Die Befugnis der Polizei zum Schutz privater Rechte: Eine Analyse der sog. Privatrechtsklauseln in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder [1 ed.] 9783428586929, 9783428186921

Sämtliche Polizeigesetze enthalten sog. Privatrechtsklauseln, die das durch den Gewaltenteilungsgrundsatz determinierte

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German Pages 378 [379] Year 2022

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Die Befugnis der Polizei zum Schutz privater Rechte: Eine Analyse der sog. Privatrechtsklauseln in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder [1 ed.]
 9783428586929, 9783428186921

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Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit

Band 19

Die Befugnis der Polizei zum Schutz privater Rechte Eine Analyse der sog. Privatrechtsklauseln in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder

Von

Michael Skiba

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL SKIBA

Die Befugnis der Polizei zum Schutz privater Rechte

Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, Münster

Band 19

Die Befugnis der Polizei zum Schutz privater Rechte Eine Analyse der sog. Privatrechtsklauseln in den Polizeigesetzen des Bundes und der Länder

Von

Michael Skiba

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 2199-3475 ISBN 978-3-428-18692-1 (Print) ISBN 978-3-428-58692-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinem Großvater zum Gedenken Franz Forsbach (1936–2017)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021/2022 von der Ho­ hen Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Disserta­ tion angenommen. Die einschlägige Literatur und Rechtsprechung konnte weitestgehend bis Anfang Juni 2022 berücksichtigt werden. Die Idee zu der Arbeit entstand bereits im fünften Semester meines Studi­ ums in dem von meinem Betreuer, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Muckel, gehaltenen Examenskurs der Universität zu Köln. Ich erinnere mich noch genau, wie er auf meine kritischen Nachfragen zum Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln nach Lesart der allgemeinen Meinung bemerkte, dass die den Vorschriften zugrunde liegende Thematik einmal einer vertieften wissenschaftlichen Untersuchung bedürfe. Für diese Inspiration, die stets sehr angenehme Betreuung und die gewährte wissenschaftliche Freiheit so­ wie die zügige Begutachtung möchte ich ihm ganz herzlich danken. Ebenso gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Markus Ogorek für die Erstellung des Zweit­ gutachtens und seine wertvollen Anregungen zur Namensgebung der Arbeit. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. Dr. Dr. Markus Thiel für die Aufnahme in seine Schriftenreihe „Das Recht der inneren und äußeren Sicherheit“. Danken möchte ich auch Frau Carmen Sieber, Frau Catrin Pleitgen und insbesondere Herrn Evgeny Pustovalov für ihre hilfreiche Unterstützung bei der Korrektur der Arbeit. Frau Catrin Pleitgen gilt hierbei besonderer Dank dafür, dass sie meine Einschätzungen zur polizeilichen Praxis auf Stimmig­ keit hin überprüft hat. Darüber hinaus gilt mein Dank Herrn Thomas Clae­ ßens für seine ständige Erreichbarkeit in allen Fragen, die in der Endphase einer Promotion anfallen. Nicht zuletzt danke ich schließlich meiner Schwes­ ter Susanne für ihre geduldige Hilfestellung bei der Formatierung der Arbeit. Widmen möchte ich die Arbeit meinem verstorbenen Großvater, den die Promotion seines Enkels gewiss ebenso mit Stolz wie mit Freude erfüllt hätte. Kerpen, im Juni 2022

Michael Skiba

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel

Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung 

21

A. Die Bedeutung des polizeilichen Schutzes subjektiver Rechteund Rechts­ güter in der Praxis – zwei Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Begriffe und Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Subjektive  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Rechte und Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Subjektive Rechte und Rechtsgüter als Bestandteil des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Erfordernis eines öffentlichen Interesses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Normativer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 b) Ungeschriebene Voraussetzung polizeilichen Handelns? . . . . . . . 31 c) Öffentliches Interesse als notwendige Folge einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 d) Öffentliches Interesse keine Voraussetzung polizeilichen Han­ delns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Begründung des Erfordernisses eines öffentlichen Interes­ ses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 bb) Entbehrlichkeit eines Abgrenzungskriteriums . . . . . . . . . . . . 34 cc) Ungeeignetes Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Praktische Bedeutung subjektiver Rechte und Rechtsgüter als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Kapitel

Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln 

A. Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechtliche Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prinzip der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ausgangslage für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 41 43 47

10 Inhaltsverzeichnis B. Die Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Terminologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normativer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes . . . . 2. Normative Unterschiede in den Polizeigesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dogmatische Einordnung der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erweiterung polizeilicher Aufgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschränkung polizeilicher Aufgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Privatrechtsklauseln als Einschränkung der polizeilichen Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 BayPAG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Wortlaut der übrigen Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . c) Privatrechtliche Forderungen als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung auf trigonale Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Anwendbarkeit bei ordnungsbehördlichem Handeln  . . . . . . a) Die Privatrechtsklauseln als Ausdruck eines allgemeingültigen Rechtsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Auffassung von Dietlein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Privatrechtsklauseln als Einschränkung der ordnungsbe­ hördlichen Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begriff des privaten Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Ausschließlichkeitstheorie“ der allgemeinen Meinung . . . . b) Vormals vertretene abweichende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Konsequenzen der Ausschließlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zum Teilschutzgut der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sog. pönalisierte Privatrechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Privatklagedelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Antragsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbleibender Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 49 50 51 51 52 52 53

C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung . . . . . . . . . . . . . I. Die Weite der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispielsfälle und ihre Behandlung nach der Ausschließlichkeits­ theorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fall 1: Hausbesetzung/Wohnraummietstreitigkeiten . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . b) Fall 2: Verkehrswidrig abgestellte Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . c) Fall 3: Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht . . . . . . . . . .

75 75

54 54 55 56 57 57 58 59 59 60 63 63 67 69 69 70 71 72 74

76 77 77 77 79 79 79 83

Inhaltsverzeichnis11 aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . d) Fall 4: Äußerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . e) Fall 5: Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . f) Fall 6: Herausgabeanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . g) Fall 7: Vertragswidriger Gebrauch von Fahrzeugen . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . h) Fall 8: Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . i) Fall 9: Geistiges Eigentum  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . j) Fall 10: Schutz von finanziellen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . cc) Exkurs: Unterschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Fall 11: Verstoß gegen eine Benutzungsordnung . . . . . . . . . . . . . aa) Die Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie  . . . . . . . . . 2. Die fehlende Stringenz in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausdrückliche Abkehr von der Ausschließlichkeitstheorie . . . . . . b) „Konkludente“ Abkehr von der Ausschließlichkeitstheorie . . . . . c) Verkennen einer Gefahr für die objektive Rechtsordnung . . . . . . d) Anwendung der an sich unanwendbaren Privatrechtsklauseln . . . e) Außerachtlassung der einschlägigen Privatrechtsklausel . . . . . . . II. Die (übersehene) Relativität der Definition des privaten Rechts . . . . . . 1. Erfordernis einer konkreten Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Folgewidrigkeit der allgemeinen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erfordernis einer abweichenden Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wankelmütigkeit der allgemeinen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verkannte Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende Praktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

12 Inhaltsverzeichnis I.

Beschränkung des Anwendungsvorrangs auf Straftat- und Ordnungs­ widrigkeitstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historischer Ursprung der Ausschließlichkeitstheorie . . . . . . . . . . . . 2. Zum Scheitern verurteilter Ansatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subjektiver Tatbestand als notwendiges Korrektiv . . . . . . . . . . . . b) Ausschließlich individualschützende Ordnungswidrigkeiten . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Differenzierung zwischen Gefahr und Störung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Störungsbeseitigung als im Kern zivilrechtliche Auseinanderset­ zung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auffassung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts . . . . . . . . 3. Zum Scheitern verurteilter Ansatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unüberwindbare Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . b) Störungsbeseitigung kein sachgerechter Anknüpfungspunkt für einen Dispens des Subsidiaritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Behandlung von Privatklage- und absoluten Antragsdelikten . . . . . . . . . 1. Privatklagedelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Rechtfertigung einer gesonderten Behandlung . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Absolute Antragsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Rechtfertigung einer gesonderten Behandlung . . . . . . . . . . c) Bedeutungslosigkeit des Strafantrags für das präventiv-polizei­ liche Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Alleinige Relevanz des Strafantrags für die polizeiliche Störungsbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründung eines Antragserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Irrelevanz des Strafantragserfordernisses im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Auslegung der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern . . . . . . . . . b) Offener Wortlaut der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Begriff „Privat“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unergiebigkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs . . . . . . . . . . . . b) Die unergiebigen Definitionen der allgemeinen Meinung . . . . . . c) Identität von privaten und subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Unterschied nach der Definition der allgemeinen Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 115 117 118 119 121 121 122 124 125 126 127 128 129 129 129 131 133 133 134 134 135 136 137 138 139 140 141 141 141 142 143 144 144 144 146 147

Inhaltsverzeichnis13 bb) Zusammentreffen von privatem und subjektivem Recht . . . 147 cc) Subjektives Recht als Oberbegriff für subjektive private und subjektive öffentliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 dd) Subjektive öffentliche Rechte kein Bestandteil der öffent­ lichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Ergebnisse der grammatikalischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. Ausgangslage für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern . . . . . . . . . . . . 157 a) Unergiebigkeit der Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Das historische Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Zeitgenössische Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Zeitgenössische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Zeitgenössische parallele Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . 160 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Rechtsprechung des PrOVG als Ursprung des Begriffs des privaten Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 164 a) Der Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen nach dem PrOVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Das Subsidiaritätsprinzip unter Geltung des Preußischen Poli­ zeiverwaltungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Ergebnisse der historischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern . . . . . . . . . . . . 170 a) Differenzierung in den Legaldefinitionen der öffentlichen Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Kein einheitliches Begriffsverständnis in den Polizeigesetzen . . . 172 2. Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . 173 a) Keine Rangfolge der polizeilichen Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . 174 b) Kein Vorrang der polizeilichen Aufgabe der Straftatenverhütung  174 3. Ergebnisse der systematischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Die ratio legis der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Unvereinbarkeit des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechts­ ordnung mit der gesetzgeberischen Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Das grundlegende Missverständnis der allgemeinen Meinung . . . 179 b) Umgehungsmöglichkeit des ordentlichen Rechtswegs am Beispiel des Markenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Der kompetenzrechtliche Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Straftatenverhütung keine unbeschränkbare polizeiliche Aufgabe . . . 186 a) Subsidiaritätsprinzip als notwendige Begrenzung der polizei­ lichen Straftatenverhütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

14 Inhaltsverzeichnis b) Über das Subsidiaritätsprinzip hinweggegangene Entwicklung des Gefahrenabwehrrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Kongruenz zur strafprozessualen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . 190 4. Beachtung der grundrechtlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Gerichtlicher Schutz als Äquivalent zur polizeilichen Gefahren­ abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5. Unanwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips beim Schutz subjekti­ ver Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Kein „traditioneller Kernbereich“ richterlicher Aufgaben . . . . . . 195 b) Keine vorrangige Zuweisung des Schutzes subjektiver Rechts­ güter an die Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Hervorgehobene Bedeutung subjektiver Rechtsgüter . . . . . . . . . . 200 d) Widerspruch zum Erfordernis einer Glaubhaftmachung . . . . . . . . 204 6. Ergebnisse der teleologischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Kapitel

Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln 

211

A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Normativer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Antragserfordernis als ungeschriebene Voraussetzung? . . . . . . . . . . . . . 212 1. Unbedingtes Antragserfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Bedingtes Antragserfordernis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. Antragserfordernis als rechtslogische Notwendigkeit? . . . . . . . . . . . . 213 4. Länderspezifisch differenzierende Auffassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 5. Die Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 III. Argumente gegen ein unbedingtes Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Unmöglichkeit des Schutzes unbekannter Rechteinhaber . . . . . . . . . 216 a) Sicherstellung von Bargeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Die widersprüchliche Auffassung des OVG NRW . . . . . . . . . . . . 218 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Der Trugschluss eines unbedingten Antragserfordernisses . . . . . . . . . 220 a) Begründung eines unbedingten Antragserfordernisses . . . . . . . . . 220 b) Keine freiverantwortliche Entscheidung des Rechteinhabers . . . . 221 c) Verkürzung des Selbstbestimmungsrechts des Rechteinhabers . . 223 3. Maßgeblichkeit des mutmaßlichen Willens des Rechteinhabers . . . . 224 a) Rechtslage bei der Sicherstellung von Kraftfahrzeugen . . . . . . . . 224 b) Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . 225 aa) Polizeilicher Schutz subjektiver Rechte als fremdnützige Interessenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

Inhaltsverzeichnis15 bb) Keine Rechtfertigung einer abweichenden Behandlung der Sicherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Rechtslage in Baden-Württemberg und Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangslage: Die Polizei „zwischen Skylla und Charybdis“ . . . . . 2. Teleologische Reduktion als Korrektur einer vom Gesetz uner­ wünschten Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Teleologische Reduktion des Antragserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . a) Antragserfordernis als gesetzliche Fiktion eines fehlenden Schutzwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Rechtfertigung einer abweichenden Behandlung der Sicherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Vorrang der Sicherstellungsvorschriften . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Vermutung eines mutmaßlichen Einverständ­ nisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unauflösbarer Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übertragbarkeit der gesetzgeberischen Wertung bei der Sicher­ stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die widersprüchliche Auffassung des VGH BW . . . . . . . . . . . . . f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Exkurs: Bedeutung für den Anwendungsbereich der Privatrechtsklau­ seln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 227 228 228 228 229 229 230 231 232 233 234 236 238 238 239

B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. Rechtliche Möglichkeit eines gerichtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Die Auffassung von Kowalzik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Unerheblichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Unzulässiges polizeiliches Vorverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Unterschied zur zivilrechtlichen Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Unvereinbarkeit mit dem aufgabenbeschränkenden Charakter der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 d) Fehlende Rechtskenntnisse des Polizeivollzugsdienstes . . . . . . . . 246 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Unerreichbarkeit in zeitlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Die Diversität der Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Die Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts einer hypothetischen gericht­ lichen Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Maßgeblichkeit der Möglichkeit einer gerichtlichen Antragsstel­ lung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Rechtzeitig zur Abwehr der für das subjektive Recht bestehenden Gefahr  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Gerichtliche Entscheidung als Maßnahme der Gefahrenabwehr . 256

16 Inhaltsverzeichnis b) Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung als maßgeb­ licher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Irrelevanz der gerichtlichen Dienstzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unerreichbarkeit in tatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Identifizierungserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO . . . . . . . 2. Nicht identifizierbare Störer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unerheblichkeit von Verschuldensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Relevante Konstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzulässige Beschränkung des zivilprozessualen Dispositions­ grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ungerechtfertigte Sanktionierung des Rechteinhabers . . . . . . . . . . . . 4. Praktische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entscheidung des VGH BW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes als teleologische Reduk­ tion der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entbehrlichkeit einer teleologischen Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes keine hinreichende Bedingung der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung . . . . . . I. Oftmals übersehene Voraussetzung der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . 1. Bestandsaufnahme in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsverwirklichung als (gerichtliche) Durchsetzung des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ratio legis der gesetzlichen Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der gesetzlichen Voraussetzung bei der polizeilichen Störungsbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Begriff der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragbarkeit der zivilrechtlichen Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsumtion am Beispiel privatrechtlicher Forderungen . . . . . . . . . . . IV. Grenzen des gesetzlichen Abgrenzungskriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchsetzung des aus einem subjektiven Recht erwachsenden Anspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterlassungsanspruch als maßgeblicher Anknüpfungspunkt . . . . . . 3. Die Problematik bei Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Faktische Unmöglichkeit einer Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wesentliche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung . . . . .

258 260 261 261 262 264 266 267 267 268 269 269 269 270 271 271 274 275 275 275 277 279 280 281 281 282 282 283 283 285 285 285 287 288

Inhaltsverzeichnis17 b) Das Dilemma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 c) Aktualität der Problematik für die Ausschließlichkeitstheorie . . . 289 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 V. Teleologische Auslegung des Erfordernisses der Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Die zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Die Parallelproblematik im vorläufigen Rechtsschutz des Zivilpro­ zesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 3. Unzumutbarkeit der Rechtsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Vereitelung der Anspruchsdurchsetzung bei zeitgebundenen Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 b) Substanzbeeinträchtigung/Höhe des drohenden Schadens . . . . . . 297 c) Umgehung zivilprozessualer Vollstreckungsvorschriften . . . . . . . 298 aa) Die Entscheidung des VG Aachen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Bedenken gegen die Auffassung des VG Aachen . . . . . . . . . 299 cc) Indizieller Charakter des Blicks auf reguläres Vollstre­ ckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 d) Abgrenzung zum Unzumutbarkeitsbegriff des VGH BW . . . . . . 303 4. Exkurs: Bedeutung der Problematik für den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 VII. Verhältnis zu zivilrechtlichen Selbsthilferechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 1. Zurücktreten polizeilicher Befugnisse hinter zivilrechtliche Selbst­ hilferechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Unbeachtlichkeit etwaiger Selbsthilferechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung/Notwendigkeit einer Plausibilitätsprü­ fung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Glaubhaftmachung als ungeschriebene Voraussetzung der Privatrechts­ klauseln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Glaubhaftmachung als Voraussetzung eines Anspruchs auf polizei­ liches Einschreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Notwendigkeit einer polizeilichen Plausibilitätsprüfung . . . . . . . . . . . . . 311 1. Glaubhaftmachung als Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Gefahren­ prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Plausibilitätsprüfung als Äquivalent zur Glaubhaftmachung . . . . . . . 312 3. Bestehen eines subjektiven Rechts als Vorfrage der Gefahrenprog­ nose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4. Maßgeblichkeit der Perspektive ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

18 Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel

Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln 

317

A. (Entschließungs-)Ermessensreduzierung auf Null . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 B. Grundsätzliche Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsschutzermöglichende polizeiliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsschutzsichernde polizeiliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerstreitende verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befristung der polizeilichen Maßnahme bis zur Erreichbarkeit gerichtlichen Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kein abschließender Katalog polizeilicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . .

318 319 320 320

C. Ausnahmsweise Zulässigkeit von endgültigen Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . I. Endgültige Maßnahmen als Ersetzung des gerichtlichen Rechtsschut­ zes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtfertigung rechtsschutzersetzender polizeilicher Maßnahmen . . . . . 1. Relevante Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit endgültiger Maßnahmen zur Beendigung unzumut­ barer Rechtsbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eng auszulegende Ausnahmekonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Unbeachtlichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323

322 322

324 324 324 326 327 328 329

D. Die Problematik bei Unterlassungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Unmöglichkeit einer Differenzierung zwischen rechtsschutzsichernden und rechtsschutzersetzenden Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 II. Beschränkung auf vorläufige Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . 331 E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum zivilgerichtlichen Rechtsschutz  332 I. Die Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Beschränkung der Problematik auf rechtsschutzsichernde Maßnahmen . 332 III. Anleihe bei den Vorschriften zur polizeilichen Wohnungsverweisung  . 333 1. Wohnungsverweisung als Sonderfall rechtsschutzsichernder Maß­ nahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Übertragbarkeit des Regelungssystems auf die Privatrechtsklauseln . 335 a) Befristung der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 aa) Bemessung der Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 bb) Fristverlängerung bei Beantragung gerichtlichen Schutzes? . 336 cc) Keine Befristung eo ipso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Rechtsgestaltende Wirkung gerichtlicher Entscheidungen? . . . . . 338 aa) Wegfall der Rechtfertigung des polizeilichen Kompetenz­ übergriffs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 bb) Keine Unwirksamkeit eo ipso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Inhaltsverzeichnis19 IV. Polizeiliche Sicherungsmaßnahmen während des gerichtlichen Verfah­ rens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 1. Die Entscheidung des VG Karlsruhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. Fortbestand polizeilicher Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 V. Pflicht des Rechteinhabers zur Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 1. Die bejahende Auffassung des VG Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 2. Bedenken gegen die Auffassung des VG Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 VI. Verweis auf den Zivilrechtsweg – keine Problematik der Privatrechts­ klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 F. Terminologie: Eilfallzuständigkeit, Notzuständigkeit oder subsidiäre Zustän­ digkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Privatrechtsklauseln als zuständigkeitsregelnde Vorschriften . . . . . . . . . 346 II. Eilfallzuständigkeit statt subsidiärer Zuständigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . 347 III. Berechtigung der Bezeichnung als subsidiäre Zuständigkeit . . . . . . . . . 348 5. Kapitel

Ergebnisse der Untersuchung 

350

A. Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Die Ausschließlichkeitstheorie der allgemeinen Meinung . . . . . . . . . . . 350 II. Die hier vertretene Auslegung: Schutz subjektiver Rechte (nicht Rechtsgüter) ohne Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objek­ tiven Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 B. Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein ungeschriebenes Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen“ . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unerheblichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Unerheblichkeit von Verschuldensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert“ . . . . . IV. Kein Erfordernis der Glaubhaftmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351 352 352 353 353 353 354

C. Rechtsfolgen der Privatrechtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliche Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen . . . . . . . . . . . II. Ausnahmsweise Zulässigkeit endgültiger Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . III. Spannungsverhältnis zwischen rechtsschutzsichernden Maßnahmen und zivilgerichtlichem Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis einer Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen einer zivilgerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen eines anhängigen Verfahrens/Keine Pflicht zur Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

354 354 354 355 355 355 356 356

20 Inhaltsverzeichnis D. Bedeutung der Ergebnisse für die polizeiliche Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Hausbesetzung in Kerpen-Manheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes in tatsächlicher Hinsicht . . 2. Drohende Vereitelung des Räumungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Räumung des Hauses als unzulässige endgültige Maßnahme . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geiselnahme im Kölner Hauptbahnhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die dargestellten Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356 356 357 357 357 359 360 360

E. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Bezüglich der verwendeten Abkürzungen wird auf Hildebert Kirchner, Abkür­ zungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage 2021, verwiesen.

1. Kapitel

Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung A. Die Bedeutung des polizeilichen Schutzes subjektiver Rechteund Rechtsgüter in der Praxis – zwei Beispiele (1) Im Oktober 2018 besetzten Umweltaktivisten im Zuge der Proteste gegen die Rodung des Hambacher Forsts mehrere leerstehende Häuser in der Ortschaft Kerpen-Manheim, die unmittelbar an den Hambacher Forst und den Tagebau Hambach angrenzt. Kerpen-Manheim liegt im genehmigten Abbaugebiet des Tagebaus und soll deswegen vollständig abgerissen werden. Der Energiekonzern, in dessen Eigentum die besetzten Häuser standen, ging zunächst auf dem ordentlichen Rechtsweg gegen die Hausbesetzung vor. Nachdem das Landgericht (LG) Köln den Erlass einer einstweiligen Räu­ mungsverfügung wegen der unbekannten Identität der Umweltaktivisten ­abgelehnt hatte,1 stellte das Bergbauunternehmen Strafanzeige wegen Haus­ friedensbruchs gegen Unbekannt. Daraufhin räumte die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines mehrtägigen Einsatzes unter erhebli­ chem Personalaufwand die besetzten Häuser und leitete gegen die Besetzer Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs ein.2 (2) Ebenfalls im Oktober 2018 ereignete sich am Kölner Hauptbahnhof eine Geiselnahme. Nachdem der Geiselnehmer zunächst einen sog. Molo­ towcocktail in einem Schnellrestaurant im Hauptbahnhof entzündet hatte, flüchtete er in eine gegenüberliegende Bahnhofsapotheke und brachte dort eine Mitarbeiterin der Apotheke in seine Gewalt. Er überschüttete seine Gei­ sel mit Brandbeschleuniger und befestigte mit Klebeband mehrere Gaskartu­ schen an ihrem Körper. Zum Schutz der Geisel verschaffte sich eine Einheit der GSG 93 Zutritt zum Hauptbahnhof und konnte den Geiselnehmer durch

1  LG

Köln, B ­ eschl. v. 22.10.2018 – 5 O 410/18 –, juris-Rn. 14 f.

2  https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-10/verwaltungsgericht-aachen-

hambacher-forst-raeumung-besetztes-haus-polizei, Die Zeit, Artikel vom 26.10.2018 (zuletzt abgerufen am 02.06.2022). 3  Bei der GSG 9 (= Grenzschutzgruppe 9) handelt es sich um eine Spezialeinheit der Bundespolizei, siehe Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, C Rn. 70.

22

1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

den Gebrauch von Schusswaffen kampfunfähig machen. Die Geisel wurde gerettet.4

B. Gegenstand der Untersuchung Beiden eingangs dargestellten Beispielen ist gemeinsam, dass die Polizei jeweils präventiv auf der Grundlage des Polizeigesetzes Nordrhein-West­ falens5 zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter tätig geworden ist. Während im ersten Beispiel der Schutz des Eigentums des Energiekonzerns an den Häusern bzw. die Durchsetzung des Hausrechts Zweck des Polizeiein­ satzes war, handelte die Polizei im zweiten Beispiel zum Schutz des Lebens bzw. der körperlichen Unversehrtheit der in der Gewalt des Geiselnehmers befindlichen Person. Wer sich an dieser Stelle vor Augen führt, dass beide Einsätze nahezu zeitgleich in einer Entfernung von nur rund 35 km zueinan­ der stattgefunden haben, dem wird deutlich, dass der Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter zweifellos zum Alltag präventiv-polizeilicher Tätig­ keit gezählt werden muss. Der polizeiliche Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter, durch den der Staat den ihn treffenden grundrechtlichen Schutzpflichten nachkommt, muss dabei von vornherein im Spannungsverhältnis zum rechtsstaatlichen Prinzip der Gewaltenteilung stehen. Denn grundsätzlich obliegt der Schutz subjekti­ ver Rechte und Rechtsgüter allein den ordentlichen Gerichten. Diese muss der Bürger anrufen, wenn – wie in den beiden Beispielsfällen – durch das Handeln anderer Bürger seine subjektiven Rechte und Rechtsgüter verletzt bzw. gefährdet werden. Dass dieses Spannungsverhältnis zwischen polizei­ lichem und gerichtlichem Schutz immer noch nicht hinreichend geklärt er­ scheint und eine Reihe rechtlicher Fragen aufwirft, wird auch anhand der beiden Beispielsfälle deutlich. 4  https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-10/koeln-hauptbahnhofanschlag-geiselnahme-ermittlung, Die Zeit, Artikel vom 16.10.2018 (zuletzt abgeru­ fen am 02.06.2022). 5  Obgleich die Gefahrenabwehr für den Bereich der Bahnanlagen gemäß § 1 Abs. 2 und 5, § 3 Abs. 1 BPolG in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei fällt, findet der polizeiliche Zugriff seine Rechtsgrundlage in dem Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. Denn die gefahrenabwehrrechtliche Zuständigkeit der Bundes­ polizei ist gemäß § 1 Abs. 7 BPolG auch für den Bereich der Bahnanlagen auf die Abwehr sog. eisenbahnspezifischer Gefahren beschränkt, während es für die – hier in Rede stehende – allgemeine Gefahrenabwehr bei der Zuständigkeit der jeweiligen Landespolizei verbleibt, hierzu Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BPolG, § 1 Rn. 23 f. Die polizeilichen Befugnisse richten sich hierbei auch dann nach dem jewei­ ligen Landesrecht, wenn die Bundespolizei – wie vorliegend der Fall – im Wege der Amtshilfe für die Landespolizei tätig wird, siehe § 65 Abs. 1 BPolG sowie § 9 Abs. 3 POG NRW.



C. Gang der Untersuchung23

Bei dem Beispiel der Räumung der besetzten Häuser drängt sich etwa die Frage auf, ob das Land Nordrhein-Westfalen tatsächlich auf Kosten des Steu­ erzahlers für den Energiekonzern „in die Bresche springen“ durfte, nachdem dieser vor dem ordentlichen Gericht mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Räumungsverfügung gescheitert war. Dies gilt umso mehr, als jeder Vermieter, der zeit- und kostenaufwendig gegen einen wirksam gekün­ digten Mieter prozessieren muss, gewiss froh wäre, wenn er die Räumung der Mietwohnung ebenfalls unbürokratisch und kostenlos durch einen Anruf bei der örtlichen Polizeibehörde erledigen könnte. Im zweiten Beispiel hin­ gegen scheint außer Frage zu stehen, dass die Polizei zur Rettung der in der Gewalt des Geiselnehmers befindlichen Person berechtigt war. So eindeutig dieser Befund auf den ersten Blick auch scheinen mag, umso schwieriger fällt die Begründung dieser differenzierten Bewertung. Lässt sich eine diver­ gierende Behandlung der beiden Konstellationen damit rechtfertigen, dass die im Beispiel der Geiselnahme bedrohten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit zweifellos gegenüber dem bei einer Hausbeset­ zung gefährdeten Eigentum bzw. Hausrecht als höherwertig einzustufen sind? Spielt es eine Rolle, dass der bei einer Hausbesetzung regelmäßig einschlägige Straftatbestand des Hausfriedensbruchs als absolutes Antragsde­ likt (§ 123 Abs. 2 StGB) sowie als Privatklagedelikt (§ 374 Abs. 1 Nr. 1 StPO) ausgestaltet ist? Oder verbietet sich eine unterschiedliche Behandlung der beiden Beispielsfälle schon deshalb, weil die Polizei jeweils neben dem Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter zugleich auch zur Verhütung von Straftaten tätig geworden ist und somit schlichtweg eine ihr originär zuge­ wiesene Aufgabe erfüllt hat? Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung des polizeilichen Schutzes subjektiver Rechte und Rechtsgüter und der Vielzahl der sich auf­ drängenden rechtlichen Fragen muss verwundern, dass die in Rede stehende Thematik wissenschaftlich bisher kaum6 Beachtung gefunden hat. Mit der vorliegenden Arbeit soll der Versuch unternommen werden, diesem missli­ chen Umstand abzuhelfen.

