Bundesvergabeamt legte dem EuGH u. a. die Frage vor, ob es die für die Vergabe öffentlicher Aufträge geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Art. 26 Richtlinie 93/36/EWG 419, verbieten würden, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Strom ein mit 45 % gewichtetes Zuschlagskriterium festsetzt, bei dem der Bieter – ohne Bindung an einen bestimmten Liefertermin – anzugeben hat, wie viel Strom aus erneuerbaren Energieträgern er an einen nicht näher eingegrenzten Abnehmerkreis liefern kann. Jener Bieter sollte dabei die maximale Punktzahl erhalten, der die höchste Menge angibt, wobei nur die Liefermenge gewertet wird, die die Menge des im Rahmen des ausgeschriebenen Auftrags zu erwartenden Verbrauchs über417

EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448 – 01, EuZW 2004, S. 81 ff. – Wienstrom. EuGH, a.a. O., Rn. 15 ff. 419 Richtlinie 93/36/EWG des Rates v. 14. 6. 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. Nr. L 199 v. 9. 8. 1993, S. 1 (LKR). 418

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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schreitet. Problematisch war auch der Umstand, dass mit dem Kriterium keine Anforderungen verbunden waren, die eine effektive Kontrolle der Richtigkeit der in den Angeboten enthaltenen Angaben erlauben, und das gesetzte Ziel sich möglicherweise mit ihm nicht erreichen ließ 420. Fraglich war weiter die Gewichtung des Kriteriums mit 45%, da es dem Auftraggeber möglicherweise verwehrt sei, finanziell nicht unmittelbar Bewertbares in dieser Höhe in die Vergabeentscheidung einfließen zu lassen 421. c) Schlussanträge des Generalanwalts Generalanwalt Mischo war der Ansicht, dass es die für die Vergabe geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Art. 26 Richtlinie 93/36/ EWG, dem öffentlichen Auftraggeber verbieten würden, bei der Beschaffung von Strom ein mit 45% gewichtetes Zuschlagskriterium festzusetzen, bei dem der Bieter – ohne Bindung an einen bestimmten Liefertermin – anzugeben hat, wie viel Strom aus erneuerbaren Energieträgern er an einen nicht näher eingegrenzten Abnehmerkreis liefern kann, und jener Bieter die maximale Punktzahl erhält, der die höchste Menge angibt, wobei nur jene Liefermenge gewertet wird, die die Menge des im Rahmen des ausgeschriebenen Auftrags zu erwartenden Verbrauchs überschreitet 422. Dabei stellt er zunächst in Anlehnung an „Concordia-Bus-Finland“ 423 fest, dass der öffentliche Auftraggeber Umweltschutzkriterien berücksichtigen darf, sofern diese Kriterien mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängen, dem Auftraggeber keine unbeschränkbare Entscheidungsfreiheit einräumen, ausdrücklich im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung des Auftrags genannt sind und bei ihnen alle wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot, beachtet werden. Auch stellte er fest, dass der EuGH entschieden habe, dass nicht jedes Vergabekriterium, das der Auftraggeber festgelegt hat, um das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln, notwendigerweise rein wirtschaftlicher Art sein muss. Mithin sei die Lieferung „grünen“ Stroms 424 als umweltschutzbezogenes Zuschlagskriterium berücksichtigungsfähig 425. Zudem sei der Auftraggeber grundsätzlich bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien frei 426. Den erstmals 420

EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448 – 01, EuZW 2004, S. 81 ff., Rn. 29 – Wien-

strom. 421

EuGH, a.a. O., Rn. 35. Schlussanträge des GA Mischo v. 27. 2. 2003, Rs. C-448/01, Slg., S. I-14527, Rn. 81 – Wienstrom. 423 Siehe oben, 3.4. 424 Vgl. auch EuGH, Urt. v. 13. 3. 2001, Rs. C-379/98, Slg., S. I 2099 – Preussen Elektra. 425 Schlussanträge des GA Mischo v. 27. 2. 2003, Rs. C-448/01, Slg., S. I-14527, Rn. 33 ff. – Wienstrom. 422

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

in der Entscheidung „Concordia-Bus-Finland“ aufgestellten Grundsatz, dass ein Zusammenhang des Kriteriums mit dem Auftragsgegenstand bestehen muss, sah der Generalanwalt hier aber nicht als erfüllt an. Der Nachweis über die Verwendung von Energie für die Erfüllung anderer Aufträge durch den Bieter habe nichts mit dem vom Auftraggeber 427 definierten Auftragsgegenstand zu tun 428. d) Das Urteil des EuGH Der EuGH nahm ebenfalls Bezug auf die Maßstäbe, die in der Entscheidung „Concordia Bus Finland“ 429 entwickelt wurden und präzisierte diese 430. Er hielt insofern fest, dass das Kriterium, Strom aus erneuerbaren Energien zu liefern, grundsätzlich als Zuschlagskriterium im Rahmen des „wirtschaftlich günstigsten Angebots“ zulässig ist 431. Schließlich trage die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zum Umweltschutz durch die Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen bei, die ihrerseits zu den Hauptursachen der Klimaänderung zählen 432. Zu deren Bekämpfung haben sich die Europäische Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten verpflichtet 433. Er stellte fest, dass nach ständiger Rechtsprechung 434 die Wahl des wirtschaftlich günstigsten Angebots den öffentlichen Auftraggebern die Entscheidung über die Kriterien für die Zuschlagserteilung belässt, sofern diese Kriterien der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen und dem öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe des Auftrags an einen Bieter keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen 435. Weiter stellte der EuGH fest, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung die objektive 426

Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 78. Die österreichische Regierung führte hierzu aus, je höher die Energiemenge sei, die einem bestimmten Unternehmen zur Verfügung stehe, umso höher sei die Liefersicherheit, um bei besonderen Belastungsspitzen im Stromnetz bzw. bei temporärem besonders hohem Verbrauch durch den Stromabnehmer die Versorgung mit der nachgefragten Leistung zu gewährleisten, vgl. Schlussanträge des GA Mischo v. 27. 2. 2003, Rs. C-448/01, Slg., S. I-14527, Rn. 55 f. 428 Schlussanträge des GA Mischo, a.a. O., Rn. 53. 429 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff., Rn. 55 – Concordia Bus Finland. 430 Vgl. EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff., Rn. 30 ff., 40 – Concordia Bus Finland; Bultmann, ZfBR 2004, S. 134, 137; Krohn, NZBau 2003, S. 92, 94; Steinberg, EuZW 2004, S. 76, 77; Hübner, VergabeR 2004, S. 47, 48. 431 Siehe oben, 3. 432 Siehe oben, 3. 433 EuGH, Urt. v. 13. 3. 2001, Rs. C-379/98, Slg., S. I 2099, Rn. 73 – Preussen Elektra. 434 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff., Rn. 19, 26 – Beentjes; EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff., Rn. 59 f. – Concordia Bus Finland. 435 Siehe oben, 3; vgl. auch Steinberg, EuZW 2004, S. 76, 77. 427

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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und transparente Bewertung der verschiedenen Angebote voraussetze. Der öffentliche Auftraggeber müsse danach in der Lage sein, anhand der von Bietern gelieferten Angaben und Unterlagen effektiv zu überprüfen, ob ihre Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Hier gab der öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung an, dass er weder bereit noch in der Lage sei, die Richtigkeit der Angaben der Bieter zu prüfen. Insofern liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung vor, denn ein solches Kriterium gewährleiste nicht die Transparenz und die Objektivität des Vergabeverfahrens. Auch könne die mangelnde Formulierung eines Liefertermins, für den die lieferbare Menge anzugeben sei, intransparent sein; dies müsse aber vom nationalen Gericht entschieden werden, da es sich um eine Tatsachenwürdigung handele 436. Besonders interessant ist, dass der Gerichtshof die Voraussetzung, dass ein Zusammenhang zum Auftragsgegenstand bestehen muss, weiter konkretisierte 437. Zunächst stellt er fest, dass sich das festgelegte Zuschlagskriterium nicht auf die Leistung bezieht, die Gegenstand des Auftrags ist, nämlich die Lieferung der Menge Strom des im Rahmen des ausgeschriebenen Auftrags zu erwartenden jährlichen Verbrauchs. Vielmehr beziehe es sich auf die Mengen, die die Bieter anderen Abnehmern als dem Auftraggeber geliefert haben oder zu liefern beabsichtigen. Ein Zuschlagskriterium, das sich ausschließlich auf die Menge Strom aus erneuerbaren Energieträgern bezieht, die den im Rahmen des ausgeschriebenen Auftrags zu erwartenden jährlichen Verbrauch übersteigt, könne jedoch nicht als mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängend angesehen werden. Ein solches Kriterium könne zur Diskriminierung von Bietern führen, da es denjenigen Bietern einen Vorteil verschaffen könne, die wegen ihrer größeren Erzeugungs- und Lieferkapazitäten in der Lage sind, größere Mengen Strom zu liefern als andere 438. Dies würde das mit den Vergaberichtlinien verfolgte Ziel der Öffnung für den Wettbewerb vereiteln 439. Er lehnte also die Zulässigkeit des formulierten Zuschlagskriteriums wegen mangelnden Zusammenhangs mit dem Auftragsgegenstand ab.

5. „Rüffert“ a) Sachverhalt Aufgrund einer Regelung im Niedersächsischen Landesvergabegesetz 440 verpflichtete sich das Unternehmen Objekt und Bauregie, den beim Bau der Justiz436 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff., Rn. 54 ff. – Concordia Bus Finland. 437 Siehe EuGH, Urt., a.a. O., Rn. 66 ff.; Hübner, VergabeR 2004, S. 47, 49. 438 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff., Rn. 69 – Concordia Bus Finland. 439 Ebenda.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

vollzugsanstalt Göttingen-Rosdorf eingesetzten Arbeitnehmern die im entsprechenden örtlichen Tarifvertrag für das Baugewerbe (Baugewerbe-Tarifvertrag) vorgesehenen Entgelte zu zahlen. § 3 des Gesetzes sieht die so genannte Tariftreueerklärung vor. Danach müssen sich Unternehmen, die sich um einen Bauauftrag bewerben, bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen. Der Auftragnehmer muss sich zudem gem. § 4 verpflichten, diese Verpflichtung Nachunternehmern aufzuerlegen und ihre Beachtung zu überwachen. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung löst gem. § 8 die Zahlung einer Vertragsstrafe aus. Das Unternehmen Objekt und Bauregie arbeitete mit einem polnischen Unternehmen als Nachunternehmen zusammen. Es stellte sich heraus, dass dieses Nachunternehmen seinen auf der Baustelle eingesetzten 53 Arbeitnehmern nur 46,57% des vorgesehenen Mindestlohns gezahlt hatte, was auch zu einem gegen den Hauptverantwortlichen des polnischen Unternehmens ergangenen Strafbefehl führte. Nachdem der Werkvertrag aufgrund der Strafverfolgungsmaßnahmen gekündigt wurde, stritten das Land Niedersachsen und der Insolvenzverwalter von Objekt und Bauregie, Rüffert, darüber, ob diese wegen Verletzung der Tariftreueerklärung zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 84.934,31 Euro (1 % der Auftragssumme) verpflichtet ist. b) Problem Das OLG Celle 441, das den Rechtsstreit als Berufungsgericht zu entscheiden hatte, hatte Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der die Vertragsstrafe vorsehenden Bestimmungen und legte daher dem EuGH die Frage vor, ob die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV) einer gesetzlichen Verpflichtung des Zuschlagsempfängers eines öffentlichen Bauauftrags entgegensteht, seinen Arbeitnehmern mindestens das tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zu zahlen. Mithin betrifft dieses Vorabentscheidungsersuchen des OLG Celle die Auslegung des Art. 49 EGV sowie der Arbeitnehmerentsenderichtlinie 96/71/EG 442. Art. 49 Abs. 1 EGV bestimmt, dass Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten sind 443. Die Arbeitnehmerentsenderichtlinie soll einerseits 440 Niedersächsisches Landesvergabegesetz (LVergabeG) v. 09. 12. 2005, Nds. GVBl., S. 395. 441 OLG Celle, Beschl. v. 03. 08. 2006, Az. 13 U 72/06, VergabeR 2006, S. 756 ff. 442 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. Nr. 18 v. 21. 1. 1997, S. 1 ff. 443 Siehe oben Kapitel 2, III. 2. b) bb) sowie unten Kapitel 4, II. a) bb).

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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die freie Dienstleistungsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten fördern und einen fairen Wettbewerb zwischen den Dienstleistungsunternehmen und andererseits die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer gewährleisten. c) Schlussanträge des Generalanwalts Generalanwalt Bot hat hierzu die Ansicht vertreten, dass dem Niedersächsischen Landesvergabegesetz weder die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 49 EGV noch die Arbeitnehmerentsenderichtlinie entgegenstehe 444. Zwar verpflichte das Landesvergabegesetz Unternehmen, die von der öffentlichen Hand einen Auftrag erhalten, ihren Arbeitnehmern mindestens den ortsüblichen Tariflohn zu zahlen, der deutlich über den in der Baubranche geltenden Mindestlöhnen liege. Jedoch verstoße die Regelung nicht gegen die europäische Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern, da diese den Mitgliedstaaten gerade erlaube, über die europäischen Vorgaben hinauszugehen. Die sich aus einer solchen Regelung ergebende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt. Allerdings müsse das OLG Celle prüfen, ob die Regelung tatsächlich dem Schutz der entsandten Arbeitnehmer diene und Sozialdumping verhindere. d) Das Urteil des EuGH In seinem am 3. 4. 2008 445 ergangenen Urteil gelangt der Gerichtshof, anders als der Generalanwalt zuvor, zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Bestimmungen mit der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern unvereinbar seien. Diese Ansicht vertrat auch die Europäische Kommission 446. Der EuGH führte hierzu aus, dass der Lohnsatz nach dem örtlichen Baugewerbe-Tarifvertrag nicht nach einer der in der Arbeitnehmerentsenderichtlinie 96/71/EG vorgesehenen Modalitäten festgelegt worden sei 447. Zwar sei es nach dieser erlaubt, bei einer 444 Vgl. Schlussanträge des GA Bot v. 20. 09. 2007, Rs. C-346/06, noch nicht in die amtliche Sammlung aufgenommen, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ /LexUriServ.do?uri=CELEX:62006C0346:DE:HTML (30. 11. 2008). 445 EuGH, Urt. v. 03. 04. 2008, Rs. C-346/06, NZBau 2008, S. 332 ff. – Rüffert. 446 Vgl. Schlussanträge des GA Bot v. 20. 09. 2007, Rs. C-346/06, Rn. 52 ff. noch nicht in die amtliche Sammlung aufgenommen, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu /LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62006C0346:DE:HTML (30. 11. 2008). 447 Nicht ganz nachvollziehbar ist, warum der EuGH nicht die Rechtsprechung des EuGH zur Zulässigkeit von Sekundärzwecken („Beentjes“, „Nord-Pas-De-Calais“, „Concordia Bus Finland“ und „Wienstrom“) bei der Vergabe öffentlicher Aufträge anwendet; Losch ging noch davon aus, dass das niedersächsische Landesvergabegesetz sowohl verfassungs- als auch europarechtskonform ist, prüfte allerdings nicht die Arbeitnehmerentsenderichtlinie, NdsVBl. 2003, S. 73, 77.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

staatenübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Mindestlohnsätze vorzugeben. Jedoch setze die Richtlinie voraus, dass das Tariflohnniveau eine breite Geltungswirkung habe, insbesondere für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Es gebe in Deutschland, wie in der Arbeitnehmerentsenderichtlinie vorgesehen, ein System zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, doch sei gerade der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende niedersächsische Baugewerbe-Tarifvertrag nicht für allgemein verbindlich erklärt worden. Darüber hinaus würde sich die Bindungswirkung des konkreten Tarifvertrages nur auf einen Teil der Bauaufträge beschränken, nämlich auf die Vergabe öffentlicher Bauaufträge, und gelte somit nicht für die Vergabe privater Bauaufträge. Somit würden die landesrechtlichen Vorschriften nicht den Bestimmungen der Entsenderichtlinie entsprechen, nach denen die Mitgliedstaaten bei einer staatenübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen Mindestlohnsätze vorschreiben können. Diese Auslegung werde durch eine Würdigung im Lichte des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs bestätigt 448. Auch würde die Beschränkung, die sich aus der Verpflichtung zur Zahlung des tarifvertraglich vorgesehenen Entgelts an die Arbeitgeber ergibt, nicht durch den Zweck des Schutzes der Arbeitnehmer gerechtfertigt. Es liege nämlich kein Nachweis darüber vor, dass ein im Bausektor tätiger Arbeitnehmer nur bei seiner Beschäftigung im Rahmen eines öffentlichen Auftrags für Bauleistungen und nicht bei seiner Tätigkeit im Rahmen eines privaten Auftrags des Schutzes bedarf, der sich aus einem solchen Lohnsatz ergibt, der im Übrigen über den Lohnsatz nach dem deutschen Arbeitnehmerentsendegesetz 449 hinausgeht. Konsequenz dieser Entscheidung ist, dass zumindest Tarifverträge mit örtlichen bzw. regionalen Tarifvertragsklauseln, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurden bzw. die keine Grundlage in gesetzlichen Mindestlohnbestimmungen haben, mit dem EU-Recht nicht vereinbar sind. Auch kann die Mindestlohnrechtsprechung des EuGH für die Begründung der Zulässigkeit der Tariftreueklauseln nicht mehr herangezogen werden 450. Hervorzuheben ist, dass der EuGH letztlich das Argument des Bundesverfassungsgerichts 451, die Verfassungsmäßigkeit von Tariftreuegesetzen ergebe sich aus dem legitimen Grund des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer für die Europarechtskonformität, verworfen hat. 448

Kling, EuZW 2002, S. 229, 232 bewertete schon 2002 die Tariftreueerklärungen als nicht vereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit. 449 Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen – Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) v. 26. 2. 1996, BGBl. I, S. 227, zuletzt geändert durch das Gesetz v. 21. 12. 2007, BGBl. I, S. 3140. 450 Vgl dazu auch Anmerkungen von Becker, JZ 2008, 891 m.w. N. 451 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51 ff.; vgl. auch oben, IV, 2. b).

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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6. Kritik an der Rechtsprechung des EuGH In „Beentjes“ 452 und „Nord-Pas-De-Calais“ 453 ging es um die Einbeziehung arbeitsmarktpolitischer Belange und in den beiden auf diesen folgenden Entscheidungen „Concordia Bus Finland“ 454 sowie „Wienstrom“ 455 ging es um umweltbezogene Belange. Kann in diesen vier Urteilen eine Gemeinsamkeit bestehend in der Verfolgung von gesellschaftspolitischem Allgemeininteresse herausgearbeitet werden, zeigt sich bei dem letzten Urteil in der Rechtssache „Rüffert“ 456 ein anderes Bild. Vor „Rüffert“ bestand die Gemeinsamkeit darin, dass der Gerichtshof in allen Fällen die Rechtmäßigkeit einer öffentlichen Auftragsvergabe, in der ein Kriterium angewandt wurde, das dem Allgemeininteresse diente, anerkannt hat. Die Rechtsprechung des EuGH war damit zunächst grundsätzlich offen für weitergehende Anforderungen, ohne dabei den Primärzweck des öffentlichen Auftragswesens – die Beschaffung – aus dem Auge zu verlieren. Die Verpflichtung eines Bieters, Langzeitarbeitslose zu beschäftigen 457, und eine Vergabebedingung im Zusammenhang mit einer lokalen Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit 458 dienen genauso wie Umweltschutzgesichtspunkte 459 dem Allgemeininteresse. Allerdings lassen sich aus den knappen Ausführungen des EuGH in der Rechtssache „Rüffert“ keine direkten Folgen für die Einbeziehung sozialer Belange ziehen, da der EuGH das Verhältnis der Arbeitnehmerentsenderichtlinie zur Auftragsvergabe nicht problematisiert hat. Nach Becker 460 ist das Vergaberecht insofern spezieller als es nur öffentliche Aufträge erfasst. Andererseits könne man die Arbeitnehmerentsenderichtlinie als eine Konkretisierung von sozialen Aspekten für den besonderen Fall der Arbeitnehmerentsendung begreifen, so dass angesichts der sehr allgemeinen Erwähnung der sozialen Aspekte in der VKR die Arbeitnehmerentsenderichtlinie als spezieller vorgehe 461. Hatte der EuGH in seinen Entscheidungen „Beentjes“ und „Nord-Pas-DeCalais“ die Zulässigkeit politischer Kriterien in Form zusätzlicher Bedingungen 452

Siehe oben, 1. Siehe oben, 2. 454 Siehe oben, 3. 455 Siehe oben, 4. 456 Siehe oben, 5. 457 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes. 458 EuGH, Urt. v. 26. 9. 2000, Rs. C-225/98, NZBau 2000, S. 584 ff. – Nord-Pas-DeCalais. 459 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff. – Concordia Bus Finland; EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448 – 01, EuZW 2004, S. 81 ff. – Wienstrom. 460 Becker, JZ 2008, S. 891, 893. 461 Becker, JZ 2008, S. 891, 893. 453

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

bestätigt, sofern dabei die wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts eingehalten werden 462, ging er in den beiden folgenden Urteilen („Concordia Bus Finland“ sowie „Wienstrom“) noch weiter und konkretisierte seine bisherige Rechtsprechung dahin gehend, dass Zuschlagskriterien nicht rein wirtschaftlicher Natur 463 sein müssten und vier Voraussetzungen erfüllen müssen. Hierbei wiederholte er zunächst, dass Zuschlagskriterien in primärrechtlicher Hinsicht die wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere die grundfreiheitlichen Diskriminierungsverbote beachten müssen. Darüber hinaus müssen sie einen Zusammenhang zum Auftragsgegenstand aufweisen, sie dürfen dem öffentlichen Auftraggeber bei der Auftragsvergabe keine uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräumen und sie müssen den Transparenzanforderungen genügen, d. h. sie müssen insbesondere im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung aufgenommen und sollten möglichst in ihrer Gewichtung vorab festgelegt werden 464. Zu beachten ist, dass, wenn die bisherige Rechtsprechung zur Beurteilung der Berücksichtigungsfähigkeit von sozialen Belangen herangezogen wird, insbesondere „Concordia Bus Finland“ sowie „Wienstrom“ gerade nicht „soziale Belange“ als solche betrafen, sondern es explizit um ökologische Belange ging. Nach Erwägungsgrund 1 der VKR bezieht sich diese auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Berücksichtigungsmöglichkeiten im Rahmen der Zuschlagskriterien im Bereich der ökologischen und sozialen Auftragsvergabe. Hierbei ist die Gesamtheit der Rechtsprechung des EuGH zu würdigen. Mithin kann nicht allein auf die in „Concordia Bus Finland“ und „Wienstrom“ erarbeiteten Voraussetzungen abgestellt werden, die ausschließlich die ökologischen Belange behandelten. Das in der Entscheidung „Concordia Bus Finland“ erstmals aufgestellte und in der Entscheidung „Wienstrom“ konkretisierte Konnexitätsgebot 465, wonach Zuschlagskriterien einen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand aufweisen müssen, könnte bei undifferenzierter oder ungenauer Bewertung dazu führen, dass „soziale Belange“ nie als Zuschlagskriterien bewertet werden dürften 466. So dürften wohl nur solche Aspekte nicht zum Zuschlagskriterium erhoben werden, die keinerlei Bezug zum Auftragsgegenstand aufweisen, also mit dessen Erstellung, Lieferung oder Erbringung nicht in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang stehen 467. Gerade in „Wienstrom“ hat der EuGH herausgearbeitet, dass nur solche Aspekte ausgeschieden werden können, die nicht 462

Vgl. auch McCrudden, in: Frauenförderung 1995, S. 87, 90. Schneider, DVBl. 2003, S. 1186, 1190; vgl. auch Bungenberg, NVwZ 2003, 314, 315 beschreibt, dass der Wirtschaftlichkeitbegriff in „Concordia Bus Finland“ subjektiviert und um nichtmonetäre, gesamtwirtschaftliche Nutzendimensionen erweitert wurde. 464 Siehe oben, 4. 465 Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 346. 466 Würde man „Beentjes“ und „Nord-Pas-De-Calais“ so betrachten, würden soziale Belange nicht gestellt werden können. 463

V. Rechtsprechung des EuGH zu Sekundärzwecken

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für die konkrete Auftragserfüllung erforderlich sind 468. Unberührt bliebe davon nach Kühling 469 die Heranziehung von personenbezogenen Faktoren für die Auftragserfüllung, die die Kategorie der eingesetzten Arbeitnehmer betrifft 470. So dürfte mit Blick auf das Konnexitätsgebot nach „Wienstrom“ lediglich nicht berücksichtigt werden, welche Art von Arbeitnehmern für sonstige Aufträge eingesetzt würden, wohl aber, welche Personen für die konkrete Auftragsdurchführung zum Einsatz gelangen. Wichtig ist, dass nunmehr auch die VKR vorschreibt, bei zusätzlichen Zuschlagskriterien müsse in jedem Fall eine Auftragsbezogenheit gegeben sein 471. Diese Voraussetzung sollte im Lichte nicht nur der letzten drei Entscheidungen des EuGH ausgelegt werden, sondern im Fall von „sozialen Belangen“ gerade auch im Lichte der ersten beiden hierzu ergangenen Entscheidungen. Prieß will die Rechtsprechung in Sachen „Concordia Bus Finland“ sowie in „Wienstrom“ auf andere weitergehende Belange mit einer Einschränkung übertragen. Weitergehende Belange müssten, um als Zuschlagskriterien nach den in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen berücksichtigt werden zu können, dem Umweltschutz vergleichbar im EG-Recht gesetzlich als Ziele der Gemeinschaft normiert sein 472. Nach ihm wären Maßnahmen, die den Diskriminierungsschutz 473, die Beschäftigungsförderung 474 oder die Versorgungssicherheit im Hinblick auf öffentliche Dienstleistungen regeln wegen mangelnder Auftragsgegenstandsbezogenheit nicht berücksichtigungsfähig 475. Besonders bedeutsam ist weiterhin der Umstand, dass der Gerichtshof entgegen der engeren Auffassung der Kommission nicht auf die betriebswirtschaftliche Relevanz des Zuschlagskriteriums abstellt. Die Kommission hatte im Verfahren „Concordia Bus Finland“ 476 sowie in der Mitteilung betreffend die Berücksichtigung von Umweltbelangen 477 verlangt, dass das angewandte Zuschlagskriterium „einen wirtschaftlichen Vorteil zum unmittelbaren Nutzen des Auf467 Vgl. Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, 347, nach dem alle personellen und materiellen Herstellungsfaktoren des Produktes berücksichtigt werden können, da sie alle einen Bezug zum Auftragsgegenstand aufweisen. 468 „Die Verwendung von Energie für die Erfüllung anderer Aufträge“, vgl. EuGH Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448/01, EuZW 2004, S. 81 ff. – Wienstrom. 469 Kühling, VerwA 95 (2004), S. 337, S. 347. 470 Frauen, Menschen mit Behinderungen oder Langzeitarbeitslose. 471 Vgl. Art. 53 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 VKR; vgl. auch unten Kapitel 5, I. 5. 472 Prieß, Vergaberecht, S. 288; vgl. auch unten Kapitel 4, I. 473 Vgl. oben, IV. 4. h) und unten Kapitel 4, I. 474 Vgl. oben, IV. 4. d) und unten Kapitel 4, I. 475 Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 288. 476 Siehe oben, 3. 477 KOM (2001) 274 endg., S. 20 ff.

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

traggebers“ mit sich bringen müsse. Der Gerichtshof entschied sich für einen volkswirtschaftlichen und somit weiten Wirtschaftlichkeitsbegriff 478. Die Entscheidung „Rüffert“ 479 des EuGH lässt für die Vergaberechtspraxis sowie für die Vergaberechtsgesetzgebung, obwohl sie nicht direkt die Einbeziehung sozialer Belange als solches betrifft, trotzdem erhebliche Konsequenzen erwarten. In der aktuellen deutschen Diskussion über die zweite Stufe der Vergaberechtsreform standen weitergehende politische Belange im Vordergrund 480. Insbesondere die Tariftreueerklärungen waren Gegenstand der Diskussion auf Landesebene. Verschiedene Landestariftreuegesetze bzw. Landesvergabegesetze befinden sich im Gesetzgebungsverfahren bzw. wurden teilweise aufgrund des Urteils außer Kraft gesetzt 481. Allerdings sollte dabei aus dem Urteil nicht der undifferenzierte Schluss gezogen werden, dass Tariftreueregelungen schlechthin europarechtswidrig sind. Eine europarechtskonforme Auslegung führt vielmehr, solange die Allgemeinverbindlichkeit von Tariftreueerklärungen verwirklicht wird, zu einer unproblematischen Zulässigkeit. Abzuwarten bleibt, ob dadurch die politisch geführte Diskussion über die Einführung von Mindestlöhnen in Deutschland und möglicherweise deren Einbeziehung in das öffentliche Auftragswesen weiter vertieft wird 482. Darüber hinaus ist abzuwarten, ob dadurch die Forderung nach allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen zunehmen wird 483.

VI. „Soziale Belange“: Versuch der Definition Um den Begriff der „sozialen Belange“ 484 definieren zu können, müssen zunächst die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Sekundärzwecke herausgearbeitet werden. Festzuhalten ist, dass es sich weder um klassische Eignungs- noch um Zuschlagskriterien 485 handelt. Vielmehr gehen sie über diese hinaus. Dabei ist für „soziale Belange“ charakteristisch, dass sie ein Allgemeininteresse verfolgen und der Auftraggeber gerade durch ihre Einbeziehung auf Bedürfnisse der Allgemeinheit eingehen kann.

478

Vgl. Steinberg, Verbundaufgabe, S. 158 ff. m.w. N. Siehe oben, 5. 480 Vgl. unten Kapitel 5, II. 3. 481 Vgl. oben, IV. 2. b). 482 Vgl. zur europäischen Mindestlohnrechtsprechung Kling, EuZW 2002, S. 229, 232. 483 In Deutschland seien nur 1,5 % der Tarifverträge allgemeinverbindlich, in den Niederladen hingegen 70 % und in Frankreich sogar 90%, vgl. Schulten, BT-ADrucks. 16(9)1178 v. 9. 10. 2008, S. 6. 484 Siehe oben Kapitel 1, III. 4., 5. 485 Siehe oben Kapitel 1, III. 3. 479

VI. „Soziale Belange“: Versuch der Definition

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1. Ähnlichkeiten mit umweltbezogenen Belangen Soziale Belange sind verknüpft mit sozial- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen. Dabei beziehen sie sich auf politische Maßnahmen, mit denen soziale Gerechtigkeit und die Absicherung des Existenzminimums für alle Bürger angestrebt wird. Darüber hinaus ist auch Bestandteil sozialer Belange die Förderung bzw. die Sicherung von Gleichberechtigung von verschiedenen Gruppen bzw. Individuen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung einer Diskriminierung oder einer Ungleichbehandlung ausgesetzt sind. Insofern sind solche Belange als sozial zu klassifizieren, die im Dienste der sozialen Gerechtigkeit stehen, die z. B. die Erhaltung aller Grundrechte sowie die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung (etwa, aber nicht nur zwischen Mann und Frau) garantieren. Darüber hinaus sind auch Präferenzklauseln hierunter zu subsumieren, die beispielsweise der Wiedereingliederung von benachteiligten oder vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Personen dienen und insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der sozialen Ausgrenzung stehen. Auch zählen so genannte Antidiskriminierungsklauseln zu sozialen Belangen, deren Ziel die Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund verschiedener personenbezogener Merkmale ist. Nähern kann man sich der sozialen Dimension auch über die Stationen des Produktlebenszyklus wie z. B. die Rohstoffbeschaffung, die anschließende Produktion, der Transport, die Nutzung und die Entsorgung. Bei diesen Stationen ist auf die sozialpolitische Vertretbarkeit zu achten. Danach könnten soziale Belange entlang des Lebenszyklus eines Produkts in Bezug auf die Entlohnung (geschlechtsneutrale Entlohnung, lebensnotwendiger Mindestlohn, Vermeidung ausbeuterischer Kinderarbeit), Chancengleichheit (geschlechtsneutrale, rassen- und religionsunabhängige Arbeitsplatzvergabe sowie Vermeidung von Diskriminierung Behinderter oder Homosexueller), Aus- und Weiterbildung (Ausbildungsplätze, Entwicklungsmöglichkeiten im Betrieb, Weiterbildung mit integrationsspezifischem Hintergrund), Arbeitsplätze (Investition in neue Arbeitsplätze, Vermeidung von Rationalisierung und von Überstunden zuungunsten neuer Arbeitsplätze) und in Bezug auf Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, Kollegialität, Integration, Arbeitnehmervertretung) formuliert werden 486. Auch die Barrierefreiheit auf allen Ebenen des Vergabeverfahrens wäre hierunter zu subsumieren. Wobei die Schaffung von Barrierefreiheit die Spaltung in der Gesellschaft am Zugang zu öffentlichen Diskussionen aufgrund nicht

486 Vgl. Roadmap „Öffentliche Beschaffung“, Nachhaltigkeit in der Informationsund Kommunikationstechnik, im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung un Forschung, S. 81, abrufbar unter: http://www.roadmap-it.de/download/Roadmap_oeB.pdf (21. 11. 2008).

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Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

nur von körperlichen Handicaps, sondern auch in Bezug auf religiöse, kulturelle und sprachliche Hindernisse, verhindern soll 487. Ziekow 488 betont, dass soziale Aspekte weder definitorisch noch durch eine Aufzählung abschließend zu erfassen sind und versucht sich einer Definition zu nähern, in dem er bestimmt, dass unter sozialen Aspekten alle Gesichtspunkte zu verstehen sind, die die rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebensbedingungen von Personen oder Personengruppen sichern oder verbessern sollen. Umweltbezogen sind hingegen Belange, denen es vorrangig um die Nachhaltigkeit der Beschaffung geht, um so eine sauberere, sicherere und gesündere Umwelt für die Menschheit der Gegenwart und Zukunft zu ermöglichen. Im Blickfeld der umweltbezogenen Belange stehen vor allem der Umweltschutz sowie die Umweltfreundlichkeit der Produkte und Leistungen. Sowohl soziale als auch umweltbezogene Belange haben die Bedürfnisse der Allgemeinheit im Auge. Diesen beiden Faktoren ist gemeinsam, dass sie sich in erster Linie nicht an betriebs-, sondern an volkswirtschaftlichen Auswirkungen für die Gemeinschaft orientieren. Im Mittelpunkt steht gerade nicht die Gewinnmaximierung eines Einzelnen, sondern der Gesamtnutzen der Gesellschaft. Auch liegt es in der Natur von sozialen und umweltbezogenen Belangen, dass sie sich nicht an kurzfristig messbaren Resultaten, sondern an langfristig beobachtbaren Ergebnissen ausrichten, die einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen bringen. Soziale und umweltbezogene Belange können in allen Phasen des Vergabeverfahrens relevant werden. Sowohl umweltbezogene als auch soziale Belange können sich auf die Herkunft sowie auf die Vorgänge bei der Herstellung eines Produkts und die damit verbundenen, gesamtwirtschaftlichen und globalen Auswirkungen, auf die Gesellschaft wie auf die Umwelt beziehen.

2. Unterschiede zwischen sozialen und umweltbezogenen Belangen Soziale Belange sind sozial- und gesellschaftspolitisch motiviert 489. Dabei handelt es sich häufiger um Maßnahmen zur Arbeitsförderung und zum Arbeitnehmerschutz, um Maßnahmen, die personenbezogen sind, d. h. bei denen eher die Förderung spezifischer Personen bzw. Personengruppen oder Unternehmen im Vordergrund stehen, um eine Gleichbehandlung bzw. Nichtdiskriminierung zu gewährleisten. Hierunter fallen auch Maßnahmen zur Verhinderung von be-

487 488 489

Vgl. oben, III. 1. sowie unten Kapitel 5, I. 3. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 11. Siehe oben, 1.

VI. „Soziale Belange“: Versuch der Definition

175

stimmten Verhaltensweisen (z. B. Sanktionierung von Kinderrechts- und Menschenrechtsverletzungen). Hingegen knüpfen umweltbezogene Belange nicht immer, aber häufig an Eigenschaften der Produkte oder Leistungen an mit dem Ziel, bestimmte ökologische Verhaltensweisen zu fördern. Darüber hinaus hat sich die Berücksichtigung umweltbezogener Belange in der öffentlichen Auftragsvergabe nicht zuletzt deswegen etabliert, weil sich im Gegensatz zu den sozialen Belangen regelmäßig konkret eine materielle Verbindung mit den Eigenschaften des jeweiligen Produkts bzw. des Auftragsgegenstandes herstellen lässt 490. Zudem kann eine umweltfreundliche Beschaffung zugleich die für den Auftraggeber vorteilhafteste sein, weil sie neben den Vorteilen für die Umwelt zugleich unmittelbare Vorteile für den Auftraggeber mit sich bringt. So führen z. B. langlebige Produkte nicht nur zur Abfallvermeidung und damit zu weniger Entsorgungsaufwand, sondern auch zu Ersparnissen für den Verwender, vorausgesetzt, die Ersparnisse werden nicht durch einen entsprechend höheren Anschaffungspreis zunichte gemacht. Was die Art und Weise der Einbeziehung in das Vergabeverfahren angeht, werden soziale Belange ganz überwiegend als vertragliche Ausführungsbedingungen formuliert; umweltbezogene Belange können ganz unproblematisch als Zuschlagskriterium formuliert werden sofern ein Zusammenhang zum Auftragsgegenstand besteht 491.

3. Ergebnis Im Folgenden wird zwischen sozialen Belangen im weiteren und im engeren Sinne unterschieden. Soziale Belange i.w. S. sollen all jene Maßnahmen erfassen, die Auswirkungen – gleich welcher Art – auf die Gesellschaft haben. Auswirkungen könnten rechtlicher, wirtschaftlicher und kultureller Art sein. Hierunter könnten dann auch die Gegensteuerung bei konjunkturellen Schwankungen, der Einsatz von Tariftreueerklärungen oder Mindestlohnregelungen, Regelungen bzgl. Schwarzarbeit, Präferenzregelungen zugunsten ostdeutscher Betriebe sowie die Mittelstandsförderung gefasst werden. Dagegen sollen unter soziale Belange im engeren Sinn lediglich die Maßnahmen und Kriterien subsumiert werden, die über die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft hinaus auch nachweislich einen sozial- und gesellschaftspolitischen Charakter haben. Dabei ist der sozial- und gesellschaftspolitische Charakter dann zu bejahen, wenn durch die zusätzlichen Kriterien die soziale Einbindung bzw. die Gleichbehandlung bestimmter Personen oder Personengruppen in die Gesellschaft gefördert wird 492. 490 Byok, NJW 2001, S. 2295, 2296; Fischer / Barth, NVwZ 2002, S. 1184, 1185; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 190. 491 Vgl. Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR.

176

Kap. 3: Sekundärzwecke im Vergaberecht

Danach würden die Ausbildungs- bzw. Lehrlingsförderung sowie die Verknüpfung mit Beschäftigungsmaßnahmen hierunter fallen, die aber gleichzeitig auch gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben, mithin genauso gut unter die sozialen Belange i.w. S. subsumierbar sind 493. Zweifelsohne sind aber die Frauenförderung, die vorrangige Berücksichtigung von Werkstätten für Behinderte, Scientology-Schutzerklärungen, der Diskriminierungsschutz sowie die Sanktionierung von Kinderrechts- und Menschenrechtsverletzungen soziale Belange im engeren Sinne.