C. Gang der Untersuchung Einleitend sind im ersten Kapitel zunächst einige terminologische Klarstel­ lungen vorzunehmen und es gilt zu klären, welche Rechtspositionen genau unter das Begriffspaar subjektive Rechte und Rechtsgüter zu subsumieren sind. Weiterhin soll in diesem Zusammenhang auf Einzelfragen hinsichtlich 6  Bereits an dieser Stelle soll auf die Untersuchung von Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten im allgemeinen Polizeirecht, 1987, hingewiesen werden.

24

1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

der Stellung subjektiver Rechte und Rechtsgüter als Teilbestandsteil des po­ lizeilichen Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit eingegangen werden. Der Hauptteil der Untersuchung gliedert sich in drei Kapitel, in denen der Frage nachgegangen werden soll, inwieweit die Polizei zum Schutz subjekti­ ver Rechte und Rechtsgüter befugt ist. Wegen des Prinzips der Gewaltentei­ lung obliegt deren Schutz nämlich grundsätzlich den ordentlichen Gerichten und nicht der Polizei. Nur ausnahmsweise darf die Polizei einer gerichtlichen Entscheidung vorweggreifen und selbst zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter tätig werden. Wann ein polizeiliches Tätigwerden zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter zulässig ist, bestimmt sich nach den sog. Privatrechtsklauseln7, deren eingehende Behandlung den Kern der Untersu­ chung darstellt. Zentraler Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem An­ wendungsbereich der Privatrechtsklauseln, der von der allgemeinen Meinung traditionell eng verstanden wird. Welche Konsequenzen die dahingehende Auslegung der Vorschriften für die Reichweite der polizeilichen Befugnis mit sich bringt, soll im zweiten Kapitel untersucht werden. Wie im Einzelnen darzulegen sein wird, geben die gewonnen Erkenntnisse hierbei Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung und machen es letztendlich erforderlich, den Anwendungsbereich der Vorschriften abwei­ chend von der traditionellen Lesart neu zu bestimmen. Nachdem herausgear­ beitet wurde, in welchen Fällen die polizeilichen Befugnisse an den Privat­ rechtsklauseln zu messen sind, gilt es im dritten Kapitel sodann deren Voraus­setzungen näher zu betrachten. Hierzu werden sowohl die vom Gesetz expressis verbis aufgestellten Voraussetzungen als auch diejenigen, die bis­ weilen in die Privatrechtsklauseln hineingelesen werden, einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Im vierten Kapitel ist schließlich auf die Frage einzugehen, welche Maßnahmen die Polizei treffen darf, sofern sie in Eröff­ nung der Privatrechtsklauseln tätig wird. Besonderes Augenmerk soll in die­ sem Kontext auf das Verhältnis polizeilicher Maßnahmen zu einem etwaigen, vom Berechtigten gegen den Störer parallel eingeleiteten, zivilgerichtlichen (Eil-)Verfahren gelegt werden. Im fünften Kapitel werden die gefundenen Ergebnisse schließlich zusam­ mengefasst und einer kritischen Würdigung unterzogen. Die Untersuchung orientiert sich am Polizeigesetz des Landes Nordrhein­ Westfalen, kann jedoch für die Polizeigesetze der anderen Länder sowie das 7  Als Privatrechtsklauseln sollen in dieser Untersuchung die in allen Polizeigeset­ zen enthaltenen Vorschriften zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter bezeich­ net werden; ebenfalls gebräuchlich ist die Bezeichnung Subsidiaritätsklausel; einge­ hend zur Terminologie noch im zweiten Kapitel unter B.I.



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter25

Bundespolizeigesetz gleichermaßen herangezogen werden. Soweit sich in einzelnen Gesetzen Abweichungen zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen ergeben, wird auf diese stets gesondert eingegangen.8

D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter Unter das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit wird nach heute einhelli­ ger Meinung neben den anderen beiden Teilschutzgütern der Unverletzlich­ keit der objektiven Rechtsordnung und dem Bestand des Staates sowie seiner Einrichtungen und Veranstaltungen auch die Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen subsumiert.9 Teilweise hat diese Defi­ nition der öffentlichen Sicherheit sogar Einzug in die Polizei- und Ordnungs­ gesetze erhalten.10 Was dabei genau unter subjektiven Rechten bzw. Rechts­ gütern zu verstehen ist, muss im Folgenden näher beleuchtet werden. Denn ersichtlich sind diesbezügliche terminologische Klarstellungen sowie die Denotation dieses Begriffspaars von elementarer Bedeutung für die weitere Untersuchung.

I. Begriffe und Terminologie Inhaltlich besteht Einigkeit, welche Rechtspositionen unter das Teilschutz­ gut der subjektiven Rechte und Rechtsgüter im Sinne der öffentlichen Sicher­ heit zu subsumieren sind. So werden in Literatur und Rechtsprechung regel­ 8  Eine länderübergreifende Darstellung sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass für viele der (Landes-)Gesetze in der polizeirechtlichen Literatur keine einheit­ liche Bezeichnung bzw. Abkürzung existiert. Um das Auffinden der einzelnen Nor­ men zu erleichtern, werden im Rahmen dieser Darstellung ausschließlich die amtli­ chen Überschriften der jeweiligen Gesetze respektive deren amtliche Abkürzung (ggf. i. V. m. einer aussagekräftigen Abkürzung des Landesnamens) verwendet. Beim ehe­ maligen Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) ist zu beachten, dass dessen amtliche Überschrift nunmehr „Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG)“ lautet, siehe Änderungsgesetz vom 20.05.2019 (Nds. GVBl. Nr. 8/2019, S. 88). Das ehemalige Sächsische Polizeigesetz wiederum heißt nunmehr „Sächsisches Polizeivollzugsdienstgesetz (SächsPVDG)“, siehe Gesetz zur Neustrukturierung des Polizeirechtes des Freistaates Sachsen vom 11. Mai 2019 (SächsGVBl. S. 358), das durch Artikel 10 des Gesetzes vom 22. Au­ gust 2019 (SächsGVBl. S. 663) geändert worden ist. 9  BVerwG, Urt. v. 28.03.2012 – 6 C 12.11 –, BVerwGE 143, 74, 79; Kingreen/ Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 2; Schenke, Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 53; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 79; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 244. 10  § 3 Nr. 1 SOG LSA; 54 Nr. 1 ThürOBG; § 2 Nr. 2 BremPolG (ohne „Bestand des Staates“).

26

1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

mäßig beispielhaft in Anlehnung an die amtliche Begründung zu § 14 PrPVG11 das Leben, die Gesundheit, die Freiheit, die Ehre und das Vermögen des Einzelnen12 sowie das Eigentum13 und schließlich vereinzelt noch der Besitz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Namensrecht und alle sonstigen Rechte14 genannt. Eine allgemeingültige Definition findet sich hingegen kaum. Erscheint eine solche auf dem Gebiet des Polizeirechts angesichts des insoweit bestehenden Konsenses auch nicht zwingend erforderlich, so ist sie für die folgende Untersuchung gleichwohl unentbehrlich. 1. Subjektive Traditionell dient die Klassifizierung eines Rechts oder Rechtsguts als „subjektiv“ der Abgrenzung zur objektiven Rechtsordnung. Während das objektive Recht die Gesamtheit aller Rechtsnormen darstellt15, ist unter ei­ nem subjektiven Recht die dem Einzelnen vom objektiven Recht als ein Mittel zur Wahrung seiner Interessen verliehene Rechtsmacht zu verstehen.16 Ein subjektives Recht ist mithin „die einem Subjekt durch eine Rechtsnorm zuerkannte Rechtsmacht, zur Verfolgung eigener Interessen von einem ande­ ren ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu fordern.“17 Ohne näher auf die zugrundeliegenden rechtstheoretischen Diskussionen eingehen zu wollen18, soll diese im Wesentlichen allgemein anerkannte19 Definition des subjektiven Rechts bzw. Rechtsguts auch vorliegend gebraucht werden.

11  „Als Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 14 gilt der Schutz von Schäden, die […] das Leben, die Gesundheit, Freiheit, Ehre oder das Vermögen des einzelnen bedrohen […]“; abgedruckt bei Scheer/Trubel, PrPVG, II.2 (S. 102). 12  So etwa Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 80; Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 53; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 435; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 26, der indes zusätzlich zur Ge­ sundheit noch die körperliche Unversehrtheit aufzählt. 13  BVerfG, ­Beschl. v. 14.05.1985 – 1 BvR 233, 341/81 –, BVerfGE 69, 315, 352; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 13. 14  Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 18. 15  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 61. 16  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 63. 17  Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2. 18  Siehe nur Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977. 19  Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 63; Muthorst, Grundlagen der Rechts­ wissenschaft, § 13 Rn. 49 f.; siehe auch Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 20 Rn. 1 f.; sowie die Definitionen bei Köbler, S. 351, unter Recht, subjektives; und Creifelds, unter subjektives Recht.



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter27

2. Rechte und Rechtsgüter Die früher in Literatur und Rechtsprechung gleichermaßen anerkannte Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern wird mittlerweile zu­ nehmend aufgegeben. Die größte Relevanz hatte die Unterscheidung zwi­ schen Rechten und Rechtsgütern stets auf dem Gebiet des Zivilrechts, na­ mentlich im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB.20 Traditionell wurden in Anleh­ nung an die enumerative Aufzählung in § 823 Abs. 1 BGB das Leben, der Körper, die Gesundheit und die Freiheit als Rechtsgüter angesehen, wohinge­ gen das Eigentum als klassisches Beispiel für ein Recht verstanden wurde.21 Seit mit Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sonstigem Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB der praktisch bedeutsamste Anwen­ dungsfall dieser Differenzierung entfallen ist, wird eine Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern in diesem Zusammenhang für entbehr­ lich erachtet22 bzw. beide Begriffe finden ohne nähere Erläuterungen syno­ nyme Verwendung.23 Infolgedessen kann nicht überraschen, dass auch auf dem Gebiet des Polizeirechts, auf dem ohnehin bisher kein Grund für eine solche Differenzierung erkannt wurde, die Begriffe Recht und Rechtsgut ohne Weiteres synonym gebraucht werden. Dies gilt sowohl für die polizei­ rechtliche Literatur24 als auch die einschlägige Rechtsprechung.25

20  Siehe nur BGH, Urt. v. 20.12.1952 – II ZR 141/51 –, BGHZ 8, 243; eingehend auch Lehning, Die Rechte und Rechtsgüter des § 823, Abs. 1 BGB, 1934, zur damals herrschenden Meinung. 21  So schon die Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, Band II, S. 728. 22  Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. A 14. 23  Katzenmeier, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, § 823 Rn. 62; Förster, in: Bamber­ ger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 823 Rn. 143; siehe auch Köbler, S. 358, unter Rechtsgut. 24  Siehe nur Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 25: „Individualrechtsgüter, also die subjektiven Rechte und Rechtsgüter […]“; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 60: „private Rechte sind […] als sonstige Individualrechtsgüter […]; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 47: „Die privaten Rechte […] sind angesichts des strafrechtlichen Schutzes privater Rechtsgüter […] im Wesentli­ chen privatrechtliche Ansprüche“; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 84: „aus­ schließlich privatrechtlich anerkannte Rechtsgüter (sog. ‚private Rechte‘)“; Hervorhe­ bungen jeweils nur hier; ähnlich auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54; lediglich Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, unterscheidet im Rahmen einer Begriffserläuterung zwischen Rechtsgütern und Rechten (S. 54), scheint aus dieser sprachlichen Differenzierung indes keine unterschiedlichen Rechtsfolgen im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln zu ziehen (S. 34 ff.). 25  Siehe OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 49, welches das Eigentum als Rechtsgut bezeichnet: „[…] denn Schutzgut der öffentlichen Sicher­ heit sind alle Individualrechtsgüter und damit auch das Eigentum“; ebenso VG Min­

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1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

Dieser terminologischen Nivellierung soll hier nicht gefolgt werden. Mag im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB in der Tat kein Bedürfnis (mehr) für eine solche Differenzierung bestehen, ist diese auf dem Gebiet des Polizeirechts gleichwohl beizubehalten respektive – sofern sie nie vorgenommen worden sein sollte – einzuführen. Denn allein der Umstand, dass Rechte und Rechts­ güter innerhalb des § 823 Abs. 1 BGB hinsichtlich ihrer Rechtsfolge nun­ mehr gleich behandelt werden, vermag den zwischen ihnen bestehenden Unterschied nicht zu negieren. Das Erfordernis einer solchen Differenzierung ergibt sich dabei – wie noch herauszuarbeiten sein wird – aus dem Wortlaut der sog. Privatrechtsklauseln der verschiedenen Polizeigesetze, in denen al­ lein von Rechten, nicht aber von Rechtsgütern die Rede ist. Um der einge­ henden Untersuchung der Privatrechtsklauseln nicht vorzugreifen, ist diesbe­ züglich jedoch auf die entsprechenden Ausführungen im zweiten Kapitel zu verweisen.26 An dieser Stelle soll es insoweit bei der nachfolgenden Erläute­ rung des zwischen Rechten und Rechtsgütern bestehenden Unterschieds sein Bewenden haben. Der Erläuterung vorangestellt bleibt indessen ausdrücklich klarzustellen, dass eine auch nur annähernd erschöpfende Darstellung der Begriffsge­ schichte von Rechtsgütern und Rechten im Rahmen dieser polizeirechtlichen Untersuchung weder möglich noch zielführend ist. Dies gilt umso mehr, als die Begriffsentwicklung in Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichem Recht keineswegs parallel verlief. Schon deswegen muss deren Nachzeichnung unbedingt gesonderten Untersuchungen vorbehalten bleiben.27 Obschon es nahe­ läge, sich hinsichtlich der Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern bei den einschlägigen Untersuchungen auf dem Gebiet des öf­ fentlichen Rechts zu bedienen28, soll im Folgenden die auf dem Gebiet des Zivilrechts entwickelte Unterscheidung zugrunde gelegt werden. Begründen lässt sich diese auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinende Anleihe mit dem – noch aufzuzeigenden29 – privatrechtlichen30 Bezug der behandelten Thematik.31 den, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn. 23: „[…] die vom Kläger geltend gemachten Rechtsgüter Leib und Leben sowie Eigentum.“ 26  Siehe zweites Kapitel unter E. 27  Siehe im Hinblick auf das öffentliche Recht: Löffler, Rechtsgut als Verfassungs­ begriff?, 2017; hinsichtlich des Strafrechts: Marx, Zur Definition des Begriffs ‚Rechtsgut‘, 1972. 28  Hierzu insbesondere Schulte, Rechtsgutsbegriff und Öffentliches Recht, 1980. 29  Siehe zweites Kapitel unter A.II. 30  Bei den Begriffen Privat- und Zivilrecht respektive privatrechtlich und zivil­ rechtlich handelt es sich um Synonyme, Säcker, in: MüKo, BGB, Einl. BGB Rn. 1. 31  Siehe Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 6, der in der Thematik zutreffend die Schnittstelle zwischen öffentlichem und Privatrecht sieht;



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter29

Aus zivilrechtlicher Perspektive kann von einem Recht allein dann gespro­ chen werden, sofern zwischen dessen Träger (dem Rechtssubjekt) auf der einen und dessen Bezugsgegenstand (dem Rechtsobjekt) auf der anderen Seite differenziert zu werden vermag.32 Aus der notwendigen Differenzie­ rung zwischen Rechtssubjekt einerseits und Rechtsobjekt andererseits folgt sogleich, dass dann kein Recht vorliegen kann, wenn Rechtssubjekt und Rechtsobjekt untrennbar miteinander verbunden sind.33 Entscheidendes Ab­ grenzungskriterium zwischen Rechtsgütern und Rechten ist mithin die Über­ tragbarkeit von Letzteren. Da das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Gesundheit und die Freiheit nicht übertragbar sind, handelt es sich bei diesen demnach um subjektive Rechtsgüter und nicht um subjektive Rechte.34

Baur, JZ 1962, 73, 78, spricht insoweit von einem „Grenzgebiet des öffentlichen und bürgerlichen Rechts“. 32  Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, § 73 Rn. 1. 33  Zur Übertragbarkeit als maßgeblichem Abgrenzungskriterium Hager, in: Stau­ dinger, § 823 BGB, Rn. A 14; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1558. 34  v. Caemmerer, gesammelte Schriften, I, 554, 555, 561, der insoweit von „Le­ bensgütern“ spricht; Larenz/Canaris, Schuldrecht, II.2, § 76 I.1.a). (S. 374); Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn. 1558: „Persönlichkeitsgüter“; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 230 f. und 245; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 607; Steffen, in: RGRK BGB, II.5., § 823 Rn. 4; Spickhoff, in: Soergel, BGB, § 823 Rn. 58; Peifer, Gesetzliche Schuldverhältnisse, § 3 Rn. 3; Wandt, Gesetzliche Schuldverhält­ nisse, § 16 Rn. 2; Wagner, Deliktsrecht, 5. Kap. Rn. 41 f.: Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit als „personengebundene Rechtsgüter“ und Rn. 50: „§ 823 Abs. 1 [BGB] schützt neben den genannten persönlichen Rechtsgütern weiterhin das Eigentum und sonstige Rechte“; so auch Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 59; Hed, Grundriß des Schuldrechts, S. 449 f.; RG, Urt. v. 26. 10. 1909 – VII 580/08 –, RGZ 72, 128, 130; RG, Urt. v. 27.02.1904 – I 418/03, RGZ 58, 24, 28; RG, Urt. v. 29.05.1902 – VI 50/2 –, RGZ 51, 369, 372 f.; Rechte und Rechtsgüter zumindest ge­ sondert aufführend, BGH, Urt. v. 20.01.1981 – VI ZR 162/79 –, BGHZ 80, 25, 27; siehe auch BGH, B ­ eschl. v. 26.02.2014 – XII ZB 373/11 –, juris-Rn. 13, zur „entspre­ chenden Anwendung des § 1004 BGB auf die in § 1 GewSchG genannten – wie das Eigentum absolut geschützten – Rechtsgüter des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit“, Hervorhebung nur hier; der Gesetzgeber selbst bezeichnet in der amtlichen Begründung des Gewaltschutzgesetzes die Schutzgüter des § 1 GewSchG Körper, Gesundheit und Freiheit zunächst als von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsgüter, nur um unmittelbar darauf den sich bei einer drohenden Verletzung von Körper, Ge­ sundheit und Freiheit ergebenden Unterlassungsanspruch mit einer analogen Anwen­ dung des § 1004 BGB auf „die anderen in § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechte“ zu begründen, BT-Drucks. 14/5429, S. 12, Hervorhebung nur hier; in einem Entwurf für eine Neufassung des § 823 BGB wurde innerhalb des ersten Absatzes explizit zwischen den in Satz 1 genannten Rechtsgütern und den in Satz 2 aufgeführ­ ten Rechten unterschieden, hierzu Nipperdey, NJW 1967, 1985, 1986; zur Unterschei­ dung von Rechten und Rechtsgütern siehe schließlich auch Peukert, Güterzuordnung als Rechtsprinzip, S. 249, m. w. N.

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1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

Eine Abgrenzung zwischen subjektiven Rechten und Rechtsgütern einer­ seits und individuellen Rechten und Rechtsgütern andererseits soll demge­ genüber nicht erfolgen, da es sich bei diesen Bezeichnungen lediglich um Synonyme handelt.35 Ob subjektive Rechte schließlich auch den in den Pri­ vatrechtsklauseln der Polizeigesetze genannten privaten Rechten gleichzuset­ zen sind, bedarf eingehender Erläuterungen, sodass an dieser Stelle wiederum auf die entsprechenden Ausführungen im zweiten Kapitel zu verweisen ist.36

II. Subjektive Rechte und Rechtsgüter als Bestandteil des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit Im Folgenden ist der Blick auf die sich bei der Subsumtion subjektiver Rechte und Rechtsgüter unter das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erge­ benden Besonderheiten zu werfen. 1. Erfordernis eines öffentlichen Interesses? Obzwar – wie bereits dargelegt wurde – dahingehend Einigkeit besteht, dass unter das polizeiliche Schutzgut der öffentlichen Sicherheit die subjek­ tiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen zu subsumieren sind, besteht im Detail gleichwohl Streit darüber, inwieweit der Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter von der polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr erfasst ist. Namentlich ist umstritten, ob der Schutz subjektiver Rechte und Rechts­ güter nur dann zum Aufgabenkreis der Polizei zu zählen ist, wenn ein öffent­ liches Interesse an deren Schutz besteht. Innerhalb des dies bejahenden Standpunkts bestehen insoweit unterschiedliche Auffassungen darüber, wann ein öffentliches Interesse angenommen werden kann und welche Abgren­ zungsfunktion diesem Kriterium hierbei zukommen soll. a) Normativer Befund Die Polizeigesetze von 15 Ländern ebenso wie das Bundespolizeigesetz weisen der Polizei unabhängig von weiteren Voraussetzungen die allgemeine Aufgabe zu, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuweh­

35  Siehe nur Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 3: „subjektive Rechte und Rechtsgüter“, § 10 Rn. 18: „individuelle Rechte und Rechtsgüter“, § 10 Rn. 28: „Individualgüter“; beide Begriffe synonym verwendend auch Gusy, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 79: „subjektive Rechte und Rechtsgüter“, Rn. 84: „Individualrechts­ güter“. 36  Siehe zweites Kapitel unter E.I.2.c).



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter31

ren.37 Lediglich in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW38 findet sich die Einschrän­ kung, wonach die Gefahrenabwehr nur dann polizeiliche Aufgabe ist, „soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist“. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf den Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter erfolgt dabei nicht. Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses wird ausweislich des Wortlauts der genannten Norm vielmehr generell zur Voraussetzung gefahrenabwehrrecht­ licher Tätigkeit der Polizei gemacht. Ob der Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW jedoch tatsächlich eine inhaltliche Bedeutung zukommt39 oder sich ihre Funktion allein in einer Klarstellung erschöpft40, wird dabei unterschiedlich beurteilt. Des Weiteren findet sich der Begriff des öffentlichen Interesses in der Generalklausel des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. So kann die Polizei nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayPAG eine Maßnahme nach der General­ klausel „insbesondere dann treffen, wenn sie notwendig ist, um […] Zustände zu beseitigen, […] die Sachen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen.“ Da es sich bei dem in Art. 11 Abs. 2 BayPAG aufgeführten Maßnahmenkatalog jedoch lediglich um eine beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung von Maßnahmen handelt, die typischerweise auf die Generalklausel gestützt werden können41, kommt der Vorschrift keine eigenständige Bedeutung zu, sodass sie nachfolgend außer Betracht bleiben kann. b) Ungeschriebene Voraussetzung polizeilichen Handelns? Unabhängig vom normativen Befund wird das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Gefahrenabwehr von einer verbreiteten Auffassung zur un­ geschriebenen Voraussetzung präventiv-polizeilichen Handelns erhoben, so­ weit die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter tätig wird.42 Zur Begründung wird angeführt, dass die Polizei von vornherein eben nur

37  Siehe

beispielhaft § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW (= § 1 Abs. 1 ME PolG). § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG enthielt noch eine dahin lautende Einschrän­ kung, wohingegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SächsPVDG die polizeiliche Gefahrenab­ wehr nicht mehr unter dem Vorbehalt eines öffentlichen Interesses steht. 39  So VGH BW, ­ Beschl. v. 10.06.2011 – 1 S 915/11 –, juris-Rn. 20; wohl auch Trurnit, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 1 Rn. 51 f. 40  Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Auflage 2005, Rn. 426. 41  Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 75 spricht inso­ weit zutreffend von „Regelbeispielen“. 42  Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1.3.5.2.1; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 82; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 442. 38  Auch

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1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

für den Schutz der öffentlichen Sicherheit zuständig sei.43 Anstelle einer all­ gemeinen Definition des öffentlichen Interesses werden von den Vertretern dieser Auffassung allein die Konstellationen geschildert, in denen das Vorlie­ gen eines solchen zu bejahen sei. Diese variieren hierbei zum Teil erheblich. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH BW)44 und Muckel45 nehmen zunächst ein öffentliches Interesse an, sofern die Rechte und Rechtsgüter einer unbestimmten Vielzahl von Personen bedroht seien. Schenke, Möller/Warg, Drews/Wacke/Vogel/Martens und Beljin/Micker46 grei­ fen diesen Ansatz auf und erweitern ihn insoweit, als sie ein öffentliches In­ teresse auch dann bejahen, wenn eine Einzelperson unabhängig von ihrer Identität als Repräsentant der Allgemeinheit gefährdet sei. Möller/Warg47 nennen zudem die Fälle, in denen neben den eigenen Rechten und Rechtsgü­ tern des Betroffenen auch solche Dritter gefährdet seien, sowie Situationen, in denen Kollektivrechtsgüter wie die öffentliche Wasserversorgung betroffen seien oder in denen sich die Gefährdung vor den Augen einer zumindest beschränkten Öffentlichkeit abspiele.48 Beljin/Micker49 führen ergänzend aus, dass sich das öffentliche Interesse auch aus den Schutzpflichten der Grund­ rechte ergeben könne. Knemeyer50 hingegen differenziert zwischen den be­ troffenen Rechtsgütern und Rechten und nimmt davon ausgehend bei Gefah­ ren für das Leben, die Gesundheit und die Freiheit stets ein öffentliches ­Interesse an; bei Gefahren für die Ehre, das Eigentum sowie das Vermögen sei ein solches hingegen nicht per se gegeben. Ähnlich nehmen denn auch Drews/Wacke/Vogel/Martens51 bei der Gefährdung von „hochwertigen Indi­ vidualgütern“ wie dem Leben und der Gesundheit ein öffentliches Interesse an einem polizeilichen Einschreiten an. Schließlich wird nach verbreiteter 43  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 56; Gusy, Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 81. 44  VGH BW, ­Beschl. v. 10.06.2011 – 1 S 915/11 –, juris-Rn. 23. 45  Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S.  84; ebenso scheinen Kingreen/Poscher, die ein öffentliches Interesse an der Gefahrenabwehr stets bejahen (dies., Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 16) von der Unanwendbarkeit der Privat­ rechtsklauseln auszugehen, sofern „viele Grundrechtsträger“ betroffen seien, dies., a. a. O., §  3 Rn.  42 f. 46  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 56; Möller/Warg, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 82; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S.  228 f.; Beljin/ Micker, JuS 2003, 556, 558. 47  So wohl auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 228, die inso­ weit von Rechtsgütern der „Gesamtheit der Bevölkerung“ sprechen. 48  Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 82. 49  Beljin/Micker, JuS 2003, 556, 558 f. 50  Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135. 51  Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S.  229  f.; siehe auch Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 84.



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter33

Meinung ein öffentliches Interesse angenommen, sofern mit der Gefahr für die subjektiven Rechte und Rechtsgüter zugleich ein Verstoß gegen Straf­ rechtsnormen einhergehe.52 c) Öffentliches Interesse als notwendige Folge einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Während die oben dargestellte Auffassung einst der herrschenden Meinung entsprach53, wird nunmehr ganz überwiegend der polizeiliche Schutz subjek­ tiver Rechte und Rechtsgüter nicht mehr vom Vorliegen eines öffentlichen Interesses abhängig gemacht. Soweit eine Begründung hierfür erfolgt, wird angeführt, dass bei einem Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ord­ nung stets ein öffentliches Interesse anzunehmen sei.54 Oftmals wird auf das Erfordernis eines öffentlichen Interesses indes nicht einmal mehr eingegan­ gen und die ehemals kontrovers diskutierte Streitfrage augenscheinlich als überholt angesehen.55 d) Öffentliches Interesse keine Voraussetzung polizeilichen Handelns Vor Beantwortung der Frage, ob der polizeiliche Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter unter dem Vorbehalt eines öffentlichen Interesses steht, sollte sich zunächst vor Augen geführt werden, in welchen Konstellationen das Kriterium nach den Vertretern der bejahenden Auffassung relevant wird und welche Abgrenzungsfunktion es hierbei erfüllen soll. Bereits darüber bestehen unterschiedliche Meinungen.

52  Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 14 Rn. 135; so auch Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.5.2.2; ebenfalls wohl auch VG Karlsruhe, B ­ eschl. v. 24.08.2004 – 6 K 2228/04 –, juris-Rn. 6 f. 53  Siehe die Nachweise bei Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S.  65 f. 54  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 16; Götz/Geis, Polizeiund Ordnungsrecht, § 10 Rn. 19; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 258; Walter, in: Dre­ wes/Malmberg/Walter, BPolG, § 1 Rn. 47; nach Denninger, in: Lisken/Denninger, 6. Auflage 2018, D. Rn. 30, liegt bei der Gefährdung von grundrechtlich geschützten Positionen aufgrund deren Charakter als Ausdruck einer „objektiven Wertordnung“ stets ein öffentliches Interesse vor. 55  Pünder, in: Ehlers/Fehling/Pünder, § 69 Rn. 90; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 27; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61 ff.; Heckmann, in: Becker/ Heckmann/Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 49 f.

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1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

aa) Begründung des Erfordernisses eines öffentlichen Interesses Während die Hauptfunktion des Erfordernisses eines öffentlichen Interes­ ses nach Schenke56 darin bestehen soll, bei Selbstgefährdungen ein polizei­ liches Handeln auszuschließen, dürfte die Funktion für Gusy57 in der Siche­ rung des Vorrangs gerichtlichen Schutzes liegen. Der VGH BW58 kombiniert diese Ansätze und erkennt in beiden Aspekten gleichermaßen die gesetzgebe­ rische Funktion des in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW expressis verbis normier­ ten Erfordernisses. Demgegenüber scheint Knemeyer59 die Funktion des öf­ fentlichen Interesses ausschließlich in der Sicherung der vorrangigen Zustän­ digkeit gerichtlichen Schutzes zu sehen, nimmt er doch gerade in den Suizid­ fällen als der typischen Selbstgefährdungskonstellation ob der Gefährdung des besonders hochwertigen Rechtsguts des Lebens stets ein öffentliches Interesse an einem polizeilichen Einschreiten an.60 Nach Kugelmann61 ­ schließlich soll mit Hilfe des Erfordernisses eines öffentlichen Interesses eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Polizei verhindert werden. bb) Entbehrlichkeit eines Abgrenzungskriteriums Zunächst ist den beiden ersten Begründungsansätzen entgegenzutreten. Weder in den Fällen einer Selbstgefährdung noch im Hinblick auf den Vor­ rang gerichtlichen Schutzes besteht ein Bedürfnis für eine Abgrenzung an­ hand des Kriteriums eines öffentlichen Interesses. In Selbstgefährdungsfällen stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit polizeilichen Einschreitens in­ sofern nicht mehr, als ein polizeiliches Verhindern des Selbstmordes mittler­ weile ohne Weiteres auf die entsprechenden Vorschriften zur Ingewahrsam­ nahme gestützt werden kann. Denn sämtliche Polizeigesetze erfassen nun­ mehr explizit auch die Situationen, in denen sich die betreffende Person 56  Schenke,

Polizei- und Ordnungsrecht, Fn. 55 zu Rn. 56. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81 und 91; so wohl auch Erbguth/Mann/ Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 442. 58  VGH BW, ­Beschl. v. 10.06.2011 – 1 S 915/11 –, juris-Rn. 20. 59  Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, § 14 Rn. 135 und 137. 60  Zu Selbstgefährdungen siehe auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenab­ wehr, S. 230, die das öffentliche Interesse in solchen Fällen schon deshalb als „nicht mehr begründungsbedürftig“ erachten, weil die für die Praxis wichtigsten Fälle ge­ setzlich normiert seien; zur mittlerweile in sämtlichen Polizeigesetzen enthaltenen Standardmaßnahme der Ingewahrsamnahme, die ein polizeiliches Einschreiten zur Abwehr von Selbstgefährdungen ermöglicht, siehe die Aufzählung in Fn. 62. 61  Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap Rn. 70, im Hinblick auf das in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW und vormals § 1 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG vorgesehene Erfordernis eines öffentlichen Interesses, wobei er bei Fehlen einer gesetzlichen Ko­ difikation indes wohl kein öffentliches Interesse zu verlangen scheint. 57  Gusy,



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter35

„erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet“.62 Von einem die freie Willensbestim­ mung ausschließenden Zustand kann dabei in den Suizidkonstellationen – zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Anscheinsgefahr – in aller Regel ausgegangen werden.63 Auch die übrigen Selbstgefährdungsfälle können mit Blick auf die freie Willensbestimmung des sich Selbstgefährdenden sachge­ recht gelöst werden, ohne dass es insoweit eines Rückgriffs auf ein öffent­ liches Interesse bedürfte.64 Was die Sicherung der vorrangigen Zuständigkeit der ordentlichen Ge­ richte zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter angeht, besteht eben­ falls keine Notwendigkeit eines Abgrenzungskriteriums. Sämtliche Polizeige­ setze enthalten mit den sog. Privatrechtsklauseln Vorschriften, in denen die begrenzte Zuständigkeit der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter zum Ausdruck kommt.65 Weshalb daneben in Gestalt des öffent­ lichen Interesses eine weitere – ungeschriebene – Privatrechtsklausel erfor­ derlich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Dies gilt auch für Baden-Württemberg, in dessen Polizeigesetz das Erfordernis eines öffentlichen Interesses Einzug in die gesetzliche Aufgabenzuweisung erhalten hat. Denn die in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW enthaltene Wendung „soweit es im öffentlichen Interesse 62  Art. 17 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG; § 30 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln; § 17 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG; § 13 Abs. 1 Nr. 1 SOG HH; § 32 Abs. 1 Nr. 1 HSOG; § 55 Abs. 1 Nr. 1 SOG M-V; § 18 Abs. 1 Nr. 1 NPOG; § 35 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW; § 14 Abs. 1 Nr. 1 POG RhPf; § 204 Abs. 1 Nr. 1 LVwG SH; § 1 Nr. 1 ThürPAG; 39 Abs. 1 Nr. 1 BPolG; § 13 Abs. 1 Nr. 1 ME PolG; in § 37 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA fehlt die Bezugnahme auf den die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand, dort heißt es lediglich „[…] zum Schutz der Personen gegen eine Gefahr für Leib oder Leben […], insbe­ sondere bei einer hilflosen Person“; § 33 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) PolG BW, § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BremPolG, § 22 Abs. 1 Nr. 1 SächsPVDG sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 SPolG stellen sogar expressis verbis auf die Verhinderung einer „Selbsttötung“ (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 SPolG und § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BremPolG: „sich töten will“) ab; zu der mit der Kodifikation der entsprechenden Vorschriften schwindenden Bedeutung des öf­ fentlichen Interesses unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung siehe schon Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 230. 63  Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 35 Rn.  6; Keller, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, § 35 Rn. 11. 64  Siehe hierzu Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 23 f.; Keller, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, § 35 Rn. 11. 65  § 2 Abs. 2 PolG BW; Art. 2 Abs. 2 BayPAG; § 1 Abs. 4 ASOG Bln; § 1 Abs. 2 BbgPolG; § 1 Abs. 2 BremPolG; § 1 Abs. 3 HSOG; § 1 Abs. 3 SOG M-V; § 1 Abs. 3 NPOG; § 1 Abs. 2 PolG NRW; § 1 Abs. 3 POG RhPf; § 2 Abs. 2 SächsPVDG; § 1 Abs. 2 SOG LSA; § 1 Abs. 3 SPolG; § 162 Abs. 2 LVwG SH; § 2 Abs. 2 ThürPAG; § 1 Abs. 4 BPolG; § 1 Abs. 2 ME PolG; § 3 Abs. 3 SOG HH nennt diesbezüglich nur die „Verwaltungsbehörden“, doch dürften die einschränkenden Voraussetzungen auch für das Handeln der Polizeibehörden gelten, siehe hierzu Denninger, in: Lisken/Den­ ninger, 6. Auflage 2018, D. Rn. 250.

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1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

geboten ist“ bezieht sich auf die Gefahrenabwehr generell und nicht allein auf den Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter. Angesichts dessen ver­ mag nicht zu überzeugen, dass das öffentliche Interesse dennoch ausschließ­ lich im Hinblick auf das polizeiliche Teilschutzgut subjektiver Rechte und Rechtsgüter von Bedeutung sein soll. Die dahingehende Auslegung unterstellt einen gesetzgeberischen Willen, der im Gesetz keinen Niederschlag gefunden hat. Hätte der baden-württembergische Landesgesetzgeber eine solche Be­ grenzung auf den Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter beabsichtigt, hätte vielmehr eine Normierung im Rahmen der Privatrechtsklausel (§ 2 Abs. 2 PolG BW) nahegelegen. Als beinahe entlarvend für die Entbehrlich­ keit einer Abgrenzung gerichtlicher und polizeilicher Befugnisse anhand des Kriteriums eines öffentlichen Interesses kann schließlich eine Entscheidung des VGH BW66 herangezogen werden. Prüft dieser doch unter dem Gesichts­ punkt des öffentlichen Interesses gerade die Voraussetzungen, die das Gesetz in § 2 Abs. 2 PolG BW expressis verbis an ein polizeiliches Einschreiten zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter stellt, nur um im Anschluss sodann die Unanwendbarkeit der Privatrechtsklausel ob des von ihm bejah­ ten öffentlichen Interesses festzustellen.67 Soweit Kugelmann68 die Ansicht vertritt, dass durch das in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW normierte Erfordernis eines öffentlichen Interesses eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Polizei verhindert werden solle, kann auch diesem Begründungsansatz nicht gefolgt werden. Denn auch das badenwürttembergische Polizeigesetz räumt der Polizei ein Entschließungsermes­ sen ein, sodass die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit allein noch keine Pflicht der Polizei zum Eingreifen zu begründen vermag.69 Inwie­ fern sich vor diesem Hintergrund ein Missbrauchspotential ergeben soll, ist nicht erkennbar.

66  VGH

BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris. BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 70 ff.; ausführlich zu die­ ser Entscheidung noch im dritten Kapitel unter B.V. Auch in einer anderen Entschei­ dung setzt der VGH BW das Erfordernis eines öffentlichen Interesses mit den Voraus­ setzungen der Privatrechtsklausel gleich und offenbart hierdurch, dass Ersterem kei­ nerlei eigenständige Funktion zukommen kann, siehe Urt. v. 08.05.2008 – 1 S 2914/07 –, juris-Rn. 31: „Diese Subsidiaritätsklausel hindert jedoch ein polizeiliches Tätigwerden nur dann, wenn es ausschließlich um den Schutz privater Rechte geht […]. Dies ist hier, wie soeben ausgeführt [es folgt eine Bezugnahme auf die Ausfüh­ rungen zu dem vom VGH BW angenommenen öffentlichen Interesse], nicht der Fall“. 68  Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap Rn. 70. 69  Trurnit, in: BeckOK, PolR BW, § 3 Rn. 13. 67  VGH



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter37

cc) Ungeeignetes Abgrenzungskriterium Doch selbst wenn das Bedürfnis nach einer Abgrenzung in den beiden genannten Konstellationen bestünde, vermöchte der Begriff des öffentlichen Interesses die gewünschte Differenzierung nicht zu leisten. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist zu unbestimmt, um im Einzelfall eine praktisch brauchbare Lösung zu ermöglichen. Die Fälle, in denen von den verschiede­ nen Vertretern ein öffentliches Interesse angenommen wird, divergieren zum Teil erheblich und lassen die fehlende Bestimmtheit des Begriffes dadurch offen zu Tage treten. Deutlich wird dies insbesondere anhand der verbreite­ ten Annahme, ein öffentliches Interesse liege vor, sofern eine Einzelperson unabhängig von ihrer Identität als Repräsentant der Allgemeinheit gefährdet sei.70 Diese Auffassung wirft unweigerlich die Frage auf, wann eine Einzel­ person nicht bloß als konkretes Individuum, sondern darüber hinaus als Re­ präsentant der Allgemeinheit gefährdet ist. Ist der prominente Fußballspieler, der durch die Polizei vor den gewalttätigen Anhängern einer rivalisierenden Fußballmannschaft geschützt wird, als Repräsentant der Allgemeinheit oder aufgrund seiner Prominenz als konkretes Individuum betroffen? Wie verhält es sich mit dem Staatsanwalt, der wegen der von ihm geführten Verfahren gegen kriminelle Familien-Clans unter polizeilichem Personenschutz steht – Repräsentant des Staates, der Allgemeinheit oder doch konkretes Indivi­ duum? Was ist mit dem Juweliergeschäft, welches im Rahmen des sog. Ob­ jektschutzes71 besondere Aufmerksamkeit bzw. besonderen Schutz durch die Polizei erfährt? Und kommt es bei einem umsturzgefährdeten Baum tatsäch­ lich darauf an, ob er auf eine allgemein zugängliche Straße zu stürzen droht oder lediglich ein Sturz auf das umfriedete Grundstück des Nachbarn zu be­ fürchten ist? Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. Wann eine Person als konkretes Individuum und nicht als Repräsentant der Allgemeinheit ge­ fährdet ist, bleibt letztendlich immer der subjektiven Einschätzung des Be­ trachters überlassen. Objektive Kriterien sind hierbei nicht ersichtlich.72 Ebenso unbestimmt ist die Behauptung, ein öffentliches Interesse liege vor, wenn die subjektiven Rechte und Rechtsgüter einer unbestimmten Viel­ 70  So Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 56; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 82; Beljin/Micker, JuS 2003, 556, 558. 71  Besonders gefährdete Objekte wie etwa staatliche Gebäude, jüdische Einrich­ tungen, oder eben auch private Gewerbestätten wie Autohändler und Juweliere wer­ den von der örtlichen Polizeibehörde bisweilen verstärkt „bestreift“. 72  Kritisch auch Schoch, JURA 2013, 468, 469; mit beachtlichen Argumenten ge­ gen die Bestimmtheit des Begriffs des öffentlichen Interesses anhand des Beispiels eines behördlichen Einschreitens gegen sog. Sonderveranstaltungen wegen eines Ver­ stoßes gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Jackermeier, GRUR 1983, 702, 705 f.

38

1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

zahl an Personen gefährdet seien.73 Es liegt auf der Hand, dass vortrefflich darüber gestritten werden kann, ab welcher Personenanzahl von einer Vielzahl auszugehen ist. Als bezeichnend kann in diesem Zusammenhang schließlich auch der An­ satz von Möller/Warg74 angesehen werden, wonach ein öffentliches Interesse anzunehmen sei, wenn neben dem Betroffenen zugleich auch Rechte und Rechtsgüter Dritter betroffen seien. In letzter Konsequenz kann dies nämlich nichts anderes bedeuten, als ein öffentliches Interesse ab einer Gefährdung von mindestens zwei verschiedenen Personen (Betroffener und Dritter) stets angenommen werden müsste. Im Übrigen wirft das Beispiel die Frage auf, wie überhaupt noch zwischen dem Betroffenen und dem/den Dritten differen­ ziert werden kann, wenn die Rechte und Rechtsgüter beider gleichermaßen bedroht sind. Wer ist in einer solchen Situation der Betroffene und wer der Dritte? Nicht weiterführen kann schließlich die Überlegung von Beljin/Micker75, wonach sich ein öffentliches Interesse auch aus den grundrechtlichen Schutz­ pflichten ergeben könne. Denn es ist keine polizeiliche Lage vorstellbar, in der nicht zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit einer Person gefährdet ist. Da selbst aus der in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Handlungsfreiheit eine staatliche Schutzpflicht folgen kann76, sind grundrechtliche Schutzpflichten folglich bei jedem polizeilichen Tätigwerden tangiert. Wann aus den stets betroffenen grundrechtlichen Schutzpflichten somit ein öffentliches Interesse folgen soll, muss deswegen vollkommen unklar bleiben. dd) Ergebnis Abschließend ist damit festzuhalten, dass das öffentliche Interesse an ei­ nem polizeilichen Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter keine eigen­ ständige Voraussetzung polizeilichen Handelns darstellt, sondern bei einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zwangsläufig gegeben ist. Die Normierung in Baden-Württemberg ist insoweit deklaratorisch.77 73  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 56; Möller/Warg, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 82; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 228; Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 84; Beljin/Micker, JuS 2003, 556, 558. 74  Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 82. 75  Beljin/Micker, JuS 2003, 556, 558 f. 76  Näher zu den grundrechtlichen Schutzpflichten noch im zweiten Kapitel unter A.I. 77  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 16; Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Auflage 2005, Rn. 426; siehe auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 73 ff. mit weiteren Argumenten; Schoch, in: ders., 1. Kap Rn. 258; ders., JURA 2013, 468, 469.



D. Subjektive Rechte und Rechtsgüter39

2. Praktische Bedeutung subjektiver Rechte und Rechtsgüter als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit Beinahe jedes subjektive Recht oder Rechtsgut steht unter strafrechtlichem Schutz bzw. wird in sonstiger Weise einfach-gesetzlich geschützt. So ist die Beschädigung fremden Eigentums nach § 303 StGB strafbar, die Verletzung des Markenrechts eines anderen verwirklicht den Straftatbestand des § 143 MarkenG und das Zuparken einer fremden Grundstückseinfahrt stellt gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 12 i. V. m. § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO eine Ordnungswidrigkeit dar. Das subjektive Recht oder Rechtsgut eines anderen zu verletzen, ohne hierdurch gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte respektive irgendeine an­ dere Vorschrift zu verstoßen, ist somit kaum möglich. Da die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, zu der insbesondere auch Strafvorschriften und Ordnungswidrigkeiten gehören, ein eigenständiges Schutzgut der öffent­ lichen Sicherheit darstellt78, geht in den allermeisten Situationen die Gefahr für die subjektiven Rechte und Rechtsgüter zugleich mit einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung einher.79 Dieser Befund stellt sich dadurch ein, dass zur objektiven Rechtsordnung nach allgemeiner Mei­ nung sämtliche Vorschriften aller Normenhierarchieebenen zählen80 und der objektive, rechtswidrige81 Verstoß gegen eine Vorschrift allein schon für die Annahme einer dahingehenden Gefahr ausreicht, es insbesondere bei Straftat­ beständen mithin nicht auf die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands (Vorsatz, § 15 StGB) oder ein schuldhaftes Handeln ankommt.82 Denn diese vieler: Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 49 ff. Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 20 und 5 f.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 25; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 53; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 18. 80  Treffend insoweit Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 8: „von der Verfassung bis zur letzten Rechtsverordnung und Satzung“; Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 8 Rn. 10: „sämtliche Rechtsnormen unabhängig von ihrem Normtyp“; Schoch, in: ders., 1. Kap Rn. 245: „gesamte Rechtsordnung“. 81  Zur erforderlichen Rechtswidrigkeit der Handlung siehe § 2 Nr. 4 BremPolG, in dem der Begriff der Straftat als „rechtswidrige Tat, die den objektiven Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht“ definiert wird, Hervorhebung nur hier; so inzwi­ schen auch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BayPAG; hierzu auch Thiel, Polizei- und Ordnungs­ recht, § 8 Rn. 14. 82  BVerwG, Urt. v. 08.09.1981 – 1 C 88.77 –, BVerwGE 64, 55, 61; BayVerfGH, Entscheidung v. 19.10.1994 – Vf. 12-VII-92 und Vf. 13-VIII-92 –, juris-Rn. 252; OVG Saarland, Urt. v. 06.05.1993 – 1 R 106/90 –, juris-Rn. 28; Bäcker, in: Lisken/ Denninger, D. Rn. 51; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 11; Kingreen/ Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 9; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 14; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 86; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 246; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap Rn. 43; Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 108; so schließlich auch Muckel, 78  Statt

79  Siehe

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1. Kap.: Einleitung: Gegenstand und Aufbau der Untersuchung

Aspekte betreffen die persönliche Vorwerfbarkeit eines Verhaltens und sind folglich allein für die strafrechtliche Verfolgung, nicht aber für die gefahren­ abwehrrechtliche Bewertung relevant. Präventiv-polizeiliches Handeln be­ zweckt nicht die Ahndung bereits begangenen subjektiven Unrechts, sondern dient der Verhinderung drohenden objektiven Unrechts, welches sich durch den Normverstoß als solches manifestiert.83 Davon ausgehend erfährt das Teilschutzgut der subjektiven Rechte und Rechtsgüter eine eigenständige Bedeutung ausschließlich in den Situationen, in denen die Gefährdung nicht von einer anderen Person ausgeht oder die störende Person ausnahmsweise nicht zugleich gegen eine Norm der objekti­ ven Rechtsordnung verstößt. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um die Fälle, in denen die subjektiven Rechte und Rechtsgüter durch Naturereignisse bedroht werden oder der Rechteinhaber bzw. Rechtsgutträger sich durch sein eigenes Verhalten selbst in Gefahr bringt.84 Obwohl der Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter, wie einleitend dargestellt wurde, zum Alltag polizei­ lichen Handelns zu zählen ist, muss ihre praktische Bedeutung als eigenstän­ diges polizeiliches Schutzgut demnach als gering bezeichnet werden.85

Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 73, der an anderer Stelle (S. 6) im Kon­ text der Privatrechtsklauseln indes mit Hinweis auf den nicht verwirklichten subjekti­ ven Tatbestand der §§ 223 f. StGB das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Si­ cherheit ablehnt und deswegen das Subsidiaritätsprinzip heranzieht. 83  Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 11; Kingreen/Poscher, Polizeiund Ordnungsrecht, § 7 Rn. 9; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 14; das BVerwG stellt anstelle des Verstoßes gegen die Norm der objektiven Rechtsordnung auf die Gefährdung der durch die Strafnorm geschützten Rechtsgüter [bzw. Rechte] ab, Urt. v. 08.09.1981 – 1 C 88.77 –, BVerwGE 64, 55, 61. 84  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 20 f.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 25; Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 55 ff.; Ibler, in: En­ nuschat/Ibler/Remmert, § 2 Rn. 75; Aubel, DV 2004, 229, 236. 85  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 71: „keine große prakti­ sche Bedeutung mehr“; Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 24: „nur untergeordnete Bedeutung“.

2. Kapitel

Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln A. Verfassungsrechtlicher Hintergrund Vorangestellt sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Hintergründe be­ leuchtet werden, die für Bestehen und Umfang der polizeilichen Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter maßgeblich sind. Dabei handelt es sich zum einen um die grundrechtlichen Schutzpflichten, die den Staat dazu verpflichten, den Einzelnen vor Grundrechtsverletzungen durch Privatpersonen effektiv zu schützen. Zum anderen wird in diesem Zusam­ menhang das rechtsstaatlich zwingende Prinzip der Gewaltenteilung relevant, denn die Lösung von Konflikten zwischen Privatpersonen, mithin den Trä­ gern von Grundrechten, ist in einem Rechtsstaat an sich originäre Aufgabe der ordentlichen Gerichtsbarkeit und nicht diejenige der Exekutive.

I. Grundrechtliche Schutzpflichten Auch wenn Gefahren für die Verwirklichung von Grundrechten typischer­ weise von staatlicher Seite drohen und die Grundrechte deswegen in erster Linie stets als Abwehrrechte gegen den Staat verstanden werden1, werden den Grundrechten nach allgemeiner Meinung auch sog. Schutzpflichten zu­ gesprochen.2 Diese Entwicklung beruht auf der zutreffenden Erkenntnis, dass Gefahren für die Grundrechtsverwirklichung ebenso häufig von Privat­ personen ausgehen können3 und die Grundrechte zur Makulatur verkämen, wenn den Staat in dieser Situation keine Pflicht zur Verhinderung des priva­ ten Übergriffs treffen würde. Obwohl das Grundgesetz allein für das Grund­

1  Siehe nur BVerfG, Urt. v. 15.01.1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198, 204 („Lüth“). 2  BVerfG, Urt. v. 01.12.2009 – 1 BvR 2857, 2858/07 –, BVerfGE 125, 39, 78; ­Beschl. v. 14.01.1981 – 1 BvR 612/72 –, BVerfGE 56, 54, 73; ­Beschl. v. 20.12.1979 – 1 BvR 385/77 –, BVerfGE 53, 30, 57; Urt. v. 16.10.1977 – 1 BvR 5/77 –, BVerfGE 46, 160, 164; Isensee, in: HStR, IX, § 191 Rn. 146 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 1 Rn. 193; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 8. 3  Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 4.

42

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

recht4 der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine ausdrückliche Schutzverpflichtung des Staates normiert, ist allgemein anerkannt, dass den Staat eine vergleichbare Pflicht auch hinsichtlich aller anderen Freiheits­ grundrechte5 sowie der Gleichheitsrechte6 trifft.7 Die genaue dogmatische Herleitung dieser grundrechtlichen bzw. staatlichen Schutzpflicht8 ist für die weitere Untersuchung jedoch ohne Bedeutung und soll deshalb an dieser Stelle nicht näher beleuchtet werden.9 Von diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund ausgehend wird das prä­ ventive Tätigwerden des Staates in Gestalt der Polizei durch die grundrecht­ lichen Schutzpflichten determiniert. Mit Gefahrenabwehrmaßnahmen kommt der Staat den ihn treffenden Schutzpflichten nach.10 Mithin handelt die Poli­ zei in Erfüllung staatlicher Schutzpflichten, wenn sie zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter tätig wird, sei es auch nur unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung für den Fall, dass die verletzte Vorschrift allein den Schutz subjektiver Rechte und Rechts­ güter des Einzelnen bezweckt. Aus den grundrechtlichen Schutzpflichten kann allerdings keine allumfas­ sende polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter folgen. Denn obschon dem Staat im Hinblick auf die Erfüllung der grund­ rechtlichen Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspiel­ raum zukommt11, darf er diese nicht ausschließlich durch Maßnahmen der Gefahrenabwehr erfüllen. Ist die Gefahrenabwehr in einem demokratischen Rechtsstaat auch unverzichtbare Grundfunktion für dessen Bestand12, bleibt sie gleichwohl nur ein einzelnes Element zur Erfüllung der sich aus den 4  Zum Grundrechtscharakter der Menschenwürde siehe Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 5 f. 5  BVerfG, Urt. v. 10.01.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26, 46; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 23. 6  BVerfG, B ­ eschl. v. 16.11.1993 – 1 BvR 258/86 –, BVerfGE 89, 276, 286. 7  Stern, DÖV 2010, 241, 246; Nachweise zu Schutzpflichten der einzelnen Grund­ rechte in der Rechtsprechung des BVerfG bei Sachs, in: ders., GG, Fn. 89 zu Vor Art. 1 Rn. 35. 8  Zur synonymen Verwendung der Begriffe „staatlicher“ und „grundrechtlicher“ Schutzpflichten, Isensee, in: HStR, IX, § 191 Rn. 191. 9  Zur dogmatischen Herleitung, Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 5; Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, S. 334 f. 10  Pünder, in: Ehlers/Fehling/Pünder, § 69 Rn. 89; Schoch, in: Schmidt-Aßmann/ Schoch, 2. Kap. Rn. 21; Götz, in: HStR, IV, § 85 Rn. 24. 11  BVerfG, Urt. v. 19.02.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09 –, BVerfGE 133, 59, 75 f.; ­Beschl. v. 27.10.1987 – 2 BvR 624, 1080, 2029/83 –, BVerfGE 77, 170, 214; Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 23; Sachs, in: ders., GG, Vor Art. 1 Rn. 35. 12  Martens, DÖV 1982, 89, 90 f.; Pünder, in: Ehlers/Fehling/Pünder, § 69 Rn. 1 ff.



A. Verfassungsrechtlicher Hintergrund43

Grundrechten ergebenden Schutzpflichten.13 Diese treffen nicht nur die Poli­ zei als Teil der Exekutive, sondern Legislative und Judikative gleicherma­ ßen.14 So erhebt schließlich auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Schutz der Menschenwürde zur „Aufgabe aller staatlichen Gewalt“ und nicht allein zu derjenigen der Exekutive. Vor diesem Hintergrund kann mithilfe der grund­ rechtlichen Schutzpflichten zwar die grundsätzliche Aufgabe der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter begründet werden, über den ge­ nauen Umfang einer korrespondieren Befugnis ist mit dieser Erkenntnis in­ des noch keine Aussage verbunden. Er kann erst in der Zusammenschau mit einem weiteren Verfassungsprinzip gewonnen werden.