492

Wittig, Vergaberecht, S. 4. Die Verknüpfung mit der Tariftreue könnte ebenfalls wegen ihrer Intention „Dumpinglöhne“ zu vermeiden auch unter die sozialen Belange i. e. S. subsumiert werden, da sie damit auch einen sozialpolitischen Charakter hat. Hier soll sie aber wegen ihrer doch überwiegenden wirtschaftspolitischen Auswirkungen eher im Bereich der sozialen Belange i.w. S. eingeordnet werden. 493

Kapitel 4

Anforderungen und Schranken I. Anforderungen In der gesamten Gemeinschaftsordnung ist ein Wandel 1 von einem ursprünglich angestrebten gemeinsamen Wirtschaftsraum mit dem Ziel eines Gemeinsamen Marktes hin zu einer Werte- und Sozialgemeinschaft zu beobachten. Auch die Lissabon-Strategie, die einen übergreifenden Rahmen für die europäische Wirtschafts-, Arbeits-, Sozial- und Umweltpolitik bildet, ist Teil dieses Wandels in Richtung einer sozialen Gemeinschaft 2. Von dieser Entwicklung gehen auch Impulse bzw. Anforderungen für eine nachhaltige und soziale öffentliche Auftragsvergabe aus, die im Folgenden darzustellen sind. Aber auch im deutschen Recht finden sich mit seinen Staatszielbestimmungen sowie mit Grundrechten Grundlagen für die Einbeziehung sozialer Belange in das Vergabeverfahren.

1. EG-Recht Im Vertrag zu Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVertrag) spielte die soziale Dimension noch eine untergeordnete Rolle 3. Im Vordergrund standen bei den Römischen Verträgen von 1957 in Art. 2 ausschließlich wirtschaftliche Aufgaben wie die harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens, Wirtschaftswachstum, Stabilität und Hebung der Lebenshaltung. Die Vertragswerke von Maastricht und Amsterdam dokumentieren in den neunziger Jahren das Streben nach einer inhaltlichen Orientierung der Gemeinschaftspolitik 4. Art. 1 EUV verkündet, dass die Gemeinschaft eine „neue Stufe der Verwirklichung einer immer engeren Union“ mit dem Ziel „eines engeren Zusammenschlusses“ erreicht hat 5. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft wurde 1

Becker, in: Schwarze, Verfassungsentwurf, S. 201, 202. Vgl. Koenig, EuR 1994, S. 175, 176 f. 3 Egger, in: Hummer, Europarecht, S. 73. 4 Basedow, EuZW 2008, S. 225 (Editorial). 5 Vgl. konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. C 115 v. 9. 5. 2008, S. 1, 16. 2

178

Kap. 4: Anforderungen und Schranken

zur Gemeinschaft, indem die wirtschaftspolitischen Zielsetzungen um weitere Politikfelder erweitert wurden. Hierfür sieht der EGV dann einzelne Politiken bzw. Tätigkeiten der Gemeinschaft vor. Dies bedeutet für öffentliche Auftraggeber, dass sie durch die Auftragsvergabe auch politische Ziele verwirklichen können, die sich aus Art. 2 EGV ableiten lassen 6. Im Vertrag von Lissabon schließlich ging die Gemeinschaft noch einen Schritt weiter im Sinne eines europäischen Sozialmodells 7. Zwar weist der neue Art. 2 EU in vielem Deckungsgleichheit mit der bisherigen Auflistung der Aufgaben der Gemeinschaft in Art. 2 EGV auf, wenn man jedoch beide Artikel miteinander vergleicht, lassen sich auch erhebliche Unterschiede feststellen. Neben anderen haben sozialund gesellschaftspolitische Ziele wie die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierungen, die Förderung von sozialer Gerechtigkeit, die Solidarität zwischen den Generationen und der Schutz der Kinderrechte eine „Aufwertung“ erfahren. Hingegen hat die Schaffung eines unverfälschten Wettbewerbs nicht Eingang in Art. 2 EUV gefunden und hat mit seinem Verbleiben in Art. 3 lit. g statt dessen eine „Abwertung“ erfahren. Dies wird im Protokoll zum EU-Vertrag damit erklärt, dass der Wettbewerb ohnehin Bestandteil des „Binnenmarkts“, der in Art. 2 als Ziel der Union genannt werde, sei. Durch diese Verlagerung verändert sich zwar juristisch an der Bedeutung des Wettbewerbs für die Gemeinschaft nichts, allerdings spiegelt dies ganz besonders den politischen Wandel hin zu einem sozialen Europa wider. Die neuen Ziele werden zwangsweise mehr Regulierung von staatlicher Seite mit sich bringen, um verwirklicht werden zu können. Hierin schließlich ist auch schon eine Abkehr vom ursprünglichen Modell einer freiheitlich und wettbewerblich organisierten Gemeinschaft zu einem neuen Sozialrahmen zu sehen a) Einzelne Politiken und Tätigkeiten aa) Integrationsauftrag Im Vordergrund der Gemeinschaft steht nunmehr nicht nur die Verwirklichung des Binnenmarktes, sondern auch der Integrationsauftrag zu einem engeren Zusammenschluss in der EG hin 8. Dies mag sich auch damit erklären, dass mit einer möglichen Asymmetrie zwischen wirtschaftlicher und sozialer Integration die Gefahr besteht, dass immer weniger Akzeptanz seitens der Bevölkerung für 6 Vgl. Boehme-Neßler, DVBl. 2006, S. 1257, 1261; vgl. auch Wilke, der die bevorzugte Berücksichtigung von Lehrlingsausbildungsbetrieben als europarechtlich gem. Art. 2, Art. 127 EGV legitimes Ziel bewertet, in: Kulartz / Marx / Portz / Prieß, VOL / A, § 25, Rn. 184. 7 Vgl. auch Schwarze, EU-Kommentar, Einf., Rn. 1, 43; Die Neuregelungen der Lissabon-Vertrages sind bis zum 1. 1. 2009 von den Mitgliedstaaten zu ratifizieren. 8 Wiedmann, Vergabekriterien, S. 187.

I. Anforderungen

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die EU zu erwarten ist 9. In Art. 2 EGV 10 werden dann auch zu fördernde Gemeinwohlziele wie ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität als Teil der Gemeinschaft genannt. Diese Formulierung stellt einen umfassenden Rahmen für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen dar. bb) Beschäftigungspolitik Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. i EGV umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft die Förderung der Koordinierung der Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Verstärkung ihrer Wirksamkeit durch die Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungsstrategie. Näher ausgeführt und konkretisiert werden die einzelnen diesbezüglichen Politiken in Art. 125 – 130 EGV unter der Überschrift „Beschäftigung“. Dies zeigt das große Gemeinschaftsinteresse an einer koordinierten Beschäftigungspolitik, das auch in Art. 126 Abs. 2 EGV niedergelegt ist. cc) Sozialpolitik Art. 3 Abs. 1 lit. j und k EGV sehen eine Sozialpolitik mit einem entsprechenden Europäischen Sozialfonds sowie die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts vor. In Art. 136 –150 wird diese Zielsetzung unter der Überschrift „Sozialpolitik, allgemeine und berufliche Bildung und Jugend“ konkretisiert. Mithin hat auch die Gemeinschaft nunmehr ein eigenes sozialpolitisches Engagement 11. Gemäß Art. 136 Abs. 1 EGV verfolgen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten die Ziele der Förderung der Beschäftigung, der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, um dadurch auf dem Weg des Fortschritts ihre Angleichung zu ermöglichen, einen angemessenen sozialen Schutz, den sozialen Dialog, die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials im Hinblick auf ein dauerhaft hohes Beschäftigungsniveau und die Bekämpfung 9

Wiedmann, Vergabekriterien, S. 192. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung von Amsterdam v. 2. 10. 1997, BGBl. 1998, S. II-386, ber. BGBl. 1999, S. II-416, geändert durch Art. 2 Nizza-Vertrag v. 26. 2. 2001, ABl. Nr. C 80, S. 1, ber. ABl. Nr. C 96, S. 27, Art. 4 Nr. 1 EU-Erweiterungs-Protokoll v. 26. 2. 2001, ABl. Nr. C 80, S. 49, geändert ABl. 2003, Nr. L 236, S. 33, EU-Beitrittsakte 2003 v. 16. 4. 2003, ABl. L 236, S. 940 und Art. 1 Protokoll Nr. 3 zur EU-Beitrittsakte 2003 v. 16. 4. 2003, ABl. L 236, S. 940 und EUBeitrittsakte 2007 v. 25. 4. 2005, ABl. L 157, S. 203. 11 Kämmerer formulierte es noch im Rahmen der Daseinsvorsorge als Liberalisierungsfolge der EG ganz vorsichtig als „soziales Gewissen“ Europas, NVwZ 2002, S. 1041, 1045. 10

180

Kap. 4: Anforderungen und Schranken

von Ausgrenzungen. Dabei sollen diese Ziele gem. Art. 137 Abs. 1 lit. i und j EGV auch durch Schaffung von Chancengleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz sowie die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung realisiert werden. Besonders hervorzuheben ist Art. 137 Abs. 2 EGV, womit dem Rat nunmehr eine echte sozialpolitische Kompetenznorm mit Rechtsetzungsbefugnis zur Verfügung steht, der nicht auf ein Funktionieren des Gemeinsamen Marktes abstellt. dd) Chancengleichheit Gemäß Art. 13 Abs. 1 EGV kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag der Europäischen Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen 12. Art. 141 Abs. 3 EGV verleiht dem Rat die Befugnis, Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit, zu ergreifen 13. Art. III-8 des Vertragsentwurfs über eine Verfassung von Europa 14 geht dabei noch weiter, indem die zu ergreifenden Maßnahmen nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter erfasst, sondern darüber hinaus geht und die für die Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung mit erfasst. Sekundärrechtlich hat sich diese sozialpolitische Dimension bereits in den Gleichbehandlungsrichtlinien niedergeschlagen 15. 12 Bultmann, Beihilferecht, S. 104 bezeichnet die Antidiskrimininierungsbestrebungen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht als politisch verankerte Ziele. 13 Wiedmann, Vergabekriterien, S. 187 nennt die in Art. 141 Abs. 3 EGV beschriebenen Maßnahmen in Anlehnung an den anglo-amerikanischen Sprachgebrauch „affirmative-action-Maßnahmen“. 14 Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa vom Europäischen Konvent im Konsensverfahren angenommen am 13.6. und 10. 7. 2003 dem Präsidenten des Europäischen Rates in Rom überreicht, 18. 7. 2003, ABl. C 169, S. 1. 15 Richtlinie 2000/43/EG des Rates v. 29. 6. 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. L 180, S. 22; Richtlinie 2000/78/EG des Rates v. 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. L 303, S. 16; Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 23. 9. 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zu-

I. Anforderungen

181

b) Querschnittsaufgaben in der Gemeinschaft Darüber hinaus hält das EG-Recht positive Leitlinien für die Berücksichtigung sozialer Belange bereit. Gemeint sind insbesondere die so genannten Querschnittsklauseln des EGV. Sie sind zwar nicht unmittelbarer Prüfungsmaßstab, bilden aber eine Richtschnur für die vertragskonforme Interpretation des Richtlinienrechts. Da Querschnittsklauseln bei allen EG-Politiken berücksichtigt werden müssen, sind sie bei der Auslegung der primärrechtlichen Diskriminierungstatbestände und des Wettbewerbsrechts fruchtbar zu machen 16. Sie sind Instrumente des Ausgleichs konfligierender Gemeinschaftsziele und werden vom EuGH als Mittel zur Herstellung praktischer Konkordanz eingesetzt 17. Dabei handelt es sich bei den Querschnittsklauseln um Art. 3 Abs. 2 EGV und Art. 6 EGV 18. Nach Art. 3 Abs. 2 EGV i.V. m. Art. 2 EGV wirkt die Gemeinschaft bei allen Gemeinschaftstätigkeiten darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Insgesamt begründen Art. 3 Abs. 2 i.V. m. Art. 2 EGV eine positive Verpflichtung, die Gleichstellung von Frauen und Männern bei allen Tätigkeiten der Gemeinschaft zu fördern 19. Dies würde die Einbeziehung der Frauenförderung im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe wie sich dies in einigen Bundesländern durchgesetzt hat, untermauern 20. Gemäß Art. 6 EGV müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden. Die Querschnittsklausel „Umweltschutz“ hat der EuGH auch bereits in der Begründung seiner Entscheidungen für die Berücksichtigungsfähigkeit von umweltbezogenen Belangen in der Zuschlagsphase herangezogen 21. Insofern hat die Einbeziehung von umweltbezogenen Belangen in das Vergabeverfahren auch eine gewisse Vorbildfunktion für die Entwicklung der noch gangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitbedingungen, ABl. L 269, S. 15; Richtlinie 2004/113/EG des Rates v. 13. 12. 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung von Gütern und Dienstleistungen, ABl. L 373, S. 37. 16 Neßler, DÖV 2000, S. 145, 151; Gurlit, in: Koreuber / Mager, Gleichberechtigung, S. 153, 168; Böhm / Danker, NVwZ 2000, S. 767, 768; Rust, EUZW 2000, S. 205, 207. 17 Vgl. Gurlit, in: Koreuber / Mager, Gleichberechtigung, S. 153, 168; Bungenberg / Nowak, ZUR 2003, S. 10, 12. 18 Siehe auch Frenz, WuW 2002, S. 352, 355 zur Notwendigkeit eines Ausgleichs bzgl. ökologischer und ökonomischer Belange; Krohn, Umweltschutz, S. 39; Rößner / Schalast, NJW 2003, S. 2361, 2363; Beckmann, NZBau 2004, S. 600, 605. 19 Vgl. Pirsnter-Ebner, EuZW 2004, S. 205, 206 f.; Kocher, RdA 2002, S. 167, 168. 20 Vgl. dazu oben Kapitel 3, IV. 4. b); vgl. auch Böhm / Danker, NVwZ 2000, S. 767, 768. 21 Vgl. dazu oben Kapitel 3, IV. 3. a) und V. 3.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

einzubeziehenden sozialen Belange, da sich Umweltbelange bereits im Vergaberecht als weitergehendes politisches Kriterium etabliert haben. c) Verfassungsentwurf Der Vertrag über eine Verfassung für Europa 22 (VVE) wird in der Form des ursprünglichen Entwurfs aufgrund der ablehnenden Referenden in Frankreich und in den Niederlanden im Jahre 2005 nicht in Kraft treten. Sie muss überarbeitet werden, um so den Bedenken aus den ablehnenden Staaten gerecht zu werden. Allerdings werden einige Passagen des Entwurfs beibehalten werden. Dabei handelt es sich unter anderem um Art. 1 –3 VVE, nach denen es sich bei Europa um eine „soziale Marktwirtschaft“ handelt, die sich zum Ziel gesetzt hat, soziale Ausgrenzung und Diskriminierung zu bekämpfen und soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz sowie die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern 23. Nach Art. III-124 VVE können für die Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung erforderlichen Maßnahmen durch Europäisches Gesetz oder Rahmengesetz des Rates festgelegt werden. Nach Art. III-117 VVE soll die Union ein hohes Beschäftigungsniveau, die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie ein hohes Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung fördern. Darüber hinaus schlägt sich die soziale Dimension Europas auch insbesondere in der Charta der Grundrechte der Union 24 durch die Aufnahme sozialer Rechte wie das Recht auf Bildung 25, das Recht auf Arbeit und der Berufsfreiheit 26, Recht auf Gleichheit 27 sowie das Recht auf Solidarität 28 nieder. Art. 21 der Charta der Grundrechte zählt im Diskriminierungsverbot 17 Formen der Ungleichbehandlung beispielhaft auf. Aus diesem Gesamtbild auch in Anbetracht des Vertrages von Lissabon 29 ergibt sich eine klare Zukunftsperspektive für ein „soziales Europa“ 30. 22 Vertrag über eine Verfassung für Europa v. 29. 10. 2004, ABl. Nr. C 310 v. 16. 12. 2004, S. 1 ff.; vgl. auch oben Kapitel 2, III. 3; vgl. zur Entwicklung des Verfassungsentwurfs Schwarze, in: Schwarze, Verfassungsentwurf, S. 15 ff. 23 Becker, in: Schwarze, Verfassungsentwurf, S. 201 ff., 207. 24 Informationen d. Organe u. Einrichtungen der Europäischen Union Europäisches Parlament, Rat, Kommission – Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. EU C 303 v. 14 12.2007, S. 1. 25 Art. 14. 26 Art. 15. 27 Art. 20 ff. 28 Art. 27 ff. 29 Vgl. oben, 1. 30 Becker, in: Schwarze, Verfassungsentwurf, S. 201, 218; Kämmerer, NVwZ 2004, S. 28, 34.

I. Anforderungen

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d) Corporate Social Responsibility Eine weitere Entwicklung im Sinne des „sozialen Europa“ ist in der Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen zu sehen 31. „Corporate Social Responsibility“ kommt aus dem englischen Sprachgebrauch und bezeichnet die gesellschaftliche Mitverantwortung von Unternehmen bei ihren Aktivitäten in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Betriebe sollen wirtschaftliche, soziale und umweltrelevante Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit berücksichtigen. Dabei handelt es sich um freiwilliges Engagement. Auch die öffentliche Hand könnte „Corporate Social Responsibility“ in das öffentliche Vergabeverfahren integrieren, da das öffentliche Beschaffungswesen ebenfalls Bezüge zum Nachhaltigkeitserfordernis (Art. 2 EGV) hat. Hierunter könnte das „verantwortliche Einkaufen der öffentlichen Hand“, um beispielsweise die Beschaffung von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit 32 zu vermeiden, subsumiert werden 33. Die Kommission hebt hervor, dass die Integration von ethnischen Minderheiten angehörenden Personen, älteren Arbeitskräften, Frauen, Langzeitarbeitslosen und benachteiligten Personen in den Arbeitsmarkt unerlässlich ist, um die Ziele „Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung“ und „Verminderung der Arbeitslosigkeit“ zu erreichen 34. Dabei betonte die Kommission, dass soziale Initiativen seitens der Unternehmen keinen Ersatz für Rechtsvorschriften und Regelungen der Mitgliedstaaten im Bereich soziale Standards darstellen 35. e) Zwischenergebnis Der EG-Vertrag stellt mit seiner nicht nur binnenmarktorientierten Ausrichtung eine breite rechtliche Grundlage für die Einbeziehung sozialer Belange und damit eine sachliche Legitimation als Aufgabe der Gemeinschaft dar. Für den Wandel lassen sich auch die sozialen Zielvorgaben des Vertrages über eine Verfassung für Europa sowie das Konzept der „Corporate Social Responsibility“ für eine verantwortungsvolle Beschaffung anführen. Die Berücksichtigung 31

KOM (2002) 347 endg., S. 24. Dazu siehe oben Kapitel 3, IV. 4. h). 33 Vgl. dazu auch die europaweite Bewegung „Responsibility in Procurement“, die einen Erfahrungsaustausch über soziale und ethische Anforderungen an die Beschaffung zwischen öffentlichem und privatem Kaufsektor sowie potentiellen Anbietern ermöglichen soll und dazu beispielhaft das Baugewerbe sowie das Textilien- Bekleidungsgewerbe bearbeitet, abrufbar unter: http://www.iclei-europe.org/index.php?id =4943 (7. 11. 2008) oder ähnlich: http://www.eurocities.org/carpe-net/site/rubrique.php ?id_rubrique=23 (7. 11. 2008). 34 Vgl. Grünbuch, KOM (2001) 366 endg., Rn. 29. 35 Wiedmann, Verabekriterien, S. 189; Grünbuch, KOM (2001) 366 endg., Rn. 22. 32

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

sozialer Belange in das öffentliche Auftragswesen erscheint in Anbetracht der oben aufgezeigten europarechtlichen Anforderungen nachgerade als Pflichtkür, um so auch dem Gemeinschaftsziel der sozialen Integration gerecht zu werden.

2. Deutsches Recht Auch das deutsche Recht hält Anforderungen bereit, die für die Einbeziehung sozialer Belange in das öffentliche Auftragswesen sprechen. a) Sozialstaatsprinzip Das Sozialstaatsprinzip ist in Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG verankert und enthält einen objektiv-rechtlichen Handlungsauftrag an die Legislative. Zu den Aufgaben eines modernen Sozialstaates gehören die Integration von Menschen mit Behinderungen, der soziale Wohnungsbau, die Leistung von sozialer Hilfe wie auch die Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit 36. Dabei ist der Begriff der Daseinsvorsorge aus der Sozialstaatsdogmatik nicht wegzudenken 37. Das Sozialstaatsprinzip ist unmittelbar an den Gesetzgeber gerichtet und enthält damit einen Gestaltungsauftrag an diesen, der ihm auch einen weiten Spielraum für Maßnahmen in Bezug auf die Daseinsvorsorge und das Gemeinwohl einräumt 38. Nach Kling 39 könnte z. B. die Verpflichtung zur Ausbildung von Lehrlingen auf der Grundlage des Sozialstaatsprinzips durch einfaches Gesetz begründet werden 40. Auch das Bundesverfassungsgericht 41 sah in seinem Beschluss 42 das Einfordern einer Tariftreueerklärung durch das Allgemeinwohl als gerechtfertigt an. Hervorzuheben ist, dass Art. 20 kein subjektives einklagbares Recht des Einzelnen gewährt, sondern lediglich eine Klagebefugnis aus anderen bieterschützenden Vorschriften anreichert. b) Staatszielbestimmung Umweltschutz Gemäß Art. 20a GG schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und 36 37 38 39 40 41 42

Bungenberg, Vergaberecht, S. 299. Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 54. Bungenberg, Vergaberecht, S. 299. Kling, Instrumentalisierung, S. 474 ff. Vgl. oben Kapitel 3, IV. 4. a). BVerfG, Beschl. v. 11. 7. 2006, 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 387 ff. Dazu vgl. oben Kapitel 3, IV. 2. b).

I. Anforderungen

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Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Art. 20a GG verlangt Umweltschutz auch mit Blick auf künftige Generationen. Dabei erfasst der Begriff Staat sämtliche Staatsorgane, so dass Bund, Länder, Gemeinden und alle sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bzw. sämtliche Träger hoheitlicher Gewalt gebunden sind 43. Dem Staatsziel Umweltschutz kommt jedoch kein unbedingter, absoluter Geltungsanspruch in dem Sinne zu, dass der Umweltschutz gegenüber anderen Zielen und Aufgaben staatlicher Tätigkeit generell Vorrang genießt 44. Die Bindung der öffentlichen Hand an Art. 20a GG bei der Auftragsvergabe wird im Schrifttum ganz überwiegend bejaht 45. Art. 20a GG hat erhebliche Relevanz für die Einbeziehung von umweltbezogenen Belangen bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Allerdings gewährt Art. 20a wie auch Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG kein subjektives Recht, auf das sich der Einzelne berufen könnte, sondern kann lediglich die Klagebefugnis aus anderen bieterschützenden Vorschriften anreichern 46. Öffentliche Auftraggeber müssen wegen der Verpflichtung aus Art. 20a GG bei der Wertung der Angebote den Umweltschutz auch zugunsten der Nachwelt einbeziehen. Eine Ausschreibung, die den Umweltschutz völlig ausklammert, verstößt gegen Art. 20a GG, wenn keine sachliche Rechtfertigung hierfür vorliegt 47. Insofern stellt Art. 20a GG eine Anforderung für den Umweltschutz im öffentlichen Auftragswesen dar. c) Zwischenergebnis Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 und 20a GG gewähren als Staatszielbestimmungen keine subjektiven Rechte, auf die sich Einzelne berufen können. Sie adressieren als solche lediglich den Gesetzgeber, der an diese auch gleichzeitig gebunden ist. Auch das öffentliche Auftragswesen ist in Form von Gesetzen an das Sozialstaatsprinzip sowie an die Staatszielbestimmung Umweltschutz gebunden.

43 Kloepfer, DVBl. 1996, S. 73, 75; Götzke, Umweltschutz, S. 1, 31 f., 92 f.; BVerwG, Beschl. v. 15. 10. 2002, Az. 4 BN 51/02, NVwZ-RR 2003, S. 171 f. 44 BVerwG, Beschl. v. 15. 10. 2002, Az. 4 BN 51/02, NVwZ-RR 2003, S. 171 f.; Herma, NuR 2002, S. 8, 9. 45 Kloepfer, DVBl. 1996, S. 73, 75; Waechter, NuR 1996, S. 321, 322. 46 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 204. 47 Vgl. Dageförde-Reuter, a.a. O., S. 204.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

II. Schranken Sowohl aus europäischer sowie aus deutscher Sicht sind nicht nur die Anforderungen im vergaberechtlichen Kontext relevant, sondern vor allem die Schranken der Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Belange.

1. EG-Recht Besonders auf primärrechtlicher Ebene sind die oben beschriebenen Marktfreiheiten 48 als mögliche Schranken für soziale Belange hervorzuheben, ferner das europäische Wettbewerbsrecht und das Beihilfeverbot. Sekundärrechtlich müssen die noch zu erläuternden Schranken der VKR unbedingt beachtet werden 49. a) Europäisches Primärrecht Das europäische Primärrecht erfüllt im Vergabewesen mehrere Funktionen: Einerseits ist es Rechtsgrundlage sowie gleichzeitig Maßstab für das abgeleitete Gemeinschaftsrecht und andererseits fungiert es, in erster Linie die Grundfreiheiten und das Wettbewerbsrecht, als Maßstab für die Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts und des Sekundärrechts, insbesondere der Vergaberichtlinien 50. Zudem kommt dem Primärrecht auch eine Ergänzungsfunktion zu, wenn sich den Vergaberichtlinien kein ausdrücklicher Anknüpfungspunkt entnehmen lässt. Der EG-Vertrag regelt das Recht der öffentlichen Auftragsvergabe zwar nicht ausdrücklich, enthält jedoch zahlreiche Bestimmungen, die einen Bezug zur öffentlichen Auftragsvergabe aufweisen 51. Die europäischen Grundfreiheiten gelten dabei unabhängig vom Erreichen der Schwellenwerte für jede Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand, sofern ein grenzüberschreitender Bezug vorhanden ist 52. aa) Warenverkehrsfreiheit Fraglich ist zunächst, inwiefern die Warenverkehrsfreiheit bezüglich der Beachtung von sozialen Belangen bei der öffentlichen Auftragsvergabe eine Schrankenwirkung entfaltet. Das in Art. 28 EGV geregelte Verbot der Maßnahmen 48 49 50 51 52

Vgl. oben Kapitel 2, III. 2. b). Ziekow, NZBau 2001, S. 72, 73. Siehe oben Kapitel 2, III. 2. Vgl. dazu oben Kapitel 2, III. 2. a). Dazu siehe oben Kapitel 2, III. 2. b).

II. Schranken

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gleicher Wirkung erfasst jede Art staatlicher Regelung, die – ohne einen offensichtlich einfuhrbeschränkenden Charakter zu haben – entweder eine einfuhrbehindernde Wirkung entfalten sollen oder sie jedenfalls faktisch zur Folge haben können 53. Regionalpolitische 54 sowie nationalprotektionistische 55 Belange betreffend wurden vom EuGH wiederholt Verstöße gegen die Warenverkehrsfreiheit festgestellt 56. Dies wäre z. B. der Fall, wenn eine öffentliche Ausschreibung für den Erwerb von Holz die Bedingung enthält, dass kein Holz aus Finnland stammen dürfe und finnische Hersteller daher generell ausschließt 57. Eine solche Bedingung bringt für eingeführte Waren eine größere Belastung mit sich. Die inzwischen außer Kraft getretenen Förderungen durch Präferenzregelungen für das Zonenrandgebiet und die neuen Bundesländer 58 kollidierten insofern auch mit der Warenverkehrsfreiheit aus Art. 28 EGV 59. So würde eine einheimische Regelung, der zufolge die bei der Ausführung zu verwendenden Materialien den einheimischen Normen zu entsprechen haben oder nach der einheimisches Material verwendet werden soll und diese Übereinstimmung von Seiten des Bewerbers durch eine Bescheinigung nachzuweisen ist, von der Schranke der Warenverkehrsfreiheit als offen „diskriminierend“ erfasst, da dies eine unzulässige Behinderung darstellen und die Verwendung eingeführter Waren erheblich erschweren würde 60. Würde die Formulierung in den Ausschreibungsunterlagen statt „kein finnisches Holz“ lauten „es solle sich bei dem Holz um solches aus nachhaltiger Forstwirtschaft handeln“ und dabei ein anerkanntes Label hierfür oder ein anderer Nachweis verlangt werden, so bildet dies zwar auch ein Hemmnis für die Einfuhr von Holz, dessen Anbieter keinen entsprechenden Nachweis erbringen können. Allerdings könnte diese Bestimmung gemäß Art. 30 EGV aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt sein. Dabei kann die im Rahmen dieser Bewertung erforderliche Abwägung zwischen Handelshemmnissen, die durch Bestimmungen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe hervorgerufen wer53

Vgl. dazu oben Kapitel 2, III. 2. b) cc); Prieß, Vergaberecht, S. 11. EuGH, Urt. v. 20. 3. 1990, Rs. C-21/88, Slg., S. I-889 – Du Pont de Nemours Italiana; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1991, Slg., S. I-3641 – Laboratori Bruneau. 55 EuGH, Urt. v. 22. 9. 1988, Rs. 45/87, Slg., S. 4929 – Dundalk; EuGH; EuGH, Urt. v. 14. 1. 1995, Rs. C-359/93, Slg., S. I-157 – Kommission / Niederlande. 56 Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 14 m.w. N.; Schneider, DVBl. 2003, S. 1186, 1187. 57 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 191. 58 Richtlinie zur Förderung und Berücksichtigung freier Berufe sowie zum Ausschluss ungeeigneter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 20. 4. 2001, StAnz., S. 1142 (abgedruckt in: Gesetze des Freistaates Thüringen, Nr. 534c); vgl. auch Kapitel 4, IV, 2.4. 59 So drängte auch die EU Kommission die Bundesregierung zur Aufhebung dieser Bevorzugungsrichtlinien, vgl. Fante, Instrumentalisierung, S. 112. 60 Prieß, Vergaberecht, S. 14. 54

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den, und den zwingenden Erfordernissen des Umweltschutzes nicht generell erfolgen, sondern ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls. Entscheidend ist dabei zweifelsohne, ob man die finnischen Urwälder als ein „Schutzgut von globaler Bedeutung“ qualifiziert. Eine ähnliche Abwägung müsste auch bei den von einigen deutschen Städten verlangten Erklärungen bzw. den Nachweis darüber, dass die bestellte Ware nicht durch Kinderarbeit hergestellt wurde, erfolgen 61, wobei hier hervorzuheben ist, dass es sich bei den Herstellerländern, die eines Nachweises bedürfen, in der Regel nicht um Länder der EU handeln dürfte. Besonders wichtig ist z. B. bei Gütezeichen, gleich welcher Art, dass eine „Europakompatibilität“ besteht. Das heißt, entweder werden europaweit gängige Gütesiegel verlangt oder die Gütesiegel können auch von ausländischen Bietern ohne übermäßigen organisatorischen Aufwand beigebracht oder zumindest „in gleichwertiger Art“ erbracht werden. Hingegen hat sich der EuGH – soweit ersichtlich – mit der Zulässigkeit der oben definierten „sozialen Belange“ noch nicht in Bezug auf die Warenverkehrsfreiheit befasst. So ging es in der Entscheidung „Beentjes“ um einen Bau- und nicht um einen Warenlieferungsvertrag, so dass hier nur das allgemeine Diskriminierungsverbot angesprochen wurde 62. Insofern ist zu klären, ob die bestehenden Bevorzugungsregelungen bzgl. Vertriebener, Behindertenwerkstätten, kleiner und mittlerer Unternehmen, Ausbildungsbetriebe bzw. bei Frauenfördermaßnahmen, aber auch von Maßnahmen zur Vermeidung von Kinderarbeit oder der Diskriminierungsschutz in den Anwendungsbereich des Art. 28 EGV fallen. Handelt es sich dabei um Warenlieferungsverträge, so scheint es, dass all diese Berücksichtigungsregelungen unter Art. 28 EGV subsumierbar sind 63. Problematisch könnte beispielsweise eine Regelung bzgl. der Lehrlingsausbildung deshalb sein, weil eine solche Regelung davon absieht, dass die Berufsausbildungssysteme europaweit sehr unterschiedlich sind. Auch ist der Stand der Frauenförderung in den EU-Mitgliedstaaten ganz verschieden, so dass eventuelle Quotenregelungen beispielsweise in diesem Bereich Gefahr liefen, den unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Stand außer Acht zu lassen. Mithin könnten solche Regelungen potentielle europaweite Bieter von der Angebotsabgabe abhalten, sofern keine EG-weite Harmonisierung auf den entsprechenden Gebieten erfolgt ist. Somit würden solche Regelungen eine beschränkende Wirkung auf die Einfuhr von Waren haben. Möglicherweise könnte der Diskriminierungsschutz im Rahmen des Vergabeverfahrens berück-

61

Dazu siehe oben Kapitel 3, IV. 4. g). Vgl. oben Kapitel 4, V. 1.; auch wurde in den auf „Beentjes“ folgenden Entscheidungen des EuGH: „Nord-Pas-De-Calais“, „Concordia Bus Finland“, „Wienstrom“ und „Rüffert“ kein Bezug zu der Warenverkehrsfreiheit hergestellt, vgl. oben Kapitel 3, V. 63 Vgl. Fante, Instrumentalisierung, S. 116. 62

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sichtigt werden, da hier eine weitgehende Harmonisierung durch die „Antidiskriminierungsrichtlinien“ besteht 64. Eine Rechtfertigung könnte allerdings aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls vorliegen. Danach müsste die Einfuhrbehinderung geeignet und erforderlich sein, um ein Allgemeinwohlziel zu erreichen 65. Dann müsste es sich bei der Förderung von Blindenwerkstätten, Frauen, Lehrlingsbetrieben etc. um zwingende Gründe des Allgemeininteresses handeln. Dies könnte bei diesen Regelungen durchaus vorliegen, müsste aber für jeden Einzelfall herausgearbeitet werden. Mithin ist die Beurteilung der Zulässigkeit von sozialen Belangen in Bezug auf Art. 28 EGV einzelfallabhängig. bb) Dienstleistungsfreiheit Wie zuvor bei der Warenverkehrsfreiheit gilt auch hier, dass eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit 66 über die Fälle der offenen Diskriminierung hinaus bereits dann angenommen werden muss, wenn die konkrete Ausgestaltung des Vergabeverfahrens generell geeignet ist, einen ausländischen Bieter von der Teilnahme an der Ausschreibung eines Dienstleistungs- oder Bauauftrags abzuhalten, weil dieser bei objektivierter Betrachtung davon ausgehen muss, dass er gegenüber den inländischen Bietern tatsächlich oder potentiell, unmittelbar oder mittelbar benachteiligt wird 67. Bezogen auf das Vergabeverfahren sind damit alle Ausschlussgründe, die unmittelbar oder mittelbar 68 an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, verboten 69 Im Bereich des Umweltschutzes wurde beispielsweise bis vor einigen Jahren noch bei Ausführungsbedingungen, die nach Einhaltung von Umweltmanagementsystemen 70 verlangten, ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit angenommen 71. Inzwischen regelt die VKR an mehreren Stellen die Einbeziehung des 64

Vgl. oben Kapitel 3, IV. 4. h). Vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 12 m.w. N. 66 Siehe bereits oben Kapitel 2, III. 2. b). 67 Fante, Instrumentalisierung, S. 121. 68 Bei den mittelbar diskriminierenden Regelungen wird zwar typischerweise nicht formell zwischen inländischen und ausländischen Bietern unterschieden, jedoch erschweren sie den ausländischen Bietern die Tätigkeit im Empfangsstaat im Vergleich zu inländischen Bietern, siehe bereits oben Kapitel 2, III. 2. b). 69 Prieß, Vergaberecht, S. 17; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5. 12. 1989, Rs. C-3/88, Slg., S. 4035, 4059 – Kommission / Italien. 70 Vor allem im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit können Umweltmanagementsysteme gemäß Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19. 03. 2001 über die freiwillige Beteiligung Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltprüfung (EMAS), ABl. L 114 v. 24. 04. 2001, S. 1 berücksichtigt werden. 65

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

Umweltschutzes 72 sowie auch von Umweltmanagementsystemen 73 ausdrücklich. Mithin dürfte zumindest für den Bereich des „Umweltschutzes“ kein Verstoß gegen Art. 49 EGV vorliegen, sofern die Bestimmungen diskriminierungsfrei formuliert sind. Mit der Zulässigkeit der Berücksichtigung sozialer Belange i.w. S. 74 in Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit hat sich der EuGH zuletzt in seinem Urteil „Rüffert“ auseinandergesetzt 75. Dabei wurde die niedersächsische Tariftreueregelung für unvereinbar mit der Arbeitnehmerentsenderrichtlinie 76, die im Lichte des Art. 49 EGV auszulegen ist, erklärt. Eine lediglich örtlich gebundene Tariftreueerklärung sei nicht mit der Arbeitnehmerentsenderichtlinie vereinbar, da es dieser an Allgemeingültigkeit fehle, diese aber für den Fall von Tarifverträgen in der Richtlinie verlangt werde 77. Auch lehnte der EuGH eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses in Form des Arbeitnehmerschutzes ab. Dies begründete er damit, dass kein Nachweis darüber vorliege, dass ein im Bausektor tätiger Arbeitnehmer nur bei seiner Beschäftigung im Rahmen eines öffentlichen Auftrags für Bauleistungen und nicht bei seiner Tätigkeit im Rahmen eines privaten Auftrags des Schutzes bedarf, der sich aus einem solchen Lohnsatz ergibt, der im Übrigen über den Lohnsatz nach dem deutschen Arbeitnehmerentsendegesetz hinausgeht 78. Eine für allgemeingültig erklärte Tariftreueerklärung wäre also insofern vereinbar mit der Dienstleistungsfreiheit. Zu beachten ist zudem, dass die behindernde Wirkung auch hier aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein kann, die ebenfalls anhand des Einzelfalls zu beurteilen sind. Besonders bedeutsam ist die Dienstleistungsfreiheit als Diskriminierungsverbot. Bewerber und Bieter aus anderen Mitgliedstaaten bewegen sich im Schutzbereich dieser Freiheiten, wenn sie sich an Vergabeverfahren beteiligen. Deshalb sind ihnen die gleichen Rechte und die gleichen Chancen wie einheimischen Bietern einzuräumen.