II. Prinzip der Gewaltenteilung Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG wird die Staatsgewalt „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Durch diese Aufzählung der drei Gewalten15 hat das rechtsstaat­ lich ohnehin zwingende Prinzip der Gewaltenteilung eine explizite Erwäh­ nung im Verfassungstext gefunden.16 Aus ihm folgt, dass die verschiedenen Staatsfunktionen, namentlich die Gesetzgebung, der Gesetzesvollzug und die Rechtsprechung durch unterschiedliche Organe ausgeübt werden müssen.17 Die Funktion der Trennung der drei Staatsgewalten liegt dabei zuvörderst in der Aufteilung der staatlichen Macht und der sich daraus ergebende Mäßi­ gung staatlicher Herrschaft.18 Dies vorangestellt haben sich die nachfolgen­ den Ausführungen auf das Verhältnis zwischen Exekutive und Judikative zu beschränken, weil nur dieses für die behandelte Thematik von Bedeutung ist. Dass die Befugnis der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechts­ güter vor Übergriffen Privater überhaupt einer eingehenden Betrachtung be­ darf, findet ihren Grund darin, dass die durch eine Privatperson drohende oder bereits begangene Rechts- bzw. Rechtsgutverletzung für sich genommen nicht vom Gegenstand eines bürgerlichen Rechtsstreits zu unterscheiden ist. Denn im Mittelpunkt eines Zivilprozesses steht nichts anderes als die Frage, 13  Schoch,

in: ders., 1. Kap. Rn. 72. in: ders./Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 8; der insoweit allgemein von „staatlichen Stellen“ spricht; Möstl, Die Staatliche Garantie für die öffentliche Sicher­ heit und Ordnung, S. 375; zu den die Zivilgerichtsbarkeit treffenden Schutzpflichten, Papier, in: HGR, III, § 79 Rn. 12. 15  Siehe auch Art. 1 Abs. 3 GG. 16  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 67; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 197. 17  Sommermann, a. a. O., Art.  20 Rn.  208. 18  BVerfG, ­ Beschl. v. 13.10.2016 – 2 BvE 2/15 –, BVerfGE 143, 101, 136; Di Fabio, in: HStR, II, § 27 Rn. 2; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 32. 14  Jarass,

44

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

ob das Verhalten der einen Partei das Recht oder Rechtsgut der anderen Par­ tei bedroht oder bereits verletzt hat19 – dies gilt für den Prozess im gewerb­ lichen Rechtsschutz, in dem der Markenrechtsinhaber den vermeintlichen Rechtsverletzter auf Unterlassung in Anspruch nimmt, genauso wie für den Prozess des PKW-Eigentümers, der gegenüber dem Unfallverursacher eine Schadensersatzforderung geltend macht. Die Entscheidung solcher bürger­ licher Rechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art ist allerdings als „tradi­ tioneller Kernbereich“20 der rechtsprechenden Gewalt gemäß Art. 92 GG dem Richter21, mithin der Judikative vorbehalten.22 Durch den allgemeinen Justizgewährungsanspruch23, der vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird24, ist das Recht des Einzelnen auf Zugang zur (ordentlichen) Gerichtsbarkeit zwecks Ent­ scheidung seiner zivilrechtlichen Streitigkeit sogar verfassungsrechtlich ab­ gesichert.25 Weist nun also das Prinzip der Gewaltenteilung die Entscheidung zivil­ rechtlicher Streitigkeiten ausschließlich26 der Judikative zu und gewährleistet der Justizgewähranspruch gleichzeitig die Effektivität27 dieses gerichtlichen Schutzes vor privaten Übergriffen, so ist unvermeidlich die Frage aufgewor­ fen, welcher Raum überhaupt noch für einen polizeilichen Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter verbleibt. In zeitlicher Hinsicht muss die Antwort leicht fallen. Allein die Polizei besitzt aufgrund ihrer organisatorischen Struktur sowie ihren personellen und technischen Mitteln die Fähigkeit in­ 19  Siehe nur Rauscher, in: MüKo, ZPO, Einleitung Rn. 8: „Feststellung, Durchset­ zung und Gestaltung subjektiver Rechte“. 20  BVerfG, Urt. v. 06.06.1967 – 2 BvR 375, 53/50 und 18/65 –, BVerfGE 22, 49, 78; ­ Beschl. v. 09.05.1962 – 2 BvL 13/60 –, BVerfGE 14, 56, 66; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 92 Rn. 16; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 92 Rn. 7; Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, S. 490. 21  Bzw. der Richterin; allein aus Gründen des Leseflusses soll in dieser Untersu­ chung von der Nennung der jeweils weiblichen Form eines Nomens abgesehen wer­ den. 22  Siehe auch § 13 GVG. 23  Bzw. Justizgewährleistungsanspruch oder Justizgewährsanspruch, siehe nur die synonyme Verwendung bei Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn.  211 f. 24  BVerfG, B ­ eschl. v. 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02 –, BVerfGE 107, 395, 401; jüngst auch BVerfG, B ­ eschl. v. 16.07.2019 – 2 BvR 881/17 –, juris-Rn. 14; so wohl auch Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 128. 25  BVerfG, B ­ eschl. v. 12.02.1992 – 1 BvL 1/89 –, BVerfGE 85, 337, 345; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rn. 322. 26  Eingehend zum Rechtsprechungsmonopol der Richter, Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 84 f. 27  BVerfG, ­ Beschl. v. 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79 –, BVerfGE 54, 277, 291; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 212.



A. Verfassungsrechtlicher Hintergrund45

nerhalb von Minuten im Falle einer akuten Bedrohung, wie beispielsweise im eingangs angeführten Beispiel der Geiselnahme, effektiven Schutz des gefährdeten subjektiven Rechts oder Rechtsguts zu gewährleisten.28 Eine gerichtliche Entscheidung, selbst im Verfahren des einstweiligen Rechts­ schutzes29, würde demgegenüber viel zu spät wirksam30 werden um die Geisel schützen zu können. Der Polizei kommt im Hinblick auf den Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter gegenüber den Gerichten deswegen eine Eilfallkompetenz zu. Diese Eilfallkompetenz ist verfassungsrechtlich zwin­ gend. Dies ergibt sich aus der folgenden Überlegung: In dem Beispiel der Gei­ selnahme wäre der Geisel ein zivilprozessuales Vorgehen gegen den Geisel­ nehmer überhaupt nicht möglich gewesen. Denn gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, § 130 Nr. 1 ZPO31 setzt die Einleitung eines jeden32 zivilgerichtli­ chen Verfahrens die Bezeichnung des Beklagten bzw. Antragsgegners33 vor­ aus. Da die Identität des (bisweilen maskierten) Geiselnehmers der Geisel naturgemäß nicht bekannt ist, wäre die (zugegebenermaßen vollkommen le­ bensfremde) Beantragung einer einstweiligen Anordnung34 auf Unterlassung der Geiselnahme somit nicht einmal theoretisch möglich. Gleiches gilt auch für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geisel­ 28  Siehe Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, C Rn. 3 und 5; Möstl, Die Staatli­ che Garantie für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, S. 376, „exekutivische[n] Charakteristika eigener Initiative, dauernder und flächendeckender Präsenz“. 29  In Gestalt von Arrest und einstweiliger Verfügung, §§ 916 f., 935 f. ZPO. 30  Zum Wirksamwerden gerichtlicher Entscheidungen als maßgeblichem Zeit­ punkt für die Frage der Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes eingehend im dritten Kapitel unter B.II.3.b). 31  § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO lautet: „Die Klageschrift muss enthalten […] die Be­ zeichnung der Parteien und des Gerichts“. Der über § 253 Abs. 4 ZPO anwendbare § 130 Nr. 1 ZPO konkretisiert diese Voraussetzung und schreibt die Bezeichnung der Parteien nach „Namen, Stand oder Gewerbe“ vor. 32  Nach § 495 ZPO findet die aufgrund ihrer systematischen Stellung (die amtli­ che Überschrift des 1. Abschnittes des zweiten Buches der ZPO lautet: „Verfahren vor den Landgerichten“) an sich nur für die Verfahren vor den Langerichten geltende Vorschrift des § 253 ZPO ebenso auf Verfahren vor den Amtsgerichten Anwendung. 33  § 253 ZPO gilt auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, siehe LG Köln, ­Beschl. v. 22.10.2018 – 5 O 410/18 –, juris-Rn. 14 f.; Bruns, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 935 Rn. 20. 34  Gerichtliche Entscheidungen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zum Schutz des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit werden wegen der Zuständig­ keit des Familiengerichts als einstweilige Anordnung und nicht als einstweilige Verfügung bezeichnet, vgl. § 1 GewSchG und § 214 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die in §§ 49 f. FamFG normierte einstweilige Anordnung ist hierbei der in den §§ 935, 936 i. V. m. § 916 ZPO geregelten einstweiligen Verfügung nachempfunden, siehe Heinke, Ge­ waltschutzgesetz, Vorb. Rn. 40.

46

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

nehmer nach Beendigung der Geiselnahme. Durch das polizeiliche Eingrei­ fen wird in solchen Situationen das Anstrengen eines Zivilprozesses mithin erst ermöglicht.35 Im Beispiel der Geiselnahme muss dies darüber hinaus schon deswegen gelten, weil ohne die polizeiliche Intervention der Tod der Geisel zu besorgen wäre und sich die Frage nach der Einleitung eines Zivil­ verfahrens dann ohnehin erübrigen würde. Ohne die Annahme einer polizei­ lichen Eilfallkompetenz könnte der staatlichen Schutzpflicht im Hinblick auf die bedrohten Grundrechte der Geisel folglich nicht genügt werden.36 Ande­ rerseits muss die Eilfallkompetenz der Polizei ihre Grenze in der verfas­ sungsrechtlichen Zuweisung der Aufgabe der Rechtsprechung an die Judika­ tive finden. Denn diese Kompetenz der Judikative würde ausgehöhlt, wenn das polizeiliche Einschreiten die gerichtliche Entscheidung eines etwaigen Zivilprozesses vorweg nehmen würde. Schließlich gilt zu beachten, dass der Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter oftmals mit der Verhütung von Straftaten einhergeht und damit eine der überkommenen Kernaufgaben der Polizei schlechthin betrifft.37 Denn auch wenn das Grundgesetz die Aufgabe der Straftatenverhütung nicht explizit den Polizeien der Länder und des Bundes zuweist, muss diese Zu­ weisung jedenfalls aus der im Grundgesetz angelegten38 Funktion der Poli­ zei als Hauptorgan der inneren Sicherheit39 folgen. Die entsprechenden Aufgabenzuweisungen in einzelnen Landesgesetzen, wie etwa in § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW, sind insoweit lediglich deklaratorisch.40 35  Wobei im Beispiel der Geiselnahme genau genommen bereits eine Identitäts­ feststellung genügt hätte, um der Geisel ein gerichtliches Vorgehen gegen den Geisel­ nehmer zu ermöglichen. 36  Siehe zum grundrechtlichen Schutz vor Gewaltverbrechen Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 196. 37  Zur Bedeutung der Straftatenverhütung für die polizeiliche Tätigkeit siehe nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 236; Rachor/Roggan, in: Lisken/ Denninger, C Rn. 3; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 6: „klassische Gefah­ renabwehraufgabe“; Frotscher, DVBl. 1976, 695, 699: „primäre Zuständigkeit der Polizei“. 38  Art. 35 Abs. 2 Satz 1; Art. 87a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1; Art. 91 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG. 39  Götz, in: HStR, IV, § 85 Rn. 33 f. 40  Siehe Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 6, der § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW ebenfalls eine allein deklaratorische Bedeutung zumisst, weil Strafvor­ schriften ohnehin vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit umfasst seien; a. A. Albers, Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhü­ tung und der Verfolgungsvorsorge, S. 123 f., nach der die der Polizei zugewiesene Aufgabe der Straftatenverhütung nicht als „Verhinderung unmittelbar bevorstehender Straftaten“ missverstanden werden dürfe, sondern einen der Verhinderung einer un­ mittelbar bevorstehenden Straftat zeitlich weiter vorgelagerten Bereich der vorbeu­ genden Straftatenbekämpfung umfasse. Die dahingehende Überlegung vermag indes



A. Verfassungsrechtlicher Hintergrund47

III. Ausgangslage für die weitere Untersuchung Die verfassungsrechtliche Ausgangslage für die weitere Untersuchung stellt sich demnach folgendermaßen dar. Handelt die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter, kommt der Staat seinen aus den Grund­ rechten abzuleitenden Schutzpflichten nach. Geht die Gefahr für das subjek­ tive Recht oder Rechtsgut dabei von einer Privatperson aus, weist die poli­ zeiliche Lage im Kern erhebliche Parallelen mit einer zivilrechtlichen Strei­ tigkeit auf. Die Beilegung zivilrechtlicher Streitigkeiten fällt nach der Kon­ zeption des Grundgesetzes jedoch ausschließlich in den Kompetenzbereich der Judikative und nicht in den der Exekutive. Allerdings ist zu beachten, dass dem Betroffenen in vielen Konstellationen die Einleitung eines Zivilver­ fahrens aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht möglich sein wird. Darüber hinaus ist in solchen Situationen oftmals auch die Bege­ hung von Straftaten zulasten der bedrohten Privatperson zu befürchten, so­ dass die Polizei mit der Verhütung von Straftaten zugleich eine ihr durch die Verfassung zugewiesene ureigene Aufgabe wahrnimmt. Abschließend be­ trachtet, offenbart sich die verfassungsrechtliche Problematik der Befugnis der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter folglich als eine Überschneidung der Kompetenzen der Exekutive mit jenen der Judikative. Eine Lösung dieses Kompetenzkonflikts kann wegen der Exekutive und Ju­

zumindest im Hinblick auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen nicht zu überzeu­ gen, weil § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW explizit zwischen Straftatenverhütung einer­ seits und vorbeugender Bekämpfung von Straftaten andererseits differenziert (siehe auch die allein an die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten anknüpfende Rege­ lung des § 1 Abs. 5 Satz 2 PolG NRW). Einzuräumen bleibt gleichwohl, dass eine Abgrenzung zwischen Straftatenverhütung auf der einen und vorbeugender Bekämp­ fung von Straftaten auf der anderen Seite anhand des Wortlauts der Polizeigesetze kaum zu leisten ist. So fungiert der Terminus der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten in § 1 Abs. 3 ASOG Bln, § 1 Abs. 4 HSOG, § 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V und § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG als Oberbegriff, unter den neben der Straftatenverhütung auch die Strafverfolgungsvorsorge gefasst wird. § 1 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, § 1 Abs. 1 Satz 3 POG RhPf und § 2 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA fassen demgegenüber ein­ zig die Straftatenverhütung unter den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, wobei die Strafverfolgungsvorsorge in § 2 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA noch gesondert aufführt wird. § 2 Abs. 1 Satz 3 SächsPVDG wiederum differenziert expli­ zit zwischen der „Verhinderung“ von Straftaten und deren „vorbeugenden Bekämp­ fung“, während § 1 Abs. 1 Satz 3 BremPolG, § 1 Abs. 1 Satz 3 NPOG und § 1 Abs. 5 BPolG schließlich allein (§ 1 Abs. 1 Satz 3 NPOG: „insbesondere“) die Verhütung von Straftaten zur polizeilichen Aufgabe erklären. Die divergierenden Gesetzesfas­ sungen dürften hierbei auf den Umstand zurückzuführen sein, dass die Gesetzge­ bungskompetenz der Länder für den Bereich der Strafverfolgungsvorsorge durch die jeweiligen Landesgesetzgeber unterschiedlich beurteilt worden ist, so auch Albers, a. a. O., S.  121.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

dikative gleichermaßen treffenden Schutzpflichten nur unter der Prämisse eines effektiven Grundrechtsschutzes erfolgen.

B. Die Privatrechtsklauseln Um den herausgearbeiteten Kompetenzkonflikt zwischen Exekutive und Judikative aufzulösen, formulierte bereits die amtliche Begründung zu § 14 PrPVG41 eine entsprechende Abgrenzungsregelung, die ihrerseits auf die zu § 10 II 17 ALR42 ergangene Rechtsprechung des Preußischen Oberverwal­ tungsgerichts (PrOVG)43 zurückzuführen ist. Daran anknüpfend enthalten heutzutage alle Polizeigesetze44 spezielle Vorschriften, die den polizeilichen Schutz sog. „privater Rechte“ von jenem durch die Gerichte gewährten Schutz abgrenzen sollen. In Anbetracht des vorstehend aufgezeigten verfas­ sungsrechtlichen Hintergrunds kann die Funktion dieser Vorschriften letztlich in der Wahrung des Grundsatzes der Gewaltenteilung erblickt werden.45 Für die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter sind diese Vorschriften erkennbar von herausragender Bedeutung und bedür­ fen somit im Folgenden einer eingehenden Betrachtung.

41  „In letzterer Hinsicht [Anm.: Gemeint ist, dass die Gefährdung von menschli­ chen Handlungen/Unterlassungen in Gestalt eines Bruchs einer Norm der öffentlichen oder privaten Rechtsordnung ausgeht] hat die Polizei allerdings nur tätig zu werden, soweit nicht die Zuständigkeit anderer Behörden, insbesondere der ordentlichen Ge­ richte oder der Strafverfolgungsbehörden gegeben ist, es sei denn, daß ein besonderer, auf andere Weise nicht zu beseitigender Notstand vorliegt“, Scheer/Trubel, PrPVG, II.2 (S. 102); näher hierzu noch im zweiten Kapitel unter E.II.2.b). 42  § 10 II 17 ALR lautete: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei“. 43  Siehe insbesondere PrOVG, Urt. v. 20.04.1922 – I A 27/12 –, PrOVGE 77, 333, 336 ff.; Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, 446 f.; näher hierzu noch im zweiten Kapitel unter D.I.1. 44  Siehe Aufzählung im ersten Kapitel in Fn. 65. 45  Siehe nur Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünders, 3.  Auflage 2013, § 69 Rn. 129: „im Gewaltenteilungsgrundsatz wurzelndes polizeirechtliches Subsidiaritäts­ prinzip“; ähnlich nunmehr Pünder, in: Ehlers/Fehling/Pünders, § 69 Rn. 90 Fn. 376; Schlink, NJW 1988, 1689, 1692: „im Subsidiaritätsprinzip findet der Grundsatz der Gewaltenteilung einen dogmatischen Ort“; ähnlich Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 91; Schoch, JURA 2013, 468, 470.



B. Die Privatrechtsklauseln49

I. Terminologie Obwohl mittlerweile in sämtlichen Polizeigesetzen eine entsprechende Vorschrift existiert, konnte sich nach wie vor46 noch keine einheitliche Be­ zeichnung für diese Vorschriften entwickeln. Wenngleich der Eindruck nahe liegt, sind die divergierenden Termini hierbei nicht auf die legislative Vielfalt von insgesamt 17 verschiedenen Gesetzen zurückzuführen. Denn auch hin­ sichtlich der Bezeichnung der Privatrechtsklausel eines bestimmten Gesetzes besteht bisweilen keine Einigkeit.47 Die Rechtsprechung spricht zumeist von Subsidiaritätsklauseln48. In die gleiche Richtung scheinen auch die Stimmen in der Literatur zu gehen, die eine eindeutige Bezeichnung der Vorschriften vermeiden und lediglich auf eine darin normierte Subsidiaritätsregel49 bzw. ein Subsidiaritätsprinzip50 hinweisen. Dies dürfte auch für Schenke51 gelten, der in diesem Zusammen­ hang ganz allgemein von der Subsidiarität polizeilichen Handelns spricht und auf die genannten Vorschriften verweist. Insgesamt dürfte die Bezeichnung als Subsidiaritätsklausel somit überwiegen.52 Verbreitet ist insoweit jedoch auch von Privatrechtsklauseln53 die Rede, während Kowalzik54 und Braun55 den Begriff der Privatschutzklausel ver­ wenden und Gusy/Worms56 von Privatrechtsschutzklausel sprechen.

46  Das Fehlen einer einheitlichen Bezeichnung feststellend schon Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 22. 47  Zum Beispiel des §  1 Abs. 2 PolG NRW siehe nur OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 56: „Subsidiaritätsklausel“; VG Münster, Urt. v. 31.01.2019 – 2 K 1860/18 –, juris-Rn. 51: „Privatrechtsklausel“; Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, POlG, § 1 Rn. 74: „Privatrechtsschutzklausel“. 48  VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 74; Urt. v. 22.02.1995 – 1 S 3184/94 –, juris-Rn.21; OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, jurisRn. 56; VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn.21; VG Karls­ ruhe, B ­ eschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris-Rn. 7; OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 –, juris-Rn. 10; so auch Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 44; Horn, in: Gornig/Horn/Will, 2. Teil Rn. 277. 49  Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81. 50  Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 20; Würtenberger/Heckmann/ Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 58; Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 119. 51  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54. 52  Schoch, JURA 2013, 468, 469; Linke, JuS 2015, 247, 249; Winkler/Schadtle, JuS 2015, 435, 436. 53  VG Münster, Urt. v. 31.01.2019 – 2 K 1860/18 –, juris-Rn. 51; Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4 Rn. 28; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 41; Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 31; Beck/Groß, LKRZ

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Vereinzelt wird schließlich auf eine konkrete Bezeichnung gänzlich ver­ zichtet und es ist abwechselnd entweder von der Subsidiaritäts- oder der Privatrechtsklausel die Rede.57 Vorzugswürdig ist – entgegen der wohl überwiegenden Auffassung – die Bezeichnung als Privatrechtsklausel. Der Terminus Subsidiaritätsklausel hingegen birgt durch das Rekurrieren auf das der Vorschrift zugrunde lie­ gende Subsidiaritätsprinzip die Gefahr von unnötigen Missverständnissen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Polizeirecht eine Reihe weiterer Subsidiaritätsprinzipien gilt, die mit der hier behandelten Thematik allesamt nichts zu tun haben. Namentlich sind hierbei insbesondere die subsidiäre Zuständigkeit der Polizei gegenüber den Ordnungsbehörden58, die Subsidia­ rität der Generalklausel gegenüber den Standardmaßnahmen59 sowie die subsidiäre Anwendbarkeit der Polizeigesetze gegenüber einschlägigen Spezi­ algesetzen zu nennen.60 Angesichts dieser Vielzahl61 von Subsidiaritätsprin­ zipien vermag allein der Begriff der Privatrechtsklauseln den Regelungsge­ halt der entsprechenden Vorschriften prägnant und präzise zu beschreiben.

II. Normativer Befund Im Folgenden ist der Blick auf den Gesetzeswortlaut der einzelnen Privat­ rechtsklauseln zu werfen. 1. Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder und des Bundes Wie bereits ausgeführt wurde, sehen sämtliche Polizeigesetze eine Privat­ rechtsklausel vor.62 Ganz überwiegend stehen die Vorschriften am Anfang der Gesetzestexte unter der amtlichen Überschrift „Aufgaben“. Lediglich in 2009, 195, 197; Benighaus, LKV 2009, 202, 203; Brenneisen/Martins, Kriminalistik 2009, 717. 54  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 22. 55  Braun, Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung, S. 304 und 345. 56  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, POlG, § 1 Rn. 74; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92. 57  Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 79. 58  Etwa § 1 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW. 59  § 8 Abs. 1 PolG NRW a. E. = § 8 Abs. 1 ME PolG a. E. 60  § 8 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW = § 8 Abs. 2 Satz 2 ME PolG. 61  Eine Aufzählung von insgesamt zwölf polizeirechtlichen Subsidiaritätsprinzi­ pien findet sich bei Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S.  179 f. 62  Siehe Aufzählung im ersten Kapitel in Fn. 65.



B. Die Privatrechtsklauseln51

dem Polizeigesetz Baden-Württembergs trägt die Privatrechtsklausel die amt­ liche Überschrift „Tätigwerden für andere Stellen“. 2. Normative Unterschiede in den Polizeigesetzen Abgesehen von sprachlichen Nuancen sind die Privatrechtsklauseln der meisten Polizeigesetze inhaltlich identisch und lehnen sich an den Wortlaut von § 1 Abs. 2 ME PolG63 an. So kann § 1 Abs. 2 PolG NRW beispielhaft für die Privatrechtsklauseln aller Polizeigesetze mit Ausnahme Baden-Würt­ tembergs und Sachsens herangezogen werden. § 1 Abs. 2 PolG NRW lautet wie folgt: „Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizei­ liche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“.

Die Privatrechtsklauseln Baden-Württembergs und Sachsens unterscheiden sich von den übrigen Vorschriften insoweit, als sie zusätzlich zu den auch in allen anderen Privatrechtsklauseln enthaltenen Voraussetzungen einen Antrag des Berechtigten voraussetzen. In § 2 Abs. 2 PolG BW und dem weitgehend identischen § 2 Abs. 2 SächsPVDG64 heißt es demnach: „Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten65 und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirk­ lichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.“

63  Der Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Län­ der in der Fassung des Vorentwurfes zur Änderung des ME PolG ist abgedruckt bei Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 405 ff. 64  § 2 Abs. 2 SächsPVDG hat gegenüber der mit § 2 Abs. 2 PolG BW noch iden­ tischen Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 2 SächsPolG eine marginale grammatikali­ sche Änderung erfahren und lautet wie folgt: „Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirkli­ chung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde“. Die Parallelität der beiden Gesetze ist historisch bedingt. Nach der deutschen Wiedervereinigung dienten die Polizeigesetze der alten Bundesländer als Vorbild für die neu zu erlassenden Ge­ setze der neuen Bundesländer. Jedem der ostdeutschen Bundesländer wurde ein west­ deutsches „Partnerland“ zugeteilt, an dessen Polizeigesetz es sich beim Erlass des eigenen Gesetzes orientierte. Baden-Württemberg fungierte hierbei als „Partnerland“ Sachsens, sodass das Polizeigesetz Baden-Württembergs als Vorbild für das Sächsi­ sche Polizeigesetz diente, Götz, NVwZ 1994, 652, 653. 65  Hervorhebung nur hier.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

III. Dogmatische Einordnung der Privatrechtsklauseln Über die dogmatische Einordnung der Privatrechtsklauseln besteht Un­ einigkeit. Während die Rechtsprechung diese Frage mangels praktischer Re­ levanz dahinstehen lassen kann66, wird in der Literatur diskutiert, ob die Privatrechtsklauseln eine Erweiterung der polizeilichen Aufgaben oder eine Begrenzung derselbigen darstellen. 1. Erweiterung polizeilicher Aufgaben? Ein Teil der Lehre sieht in den Privatrechtsklauseln eine Erweiterung des Kreises polizeilicher Aufgaben, weil diese mit dem Schutz privater Rechte den Polizeibehörden eine Aufgabe zuwiesen, die an sich nicht in deren Auf­ gabenbereich falle.67 Auch wenn dies von ihren Vertretern meist nicht aus­ drücklich herausgestellt wird, so muss dieser Auffassung konsequenterweise die Prämisse zugrunde liegen, dass die in den Privatrechtsklauseln genannten privaten Rechte von den unter das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu subsumierenden subjektiven Rechten und Rechtsgütern zu unterscheiden und nicht von den Letzteren erfasst sind.68 Dementsprechend zählen Dietlein69

66  So etwa OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 54; VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn.19 f. 67  So ausdrücklich Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135, soweit dieser a. a. O. in Fn. 145 auch Drews/Wacke/Vogel/Martens als Befürworter einer Aufgaben­ erweiterung angibt, muss dem widersprochen werden, da diese von einem „Aus­ schluss der Zuständigkeit“ der Polizei „durch das Subsidiaritätsprinzip“ sprechen und angesichts dieser Formulierung eher von einer Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsbe­ schränkung ausgehen dürften, siehe Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 238; für die Annahme einer Aufgabenerweiterung wohl OVG Berlin, B ­ eschl. v. 13.03.1980 – 6 S 7.80 –, juris-Rn. 12 [Anm.: Die Oberverwaltungsgerichte der Län­ der Berlins und Brandenburgs fusionierten erst mit Wirkung zum 01.07.2005 zum heutigen OVG Berlin-Brandenburg, hierzu Kipp, LKV 2005, 281]; VG Arnsberg, ­Beschl. v. 18.01.2011 – 8 L 952/10 –, juris-Rn. 30; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 90: „Alle Polizeigesetze [mit Verweis auf die Privatrechtsklauseln der einzelnen Gesetze] schließen unter einschränkenden Voraussetzungen auch private Rechte in das Schutzgut ein“; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 51 und 34; eine Aufgaben­ erweiterung scheint schließlich auch das VG Freiburg, Urt. v. 03.04.1979 – VS. VI 454/77 –, anzunehmen, welches beim Zuparken einer Garage die Frage eines Versto­ ßes gegen die Straßenverkehrsordnung mit der Begründung dahinstehen lässt, dass die Polizisten jedenfalls „gemäß § 2 Abs. 2 PolG BW zum Schutz der privaten Rechte des Garagenbesitzers“ hätten tätig werden dürfen, DVBl. 1979, 745, 745. 68  Siehe Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 51: „rein private Rechte wie na­ mentlich schuldrechtliche Ansprüche werden dagegen nur unter den besonderen Vo­ raussetzungen des § 1 Abs. 2 PolG [NRW] geschützt […]“. 69  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 51 und 34.



B. Die Privatrechtsklauseln53

und Gusy70 auch ausschließlich privatrechtlich begründete Ansprüche wie vertragliche Ansprüche und sachenrechtliche Herausgabeansprüche zu den privaten Rechten. Knemeyer71 hingegen scheint auch die Ehre und das Ei­ gentum darunter zu subsumieren, soweit deren Schutz – wie etwa bei einem gleichzeitigen Verstoß gegen Strafrechtsnormen – nicht zugleich im öffentli­ chen Interesse liege. 2. Beschränkung polizeilicher Aufgaben? Demgegenüber erkennt die wohl überwiegende Auffassung in den Privat­ rechtsklauseln eine Begrenzung des polizeilichen Aufgabenbereichs.72 Ent­ sprechend den obigen Ausführungen sind nach dieser Ansicht die in den Vorschriften genannten privaten Rechte als subjektive Rechte und Rechts­ güter bereits Bestandteil des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit, wenn­ gleich dieser Befund auch kaum einmal ausdrücklich hervorgehoben wird.73 Dies vorausgeschickt muss nun überraschen, dass auch die Vertreter dieser Auffassung – genau wie die Befürworter einer Aufgabenerweiterung – pri­

70  Gusy,

Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 91. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135. 72  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 41; Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, §  1 Rn.  3.10; Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 67; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 30; Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 120; Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 24; Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 31; Wehr, BPolG, § 1 Rn. 11; Schütte, in: Schütte/Braun/Keller, PolG NRW, § 1 Rn. 45: „ersichtlich keine Aufgabenerweiterung […], eine Beschrän­ kung des Begriffs der öffentlichen Sicherheit“; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 28: „Einschränkung der polizeilichen Aufgaben“; wohl auch Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 54, der in diesem Zusammenhang von einer „Einschränkung“ spricht; ebenso Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 68, der die Pri­ vatrechtsklauseln als „einschränkende Voraussetzung“ bezeichnet; so wohl auch Wolffgang/Hendricks/Merz, Polizei- und Ordnungsrecht in Nordrhein-Westfalen, Rn. 56: „diese [Anm.: Gemeint ist die Privatrechtsklausel] setzt damit die polizei- und ord­ nungsrechtliche Befugnis voraus“; Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, 3. Auf­ lage 2013, § 69 Rn. 128: „Der Schutz privater Rechte […] gehört nicht zu den Auf­ gaben der Polizei“; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 20: „auf dem Gebiet des Schutzes privatrechtlicher Rechte einschließlich der privatrechtlichen An­ sprüche ist jedoch die Polizei nicht völlig ausgeschaltet“, Hervorhebung nur hier; Brenneisen/Martins, Kriminalistik 2009, 717, 719 f., die dem Streit indes ausschließ­ lich „rechtsdogmatische Bedeutung“ beimessen; eingehend zum Ganzen auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 61 f. 73  So ausdrücklich aber Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 60; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 44; Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 61; Wehr, BPolG, § 1 Rn. 11. 71  Knemeyer,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

vatrechtliche Ansprüche zum Hauptanwendungsfall der Privatrechtsklauseln erklären.74 3. Die Privatrechtsklauseln als Einschränkung der polizeilichen Gefahrenabwehr Richtigerweise muss in den Privatrechtsklauseln eine Einschränkung der polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr erblickt werden. a) Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 BayPAG Für die dahin lautende Einordnung der Vorschriften lässt sich zunächst der Wortlaut der neugefassten75 bayerischen Privatrechtsklausel fruchtbar ma­ chen. So heißt es in Art. 2 Abs. 2 BayPAG nunmehr wörtlich: „Im Rahmen ihrer Aufgabe nach Abs. 176 obliegt der Polizei der Schutz privater Rechte nach diesem Gesetz nur dann […].“77 Mit der expliziten Bezugnahme auf die Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr wird die ebenso in der amt­lichen Begründung artikulierte Ansicht des bayerischen Gesetzgebers deutlich, der zufolge die in der Vorschrift genannten privaten Rechte auch dann vom Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erfasst seien, „wenn sie nicht durch gesonderte Rechtsvorschriften geschützt sind.“78 Folglich setzt die Privat­ rechtsklausel des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes ihrerseits die Aufga­ beneröffnung nach Art. 2 Abs. 1 BayPAG voraus und kann keine eigenstän­ dige Aufgabenzuweisung enthalten.79 Die bayerische Privatrechtsklausel kann demnach nur als Einschränkung zu der grundsätzlich auch den Schutz privater Rechte einschließenden Aufgabe der Gefahrenabwehr verstanden werden. Dies gilt umso mehr, als der bayerische Gesetzgeber bei der Novel­ lierung des Art. 2 Abs. 2 BayPAG die in Rede stehende Kontroverse im Blick gehabt hat und für die Rechtslage in Bayern explizit im Sinne einer Aufga­ benbeschränkung entscheiden wollte.80

74  So ausdrücklich Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 47; Schoch, JURA 2013, 468, 470; siehe auch Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 65; Tetsch/ Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10. 75  Gesetz zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts (PAG-Neuordnungsge­ setz) vom 18.05.2018, Bay. GVBl. Nr. 9/2018, S. 301. 76  D. h. der Gefahrenabwehr, Art. 2 Abs. 1 BayPAG lautet: „Die Polizei hat die Aufgabe, die allgemein oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren.“ 77  Hervorhebung nur hier. 78  Bayern, LT-Drucks. 17/20425, S. 40. 79  Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 24.



B. Die Privatrechtsklauseln55

b) Der Wortlaut der übrigen Privatrechtsklauseln Eine Beschränkung der überkommenen Aufgabe der Gefahrenabwehr muss nun auch in den Privatrechtsklauseln erblickt werden, die anders als Art. 2 Abs. 2 BayPAG einer ausdrücklichen Klarstellung entbehren. Für diese Annahme streitet wiederum der Wortlaut der meisten Vorschriften. Mit Aus­ nahme von § 1 Abs. 3 SOG M-V und § 162 Abs. 2 LVwG SH heißt es in allen Vorschriften, der Schutz privater Rechte obliege der Polizei (respektive den Ordnungsbehörden) nur unter den dort genannten Voraussetzungen. Im Umkehrschluss daraus ergibt sich, dass ohne eine entsprechende Vorschrift der Schutz privater Rechte der Polizei voraussetzungslos zugewiesen wäre.81 Gleiches gilt im Hinblick auf das Polizeirecht Mecklenburg-Vorpommerns und Schleswig-Holsteins, wenngleich insoweit nicht mit dem Wortlaut der jeweiligen Vorschrift argumentiert werden kann. Anstelle der in den anderen Gesetzen zu findenden Formulierung „obliegt nur dann“ bestimmen § 1 Abs. 3 SOG M-V und § 162 Abs. 2 LVwG SH, dass unter den insoweit iden­ tischen Voraussetzungen wie in allen anderen Polizeigesetzen82 der Schutz privater Rechte „zur Gefahrenabwehr gehöre“. Obzwar sich dieser abwei­ chenden Sprachfassung entnehmen ließe, der Schutz privater Rechte gehöre erst kraft der expliziten gesetzlichen Anordnung und nicht schon von vorn­ herein zur Aufgabe der Gefahrenabwehr, wodurch die Annahme einer Auf­ gabenerweiterung naheläge, offenbart ein Blick in die Gesetzesbegründungen einen abweichenden Befund. Während die amtliche Begründung zu § 163 Abs. 2 LVwG SH a. F. als Vorgängerregelung zu § 162 Abs. 2 LVwG SH noch nicht eindeutig ist und es dort lediglich heißt, die Vorschrift werde „aus systematischen Gründen der Gefahrenabwehr angegliedert“,83 wird der Mecklenburg-Vorpommersche Gesetzgeber, der sich bei Kodifikation des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (M-V) am entsprechenden Gesetzesent­ wurf des Landes Schleswig-Holstein orientiert hat84, ungleich deutlicher und führt zum damaligen § 1 Abs. 2 SOG M-V, der Vorgängerregelung zu § 1 80  „Ferner wird hierdurch unbeschadet dessen auch der langwährende Meinungs­ streit, ob private Rechte auch dann zu den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit des Art. 2 Abs. 1 zählen, wenn sie nicht durch gesonderte Rechtsvorschriften geschützt sind […] für das PAG zustimmend gesetzlich geklärt,“ BayLT, Drucks. 17/20425, S. 40; Anlass der Neufassung war gleichwohl die Absicht mit der Formulierung eine Anwendbarkeit der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auszu­ schließen, vgl. a. a. O., S. 40. 81  Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 30. 82  Ausgenommen das Antragserfordernis in § 2 Abs. 2 PolG BW und § 2 Abs. 2 SächsPVDG. 83  Schleswig-Holstein, LT-Drucks. 12/1575, S. 43. 84  Mecklenburg-Vorpommern, LT-Drucks. 1/1612, S. 51.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Abs. 3 SOG M-V, wie folgt aus: „Absatz 2 stellt klar, dass auch der Schutz privater Rechte eine Aufgabe der Gefahrenabwehr ist […]“.85 c) Privatrechtliche Forderungen als Bestandteil der öffentlichen Sicherheit Mehr noch als der Wortlaut der jeweiligen Vorschriften lassen die folgen­ den Überlegungen die Einordnung der Privatrechtsklauseln als eine Be­ schränkung der polizeilichen Aufgabe zwingend erscheinen. Schon die amt­ liche Begründung zu § 14 PrPVG86 zählte das Vermögen des Einzelnen ausdrücklich zur öffentlichen Sicherheit und auch heute entspricht dieses Verständnis der herrschenden Meinung.87 Der Begriff des Vermögens wie­ derum umfasst die Gesamtheit aller Güter und Rechte von wirtschaftlichem Wert und damit insbesondere auch privatrechtliche Ansprüche.88 Von der Zugehörigkeit privatrechtlicher Forderungen89 zum Vermögen bzw. zur öf­ fentlichen Sicherheit ging überdies bereits das PrOVG im Jahr 1931 aus, indem es die Feststellung der Identität eines potentiellen Schuldners zur Er­ möglichung der gerichtlichen Geltendmachung des glaubhaft gemachten Anspruchs als eine auf § 10 II 17 ALR gestützte Gefahrenabwehrmaßnahme ansah.90 Zählen privatrechtliche Forderungen, die nach beiden Auffassungen den Inbegriff der in den Vorschriften genannten privaten Rechten darstellen, 85  Mecklenburg-Vorpommern,

LT-Drucks. 1/1612, S. 53. Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 14 gilt der Schutz vor Schäden, die […] das Vermögen der einzelnen bedrohen“, Scheer/Trubel, PrPVG, II.2 (S. 102). 87  BVerwG, Urt. v. 28.03.2012 – 6 C 12.11 –, BVerwGE 143, 74, 79; Erbguth/ Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 435; Thiel, Polizei- und Ord­ nungsrecht, § 8 Rn. 26; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 53; Ullrich, in: BeckOK, PolR Nds, SOG, § 1 Rn. 29; Denninger, in: Lisken/Denninger, 6. Auflage 2018, D. Rn. 28: „private Vermögenswerte“. 88  Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 235; zur Zugehörigkeit privat­ rechtlicher Ansprüche zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit siehe insbesondere auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 59 f.; Möller/ Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 80; Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 65; siehe auch Köbler, S. 474, unter Vermögen; Creifelds unter Vermögen. 89  Unter dem Begriff der privatrechtlichen Forderung sollen hier und im Folgen­ den – in Anlehnung an die im Polizeirecht geläufige Terminologie, siehe nur Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 54 – ausschließlich (auf Geldzahlung ge­ richtete) schuldrechtliche Ansprüche verstanden werden, siehe zum dahingehenden Begriffsverständnis Bachmann, in: MüKo, BGB, § 241 Rn. 6; Olzen, in: Staudinger, BGB, § 241 Rn. 113. 90  PrOVG, Urt. v. 08.01.1931 – III A 85/30 –, PrOVGE 87, 289, 291 f., wobei unklar erscheint, worin das PrOVG den zu sichernden Anspruch erblickt. So scheint das Gericht weniger auf einen potentiellen Schadensersatzanspruch denn auf ein 86  „Als



B. Die Privatrechtsklauseln57

somit als Bestandteil des Vermögens zum Schutzgut der öffentlichen Sicher­ heit, kann es sich bei den Privatrechtsklauseln rechtslogisch nur um eine Beschränkung der Aufgabe der Gefahrenabwehr handeln. Die Behauptung einer Aufgabenzuweisung ist demgegenüber mit der – insoweit unstreitigen – Subsumtion des Vermögens unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit unvereinbar. Zumal die Vertreter der abweichenden Auffassung eine Begrün­ dung schuldig bleiben, weshalb privatrechtliche Forderungen kein subjekti­ ves Recht oder Rechtsgut darstellen sollen. Angesichts der an sich bestehen­ den Einigkeit über die Definition des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit muss die Einordnung der Privatrechtsklauseln als Aufgabeneröffnung respek­ tive die Ablehnung einer Subsumtion privater Rechte unter die Oberbegriffe der subjektiven Rechte und Rechtsgüter deshalb verwundern. Letztlich kann die Diskussion um die dogmatische Funktion der Privatrechtsklauseln folg­ lich „unschwer im Sinn der Einschränkung“ beantwortet werden.91

IV. Anwendungsbereich Entscheidende Bedeutung für die hiesige Untersuchung kommt dem An­ wendungsbereich der Privatrechtsklauseln zu. Denn von diesem hängt ab, ob die polizeilichen Handlungsbefugnisse die in den Vorschriften vorgesehene Beschränkung erfahren oder die Polizei ohne Rücksicht auf den Zuständig­ keitsbereich der Judikative zu einem Einschreiten befugt ist. 1. Beschränkung auf trigonale Konstellationen In Anbetracht der zugrundeliegenden gesetzgeberischen Funktion muss die Anwendung der Privatrechtsklauseln von vornherein auf Konstellationen beschränkt bleiben, in denen überhaupt eine Notwendigkeit besteht, die Be­ fugnisse der Polizei von denjenigen der Judikative abzugrenzen. Infolgedes­ sen fallen namentlich die Fälle, in denen die Gefahr für das subjektive Recht oder Rechtsgut von einem Naturereignis ausgeht sowie die Konstellation der Selbstgefährdung92 aus dem Anwendungsbereich der Vorschriften heraus. Denn weder bei Naturkatastrophen noch bei Selbstgefährdungen existiert ein Störer, gegen den die gefährdete Person gerichtlich vorgehen könnte. Ist der Recht auf Strafverfolgung abzustellen [die betroffene Person war von der Person, deren Identität festgestellt wurde, beleidigt worden]. 91  In dieser Deutlichkeit Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, §  3 Rn. 41. 92  Zu dieser komplexen Thematik bleibt deshalb auf die eingehenden Erläuterun­ gen in der polizeirechtlichen Literatur zu verweisen, hervorzuheben sind diesbezüg­ lich insbesondere die Ausführungen bei Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn.  30 f. sowie Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 28 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Aufgabenbereich der Judikative in Ermangelung eines potentiellen Beklagten demgemäß gar nicht eröffnet, bedürfen die polizeilichen Befugnisse auch keinerlei Abgrenzung von den gerichtlichen Zuständigkeiten. Die Anwen­ dung der Privatrechtsklauseln beschränkt sich aus diesem Grund auf trigonale Konstellationen, in denen die Gefahr für das subjektive Recht oder Rechtsgut durch menschliches Handeln oder Unterlassen verursacht wird.93 2. Exkurs: Anwendbarkeit bei ordnungsbehördlichem Handeln Obgleich ausschließlich das allgemeine Polizei- und nicht das allgemeine Ordnungsrecht Gegenstand der Bearbeitung ist, soll wegen des engen sachli­ chen Zusammenhangs nachfolgend kurz auf die Rechtslage bei den Ord­ nungsbehörden eingegangen werden. Im Gegensatz zu den Polizeigesetzen enthalten die für die Befugnisse der Ordnungsbehörden94 maßgeblichen Vorschriften einzelner Bundesländer nicht immer eine entsprechende Privat­ rechtsklausel, sodass die Rechtslage in diesen Ländern erörterungsbedürftig erscheint. Namentlich betrifft dies Bayern, Berlin, Brandenburg und Nord­ rhein-Westfalen.95 a) Die Privatrechtsklauseln als Ausdruck eines allgemeingültigen Rechtsgedankens Ganz überwiegend wird das in den Privatrechtsklauseln kodifizierte Subsi­ diaritätsprinzip als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens angesehen. Aus diesem Grund gelte dieses auch dann, wenn es an einer entsprechenden Normierung im Gesetz fehle. Denn, so wird argumentiert, die Ordnungsbe­ hörden hätten im Hinblick auf den Schutz privater Rechte „nicht mehr Ver­

93  Eine Anwendbarkeit der Vorschriften bei von Naturereignissen herrührenden Gefahren ablehnend auch Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 46; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 33. Da sowohl Kingreen/Poscher als auch Thiel hierbei die Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln mit dem insoweit nicht eröffneten Rechtsweg begründen, dürften sie die Vorschriften auch bei Selbstgefähr­ dungen außer Acht lassen, ist doch auch bei Selbstgefährdungen naturgemäß kein Rechtsweg eröffnet. Thiel bezeichnet die Konstellation einer Naturkatastrophe denn auch ausdrücklich („z. B.“) lediglich als Beispiel für eine Unanwendbarkeit der Vor­ schriften, ders., a. a. O., § 4 Rn. 33. 94  Bzw. Sicherheits- (Art. 6 LStVG Bay) oder Verwaltungsbehörden (z. B. §  1 Abs. 1 NPOG). 95  Siehe die keine Privatrechtsklauseln enthaltenen Aufgabenzuweisungen in Art. 6 LStVG, § 1 OBG Bbg, § 1 OBG NRW sowie die ausschließlich das polizei­liche Han­ deln betreffende Vorschrift des § 1 Abs. 4 ASOG Bln.



B. Die Privatrechtsklauseln59

anlassung und Rechtfertigung den Gerichten vorzugreifen als die Polizei“.96 Nach dieser Sichtweise entspricht die rechtliche Situation bei den Ordnungs­ behörden derjenigen bei den Polizeien. b) Die Auffassung von Dietlein Abweichend von der oben dargestellten Sichtweise vertritt Dietlein97 im Hinblick auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen eine differenzierte Posi­ tion. Die Privatrechtsklausel des § 1 Abs. 2 PolG NRW sei nicht auf die Ordnungsbehörden anwendbar. Da es sich bei den Privatrechtsklauseln um eine Aufgabenerweiterung handele, obliege den Ordnungsbehörden der Schutz privater Rechte deswegen nicht. Dieser falle vielmehr von vornherein nicht in ihren Aufgabenbereich.98 Ob auch Pewestorf 99 diese Position hinsichtlich der Rechtslage in Berlin einnimmt, ist unklar. Einerseits scheint er ebenfalls von einer fehlenden ord­ nungsbehördlichen Aufgabe zum Schutz privater Rechte auszugehen, wenn er wie folgt ausführt: „um sie [Anm.: gemeint sind die privaten Rechte] zu schützen, kann die Polizei (nicht die Ordnungsbehörde) tätig werden“.100 Da anderseits auch nach seiner Auffassung private Rechte dem Schutzgut der 96  In dieser Deutlichkeit Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, §  3 Rn. 41; siehe auch OVG NRW, Urt. 06.10.2017 – 11 A 353/17 –, juris-Rn. 28; OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 56; BayVGH, ­Beschl. v. 10.08.2009 – 11 CE 09.1795 –, juris-Rn. 11; VG Arnsberg, ­Beschl. v. 18.01.2011 – 8 L 952/10 –, juris-Rn. 30; VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, jurisRn. 21; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 28; Schenke, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 54; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81; Schoch, JURA 2013, 468, 469 Fn. 19; so wohl auch Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 67, der insoweit von einer „Subsidiarität polizeilichen oder ordnungsbehördlichen Handelns“ spricht; Schönenbroicher, in: ders./Heusch, OBG, § 1 Rn. 50; siehe auch Nr. 1.11 der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Ordnungsbe­hördengesetzes Nordrhein-Westfalens (VV OBG; Runderlass. des Innenministers v. 04.09.1980 – 43 – 57.04.05 – 8): „Der Schutz privater Rechte fällt nur dann in den Bereich der den Ordnungsbehörden obliegenden Gefahrenabwehr, wenn das zu schützende Recht hin­ reichend glaubhaft gemacht ist, gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist, und die Gefahr besteht, dass ohne ordnungsbehördliche Hilfe die Durchsetzung des Rechts nicht möglich ist oder wesentlich erschwert wird.“ 97  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34 und 178. 98  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34 und 178; an einer Zuständigkeit der Ordnungsbehörden zum Schutz privater Rechte zweifeln auch Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, OBG, § 1 Rn. 10, nach denen die Privatrechtsklauseln bei An­ nahme einer Aufgabenbeschränkung jedenfalls analog auf das ordnungsbehördliche Handeln angewandt werden müssten. 99  Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 60. 100  Pewestorf, a. a. O., §  1 Rn.  60.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

öffentlichen Sicherheit unterfallen101, ergibt sich indes ein unauflösbarer Wi­ derspruch. Werden private Rechte unter das Teilschutzgut der subjektiven Rechte und Rechtsgüter subsumiert, muss es sich bei der in § 1 Abs. 4 ASOG Bln normierten Privatrechtsklausel zwangsläufig um eine Aufgabenbegren­ zung handeln.102 Aus dem Fehlen dieser Einschränkung für den Aufgabenbe­ reich der Ordnungsbehörden kann nun aber nicht, wie Pewestorf es letztend­ lich tut, die Existenz einer Begrenzung der Aufgaben der Ordnungsbehörden gefolgert werden. Denn bei Fehlen einer Aufgabenbeschränkung liegt not­ wendigerweise ein unbeschränkter Aufgabenbereich vor. c) Die Privatrechtsklauseln als Einschränkung der ordnungsbehördlichen Gefahrenabwehr Die Auffassung von Dietlein, wonach den Ordnungsbehörden keine Be­ fugnis zum Schutz privater Rechte zukommt, vermag nicht zu überzeugen. Sie beruht auf der dogmatischen Einordnung der nordrhein-westfälischen Privatrechtsklausel als Aufgabenzuweisung und damit auf einem Standpunkt, der bereits verworfen wurde.103 Zudem lässt sich ein weiteres gewichtiges Argument gegen diese Position vorbringen. Wird mit Dietlein den Ordnungsbehörden jegliche Befugnis zum Schutz privater Rechte abgesprochen, verkommt die in § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW enthaltene Verweisung auf § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW zur Makulatur. Der Gesetzgeber hat bei Erlass des nordrhein-westfälischen Ord­ nungsbehördengesetzes auf die Kodifikation einzelner Standardmaßnahmen verzichtet und stattdessen in großem Umfang die im Polizeigesetz NordrheinWestfalen normierten Standardmaßnahmen für entsprechend anwendbar er­ klärt (§ 24 Abs. 1 OBG NRW), darunter insbesondere auch die Standardmaß­ nahme der Ingewahrsamnahme gemäß § 35 PolG NRW. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW i. V. m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW dürfen die Ordnungs­ behörden deswegen eine Person auch dann in Gewahrsam nehmen, „wenn das unerlässlich ist, um private Rechte zu schützen, und eine Festnahme und Vorführung der Person nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Ge­ setzbuches zulässig ist“. Wäre den Ordnungsbehörden der Schutz privater Rechte nun tatsächlich von vornherein untersagt, bestünde keinerlei Veran­ lassung ihnen dennoch eine explizit auf den Schutz privater Rechte zuge­ schnittene Standardmaßnahme an die Hand zu geben. Diesen Widerspruch 101  Pewestorf,

a. a. O., § 1 Rn. 60 und 50. auch Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 41. 103  Siehe oben unter B.III.3. (Verweise ohne Kapitelangaben beziehen sich hier und im Folgenden jeweils auf das Kapitel, in welchem der Verweis vorgenommen wird). 102  So



B. Die Privatrechtsklauseln61

erkennt denn auch Dietlein, der die in § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW enthal­ tene Rezeption des § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW deswegen konsequenter­ weise als „wenig folgerichtig“ bezeichnet.104 Allerdings dürfte es bei einer fehlenden Folgerichtigkeit nicht sein Bewenden haben. Denn wenn der Schutz privater Rechte überhaupt nicht zu den Aufgaben der Ordnungsbehör­ den zählte, müsste jede auf § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW i. V. m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW gestützte ordnungsbehördliche Maßnahme unweigerlich wegen der fehlenden sachlichen Zuständigkeit der Ordnungsbehörden rechts­ widrig sein. In letzter Konsequenz hätte der Gesetzgeber mithin eine verfas­ sungswidrige Ermächtigungsgrundlage geschaffen. Dass es sich hierbei auch nicht um ein bloßes gesetzgeberisches Versehen handelt, ergibt sich ohne Weiteres aus der Systematik des § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW. Mit § 35 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW hat der Gesetzgeber nämlich eine andere Modalität der Ingewahrsahmnahme von der umfassenden Verweisung ausdrücklich ausgenommen105, sodass die Verweisung auf § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW dem gesetzgeberischen Willen entsprechen muss. Mit dem gesetzgeberischen Willen ist die Auffassung Dietleins auch im Übrigen unvereinbar. Wie aus der amtlichen Begründung zu § 1 OBG NRW hervorgeht, fällt nach der Sichtweise des Gesetzgebers das Vermögen als solches unter das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit, wobei der Gesetzge­ ber erkennbar ebenfalls von einer Zugehörigkeit privatrechtlicher Forderun­ gen zum Begriff des Vermögens ausgeht.106 Da privatrechtliche Forderungen auch nach Dietlein dem Begriff des privaten Rechts unterfallen107, muss der Gesetzgeber den Schutz privater Rechte folglich zu den Aufgaben der Ord­ nungsbehörden zählen. Deutlich wird dies ferner anhand des Wortlauts von § 24 Abs. 1 OBG NRW. Nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes für die Ordnungsbehörden lediglich, „soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist“. Wäre der Schutz privater Rechte keine Aufgabe der Ordnungsbehörde, könnte diese Voraus­ setzung bei auf § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW i. V. m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW gestützten Ingewahrsamnahmen zwangsläufig niemals erfüllt sein. Die 104  Dietlein,

in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 178. Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW lautet: „Die Polizei kann eine Person in Gewahr­ sam nehmen, wenn das unerlässlich ist, um eine Wohnungsverweisung oder ein Rückkehrverbot nach § 34a durchzusetzen“, Hintergrund dieser Ausnahme ist der Umstand, dass die Ordnungsbehörde in Ermangelung eines entsprechenden Verweises in § 24 OBG NRW nicht zur Vornahme von Wohnungsverweisungen respektive zur Aussprache von Rückkehrverboten nach § 34a PolG ermächtigt ist. 106  Nordrhein-Westfalen, LT-Drucks. 3/6, S. 28, unter das Schutzgut der öffent­ lichen Sicherheit falle auch „das Vermögen im Sinne des Inbegriffs aller durch die geltenden Rechtsordnung gewährleisteten dinglichen und persönliche Rechten natür­ licher oder juristischer Personen“. 107  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 51 und 34. 105  § 35

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

auf § 24 Abs. 1 Nr. 12 OBG NRW i. V. m. § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW ge­ stützte Argumentation kann hierbei auf die Rechtslage in Brandenburg über­ tragen werden, wo mit § 23 Nr. 1 lit. f) OBG Bbg i. V. m. § 17 Abs. 1 Nr. 5 BbgPolG eine identische Standardmaßnahme zugunsten der Ordnungsbehör­ den normiert ist.108 Als Resümee bleibt damit festzuhalten, dass neben der Polizei auch den Ordnungsbehörden der Schutz privater Rechte obliegt. Diese ordnungsbe­ hördliche Befugnis muss aber – auch in den Bundesländern, in denen keine Privatrechtsklausel normiert ist – den gleichen Beschränkungen unterliegen, die auch für ein polizeiliches Eingreifen gelten. Denn, wie bereits herausge­ arbeitet wurde, liegt der Problematik der polizeilichen Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter der verfassungsrechtliche Kompetenz­ konflikt zwischen Judikative einerseits und Exekutive andererseits zugrunde. Dieser Konflikt besteht im Hinblick auf das ordnungsbehördliche Einschrei­ ten in gleichem Umfang wie bei einem polizeilichen Einschreiten. Ob und wann die Ordnungsbehörden im Einzelfall anstelle der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter vor privaten Übergriffen tätig werden, bestimmt sich allein nach der Organisationsstruktur des jeweiligen Landes und lässt den Umstand, dass die Exekutive in einem von der Verfassung an sich der Judikative zugewiesenen Bereich tätig wird, gänzlich unberührt. Zusammengefasst lässt sich die Rechtslage bei den Ordnungsbehörden dementsprechend wie folgt skizzieren. Der Schutz privater Rechte gehört in sämtlichen Bundesländern zur Aufgabe der Ordnungsbehörden, unterliegt dabei jedoch den gleichen Einschränkungen wie sie in den Privatrechtsklau­ seln für das polizeiliche Handeln festgelegt sind. Die dogmatische Frage, ob diese Beschränkung im Wege einer Analogie109 oder in Anwendung eines 108  Nordrhein-Westfalen fungierte nach der Wiedervereinigung als „Partnerland“ (hierzu bereits oben unter Fn. 64) Brandenburgs, weshalb das Ordnungsbehördenge­ setz Brandenburgs weitestgehend dem Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfa­ lens entspricht, Götz, NVwZ 1994, 652, 653. 109  In diese Richtung im Hinblick auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen wohl die Rechtsprechung, OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 56: „denn jedenfalls hat die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 2 PolG NRW entsprechend auch für die Tätigkeit der Ordnungsbehörden zu gelten“; VG Arnsberg, ­Beschl. v. 18.01.2011 – 8 L 952/10 –, juris-Rn. 30: „Die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 2 des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen (PolG) gilt entsprechend auch für die Tätigkeit der Ordnungsbehörden“; VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, jurisRn. 21: „[…] hat die Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 2 PolG NRW jedenfalls ent­ sprechend auch für die Tätigkeit der Ordnungsbehörden zu gelten“; für eine Analogie auch Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, OBG, § 1 Rn. 10, wobei diese dahinge­ stellt lassen, ob der Schutz privater Rechte überhaupt zum Aufgabenbereich der Ord­ nungsbehörden gehört; für eine „entsprechende Anwendung“ im Hinblick auf die Rechtslage in Bayern, BayVGH, ­Beschl. v. 10.08.2009 – CE 09.1795 –, juris-Rn. 11.