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Vgl. Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 196. Vgl. dazu unten Kapitel 5, I. 73 Vgl. Erwägungsgrund 44 der VKR; Art. 49 Abs. 2 lit. f, Art. 50 VKR. 74 Vgl. zur Definition oben Kapitel 3, VI. 3. 75 Vgl. oben Kapitel 3, IV. 2. b) und V. 5. 76 Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. L 18, S. 1 ff. 77 Siehe oben Kapitel 3, V. 5. 78 Vgl. Kapitel 3, V. 72

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cc) Arbeitnehmerfreizügigkeit Art. 39 EGV 79 stellt ebenfalls eine Konkretisierung des allgemeinen Diskriminierungsverbots aus Art. 12 EGV dar. Im Zusammenhang mit dem öffentlichen Auftragswesen hat der EuGH bisher lediglich dann einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit festgestellt, wenn Regelungen oder Maßnahmen einen eindeutig protektionistischen Charakter hatten. So liegt eine Verletzung vor, wenn in den Verdingungsunterlagen einer Ausschreibung vorgeschrieben ist, in möglichst weitem Umfang einheimisches Personal zu beschäftigen. In einem konkreten Fall ging es dabei darum, dass der Auftraggeber die bevorzugte Verwendung dänischer Arbeitskräfte verlangte 80. Tendenziell hat die Arbeitnehmerfreizügigkeit im Vergaberecht zwar weniger Bedeutung als die Warenverkehrs- sowie die Dienstleistungsfreiheit. Allerdings kann eine Regelung, nach der eine gewisse Quote von Arbeitslosen eines Landes zu beschäftigen ist, die Freizügigkeit der zu beschäftigenden Arbeitnehmer mittelbar tangieren. Insofern ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und dabei auf die Möglichkeit der Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls zu achten 81. dd) Niederlassungsfreiheit Ähnlich wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat auch die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EGV 82 eine verglichen mit der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit geringe Relevanz im öffentlichen Auftragswesen. Der EuGH 83 sah die Niederlassungsfreiheit bei einer Regelung als betroffen an, in der der italienische Staat den Abschluss von Verträgen der öffentlichen Hand die Errichtung von Datenverarbeitungssystemen betreffend nur mit Unternehmen zuließ, die sich ganz oder mehrheitlich in staatlichem oder öffentlichem Besitz befanden. Mithin sind protektionistische Bedingungen auch hier ausgeschlossen. Auch hier muss der Einzelfall betrachtet werden, wenn es um die Verletzung dieser Grundfreiheit durch die Berücksichtigung eines sozialen Belangs geht, und dabei muss beachtet werden, ob eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls in Betracht kommt.

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Vgl. Kapitel 2, III. 2. e). EuGH, Urt. v. 22. 6. 1993, Rs. C-243/89, Slg., S. I-3353, 3391 – Kommission / Dänemark. 81 Fante, Instrumentalisierung, S. 126. 82 Vgl. oben Kapitel 2, III. 2. d). 83 EuGH, Urt. v. 5. 12. 1989, Rs. C-3/88, Slg. 1989, S. 4035, 4058 ff. – Kommission / Italien. 80

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

ee) Diskriminierungsverbot Nach Art. 12 EGV sind nicht nur solche Maßnahmen verboten, die eine direkte Benachteiligung aufgrund der Staatsangehörigkeit begründen, sondern auch solche, die eine mittelbare oder versteckte Diskriminierung darstellen 84. Unmittelbare Diskriminierungen werden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge selten sein. Am ehesten in diesen Bereich könnte die Bevorzugung ortsansässiger oder regional verwurzelter Unternehmen hineinragen 85. Beispielsweise könnte Punkt 4.4.2. der Mittelstandsrichtlinie des Freistaates Thüringen gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, da es festlegt, dass bei aus thüringischen Landesmitteln geförderten Projekten soweit möglich Baustoffe aus den neuen Ländern verwendet werden sollen 86. Ein klarer Verstoß gegen Art. 12 EGV wäre also eine Ausschreibung, die ausschließlich auf inländische bzw. ortsansässige Unternehmen zielt. Mittelbare Diskriminierungen wären hingegen solche, bei denen die betreffenden Regelungen zwar auch von Bietern aus anderen Mitgliedstaaten erfüllt werden können, jedoch nur unter größeren Schwierigkeiten als von den einheimischen Bietern 87. Zwar ist das Diskriminierungsverbot im öffentlichen Auftragswesen absolut relevant. Dies zeigt sich auch in der Rechtsprechung des EuGH 88 sowie in der VKR 89. Allerdings kommt Art. 12 EGV in Anbetracht des weiteren Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten auch im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe in Bezug auf die Zulässigkeit von sozialen Belangen keine große praktische Bedeutung zu 90. ff) Beihilfenverbot Ein Vergabeverfahren, das soziale Belange einbezieht, ist unter Umständen auch auf seine Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht zu prüfen 91. Gemäß Art. 87 Abs. 1 EGV sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unterneh84

Siehe bereits oben Kapitel 2, III. 2. f); Fante, Instrumentalisierung, S. 127 m.w. N. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 16. 86 Richtlinie zur Mittelstandförderung und Berücksichtigung freier Berufe sowie zum Ausschluss ungeeigneter Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 20. 4. 2001, StAnz. S. 1142. 87 Beispiel: Bezugnahme auf Klassifizierungen nationaler Berufsverbände. 88 Vgl. im Einzelnen dazu oben Kapitel 3, V. 89 Vgl. Erwägungsgründe 2, 33 sowie Art. 2, 3 VKR. 90 Anders Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 198, die davon ausgeht, dass das Diskriminierungsverbot deshalb nur geringe praktische Bedeutung habe, weil der persönliche Anwendungsbereich auf natürliche Personen und damit auf Einzelunternehmer begrenzt sei. 91 Vgl. schon oben Kapitel 2, III. 2. d). 85

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men oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Art. 87 EGV soll den Wettbewerb schützen. Eine Beihilfe droht immer dann den Wettbewerb zu verfälschen, wenn mitgliedstaatliche Unterstützungsmaßnahmen den einheimischen Unternehmen zum Nachteil der ausländischen Konkurrenz wirtschaftliche Vorteile verschaffen 92. Der von Art. 87 ff. EGV erfasste Adressatenkreis sind dabei immer die Mitgliedstaaten und nicht die Gemeinschaft selbst, wenn diese ebenfalls Beihilfen gewährt 93. In Art. 87 Abs. 2 und Abs. 3 EGV sind recht weitgehende Ausnahmen von dem Verbot der mitgliedstaatlichen Beihilfe vorgesehen, die das strenge Beihilfeverbot des Art. 87 Abs. 1 ihrerseits schwächen. Insbesondere einschlägig für Deutschland ist die Regelung des Art. 87 Abs. 2 lit. c EGV. Danach sind mit dem Gemeinsamen Markt Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland vereinbar, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind 94. Fraglich ist, ob und inwiefern eine bevorzugte Vergabe an bestimmte Personengruppen eine Beihilfe darstellen kann. Die heute herrschende Meinung geht davon aus, dass Art. 87 EGV grundsätzlich einschlägig sein kann 95. Der Beihilfetatbestand setzt voraus, dass keine marktbezogene Gegenleistung vorliegt, dass eine Begünstigung eines bestimmten Unternehmens gegeben ist, dass es zu einer Wettbewerbsverfälschung kommt und dass eine Handelsbeeinträchtigung vorliegt. Zunächst ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob die öffentlichen Auftraggeber für die berücksichtigten sozialen Belange keine marktangemessene Gegenleistung erhalten 96. Das ist dann der Fall, wenn der Staat die Leistung zu einem höheren Preis als dem erzielbaren Marktpreis oder zu marktunüblichen Konditionen einkauft 97. Die ganz herrschende Meinung geht für diesen Fall heute davon aus, dass eine Beihilfe dann vorliegt, wenn der Zuschlag nicht auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird, weil die Vergabestelle über die Anforderungen an die Leistung noch andere, weitergehende Anforderungen, wie 92 Jennert, EuR 2003, S. 343, 348; Fante, Instrumentalisierung, S. 128; Pünder, NZBau 2003, S. 530, 531. 93 Oppermann, S. 314, Rn. 6. 94 Zu beachten ist, dass sich diese Regelung nur auf bestimmte Gebiete und in keinem Fall auf Personen oder Personengruppen bezieht. 95 Vgl. schon oben Kapitel 2, III. 2. d); Koenig / Kühling, NJW 2000, S. 1065, 1066; Knipper, WuW 1999, S. 677, 684; Zeiss, EWS 2003, S. 114, 116; Dreher / Haas / v. Rintelen, Beihilferecht, S. 36; EuG, Urt. v. 28. 1. 1999, Rs. T-14/96, Slg, S. II-139, 163 ff., Rn. 71 ff. – BAI / Kommission; Bartosch, EuZW 2001, S. 229, 231; ders., WuW 2001, S. 673, 684 f. 96 Koenig / Kühling, NJW 2000, S. 1065, 1066; Knipper, WuW 1999, S. 677, 684: Bartosch, WuW 2001, S. 673, 684 f.; Eilmannsberger, WUW 2004, S. 384, 385. 97 Prieß, Vergaberecht, S. 27; Cremer, ZUR 2003, S. 261, 266.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

beispielsweise soziale oder umweltbezogene Belange in der Zuschlagsphase verlangt 98. Begründet wird dies damit, dass der streng nach ökonomischen Kriterien arbeitende Bieter, der die aufgestellten sozialen oder unweltbezogenen Belange in seinem Angebot nicht nachweisen kann, nicht zum Zuge kommen kann 99. Herangezogen wird von dieser Auffassung der „Marktinvestortest“ 100. Danach würde ein privater Marktteilnehmer die weitergehenden Kriterien bei der Vergabe außer Acht lassen und für die erbrachte Leistung bzw. Lieferung weniger bezahlen 101. Insofern enthalte der Vertrag ein Element der Unternehmensförderung, welcher in der Differenz zwischen dem überhöhten Preis und dem Preis, der ohne Beachtung der vergabefremden Kriterien der günstigste sei, liege 102. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Marktangemessenheit eine Kommerzialisierbarkeit voraussetzt. Dies erscheint gerade bei sozialen Belangen, die selten einen Marktwert haben, schwer zu verwirklichen. Es wäre ein Zirkelschluss, wollte man allen weitergehenden Anforderungen per se eine beihilferechtliche Relevanz zuschreiben 103. Bei der Zuschlagserteilung geht es ja nicht vorrangig um die weitergehenden Anforderungen bei der Beurteilung des Marktpreises, sondern um die ausgeschriebene Leistung 104. Der „Marktinvestortest“ muss daher richtig lauten: Würde auch ein Privater, der die betreffenden weitergehenden Belange verfolgt, denselben Betrag verlangen? Legt man diesen Maßstab an, kommt man zu dem Ergebnis, dass in der Regel keine unzulässige Begünstigung vorliegt, sondern die höhere Auftragsvergütung vielmehr durch die Mehrkosten des Auftragnehmers zur Erfüllung der weitergehenden Anforderungen gerechtfertigt ist 105. Mithin liegt eine beihilferechtlich relevante Auftragsvergabe nur dann vor, wenn es durch die Einbeziehung der weitergehenden Anforderungen zu einer Überkompensation kommt. Zudem wird das Unternehmen häufig die wirtschaftlichen Vorteile, die es durch den Zuschlag erhält, an den Dritten weiterreichen müssen, indem es die Lehrlingsausbildung zusätzlich finanziert oder höhere Tariflöhne bezahlt etc. 106 98 Bartosch, EuZW 2001, S. 229, 231; Dippel / Zeiss, NZBau 2002, 376, 377; Fischer, H.-G., VergabeR 2004, S. 1, 6. 99 Vgl. Fante, Instrumentalisierung, S. 130 m.w. N. 100 Auch „private investor test“ genannt; vgl. Prieß, Vergaberecht, S. 28; DagefördeReuter, Umweltschutz, S. 149; Dippel / Zeiss, NZBau 2022, S. 376, 377; Frenz, in: Willenbruch / Bischoff, Vergaberecht, S. 1577. 101 Dippel / Zeiss, NZBau 2002, S. 367, 377. 102 Schardt, Beihilferegime, S. 35. 103 Grzeszick, DÖV 2003, S. 649, 651 m.w. N. 104 Eilmannsberger, WuW 2004, S. 384, 388 betont, dass der „Marktinvestortest“ nicht Selbstzweck sein kann und lehnt eine beihilferechtliche Relevanz der „beschaffungsfremden“ Kriterien ab. 105 So auch Prieß, Vergaberecht, S. 29. 106 Fante, Instrumentalisierung, S. 132, 133.

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Insofern handelt es sich bei der sozialen Vergabe nicht direkt um eine Subvention. Verbleibt allerdings der wirtschaftliche Vorteil bei dem Unternehmen, würde eine Subvention vorliegen. Jedoch soll nach einer Meinung die Bevorzugung eines Unternehmens selbst dann eine Begünstigung darstellen, wenn es die Vorteile des Zuschlags zum Teil an Dritte weitergeben muss, wie dies bei Tariflohnzahlungen und Lehrlingsförderung der Fall ist 107. Es reiche, dass der Zuschlag infolge der Anwendung weitergehender Bedingungen erfolge. Begründet wird dies damit, dass dem Unternehmen selbst, wenn es die Vorteile weiterreichen muss, immerhin der Vorteil des Zuschlags zu Gute kommt, der für das Unternehmen einen Vermögenswert besitzt, den es nicht erhalten hätte, wenn es nicht bevorzugt behandelt worden wäre. Insofern spricht eine Vermutung für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Vorteils und mithin für eine Begünstigung eines Unternehmens. Weiter bedarf es einer Wettbewerbsverfälschung. Hierzu genügt es bereits, dass die Lage des begünstigten Unternehmens gegenüber seinen Konkurrenten verbessert wird 108. Zudem muss eine Handelsbeeinträchtigung vorliegen. Wie oben bei der Erörterung der Grundfreiheiten als Schranke nachgewiesen 109, können auch soziale Belange unter bestimmten Voraussetzungen handelsbeeinträchtigend sein. Aus all diesem ergibt sich, dass das Beihilfeverbot des Art. 87 EGV dann relevant werden kann, wenn auf der Zuschlagsebene soziale Belange Berücksichtigung finden und es dabei zu einer Überkompensation kommt, d. h. der Zuschlag nicht auf das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben wird. Die Ebene der Ausführungsbedingungen ist hiervon nicht erfasst, so dass soziale Belange als Bedingungen zur Auftragsausführung formuliert werden können, ohne dass ein Verstoß gegen Art. 87 EGV zu erwarten ist. gg) Europäisches Lauterkeitsrecht Fraglich ist, ob und inwiefern in der Berücksichtigung sozialer Belange ein lauterkeitsrechtlich 110 relevantes Verhalten der staatlichen Beschaffungsstellen zu sehen ist. Besonders kontrovers waren hier die Tariftreueerklärungen. Allerdings ist der EuGH 111 in seiner Entscheidung „Rüffert“ 112 nicht auf das euro107

Vgl. auch Fante, Instrumentalisierung, S. 133; Elverfeld, Auftragswesen, S. 58. EuGH, Urt. v. 17. 9. 1980, Rs. 730/79, Slg., S. 2671, 2688, Rn. 11 – Philip Morris. 109 Vgl. oben, aa) – dd). 110 Ursprünglich wurde für das Lauterkeitsrecht der Begriff Wettbewerbsrecht verwendet. Der Begriff scheint sich in den europäischen Mitgliedstaaten noch nicht ganz durchgesetzt zu haben, vgl. Glöckner, in: Schulze / Zuleeg, Europarecht, S. 575, 576. Die Begriffe werden hier synoym verwendet; vgl. auch oben Kapitel 2, III. 2. c). 111 Seifert, ZfA 2001, S. 1, 24 sieht Art. 82 für Sozialpartner als nicht einschlägig an. 112 Vgl. oben Kapitel 3, V. 5. 108

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päische Wettbewerbsrecht eingegangen, sondern hat lediglich geprüft, ob das Verlangen einer Tariftreueerklärung zulässig im Sinne der Arbeitnehmerentsenderichtlinie 113 ist, die ihrerseits im Lichte der Dienstleistungsfreiheit ausgelegt wurde. Art. 81, 82 EGV richten sich an privatrechtlich und öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen 114. Art. 81 EGV, der ein europarechtliches Kartellverbot normiert, hat für die hier behandelten Verhaltensweisen keine Relevanz, da die Berücksichtigung sozialer Belange und eine damit einhergehende eventuelle Wettbewerbsbeschränkung nicht auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen i. S. d. Vorschrift beruhen, sondern durch einseitiges Verhalten des Staates verursacht werden. Bedeutsam kann hingegen das Missbrauchsverbot aus Art. 82 EGV werden; nur dieses soll auch im Folgenden untersucht werden. Einschlägig könnte hier Art. 82 lit. c EGV sein. Art. 82 EGV setzt voraus, dass eine marktbeherrschende Stellung besteht, diese missbräuchlich ausgenutzt wird und dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Art. 86 EGV hingegen ist einschlägig, wenn der Staat in Bezug auf ein öffentliches Unternehmen Maßnahmen trifft, die wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben können 115. Dabei ist zu beachten, dass zunächst für öffentliche Unternehmen die Wettbewerbsregeln der Art. 81, 82 EGV unmittelbar gelten. Daneben ergeben sich auch Bindungen an die Grundfreiheiten sowie an die Beihilferegel über Art. 86 Abs. 1 EGV 116. Des Weiteren ist Art. 86 Abs. 1 EGV unmittelbar anzuwenden, wenn die Normen, denen er Geltung vermittelt, ihrerseits unmittelbar anwendbar sind 117. Der Zweck des Art. 86 Abs. 1 EGV geht dahin, jegliche mittelbare Vertragsverletzung durch den Staat über die Einflussnahme auf seine öffentlichen Unternehmen zu unterbinden 118. Dabei handelt es sich sowohl in Art. 81, 82 EGV als auch in Art. 86 EGV um einen funktionalen Unternehmensbegriff 119. Nach dem EuGH ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit ein Unternehmen, unabhängig von ihrer Art und ihrer 113 Vgl. Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, ABl. Nr. 18 v. 21. 1. 1997, S. 1 ff. 114 Fante, S. Instrumentalisierung, 150; vgl. dazu schon oben Kapitel 2, III. 2. c). 115 Vgl. zur Anwendbarkeit der Art. 81, 82, 86 Abs. 1 EGV oben Kapitel 2, III., 2.3. sowie die detaillierten Ausführungen in Fante, Instrumentalisierung, S. 173 ff. 116 Siehe oben, aa) – ff). 117 EuGH, Urt. v. 10. 12. 1991, Rs. C-179/90, Slg., S. I-5889, 5930, Rn. 23 – Porto di Genova. 118 EuGH, Urt. v. 6. 7. 1982, Verb. Rs. 188 -190/80, Slg., S. 2545, 2575, Rn. 12 – Frankreich, Italien, GB und Nord-Irland / Kommission. 119 Vgl. oben, Kapitel 2, III., 2.3.; Fante, Instrumentalisierung, S. 152.

II. Schranken

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Finanzierung 120. Dabei ist für den Begriff der Einheit nach ganz herrschender Meinung 121 auch keine rechtliche Selbständigkeit erforderlich 122. Entscheidend ist allein die Frage, ob der Staat bzw. die öffentlichen Unternehmen bei der Beschaffungstätigkeit wirtschaftlich handeln. Die Voraussetzung der wirtschaftlichen Tätigkeit dient der Abgrenzung von unternehmerischem Handeln von (1) dem Arbeitsmarkt, (2) dem privaten Verbrauch und (3) dem hoheitlichen Handeln 123. Eine Meinung sieht das Handeln des nachfragenden Staates als wirtschaftlich an, die andere, öffentlich-rechtliche Sichtweise verneint dies 124. Der EuGH hat sich bisher nicht ausdrücklich mit dem Problem auseinandergesetzt, inwiefern die staatliche Beschaffungstätigkeit eine unternehmerische Handlung darstellt und ob sie unter die europäischen Wettbewerbsregeln fällt 125. Allerdings sollte hieraus nicht geschlossen werden, dass Art. 81 ff. EGV nicht anwendbar sind 126. Fante geht in seiner sehr ausführlichen Untersuchung davon aus, dass der nachfragende Staat in der Regel unternehmerisch tätig wird 127. Nimmt man dies als Grundlage, ist noch zu prüfen, ob es sich bei den staatlichen Beschaffungsstellen um „öffentliche Unternehmen“ handelt und ob die Vorgaben, die der Staat der Beschaffungsstelle auf verschiedensten Ebenen der Rechtsordnung macht, als Maßnahmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EGV zu qualifizieren sind. Der EG-Vertrag selbst enthält keine Begriffsbestimmung bezüglich „öffentlicher Unternehmen“. Die EG-Kommission hat in Art. 2 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie 128 das öffentliche Unternehmen definiert als Unternehmen, auf das die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dabei wird der beherrschende Einfluss gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b der Transparenzrichtlinie dann bereits vermutet, wenn die öffentliche Hand über die Mehrheit des Kapitals oder die Mehrheit der Stimmrechte verfügt. Dies wurde vom EuGH 120

Std. Rspr. EuGH, Urt. v. 23. 4. 1991, Rs. C-41/90, Slg., S. I-1979, 2016, Rn. 21 – Macroton, EuGH, Urt. v. 16. 11. 1995, Rs. C-244/94, Slg., S. I-4013, 4028, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 11. 12. 1997, Rs. C-55/96, Slg., S. I-7119, 7149, Rn. 21 – Job Centre coop. 121 Fante, Instrumentalisierung, S. 152 m.w. N. 122 Dies ist nicht unbestritten. Eine Meinung führt aus, dass es nicht auf die Rechtspersönlichkeit ankomme, sondern auf die Zurechnungsfähigkeit, vgl. zu dieser Diskussion mit weiteren Nachweisen Fante, Instrumentalisierung, S. 152 f. 123 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Art. 85 I A, Rn. 21. 124 Fante, Instrumentalisierung, S. 156. 125 Fante, a.a. O., S. 166, 167. 126 Vgl. oben Kapitel 2, III. 2. a). 127 Fante, a.a. O., S. 173 m.w. N. 128 Richtlinie 2005/52/EG der Kommission v. 26. 07. 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten u. den öffentlichen Unternehmen, ABl. EG L 193, S. 75 ff.

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bestätigt 129. Dabei hat er zusammenfassend ausgeführt, dass nur solche Unternehmen betroffen seien, für deren Verhalten die Staaten aufgrund ihres Einflusses besondere Verantwortung trügen 130. Die Literatur betrachtet diese Rechtsprechung als kaum aussagekräftig 131. Ungeachtet dieser Auseinandersetzung wird man unter öffentliche Unternehmen diejenigen Unternehmen subsumieren, die der Staat ohne Rückgriff auf hoheitliche Maßnahmen für seine Zwecke steuern kann. Dies ist z. B. bei Wasser- und Energieversorgungsunternehmen in Form von GmbHs oder AGs der Fall, aber auch bei teilweise modernisierten öffentlichrechtlichen Organisationsformen wie Eigenbetriebe, „Kommunalunternehmen“ oder rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts 132. Um das Bestehen einer Wettbewerbsbeschränkung und ihre Spürbarkeit zu beurteilen, kommt es entscheidend im Rahmen der Wettbewerbsregeln auf die Marktabgrenzung an. Hierfür muss der sachlich, räumlich und zeitlich relevante Markt ermittelt werden. Der Maßnahmebegriff des Art. 86 Abs. 1 EGV ist nach h.M. weit auszulegen 133. Jede rechtliche oder tatsächliche Einflussnahme der Mitgliedstaaten auf ein öffentliches Unternehmen, die einen irgendwie gearteten Bezug zu diesem aufweist, stellt eine Maßnahme dar 134. Daher fallen unter den Maßnahmebegriff Gesetze und Verordnungen, die sich nicht ausschließlich an die Allgemeinheit richten, sowie untergesetzliche Regelungen wie Verwaltungsakte und interne Verwaltungsanordnungen. Insbesondere §§ 97 ff. GWB und die einzelnen Vergabegesetze der Länder sind Maßnahmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV. Mithin ist jede Regelung, die der Beschaffungsstelle soziale Anforderungen vorschreibt, eine nach Art. 86 Abs. 1 EGV zu beurteilende Maßnahme 135. Insofern ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen, ob die Wettbewerbsregeln als Schranke einschlägig sind oder nicht. hh) Zwischenergebnis Die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot sind unabhängig von Schwellenwerten auch auf das nationale öffentliche Auftragswesen anzuwenden. 129 EuGH, Urt. v. 6. 7. 1982, Verb. Rs. 188 – 190/80, Slg., S. 2545, 2577 – Frankreich, Italien, GB und Nord-Irland / Kommission; EuGH, Urt. v. 16. 6. 1987, Rs. 118/85, Slg., S. 2599, 2621, Rn. 8 – AAMA. 130 EuGH, Urt. v. 6. 7. 1982, Verb. Rs. 188 – 190/80, Slg., S. 2545, 2577 – Frankreich, Italien, GB und Nord-Irland / Kommission. 131 Vgl. Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 145 f. m.w. N. 132 Ebenda. 133 Fante, Instrumentalisierung, S. 174 m.w. N. 134 Ebenda. 135 Fante, Instrumentalisierung, S. 174 m.w. N.

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Dabei werden vorrangig die Warenverkehrs- sowie die Dienstleistungsfreiheit relevant. Vor allem werden sie bedeutsam bei der Fragestellung, ob und wie soziale Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe berücksichtigt werden können. Der Auftraggeber muss bei der Formulierung der Ausschreibungsunterlagen darauf achten, dass diese Grundfreiheiten bedeutend sind. So muss er darauf achten, wenn er soziale Belange formuliert, dass diese keine Anforderungen enthalten, die geeignet sind, die Teilnahme eines EG-ausländischen Unternehmens zu behindern. Das Beihilfenverbot ist auf das öffentliche Auftragswesen anwendbar. In der Regel ist es relevant bei sozialen Belangen, da eine bevorzugte Vergabe an einen Bieter regelmäßig auch eine Begünstigung dieses Unternehmens darstellen kann. Nicht einschlägig ist das Beihilfeverbot, wenn soziale Belange als Ausführungsbedingungen formuliert werden. Zu beachten sind bei der Anwendung des Art. 87 Abs. 1 EGV vor allem die Ausnahmen der Absätze 2 und 3. Nach ganz herrschender Meinung sind die beihilferechtlichen Regelungen des EGV lex specialis gegenüber den Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit 136. Zwar wurden die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens bisher in der Rechtsprechung noch nicht relevant. Jedoch sollten diese von öffentlichen Auftraggebern bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen berücksichtigt werden, da Regelungen, die soziale Anforderungen vorschreiben, auch Maßnahmen im Sinne des Art. 86 Abs. 1 EGV sein können. b) Europäisches Sekundärrecht Neben den primärrechtlichen Vorgaben des EG-Vertrages müssen öffentliche Auftraggeber auch das einschlägige Sekundärrecht der Gemeinschaft beachten 137. Die EG hat das öffentliche Auftragswesen derzeit durch vier Richtlinien 138, allerdings nur oberhalb der beschriebenen Schwellenwerte, geregelt. Im Folgenden sollen eventuelle Schranken der VKR für die Einbeziehung sozialer Belange näher beleuchtet werden. Fraglich ist, ob und inwiefern die VKR eine Sperrwirkung für nationale Regelungen entfaltet, die die Berücksichtigung sozialer Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe regeln. Vorab ist allerdings festzustellen, dass die VKR selbst in den Art. 19 und 26 die Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Belange normiert hat 139. Insofern sollen mögliche Schranken, die sich aus den Eignungs- und Zu136 137 138 139

Hierzu sehr ausführlich Fante, a.a. O., S. 139 ff. Vgl. Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 143 ff., 175 ff. Vgl. oben Kapitel 2, III. 4. Siehe dazu unten Kapitel 5, I. 6. und 7.

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schlagskriterien 140 sowie aus den Technischen Spezifikationen 141 ergeben, näher untersucht werden. aa) Eignungskriterien Nach der VKR sollen öffentliche Aufträge nur an solche Bieter vergeben werden, die sich als zuverlässig, fachkundig und leistungsfähig erwiesen haben 142. Damit wird einerseits bis zu einem gewissen Punkt die Fairness im Wettbewerb garantiert, denn offensichtlich unseriöse und ungeeignete Bieter werden bereits vor der Wertung der Angebote ausgeschlossen. Daneben dienen die Eignungskriterien auch dem Selbstschutz des öffentlichen Auftraggebers. Die Prüfung der Eignung der Bieter sowie deren Auswahl sollten unter transparenten Bedingungen erfolgen 143. Zu diesem Zweck sind nichtdiskriminierende Kriterien festzulegen, die bei der Aufforderung zum Wettbewerb zu nennen sind. Die Eignungskriterien unterscheiden sich in solche der Zuverlässigkeit 144 und solche der finanziellen und wirtschaftlichen 145 sowie technischen Leistungsfähigkeit 146. Die Ausschlussgründe wegen mangelnder Zuverlässigkeit eines Bieters sind abschließend aufgezählt. Demgegenüber legt die VKR nicht unmittelbar die Kriterien der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Leistungsfähigkeit fest. In Art. 47, 48 VKR wird nur vorgeschrieben, welche Nachweise und Bescheinigungen öffentliche Auftraggeber von Bietern verlangen dürfen, um ihre Leistungsfähigkeit zu belegen. Hierüber hinausgehende, also weitergehende Kriterien sind in der VKR nicht geregelt. Hieraus könnte man nun zwei Schlüsse ziehen. Einerseits wollte der europäische Gesetzgeber weitergehende Eignungskriterien nicht mitregeln und dies den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen. Andererseits könnte man folgern, dass die Beachtung solcher Kriterien bei der Auswahl der Bieter unzulässig ist, wenn man die VKR als abschließend versteht 147. Fraglich ist also, ob die Art. 47, 48 VKR abschließender Natur sind. Aus dem Wortlaut des Art. 47 VKR geht dies nicht eindeutig hervor. So formuliert Art. 47 140 141 142 143 144 145 146 147

Vgl. oben Kapitel 1, III. 3. sowie unten Kapitel 5, I. 4. und 5. Vgl. oben Kapitel 3, III. 1. und 2. sowie Kapitel 5, I. 3. Vgl. Art 44 ff. VKR sowie oben Kapitel 1, III. 3. a) und unten Kapitel 5, I. 4. Erwägungsgrund 39 VKR. Art. 45 VKR. Art. 46 VKR. Art. 47 VKR. So auch Fante, Instrumentalisierung, S. 195 f.

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Abs. 1 VKR, dass die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit „in der Regel durch einen oder mehreren der nachstehenden Nachweise belegt werden kann“. Dabei deutet die Formulierung „kann in der Regel“ auf die Offenheit der Regelung hin, und die Formulierung „nachstehende Nachweise“ auf die abschließende Natur. Art. 47 Abs. 4 VKR deutet hingegen darauf hin, dass die Aufzählung nicht abschließend ist, da hier von anderen über Abs. 1 hinausgehenden Nachweisen die Rede ist. Zu diesem Ergebnis kam auch der EuGH 148, die vorhergehenden Richtlinien 149 betreffend in seiner Entscheidung „Transporoute“. Der Wortlaut des Art. 48 VKR deutet den Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit betreffend daraufhin, dass die Aufzählung abschließend ist: Abs. 1 formuliert, dass die Leistungsfähigkeit nach den explizit formulierten Abs. 2 und 3 bewertet wird. In „Beentjes“ 150 stellte der EuGH fest, dass es sich bei einem Kriterium die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen betreffend nicht um ein Eignungskriterium handele, da die Richtlinien bezüglich der Art der Kriterien, die an die fachliche Eignung der Bieter gestellt werden dürften, abschließend seien. In einem hierauf folgenden Urteil ging der EuGH 151 weiter, indem er feststellte, dass die fachliche Eignung nur auf der Grundlage von Kriterien geprüft werden könne, die sich auf die wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit der Betroffenen beziehe 152. Damit wäre faktisch jedes weitere Kriterium der Bieterauswahl unzulässig, wenn es nicht durch einen der zulässigen Nachweise belegt werden kann 153. In der Literatur war umstritten, ob die Eignungskriterien in der VKR abschließender Natur sind oder ob weitergehende Kriterien im Rahmen der Eignungskriterien berücksichtigt werden können. Nach einer Ansicht sei aus der Nichtnennung der weitergehenden Anforderungen nicht zu folgern, dass ihre Beachtung durch die früheren Richtlinien ausgeschlossen sei, da das Sekundärrecht insoweit nicht abschließend sei 154. Nach einer anderen Ansicht zählt das europäische Sekundärrecht die Anforderungen, die an die Bieter gestellt werden dürfen, abschließend auf 155. Dies ergebe sich aus der Systematik der früheren Richtlini148 EuGH, Urt. v. 10. 2. 1982, Rs. 76/81, Slg., S. 417, 427, Rn. 9 – Transporoute; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 9. 7. 1987, Slg., S. 3347, Rn. 8 ff. – CEI. 149 Anzumerken ist, dass die in diesem Zusammenhang besprochenen Urteile allesamt zu den vorhergehenden Vergaberichtlinien ergangen sind. Zu diesen vgl. oben Einleitung, Fn. 7 und Kapitel 2, Fn. 84. Das ist jedoch auch im Hinblick auf die VKR unschädlich, denn der jeweilige Regelungsgehalt der Kapitel über die Eignungskriterien ist im Wesentlichen gleich geblieben; vgl. dazu: Art. 24, 25, 26, 27 BKR; 29, 30, 31, 32 DKR; 20, 21, 22, 23 LKR. 150 Siehe dazu oben Kapitel 3, V. 1. 151 EuGH, Urt. v. 3. 6. 1992, Rs. C-360/89, Slg., S. I-3401 ff. – Kommission / Italien. 152 So auch in EuGH, Urt. v. 26. 4. 1994, Rs. C-272/91, Slg., S. I-1409 ff. – Kommission / Italien. 153 Fante, Instrumentalisierung, S. 201. 154 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 466; Winter, CMLR 1991, S. 741, 774.

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en sowie dem Sinn und Zweck der europaweiten Koordination der öffentlichen Beschaffungsmärkte 156. Betrachtet man die VKR, so kommt man zu dem Ergebnis, dass sich an den Eignungskriterien nicht viel verändert hat. Im Vordergrund steht die Koordinierung des öffentlichen Auftragswesens in der EU. Darüber hinaus werden jetzt in der VKR in Art. 19 sowie in Art. 26 explizit soziale sowie umweltbezogene Belange geregelt. Auch im Rahmen der Zuschlagskriterien werden in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR 157 nunmehr ausdrücklich Umwelteigenschaften geregelt 158. Insofern liegt es nahe, die Regelung bezüglich der Eignungskriterien als abschließend zu verstehen. Mithin könnten soziale Belange nicht als Eignungskriterien formuliert werden, so dass die Eignungskriterien eine Schranke für die sozialen Belange bilden. bb) Zuschlagskriterien Die Zuschlagserteilung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung gewährleisten und sicherstellen, dass die Angebote unter wirksamen Wettbewerbsbedingungen bewertet werden 159. Fraglich ist, ob und inwiefern soziale Belange im Rahmen der Zuschlagskriterien berücksichtigt werden können. Bezüglich der zulässigen Kriterien in der Phase des Zuschlags erschien die Rechtslage sehr viel eindeutiger, und sie war auch lange Zeit unumstritten 160. Der öffentliche Auftraggeber hatte und hat die Wahl zwischen zwei Alternativen: Entweder geht der Zuschlag auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis oder auf das wirtschaftlich günstigste Angebot 161. Für die zweite Alternative, die des wirtschaftlich günstigsten Angebots, zählten die früheren Richtlinien sowie die VKR Unterkriterien auf. Diese Liste war und ist nicht abschließender Natur, da eine beispielhafte Aufzählung erfolgt. Von der ganz überwiegenden Meinung wurde eine „volkswirtschaftliche“ Betrachtungsweise, die es ermöglichen würde allgemeinwohlverträgliche weitergehende Anforderungen mit einzubeziehen, abgelehnt. Es handele sich bei den aufgezählten Unterkriterien (Preis, 155

Götz, EuR 1999, S. 621, 632; Karenfort / Koppenfels / Siebert, BB 1999, S. 1825, 1831; Rittner, EuZW 1999, S. 677, 679; Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 120 ff.; Frenz, WuW 2002, S. 352, 354. 156 Hierzu sehr ausführlich Fante, Instrumentalisierung, S. 206 ff. 157 Dazu sogleich unten, bb). 158 Vgl. zu der Einbeziehung umweltbezogener Belange unten Kapitel 5, I., 1.2. 159 Siehe oben Kapitel 1, III. 3. a) und Erwägungsgrund 46 VKR. 160 Fante, Instrumentalisierung, S. 211. 161 Vgl. Art. 53 Abs. 1 VKR.

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Lieferfrist, Rentabilität) deutlich um produktbezogene Kriterien, so dass eine volkswirtschaftliche Bewertung ausscheide 162. Wobei das in der Richtlinie als Zuschlagskriterium enthaltene Unterkriterium „Ästhetik“ nicht zu dieser Argumentation passte. In seinen Entscheidungen „Nord-Pas-De-Calais“, „Concordia Bus Finland“ sowie „Wienstrom“ hat der EuGH festgestellt, dass weitergehende Anforderungen als zusätzliche Zuschlagskriterien formuliert werden könnten und dies keinen Verstoß gegen die früheren Vergaberichtlinien darstellt 163. In den beiden letzten Entscheidungen ging es um Umweltgesichtspunkte. Dabei stellt der EuGH weitere Voraussetzungen für eine solche Einbeziehung, neben der Übereinstimmung mit den Grundfreiheiten sowie den davon abgeleiteten Grundsätzen, auf. Die einzubeziehenden Unterkriterien müssen einerseits mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und andererseits dürfen sie dem öffentlichen Auftraggeber keine unbeschränkte Wahlfreiheit einräumen. Diese Voraussetzungen erschweren die Berücksichtigung sozialer Belange in der Zuschlagsphase. Die VKR hat dies in ihrem Erwägungsgrund 1 wiederholt. Zudem hat sich der europäische Gesetzgeber in der VKR dafür entschieden, „Umwelteigenschaften“ als Unterkriterium zu formulieren, aber nicht „soziale Belange“ erwähnt, so dass sich hieraus ableiten lässt, dass „Umwelteigenschaften“ nunmehr unproblematisch als Zuschlagskriterien einbezogen werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR eingehalten werden 164. Soziale Belange werden hingegen in der Regel aufgrund der hohen Hürde des Zusammenhangs mit dem Auftragsgegenstand nicht einbezogen werden können. cc) Zwischenergebnis Die VKR macht den öffentlichen Auftraggebern detaillierte Vorgaben darüber, welche Kriterien sie bei der Auswahl der Bieter (Eignungskriterien) und bei der Vergabe des Auftrags (Zuschlagskriterien) anwenden dürfen. Die fachliche Eignung der Bieter darf nur auf der Grundlage von Kriterien geprüft werden, die sich auf die wirtschaftliche, finanzielle und technische Leistungsfähigkeit der Bieter beziehen. Darüber hinaus gibt die VKR Gründe vor, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit des Bieters rechtfertigen. Die VKR ist diesbezüglich nach Rechtsprechung und Literatur abschließender Natur. Insofern können soziale Belange nicht wie umweltbezogene Belange als Eignungs- oder Zuschlagskriterien formuliert werden.

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Kling, Instrumentalisierung, S. 178; Stolz, Auftragswesen, S. 101. Vgl. hierzu sehr ausführlich oben Kapitel 3, V. 2., 3. und 4. 164 Ähnlich ist dies bei den Technischen Spezifikationen. Nach Art. 23 VKR können Umweltbelange mit einbezogen werden, allerdings nur dann, wenn eine Auftragsbezogenheit vorliegt, vgl. oben, aa) und Kapitel 3, III. 1. 163

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c) Ergebnis Bei der Formulierung der Ausschreibungsunterlagen muss der Auftraggeber darauf achten, dass keine Verletzung der Grundfreiheiten, des Beihilfeverbots und der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen vorliegt. Insbesondere muss er darauf achten, wenn er soziale Belange formuliert, dass diese keine Anforderungen enthalten, die geeignet sind, die Teilnahme eines EG-ausländischen Unternehmens zu behindern. Ob eine Verletzung europarechtlicher Vorschriften vorliegt, ist anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen und kann in der Regel nicht generalisiert werden. Allerdings werden protektionistische Präferenzregelungen regelmäßig immer einen Verstoß zumindest gegen Art. 12 EGV enthalten und insofern europarechtlich nicht zulässig sein.

2. Deutsches Verfassungsrecht In seinem Beschluss vom 11. Juli 2006 hat das Bundesverfassungsgericht 165 zum Ausdruck gebracht, dass eine Tariftreueerklärung, wie sie im Berliner Vergabegesetz 166 festgeschrieben ist, mit dem Grundgesetz und dem übrigen Bundesrecht in Einklang steht. Insoweit sind künftig bundes- und landesrechtliche Regelungen, die die Berücksichtigung sozialer Belange vorsehen, an den Vorgaben dieser Entscheidung zu messen. Besonders hervorzuheben ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Tariftreueerklärung als verfassungsgemäß erachtet, während der EuGH in seiner Entscheidung „Rüffert“ entschieden hat, örtlich gebundene Tariftreueerklärungen seien nicht europarechtskonform. An dieser Stelle besteht also eine Diskrepanz, deren Erörterung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Anzumerken ist nur, dass diese Diskrepanz im Lichte der Solange-Rechtsprechung 167 des Bundesverfassungsgerichts zu betrachten ist und diese insofern erneut an Bedeutung gewinnt. Einer Berücksichtigung sozialer Belange könnten ansonsten die grundgesetzliche Kompetenzordnung, aber auch Grundrechte sowie weitere verfassungsrechtliche Grundsätze entgegenstehen. a) Grundgesetzliche Kompetenzordnung Die grundgesetzliche Kompetenzordnung war zuletzt in dem Fall der Berliner Tariftreueerklärung bedeutsam. Nach der allgemeinen Regel des Art. 30 GG 165

BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51, 52. Dazu bereits oben Kapitel 2, V. sowie Kapitel 3, IV. 2. b). 167 BVerfG, Beschl. v. 29. 5. 1974, Az. BvL 52/71, BVerfGE 37, S. 271 ff. – Solange I; BVerfG, Beschl. v. 22. 10. 1986, Az. 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, S. 339 ff. – Solange II. 166

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sind die Länder umfassend zuständig. Jedoch folgt aus der Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG, dass die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur besitzen, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. In seinem Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgericht vom 18. Januar 2000 hatte der BGH gerügt, dass das Land Berlin zum Erlass des § 1 Abs. 1 S. 2 Berliner Vergabegesetz, in dem das Erfordernis der Bietererklärung betreffend ortsübliche Tarife geregelt wurde, nicht zuständig gewesen sei, da der Bund von seiner konkurrierenden Kompetenz zur Regelung des Tarifrechts aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bereits abschließend Gebrauch gemacht habe 168. Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass allgemeiner vergaberechtlicher Vorschriften, wie die in §§ 97 ff. GWB, ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 16 GG 169. Hingegen ist für jeden einzuführenden Nebenzweck der Vergabe die entsprechende Sachkompetenz des Bundes bzw. des Landes erforderlich 170. Im Fall von Tariftreueerklärungen wäre die geregelte Sachmaterie das Tarifvertragsrecht, das seinerseits gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 (Arbeitsrecht) in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz fällt. Im Fall der Berliner Tariftreueerklärung musste deshalb konsequenterweise geprüft werden, ob der Bund aufgrund seiner durch Erlass des Tarifvertragsgesetzes ausgeübten konkurrierenden Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG das Tarifvertragsrecht abschließend geregelt hat 171. Der BGH war diesbezüglich von der Verfassungswidrigkeit des Berliner Vergabegesetzes überzeugt 172. b) Grundrechte Die Grundrechte sind auf das öffentliche Auftragswesen anwendbar 173. Thematisch können der Berücksichtigung sozialer Belange im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe zunächst verschiedene Freiheitsgrundrechte entgegenstehen 174. So könnte im Falle der landesgesetzlich geregelten Tariftreueerklärungen in die verfassungsrechtlich geschützte negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG eingegriffen werden 175. Die Koalitionsfreiheit als individuelles Freiheits168 BGH, Beschl. v. 18. 1. 2000, Az. KVR 23/98, WuW 2000, S. 327 ff. – Tariftreueerklärung. 169 Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 76; vgl. sehr ausführlich Fante, Instrumentaliserung, S. 233 ff. 170 Burgi, NZBau 2001, S. 64, 68; von Loewenich, ZfBR 2004, S. 23, 24; Rust, NJ 2001, S. 113, 115. 171 So auch BGH, Beschl. v. 18. 1. 2000, Az. KVR 23/98, WuW 2000, S. 327 ff. – Tariftreueerklärung. 172 BGH, a.a. O., Rn. 54 – 62. 173 Vgl. dazu oben Kapitel 2, V. 2. a). 174 Burgi, NZBau 2001, S. 64, 69 ff. 175 Löwisch, DB 2001, S. 1090, 1091; Weinacht, WuW 2000, S. 382, 385.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

grundrecht umfasst auch das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben 176. Das Grundrecht schützt davor, dass ein Zwang oder Druck auf die NichtOrganisierten ausgeübt wird, einer Organisation beizutreten. Das BVerfG stellte fest, dass die Tariftreueverpflichtung das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Recht der am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen, der tarifvertragsschließenden Koalition fernzubleiben, nicht einschränke 177. Auch werde durch das Gesetz kein faktischer Zwang oder ein erheblicher Druck zum Beitritt ausgeübt, da es fern liege, dass ein Unternehmen einer tarifvertragsschließenden Koalition beitreten würde, um auf künftige Tarifverträge Einfluss auszuüben. Dadurch, dass jemand den Vereinbarungen fremder Tarifvertragsparteien unterworfen werde, sei ein spezifischer koalitionsrechtlicher Aspekt nicht betroffen 178. Gegen eine gleichheitswidrige oder unverhältnismäßige Auferlegung der Ergebnisse fremder Koalitionsvereinbarungen sei der Unternehmer gegebenenfalls durch Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG geschützt 179. Insofern berühre also die gesetzliche Regelung einer Tariftreueerklärung nicht die in Art. 9 Abs. 3 GG enthaltene Bestands- und Betätigungsgarantie der Koalitionen. In seinem Beschluss prüfte das BVerfG über Art. 9 Abs. 3 GG hinaus auch Art. 12 Abs. 1 GG, da der Schutzgehalt der Berufsfreiheit berührt sei. Art. 12 Abs. 1 GG schützt vor staatlichen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Das Grundrecht sichert die Teilnahme am Wettbewerb im Rahmen der hierfür aufgestellten rechtlichen Regeln 180. Es gewährleistet den Arbeitgebern das Recht, die Arbeitsbedingungen mit ihren Arbeitnehmern im Rahmen der Gesetze frei auszuhandeln 181. Die Vertragsfreiheit werde zwar auch durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet 182; betreffe eine gesetzliche Regelung jedoch die Vertragsfreiheit gerade im Bereich beruflicher Betätigung, die ihre spezielle Gewährleistung in Art. 12 Abs. 1 GG gefunden hat, scheide die gegenüber anderen Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit als Prüfungsmaßstab aus 183. Gesetzliche Vorschriften, die die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen 176 BVerfG, Urt. v. 1. 12. 1978, Az. 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, S. 290 ff; BVerfG, Beschl. v. 15. 7. 1980, Az. 1 BvR 24/74 und 439/79, BVerfGE 55, S. 7 ff.; BVerfG, v. 14. 11. 1995, Az. 1 BvR 601/92, BVerfGE 93, S. 352 ff.; Bauer, in: Dreier, Grundgesetz, § 9, Rn. 46. 177 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, Rn. 67. 178 BVerfG, Beschl. v. 14. 6. 1983, Az. 2 BvR 488/80. 179 Vgl. BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51, Rn. 68, vgl. auch Gaier, NZBau 2008, S. 289, 291; Pietzcker, NZBau 2003, S. 242, 243 f. 180 BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002, Az. 1 BvR 555, 1428/91, BVerfGE 105, S. 252 ff. 181 BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, Az. 1 BvR 1086, 1468, 1623/82, BVerfGE 77, S. 84 ff.; BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1987, Az. 1 BvR 563, 582/85, 974/86 und 1 BvL 3/86, BVerfGE 77, S. 308 ff. 182 BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1983, Az. 2 BvR 298/81.

II. Schranken

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betreffen und die sich deshalb für den Arbeitgeber als Berufsausübungsregelungen darstellen, seien daher grundsätzlich an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen 184. Dadurch, dass das Gesetz als Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme am Vergabeverfahren die Tariftreue fordert, reguliere es nicht allgemein das Wettbewerbsverhalten der Unternehmen, sondern bewirke eine bestimmte Ausgestaltung der Verträge, die der Auftragnehmer mit seinen Arbeitnehmern zur Durchführung des Auftrags abschließt. Die Unternehmen sollen hinsichtlich dieser Vertragsbedingungen nicht frei darüber entscheiden dürfen, wie sie sich am Wettbewerb um den öffentlichen Auftrag beteiligen. Insofern würden sie bei Ablehnung der von ihnen geforderten Tariftreue von der Möglichkeit, ihre Erwerbschancen zu verwirklichen, ausgeschlossen, auch wenn sie sich im Übrigen an die Vergabebedingungen hielten. Auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 Satz 2 Berliner Vergabegesetz würden sie zu einer bestimmten Gestaltung ihrer Verträge mit Dritten angehalten und damit in ihrer unternehmerischen Vertragsfreiheit berührt. Auch stelle die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 Berliner Vergabegesetz eine eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit dar. Regelungsgehalt und Zielrichtung der Norm gingen über einen bloßen Reflex auf Seiten der Unternehmen hinaus, auch wenn sich das Gesetz regelungstechnisch nicht an sie, sondern an die Auftraggeber richte und die Unternehmer, die keine Verträge mit öffentlichen Stellen abschließen wollen, nicht vom Regelungsbereich des Gesetzes erfasst würden. Der Inhalt der vom Auftragnehmer abzuschließenden Arbeitsverträge sei mittelbar schon Gegenstand der gesetzlichen Regelung, auch wenn er den Arbeitsvertragsparteien nicht unmittelbar normativ vorgeschrieben werde, um so Einfluss auf die Arbeitsbedingungen zu nehmen. Allerdings sei der Eingriff in die Berufsfreiheit durch die Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 Berliner Vergabegesetz verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Ziel des Gesetzes sei es, Bauunternehmen nicht zu benachteiligen, die tarifvertraglich festgelegte Vergütungen zahlen. Damit würden wünschenswerte soziale Standards aufrechterhalten und die Arbeitslosigkeit werde bekämpft. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Verbindung mit der Gewährleistung der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherung sei ein besonders wichtiges Ziel, bei dessen Verwirklichung dem Gesetzgeber gerade unter den gegebenen schwierigen arbeitsmarktpolitischen Bedingungen ein relativ großer Entscheidungsspielraum zugestanden werden müsse 185. Dieser Gemeinwohlbelang, dem die Tariftreueregelung des §1 Abs. 1 Satz 2 Berliner Vergabegesetz Rechnung zu tragen versuche, besitze eine überragende Bedeutung, so dass der Eingriff gerechtfertigt sei 186. 183 BVerfG, Beschl. v. 31. 10. 1984, Az. 1 BvR 35, 356, 794/82, BVerfGE 68, S. 193 ff.; BVerfG BVerfG, Beschl. v. 6. 10. 1987, Az. 1 BvR 1086, 1468, 1623/82, BVerfGE 77, S. 84 ff.; BVerfG, Beschl. v. 22. 1. 1997, Az. 1 BvR 1915/91, BVerfGE 95, S. 173 ff. 184 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51, Rn. 78. 185 BVerfG, Beschl. 3. 4. 2001, Az. 1 BvL 32/97, BVerfGE 103, S. 293 ff. 186 BVerfG, Beschl. v. 11. 7. 2006, AZ. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 387 ff.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

Darüber hinaus kommt thematisch bei der Berücksichtigungsfähigkeit der ILO-Kernarbeitsnormen 187, bei denen grund- und menschenrechtliche Positionen im Vordergrund stehen, auch eine Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Vertragsfreiheit im unternehmerischen Bereich in Betracht. Ausführungsbedingungen in dieser Form geben dem bietenden Unternehmern auf, seine Vertragsbeziehungen zu seinen Arbeitnehmern, zu eventuellen Subunternehmen, zu den Herstellern der liefernden Produkte und zu eventuellen Zwischenhändlern so zu gestalten, dass sowohl der Handel als auch die Herstellung den ILO-Kernarbeitsnormen entsprechen 188, und schränken insofern die Vertragsfreiheit des Unternehmers ein. Zudem könnte Art. 4 GG bei der Bekämpfung der Scientology-Sekte durch Schutzerklärungen 189 bedeutsam sein, wenn man die Lehren vom L. Ron Hubbard, was umstritten ist, als Religion oder Weltanschauung verstehen will 190. Als Schranke in Betracht kommt über die oben ausgeführten Freiheitsgrundrechte hinaus insbesondere das Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 1, 3 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten 191. Eine Ungleichbehandlung ist bereits dann gegeben, wenn sich zwei Unternehmen um einen Auftrag bewerben und das eine Unternehmen den Zuschlag erhält, während das Angebot des anderen nicht berücksichtigt wird. Die Vergabestelle ist nämlich verpflichtet, alle Bieter und Interessenten gleich zu behandeln 192. Hierzu stellt das BVerfG 193 fest, dass für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ein „hinreichend gewichtiger Grund“ erforderlich ist. Dabei kommt als Grund für die Ungleichbehandlung jede vernünftige Erwägung in Betracht. 187

Vgl. oben Kapitel 3, IV. 4. g). So auch Ziekow, Beschaffungswesen, S. 25. 189 Vgl. dazu oben Kapitel 3, IV. 4. f). 190 Diringer, NVwZ 2003, S. 901, 902 ff.; Kling, Instrumentalisierung, S. 509 ff. 191 BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1980, Az. 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, S. 72, 88; BVerfG, Beschl. v. 29. 5. 1990, Az. 1 BvL 20, 26, 184 und 4/86, BVerfGE 82, S. 60, 86; BVerfG, Beschl. v. 11. 6. 1991, Az. 1 BvR 538/90, BVerfGE 84, S. 197, 199; BVerfG, Beschl. v. 8. 10. 1996, Az. 1 BvL 15/91, BVerfGE 95, S. 39, 45; BVerfG, Beschl. v. 22. 3. 2000, Az. 1 BvR 1136/96, NJW 2000, S. 3341, 3342. 192 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 208; vgl. auch das einfachgesetzliche Gleichbehandlungsgebot aus § 97 Abs. 2 GWB, § 8 Nr. 1 VOB / A, § 7 Nr. 1 Abs. 1 VOL / A; siehe oben, Kapitel 2, VI. 2. d). 193 BVerfG, Urt. v. 28. 4. 1999, Az. 1 BvL 11/94, 33/95, 1 BvR 1560/97, BVerfGE 100, S. 138, 174. 188

II. Schranken

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Hingegen fallen die Anforderungen an den Differenzierungsgrund selbst sehr unterschiedlich aus: Sie reichen je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse 194. So stellte das BVerfG fest, dass die auf § 1 Abs. 1 S. 2 Berliner Vergabegesetz beruhende Ungleichbehandlung der Anbieter, die keine Tariftreueerklärung abgeben und deshalb keinen Zuschlag erhalten, im Vergleich mit den Anbietern, die die Auflage nach der zur Prüfung gestellten Vorschrift erfüllen, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße 195. Sie sei durch die in der Entscheidung dargestellten besonders wichtigen Gemeinwohlbelange 196, die den Landesgesetzgeber zu der gesetzlichen Regelung veranlasst haben, gerechtfertigt. c) Verfassungsrechtliche Grundsätze aa) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, aus dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit abgeleitet 197, bindet grundsätzlich alle staatliche Gewalt. Vor allem auch Grundrechte dürfen nur insoweit beschränkt werden, als es zum Schutze der öffentlichen Interessen unerlässlich ist 198. Dies ist anhand der Maßstäbe der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zu beurteilen. Dabei sind diese Begriffe bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch im öffentlichen Auftragswesen in dem herkömmlichen verfassungsrechtlichen Sinne zu interpretieren 199. Der öffentliche Auftraggeber ist an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei all seinen Vergabeentscheidungen gebunden. bb) Kopplungsverbot Das Kopplungsverbot ist das verfassungsrechtlich fundierte, in §§ 36 Abs. 3, 56 Abs. 1 VwVfG oder in § 11 Abs. 2 BauGB konkretisierte Verbot, Verwaltungsentscheidungen von sachfremden Erwägungen abhängig zu machen 200. Ein 194

Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 210. BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51, Rn. 105. 196 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, a.a. O., Rn. 106. 197 Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, vor §§ 97 ff., Rn. 121 ff.; Götzke, Umweltschutz, S. 56. 198 BVerfGE 19, 348 f.; BVerfG, Beschl. v. 19. 10. 1982, AZ. 1 BvL 34, 55/80, BVerfGE 61, S. 127, 134 f.; BVerfG, Beschl. v. 12. 5. 1987, Az. 2 BvR 1226/83, 101, 313/84, BVerfGE 76; S. 1, 50 f.; BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1987, Az 1 BvR 563, 582/85, 974/86 und 1 BvL 3/86, BVerfGE 77, S. 108, 334. 199 Rengeling, in: Leßmann, S. 179 ff. 200 Heintzen, ZHR 165 (2001), S. 62, 72. 195

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

Verwaltungsträger darf nichthoheitliche, privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten nicht dazu ge- bzw. missbrauchen, sachfremde Zwecke hoheitlicher Art zu verwirklichen oder diesem einen größeren Nachdruck zu verleihen. Ist dies der Fall, dann steht dem Bewerber ein entsprechender Unterlassungsanspruch zu 201. Positiv gewendet statuiert das Kopplungsverbot ein Gebot des Sachzusammenhangs 202. Die Geltung des Sachzusammenhangs gerade im Bereich der Einbeziehung umweltbezogener Belange in das Vergabeverfahren hat der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache „Concordia Bus Finland“ 203 ausdrücklich festgestellt und in „Wienstrom“ 204 konkretisiert 205. Auch soziale Belange müssen sich am Kopplungsverbot messen lassen. Sie könnten aufgrund ihrer „Fremdheit“ grundsätzlich als sachwidrig angesehen werden. Insbesondere in Fällen, in denen die gestellten Anforderungen über das Gesetz hinausgehen, kann der erforderliche Sachzusammenhang nicht mehr gegeben sein. Soweit solche Zwecke aber vom Gesetzgeber in europa- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zugelassen und der Verwaltung aufgegeben werden, ändert sich ihre Bewertung, da die „Sache“ vom Gesetzgeber geformt wird, so dass nicht sachwidrig sein kann, was der Gesetzgeber ausdrücklich erlaubt 206. Der deutsche Gesetzgeber lässt in § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB weitergehende Kriterien zu und der europäische Gesetzgeber lässt soziale Belange gemäß Art. 19, 26 VKR 207 explizit zu. Insofern sind sie prinzipiell zulässig, aber ihre Verwendung ist immer im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu bewerten. d) Ergebnis Sowohl einzelne Freiheitsgrundrechte als auch das allgemeine Gleichheitsgrundrecht des Grundgesetzes können eine Schranke für die Einbeziehung sozialer Belange darstellen. Das BVerfG hatte in seiner Tariftreue-Entscheidung zwar einen Eingriff in die Grundrechte aus Art. 9 Abs. 3 sowie Art. 12 Abs. 1 GG gesehen; diesen allerdings aus Gemeinwohlbelangen heraus als gerechtfertigt betrachtet. Darüber hinaus können konkret im Fall der Scientology-Schutzerklärungen Art. 4 Abs. 1 GG relevant werden. Auch kommt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1, 3 GG in Betracht. Ob sie im Einzelfall vorliegt, ist zu prüfen. Zu achten hat der öffentliche Auftraggeber darüber hinaus bei seinen Vergabeent201

Vgl. Kling, Instrumentalisierung, S. 97 m.w. N. Fante, Instrumentalisierung, S. 256; a. A. Grzeszick, DÖV 2003, S. 649, 655 f. 203 EuGH, Urt. v. 17. 9. 2002, Rs. C-513/99, EuZW 2002, S. 628 ff. – Concordia Bus Finland. 204 EuGH, Urt. v. 4. 12. 2003, Rs. C-448 – 01, EuZW 2004, S. 81 ff. – Wienstrom. 205 Dazu siehe oben Kapitel 4, V. 4., 5. und 6. 206 Heintzen, ZHR 165 (2001), S. 62, 72 m.w. N.; a. A. Fante, Instrumentalisierung, S. 259 m.w. N. 207 Vgl. auch Art. 28, 38 SKR. 202

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scheidungen sowohl auf das Kopplungsverbot als auch auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

3. Sonstiges nationales Recht a) Haushaltsrecht Oberhalb der Schwellenwerte hat sich das Vergaberecht weitgehend vom Haushaltsrecht gelöst. Hingegen ist es unterhalb der Schwellenwerte weiterhin Teil des Haushaltsrechts 208. Die Haushaltsgrundsätze finden allerdings in beiden Bereichen Anwendung 209. Zu diesen Grundsätzen gehört es z. B. auch, dass dem Abschluss von Verträgen in der Regel gemäß §§ 30 HGrG, 55 BHO / LHO eine öffentliche Ausschreibung vorauszugehen hat. Insbesondere sind damit aber die Gebote der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie (der Haushaltsklarheit und Spezialität) angesprochen. Dabei ist zu beachten, dass diese beiden zusammengehörenden Begriffe nicht deckungsgleich sind. Vielmehr geht der Begriff der Sparsamkeit in dem der Wirtschaftlichkeit auf, da Sparsamkeit einen Teilbereich der Wirtschaftlichkeit bildet 210. Bei der Sparsamkeit geht es darum, möglichst wenig Geld auszugeben und überflüssige Kosten zu vermeiden, so dass hier nur die unmittelbaren finanziellen Aufwendungen zu berücksichtigen sind. Bei dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit sind hingegen alle Gesichtspunkte, die zur Belastung des Haushalts führen können, zu berücksichtigen. Danach ist die Wirtschaftlichkeit ein Relationsbegriff, d. h. ein vorgegebener Zweck soll möglichst wirtschaftlich und sparsam erreicht werden, wobei der politische Handlungsraum aber nur wenig eingeengt wird 211. Geregelt sind diese Vorgaben in § 6 Abs. 1 HGrG, § 7 Abs. 1 S. 1 BHO und den entsprechenden Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen. Diesen wird weithin Verfassungsrang zugesprochen 212. Der Wirtschaftlichkeitsbegriff, der in § 97 Abs. 5 GWB normiert ist, ist ein anderer. Dieser hat eine wettbewerbliche Dimension und damit eine andere Zielsetzung als der haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsatz 213. Fraglich ist, ob die Berücksichtigung sozialer Belange einen Verstoß gegen diese haushaltsrechtlichen Grundsätze darstellt. Dies könnte dann der Fall sein, wenn durch die Berücksichtigung bestimmter Gruppen Mehrkosten entstehen, 208

Meyer, N., Zielsetzungen, S. 446. Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgRÄG), BT-Drucks. 13/9340, S. 15 (zu § 109). 210 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 228 m.w. N. 211 Vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 335 f. m.w. N. 212 Vgl. Meyer, N., Zielsetzungen, S. 447 m.w. N. 213 Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 232; vgl. auch oben Kapitel 2, VI. 2. e) dd). 209

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

die der Staat zu tragen hat. Gegen die Einbeziehung sozialer Belange bei der öffentlichen Beschaffung wird häufig vorgebracht, dies verteuere die Beschaffung und widerspreche damit dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit 214. Dabei ist nicht auszuschließen, dass durch die Berücksichtigung sozialer Belange die Beschaffung verteuert werden kann 215. Dies muss aber nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit darstellen. Es gilt die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Sinne einer Mittel-Zweck-Relation zu beurteilen: D. h. nach dem „Maximalprinzip“, dass mit einem bestimmten Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis erzielt werden soll bzw. nach dem „Minimalprinzip“, dass ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringem Mitteleinsatz erreicht werden soll. Versteht man den Wirtschaftlichkeitsbegriff insofern gesamtwirtschaftlich, könnte man in der Berücksichtigung sozialer Belange einen volkswirtschaftlichen Nutzen sehen, der in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehen ist 216. Nach v. Arnim geht es dem Staat nicht um Gewinnmaximierung, sondern um Gemeinwohlmaximierung 217. Insofern hat der Staat neben den ökonomischen Aspekten auch gesellschaftliche Gesichtspunkte in die Mittel-Zweck-Relation einzustellen 218. Besonders deutlich wird diese Herangehensweise bei der Einbeziehung umweltbezogener Belange. Ökonomisch ist das Kriterium des Umweltschutzes kaum quantifizierbar. Beschafft der Staat also unter Inkaufnahme eines höheren Preises eine besonders umweltfreundliche Technologie, so ist auch der nicht geldwerte Vorteil für das Allgemeingut Umwelt bei der Beurteilung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Beschaffungsgeschäfts zu beachten. Für die Beurteilung solcher Aspekte wird dem Staat ein weiter Prognosespielraum eingeräumt 219. Insofern wird das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot in der Regel keine Schranke für die Einbeziehung sozialer Belange darstellen. Allerdings ist auch hier jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob eine Verletzung des Grundsatzes durch die Berücksichtigung weitergehender Belange vorliegt. Dabei ist zu beachten, dass die Zielfestlegung selbst nicht dem Haushaltsrecht unterliegt 220. Werden die sozialen Belange und der mit ihnen verfolgte Zweck hinreichend spezifiziert, können diese in das Vergabeverfahren ohne einen Verstoß gegen das Haushaltsrecht darzustellen, einbezogen werden. Ob eine hinreichende Spezifikation vorliegt, ist im Einzelfall zu prüfen. 214

Otting, StG 1996, S. 461, 465; Schaller, VOL / A § 25, Rn. 70, 71. Studien, die dies bezüglich sozialer Belange nachweisen gibt es aber nicht; vgl. zur idw-Studie, nach der das Verlangen von Tariftreueerklärungen nicht zu einer Verteuerung des Vergabeverfahrens führt, unten Kapitel 5, II. 5. 216 Vgl. Weissenberg, DB 1984, S. 2285, 2287; Elverfeld, S. 165f., 189 ff. 217 v. Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 89. 218 Fante, Instrumentalisierung, S. 272. 219 Fante, Instrumentalisierung, S. 272. 220 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 448 m.w. N. 215

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b) Kartellrecht aa) Allgemeines Aus privatrechtlicher Sicht könnte zunächst das GWB 221 der Berücksichtigung sozialer Belange entgegenstehen 222. Gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 GWB findet das Kartellrecht auch Anwendung auf Unternehmen, die ganz oder teilweise im Eigentum der öffentlichen Hand stehen 223. Dabei geht die vorherrschende Meinung von einer Anwendbarkeit des GWB auf die öffentliche Hand aus, wenn die hoheitliche Tätigkeit wettbewerbsrechtlich relevante Auswirkungen hat 224. Dies ist der Fall, wenn eine Wettbewerbsbeziehung vorliegt, die privatrechtlich zu qualifizieren ist 225. Als privatrechtlich wird eine Wettbewerbsbeziehung dann angesehen, wenn sich die öffentliche Hand mit ihren Wettbewerbern auf der Ebene der Gleichordnung trifft, wenn die öffentliche Hand also Leistungen auf dem Markt anbietet, auf dem Nachfrager zwischen mehreren Anbietern frei wählen können 226. Auf die Nachfrageseite gewendet, liegt ein privatrechtliches Wettbewerbsverhältnis dann vor, wenn die öffentliche Hand Nachfrager neben anderen ist 227. Besteht die Konkurrenz, wie bei der Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand, auf der Nachfrageseite, müssen in Anwendung der herrschenden Ansicht daher auch die Beziehungen zur Marktgegenseite (Lieferanten) als privatrechtlich qualifiziert werden 228. Insofern ist der Anwendungsbereich des Kartellrechts für das öffentliche Auftragswesen eröffnet, soweit es sich bei den handelnden Beschaffungsstellen um öffentliche Unternehmen i. S.v. § 130 Abs. 1 GWB handelt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Unternehmen in diesem Sinne vorliegt, ist der funktionale Unternehmensbegriff 229. Danach kommt es unter Beachtung von Sinn und Zweck des Gesetzes allein darauf an, ob eine irgendwie geartete geschäftliche Teilnahme am Rechtsverkehr vorliegt, die grundsätzlich geeignet 221 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung (GWB) v. 15. 7. 2005, BGBl. I, S. 2114, zuletzt geändert durch Art. 1a des Gesetzes v. 18. 12. 2007, BGBl. I, S. 2966. 222 Hopp, DB 2000, S. 29, 32; Karenfort / von Koppenfels / Siebert, BB 1999, S. 1825, 1826 f.; Seifert, ZfA 2001, S. 1, 12; a. A. zumindest bezüglich Tarifttreueerklärungen: Däubler, ZIP 2000, S. 681, 685; Schwab, NZA 2001, S. 701, 705. 223 Seifert, ZfA 2001, S. 1, 9. 224 GemSen, Beschl. v. 29. 10. 1987, BGHZ 102, S. 280 ff., 286 – „Rollstühle“; vgl. auch Noch, WuW 1998, S. 1059, 1068. 225 Siehe GemSen BGH, Beschl. v. 29. 10. 1987, a.a. O.; Stadler, in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 130, Rn. 10. 226 BGH, Urt. v. 22. 3. 1976, Az. GSZ 1/75, BGHZ 66, S. 229 ff. – Studentenversicherung; BGH, Urt. v. 18. 12. 1981, Az. I ZR 34/80, BGHZ 82, S. 375 ff. – Brillenselbstabgabestelle (jeweils zur Bindung an das UWG). 227 Vgl. Fante, Instrumentalisierung, S. 277 m.w. N. 228 Ebenda. 229 Hopp, DB 2000, S. 29, 33.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

ist, den Wettbewerb zu stören 230. Allein wegen seines erheblichen Umfangs ist das öffentliche Beschaffungswesen in höchstem Maße wettbewerbsrelevant 231. In seinem Beschluss „Berliner Tariftreueerklärung“ geht der BGH auch gar nicht mehr auf diese Problematik ein, sondern prüft sofort das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot 232. Die Anwendung der Wettbewerbsregeln wird auch nicht durch die Anwendbarkeit der Grundrechte ausgeschlossen 233. Es stellt weder einen Widerspruch noch einen Systembruch dar, die staatliche Beschaffungstätigkeit zwar als unternehmerisch zu qualifizieren, gleichzeitig aber die damit einhergehende Erfüllung von Verwaltungsaufgaben und die daraus resultierende „Zwitterstellung“ des Staates 234 anzuerkennen und die notwendigen rechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen 235. Die Reichweite der Anwendung hingegen sowie die Begründung, warum die öffentliche Hand dem grundsätzlich privatrechtlichen Wettbewerbsrecht unterstehen soll, geben Anlass für einige Überlegungen 236. Dessen Aufgabe besteht vor allem darin, Grundregeln aufzustellen, um so die Chancen der Mitanbieter zu schützen, unter fairen Bedingungen um die Gunst des Kunden zu werben bzw. Waren anzubieten und zu vertreiben 237. Darüber hinaus soll der Wettbewerb als Institution des wirtschaftlichen und sozialen Lebens auch zugunsten der Allgemeinheit, also auch des Verbrauchers, zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Produktion und der Entwicklung neuer Produkte geschützt werden 238. Während das UWG 239 das Ziel hat, den unlauteren Wettbewerb zu zügeln, soll das GWB Wettbewerbsbeschränkungen entgegenwirken. Fraglich ist, inwiefern die §§ 97 ff. GWB die Anwendung des Kartellrechts im öffentlichen Auftragswesen ausschließen. Unterhalb der Schwellenwerte wird diese Frage nicht relevant, da hier das Kartellvergaberecht ohnehin keine Anwendung findet. Einziger Berührungspunkt ist der Fall, in dem eine marktbeherrschende Beschaffungsstelle einen öffentlichen Auftrag oberhalb der Schwellen230 Stadler, in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 130, Rn. 33 ff.; Schreiben des BKartA v. 16. 1. 1984, B9 – 123700 – 1003/83 – 5, WuW 1984, S. 926 ff.; BGH, Urt. v. 26. 10. 1961, Az. KZR 1/61, BGHZ 36, S. 91 ff. – Gummistrümpfe. 231 Vgl. dazu oben Kapitel 1, I. 232 BGH, Beschl. v. 18. 1. 2000, Az. KVR 23/98, WuW 2000, S. 327 ff. – Tariftreueerklärung. 233 Vgl. Pietzcker, Staatsauftrag, S. 378; Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 159 m.w. N. 234 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 373. 235 So auch Fante, Instrumentalisierung, S. 256. 236 Vgl. Wittig, Vergaberecht, S. 235. 237 Vgl. Köhler, in: Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 2, Rn. 9 f. 238 Vgl. Wittig, Vergaberecht, S. 236 m.w. N. 239 Dazu sogleich unten, c).

II. Schranken

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werte vergibt. Allerdings ist das Konfliktpotential begrenzt, da beiden Normenkomplexen der Wettbewerbsgedanke immanent ist. Dies führt zu einer im Grundsatz gleichgerichteten Anwendung der Normen. Trotzdem ist umstritten, ob die Regelungen des Kartellvergaberechts, insbesondere § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB, eigenständigen Charakter besitzen und eine in sich geschlossene Regelung darstellen, die als lex speciali dem Kartellrecht vorgeht. Nach Däubler besteht ein solches Spezialitätsverhältnis 240. Eine starke Gegenmeinung lehnt eine Legalisierungswirkung für kartellrechtswidriges Verhalten durch § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB ab und fordert eine wettbewerbskonforme Auslegung des Vergaberechts 241. Eine dritte Ansicht geht davon aus, dass keine grundsätzlichen Zielkonflikte zwischen dem Kartellrecht und dem Kartellvergaberecht bestehen und erst die Verabschiedung eines Gesetzes i. S.v. § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB zu solchen Konflikten führe 242. Allerdings sei eine kollisionsfreie Auslegung der beiden Normenkomplexe nach ihrem Sinn und Zweck durchaus möglich 243. Vergabe- und Kartellregeln haben gemeinsam, dass sie dem Wettbewerb verpflichtet sind 244. Jedoch haben sie vom Ansatz her unterschiedliche Normzwecke, und die Adressaten sind unterschiedlich. Schutzzweck der Kartellregeln ist der funktionsfähige Wettbewerb, das Kartellvergaberecht hingegen hat nicht nur den Schutz des Wettbewerbs zum Zweck. Vielmehr schaffen §§ 97 ff. GWB die wettbewerbliche Grundlage für das öffentliche Beschaffungswesen. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen werden von den §§ 97 ff. GWB nicht thematisiert. Insoweit ist auf die allgemeinen kartellrechtlichen Regelungen zurückzugreifen, wenn sich Auftragnehmer oder -geber im Vergabeverfahren wettbewerbsfeindlich verhalten. Auf diese Weise sichert das allgemeine Kartellrecht die wettbewerbsbezogenen vergaberechtlichen Regelungen ab. Deswegen ist bei der Auslegung des Vergaberechts das Kartellrecht zu beachten, auch bei Gesetzen im Sinne von § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB. Mithin ist der öffentliche Auftraggeber an das allgemeine Kartellrecht gebunden, wenn er am Markt Güter nachfragt. Dies gilt unbeschadet der Höhe des Auftrags. Somit sind die kartellrechtlichen Regelungen grundsätzlich neben den §§ 97 ff. GWB anwendbar 245. bb) Marktbeherrschende Stellung Voraussetzung der kartellrechtlichen Regelungen ist die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens. Diese wird in § 19 Abs. 2 GWB einheitlich für das 240 241 242 243 244 245

Däubler, ZIP 2000, S. 681, 686. Hopp, DB 2000, S. 29, 31. Karrenfort / v. Koppenfels / Siebert, BB 1999, S. 1825, 1828. Karrenfort / v. Koppenfeld / Siebert, a.a. O., 1829. Vgl. Fante, Instrumentalisierung, S. 290. So im Ergebnis aus Reichert, Tariftreueerklärungen, S. 163.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

gesamte GWB geregelt. Ob eine Marktbeherrschung vorliegt, ist in zwei Schritten zu ermitteln. Erst muss der relevante Markt in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht bestimmt werden, und anschließend kann beurteilt werden, ob der öffentliche Auftraggeber marktbeherrschend ist oder nicht. Entscheidend ist immer eine umfassende Betrachtung der Umstände des Einzelfalls. Nach einer Mindermeinung soll die öffentliche Hand wegen ihrer im Prinzip unbegrenzten finanziellen Ressourcen stets als marktbeherrschend anzusehen sein 246. Das GWB kennt verschiedene in § 19 Abs. 2 GWB geregelte Beherrschungsformen, wobei für öffentliche Auftraggeber in der Regel der Beherrschungstatbestand der überragenden Marktstellung gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB relevant sein dürfte. cc) Diskriminierungsverbot Besonders bedeutsam für die vergaberechtliche Diskussion ist das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB, da es die Funktion erfüllt, eine willkürliche Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Anbieter im Vergabeverfahren zu verhindern 247. Es wendet sich an marktbeherrschende Unternehmen. Emmerich räumt dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot für den Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates denselben Stellenwert ein, wie zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Bereich des öffentlichen Rechts 248. Öffentliche Auftraggeber könnten eine marktbeherrschende Stellung haben. Gemäß § 19 GWB ist ein Unternehmen dann marktbeherrschend, wenn es eine starke Position im räumlich, zeitlich und sachlich relevanten Wettbewerb innehat. Nicht alle öffentlichen Auftraggeber sind marktbeherrschend, da insbesondere zwischen verschiedenen öffentlichen Auftraggebern – Bund, Länder, Kommunen – sowie verschiedenen Bereichen zu unterscheiden ist. Gemäß § 20 Abs. 1 GWB dürfen die Normadressaten wirtschaftlich gleich liegende Sachverhalte nicht ohne rechtfertigenden Grund ungleich behandeln. Dies setzt zumindest voraus, dass die ungleich behandelten Sachverhalte vergleichbar sind. In der Regel wird die Vergleichbarkeit der Sachverhalte großzügig bejaht, um schließlich die unterschiedliche Behandlung auf eine sachliche Rechtfertigung hin überprüfen zu können 249. Die Rechtsprechung sieht dafür eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB vor 250. Dabei gilt es, alle An246

Fante, Instrumentalisierung, S. 302 m.w. N. Boesen, Vergaberecht, Einl., Rn. 112; Karenfort / von Koppenfels / Siebert, BB 1999, S. 1825, 1826. 248 Emmerich, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 130 Abs. 1, Rn. 69. 249 Vgl. Wittig, Vergaberecht, S. 243; Karenfort / von Koppenfels / Siebert, BB 1999, S. 1825, 1827; Knipper, WuW 1999, S. 677, 681. 247

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forderungen, die sich aus Vergabevorschriften – dem europäischen Primär- und Sekundärrecht sowie den deutschen Vergaberegularien – ergeben, zu befolgen. Widerspricht eine der Handlungen des öffentlichen Auftraggebers den Regeln und Grundsätzen, die sich aus der Gesamtheit der Vergaberegeln ergeben, so ist diese nicht sachlich gerechtfertigt im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB. Für die Berücksichtigung sozialer Belange und deren Qualifizierung als sachlicher Rechtfertigungsgrund bedeutet dies, dass sich aus der Gesamtheit der Vergaberegeln deren Berücksichtigungsfähigkeit ergeben muss. § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB sieht die Einbeziehung anderer oder weitergehender Anforderungen vor 251. Auch sieht Art. 26 VKR explizit die Berücksichtigung sozialer Belange als Ausführungsbedingungen vor. Somit liegt in der Berücksichtigung weitergehender und sozialer Belange ein sachlicher Rechtfertigungsgrund. Die zumindest als Ausführungsbedingung oder weitergehende Anforderung formulierten sozialen Belange stellen also keine Verletzung des § 20 Abs. 1 GWB dar. Im Fall der Berliner Tariftreueerklärung kam eine Verletzung des § 20 Abs. 1 GWB in Betracht 252. Um eine Gleichheit der Ausgangsvoraussetzungen für alle Unternehmen zu gewährleisten, wurden Auftragnehmer nach § 1 Abs. 2 Berliner Vergabegesetz dazu verpflichtet, für den Zeitraum der Auftragsdurchführung die mit dem Auftrag beschäftigten Mitarbeiter nach den in Berlin gültigen Entgelttarifen zu bezahlen. Das BVerfG stellte hier fest, dass § 1 Abs. 1 S. 1 Berliner Vergabegesetz nicht gegen § 20 Abs. 1 GWB verstoße. Auch bei marktbeherrschender Stellung des Landes Berlin auf der Nachfrageseite bewirke die Tariftreueerklärung keine unbillige Behinderung oder sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung von Unternehmen auf der Anbieterseite 253. Der Bundesgerichtshof gehe bei seiner Entscheidungsbegründung zutreffend davon aus, dass eine Ungleichbehandlung von Anbietern dann sachlich gerechtfertigt ist, wenn eine gültige gesetzliche Vorschrift sie anordne. Von diesem richtigen Standpunkt ausgehend sei es aber ausgeschlossen, das rechtfertigende Gesetz selbst an § 20 Abs. 1 GWB zu messen. Ist das Gesetz in jeder anderen Hinsicht mit dem Grundgesetz und mit Bundesrecht vereinbar, stelle es auch einen Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB dar und schließe zugleich eine unbillige Behinderung nach dieser Vorschrift aus 254.