B. Die Privatrechtsklauseln63

allgemeinen Rechtsgrundsatzes110 erreicht werden kann, würde indes den Rahmen dieses Exkurses überschreiten und soll deswegen dahinstehen.111 3. Begriff des privaten Rechts Ausweislich des Wortlauts der hier als Privatrechtsklauseln bezeichneten Vorschriften betreffen diese den polizeilichen Schutz sog. privater Rechte. Allein der Begriff des privaten Rechts bestimmt hiernach den Anwendungs­ bereich der entsprechenden Normen. Demzufolge legt die Definition des privaten Rechts zugleich fest, ob die Polizei dieses nur unter den einschrän­ kenden Voraussetzungen der jeweiligen Vorschriften schützen darf. Diese Korrelation zwischen privatem Recht und Anwendungsbereich der Privat­ rechtsklauseln ist sich bei der Untersuchung des Begriffs des privaten Rechts stets zu vergegenwärtigen. Denn letztendlich erschöpft sich die Be­ deutung dieser Begriffsbestimmung in der Frage nach der Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln. Dementsprechend wird oftmals zwischen diesen beiden Aspekten auch nicht weiter differenziert und statt der Erläuterung, welche Rechte als private Rechte im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind, erfolgen vom Begriff des privaten Rechts losgelöste Ausführungen über den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln bzw. des Subsidiari­ tätsprinzips.112 a) Die „Ausschließlichkeitstheorie“ der allgemeinen Meinung Obwohl sich nur vereinzelt eine Definition des privaten Rechts findet, kann die Frage, unter welchen Voraussetzungen das in den Privatrechtsklau­ seln verankerte Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung kommt, heutzutage nicht mehr als streitig bezeichnet werden. Soweit der Begriff des privaten Rechts einmal definiert wird, begreifen Rechtsprechung und Literatur in bemerkenswerter Einmütigkeit unter privaten Rechten solche Rechte, die ­ nicht zugleich durch öffentlich-rechtliche oder strafrechtliche Normen abge­ sichert werden, sondern ausschließlich unter dem Schutz der Privatrechts­ ordnung stehen. Wenngleich die sprachlichen Formulierungen in Nuancen abweichen und mal verlangt wird, das private Recht müsse „ausschließlich 110  Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 28; wohl auch Möller/Warg, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 81, „dieser […] anerkannte Grundsatz […] gilt aber unab­ hängig von einer gesetzlichen Verankerung generell“. 111  Die dogmatische Begründung offenlassend auch Schenke, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 54. 112  Dies kritisierend schon Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S.  45 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

im bürger­ lichen Recht begründet und geschützt“113 sein, während andere eine „ausschließlich privatrechtliche Natur“114 des Rechts fordern bzw. in diesem Zusammenhang schlichtweg von „ausschließlich privaten Rechte“ sprechen115, kann dennoch von einem allgemeinen Konsens gesprochen wer­den.116 Zu beachten ist hierbei, dass ein etwaiger grundrechtlicher Schutz dem ausschließlich privatrechtlichen Charakter eines Rechts nicht entgegensteht. Da letztendlich jede Rechtsposition dem Schutzbereich eines Grundrechts unterfällt und demzufolge überhaupt kein Raum mehr für die Annahme pri­ vater Rechte verbliebe117, führt die grundrechtliche Verankerung eines Rechts nach den eine Definition bietenden Vertretern nicht zu dessen Charakterisie­ rung als öffentlich-rechtlich.118 Neben dem verfassungsrechtlichen Schutz bleibt auch die Person des Rechtsträgers für die Einordnung eines Rechts als privat unerheblich. Maßgeblich ist insoweit allein die jeweilige Rechtsposi­ tion als solche, weswegen auch juristische Personen des öffentlichen Rechts Träger privater Rechte sein können.119 113  Gusy,

Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92. in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34. 115  Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 31; Stephan/Deger, PolG BW, § 2 Rn. 14. 116  Siehe nur VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn. 23: „aus­ schließlich privatrechtlich begründet“; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 256, der insoweit von „ausschließlich privatrechtswidrigen Gefährdungslagen“ spricht; ders., in: Schmidt-Aßmann/Schoch, 2. Kap. Rn. 73; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 47: „wenn ausschließlich private Rechtspositionen gefährdet sind“; Gusy/ Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 222: „zivilrechtlich geschütztes Rechtsgut, soweit dieses ausschließlich durch Normen des Zivilrechts geschützt ist“; Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 94: „ausschließlich in der Privatrechtsordnung abgesichert“; Frotscher, DVBl. 1976, 695, 699: „Rechts­ position, die ihre Grundlage in der Privatrechtsordnung findet“; so auch Rasch, in: Ule, § 1 ME PolG Rn. 54. 117  Zutreffend insoweit Majer, NZM 2019, 59, 60, siehe auch Stephan/Deger, PolG BW, § 2 Rn. 14. 118  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 94; Gusy/ Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 222; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 254; ders., JURA 2013, 468, 469; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 45.1, der das Abstellen auf eine „ausschließlich privatrechtliche Grundlage“ bei der Begriffsbestimmung deswegen als „unzutreffend“ bezeichnet, Hervorhebung nur hier. 119  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 82 und 221; Gusy, Poli­ zei- und Ordnungsrecht, Rn. 91; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 30; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 47; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 67; siehe auch OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 51, in dem zugrundeliegenden Fall war die kommunale Ord­ nungsbehörde zum Schutz ihres eigenen Grundeigentums (Sicherstellung von unbe­ 114  Dietlein,



B. Die Privatrechtsklauseln65

Gleichwohl darf der Konsens hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Privatrechtsklauseln nicht als eine allgemein anerkannte Definition des priva­ ten Rechts missverstanden werden. Vielmehr verhalten sich der Großteil der Literaturstimmen und insbesondere auch die Rechtsprechung überhaupt nicht zum Begriff des privaten Rechts, sondern legen lediglich den Anwendungs­ bereich der Privatrechtsklauseln dar, ohne ihre Ausführungen insoweit jedoch am Wortlaut der Vorschriften festzumachen. Im Ergebnis allerdings, und dies rechtfertigt freilich die Annahme eines allgemeinen Konsenses, entspricht der von ihnen den Privatrechtsklauseln zugeschriebene Anwendungsbereich demjenigen der das private Recht definierenden Stimmen. So seien die Vor­ schriften nur dann anwendbar, wenn die für das subjektive Recht bzw. Rechtsgut bestehende Gefahr nicht zugleich mit einer Gefahr für die Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung einhergehe.120 fugt abgestellten Altkleidercontainern) tätig geworden; der abweichende Ansatz von Krüger, Privatrechtsschutz als Polizeiaufgabe, S. 12 f., wonach unter privaten Rechten im Sinne der Privatrechtsklauseln „alle Rechte eines privaten Rechtssubjekts“ zu ver­ stehen sind, hat sich zu Recht nicht durchsetzen können, weil die Vorschriften ersicht­ lich vom „Schutz privater Rechte“ und nicht dem „Schutz der Rechte Privater“ spre­ chen; so deutlich auch schon Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 92. 120  Aus der Rechtsprechung: OVG RhPf, Urt. v. 12.09.2007 – 7 A 10789/07 –, juris-Rn. 31; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28.02.2000 – 4 L 135/99 –, jurisRn. 24; siehe auch VGH BW, Urt. v. 08.05.2008 – 1 S 2914/07 –, juris-Rn. 31, wobei zu beachten ist, dass der VGH BW die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln un­ ter das Erfordernis eines öffentlichen Interesses nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW subsumiert (kritisch hierzu schon im ersten Kapitel unter D.II.1.d)aa); VGH BW, Urt. v. 20.02.1995 – 1 S 3184/94 –, juris-Rn. 21; im Ergebnis auch HessVGH, ­Beschl. v. 28.11.2011 – 8 A 199/11.Z –, juris-Rn. 5, der die erstinstanzlichen Ausführungen, wonach die Verhütung von Straftaten nicht allein dem Schutz privater Rechte im Sinne des § 1 Abs. 3 HSOG diene und die Gefährderansprache gegenüber einem In­ kassounternehmen zur Verhinderung von Straftaten nach § 263 StGB (Betrug) deswe­ gen nicht an der hessischen Privatrechtsklausel zu messen sei, unbeanstandet lässt; VG Würzburg, Urt. v. 25.01.2019 – W 9 K 17.703 –, juris-Rn. 31; VG Aachen, Beschl. v. 26.10.2018 – 6 L 1601/18 –, juris-Rn. 22; VG Arnsberg, ­ ­­ Beschl. v. 02.02.2006 – 3 L 47/06 –, juris-Rn. 7; VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris-Rn. 7; VG Sigmaringen, B ­ eschl. v. 05.09.2002 – 2 K 1733/02 –, ­juris-Rn. 10; VG München, Urt. v. 07.09.2001 – M 17 K 99.2295 –, juris-Rn. 26; VG Freiburg, Urt. v. 26.03.1987 – 4 K 6/86 –, VBlBW 1987, 349 f.; BGH, B ­ eschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 19; OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 –, juris-Rn. 10; aus der Literatur: Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungs­ recht, § 3 Rn. 42; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 71; Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 239; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 22; Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 15; Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünders, § 69 Rn. 90; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Ver­ waltungsrecht, Rn. 444; Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, § 2 Rn. 51; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, § 2 Rn. 74 f.; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 27;

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Mögen im Ergebnis auch keinerlei Unterschiede bestehen, setzen sich die Vertreter, die den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln losgelöst vom Begriff des privaten Rechts beschreiben, in ihrer Begründung teilweise den­ noch in Widerspruch zu der oben dargestellten Begriffsbestimmung. Regel­ mäßig findet sich nämlich die Aussage, die einschränkenden Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln gelten dann nicht, wenn „das private Recht zugleich durch Straf- oder Ordnungswidrigkeitenvorschriften geschützt“121 bzw. in sonstiger Weise „auch öffentlich-rechtlich begründet“ sei.122 Wird sich nun noch einmal die Definition vor Augen geführt, wonach es gerade der ausschließlich privatrechtliche Schutz sei, der ein privates Recht ausmache123, wird die Unvereinbarkeit dieser Aussage mit dem oben skizzierten Begriffs­ verständnis sofort offensichtlich. Während nach diesem im Falle eines gleichzeitig bestehenden strafrechtlichen bzw. öffentlich-rechtlichen Schutzes per definitionem schon gar kein privates Recht vorliegen kann, nehmen die Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.9; Hornmann, HSOG, § 11 Rn. 6; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 58 und 61; Horn, in: Gornig/ Horn/Will, 2. Teil Rn. 277; Berner/Köhler/Käß, PAG, Art. 2 Rn. 53; Schütte, in: ders./ Braun/Keller, PolG NRW, § 1 Rn. 42; Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 25; Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 121; Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 31; Basten, Privatrecht in der polizeilichen Pra­ xis, S.  34 f.; Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 84; Krüger, Privat­ rechtsschutz als Polizeiaufgabe, S. 33; Braun, Finanzierung polizeilicher Aufgaben­ wahrnehmung, S. 304; Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 79  f.; Majer, NZM 2019, 59, 60; Schoch, JURA 2013, 468, 470; im Ergebnis bei Hausbe­ setzungen im Hinblick auf § 123 StGB auch Schlink, NVwZ 1982, 529, 530; ähnlich wohl auch Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135; siehe schließlich Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 50, der die Privatrechts­ klauseln darüber hinaus auch dann für unanwendbar hält, „wenn aus anderen Gründen [d. h. nicht wegen eines strafrechtlichen Schutzes] öffentliche Interessen im Spiel sind.“ 121  VG Arnsberg, ­Beschl. v. 02.02.2006 – 3 L 47/06 –, juris-Rn. 7; Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4 Rn. 31; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 42; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 256. 122  Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 71; siehe auch OVG RhPf, Urt. v. 12.09.2007 – 7 A 10789/07 –, juris-Rn. 31, die Privatrechtsklausel gelte nicht „für die Verletzung privater Rechte, in der zugleich eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu sehen ist“; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 47: „[…] wird ein privates Recht durch öffentlich-rechtliche und/oder Strafrechts­ bestimmungen flankiert […]“; Weiner, in: Möstl/Weiner, PolR Nds., SOG, § 1 Rn. 31: „[…] sobald private Rechte und Rechtsgüter durch das Straf- bzw. Ordnungswidrig­ keit- oder das Verwaltungsrecht geschützt sind“; siehe auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 97, der eine fehlerhaften Anwendung des Privatrechtsklauseln annimmt, sofern das „zu schützende Recht nicht nur privatrecht­ lich, sondern auch öffentlich-rechtlich abgesichert ist.“ 123  Siehe nur Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34: „[…] nicht zugleich durch öffentlich-rechtliche oder strafrechtliche Normen geschützt […]“.



B. Die Privatrechtsklauseln67

anderen Stimmen – zumindest sprachlich – nichtsdestominder ein solches an und erklären lediglich die Privatrechtsklauseln für nicht einschlägig. Ange­ sichts dieses Widerspruchs bleibt für die weitere Untersuchung unbedingt festzuhalten, dass der bestehende Konsens über die Anwendungsfälle der Privatrechtsklauseln nicht mit einer allgemein anerkannten Definition des privaten Rechts einhergeht. Da eine solche Definition jedoch allein für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Privatrechtsklauseln von Bedeu­ tung ist und der Anwendungsbereich der Vorschriften gerade nicht streitig ist, ändert diese widersprüchliche Argumentation nichts an der bestehenden Ein­ helligkeit bezüglich der Frage, wann die Befugnis der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter durch die Privatrechtsklauseln einge­ schränkt wird. Eine anerkannte Bezeichnung für diese allgemeine Auffassung ist nicht ersichtlich. Dies dürfte dabei in erster Linie dem Umstand geschuldet sein, dass sich wegen der zumindest im Ergebnis bestehenden Einmütigkeit das Erfordernis einer (sprachlichen) Abgrenzung zu etwaigen abweichenden Rechtsauffassungen bislang überhaupt nicht gestellt hat. Dessen ungeachtet soll zur Ermöglichung einer besseren Lesbarkeit diese Auffassung im Fol­ genden schlagwortartig als „Ausschließlichkeitstheorie“ bezeichnet werden, ist doch allen Definitionen des privaten Rechts ungeachtet der sprachlichen Nuancen wenigstens die Verwendung des Adjektivs „ausschließlich“ gemein­ sam. Der Einfachheit halber sollen zudem die auf eine Definition des priva­ ten Rechts gänzlich verzichtenden Stimmen ebenfalls unter der „Ausschließ­ lichkeitstheorie“ zusammengefasst werden. Gerechtfertigt werden kann dies insoweit, als auch diese Stimmen die Anwendung der Privatrechtsklauseln auf die Fälle beschränken, in denen ausschließlich eine Gefahr für das poli­ zeiliche Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter besteht. Welche Konsequenzen die „Ausschließlichkeitstheorie“ für den An­ wendungsbereich der Privatrechtsklauseln hierbei im Einzelnen hat, soll im Rahmen des nachfolgenden Abschnitts gesondert dargestellt werden. b) Vormals vertretene abweichende Auffassung Eine früher insbesondere von Baur124 vertretene Ansicht zog den Anwen­ dungsbereich der Privatrechtsklauseln bzw. – soweit solche noch nicht nor­ miert worden waren – des an ihre Stelle tretenden Subsidiaritätsprinzips weiter und erstreckte sie ebenso auf Fälle, in denen sich die Bedrohung des privaten Rechts zugleich als eine bevorstehende Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten darstellt.125 124  Baur,

JZ 1962, 73, 76. Rasch, in: Ule, § 1 ME PolG Rn. 58.

125  Ebenso

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Eine Definition des privaten Rechts, die diese Rechtsfolge zu begründen vermöchte, blieb diese Ansicht nichtsdestoweniger schuldig. Anstelle der Er­ läuterung, ob die drohende Begehung eines jeden Straftaten- oder Ordnungs­ widrigkeitentatbestands oder bloß der zu befürchtende Verstoß gegen be­ stimmte Vorschriften die Geltung der Privatrechtsklauseln bzw. des Subsidi­ aritätsprinzips rechtfertigen könnte, fand sich stets nur der beispielhafte und damit nicht abschließend zu verstehende Verweis auf die Straftaten der Ver­ letzung der Unterhaltspflicht nach § 170b StGB126, des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 248b StGB sowie auf Straftaten nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).127 Dass die Vertreter dieser Auf­ fassung in diesem Zusammenhang freilich nicht den Verstoß gegen jede be­ liebige Strafrechts- oder Ordnungswidrigkeitsvorschrift vor Augen hatten, sondern vielmehr nur die Verletzung bestimmter Normen erfassen wollten, folgt aus der Bündelung der insoweit in den Blick genommenen Vorschriften unter dem Schlagwort der „pönalisierten Zivilrechtsnormen“128 respektive deren Beschreibung als Bestrafung der „Verletzung privatrecht­ licher Verpflichtungen“129 oder schlichtweg als „ziviles Unrecht“.130 Erkenntnisse darüber welche Vorschriften nun genau darunter zu subsumieren sind, brin­ gen derlei Bezeichnungen selbstverständlich ebenso wenig mit sich wie die auf den Bereich des Wettbewerbsrechts abstellende Wendung, der Polizei obliege nicht die Verhinderung von solchen Straftaten, die „typisches Wett­ bewerbsunrecht“ betreffen.131 Nur unwesentlich ergiebiger war ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Freiburg132 aus dem Jahr 1954, in dem das Gericht die „von jeher“ zum Aufgabenbereich der Polizei gehörende Verhinderung von Straftaten unter den Vorbehalt eines öffentlichen Interesses stellte und als Anhaltspunkt für dessen Vorliegen den Umstand erachtete, ob „die Straf­ 126  Entspricht

dem heutigen § 170 StGB. JZ 1962, 73, 76, der die Aufzählung einleitet mit: „dazu einige Bei­ spiele:“; Rasch, in: Ule, § 1 ME PolG Rn. 58: „wie z. B. in […]“; soweit beide die Strafvorschrift des § 248b StGB als „unbefugten Gebrauch eines fremden Kraftfahr­ zeugs“ [Hervorhebung nur hier] bezeichnen, ist klarzustellen, dass der Straftatbestand bereits damals ebenso den unbefugten Gebrauch eines „Fahrrads“ pönalisierte, siehe Drittes Strafrechtsänderungsgesetz vom 4.08.1953, BGBl. I 1953, 735, 736. 128  Rasch, in: Ule, § 1 ME PolG Rn. 58; Baur, JZ 1962, 73, 76: „Pönalisierung des Zivilrechts.“ 129  Rasch, in: Ule, § 1 ME PolG Rn. 58. 130  Baur, JZ 1962, 73, 76. 131  Habscheid, GRUR 1953, 422, 425; jegliche behördliche Befugnis zur Untersa­ gung sog. Sonderveranstaltungen wegen einer uneingeschränkten Geltung des Subsi­ diaritätsprinzips verneinend Jackermeier, GRUR 1983, 702, 706 f.; a. A. BVerwG, Urt. v. 29.11.1977 – I C 29.74 –, juris-Rn. 24, das Subsidiaritätsprinzip gelte bei strafbewehrten Vorschriften des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb nicht. 132  VG Freiburg, Urt. v. 07.04.1954 – VS 282/53 –, GRUR 1954, 357, 357. 127  Baur,



B. Die Privatrechtsklauseln69

verfolgung des verletzten Delikts von Amts wegen oder nur auf Antrag er­ folgt“. Auch diese fehlende Präzision in der Argumentation mag ein Grund dafür gewesen sein, dass sich diese Auffassung letztendlich nicht durchsetzen konnte. 4. Die Konsequenzen der Ausschließlichkeitstheorie Die Auswirkungen, die die Ausschließlichkeitstheorie für den Anwen­ dungsbereich der Privatrechtsklauseln mit sich bringt, sind gravierend und sollen aus diesem Grund im Folgenden einer eingehenden Betrachtung un­ terzogen werden. Hierzu ist das Verhältnis der beiden polizeilichen Teil­ schutzgüter, der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung einerseits und der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter andererseits, wie es sich nach der Ausschließlichkeitstheorie darstellt, im Folgenden darzu­ legen. a) Verhältnis zum Teilschutzgut der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung Da der Polizei mit der Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr zugleich die Überwachung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung zugewie­ sen wird und unter dieser nach allgemeiner Auffassung materielle Gesetze aller Normenhierarchieebenen verstanden werden133, besteht eine ein polizei­ liches Einschreiten rechtfertigende Gefahrenlage letztendlich bei jedem nur erdenklichen (drohenden) Verstoß gegen normative Ge- oder Verbote.134 Dies gilt für die Durchführung eines gemäß Art. 26 GG verbotenen Angriffskrie­ ges135 ebenso wie für die unter Verstoß gegen die Benutzungsordnung ver­ spätet erfolgte Rückgabe eines ausgeliehenen Buches der universitären Bib­ liothek. In all diesen Fällen wird die polizeiliche Eingriffsbefugnis nach der Ausschließlichkeitstheorie nicht durch die einschränkenden Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln begrenzt, weil diese wegen der Betroffenheit der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung unanwendbar seien bzw. eben nicht der Schutz privater Rechte in Rede stehe. Der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung wird von der Aus­ schließlichkeitstheorie hinsichtlich der Anwendbarkeit der Privatrechtsklau­ seln demnach eine gewisse Vorrangstellung gegenüber dem an sich als 133  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 245; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 53; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 8. 134  In dieser Deutlichkeit Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 11. 135  Beispiel nach Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 53.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

gleichwertig angesehenen weiteren Teilschutzgut der subjektiven Rechte und Rechtsgüter eingeräumt.136 Dieses Rangverhältnis ergibt sich aus der folgen­ den Überlegung: In der Konstellation einer einzig für subjektive Rechte und Rechtsgüter bestehenden Gefahr werden die Privatrechtsklauseln durchaus auch von den Vertretern der Ausschließlichkeitstheorie für einschlägig er­ klärt. Bei einer allein für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung bestehenden Gefahr ist dies demgegenüber nicht der Fall. Besteht nun so­ wohl für subjektive Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen als auch für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung eine Gefahr, muss entschieden werden, welches Teilschutzgut sich gegenüber dem anderen im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln durchsetzt. Indem die Ausschließlichkeitstheorie diese Kollision zugunsten der objektiven Rechtsordnung auflöst, weist sie diesem Teilschutzgut unweigerlich einen Vorrang gegenüber der Unverletz­ lichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter zu. aa) Sog. pönalisierte Privatrechtsnormen Nicht nur bei den Anhängern der vormals vertretenen und von der Aus­ schließlichkeitstheorie abweichenden Auffassung findet sich der Terminus der sog. pönalisierten Zivil- oder Privatrechtsnormen, sondern auch einzelne Verfechter der Ausschließlichkeitstheorie gebrauchen ihn.137 Zwar bleiben auch die Letzteren eine Konkretisierung des Begriffes schuldig, doch er­ scheint dieser Umstand insoweit nachvollziehbar, als eine solche nach Maß­ gabe der Ausschließlichkeitstheorie überhaupt nicht erforderlich ist. Eine abweichende Rechtsfolge wird aus der Eigenschaft einer Norm als pönalisierter Privatrechtsnorm von den Vertretern der Ausschließlichkeitstheorie nämlich nicht abgeleitet. Vielmehr bleibt es in diesem Zusammenhang bei der Klarstellung, wonach die Privatrechtsklauseln auch bei pönalisierten Privatrechtsnormen unanwendbar seien.138 Dass bestimmte Straftatbestände, wie etwa das unerlaubte Entfernen vom Unfallort gemäß § 142 StGB oder

136  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 71, sprechen insoweit von einer „Subsidiarität“ der subjektiven Rechte und Rechtsgüter gegenüber der Un­ versehrtheit der objektiven Rechtsordnung; nach Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 20, ist die Verletzung der objektiven Rechtsordnung „vorran­ gig“ zu prüfen. 137  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 45 und 96; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 239; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 31. 138  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 96; Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 239; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 81; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 31.