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Vgl. Wittig, a.a. O., S. 243, 244 m.w. N. Vgl. zu dem hier nicht näher auszuführenden Streit bezüglich des Anwendungsbereichs des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB, Reichert, Tariftreueerklärungen, S. 154, 157 f. 252 Siehe hierzu sehr ausführlich Schwab, NZA 2001, S. 701, 703; Hopp, DB 2000, S. 29, 33. 253 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51, Rn. 108. 254 BVerfG, Urt. v. 11. 7. 2006, Az. 1 BvL 4/00, NJW 2007, S. 51, Rn. 109. 251

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

dd) Missbrauch marktbeherrschender Stellung § 19 Abs. 1 GWB enthält ein allgemeines Missbrauchsverbot für marktbeherrschende Unternehmen, das in Abs. 4 durch eine nicht abschließende Aufzählung von vier möglichen Fällen eines solchen Missbrauchs konkretisiert wird. Missbräuchlich sind Verhaltensweisen, die dem marktbeherrschenden Unternehmen nur aufgrund seiner Marktmacht möglich sind und durch die andere Unternehmen in einer Weise behindert oder benachteiligt werden, wie es bei wirksamem Wettbewerb ausgeschlossen wäre. Fraglich ist, ob jeder Verstoß marktbeherrschender Unternehmen gegen das Verbot des § 20 Abs. 1 GWB zugleich einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1, 4 GWB bedeutet. In der Gerichtspraxis wurde der Schwerpunkt auf § 20 Abs. 1 GWB gelegt, allerdings sind bestimmte Verhaltensweisen der öffentlichen Nachfrager auch als missbräuchlich im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB angesehen worden 255. Angesichts der Identität der Rechtsfolge kann diese Frage aber hier offen bleiben. c) Wettbewerbsrecht (UWG) aa) Grundlagen Auch aus Sicht des unlauteren Wettbewerbs erfordert die Nachfragemacht des öffentlichen Auftraggebers eine nähere Betrachtung. Allerdings spielte das UWG 256 für den Problemkreis der öffentlichen Auftragsvergabe eine im Vergleich zum GWB untergeordnete Rolle. Das UWG dient dem Schutz vor einem mit unlauteren Mitteln geführten und dadurch verfälschten Wettbewerb. Es zielt außer auf den Konkurrentenschutz auch auf den Schutz anderer Marktteilnehmer 257. Fraglich ist, ob ein Verstoß gegen vergaberechtliche Normen auch einen Verstoß gegen das UWG, also eine unlautere Wettbewerbshandlung, darstellt. Denkbar sind zwei Fallgruppen: Einerseits die „Förderung des Wettbewerbs bestimmter Bieter“ und andererseits die Aufforderung an die Bieter, „Rechtsbruch“ zu begehen 258. Dazu müsste die öffentliche Hand zunächst an das UWG gebunden sein. Das UWG enthält keine Vorschriften über seinen personellen Anwendungsbereich, so dass das Gesetz grundsätzlich auch für die öffentliche Hand gilt, sofern eine 255

Fante, Instrumentalisierung, S. 310. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) v. 3. 7. 2004, BGBl. I, S. 1414 ff., zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 21. 12. 2006, BGBl. I, S. 3367. 257 Fante, Instrumentalisierung, S. 333. 258 Vgl., Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 156 ff.; Nordemann, Wettbewerbrecht, S. 267. 256

II. Schranken

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Wettbewerbshandlung 259 im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorliegt. Danach ist unter einer Wettbewerbshandlung jede Handlung einer Person mit dem Ziel zu verstehen, zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, zu fördern. Dieses Handeln muss von einer entsprechenden subjektiven Absicht der „Wettbewerbsabsicht“ getragen sein 260. bb) Wettbewerbsabsicht Im Rahmen einer Ausschreibung tritt der öffentliche Auftraggeber als Nachfrager auf mit dem Ziel, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, so dass allenfalls die Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens, nämlich des an der Ausschreibung beteiligten Bieters, in Betracht kommt. Im Vergabeverfahren nimmt der Auftraggeber aber dieselbe Marktfunktion wahr wie ein beliebiger privater Letztverbraucher, der von dem Wettbewerb der Anbieter profitiert, was ihm eine optimale Bedarfsdeckung ermöglicht. Der einem Bieter erteilte Zuschlag erfolgt nicht in der Absicht der Wettbewerbsförderung, sondern er verkörpert vielmehr das Ergebnis des vergaberechtlichen Auswahlverfahrens zwischen den Angeboten auf dem Markt 261. Allerdings könnte eine Wettbewerbsabsicht dann vorliegen, wenn die öffentliche Hand versucht, aktiv Einfluss auf das Wettbewerbsgeschehen zu nehmen, um so eine Änderung der Wettbewerbsbedingungen vom Normalverlauf zu bewirken 262. Entscheidend ist, dass die Veränderung der Wettbewerbschancen nicht bloßer Reflex ist, sondern es dem öffentlichen Auftraggeber auf diese Veränderung in der Wettbewerbssituation ankommt. Mithin ist eine Wettbewerbsabsicht anzunehmen, wenn der Auftraggeber Bieter aus „vergaberechtswidrigen“ Erwägungen unberücksichtigt lassen würde 263. Dabei genügt es, dass dieser Bieter zielgerichtet aus dem Wettbewerb ausgeschlossen wurde und so die Aussichten der übrigen Bieter auf den Zuschlag verbessert wurden, da die Erwerbschance, die der ausgeschlossene Bieter verliert, nunmehr den übrigen Bietern zufällt. Dies ist allen vergaberechtlichen Auswahlverfahren immanent. Mithin liegt die Wettbewerbsabsicht vor.

259

Die Wettbewerbshandlung ist an die Stelle der früheren Tatbestandsmerkmale „zu Zwecken des Wettbewerbs“ und „Handeln im geschäftlichen Verkehr“ getreten; Schünemann, in: Harte-Bavendamm / Henning-Bodewig, UWG, § 3, Rn. 155. 260 Nordemann, Wettbewerbsrecht, S. 50; Keller, in: Harte-Bavendamm / Henning-Bodewig, UWG, § 2, Rn. 1 ff. m.w. N. 261 Alexander, WRP 2004, S. 700, 705. 262 Vgl. BGH, Urt. v. 21. 2. 1989, Az. K ZR 7/88, BGHZ 107, S. 40, 42 – Krankentransportbestellung. 263 Alexander, WRP 2004, S. 700, 705.

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

cc) Unlauterkeit Des Weiteren müsste die Wettbewerbshandlung unlauter sein. Nicht jeder Vergaberechtsverstoß beinhaltet aber automatisch wettbewerbsrechtliches Unrecht. Vielmehr muss eine Unlauterkeit im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG vorliegen 264. § 4 Nr. 11 enthält die Fallgruppe des „Rechtsbruchs“ und konkretisiert die Generalklausel des § 3 UWG 265. Die neuere Rechtsprechung des BGH zum UWG a.F. setzte für das Vorliegen der Fallgruppe „Rechtsbruch“ voraus, dass die verletzte Rechtsvorschrift zumindest eine sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion hat 266. Hierauf hat auch die Begründung zum Regierungsentwurf ausdrücklich Bezug genommen 267. So fordert das UWG in § 4 Nr. 11, dass einer gesetzlichen Vorschrift zuwidergehandelt wurde, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Dabei ist als Marktverhalten jede Tätigkeit anzusehen, die un-mittelbar oder mittelbar der Förderung des Absatzes oder Bezugs eines Unternehmers dient, also vor allem Angebot und Nachfrage. Das Vergaberecht unterwirft die Nachfrage der öffentlichen Hand im Wettbewerb besonderen Anforderungen und regelt damit ein bestimmtes Marktverhalten. Weiter muss die Regelung in dem vergaberechtlichen Spezialgesetz „im Interesse der Marktteilnehmer“ erfolgt sein. Marktteilnehmer sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG neben den Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind. Diese Voraussetzung liegt hier ebenfalls vor, da das Vergaberecht eben dazu dient, die an einer Ausschreibung teilnehmenden Bieter als Anbieter und damit als Marktteilnehmer im Angebotswettbewerb zu schützen. Gesetzliche Vorschriften im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG sind unproblematisch die §§ 97 ff. GWB, die VgV sowie die Abschnitte der Verdingungsordnungen, die oberhalb der Schwellenwerte gelten, da diese Rechtsnormcharakter haben 268. Vorschriften mit bloß innerbehördlicher Bindungswirkung werden nicht vom Tatbestand des Rechtsbruchs erfasst 269. Des Weiteren muss geklärt werden, ob das UWG neben den Spezialgesetzen des Vergaberechts anwendbar ist. Eine Anwendbarkeit würde ausscheiden, wenn die bestehenden Regelungen abschließender Natur wären. Dabei wäre ein ergänzender Schutz durch das UWG vor allem dann sinnvoll, 264 Vgl. zur wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung gem. §§ 3, 4 Nr. 10 UWG, die zwar im allgemeinen Vergaberecht, aber nicht speziell bei der Einbeziehung sozialer Belange relevant werden kann, Alexander, a.a. O., 708 f. 265 Nordemann, Wettbewerbsrecht, S. 251. 266 Vgl. BGH, Urt. v. 11. 5. 2000, Az. I Zr 28/98, BGHZ 144, S. 255, 256 f. – Abgasemmissionen; BGH, Urt. v. 25. 4. 2002, Az. I ZR 250/00, BGHZ 150, S. 343, 347 f. – Elektroarbeiten. 267 Vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) v. 22. 8. 2003, BT-Drucks. 15/1487, S. 19. 268 Vgl. dazu oben Kapitel 2, V. 2. e). 269 Alexander, WRP 2004, S. 700, 706 m.w. N.

II. Schranken

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wenn das vergaberechtliche Spezialgesetz über Lücken verfügt, die das UWG mit seinen Sanktionsinstrumentarien ausfüllen kann, um eine effektive Durchsetzung der spezialgesetzlichen Ge- und Verbote zu gewährleisten 270. Für das Vergaberecht ist nicht ersichtlich, dass das UWG ausgeschlossen sein soll, da schon das Verhältnis der Mitbieter untereinander nicht zum Adressatenkreis vergaberechtlicher Regelungen gehört. Mithin ist das UWG eigenständig anwendbar, da im Hinblick auf diese Einschränkung die Verletzung vergaberechtlicher Regelungen nur unzureichend sanktioniert ist. Somit ist festzustellen, dass die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften lauterkeitsrechtlich relevant ist. Allerdings muss gem. § 3 UWG der Wettbewerbsverstoß erheblich sein. Dies wäre dann der Fall, wenn der Wettbewerb auf dem Markt durch die Wettbewerbshandlung wesentlich beeinflusst würde. Wenn beispielsweise durch die Berücksichtigung sozialer Belange das Gleichbehandlungsgebot oder das Wettbewerbsprinzip verletzt werden, wird schwerwiegend in die Interessen der Bieter eingegriffen, da es dadurch zu einer Verzerrung der Wettbewerbschancen kommt. In diesem Fall dürfte die erforderliche Erheblichkeit immer vorliegen. dd) Zwischenergebnis Verstößt die Einbeziehung sozialer Belange gegen vergaberechtliche Vorschriften, dann wird dies auch zur Unlauterkeit im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG führen. Insofern stellt auch dass UWG eine Schranke für soziale Belange dar, allerdings nur indirekt, da zunächst eine Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen vorausgesetzt ist. d) Kartellvergaberecht aa) Grundsätzliches Die Schranken, die das Kartellvergaberecht der Einbeziehung sozialer Belange setzen könnte, ergeben sich aus der Grundnorm des § 97 GWB mit ihren verschiedenen Absätzen. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen dabei vor allem die europarechtliche Zulässigkeit sowie die Reichweite des Abs. 4 HS. 2. Daneben behalten die Grundsätze des Wettbewerbs (Abs. 1), der Transparenz (Abs. 1), der Gleichbehandlung (Abs. 2) und der Wirtschaftlichkeit (Abs. 5) ihre Geltung 271. bb) Regelungsgehalt des § 97 Abs. 4 GWB Gemäß § 97 Abs. 4 HS. 1 GWB kann nur ein geeigneter Bieter einen öffentlichen Auftrag erhalten. Dabei ist die Unterscheidung von Eignungs- und 270 271

Alexander, WRP 2004, S. 700, 707. Siehe oben Kapitel 2, VII. 2; ferner unten, cc).

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

Zuschlagskriterien von zentraler Bedeutung 272. Die Eignung wird nach den Unterkriterien Zuverlässigkeit, Fachkunde und Leistungsfähigkeit beurteilt. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer gemäß Abs. 4 HS. 2 nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz zugelassen ist. Andere oder weitergehende Anforderungen beziehen sich dabei allein auf die Eignungskriterien und nicht auf Abs. 5, der den Zuschlag regelt. Abs. 4 HS. 2 enthält mithin aus gesetzessystematischer Sicht keine Erweiterung der im Zuschlagsstadium zulässigen Unterkriterien zur Findung des wirtschaftlich günstigsten Angebots 273. Mithin vermag Abs. 4 HS. 2 nur die Verfolgung solcher sozialen Belange vergaberechtlich zu rechtfertigen, die auf der Ebene der Auswahl der Bieter erfolgen und bei Nichterfüllung zum Ausschluss vom Vergabeverfahren führen. Soziale Belange, die bei der Auswahl an den Bieter gestellt werden könnten, sind Tariftreueerklärungen, Scientology-Schutzerklärungen oder auch Nachweise, die der Auftraggeber vom Bieter bezüglich der Förderung von Frauen oder der Lehrlingsausbildung verlangt sowie auch der Diskriminierungsschutz und eine Erklärung über die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen 274. cc) Die Vergabegrundsätze des § 97 GWB Die Vergabegrundsätze sind in § 97 Abs. 1, 2 GWB geregelt. Sie können der Einbeziehung sozialer Belange ebenfalls entgegenstehen. Das Wettbewerbsprinzip aus Abs. 1 GWB ist das Fundament der öffentlichen Auftragsvergabe. Die komplementären Maximen der Transparenz aus Abs. 1 sowie die Gleichbehandlung aus Abs. 2 dienen dem bzw. ergänzen das Wettbewerbsprinzip. Das in Abs. 1 geregelte Wettbewerbsprinzip meint dabei den Wettbewerb zwischen den Unternehmen um Aufträge über Lieferung und Leistung der öffentlichen Hand, nicht aber den möglichen Wettbewerb zwischen mehreren staatlichen Beschaffungsstellen 275. Unter verschiedenen Gesichtspunkten könnten soziale Belange mit dem Wettbewerbsprinzip kollidieren. Insbesondere stellt es einen Verstoß gegen den Wettbewerbsgrundsatz dar, wenn der Vergabewettbewerb auf Teilnehmer einer bestimmten Religion 276 eines Mitgliedstaates beschränkt wird 277. Auch könnten Vergabesperren, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz 278 geregelt sind, gegen das Wettbewerbsprinzip verstoßen. Da es sich dabei allerdings 272

Siehe hierzu oben Kapitel 1, III. 3. sowie Kapitel 3, III. 2. und 3. und unten Kapitel 5, I. 4. und 5. 273 Vgl. Fante, Instrumentalisierung, S. 339 m.w. N. 274 Vgl. oben Kapitel 3, IV. 275 Vgl. dazu oben Kapitel 3, II. 1. 276 Siehe dazu oben Kapitel 3, IV. 4. f). 277 BayOblG, Beschl. v. 20. 12. 1999, Az. Verg 8/99, WuW 2000, S. 675 ff. – „Tragwerksplanung“. 278 Siehe dazu oben Kapitel 3, IV. 4.

II. Schranken

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nach der oben vorgenommenen Definition 279 nicht um soziale Belange handelt, sollen diese hier auch nicht näher untersucht werden. Fraglich ist, wie das Verhältnis des Wettbewerbsprinzips zu § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB ist. Konflikte ergeben sich, wenn über die klassischen Eignungskriterien hinaus weitergehende Anforderungen im Vergabeverfahren berücksichtigt werden sollen. Hier ist insbesondere an Ländervergabegesetze 280 zu denken, die die örtliche Tariftreue regeln, sowie an Landesgleichstellungsgesetze 281, die die Frauenförderung im Rahmen des Vergabeverfahrens regeln. Sicher ist, dass der Zugang zum Wettbewerb für einen Bieter, der eine entsprechende Erklärung oder einen Nachweis über die Förderung nicht abgeben kann oder will, verschlossen bleibt. Damit ist zwar der Wettbewerbsgrundsatz tangiert, allerdings wird man daraus nicht zwangsläufig folgern dürfen, dass das fragliche Gesetz gegen § 97 Abs. 1 GWB verstößt. Letztlich wird jeder durch ein Gesetz im Sinne des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB verfolgte soziale Belang mit dem Wettbewerbsprinzip kollidieren. Indes zeigt die Tatsache, dass der Gesetzgeber durch die Regelung einer solchen Ausnahme, wie sie in Abs. 4 HS. 2 vorgesehen ist, diese Folge hinzunehmen bereit war. Würde man das Wettbewerbsprinzip als absolute Schranke von Gesetzen im Sinne des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB betrachten, dann würde diese Regelung leer laufen 282. Andererseits kann auch nicht von einem absoluten Vorrang des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB und damit der auf dieser Grundlage entstandenen Gesetze ausgegangen werden, da dies wiederum zu einer Missachtung des für das Vergabeverfahren fundamentalen Wettbewerbsprinzips führen würde. Die bestehende Normenkollision ist über die Herstellung praktischer Konkordanz zu lösen. Insofern muss der öffentliche Auftraggeber bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen prüfen, ob Gesetze gegen das Wettbewerbsprinzip verstoßen. Ist dies der Fall, ist das Gesetz wegen § 97 Abs. 1 GWB außer Anwendung zu lassen. Als weiterer Vergabegrundsatz folgt aus § 97 Abs. 1 GWB das Transparenzgebot 283. Dabei hängt die Einhaltung eines transparenten Verfahrens eng mit dem Wettbewerbsprinzip zusammen. Denn eine wirtschaftliche und wettbewerbsorientierte Beschaffung kann nur im Wege transparenter Verfahren organisiert werden. Auch bei Gesetzen im Sinne des § 97 Abs. 4 Hs. 2 GWB ist auf die Einhaltung der einschlägigen Publizitätsvorschriften zu achten 284. Der Rückgriff

279

Vgl. oben Kapitel 3, VI. Siehe dazu oben Kapitel 3, IV. 2. b). 281 Siehe dazu oben Kapitel 3, IV. 4. b). 282 So auch Fante, Instrumentalisierung, S. 344. 283 Vgl. oben Kapitel 3, II. 2. 284 Vgl. dazu BGH, Urt. v. 17. 2. 1999, Az. X ZR 101/97 (KG), NJW 2000, S. 137 ff. – „Krankenhauswäsche“. 280

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Kap. 4: Anforderungen und Schranken

auf nicht veröffentlichte Kriterien ist dem öffentlichen Auftraggeber im Vergabeverfahren verwehrt. Daneben hat das Gleichbehandlungsgebot 285 aus § 97 Abs. 2 GWB bei der Einbeziehung sozialer Belange eine zentrale Bedeutung. Gleichbehandlung ist dabei im Sinne des Art. 12 Abs. 1 EGV sowie im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG zu verstehen. Gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen regional- oder nationalprotektionistische Regelungen 286. So findet sich bereits in § 8 Nr. 1 S. 2 VOB / A die Regelung, dass der „Wettbewerb insbesondere nicht auf Bewerber beschränkt werden darf, die in bestimmten Regionen oder Orten ansässig sind“ 287. In den meisten Fällen beinhaltet eine Verletzung des Wettbewerbs- oder Transparenzgrundsatzes auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Ein Gesetz im Sinne des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB wird stets diejenigen Bieter bevorzugen, die die weitergehenden Anforderungen erfüllen. § 97 Abs. 2 HS. 2 GWB soll allerdings gerade Gesetze im Sinne des Abs. 4 HS. 2 erfassen, sonst würde diese Regelung leer laufen. Letztlich muss sich auch ein Gesetz im Sinne des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB, dass wegen Abs. 2 HS. 2 nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot verstößt, an Art. 3 Abs. 1 GG sowie am europarechtlichen Diskriminierungsverbot messen lassen 288. § 97 Abs. 3 GWB ist ein Instrument der Mittelstandsförderung 289. Von der Regelung unberührt bleiben die übrigen aus § 97 Abs. 1, 2 und 5 GWB folgenden Vergabegrundsätze. Insofern muss sich auch eine die mittelständischen Interessen angemessen berücksichtigende Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe an den Grundsätzen Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung und Wirtschaftlichkeit orientieren 290. Gemäß § 97 Abs. 2 HS. 2 GWB kann eine „Gestattung“ vorliegen, wenn eine Ungleichbehandlung anderer Bieter mit einer Maßnahme der Mittelstandsförderung einhergeht 291. Eine weitere Grenze für die Einbeziehung sozialer Belange in das Vergabeverfahren könnte § 97 Abs. 5 GWB darstellen. Der hier verwendete Wirtschaftlichkeitsbegriff ist streng auftragsbezogen. Daher können auch keine Zuschlagskriterien bestimmt werden, die keinerlei Bezug 292 zum Auftragsgegenstand des 285

Siehe dazu schon oben Kapitel 3, II. 4. Siehe oben Kapitel 3, IV. 2. d). 287 Eine ähnliche Formulierung enthält § 7 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOL / A; vgl. dazu sogleich unten, 3. e). 288 Vgl. Fante, Instrumentalisierung, 350. 289 Vgl. oben Kapitel 2, VII. 2.5.3. und Kapitel 3, IV. 2. e). 290 Vgl. Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97, Rn. 76. 291 Fante, Instrumentalisierung, S. 351. 292 So jetzt auch die Regelung des Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR, nach der ein Zusammenhang der Unterkriterien mit dem Auftragsgegenstand gegeben sein muss, vgl. dazu oben Kapitel 3, V., 3., 4. 286

II. Schranken

225

Angebots aufweisen. Soziale Belange, wie sie oben definiert sind 293, werden im Gegensatz zu auftragsbezogenen Kriterien wie Preis, Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, Gestaltung, Ästhetik, Rentabilität, Wartungskosten sowie Umwelteigenschaften 294 insofern im Rahmen der Zuschlagserteilung nicht als Unterkriterien berücksichtigt werden können. Fraglich ist ferner das Verhältnis des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB. Nach Rittner stehe Abs. 4 HS. 2 im eklatanten Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsbegriff des Abs. 5 und solle daher als ein politisch bedingter legislativer Irrtum anzusehen sein und deswegen restriktiv angewandt werden 295. Diese Ansicht übersieht die strenge Trennung zwischen der Auswahlund Zuschlagsphase im Vergaberecht 296. Allerdings ist – wie oben schon ausgeführt – § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Insofern ist ein Gesetz im Sinne des § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB, das zur Missachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips aus Abs. 5 führt, auszuschließen 297. dd) Zwischenergebnis § 97 Abs. 4 HS. 2 GWB sowie die hierauf basierenden Gesetze sind im Lichte der übrigen Vergabegrundsätze aus § 97 Abs. 1, 2, 3, 5 GWB auszulegen. Die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers für Abs. 4 HS. 2 gebietet es zwar die klassischen Vergabegrundsätze teilweise einzuschränken. Diese dürfen aber nicht völlig verdrängt werden. e) Verdingungsordnungen Eine eindeutige Schranke für regionale Präferenzregelungen enthält § 8 Nr. 1 S. 2 VOB / A. Danach darf der Wettbewerb insbesondere nicht auf Bewerber beschränkt werden, die in bestimmten Regionen ansässig sind 298. Hierbei handelt es sich um eine Mussvorschrift, die das allgemeine Diskriminierungsverbot konkretisiert. Besonders interessant für die Berücksichtigung sozialer Belange ist § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL / A, der ganz generell Beschreibungen technischer Merkmale verbie293

Vgl. oben Kapitel 3, VI. Diese galten vor der VKR und der Rechtsprechung des EuGH in Sachen „Concordia Bus Finland“ sowie „Wienstrom“ als nicht auftragsbezogen und nicht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsermittlung als Unterkriterium, vgl. dazu oben Kapitel 3, IV. 3 und V. 3. und 4. 295 Rittner, EuZW 1999, S. 677, 678. 296 Vgl. oben Kapitel 1, III. 3. 297 Vgl. sehr ausführlich zu dieser Problematik Fante, Instrumentalisierung, S. 362. 298 Ähnlich § 7 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOL / A. 294

226

Kap. 4: Anforderungen und Schranken

tet, die „die Wirkung haben, dass bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dass eine solche Beschreibung durch die zu vergebende Leistung gerechtfertigt ist“. Dabei ergibt sich die zu vergebende Leistung aus der Bedarfsdefinition. Fraglich ist, wie diese Regelung zu verstehen ist. Bei einer restriktiven Auslegung könnten nur neutrale Bedarfsdefinitionen gemeint sein 299. Eine solche Auslegung hätte weit reichende Auswirkungen. So dürfte es noch nicht einmal möglich sein, chlorfrei gebleichtes Papier zu bestellen. Auch erscheint eine solche Herangehensweise in Anbetracht des Art. 20a GG und des Wortlauts nicht richtig. Insofern steht § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL / A einer Einbeziehung weitergehender Zielsetzungen bei der Bedarfsdefinition nicht entgegen 300. Darüber hinaus ist die Bedeutung des § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOL / A fraglich. Danach sind „an die Beschaffenheit der Leistung ungewöhnliche Anforderungen nur so weit zu stellen, wie es unbedingt notwendig ist“. Dabei handelt es sich bei Umweltanforderungen zweifelsfrei nicht mehr um ungewöhnliche Anforderungen 301. Fraglich ist aber, inwiefern es sich bei sozialen Belangen um ungewöhnliche Anforderungen handelt. In Anlehnung an die oben herausgearbeitete Definition der sozialen Belange 302 bedarf es einer differenzierten Herangehensweise bei der Beurteilung dessen, ob und welche sozialen Belange ungewöhnliche Anforderungen darstellen. Im Vordergrund sollten dabei die Regelungen der VKR stehen, die ebenfalls soziale Belange regeln 303 und insofern diesen die „Ungewöhnlichkeit“ im Vergabeverfahren nehmen. Festzuhalten ist, dass die Verdingungsordnungen gegenüber der Einbeziehung sozialer Belange eher restriktiv einzustufen sind. Des Weiteren gilt es aus Sicht der Verdingungsordnungen § 25a Nr. 2 VOL / A bzw. VOB / A oberhalb der Schwellenwerte als Schranke zu beachten. Hier ist eine Verknüpfung mit der Beihilfeproblematik vorgesehen 304. Dieser sieht die Zurückweisung von Angeboten vor, welche „auf Grund einer staatlichen Beihilfe ungewöhnlich niedrig sind“ 305.

299

Meyer, N., Zielsetzungen, S. 485. So auch Meyer, N., Zielsetzungen, S. 485 m.w. N. 301 Riese, Vergaberecht, S. 246; Meyer, N., Zielsetzungen, S. 485 m.w. N.; vgl. oben Kapitel 3, IV. 3. 302 Vgl. oben Kapitel 3, VI. 303 Vgl. dazu oben Kapitel 2, III. 4. c) sowie unten Kapitel 5, I. 304 Dazu siehe bereits oben Kapitel 2, III. 2. d); ferner oben, 1. a) ff). 305 Allerdings wird bei der Einbeziehung sozialer Belange ein ungewöhnlich niedriges Angebot kaum der Fall sein. Insbesondere gehen die Gegner eher von einer Verteuerung aus. Mithin erfasst die Vorschrift tatsächliche Beihilfen bzw. soziale Belange, die in ihrer Wirkung als Beihilfen zu qualifizieren sind. 300

II. Schranken

227

f) Allgemeine Geschäftsbedingungen Eng in Verbindung zu den Verdingungsordnungen steht das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht), das ebenfalls eine Schranke für die Einbeziehung sozialer Belange sein kann. Dabei ist anerkannt, dass die öffentliche Hand bei der Vergabe von Aufträgen an das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebunden ist 306, das seit 2002 in den §§ 305 ff. BGB geregelt ist. Zwischen öffentlichem Auftraggeber und dem Auftragnehmer geschlossene Vereinbarungen haben unter Umständen den Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und unterliegen damit grundsätzlich einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB, insbesondere bei Bietererklärungen, die die Frauenförderung betreffen, oder Tariftreueerklärungen und Scientology-Schutzerklärungen, die häufig als Vertragsbedingungen formuliert sind. In Betracht kommt aber auch eine mögliche Antidiskriminierungsklausel zum Diskriminierungsschutz. In der Regel wird es sich bei diesen um vorformulierte Vertragsbedingungen handeln, die für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen sind. Soweit also die Voraussetzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen erfüllt sind, ist es auf die Einkaufstätigkeit der öffentlichen Hand anwendbar 307. Dabei ist der Hauptanwendungsbereich die in den „B-Teilen“ der Verdingungsordnungen aufgeführten Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Auftragsausführung. Einigkeit besteht hier, dass es sich um vorformulierte Bedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt 308. Hingegen ist das AGB-Recht für die Teile A von VOB und VOL nicht von Bedeutung, da diese Abschnitte lediglich Verfahrensvorschriften enthalten. Mithin wird insbesondere bei Ausführungsbedingungen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen relevant, da es sich bei diesen in der Regel um vorformulierte Vertragsbedingungen handeln wird, die den Auftragnehmer verpflichten 309. Unzulässig sind daher solche Ausführungsbedingungen, die gegen das AGB-Recht verstoßen. g) Ergebnis Eine Verletzung des Haushaltsrechts kommt in Betracht, wenn die Einbeziehung der sozialen Belange Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzen. Dies bedarf im Einzelnen einer Prüfung. Das Kartell- sowie das Wettbewerbsrecht sind auf das öffentliche Auftragswesen anwendbar. Ob eine Verletzung vorliegt, ist auch hier anhand des Einzelfalls zu beurteilen. Darüber hinaus gelten die in § 97 GWB geregelten Grundsätze des Kartellvergaberechts. 306 307 308 309

Dageförde-Reuter, Umweltschutz, S. 225. Kling, Instrumentalisierung, S. 128. Locher, in: Ingenstau / Korbion, VOB / A, § 10, AGB, Rn. 21 ff. Boesen, Vergaberecht, § 97, Rn. 107.

228

Kap. 4: Anforderungen und Schranken

Ferner ist auf die Schranken der Verdingungsordnungen sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu achten, die auch im Vergaberecht einschlägig sind. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass nach § 8 Nr. 1 S. 2 VOB / A regionale Präferenzregelungen einer absoluten Beschränkung unterliegen.

4. Ergebnis Für die Einbeziehung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gilt ein weit gespannter Schrankenrahmen, beginnend beim europäischen Primär- und Sekundärrecht über das deutsche Verfassungsrecht bis hin zur einfachgesetzlichen Regelungen auf deutscher Ebene. Allerdings finden diese Normen bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines bestimmten Auftrags keine kumulative Anwendung, sondern sind für den jeweils in Rede stehenden Einzelfall auszuwählen. Besonders hervorzuheben sind dabei aus europarechtlicher Sicht die Grundfreiheiten als Schranke, da sie sowohl ober- als auch unterhalb der Schwellenwerte gelten. Zudem ist auf die Anforderungen der VKR zu achten, die gleichzeitig auch die Schranke für das öffentliche Auftragswesen oberhalb der Schwellenwerte bildet. Aus deutscher Sicht sind besonders die Grundrechte, die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Grundsätze des Kartellvergaberechts als Schranken hervorzuheben. Dabei kann nicht generell, wenn soziale Belange vorliegen, von einer Verletzung der oben ausgeführten Rechtsmaterien ausgegangen werden. Vielmehr bedarf es in jedem dieser Bereiche einer Einzelfallprüfung.

Kapitel 5

Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie I. Vergabekoordinierungsrichtlinie 1. Grundlagen Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses gemäß Art. 251 EGV das europäische Vergaberecht durch die Richtlinien 2004/17/EG 1 und 2004/18/EG 2 vom 31. März 2004 neu gefasst. Gemäß Art. 95 EGV verfügt die Gemeinschaft über die Kompetenz, Rechtsakte zu erlassen, die für die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich sind und die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Die von Mitgliedstaaten vergebenen Aufträge machen einen wesentlichen Teil des Binnenmarktes aus, so dass die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass der Richtlinien unstreitig ist 3. Die Veröffentlichung des EU-Legislativpakets im Amtsblatt der Gemeinschaft stand am Ende eines mehrjährigen Rechtssetzungsprozesses 4. Insbesondere im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Legislativpakets zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts wurde zwischen Kommission und Parlament lange um Art und Intensität des Zusammenhangs gestritten, in dem (unter anderem) soziale Belange zu den Zuschlagskriterien stehen müssen 5. Während die Kommission die mögliche Berücksichtigung von Sozialund Umweltkriterien nur sehr zurückhaltend vorsehen wollte 6, erhoben die am 1 Im Folgenden steht die VKR im Mittelpunkt der Untersuchung, siehe dazu oben Kapitel 2, III, 4.4; Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 3. 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie die Postdienste, ABl. EU Nr. L 134 v. 30. 4. 2004, S. 1 ff. (SKR). 2 Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 31. 3. 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. EU Nr. L 134 v. 30. 4. 2004, S. 114 (VKR). 3 Dazu siehe oben Kapitel 1, I. 4 Vgl. dazu sehr ausführlich Wiedmann, Vergabekriterien, S. 269 ff.; Knauff, EuZW 2004, S. 141, 141; Leinemann / Maibaum, VergabeR 2004, S. 275; Dageförde / Dross, NVwZ 2005, S. 19, 20.

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

Gesetzgebungsprozess beteiligten sonstigen Organe wesentlich weitgehendere Forderungen. Insbesondere die südeuropäischen Mitgliedstaaten wollten soziale Belange stärker berücksichtigt sehen 7. So hat das Europäische Parlament in früheren Novellierungsverfahren wiederholt versucht, soziale Belange als Zuschlagskriterien 8 in den Richtlinien ausdrücklich zu normieren 9, was der Rat und die Kommission jedoch vermeiden wollten 10. Als Beispiel für zulässige Zu5

Siehe Erwägungsgrund 22 des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge, KOM (2000) 275 endg., ABl. EG C 29 E v. 30. 1. 2001, S. 11, der sich auf Art. 23 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags bezieht, sowie Erwägungsgrund 32 des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, KOM (2000) 276 endg., ABl. EG C 29 E v. 30. 1. 2001, S. 112, der sich auf Art. 33 Abs. 3 bezieht; vgl. auch Braun, NZBau 2002, S. 378, 379; Stellungnahme der Kommission gem. Art. 251 Abs. 2 S. 3 lit. c. EGV zu den Abänderungen des Europäischen Parlamentsan dem gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge v. 14. 8. 2003, KOM (2003) 503 endg., S. 11 f.; ***I Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge, KOM (2000) 275 – C5 –0367/2000/0115 (COD), A5 – 0378/2001 endg. / Teile 1 und 2 v. 29. 10. 2001 (PE 298.409/DEF / TEILE 1, 2), S. 14, Änderungsantrag 12 zu Erwägungsgrund 29a; S. 75, Änderungsantrag 98 zu Art. 53 Abs. 1; S. 100 120, Änderungsantrag 2 zu Erwägungsgrund 29; S. 121, Änderungsantrag 3 zu Art. 15a (neu); S. 122 Änderungsantrag 5 zu Art. 23 Abs. 3; S. 138, Änderungsantrag 33 zu Art. 53 Abs. 1; S. 167, Änderungsantrag 3 zu Erwägungsgrund 29; ***I Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge, KOM (2000) 275 – C5 – 0367/2000 – 2000/0115(COD), Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments (PE 298.409), S. 36, Änderungsantrag 29 zu Art. 49a (neu) sowie S. 37, Änderungsantrag 30 zu Art. 53 Abs. 1 lit. b. 6 Die Kommission sah die Einbeziehung sozialer Belange als eine Beschränkung des Binnenmarktes an, vgl. auch Knauff, EuZW 2004, S. 141, 143. 7 Vgl. dazu Prieß, Vergaberecht, S. 289. 8 Ein erster Versuch einer Erweiterung der sekundärrechtlich zugelassenen Ausschlusskriterien wurde im Herbst 1987 im Parlament unternommen. Durch eine Regelung in der LKR sollte es den mitgliedstaatlichen Auftraggebern erlaubt sein, Teilnehmer auszuschließen, die sich nicht an Rechtsvorschriften ihres Herkunftslandes zum Schutz von Frauen, Behinderten und Minderheiten hielten. Aufgrund der ablehnenden Haltung des Rates fand dieser Versuch allerdings keinen Eingang in die damals novellierte Fassung der Richtlinie. Vgl. zu weiteren Nachweisen: Benedict, Sekundärzwecke, S. 90 ff.; Kullack / Terner, ZfBR 2004, S. 244, 247. 9 Vgl. Gemeinsamer Standpunkt im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, Sitzungsdokument v. 27. 3. 2003, (11029/3/2002 – C5 – 0141/2003 – 2000/0115 (COD)), SEK (2003) 366, S. 20, Erwägungsgründe 44 Abs. 4.

I. Vergabekoordinierungsrichtlinie

231

schlagskriterien konnte das Parlament auch nicht durchsetzen, dass in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR die „Politik des Bieters gegenüber Personen mit einer Behinderung“ und die „Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den Bieter“ aufgeführt wurden 11. Die Vorschläge des Parlaments fanden meist kein Gehör, da diesem Organ im Gesetzgebungsverfahren lediglich die Möglichkeit der Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission und zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates zustand, nicht aber die Kompetenz, seine Vorstellungen gegenüber dem Rat, der letztlich die Richtlinie beschließt, durchzusetzen 12. Man konnte sich schließlich darauf einigen, dass die Vorgaben, die der EuGH bezüglich der Einbeziehung von Sekundärzwecken aufgestellt hat 13, berücksichtigt werden sollten 14. Mithin ist Grundlage der VKR auch die Rechtsprechung des EuGH 15. Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite der VKR liegt – soweit ersichtlich – noch nicht vor. Ob und inwiefern die VKR also einer Berücksichtigung von sozialen Belangen im Vergabeverfahren entgegensteht oder diese ermöglicht, kann nur beantwortet werden, wenn jene Regelungen der VKR dargestellt und analysiert werden, die dem Gestaltungs- und Entscheidungsermessen öffentlicher Auftraggeber im Interesse eines marktoffenen, diskriminierungsfreien Wettbewerbs Grenzen setzen. Darüber hinaus kann einerseits auf die Rechtsprechung des EuGH 16 die früheren Vergaberichtlinien 17 betreffend zurückgegriffen und andererseits kann aus einem Vergleich mit den früheren Richtlinien und den sich hieraus ergebenden Veränderungen ein Rückschluss auf die bestehende aktuelle Rechtslage gezogen werden. Die VKR enthält zum einen zwingende Vorgaben, die vom nationalen Gesetzgeber umzusetzen sind; zum anderen beschränkt sie sich auf die Eröffnung von Möglichkeiten durch „Kann-Regelungen“. Die für die Einbeziehung sozialer Belange wichtigen Artikel werden im Folgenden vor10

Vgl. Entwurf einer Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (11029/3/2002 – C5 – 0367/ 2000 – 2000/0115 (COD)), Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments v. 7. 5. 2003, PE 332.524, S. 18, Abänderungen 11 und 51 zu Art. 26a. 11 Stellungnahme der Kommission gem. Art. 251 Abs. 2 S. 3 lit. c. EGV zu den Abänderungen des Europäischen Parlamentsan dem gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge v. 14. 8. 2003, KOM (2003) 503 endg., S. 11 f. 12 Vgl. Art. 252 EGV. 13 Vgl. dazu oben Kapitel 3, V. 14 Vgl. Erwägungsgrund 1 VKR / SKR. 15 Vgl. Erwägungsgrund 1 VKR. 16 Siehe oben Kapitel 3, V. 17 Vgl. dazu oben Einleitung, Fn. 7 und Kapitel 2, Fn. 84.

232

Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

gestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Verwendung von sozialen Belangen auf einer Stufe des Vergabeverfahrens nicht zu einer Umgehung einer anderen Stufe führen darf 18.

2. Vergaberechtliche Grundsätze und Prinzipien Erwägungsgrund 2 VKR 19 zählt erschöpfend die für das öffentliche Auftragswesen geltenden Grundsätze auf. Danach sind bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen insbesondere die Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot, der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Grundsatz der Transparenz zu beachten 20. Art. 2 VKR betont dann auch, dass alle Teilnehmer durch den öffentlichen Auftraggeber gleich und nichtdiskriminierend zu behandeln sind und dass sie darüber hinaus in transparenter Weise vorzugehen haben. Der Reformprozess des europäischen Vergaberechts brachte eine markante Anhebung der Transparenzanforderungen mit sich. Dies kann als eine Art Kompensation für die Etablierung der sozialen Belange im Vergabeverfahren gesehen werden 21, da das Hauptargument gegen deren Einbeziehung in die Auftragsvergabe die mangelnde Transparenz und die Missbrauchsgefahr waren 22. Insofern ist auch nachvollziehbar, dass es für die Transparenz- und Publizitätsvorschriften in Art. 35 ff. VKR ein eigenes Kapitel gibt. Die Verpflichtung zur Transparenz bedeutet, dass alle Anforderungen, die an das Vergabeverfahren gestellt werden in den Verdingungsunterlagen so gefasst werden müssen, dass alle durchschnittlich fachkundigen Bieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen können und dass sich der Auftraggeber während des gesamten Verfahrens an diese Auslegung halten muss 23. Der Transparenzgrundsatz findet sich aber nicht nur in dem hierfür vorgesehenen Kapitel wieder, vielmehr ist er über die VKR verstreut anzufinden. Gemäß Art. 53 Abs. 2 S. 1 VKR sind die Auftraggeber verpflichtet anzugeben, wie die einzelnen Zuschlagskriterien gewichtet werden, um das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln. Diese Regelung geht zurück auf die Kritik, die bezüglich des beträchtlichen Ermessensspielraums der öffentlichen Auftraggeber bei der Angabe der Zuschlagskriterien lediglich in absteigender Folge geäußert wurde 24. Die Aufnahme dieser strikten Vorgaben für die Gewichtung der Kriterien in der 18 19 20 21 22 23

Prieß, Vergaberecht, S. 291. Vgl. auch Erwägungsgrund 9 der SKR. Vgl. dazu oben Kapitel 2, III. So auch Wiedmann, Vergabekriterien, S. 287; Kühling, VerwAch 2004, S. 337, 345. Vgl. zum Reformprozess oben, Fn. 3. Schima, NZBau 2002, S. 1, 7.

I. Vergabekoordinierungsrichtlinie

233

Zuschlagsphase entkräftet schließlich das Argument, dass öffentliche Auftraggeber durch eine überraschend unverhältnismäßig hohe Gewichtung möglicher sozialer Zuschlagskriterien das Vergabeverfahren manipulieren könnten. Außerdem wird durch die Gewichtung der Kriterien die Zuschlagsentscheidung für die Gerichte überprüfbar und mithin justiziabel gemacht 25.

3. Technische Spezifikationen gem. Art. 23 VKR Öffentliche Auftraggeber sollten, wo immer dies möglich ist, technische Spezifikationen 26 festlegen, die gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 VKR das Kriterium der Zugänglichkeit für Personen mit einer Behinderung oder der Konzeption für alle Benutzer berücksichtigen 27. Damit ist gemeint, dass bei der Konzipierung des öffentlichen Auftrags die Nutzbarkeit des Auftragsgegenstandes für die Allgemeinheit, insbesondere die Zugänglichkeit für Personen mit einer Behinderung, berücksichtigt werden soll 28. Mithin dient die behindertengerechte Beschaffung selbst schon der Erfüllung sozialpolitischer Zielsetzungen 29. Dabei sind die vergaberechtlichen Grundsätze 30 auch hier zu beachten und die technischen Spezifikationen sind klar festzulegen, so dass Transparenz herrscht und alle Bieter wissen, was die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers umfassen. Die in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen an den Auftragsgegenstand gefassten technischen Spezifikationen können nunmehr auch ausdrücklich gemäß Art. 23 Abs. 3 lit. b VKR Umwelteigenschaften umfassen 31. Konkretisiert wird dies durch Abs. 6, der auf die Spezifikationen in Umweltgütezeichen 32 verweist, wenn sich diese zur Definition der Merkmale der Waren oder Dienstleistungen eignen, die Gegenstand des Auftrags sind. Darüber hinaus nennt 24 Vgl. Kritik der Kommission, Vorschlag v. 10. 5. 2000 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge, KOM (2000), 275 endg., ABl. 2001, C 29 E, S. 11 ff., Rn. 6.2; Opitz, NZBau 2001, S. 12, 15; Wiedmann, Vergabekriterien, S. 287 m.w. N. 25 A. A.: Götz, EuR 1999, S. 621, 632; Heintzen, ZHR 165 (2001), S. 62, 73; Seidel, ZVgR 2000, S. 195, 199. 26 Dazu bereits oben Kapitel 3, III. 1. und 2. 27 Vgl. Ax / Schneider, in: Ax//Bischoff / Schneider, Regierungsentwürfe, Einf., S. 5; vgl. auch das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) zum barrierefreien Bauen sowie die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (BT-Drucks. 16/1385) zur Reform des Vergaberechts v. 17. 5. 2006, BT-Drucks 16/1503. 28 Wiedmann, Vergabekriterien, S. 283. 29 Meyer, N., Zielsetzungen, S. 71. 30 Siehe oben, 2. 31 Vgl. Beckmann, NZBau 2004, S. 600, 601. 32 Wie auch immer geartete „soziale Gütezeichen“ sind in der VKR nicht vorgesehen.

234

Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

Art. 23 Abs. 3 lit. a i.V. m. Anhang VI ausdrücklich auch „Produktionsprozesse und -methoden“ als technische Spezifikationen 33. Dabei stellt Erwägungsgrund 29 klar, dass hierzu auch bestimmte Produktionsmethoden mit Blick auf Umweltauswirkungen zählen. Allerdings sind gemäß Anhang VI Ziff. 1 der VKR nur solche Anforderungen und Vorgaben von Merkmalen technische Spezifikationen, die an eine Leistung, ein Erzeugnis oder ein Material selbst gestellt werden. Aus dem Wortlaut der VKR kann nicht entnommen werden, ob unter Produktionsprozess bzw. -methoden neben umweltbezogenen auch sozialpolitisch motivierte Anforderungen gefasst werden können. Teilweise wird dies bejaht, wenn es um den Einsatz von Langzeitarbeitslosen, Behinderten oder Frauen in Führungspositionen bei der Auftragsausführung geht oder diese sonst im Betrieb des Bieters eingesetzt werden sollen 34. Dies verkennt allerdings den Aufbau der VKR. Soziale Belange 35 werden ausschließlich im Zusammenhang der Ausführungsbedingungen in Art. 26 und Erwägungsgrund 33 VKR erwähnt 36. Mithin können Gegenstand einer technischen Spezifikation also nur der Produktionsprozess bzw. die Produktionsmethode sein. D. h. technische Spezifikationen dürfen soziale Konnotationen enthalten, die dazu dienen, ein Produkt oder eine Leistung zu beschreiben. Dies wäre z. B. der Fall, wenn öffentliche Auftraggeber sich dafür entscheiden, spezielle Informatikausrüstung für Blinde zu kaufen 37. Insofern könnten auch allgemeine umweltbezogene Erwägungen wie die Vorgabe einer bestimmten Produktionsquote umweltgerecht hergestellter Produkte 38 oder gar soziale Belange nicht über die technischen Spezifikationen ins Vergabeverfahren einbezogen werden.

4. Eignungskriterien Die Eignungskriterien werden in der VKR streng auftragsbezogen ausgestaltet 39. Die Eignungsprüfung 40 ist nach den in den Art. 47 bis 52 VKR genannten Kriterien der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der be33

Vgl. oben Kapitel 3, III. 1. Opitz, VergabeR 2004, S. 421, 429; Fischer, EuZW 2004, S. 492, 494. 35 Zu Erwägungsgrund 46 Abs. 4 VKR und der hier formulierten sozialen Anforderungen vgl. sogleich unten, 5. 36 So auch Ziekow, Beschaffungswesen, S. 38. 37 Vgl. KOM (2001) 566 endg. v. 15. 10. 2001, S. 9. 38 A. A. Leifer / Mißling, ZUR 2004, S. 266, 267. 39 Auf die Arbeitsschutz- und Arbeitsbedingungen soll im Folgenden nicht näher eingegangen werden, da diese einerseits keine Abweichung zu den Vorgängerregelungen aufweisen und andererseits keine neuen Möglichkeiten für die Berücksichtigungsfähigkeit von weitergehenden Kriterien im öffentlichen Auftragswesen eröffnen. 40 Vgl. oben Kapitel 1, III. 3. a) sowie Kapitel 3, III. 2. 34

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ruflichen und technischen Fachkunde durchzuführen. Ein Vergleich mit den vorhergehenden Richtlinien zeigt eine Ausweitung der Ausschlusskriterien im Hinblick auf die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität 41. In Art. 47 VKR sind die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit geregelt, die durch die in Abs. 1 genannten Nachweise belegt werden soll. Allerdings kann der Auftraggeber auch andere Nachweise gem. Abs. 4 fordern, sofern diese in der Aufforderung zur Angebotsabgabe oder in der Bekanntmachung angegeben sind. Der EuGH 42 hat noch zu den früheren Richtlinien entschieden, dass die bieterbezogenen Kriterien der Ausschlussgründe und Eignungsnachweise als abschließend anzusehen sind. Sofern andere Nachweise als die in der Richtlinie ausdrücklich genannten gefordert wurden, durften sie nur zum Nachweis der Leistungsfähigkeit dienen 43. So vertritt Fischer auch die Meinung, dass es sich bei den Eignungskriterien um durchweg bieterbezogene Kriterien handelt, die als abschließende Anforderungen an den Bieter zu verstehen sind, und deshalb böten sich auch nach Wortlaut und Systematik keine Möglichkeiten zur Verankerung vergabefremder Zwecke 44. Daran hat sich durch die Neuregelung in der VKR auch nichts geändert. Mithin ist es auf der Stufe der Eignungsprüfung weiterhin vor allem in Anbetracht des Art. 44 Abs. 2 S. 2 ausgeschlossen, Nachweise zu fordern, die anderen Zwecken dienen. Danach müssen die für einen bestimmten Auftrag aufgestellten Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängen und ihm angemessen sein. Dieses Konnexitätsgebot sah der EuGH explizit nur für die Zuschlagskriterien vor 45. Hier hat sich die Kommission mit ihrer schon 2001 vertretenen Ansicht, dass die Eignungskriterien keinen Raum für die Einbeziehung sozialer Gesichtspunkte lassen, durchgesetzt 46. Art. 48 VKR regelt die Voraussetzungen der technischen und / oder beruflichen Leistungsfähigkeit. Dabei findet Art. 44 Abs. 2 S. 2 VKR auch bei der Bewertung dieser Anwendung. Zu beachten ist allerdings, dass anders als bei Art. 47 Abs. 4 VKR gemäß Art. 48 Abs. 6 VKR nur das Verlangen der in Art. 48 Abs. 2 VKR genannten Nachweise erlaubt ist. Nach Art. 48 Abs. 2 lit. f. VKR kann zu den geforderten Nachweisen der technischen Leistungsfähigkeit „in den entsprechenden Fällen“ auch die Angabe von Umweltmanagementmaßnahmen 47 gehören. Insofern ist hier die Regelung für umweltbezogene Belange von Be41

Vgl. Art. 45 VKR, Art. 54 SKR; zur Entstehung: Opitz, NZBau 2003, 183, 194. EuGH, Urt. v. 3. 6. 1992, Rs. C-360/89, Slg., S. I-3401, Rn. 20 – Kommission / Italien; EuGH, Urt. v. 26. 4. 1994, Rs. 272/91, Slg., S. I-1409, Rn. 35 – Kommission / Italien. 43 EuGH, Urt. v. 10. 2. 1982, Rs. 76/81, Slg., S. 417, Rn. 9, 15 – Transporoute. 44 Vgl. Fischer, EuZW 2004, 492 f. 45 Vgl. dazu oben Kapitel 3, V. 3. und 4. 46 Vgl. KOM (2001) 566 endg., S. 10 f. 47 Näheres in Art. 50 VKR. 42

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

deutung, aber auch darauf begrenzt. Entscheidend ist hierbei, dass es sich um Umweltmanagementsysteme handelt, die der Bieter bei der Ausführung des Auftrags anwenden will 48. Sollte der Auftrag besondere „soziale“ Fachkenntnisse erfordern, kann es auch zulässig sein, besondere Erfahrungen als Eignungskriterium und als Nachweis der „technischen“ Fachkenntnisse zu verlangen, die zur Prüfung der Eignung der Bieter dienen 49. Konkret könnte dies bei der Ausschreibung von Integrationskursen für Frauen sein, die im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland gekommen sind. Hier könnte daran gedacht werden, dass es nicht nur um die Vermittlung von Deutschkenntnissen geht, sondern ein entsprechender Erfahrungsschatz an Integrationsarbeit in der Leistungsbeschreibung verlangt wird. Mithin sind die Möglichkeiten, soziale Belange über Eignungskriterien, die nicht technischer Natur sind in das Vergabeverfahren einzubeziehen nicht gegeben.

5. Zuschlagskriterien Die Struktur der Zuschlagskriterien wird in der VKR im Wesentlichen beibehalten. Danach hat der Zuschlag entweder auf das wirtschaftlich günstigste Angebot oder den niedrigsten Preis zu erfolgen 50. Ob soziale Belange bei der Zuschlagserteilung berücksichtigt werden können, kann sich nur aus Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR ergeben. Die Ausgestaltung des Zuschlags auf das wirtschaftlich günstigste Angebot folgt den Grundsätzen, wie sie der EuGH 51 in seiner Rechtsprechung vor Inkrafttreten der VKR entwickelt hatte. Die einzelnen Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung 52 müssen gemäß Art. 53 Abs. 2 VKR in der Bekanntmachung, in den Verdingungsunterlagen oder in der Beschreibung angegeben sein. Entscheidet sich der Auftraggeber für die Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlich günstigste Gebot 53, so kann er nach Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR verschiedene mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängende Kriterien anwenden, beispielsweise die Ästhetik oder nunmehr auch ausdrücklich die Umwelteigenschaften. Insbesondere die Erweiterung auf das Kriterium „Umwelteigenschaften“ geht dabei auf die Rechtsprechung des EuGH in Sachen „Concordia Bus Finland“ 54 zurück. Mithin kann das Kriterium „Umwelteigenschaften“ im Rahmen der Zuschlagserteilung berücksichtigt werden. Soziale Belange werden in der Aufzählung des Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR nicht genannt. 48 49 50 51 52 53 54

Vgl. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 36 m.w. N. So auch schon die Kommission in KOM (2001) 566 endg., S. 13. Vgl. oben Kapitel 1, III. 3. b), Kapitel 3, III. 3. sowie Kapitel 4, II. 1. b) cc). Vgl. oben Kapitel 3, V. Dazu mehr Braun / Kappenmann, NZBau 2006, S. 544, 546. Vgl. so auch § 97 Abs. 5 GWB. Siehe oben Kapitel 3, V. 3.

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Allerdings ist diese Aufzählung nur beispielhaft, so dass weiterhin denkbar wäre, dass auch soziale Belange in die Phase der Zuschlagserteilung einbezogen werden könnten, wenn sie das Konnexitätserfordernis erfüllen 55. Die einbezogenen Kriterien müssen also der Auftragserfüllung dienen und dürfen nicht hiervon losgelöst sein. In Erwägungsgrund 46 Abs. 4 VKR ist zwar hervorgehoben, dass unter diesen Voraussetzungen ein öffentlicher Auftraggeber auch soziale Anforderungen anwenden kann. Allerdings wird gleichzeitig deutlich gemacht, dass diese insbesondere den – in den vertraglichen Spezifikationen festgelegten – Bedürfnissen besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen entsprechen, denen die Nutznießer bzw. Nutzer der Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen angehören 56. Mit der Betonung des erforderlichen Konnexes von konkretem Auftrag und Zuschlagskriterien sind aber Restriktionen für die Verfolgung von sozialen Belangen verbunden 57. Nach Erwägungsgrund 46 wäre es also nur möglich solche sozialen Belange als Zuschlagskriterien zu berücksichtigen, die die technischen Spezifikationen näher ausführen bzw. bestimmen. So subsumiert die Kommission unter „Sozialkriterium“ ein Merkmal, das beispielsweise ermöglicht, die Qualität einer Dienstleistung, die für eine bestimmte Gruppe benachteiligter Personen bestimmt ist zu bewerten und erachtet dieses als insoweit zulässig 58. So könnten Menschen mit Behinderungen auf der Stufe der Zuschlagserteilung nur in der Konkretisierung der technischen Spezifikationen als Nutznießer der zu erstellenden bzw. zu erbringenden Leistung Berücksichtigung finden. Konkret bedeutet dies, dass wenn ein öffentlicher Auftraggeber 55 Das Konnexitätserfordernis und die Formulierung in Art. 53 „für den Auftraggeber“ stellt einen Kompromiss zwischen den ursprünglichen Formulierungen des Rates und der Kommission dar. Das Europäische Parlament wollte die Wirtschaftlichkeit überhaupt nicht auf den Auftraggeber beziehen, so dass die Maßgeblichkeit einer makroökonomischen Wirtschaftlichkeit bzw. das Einbringen von sozialen Belangen im Allgemeinen denkbar gewesen wäre, vgl. Stellungnahme der Kommission gem. Art. 251 Abs. 2 S. 3 lit. c. EGV zu den Abänderungen des Europäischen Parlamentsan den gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge v. 14. 8. 2003, KOM (2003) 503 endg., S. 11f.; vgl. auch Ollmann, VergabeR 2008, S. 447, 451. 56 Vgl. dazu oben, 3; vgl. auch Ollmann, VergabeR 2008, S. 447, 451. 57 Anders Wiedmann, Vergabekriterium, S. 277, nach der die Formulierung in Erwägungsgrund 46 VKR ambivalent ist und eher den Anschein erweckt als wären „soziale Zuschlagskriterien“ im Vergabeverfahren zulässig. Allerdings könne der EuGH auf eine „a maiore ad minus-Argumentation“ gestützt die Berücksichtigung sozialer Zuschlagskriterien herausarbeiten: „Wenn sogar die Berücksichtigung sozialer Aspekte mit absoluter Ausschlusswirkung (so beurteilt Wiedmann die Wirkung der Ausführungsbedingungen) sachgerecht und gemeinschaftsrechtlich zulässig sein soll, dann muss dies erst recht für eine etwaige Berücksichtigung sozialer Aspekte mit relativer Ausschlusswirkung gelten.“, vgl. S. 280. Für eine definitive Klärung müsste dies allerdings vor dem EuGH ausgefochten werden, vgl. auch unten, 7. 58 KOM (2001) 566 endg., S. 15.

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einen Behördenbau tätigen lassen will, in der Zuschlagsphase berücksichtigen kann, dass auch Menschen mit Behinderungen zu den Nutznießern bzw. Nutzern des Gebäudes gehören werden und deshalb entsprechende bauliche Voraussetzungen für Zugänge ermöglicht werden. Dies sind aber keine sozialen Belange wie sie hier definiert werden 59, sondern stellen lediglich eine Verlängerung der technischen Spezifikationen in die Phase Zuschlagserteilung dar. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat sich bewusst nicht für die Einbeziehung sozialer Belange in der Zuschlagsphase entschieden. So konnte sich der Vorschlag des Europäischen Parlaments, die „Politik der Bieterunternehmen gegenüber Personen mit einer Behinderung“ 60 als Zuschlagskriterium zu verankern, nicht durchsetzen. Mithin ist die Berücksichtigung sozialer Belange, wie sie hier definiert werden bei der Zuschlagserteilung nicht möglich.

6. Sonderregelung „Vorbehaltene Aufträge“ In Art. 19 VKR offenbart sich eine Sonderregelung 61, bei deren systematischer Stellung sowie teleologischer Ausrichtung es sich um eine Restriktion der Eignungskriterien handelt. Nach Art. 19 können „im Rahmen von Programmen für geschützte Beschäftigungsverhältnisse vorgesehen werden, dass nur geschützte Werkstätten an den Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge teilnehmen oder solche Aufträge ausführen dürfen, sofern die Mehrheit der Arbeitnehmer Behinderte sind, die aufgrund der Art und Schwere ihrer Behinderung keine Berufstätigkeit unter normalen Bedingungen ausüben können“. Seine Rechtfertigung findet Art. 19 letztlich in dem Umstand, dass angesichts der tatsächlich und wirtschaftlich beschränkten Möglichkeiten geschützter Werkstätten, erst die Beschränkung des Teilnehmerkreises im Rahmen des Vergabeverfahrens deren Teilnahme am Wettbewerb ermöglicht. Ein solcher „Vorbehalt“ findet dann seine Legitimation auch in den sozialen Zielprojektionen der Art. 3 Abs. 1 lit. j sowie der Art. 136 ff. EGV. Eine entsprechende Regelung findet sich im deutschen Recht in § 141 SGB IX 62.

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Vgl. oben Kapitel 3, VI. Europäisches Parlament, Zweite Lesung, P5_TA-Prov (2003) 0312 v. 2. 7. 2003. 61 Auf Art. 34 VKR, der den sozialen Wohnungsbau betrifft, soll hier nicht näher eingegangen werden. 62 Vgl. dazu oben Kapitel 3, IV. 4. c). 60

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7. Die sozialgestalterische Generalnorm a) Entstehung des Art. 26 VKR Von besonderer Bedeutung für die Einbeziehung sozialer Belange ist die Regelung des Art. 26 VKR. Nach dem das Europäische Parlament gegen den Rat und die Kommission im Gesetzgebungsprozess der VKR seine Absicht, soziale Belange als Zuschlagskriterien zu verankern, nicht durchsetzen konnte schwenkte es darauf um, diese als Ausführungsbedingungen nach Zuschlagserteilung einzubeziehen 63. Der EuGH hatte zuvor die von der Kommission und dem Generalanwalt Alber in seinen Schlussanträgen in der Sache „Nord-PasDe-Calais“ vorgenommene Deutung der besonderen zusätzlichen Kriterien als Ausführungskriterien deutlich zurückgewiesen 64. Insofern stellt Art. 26 VKR eine Art „Korrektur“ dieser Rechtsprechung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber dar, indem neben Eignungs- und Zuschlagskriterien eine dritte Kategorie der zusätzlichen Bedingungen für die Auftragsausführung geschaffen wurde 65. Ausführungsbedingungen sind vertragliche Bestimmungen über die Art und Weise der Ausführung des Auftrags 66. Ausführungsbedingungen sind keine Zuschlagskriterien 67, so dass Bedingungen für die Auftragserteilung ohne Bezug zur Erfüllungsleistung des Auftragnehmers nicht davon erfasst sind 68. Sie müssen wegen des Transparenzgrundsatzes, obwohl sie erst nach der Zuschlagserteilung vereinbart werden, schon in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sein und die EG-Grundfreiheiten sowie das Diskriminierungsverbot beachten 69. Nach Wiedmann 70 ähneln Ausführungsbedingungen in ihrer Wirkung den leistungsbeschreibenden Spezifikationen, da sie ebenso zu Beginn des Vergabeverfahrens mit ihrer Selektion ansetzen würden. Insofern würden soziale Belange in Gestalt von Ausführungsbedingungen eine absolute Ausschlusswirkung entfalten und gleich zu Beginn den Kreis der Bieterunternehmen verkleinern. Damit wären sie in ihrer Wirkung sogar stärker als Zuschlagskriterien, so dass die Einschränkungen bei den Zuschlagskriterien 71 an praktischem Wert verlieren würden 72. Anders 63 Damit folgt das Europäische Parlament der Ansicht der Kommission, die diese schon in ihrer Interpretierenden Mitteilung zu der Berücksichtigung sozialer Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeführt hatte, vgl. KOM (2001) 566 endg., S. 2 ff. 64 Vgl. oben Kapitel 3, V. 2.; vgl. Schima, NZBau 2002, S. 1, 5. 65 So auch Ziekow, in: Pitschas / Ziekow, Wandeln, S. 151, 167; anders Gurlit, in: Koreuber / Mager, Gleichberechtigung, S. 153, 165, nach der sich Art. 26 der Rechtsprechung des EuGH in Sachen „Beentjes“ verdankt. 66 Vgl. oben Kapitel 3, III., 4.; Arnould, PPLR. 2004, S. 187, 189. 67 Anders sieht dies Mader, EuZW 2004, S. 425, 428. 68 Kullack / Terner, ZfBR 2004, S. 244, 248. 69 Vgl. Dageförde / Dross, NVwZ 2005, S. 19, 24. 70 Wiedmann, Vergabekriterien, S. 278. 71 Siehe oben, 5.

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

beurteilt dies Ziekow 73, nach dem die Verknüpfung von zusätzlichen Bedingungen mit der Ausführung des Auftrags massive Folgen für die Zulässigkeit zusätzlicher Bedingungen hat. Dies würde zu einer deutlichen Restriktion gegenüber der durch die Rechtsprechung des EuGH aufgebauten Position führen und betriebsbezogene Anforderungen sozialpolitischer Art könnten grundsätzlich im Vergabeverfahren keine Berücksichtigung mehr finden, es sei denn, sie wirkten sich gerade bei der Ausführung des betreffenden Auftrags aus 74. Dies sah auch der Ausschuss der Regionen so, der in seiner Stellungnahme zu den Kommissionsvorschlägen erkannte und kritisierte, dass die Regelung zu einer deutlichen Restriktion gegenüber der durch die Rechtsprechung des EuGH aufgebauten Position bzgl. sozialer Belange führe 75. Prieß will Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR und Art. 26 VKR miteinander in Einklang bringen 76. Ihm erscheint insofern die Lösung vorzugswürdig Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR den Vorrang gegenüber Art. 26 VKR einzuräumen und damit nur Vertragsbedingungen zuzulassen, die auch hypothetisch als Zuschlagskriterien denkbar wären 77. Eine solche hierarchische Herangehensweise lässt sich aber weder dem Wortlaut der Normen noch den Erwägungsgründen der VKR entnehmen. Mithin gelten beide Normen auf verschiedenen Stufen des Vergabeverfahrens gleichberechtigt nebeneinander. Allerdings ist bei der Einbeziehung sozialer Belange immer darauf zu achten, dass deren Formulierung nicht eine vorhergehende oder folgende Ebene des Vergabeverfahrens aushebelt. b) Spektrum des Art. 26 VKR „Die öffentlichen Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Erwägungen betreffen“(Art. 26 VKR) 78. Aus dem Wortlaut kann man zunächst nur entnehmen, dass „zusätzliche Bedingungen“ bei der Auftragsausführung grundsätzlich Berücksichtigung finden dürfen, soweit sie mit dem Primärrecht übereinstimmen und dem Transparenzge72

So auch Rechten, NZBau, S. 366, 369. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 39. 74 Ziekow, a.a. O., S. 39, 40. 75 Stellungnahme des Ausschusses der Regionen, EU ABl. 2001 C144, S. 23, Rn. 2.7.1. ff. 76 Prieß, Vergaberecht, S. 290. 77 Ebenda; vgl. auch im Ergebnis Kullack / Terner, ZfBR 2004, S. 244, 248, die auch für Auftragsausführungsbedingungen entgegen dem Wortlaut des Art. 26 VKR eine Auftragsbezogenheit verlangen. 78 Vgl. identischer Wortlaut in Art. 38 SKR. 73

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bot entsprechen 79. Die systematische Einordnung 80 der einzelnen Artikel in der VKR lässt darauf schließen, dass es sich bei den „zusätzlichen Bedingungen“ weder um Eignungs- noch um Zuschlagskriterien handelt, sondern um Vertragsbedingungen, die bei der Ausführung des Auftrags Berücksichtigung finden sollen 81. Nunmehr hat der europäische Gesetzgeber also eine strikte Dreiteilung in Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie in zusätzliche Bedingungen für die Auftragsausführung vorgenommen 82. Einige Stimmen in der Literatur gehen aber davon aus, dass diese Dreiteilung nicht abschließender Natur und es nicht erkennbar sei, dass die vom EuGH zu den früheren Vergaberichtlinien entwickelten Voraussetzungen für eine zulässige Kategorie der besonderen zusätzlichen Bedingungen durch die aktuellen Richtlinien beseitigt werden sollte 83. Ausführungsbedingungen werden als Vertragsbedingungen in den Beschaffungsprozess eingeführt, worauf in der Auftragsbekanntmachung bzw. den Verdingungsordnungen hinzuweisen ist. Der Bieter sollte sich bei Einreichung des Angebots zur Einhaltung der Vertragsbedingungen verpflichten. Unterlässt der Bieter die Abgabe einer solchen Erklärung, so ist er auszuschließen 84. Zwar wurden erst durch die europäische Vergaberechtsreform die Bestimmungen über die Möglichkeiten zur Verfolgung sozialpolitischer Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ausdrücklich fixiert. Jedoch lässt sich dem Wortlaut der Formulierungen in Art. 26 VKR nicht entnehmen, was unter „sozialen Anforderungen“ im Einzelnen zu verstehen ist. Dies versucht dann Erwägungsgrund 33 VKR näher zu erhellen. Danach sind zunächst solche „Bedingungen zur Ausführung des Auftrags mit der Richtlinie vereinbar, sofern sie nicht unmittelbar oder mittelbar zu einer Diskriminierung führen und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen zwingend angegeben sind“. Sie können insbesondere dem Ziel dienen, die berufliche Ausbildung auf Baustellen sowie die Beschäftigung von Personen zu fördern, deren Eingliederung besondere Schwierigkeiten bereitet, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen oder die Umwelt zu schützen. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die – für die Ausführung des Auftrags geltenden – Verpflichtungen zu nennen, Langzeitarbeitslose einzustellen oder Ausbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer oder Jugendliche durchzuführen, oder die Bestimmungen der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 85, für den Fall, dass diese nicht im in79

Vgl. auch Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 129. Vgl. Überschrift Kapitel IV der VKR (Art. 23 – 27) „Besondere Vorschriften über die Verdingungsunterlagen und die Auftragsunterlagen“. 81 Keßler / Ölcüm, EWS 2004, 337, 342. 82 Ziekow, Beschaffungswesen, S. 39, 40. 83 Losch, Vergaberecht, S. 141. 84 Dies könnte gemäß § 2 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL / A erfolgen. 85 Diese werden in Anhang XXIIII SKR genannt. 80

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

nerstaatlichen Recht umgesetzt worden sind, im Wesentlichen einzuhalten oder ein Kontingent von behinderten Personen einzustellen, das über dem nach dem nationalen Recht vorgeschriebenen Kontingent liegt. Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in Art. 26 VKR kann geschlossen werden, dass auch andere Aspekte zum Gegenstand einer Ausführungsbedingung gemacht werden können, wenn sie mit den von den Erwägungsgründen vorgegebenen Zielen im Einklang stehen 86. Dies ist bei solchen Zielen der Fall, die im Wesentlichen der „Beschäftigungsförderung“ und der „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ dienen. Nach der Verankerung in Art. 26 VKR und Art. 38 SKR und damit der ausdrücklichen Erwähnung im Richtlinientext kann heute nicht mehr vertreten werden, dass grundsätzlich systematische, teleologische oder historische Gründe gegen die Berücksichtigung sozialer Belange im Rahmen nationaler Kriterien im Bereich der Auftragsbedingungen sprechen würden 87. Die Formulierung in Art. 26 VKR sollte nunmehr dafür genutzt werden, soziale Belange stärker im öffentlichen Auftragswesen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings noch nicht ganz eindeutig, ob Art. 26 VKR abschließender Natur bezüglich der Einbeziehung sozialer Belange ist. Nach Erwägungsgrund 1 VKR beruht die VKR auf der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu den Zuschlagskriterien, wodurch klargestellt werde, welche Möglichkeiten die öffentlichen Auftraggeber haben, auf Bedürfnisse der betroffenen Allgemeinheit, einschließlich im sozialen Bereich, einzugehen. Diese Formulierung ging erst durch den Vermittlungsausschuss von Rat und Parlament 88. Der Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH könnte die Einbeziehung sozialer Belange auch als zusätzliches Kriterium oder als Zuschlagskriterium offen halten 89. Die Bedürfnisse der betroffenen Allgemeinheit beziehen sich aber wohl eher auf die Bedürfnisse der Nutzer. Zudem werden soziale Belange weder als Eignungs- noch als Zuschlagskriterium direkt genannt 90. Auch konnten sich im Gesetzgebungsverfahren verschiedene Vorschläge zur weitergehenden Einbeziehung sozialer Belange nicht durchsetzen 91. All dies würde für eine abschließende Regelung der sozialen Belange durch Art. 26 VKR sprechen. Noch ist Art. 26 VKR allerdings nicht ins nationale Recht transformiert. Allerdings liegt inzwischen ein Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts 92 vor 93. Darin sieht das federführende Ministerium die 86 87 88 89 90 91

Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 129 f.; Fischer, EuZW 2004, S. 492, 494. Vgl. Dobmann, Tariftreueerklärungen, S. 130. Vgl. Ollmann, VergabeR 2008, S. 447, 452. Ebenda. Vgl. oben, 4. und 5. Vgl. bereits oben, I. 1.

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Aufnahme des Art. 26 VKR – wenn auch mit einer Erweiterung – im Rahmen des § 97 Abs. 4 GWB als Satz 2 vor 94. c) Wirkung des Art. 26 VKR im deutschen Recht Solange Art. 26 VKR noch nicht transformiert ist, kann er Wirkungen für nationale Auftraggeber nur im Wege der unmittelbaren Anwendbarkeit oder vermittels einer richtlinienkonformen Auslegung entfalten 95. aa) Unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 26 VKR Fraglich ist daher zunächst, ob Art. 26 VKR im deutschen Recht auch ohne Umsetzung zur Anwendung kommen kann 96. Dazu müsste die Regelung unmittelbar anwendbar sein. Dies beinhaltet die Möglichkeit des Einzelnen, sich vor innerstaatlichen Behörden oder Gerichten auf Richtlinienbestimmungen zu berufen oder umgekehrt die Verpflichtung jener, zu deren Anwendung verpflichtet zu sein 97. Dies setzt zunächst voraus, dass die Umsetzungsfrist ohne vollständige mitgliedstaatliche Implementation abgelaufen ist 98. Hinsichtlich Art. 26 VKR ist diese Voraussetzung seit 1. 2. 2006 erfüllt, da sie nicht umgesetzt wurde. Des Weiteren müsste Art. 26 VKR inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen. Hinreichend genau ist eine Richtlinienbestimmung nur dann gefasst, wenn sie bestimmt formulierte und eindeutige Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aufstellt 99. Dabei reicht es, wenn die Bestimmung konkrete Maßnahmen vorschreibt und nicht nur allgemeine Ziele absteckt 100. Art. 26 S. 2 VKR formuliert, dass öffentliche Auftraggeber zusätzliche Bedingungen sozialer oder umweltbezogener Art für die Auftragsausführung vorschreiben können, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Dadurch konkretisiert Art. 26 92 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts, BTDrucks. 16/10117 v. 13. 8. 2008. 93 Dazu sogleich unten, II. 94 Vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. b des Gesetzsentwurfs der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts, BT-Drucks. 16/10117 v. 13. 8. 2008. 95 Ziekow, Beschaffungswesen, S. 46. 96 Ax / Telian / Terschüren, ZfBR 2006, S. 123, 124, lehnen die unmittelbare Wirkung der Art. 26 VKR ohne weitere Prüfung ab, da es sich um eine Kann-Regelung handele. 97 Müller-Wrede, VergabeR 2005, S. 693, 694. 98 Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rn. 107 m.w. N. 99 EuGH, Urt. v. 23. 2. 1994, Rs. C-236/92, Slg., S. I-483, Rn. 12, 14 – Comitato di coordinamento. 100 EuGH, siehe vorige Fn. 97; vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rn. 108.