B. Die Privatrechtsklauseln71

der Betrug nach § 263 StGB, ausschließlich139, zuvörderst140 oder zumindest auch privatrechtliche Forderungen141 schützen, bleibt nach der Ausschließ­ lichkeitstheorie irrelevant und vermag keine Begrenzung der polizeilichen Handlungsbefugnisse nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln auszulösen. bb) Privatklagedelikte Bei Privatklagedelikte handelt es sich um Straftaten, bei denen der Gesetz­ geber im Regelfall vom Fehlen eines Interesses der Allgemeinheit an der strafrechtlichen Verfolgung ausgeht. Gemäß § 376 StPO erhebt die Staatsan­ waltschaft die öffentliche Klage wegen der in § 374 StPO abschließend auf­ geführten Privatklagedelikte nur dann, wenn eine Verfolgung der konkreten Tat im öffentlichen Interesse liegt, andernfalls ist der Verletzte selbst zur strafrechtlichen Verfolgung der Tat berufen. Privatklagedelikte stellen folg­ lich eine Ausnahme zur strafprozessualen Offizialmaxime dar.142 Zu ihnen gehören Vergehen, wie etwa der Hausfriedensbruch nach § 123 StGB oder die Beleidigung gemäß § 185 StGB, aber auch die (einfache) Körperverlet­ zung nach § 223 StGB sowie Straftaten nach dem Gesetz gegen den unlaute­ ren Wettbewerb oder dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG). Das allen Privatklagedelik­ ten gemeinsame charakteristische Merkmal wird überwiegend in dem gerade nicht vorhandenen Interesse der Allgemeinheit an einer Strafverfolgung ge­ sehen.143 Ob und wie sich die Eigenschaft einer Straftat als Privatklagedelikt auf das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit unter dem Gesichtspunkt der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung sowie auf eine etwaige Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln auswirkt, wurde bisher – soweit er­

139  § 142 StGB schützt als abstraktes Gefährdungsdelikt ausschließlich das Vermö­ gen, die systematische Stellung des Delikts im 7. Abschnitt als Straftat gegen die öf­ fentliche Ordnung gilt nach einhelliger Meinung als verfehlt, Zopfs, in: MüKo, StGB, § 142 Rn. 2 f. und Fn. 3 zu Rn. 2. 140  Der Betrugstatbestand schützt nach h. M. neben dem Vermögen auch die Hand­ lungs- und Dispositionsfreiheit, Hefendehl, in: MüKo, StGB, § 263 Rn. 1 f. m. w. N. 141  Im Falle des § 263 StGB in Gestalt des Vermögens. 142  Zum Ganzen Daimagüler, in: MüKo, StPO, Vorb. zu § 374 Rn. 1 und 2. 143  Valerius, in: Graf, StPO, § 374 Rn. 1; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vorb. zu § 374 Rn. 1a; Daimagüler, in: MüKo, StPO, Vorb. zu § 374 Rn. 2; a. A. Velten, in: SK-StPO, Vor § 374 Rn. 19  f. und 27, der kein allen Privat­ klagedelikten gemeinsames Merkmal erkennt und diese stattdessen in vier Fallgrup­ pen unterteilt.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

sichtlich – noch nicht diskutiert.144 Wie anhand einzelner Gerichtsentschei­ dungen und Fallbeispiele in der Literatur indessen zu erkennen ist, wird bei der bevorstehenden Begehung eines Privatklagedelikts von den Vertretern der Ausschließlichkeitstheorie ohne Weiteres eine Gefahr für die Unversehrt­ heit der objektiven Rechtsordnung angenommen und damit die Unanwend­ barkeit der Privatrechtsklauseln begründet. Auf das Bestehen eines öffent­ lichen Interesses an der Strafverfolgung wird hierbei nicht eingegangen, so­ dass dieses nach der Ausschließlichkeitstheorie für das präventive polizeiliche Handeln gänzlich ohne Bedeutung sein dürfte.145 Ob diese Sichtweise zu überzeugen vermag oder Privatklageklagedelikte im Hinblick auf die Privat­ rechtsklauseln nicht eher einer differenzierten Behandlung bedürfen, soll im Folgenden146 noch eingehend untersucht werden. cc) Antragsdelikte Aufgrund der strafprozessualen Offizialmaxime werden die zur Strafver­ folgung berufenen Stellen grundsätzlich von Amts wegen tätig, sodass die Feststellung und Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs nicht von ei­ nem Initiativakt einer außerhalb der staatlichen Strafjustiz befindlichen Per­ son oder Stelle abhängt. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, ob die je­ 144  Allein Kugelmann hält explizit fest, dass der Charakter eines Straftatbestands als Privatklagedelikt für „die polizeirechtliche Beurteilung der Subsidiarität ohne Be­ deutung“ sei, ders., Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 71 f. 145  Bei Hausbesetzungen wird in der Rechtsprechung regelmäßig wegen der (dro­ henden) Verwirklichung des Privatklagedelikts des § 123 StGB (§ 374 Abs. 1 Nr. 1 StPO) eine Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung angenommen und die Privatrechtsklauseln deswegen außer Acht gelassen: VG Aachen, ­Beschl. v. 26.10.2018 – 6 L 1601/18 –, juris-Rn. 21; BGH, ­ Beschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 19; OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 –, juris-Rn. 10; zum Privatklagedelikt des § 223 StGB (§ 374 Abs. 1 Nr. 4 StPO): VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris-Rn. 7; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 43, führen als Beispiele für die Unanwendbarkeit der Privat­ rechtsklauseln neben dem klassischen Beispiel des Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) auch das Privatklagedelikt der Nötigung (§ 240 StGB, § 374 Abs. 1 Nr. 5 StPO) an; ebenso Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 256; Schoch, in: Schmidt/Aßmann, 2. Kap. Fn. 425 zu Rn. 73; so auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 237; das Beispiel des § 123 StGB anführend auch Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92; ebenso Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 13 und 22; Erbguth/ Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 444; Würtenberger/Heckmann/ Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 58; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 27; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 64; sowie Schenke, Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 55, der darüber hinaus auch das Privatklagedelikt des § 223 StGB (§ 374 Abs. 1 Nr. 4 StPO) anführt; genauso Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, § 2 Rn. 51; nur § 223 StGB anführend Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.9. 146  Siehe die Ausführungen unter D.III.



B. Die Privatrechtsklauseln73

weilige Strafvorschrift Rechte des Staates respektive der Allgemeinheit oder allein Rechte des Einzelnen schützt. Eine bedeutende Ausnahme erfährt ­dieser Grundsatz bei den sog. Antragsdelikten. Bei dieser Art von Straftaten steht die Einleitung der Strafverfolgung von vornherein unter dem Vorbehalt eines wirksamen Antrags des Verletzten. Allerdings kann bei einigen dieser Delikte der erforderliche Strafantrag durch ein besonderes öffentliches Inte­ resse an der Strafverfolgung ersetzt werden. Sieht das Gesetz dieses Antrags­ surrogat in Form eines besonderen öffentlichen Interesses vor, handelt es sich um ein sog. bedingtes Antragsdelikt. Die Delikte, bei denen eine solche Kompensation des fehlenden Strafantrags nicht möglich ist, werden hingegen als absolute Antragsdelikte bezeichnet.147 Antragsdelikte sind für die hier vorzunehmende Untersuchung von beson­ derer Relevanz. Denn mit der Ausgestaltung einer Straftat als Antragsdelikt gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass an der Verfolgung dieser Straftat nur ein verringertes öffentliches Interesse besteht148 bzw. die Norm überwiegend private Interessen schützen soll.149 Damit wird zur Begründung des Strafan­ tragserfordernisses dasjenige herangezogen, was nach der Argumentation der Ausschließlichkeitstheorie gerade gegen eine polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter spricht, nämlich das Zurücktreten eines öffentlichen Interesses hinter rein privaten Interessen. Doch wer ange­ sichts dessen nun eine differenzierte Behandlung von Antragsdelikten durch die Ausschließlichkeitstheorie erwartet, wird enttäuscht. Ohne insoweit zwi­ schen absoluten und bedingten Antragsdelikten zu unterscheiden, nehmen die Vertreter der Ausschließlichkeitstheorie bei der drohenden Verwirklichung eines Antragsdelikts unabhängig vom Vorliegen eines Strafantrags stets eine Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung an. Soweit eine Begründung für diese Rechtsfolge gegeben wird, findet sich hierzu stets ein Hinweis auf die präventive Zielrichtung gefahrenabwehrrechtlichen Han­ delns, wegen der das Vorliegen von Strafverfolgungsvoraussetzungen unbe­ achtlich sei. Letztere seien vielmehr ausschließlich für die repressive Tätig­ 147  Zum Ganzen Mitsch, in: MüKo, StGB, Vorb. § 77 Rn. 1 f.; statt von bedingten Antragsdelikten wird auch von eingeschränkten Antragsdelikten, so etwa Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 77 Rn. 1 oder relativen Offizialdelikten, so Wolter, in: SK-StGB, Vor. § 77 Rn. 1 gesprochen; der Begriff der relativen Antragsdelikte wird hingegen von allen genannten Autoren solchen Delikten vorbehalten, bei denen nur bei einer besonderen persönlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer ein Antrags­ erfordernis besteht, wie etwa beim Haus- und Familiendiebstahl nach § 247 StGB. 148  BGH, Urt. v. 01.12.1953 – 5 StR 521/53 –, BGHSt 5, 140, 141; Mitsch, in: MüKo, StGB, Vorb. § 77 Rn. 17. 149  Schmid, in: LK-StGB, Vor. § 77 ff. Rn. 4: „Schutz überwiegend privater Rechts­ güter“ durch die §§ 123, 248a, 289, 294, 303c StGB und die Straftaten des gewerbli­ chen Rechtschutzes.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

keit der Polizei im Bereich der Strafverfolgung von Bedeutung.150 Lediglich im Rahmen der Ausübung des polizeilichen Entschließungsermessens könne sich das Fehlen eines Strafantrags ausnahmsweise auch auf der präventiven Ebene der Gefahrenabwehr auswirken.151 b) Verbleibender Anwendungsbereich Zusammengefasst stellt sich der Anwendungsbereich der Privatrechtsklau­ seln nach der Ausschließlichkeitstheorie wie folgt dar: Wegen des angenom­ menen Vorrangs der objektiven Rechtsordnung wird die polizeiliche Hand­ lungsbefugnis durch die Privatrechtsklauseln immer nur dann begrenzt, wenn ausschließlich eine Gefahr für subjektive Rechte und Rechtsgüter besteht. Wie bereits ausgeführt wurde, kann eine dergestalt beschränkte Gefahrenlage zunächst immer dann angenommen werden, wenn die Gefahr – wie nament­ lich bei Naturkatastrophen und Selbstgefährdungen der Fall – nicht von einer anderen Person ausgeht.152 Da die Privatrechtsklauseln ob ihrer Funktion indes gerade in diesen Konstellationen unanwendbar sind153, bleiben als praktisch relevante Anwendungsfälle der Vorschriften lediglich die Situatio­ nen übrig, in denen die Gefahr zwar von einer anderen Person ausgeht, diese 150  BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 21.03.2007 – 1 BvR 232/04 –, juris-Rn. 26; VG Köln, ­Beschl. v. 07.02.2003 – 6 L 2495/02 –, juris-Rn. 13; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55; Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, § 2 Rn. 51; Kingreen/ Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 7 Rn. 9; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 14; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 11; Kugelmann, Polizeiund Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 43; Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 51; Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, 2. Kap. Rn. 68; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 246; Heckmann, in: Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 108; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 48; siehe auch BVerwG, Urt. v. 08.09.1981 – 1 C 88.77 –, BVerwGE 64, 55, 61, im Rahmen des § 103 StGB a. F. [Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten] sei neben der Verwirklichung des sub­ jektiven Tatbestands auch das Vorliegen der Verfolgungsermächtigung der Bundesre­ gierung nach § 104a StGB unbeachtlich, entscheidend sei allein, ob eine Gefährdung der durch § 103 StGB a. F. geschützten „Rechtsgüter“ bestehe; a. A. Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 8 Rn. 6.16; die einen Strafantrag für die Räumung besetzter Häuser verlangen; nach dem OLG München, B ­ eschl. v. 14.11.2018 – 34 Wx 42/18 –, jurisRn. 57, ist bei der nachträglichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer präventiv-polizei­ lichen Wohnungsdurchsuchung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichti­ gen, „dass es ‚nur‘ um die Verhinderung von Hausfriedensbruch und Sachbeschädi­ gung (beides sog. Antragsdelikte) ging“. 151  Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 51; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 48; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 13; vorsichtig zustimmend auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Fn. 53 zu Rn. 55; Schenke/ Schenke, in: Steiner/Brinktrine, § 2 Fn. 86 zu Rn. 51. 152  Siehe die Ausführungen im ersten Kapitel unter D.II.2. 153  Siehe oben unter B.IV.1.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 75

jedoch durch ihr störendes Verhalten nicht zugleich gegen ein öffentlichrechtlich normiertes Ge- oder Verbot verstößt. Aufgrund des umfassenden strafrechtlichen Schutzes der meisten subjektiven Rechte und Rechtsgüter betreffen die Privatrechtsklauseln nach Lesart der Ausschließlichkeitstheorie somit in erster Linie den Schutz von zivilrechtlichen Ansprüchen.154

C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung Der äußerst überschaubare Bereich, der nach der Ausschließlichkeitstheo­ rie für die Anwendung der Privatrechtsklauseln verbleibt, gibt Anlass für eine kritische und ergebnisoffene Auseinandersetzung mit dieser in so be­ merkenswerter Einhelligkeit vertretenen Auffassung.

I. Die Weite der objektiven Rechtsordnung Fundamentale Prämisse der Ausschließlichkeitstheorie ist der zwar nicht expressis verbis so benannte, in der Sache aber gleichwohl angenommene Primat des Schutzguts der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung ge­ genüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter. Das bei­ nahe gebetsmühlenartige Betonen des Vorrangs der objektiven Rechtsordnung muss dabei schon deswegen verwundern, weil ein normativer Anknüpfungs­ punkt für diese Annahme in den Polizeigesetzen selbst nicht erkennbar ist. Insbesondere ist es aber gerade diese der objektiven Rechtsordnung einge­ räumte Vorrangstellung, die in letzter Konsequenz zu dem sehr begrenzten Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln führt. Die nur eingeschränkte praktische Bedeutung der Privatrechtsklauseln wird indirekt sogar von den Vertretern der Ausschließlichkeitstheorie selbst eingeräumt. Denn indem diese in anderem Zusammenhang die nur geringe praktische Relevanz des Teilschutzguts der Unverletzlichkeit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter einräumen155, konzedieren sie gleichzeitig die über­ schaubare Relevanz der Privatrechtsklauseln. Wie oben dargestellt wurde, kommen die Privatrechtsklauseln nach der Ausschließlichkeitstheorie näm­ lich allein in den Konstellationen zur Anwendung, in denen nur für dieses Teilschutzgut eine Gefahr besteht. Gemessen daran muss der Befund einer nur untergeordneten Bedeutung des polizeilichen Schutzguts der Unverletz­

154  Kingreen/Poscher, 155  Siehe

Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 47. im ersten Kapitel Fn. 85.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

lichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter zwangsläufig ebenso für die Privatrechtsklauseln gelten.156 Allerdings dürften die praktischen Auswirkungen für die Privatrechtsklau­ seln mit der Bescheinigung einer nur untergeordneten Bedeutung noch nicht hinreichend erfasst sein. Denn eine konsequente Anwendung der Ausschließ­ lichkeitstheorie respektive des Vorrangs der objektiven Rechtsordnung führt im Ergebnis nicht bloß zu einer untergeordneten praktischen Bedeutung der Privatrechtsklauseln, sondern vielmehr zu einem Anwendungsbereich, der einer vollständigen Bedeutungslosigkeit der Vorschriften zumindest nahe­ kommt.157 1. Beispielsfälle und ihre Behandlung nach der Ausschließlichkeitstheorie Zur Illustration der These einer praktischen Bedeutungslosigkeit der Pri­ vatrechtsklauseln soll nun gewissermaßen die Probe aufs Exempel gemacht und die Ausschließlichkeitstheorie auf verschiedene Beispiele polizeilicher Lagen angewandt werden. Anhand dieser Beispiele soll aufgezeigt werden, dass wegen der Ubiquität der objektiven Rechtsordnung die polizeilichen Handlungsbefugnisse selbst in den Fällen nicht durch die Privatrechtsklau­ seln beschränkt werden, in denen eine solche Begrenzung bei unvoreinge­ nommener Betrachtung höchstwahrscheinlich zu erwarten gewesen wären, weil die jeweilige Konstellation als originäre zivilrechtliche Streitigkeit er­ scheint. Soweit nun beispielsweise Würtenberger158 als Anhänger der Aus­ schließlichkeitstheorie konstatiert, durch Streitigkeiten zwischen Privaten werde in aller Regel die öffentliche Sicherheit nicht beeinträchtigt, muss dem entgegengetreten werden. In Wirklichkeit beeinträchtigen Streitigkeiten zwi­ schen Privaten nach Maßgabe der Ausschließlichkeitstheorie nämlich in aller Regel die öffentliche Sicherheit. 156  Siehe auch Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr, S. 79, der explizit die geringe praktische Bedeutung des „Subsidiaritätsgrundsatzes“ wegen der Weite der objektiven Rechtsordnung beim Ab­ schleppen von Kraftfahrzeugen festhält. 157  Bereits Gintzel bezeichnet den in § 1 Abs. 2 ME PolG geregelten polizeilichen Schutz privater Rechte als „nahezu bedeutungsloser Unterfall der Gefahrenabwehr“, weil der Schutz privater Rechte in der Regel mit der Verhütung von Straftaten einher­ ginge, JA 1977, 385, 388; bemerkenswerterweise sieht er den für § 1 Abs. 2 ME PolG einzig verbleibenden Anwendungsfall in der Feststellung der Personalien eines unbe­ kannten Kindesvaters (näher zu dieser Konstellation noch unter C.I.1.c), obgleich wegen § 170 StGB (damals § 170b StGB) auch hier die Verhütung von Straftaten in Rede steht. 158  Würtenberger, in: Ehlers/Fehling/Pünder, 3. Auflage 2013, § 69 Rn. 128; ähn­ lich auch Braun, Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung, S. 303 f.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 77

a) Fall 1: Hausbesetzung/Wohnraummietstreitigkeiten aa) Die Konstellation (1) Um gegen die Braunkohleverstromung und die Rodung des Hambacher Forstes zu protestieren, besetzt Umweltaktivist U ein bereits geräumtes und im Eigentum des Energiekonzerns R befindliches Einfamilienhaus in einer bereits geräumten Ortschaft am Rande des Tagebaus. R stellt gegen U einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der von den zuständigen Gerichten wegen der unbekannten Identität des U letztinstanzlich zurückge­ wiesen wird; auch die anschließend erhobene Räumungsklage wird rechts­ kräftig abgewiesen. Nach Erschöpfung des ordentlichen Rechtswegs stellt R Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs, woraufhin die zuständige Kreispoli­ zeibehörde das Gebäude räumt. (2) Mieter M befindet sich mit der Zahlung der Miete für seine Wohnung in Verzug. Nach ordnungsgemäßer Mahnung kündigt ihm der Vermieter V, der auch Eigentümer der Wohnung ist, wegen des Mietrückstandes wirksam zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Nach Ablauf der Kündigungsfrist weigert sich M jedoch die Wohnung zu räumen, worauf V den M wegen Hausfrie­ densbruchs anzeigt. Die Polizei setzt die Räumung der Wohnung deshalb im Wege unmittelbaren Zwangs durch. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Zu (1) Die Räumung eines besetzten Hauses zum Zwecke der Gefahrenab­ wehr kann sicherlich als das Paradebeispiel schlechthin für die Konsequen­ zen der Ausschließlichkeitstheorie bezeichnet werden. Gerade dieses Beispiel wird in der Regel angeführt, um mit Hinweis auf den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB die Unanwendbarkeit der Privatrechts­ klauseln bei gleichzeitiger Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung zu verdeutlichen.159 Die Räumung des Gebäudes durch die 159  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 43; ebenso Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 256; Schoch, in: Schmidt-Aßmann/Schoch, 2 Kap. Fn. 425 zu Rn. 73; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 237; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92; ebenso Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 13 und 22; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 444; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 58; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 27; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 64; sowie Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55; Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, § 2 Rn. 51; aus der Rechtsprechung: VG Aachen, B ­ eschl. v. 26.10.2018 – 6 L 1601/18 –, juris-Rn. 22; BGH, B ­ eschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 19; OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 –, juris-Rn. 10.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Polizei begegnet aus diesem Grund nach der allgemeinen Meinung keinen Bedenken.160 Die Frage, ob der Hausrechtsinhaber den – nach der Ausschließlichkeits­ theorie ohnehin nicht erforderlichen161 – Strafantrag noch rechtzeitig vor Ablauf der Antragsfrist gestellt hat, erübrigt sich in diesem Zusammenhang. Der Hausfriedensbruch wird von der herrschenden Meinung zu Recht als Dauerdelikt angesehen162, sodass der Antragsberechtigte die nach § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB für den Fristbeginn maßgebliche Kenntnis von der Tat erst mit Kenntnis der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands erlangen kann.163 Da die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands erst mit Räumung des besetzten Hauses eintritt, hat die Antragsfrist bei einer noch andauernden Hausbesetzung demzufolge nie zu laufen begonnen.164 Zu (2) Auf den ersten Blick mag sich die dargestellte Konstellation aus gefahrenabwehrrechtlicher Perspektive nicht von einer klassischen Hausbe­ setzung unterscheiden, verweilt doch in beiden Fällen eine Person gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Hausrechteinhabers in einer durch § 123 StGB geschützten Räumlichkeit. Dennoch dürfte der Polizei hier die Befug­ nis zur Räumung des Gebäudes unter Hinweis auf die Privatrechtsklauseln abzusprechen sein. Der insoweit entscheidende Unterschied liegt in der straf­ rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Mieters. Zwar macht sich nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB auch derjenige strafbar, der „ohne Befugnis in einer Räumlichkeit verweilt und sich auf die Aufforderung des Berechtigten nicht entfernt“, doch dürften diese Voraussetzungen entgegen dem ersten Anschein in der Person des Mieters nicht erfüllt sein. Nach der herrschenden Auffas­ sung im Strafrecht bleibt der Mieter von Wohnraum nämlich auch nach Be­ endigung des Mietverhältnisses Inhaber des durch § 123 StGB geschützten Hausrechts. Aus diesem Grund begeht nicht der Mieter durch Verbleiben in 160  So erachtete auch das VG Aachen in dem dem Beispiel zugrundeliegenden Fall die polizeiliche Räumung als rechtmäßig, VG Aachen, ­Beschl. v. 26.10.2018 – 6 L 1601/18 –, juris. 161  Siehe die Ausführungen unter B.IV.4.a)cc). 162  Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 123 Rn. 13; Lilie, in: LK-StGB, § 123 Rn. 75. 163  Bei Dauerdelikten beginnt die Frist nach § 77b Abs. 2 Satz 1 StGB nicht vor Kenntnis von der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands zu laufen, BayObLG, ­Beschl. v. 26.10.1994 – 3 obOWi 73/94 –, NJW 1995, 2862, 2864; Kühl, in: Lackner/ Kühl, StGB, § 77b Rn. 3 und 5; Mitsch, in: SK-StGB, § 77b Rn. 10; Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 77b Rn. 8; so auch schon RG, Urt. v. 21.01.1910 – 902/09 –, RGSt 43, 285, 286. 164  Dies übersieht Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 64, dem zufolge „je­ denfalls nach Ablauf der Strafantragsfrist“ bei der Räumung eines besetzten Gebäu­ des das Vermögensinteresse des Eigentümers im Vordergrund stehe und dieser deswe­ gen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sei.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 79

der Wohnung einen Hausfriedensbruch, sondern vielmehr der Vermieter selbst, wenn er eigenmächtig die Räumung der Wohnung durchführt.165 Eine Ausnahme hiervon wird lediglich dann anerkannt, wenn der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses sein Besitzrecht erkennbar nicht mehr aus dem früheren Vertragsverhältnis, sondern aus einer (ausdrücklich erklärten) Hausbesetzung ableitet.166 Solange der Mieter in dem Beispielsfall folglich nicht die Besetzung der Wohnung verkündet, liegt dementsprechend auch keine Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung vor, die der Anwendung der Privatrechtsklauseln nach der Ausschließlichkeitstheorie entgegenstehen könnte. Die gleichwohl erfolgte Räumung durch die Polizei ist nach Maßgabe der allgemeinen Meinung deswegen rechtswidrig. b) Fall 2: Verkehrswidrig abgestellte Fahrzeuge aa) Die Konstellation Autofahrer A stellt seinen PKW regelmäßig vor der Garageneinfahrt eines privaten Grundstücks ab und blockiert sie derart, dass der Grundstückseigen­ tümer G mit seinem eigenen PKW die Garage nicht mehr befahren bzw. verlassen kann. Das von G selbst auf dem Garagentor angebrachte Schild mit der Aufschrift „Ausfahrt freihalten“ ignoriert A hierbei geflissentlich. Als A eines Tages erneut vor der Grundstückseinfahrt des G parken möchte, steht auf der der Einfahrt gegenüberliegenden Straßenseite bereits ein anderes Fahrzeug. Um die an dieser Stelle verengte Fahrbahn für den Durchgangs­ verkehr nicht vollständig zu blockieren, beschließt A kurzerhand seinen PKW direkt in der Grundstückseinfahrt des G abzustellen, sodass dieser mit seinem Fahrzeug die Garage nicht mehr verlassen kann. Als G dies bemerkt, verstän­ digt er empört die Polizei, die sowohl das Fahrzeug des A als auch den auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgestellten PKW abschleppen lässt. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Der Entfernung von verkehrswidrig abgestellten Kraftfahrzeugen durch die Polizei kommt in der Praxis eine enorme Bedeutung zu. Die rechtliche 165  Lilie, in: LK-StGB, § 123 Rn. 32; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 123 Rn. 17; Stein, in: SK-StGB, § 123 Rn. 20; Feilcke, in: MüKo, StGB, § 123 Rn. 36; so auch schon RG, Urt. v. 16.06.1903 – 1361/03 –, RGSt, 36, 322, 323. 166  OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.09.1990 – 2 Ss 208/90 – 41/90 III –, NJW 1991, 186, 187 f.; siehe auch OLG Hamburg, B ­ eschl. v. 02.03.2006 – III-3/06 –, jurisRn. 17; Lilie, in: LK-StGB, § 123 Rn. 32; Stein, in: SK-StGB, § 123 Rn. 20; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 123 Rn. 17.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Behandlung des Abschleppvorgangs fällt im Hinblick auf das gegenüber der Einfahrt auf der anderen Straßenseite geparkte Fahrzeug hierbei leicht. Das Blockieren einer Grundstücksein- bzw. ausfahrt durch Abstellen eines PKW im öffentlichen Straßenverkehrsraum ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO unter­ sagt und stellt überdies gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO eine Ordnungswid­ rigkeit dar. Folglich liegt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit unter dem Gesichtspunkt der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung vor, weswe­ gen die Privatrechtsklauseln unanwendbar sind und die Polizei167 zum Ab­ schleppen des Fahrzeugs befugt ist.168 Hinsichtlich des Abschleppens des Fahrzeugs des A muss hingegen diffe­ renziert werden. Während in Baden-Württemberg das Parken auf einem pri­ vaten Stellplatz nach der landesrechtlichen Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 1 LOWiG BW169 ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit darstellt und sich insofern keinerlei Unterschiede ergeben170, besteht eine vergleichbare Vorschrift in den anderen Bundesländern nicht. In diesen Ländern wäre das polizeiliche Handeln folglich an den jeweiligen Privatrechtsklauseln zu messen.171 167  In Nordrhein-Westfalen ergibt sich die Zuständigkeit der Polizei zur Überwa­ chung des ruhenden Straßenverkehrs aus § 11 Abs. 1 Nr. 3 POG NRW. Da § 48 Abs. 2 Satz 1 OBG NRW den Ordnungsbehörden die Aufgabe der Überwachung des „ruhen­ den Straßenverkehrs“ ausdrücklich „unbeschadet der Zuständigkeit der Polizeibehör­ den“ zuweist, muss mit der in § 11 Abs. 1 Nr. 3 POG NRW als „Überwachung des Straßenverkehrs“ bezeichneten Aufgabe sowohl der ruhende als auch der fließende Straßenverkehr gemeint sein, im Ergebnis so auch Bick/Kiepe, NZV 1990, 329, 330. In anderen Bundesländern kann abweichend hiervon eine ausschließliche Zuständig­ keit der Ordnungsbehörden bestehen, zu einer abweichenden rechtlichen Behandlung führt dies wegen der auch für die Tätigkeit der Ordnungsbehörden (zumindest ent­ sprechend) geltenden Privatrechtsklauseln gleichwohl nicht. 168  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55. 169  § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Landesordnungswidrigkeitengesetzes Baden-Württem­ bergs (LOWiG BW) lautet: „Ordnungswidrig handelt, wer ein Kraftfahrzeug vorsätz­ lich oder fahrlässig außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen […] auf einem Stellplatz unbefugt parkt, obwohl deutlich sichtbar und allgemein verständlich darauf hingewie­ sen wird, dass die Benutzung durch Unbefugte untersagt ist.“ 170  Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr, S. 79; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 26 Fn. 17. 171  So wohl Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 1 Rn. 29; Knöll, DVBl. 1980, 1027, 1028; explizit so auch Steckert, DVBl. 1971, 243, 243 mit einer Ausnahme für den Fall, dass das unerlaubte Abstellen des Fahrzeugs zugleich einen Hausfriedensbruch darstellt. Diese Ausnahme dürfte praktisch jedoch nie gegeben sein. Zwar kann das Befahren eines fremden Grundstücks für sich genommen durchaus den Straftatbe­ stand des § 123 StGB erfüllen, dies gilt aber nicht für das hier allein in Rede stehende Belassen des Fahrzeugs auf dem fremden Grundstück (siehe BayObLG, B ­ eschl. v. 02.05.1969 – RReg 1a St 83/69 –, juris-Rn. 8; Mitsch, NZV 2012, 153, 155). Ein et­ waiger Hausfriedensbruch wäre im Moment des Verlassens des Grundstücks (auch bei Belassen des Fahrzeugs auf dem Grundstück) beendet und könnte deswegen auch nicht mehr unter dem Gesichtspunkt einer Störungsbeseitigung (näher zur polizeili­