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

Abs. 2 VKR die zusätzlichen Bedingungen hinreichend. Einerseits dahingehend in welchem Rahmen öffentliche Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Auftragsausführung vorschreiben dürfen und andererseits, welcher Art diese zusätzlichen Bedingungen sein dürfen. Eine Richtlinienbestimmung ist unbedingt, wenn sie weder mit einem Vorbehalt noch einer Bedingung versehen ist und ihrem Wesen nach keiner weiteren Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf 101. Räumt die Richtlinie den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Wahl zwischen verschiedenen Optionen ein, so ist Unbedingtheit nicht gegeben, außer die Richtlinie will trotz der Wahlmöglichkeiten einen Mindeststandard gewährleisten 102. Dies wäre dann der Fall, wenn Regelungen der Richtlinien nur ein Instrument für den nationalen Gesetzgeber sind, dessen Übernahme diesem freisteht 103. Allerdings ist dies bei Art. 26 VKR gerade nicht der Fall, da hier der Regelungsadressat „öffentliche Auftraggeber“ sind. Nur diese werden ermächtigt, zusätzliche Ausführungsbedingungen vorzuschreiben, ohne dadurch gegen die Richtlinie zu verstoßen 104. Mithin ist davon auszugehen, dass die die öffentlichen Auftraggeber unmittelbar ansprechenden Vorschriften der Richtlinie als von den Mitgliedstaaten umzusetzende Standards zu verstehen sind 105. Also ist Art. 26 VKR sowohl hinreichend genau als auch unbedingt formuliert. Somit liegen die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendung des Art. 26 VKR gemäß Art. 249 EGV vor. Dem könnte aber entgegenstehen, dass es sich bei Art. 26 VKR um keine Norm handelt, die den Einzelnen begünstigt. Der Sinn einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinienbestimmungen ist, dass sich der zur Umsetzung verpflichtete Mitgliedstaat nicht auf sein eigenes Untätigbleiben berufen dürfen soll, wenn der Einzelne vor Gerichten oder Behörden eine Anwendung der Richtlinienbestimmung einfordert 106. Zwar ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass ein Privater 107 (z. B. ein Soziales Unternehmen 108) fordert, dass soziale Belange als Ausführungsbedingungen aufgenommen werden. Jedoch steht im Vordergrund eher, dass sich ein öffentlicher Auftraggeber gegenüber potentiellen Auftragnehmern auf Art. 26 VKR stützen will. Allerdings setzt die unmittelbare Wirkung 101

EuGH, Urt. v. 4. 12. 1974, Rs. 41/74, Slg., S. 1337, Rn. 13 f. – van Duyn; Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rn. 109. 102 Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rn. 109 m.w. N. 103 Vgl. zu solchen Regelungsoptionen: Art. 19, Art. 29, Art. 32 VKR, die allesamt die Mitgliedstaaten als solches adressieren. 104 Vgl. auch Erwägungsgrund 33 der VKR. 105 Vgl. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 48 m.w. N. 106 Ebenda. 107 Entgegen der Meinung von Ziekow, Beschaffungswesen, S. 48. 108 Vgl. oben Kapitel 1, II.

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einer Richtlinienbestimmung im Sinne des Art. 249 EGV gerade nicht mehr voraus, dass diese dem Einzelnen ein subjektives Recht einräumt 109. Hieraus zu folgern, die Berücksichtigung sozialer Belange sei unmittelbar auf Art. 26 VKR zu stützen, wäre allerdings verfrüht und nicht sachgerecht. Im Vergaberecht spielt das Problem der Doppelwirkung in mehrpoligen Rechtverhältnissen 110 eine besondere Rolle. Beruft sich ein Verfahrensteilnehmer gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber auf die ihn begünstigende unmittelbare Anwendung, so verschlechtert sich regelmäßig die Wettbewerbsstellung der Konkurrenten 111. Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die unmittelbare Wirkung nicht entfällt, wenn Einzelne lediglich mittelbar faktisch, insbesondere „wirtschaftlich“ belastet werden 112. Die Berücksichtigung sozialer Belange kann für den einzelnen einen Grundrechtseingriff darstellen 113. Es handelt sich insofern nicht lediglich um bloße negative Auswirkungen auf Rechte Dritter, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung der Umsetzungsverpflichtung stehen. Die vorrangige Berücksichtigung eines Bieters aufgrund eines sozialen Belangs wirkt sich unmittelbar auf die Grundrechte eines anderen Bieters aus und hat somit dadurch, dass ein anderer den Zuschlag erhält, eine belastende Wirkung. Aus diesem Grunde ist davon abzuraten, die Einbeziehung sozialer Belange auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 26 VKR zu stützen 114. bb) Richtlinienkonforme Auslegung am Maßstab des Art. 26 VKR Eine Anwendbarkeit des Art. 26 VKR und damit die Berücksichtigung sozialer Belange im deutschen Recht könnte sich aber aus einer richtlinienkonformen Auslegung der § 9 Nr. 3 Abs. 2 VOL / A und § 10 Nr. Abs. 2 VOB / A ergeben. Das Fehlen der Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendbarkeit steht der richtlinienkonformen Auslegung nicht entgegen 115. Nach ständiger Rechtsprechung 116 des EuGH sind mitgliedstaatliche Vorschriften im Lichte des Wortlauts 109 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 8. 1995, Rs. C-431/92, Slg., S. I-2189, Rn. 24 f., 40 – Großkrotzenburg; EuGH, Urt. v. 16. 9. 1999, Rs. C-435/97, Slg., S. I-5613, Rn. 68 – WWF / Provinz; EuGH, Urt. v. 23. 2. 1994, Rs. C-232/92, Slg., S. I-483, Rn. 8 ff. – Comitato di coordinamento; Schroeder, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 249 EGV, Rn. 110. 110 Richtlinienwirkung in Dreiecksverhältnissen. 111 Müller-Wrede, VergabeR 2005, S. 693, 695 m.w. N. 112 EuGH, Urt. v. 26. 8. 2000, Rs. C-443/98, Slg., S. 7535 – Unilever; EuGH, Urt. v. 7. 1. 2004, Rs. 201/02, Slg., S. 723 – Wells. 113 Vgl. dazu oben Kapitel 4, II, 2.2. 114 So im Ergebnis auch Ziekow, Beschaffungswesen, S. 49. 115 Vgl. Ziekow, Beschaffungswesen, S. 49. 116 EuGH, Urt. v. 14. 10. 1976, Rs. 29/76, Slg., S. 657, 666 – LTO / Eurocontrol, EuGH, Urt. v. 4. 2. 1988, Rs. 157/86, Slg., S. 673, 690 – Murphy u. a. / Telecom Eireann; EuGH,

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und Zwecks einer Richtlinie auszulegen. Dabei ist zu beachten, dass die richtlinienkonforme Auslegung schon aus Gründen der Rechtssicherheit und dem damit zusammenhängenden Rückwirkungsverbot nicht dazu führen darf, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Einzelnen über das in den nationalen Vorschriften bestimmte Maß hinaus festgelegt oder verschärft wird 117. Allerdings können und dürfen sich durch die richtlinienkonforme Auslegung Belastungen für den Einzelnen ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn das Rückwirkungsverbot durch die richtlinienkonforme Auslegung nicht berührt wird. Eine richtlinienkonforme Auslegung kommt für § 9 Nr. 3 Abs. 2 VOL / A sowie für § 10 Nr. 2 Abs. 2 VOB / A in Betracht. Danach sind für die Erfordernisse des Einzelfalls die allgemeinen Vertragsbedingungen und etwaige zusätzliche Vertragsbedingungen durch besondere Vertragsbedingungen zu ergänzen, sofern diese in den Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehen sind. Allerdings handelt es sich bei der Voraussetzung, dass die zu ergänzende besondere Vertragsbedingung in den Allgemeinen Vertragsbedingungen geregelt ist, um eine Soll-Vorschrift 118. Insofern können in Ausnahmefällen auch solche Besonderen Vertragsbedingungen vereinbart werden, die nicht in den Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehen sind. Wegen dieser ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit in § 9 Nr. 2 Abs. 2 VOL / A sowie in § 10 Nr. 2 Abs. 2 VOB / A zur Einbeziehung weiterer Vertragsbeziehungen verstößt eine den Regelungsgehalt des Art. 26 VKR zur Geltung bringende richtlinienkonforme Auslegung der genannten nationalen Bestimmungen nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Zudem müssen gemäß Art. 26 VKR die zusätzlichen Ausführungsbedingungen ohnedies in den Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung angegeben werden. Mithin kann die Anwendung des Art. 26 VKR durch eine richtlinienkonforme Auslegung der § 9 Nr. 3 Abs. 2 VOL / A sowie § 10 Nr. 2 Abs. 2 VOB / A für Aufträge, die die Schwellenwerte übersteigen, erfolgen. d) Zwischenergebnis Von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 26 VKR im deutschen Recht ist abzusehen. Hingegen kann eine richtlinienkonforme Auslegung der § 9 Nr. 2 Abs. 2 VOL / A und § 10 Nr. 2 Abs. 2 VOB / A die Anwendbarkeit des Regelungsinhalts des Art. 26 VKR und somit die Einbeziehung sozialer Belange als Ausführungsbedingungen für deutsche Auftraggeber für den Oberschwellenbereich vermitteln. Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 31/87, NVwZ 1990, S. 353 ff. – Beentjes; EuGH, Urt. v. 17. 9. 1997, Slg., S. I-4961, 4997 f.; Brechmann, Auslegung, S. 31 f.; Ress, DÖV 1994, S. 489,490. 117 Vgl. EuGH, Urt. v. 8. 10. 1987, Slg., S. 3969, 3982, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 26. 9. 1996, Rs. C-168/95, Slg., S. I-4705, Rn. 42. 118 Vgl. die Formulierung in § 10 Nr. 2 Abs. 2 S. 2 VOB / A sowie § 9 Nr. 3 Abs. 2 S. 2 VOL / A.

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8. Ergebnis Durch die VKR hat der Gemeinschaftsgesetzgeber quasi ein 3-Phasenmodell für das Vergabeverfahren geschaffen. In der ersten Phase geht es um das Verhalten des Bieters vor dem Angebot (Technische Spezifikationen, Eignungskriterien), in der zweiten Phase geht es um die Entwicklung der Leistungsperspektive im Angebot (Zuschlagskriterien) und in der dritten Phase schließlich geht es um die Erbringung der Leistung nach dem Zuschlag 119. Die Berücksichtigung sozialer Belange wurde insbesondere durch Art. 19 bezüglich vorbehaltener Aufträge sowie durch die sozialgestalterische Generalnorm des Art. 26 VKR auf breiter Ebene positivrechtlich verankert und damit offiziell legitimiert 120. Damit ermöglicht die Gemeinschaft sozialpolitisch motivierte Auftragsvergabe und gibt den öffentlichen Auftraggebern mehr Gestaltungsfreiheit und Flexibilität. Der innergemeinschaftliche Wettbewerb und die soziale Dimension der Gemeinschaft bilden zumindest im Vergaberecht kein Exklusivitätsverhältnis mehr. Soziale Belange können also im Rahmen der VKR lediglich im Rahmen der vorgegebenen Kriterien, d. h. den technischen Spezifikationen, den Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie den Ausführungsbedingungen, Berücksichtigung finden. Bedauerlicherweise fanden soziale Belange in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR als Zuschlagskriterien keinen Niederschlag. Unabhängig davon kann festgehalten werden, dass soziale Belange, die auf Eignungs- oder Zuschlagsebene im Verfahren berücksichtigt werden sollen, einen Zusammenhang zum Auftrag aufweisen müssen. Dieser Zusammenhang muss in Bezug auf den konkreten Auftragsgegenstand bestehen 121. Insofern ist es auf diesen beiden Ebenen nach der Formulierung der VKR unmöglich soziale Belange einzubeziehen, die über bloße technische Spezifikationen hinausgehen oder allgemein gehalten sind. Darüber hinaus müssen alle Kriterien bekannt gemacht und die Zuschlagskriterien müssen zudem gewichtet werden. Auch müssen alle Kriterien mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein. Zu beachten ist dabei stets, dass durch die Berücksichtigung sozialer Belange auf welcher Stufe auch immer, vorhergehende Stufen der Beschaffung nicht umgangen werden dürfen. So darf z. B. die Berücksichtigung eines sozialen Belangs als Ausführungsbedingung nicht dazu führen, dass dadurch der Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand auf der Ebene der Zuschlagserteilung umgangen wird. Insofern weist auch die Kommission darauf hin, dass die Ausführungsbedingungen „keine offene oder versteckte technische Spezifikation enthalten ... (und) weder die Prüfung der fachlichen Eignung der Bieter ... noch die Zuschlagskriterien betreffen dürfen“ 122. 119

So auch Ziekow, Beschaffungswesen, S. 40. So auch Wiedmann, Vergabekriterien, S. 275. 121 Anders Ziekow, Beschaffungswesen, S. 41, nach dem auch die Ausführungsbedingungen dem Konnexitätsgebot unterliegen. 122 KOM (2001) 566 endg., S. 10. 120

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

Sollen soziale Belange im Vergabeverfahren Berücksichtigung finden, muss sich der öffentliche Auftraggeber also zunächst dafür entscheiden, im Rahmen welcher Kriterien diese berücksichtigt werden sollen. Allerdings hat der Auftraggeber hier keine allzu großen Möglichkeiten außer den Ausführungsbedingungen. Dann müssen die für alle Kriterien geltenden sowie die für die einzelnen Kriterien speziell geltenden Verfahrensanforderungen beachtet werden. Dabei ist zu beachten, dass Art. 26 VKR bisher nicht ins deutsche Recht transformiert wurde. Allerdings kommt oberhalb der Schwellenwerte bei einer richtlinienkonformen Auslegung der § 9 Nr. 3 Abs. 2 VOL / A und § 10 Nr. 2 Abs. 2 VOB / A eine Einbeziehung sozialer Belange als Ausführungsbedingungen in Betracht.

II. Stufen der nationalen Vergaberechtsreform 1. Grundsätzliches Mit der Veröffentlichung der VKR im Amtsblatt der EU am 30. 4. 2004 wurde auf europäischer Ebene die mehrere Jahre dauernde, voller Kontroversen geführte Gesetzgebungsdebatte beendet 123. Die Bundesrepublik sowie die anderen Mitgliedstaaten hatten die Richtlinie gemäß Art. 249 EGV bis zum 31. Januar 2006 in nationales Recht umzusetzen 124. In Deutschland waren schon zuvor die Regelungen des Vergaberechts mit Wirkung zum 1. Januar 1999 grundlegend neu gestaltet worden 125. Damit sollte die europarechtlich verlangte Abkehr von den rein haushaltsrechtlichen Grundlagen, um den Bietern subjektive Rechte gegen den öffentlichen Auftraggeber zu gewähren, manifestiert werden 126. So wurden mit dem Vergaberechtsänderungsgesetz 127 Definitionen, materielle Grundsätze des Vergabeverfahrens und Rechtsschutz über zwei Instanzen in das GWB eingeführt. Darüber hinaus wurde die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung für die Regelung der Detailvorschriften zu erlassen 128. Diese (erste) Vergabeverordnung vom 9. Januar 2001 129 verpflich123

Vgl. Arlt, VergabeR-Sonderheft (2a) 2007, S. 280, 281; siehe auch oben, I. Vgl. auch Art. 80 Abs. 1 VKR. 125 Noch, Vergaberecht, S. 44. 126 Vgl. oben Kapitel 2, II. 4. und V. 127 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge – Vergaberechtsänderungsgesetz (VgRÄG) v. 26. 08. 1998, BGBl. I, S. 2512. 128 Siehe bereits oben Kapitel 2, V. 129 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge – Vergabeverordnung (VgV) in der Fassung v. 11. 2. 2003, BGBl. I, S. 169 zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung v. 23. 10. 2006, BGBl. I, S. 2334. 124

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tete die öffentlichen Auftraggeber, oberhalb der EU-Schwellenwerte 130 bestimmte Vorschriften der so genannten Verdingungsordnungen 131 anzuwenden. Die „rot-grüne“ Regierungskoalition hatte in der 15. Legislaturperiode die Absicht im Rahmen der „Initiative Bürokratieabbau“, die erforderliche Umsetzung der EU-Richtlinien zum Anlass zu nehmen, gleichzeitig eine Vereinfachung dieses komplexen und undurchsichtigen Rechtsgebietes vorzunehmen 132. Entsprechende Eckpunkte zur Verschlankung des Vergaberechts waren ausgearbeitet worden 133. Danach sollten die Verdingungsordnungen abgeschafft werden, es sollte ein modernes Vergaberecht im Wesentlichen in einer einheitlichen Vergabeverordnung geregelt werden 134. Soziale Belange waren nicht vorgesehen. Nach der Neuwahl des Deutschen Bundestages sahen CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vom 11. 11. 2005 eine Novellierung des Vergaberechts „im Rahmen des bestehenden Systems“ vor 135. Die neue Bundesregierung beschloss dann auf dieser Grundlage am 28. 6. 2006 „Schwerpunkte zur Vereinfachung des Vergaberechts im bestehenden System“, wonach u. a. die Transparenz in allen Verfahrensarten erhöht, das EU-Recht eins zu eins umgesetzt, insbesondere keine strengeren Anforderungen geschaffen, die Regelungen auf das Erforderliche beschränkt und die Terminologie vereinheitlicht werden 136. Dies sollte in zwei Stufen geschehen: In einem ersten Schritt sollten die notwendigen Regelungen umgesetzt und in dem darauf folgenden zweiten Schritt sollte das gesamte Vergaberecht überprüft und vereinfacht werden 137.

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Vgl. dazu Kapitel 1, III. 2. c). Dazu siehe oben Kapitel 2, V. 2. e). 132 Arlt, VergabeR-Sonderheft (2a) 2007, S. 280; Karstedt-Meierriecks, ZfBR 2003, S. 553; vgl. Kratzenberg, NZBau 2004, S. 141, 142; Portz, StG 2006, S. 277 ff. 133 Vgl. Eckpunkte für eine Verschlankung des Vergaberechts v. 12. .5. 2004, abrufbar unter: http://www.baurechtsverein.de/vergabezirk/07_sitzung0704/eckpunktepapierderbu ndesregierung.pdf (30. 11. 2008). 134 Ollmann, VergabR 2004, S. 669, 670 m.w. N.; vgl. auch Byok / Jansen, BB 2004, S. 1239, 1240. 135 Vgl. Gemeinsam für Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD v. 11. 11. 2005, S. 18, 52, abrufbar unter: http://www.cdu .de/doc/pdf/05_11_11_Koalitionsvertrag.pdf (30. 11. 2008); Ollmann, VergabeR 2008, S. 447. 136 Vgl. Beschluss der Bundesregierung v. 28. 6. 2006 über Schwerpunkte zur Vereinfachung des Vergaberechts im bestehenden System, abrufbar unter: http://www.bmwi.de /BMWi/Redaktion/PDF/B/beschluss-der-bundesregierung-ueber-schwerpunkte-zur-verei nfachung-des-vergaberechts-im-bestehenden-system,property=pdf,bereich=bmwi,sprache =de,rwb=true.pdf (12. 12. 2008). 137 Vgl. Scheid, VergabeR 2a/2007, S. 410. 131

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2. Erste Stufe der nationalen Vergaberechtsreform Die erste Stufe der Vergaberechtsreform zur Vereinfachung des Vergaberechts und zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien ist am 1. November 2006 in Kraft getreten 138. Durch die erste Stufe der deutschen Vergaberechtsreform wurden zunächst mit der Dritten Verordnung 139 zur Änderung der Vergabeverordnung und den Verdingungsordnungen VOL / A 2006 140, VOB / A 2006 141 und VOF 2006 142 vor allem als zwingend erforderlich angesehene Vorschriften der VKR und SKR übernommen 143. Somit wurden die EU-Vergaberichtlinien zumindest partiell umgesetzt. Die Sonderregelung des Art. 26 VKR für die Einbeziehung sozialer Belange wurde in dieser Stufe noch nicht umgesetzt 144.

3. Zweite Stufe der nationalen Vergaberechtsreform a) „Soziale Belange“ in der Reform Die angekündigte zweite Stufe der Reform ist noch nicht in Kraft. In einem zweiten Schritt sollen die übrigen Richtlinienvorschriften nötigenfalls umgesetzt werden 145. Weiterhin ist das Ziel der zweiten Stufe auch eine Modernisierung im Sinne einer deutlichen Verschlankung und Entbürokratisierung des deutschen Vergaberechts. Nach wie vor strittig ist vor allem die Aufnahme von sozialen Belangen in das GWB 146. Für eine Aufnahme und damit die Berücksichtigung 138

Hopf, apf 2006, S. 353. Dritte Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung v. 23. 10. 2006, BGBl. I, S. 2334. 140 Bekanntmachung des Sofortpakets zur Anpassung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB / A) an zwingenden Änderungen durch neue EU-Vergaberichtlinien (2004/17/EG und 2004/18/EG) und das ÖPP-Beschleunigungsgesetz – VOB / A Ausgabe 2006 v. 20. 3. 2006. 141 Bekanntmachung der Neufassung der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL / A) Ausgabe 2006 v. 6. 4. 2006, BAnz. 58 Nr. 100a v. 30. 5. 2006. 142 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen – VOF 2006. 143 Wie z. B. die Regelungen über den zwingenden Ausschluss von Unternehmen, deren verantwortlich handelnde Personen gegen bestimmte Strafnormen verstoßen haben oder die Befristung von Rahmenverträgen; Ollmann, VergabeR 2008, S. 447. 144 Noch in einer Antwort auf die kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (BTDrucks. 16/1385) zur Reform der Vergaberichtlinien v. 17. 5. 2006, BT-Drucks. 16/1503, S. 2, 3 legt die Bundesregierung dar, dass sie „derzeit keine Notwendigkeit sieht über den bislang geltenden gesetzlichen Rahmen hinaus zusätzliche Bedingungen in den Bereichen sozialer und umweltbezogener Aspekte, Arbeitsschutz usw. bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuführen.“ 145 Dies betrifft beispielsweise die neuen Verfahren „elektronische Auktionen“ und „dynamische Beschaffungssysteme“. 139

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von „weitergehenden Faktoren“ sprechen sich sowohl das Bundesumweltministerium als auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Dagegen sind insbesondere das federführende Bundeswirtschaftsministerium sowie das Bundesverkehrsministerium, die vor allem gegen eine Ausweitung auf „soziale Belange“ votieren 147. Eine Umsetzung der Berücksichtigung von sozialen Belangen in Form von Ausführungsbedingungen ist trotz der expliziten durch die VKR eingeräumten Möglichkeiten in Deutschland bisher nur sehr zurückhaltend erfolgt 148. Nicht nur der Deutsche Juristinnenbund (djb) macht sich stark für die Realisierung der durch die VKR eröffneten Möglichkeiten. Zuletzt forderte dieser in einer Stellungnahme vom 16. 7. 2007, Sozialstandards im deutschen Vergaberecht zu verankern. Auch die Bundestagsfraktion der Bündnis 90/Die Grünen forderte in einem Antrag, Art. 26 VKR praxistauglich mit Definitionen ins deutsche Vergaberecht umzusetzen 149. Die Anwendung von sozialen Kriterien 150 soll dadurch erleichtert werden. Außerdem wird verlangt, dass der Bund einen nationalen Aktionsplan 151 zur nachhaltigen Beschaffung erstellt und ihn bei der Beschaffung des Bundes einsetzt. Festgestellt wird auch, dass es bei der Einbeziehung der sozialen Kriterien eine starke Rechtsunsicherheit gibt. Weiter wird nach einer Verknüpfung der Gleichstellungsförderung mit der Auftragsvergabe im Bundesgleichstellungsgesetz verlangt 152 sowie auch Kontrollmechanismen zur Einhaltung dieser Verknüpfungen 153. Auch macht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer An146 Vgl. hierzu den ablehnenden Standpunkt des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DSTGB): Zehn Kernforderungen des DStGB an eine Novellierung des Vergaberechts, abrufbar unter: http://www.dstgb.de/vis/home/aktuelles_news/aeltere_beitraege /dstgb_eu_vergaberecht_darf_kommunale_aufgabenwahrnehmung_nicht_aushoehlen/10 _forderungen_zum_vergaberecht.pdf (30. 11. 2008). 147 Vgl. hierzu: „Aktuelles zur Vergaberechtsreform“, abrufbar unter: http://www. dstgb-vis.de/home/aktuelles_news/aktuell/aktuelles_zur_vergaberechtsreform/index.html (28. 7. 2007). 148 Vgl. zur aktuellen gesetzgeberischen Entwicklung unten, 3.1., 3.2., 4. 149 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Vergaberecht reformieren – Rechtssicherheit schaffen – Eckpunkte für die Reform des Vergaberechts“ v. 10. 4. 2008, BTDrucks. 16/8810, S. 2. 150 Vgl. auch Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Für ein transparentes, mittelstandsfreundliches, innovatives und soziales Vergaberecht“ v. 24. 10. 2007, BTDrucks. 16/6786. 151 Vgl. dazu auch schon den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Ökoeffiziente Beschaffung auf Bundesebene durchsetzen“ v. 24. 10. 2007, BT-Drucks. 16/6791. 152 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Vergaberecht reformieren – Rechtssicherheit schaffen – Eckpunkte für die Reform des Vergaberechts“ v. 10. 4. 2008, BTDrucks. 16/8810, S. 3, 8. 153 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, a.a. O., S. 4, 9.

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frage vom 13. 11. 2008 darauf aufmerksam, dass die Entscheidung des EuGH in Sachen „Rüffert“ bereits eine erhebliche Rechtsunsicherheit bezüglich sozialer Kriterien, insbesondere der Anwendung von Tariftreueerklärungen, geschaffen hat und dass insofern die Auswirkungen der Reform des Vergaberechts auf die Möglichkeiten von Bundesbehörden, soziale Kriterien anzuwenden, eine besondere Brisanz gewonnen hat 154. Auch die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung in einem Antrag auf, bei öffentlichen Aufträgen sozial-ökologische Anliegen und die Tariftreue durchzusetzen 155. Im Mittelpunkt stehen auch hier die Förderung der Gleichstellung und die Förderung von Ausbildungsbetrieben sowie die Förderung der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen. b) Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts Am 3. März 2008 hatte zunächst das federführende Bundeswirtschaftsministerium einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vorgelegt 156. Dem folgte am 13. 8. 2008 der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts 157. Die Neuregelung betrifft das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die verschiedenen Vergabeund Verdingungsordnungen sollen nach Abschluss der Gesetzesnovelle überarbeitet werden. Unter anderem sieht Art. 1 Abs. 2 lit. a des Gesetzes eine neue Regelung des § 97 Abs. 3 GWB vor. Danach sind „mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art und Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- und Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.“ Hierzu heißt es in der Begründung des Entwurfs, dass trotz des aktuellen § 97 Abs. 3 GWB, wonach Auftraggeber bei der Vergabe eines Auftrags mittelständische Interessen angemessen zu berücksichtigen haben und dies vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose geschehe, mittelständische Un154 Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Möglichkeiten der Anwendung sozialer Kriterien bei der öffentlichen Auftragsvergabe auf Bundesebene“ v. 13. 11. 2008, BT-Drucks. 16/10965. Im Mittelpunkt der Anfrage steht ein Ausschreibungsverfahren des Deutschen Bundestages für Fahrdienstleistungen, für das die Vergabekammer beim Bundeskartellamt die vertraglichen Regelungen zur Tariftreue und Eigenleistungsquote nicht akzeptierte, Beschl. v. 15. 7. 2008 und auch die vom Bundestag beim OLG Düsseldorf erhobene Beschwerde wurde weitgehend u. a. wegen „Rüffert“ zurückgewiesen, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5. 5. 2008, Az. VII-Verg. 5/08. 155 Antrag der Fraktion Die Linke „Bei öffentlichen Aufträgen sozial-ökologische Anliegen und Tariftreue durchsetzen“ v. 7. 11. 2007, BT-Drucks. 16/6930. 156 Bundeswirtschaftsministerium BMWi B 3 – 26 05 13/1 – Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 3. 3. 08. 157 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts, BTDrucks. 16/10117 v. 13. 8. 2008.

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ternehmen die vielfach wenig mittelstandsgerechte Ausgestaltung der Auftragsvergaben beklagen 158. Bündelung von Nachfragemacht und Zusammenfassung teilbarer Leistungen seien zunehmende Praxis. Gerade bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die vielfach mit einer marktstarken Stellung eines Auftraggebers einhergeht, sei es im Interesse der vorwiegend mittelständisch strukturierten Wirtschaft geboten, auf mittelständische Interessen bei der Ausgestaltung der Vergabeverfahren besonders zu achten, um so die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, auszugleichen 159. Mithin hält die Bundesregierung zur Förderung des Mittelstandes daran fest, Aufträge möglichst in Fach- und Teillose aufzugliedern. Darüber hinaus ist besonders die Neufassung des § 97 Abs. 4 GWB durch Art. 1 Abs. 2 lit. b des Gesetzes hervorzuheben. Danach werden „Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben. Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative 160 Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“ Hierzu wird in der Begründung des Entwurfs ausgeführt, dass mit der Neufassung des § 97 Abs. 4 GWB an der bisherigen Rechtslage festgehalten, aber zusätzlich eine weitere Kategorie von Anforderungen aufgenommen werde, die an die Ausführung des Auftrags geknüpft sind und zugleich konkrete Verhaltensanweisungen an das ausführende Unternehmen für die Auftragsausführung darstellen. Damit werde an die Formulierung der Art. 26 VKR angeknüpft und klargestellt, dass die öffentlichen Auftraggeber von Unternehmen ein bestimmtes Verhalten während der Ausführung des Auftrags verlangen können, auch wenn das Unternehmen sich ansonsten am Markt anders verhält 161. Beispielsweise könnten Anforderungen des Auftraggebers die Beschäftigung von Auszubildenden oder Langzeitarbeitslosen bezogen auf den konkreten Auftrag sein. Auch 158 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts, a.a. O., Begründung, S. 8. 159 Vgl. auch Ollmann, VergabeR 2008, S. 447, 448 mit weiteren Ausführungen. 160 Innovative Aspekte finden in Art. 26 VKR selbst keine Erwähnung, so dass der Gesetzesentwurf in Bezug auf diese Aspekte über Art. 26 VKR hinausgeht. In ihrer Lissabon-Strategie forderte die Europäische Kommission die Mitgliedstaaten 2005 aus, die öffentliche Vergabe zur Förderung von Innovationen zu nutzen; vgl. zur öffentlichen Hand als „innovativer Nachfrager“ Boehme-Neßler/ Hildebrandt / Semlinger, Innovationsnachfrager, S. 36 f. 161 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts, BT-Drucks. 16/10117 v. 13. 8. 2008, Begründung, S. 10.

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könnten Auftraggeber künftig danach die Pflasterung öffentlicher Plätze aus Steinen verlangen, die im Ausland unter Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation hergestellt wurden 162. Damit kann der öffentliche Auftraggeber die Vorgabe der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen bei Importen auf die gesamte Lieferkette bis ins Ursprungsland erstrecken. Auch würden unter § 97 Abs. 4 S. 2 GWB künftig Maßnahmen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im Erwerbsleben, die Beschaffung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen und Recyclingpapier fallen. Begrüßenswert ist, dass der Gesetzgeber durch diese Änderungen versucht klarzustellen, ob und wie Vergabestellen oberhalb der Schwellenwerte soziale Belange einbeziehen können. Dabei sollte jedoch nicht aufgrund der Erwähnung von „sozial“ im Entwurf gleich der Schluss gezogen werden, dass der Etablierung sozialer Belange im Vergabeverfahren nunmehr nichts im Wege steht. So ist auch die Regelung des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E, wonach soziale Auftragsausführungsbedingungen auch einen Auftragsbezug 163 nachweisen müssen, näher zu betrachten. Durch das Verlangen eines „konkreten“ Auftragsbezugs wird die Möglichkeit zur Einbeziehung sozialer Belange erschwert und es erfolgt eine Angleichung an die Voraussetzungen der Zuschlagskriterien des Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird die Auftragsbezogenheit der Ausführungsbedingungen, die in § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E hergestellt wurde mit Art. 26 VKR begründet. Dieser setzte ebenfalls voraus, dass die zusätzlichen Anforderungen für Auftragsausführung im sachlichen Zusammenhang mit dem Anforderungsgegenstand stehen 164. Dabei verkennt der Gesetzesentwurf die in Art. 26 VKR enthaltene Formulierung, dessen Wortlaut eben keine Auftragsbezogenheit enthält. Vielmehr ist die Auftragsbezogenheit für weitergehende Zuschlagskriterien in Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR vorgesehen. Art. 26 wiederholt lediglich das Transparenzgebot sowie die ohnehin immer zu beachtende Vereinbarkeit mit den EG-Grundfreiheiten. Auch Erwägungsgrund 33 zu Art. 26 VKR sieht einen solchen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand nicht vor 165. Lediglich die Beachtung des Diskriminierungsverbots des 162

Dazu bereits oben Kapitel 3, IV. 4. g). Die Verbindung mit dem Auftragsbezug für Ausführungsbedingungen im Sinne des Art. 26 VKR stellte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 16/4928) zur Berücksichtigung von Ausbildungsplatzangebot und Förderung von Gleichstellung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Nachfrage der BT-Drucks. 16/1712) v. 18. 4. 2007, BT-Drucks. 16/5028, S. 3, noch nicht her. 164 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts, BT-Drucks. 16/10117 v. 13. 8. 2008, Begründung S. 10; vgl. dazu auch oben II., 7. 165 Dageförde vermutet, dass sich die Bundesregierung in ihrem Gesetzesentwurf bezüglich des Auftragsbezugs auf Erwägungsgrund 33 S. 3 HS. 1 VKR stützen würde, da sich hieraus indirekt ein solcher Bezug ergebe, vgl. dazu Dageförde, Stellungnahme 163

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Art. 12 EGV wird hier hervorgehoben. Eine wie auch immer geartete Hierarchie, wonach Art. 53 Abs. 1 lit. a VKR Art. 26 vorgehen soll oder umgekehrt, ist der VKR nicht zu entnehmen 166. Auch widerspricht eine andere Herangehensweise der Interpretation durch die Kommission in ihrer Mitteilung zur Berücksichtigung sozialer Belange im Auftragswesen 167. Der deutsche Gesetzgeber strebt mit seiner Formulierung in § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E strengere Anforderungen an soziale Ausführungsbedingungen an als dies in Art. 26 VKR vom europäischen Gesetzgeber gewollt ist und sieht mithin eine Einschränkung des Art. 26 VKR vor. Sollte dieser Entwurf Gesetz werden, ist allerdings zu beachten, dass die in § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E enthaltene Regelung richtlinienkonform auszulegen ist. Verwirrend erscheint, dass die Ausführungsbedingungen im Regierungsentwurf direkt hinter den Eignungskriterien in § 97 Abs. 4 GWB-E nunmehr ihren Platz gefunden zu haben scheinen. Dies erzeugt den Eindruck, es würde sich bei den Ausführungsbedingungen um zusätzliche Eignungskriterien und damit um Anforderungen handeln, die an die Person des Auftragnehmers gestellt werden sollen 168. Deshalb fordert Ollmann auch, dass Art. 26 VKR und damit auch die Berücksichtigung sozialer Belange in einer eigenen Regelung erfolgen soll, die eben die Durch- bzw. Ausführung des Auftrags betreffen 169. § 97 Abs. 4 Hs. 2 GWB soll als § 97 Abs. 4 S. 3 GWB-E weiter bestehen 170. Mithin könnten weitergehende Anforderungen, also auch soziale Belange, an Auftragnehmer auf der Grundlage eines bundes- oder landesdeutschen Parlamentsgesetzes gestellt werden. Nach langem Streit über die Anwendung von sozialen und ökologischen Kriterien sowie die hierfür angezeigte Begründung wurden diese nunmehr zunächst im Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums und anschließend im Regierungsentwurf aufgenommen. Ein positiver Ansatz ist in jedem Fall die erstmalige Regelung der Anwendung bzw. Einbeziehung sozialer Belange in das Vergabeverfahren. Allerdings ist die Regelung des Entwurfs nicht nur strenger, vielmehr fehlen auch Beschreibungen, was die besondere soziale und ethische zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8. 10. 2008, BT-ADrucks. 16(9)1174, S. 5, 6. 166 Vgl. dazu die Überlegungen Prieß, Vergaberecht, S. 290 sowie oben, I, 7.2.1. 167 Vgl. KOM (2001) 566 endg., S. 18. 168 Vgl. auch Ollmann, VergabeR 2008, S. 447, 450 bezeichnet schon die geltende Regelung diesbezüglich als missglückt. 169 Ollmann, a.a. O., 451. 170 Diese Beibehaltung ist der Deutschen Bauindustrie als „Doppelpackung“ unklar, vgl. dazu Stellungnahme Die Deutsche Bauindustrie zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts der Bundesregierung v. 7. 10. 2008, BT-ADrucks. 16(9)1166, S. 8, 9; so auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 7. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1167, S. 2, 10 f.

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Verantwortung des Bundes bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist sowie auch die Einführung des von der EU geforderten nationalen Aktionsplans zur nachhaltigen Entwicklung und dessen Umsetzung durch die Bundesbehörden bei ihrer eigenen Beschaffung, von einer Definition, was soziale Belange sind, ganz zu schweigen 171. Darüber hinaus fehlen Beschreibungen von Aktivitäten zur Förderung der Zertifizierung bei der Einhaltung von sozialen Kriterien, so dass die Umsetzung der aufgeführten Kriterien im Fall des Zustandekommens des Gesetzes durch die Vergabestellen nur schwer zu bewerkstelligen scheint. Insofern wird der Gesetzgeber auch mit der aktuellen Formulierung keine Klarstellung und Rechtssicherheit für die Vergabestellen schaffen. c) Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat die nunmehr bevorstehende Umsetzung unter anderem des Art. 26 VKR zum Anlass genommen, um sich in einem Gutachten zum „Öffentlichen Beschaffungswesen“ vom 12. 5. 2007 näher mit der Einbeziehung politischer Belange in das deutsche Vergabeverfahren zu befassen 172. Dabei sollte das Gutachten vor allem Prinzipien für die Reformen zur Seite stellen. Insbesondere die Innovationsförderung, die Berücksichtigung von Umweltaspekten, die Tariftreue, Mindestsozialstandards sowie die Förderung von KMUs werden näher unter Augenschein genommen. Die Grundeinstellung der Gutachter ist gegen die Einbeziehung politischer Belange 173. Hierzu führen die Gutachter aus, dass wesentliche Probleme der Einbindung politischer Belange in deren Wirkung einerseits auf die Wettbewerbsintensität und andererseits auf die Korruptionsanfälligkeit der Vergabe bestehen 174. Auch würden die Beschaffungskosten steigen und das Verfahren würde intransparent werden 175. Dabei spricht sich der Wissenschaftliche Beirat für die Einbeziehung politischer Belange unter ökonomischer Voraussetzung aus und befürwortet „Preispräferenzen“, da diese transparent und besser quantifizierbar seien, übersieht dabei aber nicht, dass die europarechtliche Zulässigkeit ein Problem darstellt 176. In Bezug auf soziale Belange nehmen 171 So auch Asshoff in der Stellungnahme der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 10. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1180, S. 11. 172 Gutachten Nr. 2/07 „Öffentliches Beschaffungswesen“ des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWi v. 12. 05. 2007, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion /PDF/Publikationen/gutachten-2-2007,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true. pdf (6. 11. 2008). 173 Vgl. S. 8, Rn. 18, 23 des Gutachtens, siehe vorherige Fn. 172. 174 Vgl. S. 7, Rn. 15, 16 des Gutachtens, siehe oben, Fn. 172. 175 Vgl. S. 8, Rn. 16 des Gutachtens, siehe oben, Fn. 172. 176 Vgl. S. 8, Rn. 19 – 22 des Gutachtens, siehe oben, Fn. 172.

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die Gutachter einen sehr eingeschränkten Horizont ein, wenn sie unter „Mindestsozialstandards“ lediglich die Herstellung von Produkten oder Leistungen unter „Kinderarbeit“ subsumieren und dabei dann auch noch davon ausgehen, dass diese in fortschrittlichen Ländern – wie Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten der EU – ohnehin kein Problem darstellen und darüber hinaus sogar kontraproduktiv sein könnten 177. Damit negieren bzw. verkennen sie die Auswirkungen eines öffentlichen Beschaffungswesens in einer globalisierten Weltwirtschaft. Schließlich kaufen öffentliche Auftraggeber auch in Drittstaaten ein, deren Entwicklung bezüglich der Mindestsozialstandards nicht der der EU entsprechen. d) Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf Sowohl Experten 178 als auch Vertreter der Wirtschaft sowie der Gewerkschaften begrüßen die Absicht der Bundesregierung das Vergaberecht zu vereinfachen, transparenter zu gestalten und zu modernisieren. Dabei lehnen die Vertreter der Wirtschaft die Einbeziehung weitergehender Aspekte mit dem Blick auf soziale Belange ganz überwiegend ab, da sie nicht den öffentlichen Einkauf in transparenter Weise unterstützten, zu Wettbewerbsverzerrungen und zu einer Verkomplizierung und Verteuerung der öffentlichen Beschaffungsvorgänge führten 179. Gleichzeitig befürworten sie aber paradoxerweise die mittelstandsfreundliche Vergabe, obwohl diese ja auch ein weitergehendes Kriterium ist. Auch wird bezüglich der Formulierung des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E die Befürchtung geäußert, dass dies einen Systemwechsel einläute 180. Übersehen wird dabei, dass die Einbeziehung von Sekundärzwecken in das Vergaberecht längst bundesdeutsche Realität ist 181, der es allerdings an Rechtssicherheit sowie -klarheit mangelt. Teil177

Vgl. S. 15, Rn. 41 – 45 des Gutachtens, siehe oben, Fn. 172. Dageförde betrachtet den Gesetzesentwurf sehr kritisch, da die Hauptarbeit wieder den Verdingungsausschüssen überlasen worden sei, vgl. Dageförde, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8. 10. 2008, BT-ADrucks. 16(9)1174, S. 3. 179 Stellungnahme des Bundesverband Deutscher Industrie (BDI) zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 19. 9. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1143, S. 2, 3; Stellungnahme des Zentralverband des Deutschen Handwerks zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 24. 9. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1155, S. 4, 6 f.; Stellungnahme des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zur Modernisierung des Vergaberechts v. 9. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1177, S. 1, 2. 180 Stellungnahme des Gesamtverband Textil und Mode zur Reform des Vergaberechts v. 7. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1163, S. 1; vgl. auch Stellungnahme Hermann Summa, Richter am OLG Koblenz zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1171, S. 2, 4, der § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E als systemwidrig einstuft. 181 Siehe oben Kapitel 3, III. 178

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weise wird die einschränkende Formulierung in § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E aber trotz grundsätzlicher Ablehnung sozialer Belange im Vergaberecht begrüßt 182. In Anbetracht der bestehenden Rechtsunsicherheit begrüßt der Deutsche Städtetag die Formulierung des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E, da öffentliche Auftraggeber dadurch zielgerichtet die Beschaffung von Lieferländern, in denen Beschäftigte unter ausbeuterischen Bedingungen oder in denen Kinder beschäftigt würden, vermeiden bzw. einschränken könnten 183. Schulten beurteilt die Umsetzung des Art. 26 VKR als nicht weitgehend genug und schlägt eine eigene Formulierung des § 97 Abs. 4 GWB-E vor, der u. a. keine Auftragsbezogenheit für soziale Belange vorsieht, die Tariftreue mitregelt und darüber hinausgehend die Forderung nach Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen aufnimmt 184. Dabei fordert Schulten die europarechtliche Absicherung der Tariftreueerklärungen, indem beispielsweise die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtert wird 185.

4. Aktueller Stand Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 4. Juli 2008 Stellung zu dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts genommen 186. Grundsätzlich begrüßt auch der Bundesrat die Zielsetzung des Gesetzes, das Vergaberecht zu modernisieren, zu vereinfachen sowie transparenter und mittelstandsfreundlicher auszugestalten. Dabei hat der Bundesrat entgegen der Empfehlung der Ausschüsse vom 20. Juni 2008 187 keine Stellung zu § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E genommen. Die Empfehlung sah § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E als gesetzgebungstechnisch für geboten an und schlug vor, folgenden Satz in § 97 Abs. 4 S. 2 GWB-E hinzuzufügen: „Soziale Aspekte im Sinne von Satz 2 sind insbesondere anzunehmen, wenn der Bieter oder die Bieterin die Einhaltung eu182 Stellungnahme des Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 7. 10. 2008, BT-ADrucks. 16(9)1167, S. 12. 183 Vgl. Stellungnahme des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 9. 10. 2008, BT-ADrucks. 16(9)1175, S. 2. 184 Stellungnahme Thorsten Schulten, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, zum Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Modernisierung des Vergaberechts v. 9. 10. 2008, BT-A-Drucks. 16(9)1178, S. 2. 185 Siehe a.a. O., S. 5, 6; so auch im Ergebnis Stellungnahme der Industriegewrkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 10. 10. 2008, BT-ADrucks. 16(9)1180, S. 1. 186 Stellungnahme des Bundesrates v. 4. 7. 2008, BR-Drucks. 349/08. 187 Empfehlungen der Ausschüsse zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 20. 6. 2008, BR-Drucks. 349/1/08, S. 7 f.

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ropäischer Maßgaben bezüglich gleichstellungs- und beschäftigungspolitischer Ziele bei Angebotsunterbreitung nachweist.“ Damit sollte klargestellt werden, dass auch gleichstellungspolitische Ziele soziale Belange sind. Unterstrichen werde dadurch die dynamische Wechselwirkung zwischen Wirtschafts- sowie Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die auch nicht systemwidrig gestört werde. Vielmehr ließen sich die scheinbar kollidierenden ordnungs- und wettbewerbspolitischen Ziele mit den beschäftigungs- und gleichstellungspolitischen Zielen durch Auslegung in Einklang bringen 188. Dabei wird insbesondere auf die europäischen Querschnittsklauseln Bezug genommen 189. Zwar hat der Bundesrat dies in seiner Stellungnahme nicht verarbeitet, aber er hat sich auch nicht gegen § 97 Abs. 4 Hs. 2 GWB-E geäußert. Auch im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Bundestag wurde die Modernisierung des Vergaberechts thematisiert. Gegenstand der Anhörung waren der Gesetzesentwurf der Bundesregierung 190 sowie verschiedene Anträge der Bundestagsfraktionen zu diesem Thema 191. Insbesondere die Frage, wie mit sozialen Belangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge umzugehen ist, haben Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften am 13.Oktober 2008 in einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages bewertet.

5. Realisierbarkeit von Sekundärzwecken in Deutschland Sekundärzwecke oder weitergehende Anforderungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind nicht nur eine langfristige Vision. Vielmehr stellen sie im bundesdeutschen Vergaberecht inzwischen einen Ist-Zustand dar. Dies zeigen auch die oben dargestellten bereits bestehenden Verknüpfungen mit dem öffentlichen Auftragswesen 192. Fraglich ist, inwiefern soziale Belange in der deutschen Vergabegesetzgebung realisierbar sind 193. Innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens zur Modernisierung und Vereinfachung des deutschen Vergaberechts 194 finden Überlegungen sowie auch Diskussionen statt, ob und wie soziale Belange im Rahmen der Ausführung von Aufträgen in das deutsche Vergaberecht integriert werden können 195. In diesem 188

Ebenda. Vgl. dazu oben Kapitel 4, I. 2. 190 Siehe oben, 3. 191 Vgl. dazu oben, 3. 192 Vgl. oben Kapitel 3, IV. 193 Zu den gesetzgeberischen Entwicklungen vgl. oben, III. 194 Siehe dazu oben, II, 3. 195 Antwort der Bundesregierung auf die 2. Frage der kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks. 16/4924 v. 2. 4. 2007. 189

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Zusammenhang ist ebenfalls die Zweiteilung 196 des deutschen Vergaberechts zu beachten und zwischen Aufträgen ober- und unterhalb der Schwellenwerte zu differenzieren. Die Kommission 197 stellte bereits 2001 fest, dass bei Aufträgen, die nicht unter die Richtlinien fallen, es den Auftraggebern freistehe, im Rahmen der von ihnen vergebenen Aufträge soziale Ziele zu verfolgen, sofern sie dabei die Vorschriften und allgemeinen Grundsätze des EG-Vertrages einhalten. Es obliege den Mitgliedstaaten zu bestimmen, ob die Auftraggeber solche Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verfolgen dürfen bzw. wollen. Ein wettbewerbsorientiertes öffentliches Auftragswesen und die sozialpolitische Dimension der Auftragsvergabe müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Vielmehr können sie sich gegenseitig ergänzen. Essenziell sind dabei vor allem die Beachtung der Nichtdiskriminierung aus Art. 12 EGV sowie das Transparenzgebot 198. Nach Pietzcker 199 belaste der Einsatz der Auftragsvergabe für andere als reine Beschaffungszwecke die Erfüllung der Beschaffungsaufgabe, da beispielsweise die Aufteilung in Lose Mehrarbeit verursache und auch die Berücksichtigung von weiteren Gesichtspunkten mehr Zeit in Anspruch nehme. Insofern würden Fördermaßnahmen die Beschaffung verteuern. Allerdings gibt es darüber, ob es tatsächlich zu einer Verteuerung kommt und wie hoch diese ist, keine statistischen Nachweise. Vielmehr geistert in Bezug auf die Tariftreue die Zahl von 5% ohne fundierte Belege hierüber in der Diskussion herum 200. Es scheint so, als wäre die Quelle hierfür der Entwurf des Bundestariftreuegesetzes aus dem Jahre 2002 201. Hierin wird davon ausgegangen, dass zumindest der Verwaltung Mehrkosten von ca. 5% entstehen würde 202. Will man die tatsächlichen Kosten zutreffend einschätzen, muss man aber die Einsparung anderer Fördermaßnahmen außerhalb des Vergaberechts sowie sozial- und gesellschaftspolitische Effekte einbeziehen 203. So kann nach den Erfahrungswerten der Städte, die bei ihrer öffentlichen Auftragsvergabe darauf achten, dass nicht Produkte eingekauft werden, die durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden, festgehalten werden, dass es nicht zu einer maßgeblichen Verteuerung komme, wenn auf die 196

Siehe dazu oben Kapitel 1, III. 2.3. KOM (2001) 566 endg., S. 3. 198 Vgl. Wiedmann, Vergabekriterien, S. 197 f. 199 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 321 ff. 200 Vgl. dazu beispielhaft Stellungnahmen oben, 3.3. 201 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmern v. 20. 2. 2002, BT-Drucks. 14/8285. 202 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur tariflichen Entlohnung bei öffentlichen Aufträgen und zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmern v. 20. 2. 2002, a.a. O., S. 2. 203 So auch Pietzcker, Staatsauftrag, S. 321. 197

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Zahlung von „Erwachsenenlöhnen“ geachtet werde 204. Darüber hinaus konnte eine Studie die Verteuerung der Auftragsvergabe am Beispiel der USA bezüglich der Tariftreue bei öffentlichen Ausschreibungen widerlegen 205. Auch gehe mit der Einbeziehung weitergehender Belange die Gefahr einher, dass die Willkür des öffentlichen Auftraggebers verschleiert werden könne und dass unter dem Deckmantel der sozialen Belange ein schleichender Protektionismus hingenommen werde 206. Das öffentliche Auftragswesen müsse sich streng an dem Gleichbehandlungsgebot sowie den haushaltsrechtlichen Geboten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausrichten, die nur im freien Wettbewerb verwirklicht werden könnten. Allerdings würden diese Kriterien durch die Vielzahl der sozialen Belange gefährdet 207. Solange der europarechtlich sowohl oberals auch unterhalb der Schwellenwerte geforderte Transparenzgrundsatz eingehalten wird, ist aber nicht ersichtlich wieso es in gesteigerter Form zu Willkür und Korruption kommen sollte. Im Übrigen liegt auch diesem Argument kein wissenschaftlich solides Fundament zu Grunde. Des Weiteren wird gegen eine Einbeziehung sozialer Belange in die öffentliche Auftragsvergabe angeführt, eine solche Einbeziehung sei nur sehr unspezifisch und komme nur zufällig zur Geltung. Immer dann, wenn sich ein Unternehmen, welches die zu fördernden Zwecke verfolgt, um einen konkreten Auftrag bewirbt und die Präferenzregelungen erfüllt, erhält es den Auftrag. So legt Hertwig 208 dar, dass etwa 40 % der vom Bund vergebenen Aufträge auf das Verteidigungsministerium entfallen und 31% auf das Verkehrsministerium, so dass durch die Berücksichtigung von weitergehenden Belangen in erster Linie Rüstungsund Bauunternehmen profitieren würden. Dies mag richtig sein, allerdings wird bei dieser Herangehensweise übersehen, dass dem Staat eine besondere Verantwortung sowohl für die Umwelt als auch für die Lebensbedingungen in der Gesellschaft zukommt, der er sich auch im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe nicht entziehen kann. Insofern hat der Staat nicht nur eine Vorbildfunktion, sondern auch einen „Katalysatoreffekt“.

204 Vgl. beispielhaft die Beschlussvorlage zur Behandlung im Gemeinderat zur Ausschluss von Kinderarbeit bei der Beschaffung von Waren im städtischen Zuständigkeitsbereich v. 12. 7. 2006, Bürgermeisteramt Tübingen, Gesch.Z. 003/1.03 –01 „Fair-Trade-Analyse-Bericht, S. 4., abrufbar unter: http://www.tuebingen.de/ratsdokumente/2005 _510b.pdf (22. 11. 2008). 205 Vgl. Institut für Arbeit und Technik (idw), Tariftreue beeinflusst Kosten öffentlicher Aufträge wengier als vermutet v. 20. 6. 2002, abrufbar unter: http://www.uni -protokolle.de/nachrichten/id/3154/ (30. 11. 2008) sowie http://www.netzgut.de/politik /tariftreue_beeinflusst_kosten_oeffentlicher_27722.html (30. 11. 2008). 206 Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 138; Pache, DVBl. 2001, S. 1781, 1789. 207 Kling, Instrumentalisierung, S. 199 ff.; Rittner, EuZW 1999, S. 677 ff. 208 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 7 m.w. N.

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Auch wird die Effizienz einer Berücksichtigung sozialer Belange durch die öffentliche Auftragsvergabe bezweifelt, da sie zu Reibungsverlusten führen könne 209, so z. B. wenn ein Unternehmen das wirtschaftlichste Angebot abgebe, ein anderes aber die sozialen Belange erfülle und deshalb den Zuschlag erhielte. Auch würde es Probleme mit sich bringen, wenn mehrere Unternehmen unterschiedliche soziale Belange erfüllen würden 210. Die in verschiedenen Präferenzregelungen geregelten sozialen Belange könnten zu einer gegenseitigen Neutralisierung und mithin zur Aufhebung der gewünschten Wirkung führen 211. Diesem kann aber entgangen werden, indem pro Auftrag nur ein Belang einbezogen wird. Zudem würde es zu einer konzentrationsfördernden Wirkung kommen, da vor allem größere Unternehmen mit größeren finanziellen Kapazitäten diese zusätzlichen Kriterien erfüllen können 212. Dass sich verschiedene soziale Belange gegenseitig aufheben, kann einerseits durch eine klare Festlegung in der Leistungsbeschreibung, wie sie der Transparenzgrundsatz fordert und andererseits durch klare gesetzliche Definitionen, was soziale Belange sind und in welchem Umfang sie im Vergabeverfahren berücksichtigt werden können, vorgebeugt werden. Zudem ist es nicht richtig, dass nur große Unternehmen mit ihren zusätzlichen Kapazitäten die zusätzlichen Kriterien einhalten können. Vielmehr sind gerade Soziale Unternehmen bzw. Integrationsunternehmen eher kleine und mittlere Unternehmen, die soziale Belange schon aufgrund ihres Unternehmenszwecks erfüllen könnten 213. Gegner der Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen wollen solche Belange im Rahmen direkter Regelungen nicht erfasst wissen. Ansonsten würde das öffentliche Auftragswesen mit etlichen, die Praktikabilität negativ beeinflussenden politischen Belangen belastet werden und es würde zu einer Intransparenz kommen 214. Vielmehr betonen sie, dass das Engagement und die Verantwortung der Unternehmen auf freiwilliger Basis zu erfolgen habe 215. So vertritt die Bundesregierung die Ansicht, dass das freiwillige Engagement (Corporate Social Responsibility) von Unternehmen, das über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinausgeht, eine sinnvolle und förderungswürdige Ergänzung bestehender Rechtsnormen auf dem Gebiet der Arbeit- und Sozialbeziehungen darstelle 216. 209 Rittner, EuZW 1999, S. 677 ff.; Hopp, DB 2000, S. 469 ff.; Kling, Instrumentalisierung, S. 199 ff. 210 Schäfer, Auftragswesen, S. 54 f.; vgl. auch Wallerath, Bedarfsdeckung, S. 163. 211 Hertwig, Auftragsvergabe, S. 7; Seidel, ZVgR 2000, S. 195 ff. 212 Hertwig, a.a. O., S. 8. 213 Vgl. oben Kapitel 1, II. 214 Siehe dazu bereits oben Kapitel 3, II.; vgl. auch Kullack / Terner, ZfBR 2004, S. 244, 248. 215 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5844 v. 27. 06. 2007 auf die große Anfrage der Fraktion DIE LINKE die „Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen“ betreffend, S. 2.

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Die Befürworter der Berücksichtigung sozialer Belange schenken gerade dem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang besondere Beachtung. So werden die durch die Einbeziehung sozialer Belange bewirkten Nutzen mit den hierdurch entstehenden Kosten in einer langfristigen Betrachtung abgewogen 217. Es könnten im Falle, dass nicht das aus mikroökonomischer Sicht preisgünstigste Angebot ausgewählt wird, dennoch makroökonomisch Kosten eingespart werden, die für die anderweitige Verfolgung der übrigen Ziele anfallen würden 218. Wenn nur 5 % der Vertragssumme bei den Vergabeentscheidungen von sozialen Überlegungen geleitet würden, stünden der Sozialpolitik in der EU nach Höpfls 219 Berechnungen mit einem Schlag 80 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Summe ergebe sich aus aus dem Volumen, der in der EU-15 jährlich vergebenen öffentlichen Aufträge. Die Berücksichtigung sozialer Belange durch den öffentlichen Auftraggeber wird als Ergänzung zu den direkten Regelungen die sozialen Belange betreffend angesehen, um so ein Verhalten zu fördern, das über das gesetzliche Mindestniveau hinaus geht. Benedict stellt sich die Frage, warum sich der Staat anders verhalten sollte als jeder andere Erwerber, der die Entscheidung für oder gegen ein Produkt oder eine Dienstleistung nach seinen eigenen Präferenzen trifft 220. Zudem könne sich der öffentliche Auftraggeber nicht von seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen und seiner sozialen Verantwortung lösen 221. So hat der öffentliche Auftraggeber sich an das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und die Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen, Art. 20a GG, zu halten sowie gemäß Art. 109 Abs. 2 GG die Verpflichtung auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu beachten. Weiter verneinen die Befürworter, dass die Berücksichtigung sozialer Belange in der öffentlichen Auftragsvergabe die Beseitigung von Diskriminierungen und eine wirkliche Öffnung des Binnenmarktes verhindere 222. Vielmehr führt die Einbeziehung sozialer Belange gerade auch zu einer sozialen Integration in der Gemeinschaft. Der Staat als politisches Gemeinwesen habe die Legitima216 Vgl. Antwort der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5844 v. 27. 06. 2007 auf die große Anfrage der Fraktion DIE LINKE, a.a. O., S. 5. 217 Vgl. Höpfl / Pflügl, WISO 2006, S. 149, 154 ff.; vgl. auch FAZ.NET v. 20. 2. 2002 „Tariftreue bedeutet keine Kostenexplosion“, abrufbar unter: http://www.faz.net/s/RubA2 4ECD630CAE40E483841DB7D16F4211/Doc~E6A362DDE6A5844769B59D6E28A93 44EA~ATpl~Ecommon~Scontent.html (1. 12. 2008). 218 Schäfer, Auftragswesen, S. 54; Pietzcker, Staatsauftrag, S. 321 f. 219 Höpfl, WISO 2004, S. 105, 124. 220 Benedict, Sekundärzwecke, S. 207. 221 Rust, EuZW 2000, S. 205; Schäfer, Auftragswesen, S. 52 m.w. N. 222 Vgl. Schäfer, a.a. O., S. 53 m.w.N.

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Kap. 5: Transformation der Vergabekoordinierungsrichtlinie

tion, soziale Belange zu verfolgen. Das öffentliche Auftragswesen eigne sich ganz besonders hierfür, da die Aufträge ohnehin vergeben werden und so auch unbeabsichtigte politische bzw. öffentliche Nebenwirkungen entfalten würden. Wenn dem so sei, dann könnten aber damit gleich weitergehende Ziele verfolgt werden. Alles andere sei eine Vergeudung der staatlichen Möglichkeiten. Auch die Europäische Kommission stimmte dieser Bewertung zu und ermutigt die Mitgliedstaaten, ihre Nachfragemacht für die Verfolgung von sozialen Zielen einzusetzen 223. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss der EG sieht das öffentliche Auftragswesen ebenfalls grundsätzlich als Instrument der Regional-, Technologie-, Umwelt-, Sozial- und Konjunkturpolitik an 224. Entscheidend ist, dass die Belange in passender Weise angewandt werden 225, dann würden sie sich auch als nützliches und wirksames Instrument erweisen. Hiervon geht die Kommission auch in verschiedenen Mitteilungen und in ihrem Grünbuch zum öffentlichen Auftragswesen stillschweigend aus 226. Insofern überzeugt die Meinung der Befürworter; die Verfolgung der sozialen Belange ist nicht nur legitim, sie ist auch Realität. Eine damit einhergehende, allerdings statistisch soweit ersichtlich bisher noch nicht nachgewiesene, gewisse Verteuerung der Beschaffung kann zu Gunsten der sozialen Belange in Anbetracht des damit einhergehenden makroökonomischen Vorteils hingenommen werden. Auch kann die Berücksichtigung sozialer Belange je nach Art und Umfang des Auftrags sowie nach der Ausgestaltung des betreffenden Kriteriums einen unterschiedlich großen Nutzen mit sich bringen 227.

223

Grünbuch, KOM(1996) 583 endg., S. 48 f. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (WSA) v. 27. 1. 1972 – Abl. EG Nr. C 30, S. 17, 18. 225 Arrowsmith, LQR 111 (1995), S. 235, 245 f. 226 KOM (2001) 274 endg., S. 4 f.; KOM (2001) 566 endg., S. 2 ff.; Grünbuch, KOM (1996) 583 endg., S. 49 f. 227 Schäfer, Auftragswesen, S. 55 f. 224

Kapitel 6

Zusammenfassende Thesen und Ausblick I. Wesentliche Ergebnisse 1. Bei der Untersuchung, ob soziale Belange bei der öffentlichen Auftragsvergabe berücksichtigt werden können, muss einerseits nach Aufträgen ober- und unterhalb der Schwellenwerte sowie andererseits nach den Ebenen des Vergabeverfahrens unterschieden werden. Dabei stehen dem öffentlichen Auftraggeber rechtstechnisch für die Einbeziehung sozialer Belange im Vergabeverfahren vier Stufen zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um die Leistungsbeschreibung, die Auswahl der geeigneten Bieter, die Zuschlagserteilung sowie die Ausführungsbedingungen. Hervorzuheben ist unter diesen Möglichkeiten vor allem die Ausführungsbedingung sowohl für den Ober- als auch für den Unterschwellenbereich. Auch können ober- und unterhalb der Schwellenwerte, allerdings sehr begrenzt, soziale Belange als technische Spezifikationen formuliert werden, um dann bei der Auswahl der geeigneten Bieter berücksichtigt zu werden. Als zusätzliche Zuschlagskriterien erscheint die Möglichkeit sowohl ober- als auch unterhalb zur Einbeziehung als sehr begrenzt, da hier zumindest oberhalb der Schwellenwerte eine Auftragsbezogenheit vorliegen muss. Die EU sowie ihre Mitgliedstaaten haben bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht nur die Grundfreiheiten sowie das Diskriminierungsverbot und aus diesen folgende Vergabegrundsätze zu beachten, sondern auch die gewandelten sozial- und gesellschaftspolitischen Anforderungen, die sich nicht zuletzt aus dem EG-Vertrag ergeben. Auch sind welthandelsrechtliche Vorgaben, die sich aus dem GPA ergeben, bei der Einbeziehung sozialer Belange zu beachten, wenn Drittstaaten beteiligt sind. Deutschland ist an europäische Vorgaben, die sich für den Bereich unterhalb der Schwellenwerte aus den EG-Grundfreiheiten sowie dem Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV und der Rechtsprechung des EuGH bezüglich der Einbeziehung sozialer Belange ergeben, gebunden. Oberhalb der Schwellenwerte spielen diese Vorgaben zwar auch eine Rolle, allerdings ist deren Bedeutung durch die VKR, die ihrerseits auf die Grundfreiheiten, das Diskriminierungsverbot und die Rechtsprechung des EuGH rekurriert, nicht so stark. Dabei ergeben sich weder aus dem GPA noch aus dem Gemeinschaftsrecht grundsätzliche Verbote bezüglich der Einbeziehung sozialer Belange. Vielmehr ist die Einbeziehung

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Kap. 6: Zusammenfassende Thesen und Ausblick

sozialer Belange unter der Beachtung der verfahrensrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem GPA und dem Gemeinschaftsrecht ergeben, möglich. 2. Die Arbeit hat Möglichkeiten und Grenzen der Berücksichtigungsfähigkeit sozialer Belange auf deutscher und europäischer Ebene untersucht. Zusammenfassend lassen sich folgende Ergebnisse für die Einbeziehung aus deutscher Sicht formulieren: 2.1. Öffentliche Aufträge müssen wegen ihres – fast immer vorhandenen – Zwangsbedarfscharakters ohnehin vergeben werden. Insofern empfiehlt es sich, von den Berücksichtigungsmöglichkeiten in Bezug auf soziale Belange Gebrauch zu machen. Mit anderen Worten: Sie neben ihrer klassischen Funktion als Instrument der Bedarfsdeckung in konkret definierten Grenzen in den Dienst staatlicher und kommunaler Sozial- und Gesellschaftspolitik zu stellen. 2.2. In Deutschland und anderen Mitgliedstaaten wurden und werden diese Möglichkeiten in den Bereichen der Konjunktursteuerung eingesetzt, aber auch in der Arbeits-, Ausbildungsförderungs,- Ausländer,- Entwicklungshilfe-, Frauenförderungs- Gleichstellungs-, Haushalts-, Industrie-, Regional-, Sozial-, Tarifvertrags-, Umweltschutz-, Verteilungs- und Wettbewerbspolitik. Durch die Nachfrage der öffentlichen Auftraggeber nach Produkten, die bestimmten sozialen, ökologischen, ethischen und nachhaltigen Kriterien entsprechen, wird bei potentiellen Bewerbern ein Problembewusstsein geschaffen, so dass Hersteller sich Gedanken darüber machen, wie sie die Einhaltung von Sozial-, Arbeitsschutz- und Umweltgesetzen in der weltweiten Produktionskette sicherstellen können. Insofern hat die staatliche Nachfrage bezüglich sozial- und gesellschaftspolitisch gewünschter Veränderungen auch eine katalytische Funktion. Bezüglich protektionistischer Ziele sind dem GPA sowie auch dem Gemeinschaftsrecht strikte Vorgaben, die eine Einbeziehung nicht erlauben, zu entnehmen. 2.3. Liberalisierungen auch im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge führen dazu, dass der Staat sich immer mehr aus dem Wirtschaftsgeschehen zurückzieht. Trotz des steigenden Maßes der Liberalisierungen hat er aber auch weiterhin seiner Verantwortung für das Wirtschaftsgeschehen nachzukommen. 2.4. Öffentliche Auftraggeber entscheiden im Rahmen ihrer Finanzverantwortung grundsätzlich frei darüber, welche Leistungen sie einkaufen, um ihren wirtschaftlichen Bedarf zu decken. Daher können öffentliche Auftraggeber nicht nur die Wirtschaftlichkeit eines Angebots im engeren Sinne, sondern auch soziale Belange berücksichtigen. 2.5. Aus nationaler haushaltsrechtlicher Sicht erscheint der Zielkonflikt zwischen der Einbeziehung sozial- und gesellschaftspolitischer Belange und einer

I. Wesentliche Ergebnisse

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sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung lösbar, indem die verfolgten sozialen Belange hinreichend spezifiziert werden. 2.6. Bei der Formulierung der sozialen Belange ist insbesondere auf eine Kompatibilität mit den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung bzw. der Nichtdiskriminierung zu achten. 2.7. Das gegen die Zulässigkeit der Berücksichtigung sozialer Belange angeführte Argument der Ineffizienz ist kein tragendes Argument. Vielmehr könnte lediglich eine inflationäre, aber nicht eine vernünftige Berücksichtigung sozialer Belange zu einer Ineffizienz führen sowie Transparenz und Wettbewerb unterminieren. Auch das häufig angeführte Argument der Intransparenz ist allerdings nicht haltbar solange die „sozialen Belange“ pflichtgemäß bekannt gemacht und dokumentiert werden und somit überprüft werden können. Insofern führt die Einbeziehung sozialer Belange auch nicht zu einer gesteigerten Korruptionsanfälligkeit. 2.8. Der Europäische Gesetzgeber hat in der VKR auf den Zielkonflikt reagiert, indem er ausdrücklich die Berücksichtigung von sozialen Belangen in Form von Ausführungsbedingungen vorgesehen hat. So wurden Möglichkeiten zur Berücksichtigung von sozialen Belangen geschaffen, die nach dem früheren sekundären Gemeinschaftsrecht weder als Eignungs- noch als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden konnten. Darüber hinaus können soziale Belange begrenzt auch im Rahmen der technischen Spezifikationen wie auch im Rahmen der Festlegung der Zuschlagskriterien Berücksichtigung finden. Allerdings müssen diese Anforderungen dann mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen. Ausführungsbedingungen bedürfen keines Auftragszusammenhangs. 2.9. Die europarechtskonforme Formulierung einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung könnte als eigener Absatz in § 97 GWB aufgenommen werden. Dieser müsste den Auftraggebern gestatten, zusätzliche Bedingungen sozialer Art für die Ausführung des Auftrags vorzuschreiben. Daraus würde sich noch keine Verpflichtung ergeben, sondern lediglich ein Spielraum für die Berücksichtigung sozialer Belange im öffentlichen Auftragswesen. Auch die Rechtsunsicherheit der vergebenden Stellen würde dadurch beseitigt werden. 2.10. Zur Rechtsklarheit bedarf es aber vor allem einer gesetzlichen Definition dessen, was soziale Belange sind. Der Begriff der „sozialen Belange“ hat trotz mannigfaltiger Erwähnung bisher weder in der EU und noch in Deutschland eine Definition erfahren. Eine solche Definition könnte lauten: Es ist zwischen sozialen Belangen im weiteren und im engeren Sinn zu unterscheiden. Dabei handelt es sich bei sozialen Belangen im i.w. S. um jene Maßnahmen, die überhaupt Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. Bei sozialen Belangen i. e. S. hingegen muss über eine bloße allgemeine Auswirkung auf die Gesellschaft hinaus nachweislich ein sozial- und gesellschaftspolitischer Charakter der Maßnahmen gegeben sein.

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Kap. 6: Zusammenfassende Thesen und Ausblick

2.11. Zudem würde eine beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung dessen, was im Regelfall unter diese Definition subsumierbar ist für die Vergabestellen mehr Klarheit und somit mehr Rechtssicherheit für die Einbeziehung sozialer Belange bringen.

II. Ausblick Betrachtet man die VKR im Lichte des Wandels der Gemeinschaft weg von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zur Erweiterung der Integration um eine sozial- und gesellschaftspolitische Dimension, so lässt dies erwarten, dass auch die Einbeziehung sozialer Belange in das öffentliche Auftragswesen ihren Platz in der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten finden wird. Dabei fungieren die umweltbezogenen Belange quasi als Vorreiter für die Einbeziehung sozialer Belange.

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Mitteilungen der Kommission Commission staff working document v. 25. 6. 2008, European Code of Best Practices facilitating access by SMEs to public procurement contracts, SEC (2008) 2193 (zitiert: SEC (2008), 2193). Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Vorfahrt für KMU – Der „Small Business Act“ für Europa, KOM (2008) 394 endg. v. 25. 6. 2008 (zitiert: KOM (2008), 394 endg.). Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen v. 24. 7. 2006, ABl. Nr. C 179, S. 2 ff. (zitiert: Mitteilung der Kommission, Unterschwellenbereich, ABl. Nr. C 179, S. 2). Umweltorientierte Beschaffung: Wie der Staat zum Umweltschutz und zu einem sparsamen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler beitragen kann v. 26. 8. 2004 – Handbuch für eine umweltorientierte Beschaffung, (zitiert: Handbuch der Kommission umweltorientierte Beschaffung) abrufbar unter: http://ec.europa.eu/environment/gpp /pdf/buying_green_handbook_de.pdf (7. 11. 2008). Interpretierende Mitteilung der Kommission über das auf das öffentliche Auftragswesen anwendbare Gemeinschaftsrecht und die Möglichkeiten der Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 5. 7. 2001, KOM (2001) 274 endg. (zitiert: KOM (2001) 274 endg.). Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen v. 18. 7. 2001, KOM (2001) 366 endg. (zitiert: Grünbuch, KOM (2001) 366 endg.) Mitteilung der der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge v. 15. 10. 2001, KOM (2001) 566 endg., ABl. C 333/27 v. 28. 11. 2001 (zitiert: KOM (2001) 566 endg.). Grünbuch: Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union – Überlegungen für die Zukunft, Mitteilung von der Kommission am 27. 11. 1996, KOM (1996) 583 endg., (zitiert: Grünbuch, KOM (1996) 583 endg.) abrufbar unter: http://europa.eu /documents/comm/green_papers/pdf/com-96-583_de.pdf (7. 11. 2008) Mitteilung der Kommission – Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union v. 11. 3. 1998, KOM (1998) 143 endg. (zitiert: KOM (1998) 143 endg.). Vollendung des Binnenmarktes – Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat v. 18. / 29. 6. 1985, KOM (85) 310 endg. v. 14. 6. 1985 (zitiert: Weißbuch, KOM (1985) 310 endg.).

290

Mitteilungen der Kommission

Mitteilung der Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen: ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung v. 2. 7. 2002, KOM (2002), 347 endg. (zitiert: KOM (2002) 347 endg.).

Sachwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen 227 Arbeitnehmerfreizügigkeit 58, 191 Arbeitsförderung 83 f., 174 Ausführungsbedingung 72, 113 ff., 122, 139, 195, 208, 239 ff., 250 ff. Beentjes 144, 154 ff., 188, 201 Beihilferecht 61 ff., 192 ff. Beschäftigungspolitik 156, 179 Chancengleichheit 90, 91, 127, 173, 180 Concordia Bus Finland 130 f., 159 ff., 210, 236 Corporate Social Responsibility 183, 262 Dienstleistungsfreiheit 53 f., 122, 131, 156, 166, 189 ff., 196 f. Diskriminierungsverbot 31, 50, 58 f., 93, 192, 216, 254, 265 Eignungskriterien 31 f., 110 ff., 151, 200 f., 223, 234 f. Europäische Grundrechte 64 f. Gesellschafts- und sozialpolitische Belange 117, 134 ff. Gleichbehandlungsgebot 91, 93, 221, 224, 261 GPA 69 ff., 265 Gründungsverträge 48 ff. Grundfreiheiten 31, 49 ff., 106, 203, 239, 265 Grundprinzipien 87 ff., 111 Grundrechte 65, 75 ff., 173, 178, 205 ff., 228, 245 GWB 80, 98, 213 ff., 221 ff.

Haushaltsrecht 31 ff., 43, 74, 79, 211 f., 227, 248 Integrationsauftrag 178 Kartellrecht 213 ff. Kartellvergaberecht 46, 74, 81, 221 ff. Kopplungsverbot 209 f. Lauterkeitsrecht 195 ff., 221 Leistungsbeschreibung 83, 105 ff., 165, 236, 253 f. Mittelständische Interessen 96, 252 f. Niederlassungsfreiheit 55, 191 Nord-Pas-De-Calais 156 ff., 169, 203, 239 Primäres Gemeinschaftsrecht 48 ff. Querschnittsaufgaben 181 Rechtsmittelrichtlinien 66, 68 Rüffert 84, 165 ff., 190 f., 252 Schwellenwerte 30 f., 40, 46, 67 ff., 261 f. Sektorenkoordinierungsrichtlinie 30, 62 Sekundäres Gemeinschaftsrecht 65 ff. Sekundärzwecke 19, 33, 98 ff., 259 f. Soziale Belange 36, 72, 93, 105, 153, 170, 172 ff., 250 Soziale Unternehmen 26 ff., 262 Sozialpolitik 179, 99, 259, 263 Sozialstaatsprinzip 76, 184, 263 Technische Spezifikationen 92, 107, 113, 233, 247, 265

292

Sachwortverzeichnis

Transparenzgebot 45, 91, 113, 223, 254 f. Treu und Glauben 96 Umweltpolitische Belange 129 Umweltschutz 52, 130, 159 ff., 184 ff. Verdingungsordnungen 88 f., 129, 225 ff.

31, 74 ff., 82 f.,

Vergabekoordinierungsrichtlinie 66, 67 ff., 229 ff.

21, 55,

Vergaberechtsreform 172, 241, 248 ff. Vergaberichtlinien 40, 45, 48 f., 59, 65 ff. Vergabeverfahren 28 ff., 87, 98 Vergabeverordnung 74, 81, 153, 248 f. Vertraulichkeitsgebot 96 Verwaltungsprivatrecht 41 ff., 78 Vorbehaltene Aufträge 238

Warenverkehrsfreiheit 53 ff., 63, 126, 186 ff., 199 Werkstätten für Behinderte 19, 84, 142 ff., 176, 188, 238 Wettbewerbsprinzip 19, 45, 81, 87 ff., 96, 221 ff. Wettbewerbsrecht 40, 44, 46, 181, 196, 218 ff. Wettbewerbsregeln 59 f., 196 f., 214 WTO 38 ff., 67, 70 ff. Wienstrom 131, 162 ff., 169 f., 203, 210 Wirtschaftlichkeitsprinzip 74, 96 f., 225 Wirtschaftspolitische Belange 117 ff. Zuschlagserteilung 28, 43, 94, 111 ff., 136, 159 ff., 202 ff., 236 ff., 247, 265 Zuschlagskriterien 32 f., 111 f., 158 ff., 170 f., 202 f., 236 f.