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 81

Allerdings kann nach einer verbreiteten Auffassung im unerlaubten Parken auf einem fremden Privatgrundstück u. U. eine nach § 240 StGB strafbare Nötigungshandlung gesehen werden, wodurch die Privatrechtsklauseln aber­ mals unanwendbar würden.172 Ausgangspunkt dieser Ansicht dürfte ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (OVG Saarland)173 aus dem Jahr 1993 sein. In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein zur Nutzung eines privaten Stellplatzes befugter Fahrzeugführer durch das (an sich erlaubte) Abstellen seines Fahrzeugs ein anderes – widerrechtlich dort abgestelltes – Fahrzeug blockiert. Das OVG sah durch das Blockieren des falsch parkenden Fahrzeugs den objektiven Tatbestand des § 240 StGB als erfüllt an und nahm auch die nach § 240 Abs. 2 StGB erforderliche Verwerflichkeit des Han­ delns – jedenfalls in Gestalt einer Anscheinsgefahr174 – an.175 Davon ausgehend muss auch in dem Beispielsfall wegen des Blockierens des Fahrzeugs des G konsequenterweise eine objektiv tatbestandsmäßige Nötigung angenommen werden. Schwierigkeiten muss im polizeirechtlichen Kontext nun die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB bereiten. Wie ausgeführt wurde, genügt nach allgemeiner Meinung zur Annahme einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung die (drohende) rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm.176 chen Störungsbeseitigung noch unter D.II.) zur Annahme einer Gefahr für die öffent­ liche Sicherheit herangezogen werden. 172  Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 74; Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr, S. 80; Koehl, SVR 2014, 98, 101; vollkommen widersprüchlich insoweit VG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2017 – 14 K 6193/17 –, juris-Rn. 24 f. welches zwar eine Nötigung an­ nimmt, aber dennoch die Privatrechtsklausel des § 1 Abs. 2 PolG NRW für anwend­ bar hält, ohne diese anschließend jedoch zu prüfen, näher zu dieser Entscheidung noch unter C.I.2.d). 173  OVG Saarland, Urt. v. 06.05.1993 – 1 R 106/90 –, juris. 174  Da eine umfassende Verwerflichkeitsprüfung im Rahmen der Gefahrenabwehr nicht möglich sei, müsse „aus Gründen wirksamer polizeilicher Gefahrenabwehr je­ denfalls genügen“, dass „die zum Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens bekannten Umstände keinen Anhalt für ein sozial unschädliches und damit nicht verwerfliches Verhalten des Störers“ böten, zumindest also dass „der begründete Verdacht verwerf­ lichen Handelns“ bestehe, OVG Saarland, Urt. v. 06.05.1993 – 1 R 106/90 –, jurisRn. 25. 175  Ablehnend Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 75, weil es an der erforderlichen Gewalt fehle; zweifelnd auch Götz/Geis, Polizei- und Ordnungs­ recht, § 10 Rn. 26; die Verwirklichung des § 240 StGB offenlassend in einer ganz ähnlichen Konstellation OVG RhPf, Urt. v. 29.09.1987 – 7 A 34/87 –, juris-Rn. 18; nicht einmal erwähnt wird die Frage der Nötigung vom VG Freiburg in einem ver­ gleichbaren Fall, in dem das widerrechtlich abgestellte Fahrzeug die Garage des Park­ platzinhabers blockierte und dadurch die Nutzung des in der Garage geparkten Fahr­ zeugs unmöglich machte, Urt. v. 03.04.1979 – VS VI 454/77 –, DVBl. 1979, 745. 176  Siehe die Nachweise im ersten Kapitel in Fn. 82.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Die im Bereich des Strafrechts höchst umstrittene Frage, ob die Verwerflich­ keitsklausel dogmatisch dem (objektiven) Tatbestand oder der Rechtswidrig­ keit zuzuordnen ist177, ließe sich insoweit noch mit dem Hinweis umgehen, dass ohnehin beide Voraussetzungen erfüllt sein müssen und jedenfalls im Ergebnis die Verwerflichkeit des Handelns demnach erforderlich ist. Aller­ dings begegnet die Prüfung der Verwerflichkeit im Rahmen des Gefahrenab­ wehrrechts auch aus einem anderen Grund nicht unerheblichen Bedenken. Verwerflich im Sinne des Nötigungstatbestands ist eine Handlung bei einer missbilligenswerten Verbindung von Mittel und Zweck.178 Wird zur Ermitt­ lung der Verwerflichkeit nun, wie es bereits der Wortlaut der Vorschrift pos­ tuliert179, entscheidend auf den vom Täter verfolgten Zweck abgestellt, stellt sich unvermeidlich ein offener Widerspruch zu einem allgemein anerkannten Grundsatz des Polizeirechts ein. Denn wie bereits erläutert wurde, sind die subjektiven Beweggründe des Täters zwar für dessen strafrechtliche Verant­ wortung von Bedeutung, nicht aber für die gefahrenabwehrrechtliche Bewer­ tung, bei der es allein auf eine Gefährdung der durch die jeweilige Strafnorm geschützten Rechtsgüter ankommt.180 Rein praktisch dürfte die Ermittlung des vom Falschparker verfolgten Zweckes überdies für die verständigten Polizeibeamten unmöglich sein.181 Da sich die Vertreter, die das Vorliegen einer Nötigung in entsprechenden Konstellationen bejahen, zur Frage der Verwerflichkeit nicht weiter verhal­ ten182, kann letztendlich nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob nach der Ausschließlichkeitstheorie die Polizei zum Abschleppen des Fahrzeugs des A befugt gewesen ist. Wegen der Nähe zum vom OVG Saarland entschiedenen Fall dürfte dafür indes einiges sprechen.183

und zu weiteren Einordnungen, Sinn, in: MüKo, StGB, § 240 Rn. 118. Detail äußerst streitig, hierzu Sinn, in: MüKo, StGB, § 240 Rn. 123. 179  § 240 Abs. 2 StGB lautet: „Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist“, Hervorhebung nur hier. 180  BVerwG, Urt. v. 08.09.1981 – 1 C 88.77 –, BVerwGE 64, 55, 61; Denninger, in: Lisken/Denninger, 6. Auflage 2018, D. Rn. 17. 181  So auch OVG Saarland, Urt. v. 06.05.1993 – 1 R 106/90 –, juris-Rn. 27. 182  Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr, S. 80; Koehl, SVR 2014, 98, 101; eine Nötigung wurde wegen „feh­ lender objektiver Anhaltspunkte für einen Nötigungswillen“ im vom OVG Saarland entschiedenen Fall auch von der Vorinstanz noch abgelehnt, VG Saarlouis, Urt. v. 26.06.1990 – 5 K 205/89 –, NZV 1991, 47, 48. 183  So auch das VG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2017 – 14 K 6193/17 –, juris-Rn. 24 f. in einem vergleichbaren Fall, näher zu dieser Entscheidung noch unter C.I.2.d). 177  Hierzu 178  Im



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 83

c) Fall 3: Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht aa) Die Konstellation Die Frau M hat mit Erzeuger E ein gemeinsames Kind. M und E sind je­ doch nicht verheiratet, vielmehr hat M nach der Empfängnis des Kindes den Kontakt zu E verloren und dieser bleibt jeglichen Unterhalt für sein leib­ liches Kind schuldig. Der M, die wegen der ausbleibenden Unterhaltszahlun­ gen von staatlicher Sozialhilfe leben muss, ist die Identität des E nicht be­ kannt. Eines Tages sieht die M den E auf der Straße und teilt dem zufällig anwesenden Polizisten P den Sachverhalt mit. Dieser stellt daraufhin die Personalien des E fest. Als E seinen Personalausweis zurück in seine Geld­ börse stecken möchte, entdeckt P, dass E größere Mengen Bargeld bei sich führt. P weist den E an, 100 € als „Anzahlung“ auf seine offenen Unterhalts­ schulden an M zu zahlen. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Ein vergleichbarer Beispielsfall findet sich in vielen polizeirechtlichen Darstellungen, um die Reichweite der Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung zu veranschaulichen.184 Entsprechend knapp kann die rechtliche Würdigung der Identitätsfeststellung ausfallen. E erfüllt den objektiven Tat­ bestand des § 170 StGB, wodurch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht, die Privatrechtsklauseln sind wegen der einschlägigen Strafrechts­ norm nicht anwendbar.185 Freilich wäre eine Identitätsfeststellung, wie an 184  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ord­ nungsrecht, § 3 Rn. 50; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 73; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 256. 185  Abweichend nur Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 50 und Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 74, die in einem vergleich­ baren Beispiel ob der fehlenden Anerkennung bzw. gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft des E die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 170 StGB ablehnen und die Privatrechtsklauseln daher für anwendbar halten; da jedoch weder die Anerkennung der Vaterschaft noch deren gerichtlichen Feststellung nach allge­ meiner Meinung zum gesetzlichen Tatbestand des § 170 StGB gehören und es ledig­ lich auf das objektive Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung (§§ 1601, 1598 BGB) ankommt, erscheint diese Auffassung nicht nachvollziehbar, siehe Ritscher, in: MüKo, StGB, § 170 Rn. 9 f. und 19; Heuchemer, in: BeckOK, StGB, § 170 Rn. 5; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 170 Rn. 3. Von der Verwirklichung des ob­ jektiven Tatbestands in einem vergleichbaren Beispiel geht zutreffend auch Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34 aus; ebenso Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 55; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 256; wobei keiner der genannten Autoren auf das eigenständige Tatbestandsmerk­

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

anderer Stelle noch herauszuarbeiten sein wird186, bei Anwendung der Pri­ vatrechtsklauseln ebenfalls rechtmäßig. Die Popularität des Beispielsfalls muss angesichts der insoweit identischen Rechtsfolge deshalb verwundern. Wesentlich interessanter ist demgegenüber die Anweisung des P, der E habe an M augenblicklich eine Anzahlung auf die offenen Unterhaltsschul­ den zu leisten. Anders als die Standardmaßnahme der Identitätsfeststellung wird eine vergleichbare Maßnahme in den einschlägigen Beispielsfällen der Ausbildungsliteratur nicht getroffen, sodass die rechtliche Handhabung auf Grundlage der allgemeinen Meinung bloß erahnt werden kann.187 Dennoch dürften zumindest im Ergebnis sämtliche Vertreter der Aus­ schließlichkeitstheorie von einer Rechtswidrigkeit der Maßnahme ausgehen, mutet sie doch schon auf den ersten Blick befremdlich an. Die Entscheidung über das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche sowie deren zwangsweise Durchsetzung markieren seit jeher die ureigene Domäne der ordentlichen Gerichtsbarkeit und sind der Exekutive aus diesem Grund von vornherein entzogen.188 So eindeutig diese Bewertung zunächst auch scheinen mag, umso schwieriger muss deren Begründung nach der Ausschließlichkeitstheo­ rie fallen. Nach dieser sind die Privatrechtsklauseln wegen § 170 StGB eben nicht einschlägig womit unweigerlich die Frage aufgeworfen wird, warum die Befugnisse des P dennoch beschränkt sein sollen. Da das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit in dieser Situation (und damit die Zu­ ständigkeit der Polizei) nicht geleugnet werden kann, dürfte letztendlich nur noch die Annahme eines Ermessensfehlers wegen Überschreitung der verfas­ sungsrechtlichen Kompetenzen (Art. 92 GG) in Betracht kommen. Wie we­ nig diese vage Argumentation überzeugen kann, dürfte hierbei auf der Hand liegen.

mal der Gefährdung des Lebensbedarfs des Unterhaltsberechtigten eingeht. Letzteres ist im hier geschilderten Beispielsfall dadurch erfüllt, dass die M wegen der ausblei­ benden Unterhaltszahlungen von staatlichen Sozialhilfen leben muss. 186  Siehe hierzu die Ausführungen im vierten Kapitel unter B.I. 187  In einem nur bedingt vergleichbaren Beispiel nimmt Thiel die Rechtswidrigkeit einer entsprechenden Zahlungsaufforderung durch die Polizei an. Dort weigerten sich die Gäste eines Restaurants mit der Begründung angeblicher Ungenießbarkeit die von ihnen konsumierten Speisen zu bezahlen. Der entscheidende Unterschied zum hiesi­ gen Beispiel liegt indes darin, dass im Beispiel von Thiel auch die Ausschließlich­ keitstheorie die Privatrechtsklauseln für einschlägig hält, ders., Polizei- und Ord­ nungsrecht, § 4 Rn. 29. 188  Siehe oben A.II.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 85

d) Fall 4: Äußerungsrecht aa) Die Konstellation Patient P ist nach einem Besuch des Arztes A äußerst aufgebracht, weil dieser ihn nicht, wie von P gefordert, für die nächsten drei Tage krankge­ schrieben hat. Um seinen Unmut über A auszudrücken sowie weitere Patien­ ten vor dem seiner Meinung nach völlig unfähigen A zu „warnen“, verfasst P auf der Online-Ärztebewertungsplattform J einen Beitrag über A. Wörtlich bezeichnet er diesen u. a. als einen „Scharlatan sondergleichen, der wahr­ scheinlich niemals Medizin studiert hat“. A sieht durch den Kommentar des P seinen guten Ruf gefährdet. Da er die hohen Kosten eines spezialisierten Anwalts scheut und ihm ein gerichtliches Verfahren überdies viel zu lang dauern würde, wendet er sich an die Polizei und weist diese auf den Beitrag des P hin. Die Polizei fordert daraufhin den Betreiber der Plattform J zur Löschung des Kommentars auf. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Negative Bewertungen von Ärzten auf Online-Plattformen beschäftigen Gerichte und Anwaltskanzleien gleichermaßen in immer größerem Um­ fang.189 In der Praxis wendet sich der betroffene Arzt in einem solchen Fall an einen spezialisierten Rechtsanwalt und beauftragt diesen mit der Wahr­ nehmung seiner Interessen. Der Rechtsanwalt geht sodann im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Verfasser des Kommentars bzw. den Betreiber der Plattform vor. Nach der Ausschließlichkeitstheorie könnte sich der Arzt in einer solchen Situation hingegen auch an die Polizei wenden, weil dieser die Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Löschungsanordnung auf Grundlage der allge­ meinen Meinung nicht abzusprechen ist. Die Bezeichnung eines Arztes als „Scharlatan sondergleichen, der wahrscheinlich niemals Medizin studiert hat“ überschreitet die Grenzen einer noch zulässigen Meinungsäußerung er­ sichtlich und stellt eine reine (unzulässige) Schmähkritik dar. Der objektive Tatbestand einer Beleidigung nach § 185 StGB ist damit erfüllt.190 Aufgrund des einschlägigen Straftatbestands liegt eine Gefahr für die Unversehrtheit

189  Siehe nur BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15 –, BGHZ 209, 139; Urt. v. 01.07.2014 – VI ZR 345/13 –, BGHZ 201, 380. 190  Insbesondere erfasst § 185 StGB auch die hier vorliegende Konstellation, dass das Werturteil gegenüber einem Dritten geäußert wird, hierzu Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 185 Rn. 1.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

der objektiven Rechtsordnung vor, weshalb die Privatrechtsklauseln wiede­ rum unanwendbar sind. Dass die Beleidigung im Zeitpunkt der Löschungsanweisung bereits voll­ endet ist191, steht dem nicht entgegen und führt insbesondere nicht zu einem repressiven Charakter der polizeilichen Maßnahme. Dies folgt aus dem Ge­ sichtspunkt der Störungsbeseitigung. Hat sich eine Gefahr bereits in Gestalt eines Schadens an den polizeilichen Schutzgütern realisiert und dauert dieser Zustand durch eine fortwährende Beeinträchtigung weiter an, liegt eine sog. Störung vor. Die Beseitigung einer solchen Störung unterfällt ebenfalls dem Aufgabenbereich der Gefahrenabwehr und der Polizei kommen im Rahmen der Störungsbeseitigung die gleichen Handlungsbefugnisse zu, wie sie ihr auch bei Abwehr einer Gefahr zur Verfügung stehen.192 Gemessen daran dauert die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des A solange an, wie der Kommentar des P auf der Plattform für jedermann abrufbar ist. Die darin liegende Störung der objektiven Rechtsordnung in Gestalt des § 185 StGB rechtfertigt die polizeiliche Maßnahme. e) Fall 5: Zwangsvollstreckungsverfahren aa) Die Konstellation Schuldner S kann die gegen ihn noch offenen Forderungen nicht mehr begleichen und hat sämtliche Zahlungen an seine Gläubiger eingestellt. Meh­ rere Pfändungen seiner Gläubiger blieben wegen der Vermögenslosigkeit des S ohne Erfolg. Privatinsolvenz hat S nicht angemeldet. Vollkommen uner­ wartet erbt S den wertvollen Sportwagen eines verstorbenen Großonkels. S ist klar, dass der Wagen früher oder später zur Erfüllung der offenen Forde­ rungen vom Gerichtsvollzieher gepfändet werden wird. Da S seinen sonsti­ gen Gläubigern eine Befriedigung ihrer Forderungen nicht gönnt, beschließt er, das Fahrzeug seinem alten Schulfreund F zu übereignen, weil dieser ihm zu Beginn seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit einem großzügigen Darlehen unter die Arme gegriffen hat. Aus diesem Grund macht sich S, 191  Erfolgt die Beleidigung mittels eines Werturteils ist die Tat auch bei Kundgabe des Werturteils gegenüber einem Dritten [hier den Nutzern der Bewertungsplattform] vollendet, Regge/Pegel, in: MüKo, StGB, § 185 Rn. 37. 192  Allgemeine Meinung: Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 103 f.; Thiel, Po­ lizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 50; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 92; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 12 Rn. 16; siehe auch BVerfG, B ­ eschl. v. 14.01.2004 – 2 BvR 564/95 –, BVerfGE 110, 1, 17; teilweise wird die Aufgabe der Störungsbeseitigung der Polizei auch explizit zugewiesen, § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, § 3 Abs. 1 SOG HH; siehe auch Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayPAG, § 16 Abs. 1 Nr. 1 SOG M-V, § 176 Abs. 1 Nr. 1 LVwG SH und § 12 Abs. 2 Nr. 3 ThürPAG.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 87

nachdem er den Sportwagen einige Tage „ausgefahren“ hat, mit dem Fahr­ zeug auf den Weg zu F, um ihm dieses zu übereignen. Der Gläubiger G, dem S einen hohen Betrag schuldet, hat von der Erbschaft des S erfahren und ist empört, dass nun allein der F befriedigt werden soll. Als G mitbekommt, dass S mit dem Wagen auf dem Weg zu F ist, verständigt er die Polizei. Diese erwartet den S vor der Tür des F und stellt den Sportwagen sicher. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Spielte sich ein vergleichbarer Fall in der Praxis ab, hätte der Gläubiger sicherlich beim zuständigen Gericht im Wege einer einstweiligen Verfügung die Sicherstellung des Sportwagens bzw. dessen Herausgabe an einen Se­ quester beantragt.193 Nach der Ausschließlichkeitstheorie ist allerdings in dieser Konstellation gleichermaßen der Raum für ein polizeiliches Tätigwerden eröffnet, ohne dass die polizeilichen Handlungsbefugnisse hierbei durch die Privatrechts­ klauseln beschränkt wären. Obwohl es bei unbefangener Lektüre gewiss nicht zu vermuten wäre, birgt nämlich auch dieser Fall eine Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, die von der Polizei durch die Sicherstellung des Sportwagens abgewehrt wird. Denn durch das Vorhaben des S, den Sportwagen zur Befriedigung des Darlehensrückzahlungsanspru­ ches an F zu übereignen, droht unmittelbar die Verwirklichung des objekti­ ven Tatbestands der Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB.194 Dem F steht gegen S zwar an sich ein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, dieser Anspruch ist jedoch auf die Zahlung von Geld gerichtet und die Übereignung des Fahrzeugs bedeutete deswegen eine Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt.195 Beide Formen der Leis­ tung stellen somit eine Befriedigung dar, die der F gemäß § 283c StGB „nicht in der Art zu beanspruchen hat.“196 Ob S den F mit der Übereignung des Fahrzeugs absichtlich oder wissentlich begünstigen wollte, ist als Merk­ mal des subjektiven Tatbestands nach dem allgemeinen Grundsatz, dass es für die gefahrenabwehrrechtliche Bewertung allein auf die Verwirklichung Drescher, in: MüKo, ZPO, § 938 Rn. 26 f. Abs. 1 StGB lautet: „Wer in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, und ihn dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 195  Zur Abgrenzung zwischen einer Leistung erfüllungshalber und einer Leistung an Erfüllungs statt bei Hingabe einer Sache Fetzer, in: MüKo, BGB, § 364 Rn. 10. 196  Petermann/Hofmann, in: MüKo, StGB, § 283c Rn. 25; Heine/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 283c Rn. 10. 193  Hierzu 194  § 283c

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

des objektiven Tatbestands ankommt, irrelevant. Unerheblich für die Beurtei­ lung der präventiv-polizeilichen Maßnahme ist ebenso – bereits aus begriff­ lichen Gründen – das Vorliegen der objektiven Bedingung der Strafbarkeit197 gemäß §§ 283c Abs. 3, 283 Abs. 6 StGB198, nach der die Gläubigerbegünsti­ gung nur strafbar ist, „wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsan­ trag mangels Masse abgewiesen worden ist.“199 Nach alldem sind die Privat­ rechtsklauseln nicht einschlägig und die Sicherstellung des Fahrzeugs durch die Polizei ist rechtmäßig. f) Fall 6: Herausgabeanspruch aa) Die Konstellation A hat gegen den B einen vertraglichen Anspruch auf Herausgabe eines wertvollen Gemäldes. Der B bestreitet das Bestehen des Herausgabean­ spruchs jedoch vehement. Als eine einvernehmliche Lösung des Streits aus­ geschlossen scheint, verklagt der A den B auf Herausgabe des Bildes. Eines Tages erfährt A zufällig, dass B beabsichtigt, nach Südamerika auszuwan­ dern. A informiert die für den örtlichen Flughafen zuständige Bundespolizei­ direktion und legt dieser den mit B geschlossenen Vertrag vor, aus dem sein Herausgabeanspruch ohne Weiteres hervorgeht. Als B wenige Wochen später mit dem Gemälde im Gepäck am Flughafen zu einem Flug nach Südamerika einchecken möchte, stellt die Bundespolizei200 das Gemälde sicher. 197  Die Einordnung des § 283 Abs. 6 StGB als objektive Bedingung der Strafbar­ keit entspricht der allgemeinen Meinung, siehe Petermann/Sackreuther, in: MüKo, StGB, Vorb. zu § 283 Rn. 140 m. w. N. 198  Neben der strafrechtlichen Terminologie (objektive Bedingung der Strafbarkeit und eben nicht der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit) spricht für die gefahrenab­ wehrrechtliche Bedeutungslosigkeit von objektiven Strafbarkeitsbedingungen nach der Ausschließlichkeitstheorie auch die Prämisse des BVerwG, nach der es bei der bevorstehenden Verwirklichung von Straftaten allein auf die Gefährdung der ge­ schützten Rechtsgüter ankommen soll, siehe BVerwG, Urt. v. 08.09.1981 – 1 C 88.77 –, BVerwGE 64, 55, 61. 199  Ungeachtet dessen dürfte die objektive Bedingung der Strafbarkeit im Bei­ spielsfall erfüllt sein, weil S die Zahlungen an seine Gläubiger eingestellt hat. 200  Die Zuständigkeit der Bundespolizei für die Sicherstellung des Gemäldes er­ gibt sich nicht aus § 4 BPolG, der ihr die Zuständigkeit für die „Luftsicherheit“ (so die amtliche Überschrift der Vorschrift) zuweist, sondern aus der in den Landespoli­ zeigesetzen vorgesehenen „Eilzuständigkeit“ (so etwa § 9 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 POG NRW). Denn die aus § 4 BPolG folgende Zuständigkeit der Bundespolizei für die „Luft­sicherheit“ betrifft allein die Abwehr von gegen die Luftsicherheit gerichteten Gefahren. Die Abwehr allgemeiner Gefahren – wie dem Beiseiteschaffen des Gemäl­ des – obliegt hingegen auch im räumlichen Sonderzuständigkeitsbereich des Flugha­



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bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Bei unvoreingenommener Betrachtung erschiene auch dieser Fall als ein anschauliches Beispiel für den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln. Tatsächlich liegt indessen auch hier eine Gefahr für die objektive Rechtsord­ nung vor, wodurch eine Beschränkung der polizeilichen Befugnisse durch die Privatrechtsklauseln abermals ausscheidet. Durch die beabsichtigte Mitnahme des Bildes nach Südamerika droht na­ mentlich die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des Vereitelns der Zwangsvollstreckung gemäß § 288 StGB.201 Das setzt – im ordnungsrecht­ lich allein relevanten objektiven Tatbestand – neben einer „drohenden Zwangs­vollstreckung“ lediglich das „Beiseiteschaffen oder Veräußern“ von Vermögensbestandteilen voraus. Beide Tatbestandsmerkmale würde B durch die geplante Auswanderung verwirklichen. Eine drohende Zwangsvollstre­ ckung ist schon dann anzunehmen, wenn nach den Einzelumständen des Falles aufgrund konkreter Anhaltspunkte von einer alsbaldigen zwangswei­ sen Durchsetzung des Anspruchs durch den Gläubiger auszugehen ist. Weder kommt es hierbei auf einen tatsächlichen Vollstreckungswillen des Gläubi­ gers an, noch muss das Zwangsvollstreckungsverfahren bereits eingeleitet worden sein. Ausreichend ist vielmehr, dass nach einer objektiven Betrach­ tung vom ernsthaften Willen des Gläubigers zur Durchsetzung seines An­ spruchs auszugehen ist202; nicht einmal die vorherige Klageerhebung ist er­ forderlich.203 Nach diesen Maßstäben muss auch im Beispielsfall eine dro­ hende Zwangsvollstreckung angenommen werden; insbesondere ist insoweit keine rechtskräftige Feststellung des Anspruchs erforderlich, sondern dessen objektives Bestehen ausreichend.204 Schließlich droht auch ein „Beiseite­ schaffen“ des Gemäldes als Bestandteil des Vermögens des B. Ein solches ist immer dann gegeben, wenn der Vermögensbestandteil dem Zugriff des Gläu­ fengeländes ausschließlich den Landespolizeien. Die Bundespolizei ist insoweit ledig­ lich zu Maßnahmen des ersten Zugriffs befugt, sofern – wie hier aufgrund der unmit­ telbar bevorstehende Ausreise des B der Fall – die Landespolizei nicht rechtzeitig tätig zu werden vermag, zu alldem Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BPolG, § 4 Rn. 8 f. 201  § 288 Abs. 1 StGB lautet: „Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandteile seines Ver­ mögens veräußert oder beiseite schafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 202  Siehe Maier, in: MüKo, StGB, § 288 Rn. 12 f.; Heine/Hecker, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 288 Rn. 8. 203  Fischer, StGB, § 288 Rn. 4; Schmidt, in: BeckOK, StGB, § 288 Rn. 4. 204  Heine/Hecker, in: Schönke/Schröder, StGB, § 288 Rn. 8; nach Einsicht in den zwischen A und B geschlossenen Vertrag durften die Polizisten vom Bestehen des Anspruchs ausgehen.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

bigers entzogen oder dessen Zugriff zumindest wesentlich erschwert wird.205 Dies wäre bei einer Verbringung des Bildes nach Südamerika wegen der damit verbundenen Erschwerung der Zwangsvollstreckung ersichtlich der Fall. Eines nach § 288 Abs. 2 StGB an sich erforderlichen Strafantrags be­ darf es für die Annahme einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung nach der Ausschließlichkeitstheorie bekanntermaßen nicht. g) Fall 7: Vertragswidriger Gebrauch von Fahrzeugen aa) Die Konstellation A mietet sich bei dem Autovermieter B für zwei Tage einen Lieferwagen, den er für seinen Umzug benötigt. Vollkommen unerwartet gestaltet sich der Umzug schwieriger als gedacht und am Sonntagabend, dem vereinbarten Rückgabetermin für das Fahrzeug, hat A immer noch nicht alle Möbel in seine neue Wohnung verschafft. A beschließt deswegen das Fahrzeug noch länger zu behalten und es erst nach Abschluss des Umzugs zurückzubringen. Zur Zahlung einer entsprechend höheren Miete ist A bereit; eine derartige einseitige Verlängerung der Mietdauer ist im Mietvertrag allerdings nicht vorgesehen. Als B am Dienstagmorgen das Fahrzeug immer noch nicht zu­ rückerhalten hat, verständigt er die Polizei. Diese sucht den A bei seiner neuen Wohnung auf, stellt das Fahrzeug sicher und übergibt B die Fahrzeug­ schlüssel. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Was dem ersten Anschein nach den Eindruck einer klassischen Zivilrechts­ streitigkeit vermittelt, stellt sich bei näherer Betrachtung erneut als eine Ge­ fahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung heraus. Indem A den Lieferwagen über die vereinbarte Mietzeit hinaus verwendet, nimmt er diesen „gegen den Willen des Berechtigten“ (B) in Gebrauch und verwirk­ licht dadurch den objektiven Tatbestand des § 248b StGB.206 Dass A den Gebrauch des Fahrzeugs während der vereinbarten Mietdauer zunächst in berechtigter Weise begonnen und anschließend unberechtigt fortgesetzt hat, ändert an diesem Befund nichts. Das unbefugte Ingebrauchhalten steht der 205  BGH, Urt. v. 29.04.2010 – 3 StR 314/09 –, BGHSt, 55, 107, 113 zum identi­ schen Begriff des Beiseiteschaffens bei § 283 StGB; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 288 Rn. 4 und § 283 Rn. 10. 206  § 248b Abs. 1 StGB lautet: „Wer ein Kraftfahrzeug oder ein Fahrrad gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch nimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jah­ ren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“



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unbefugten Ingebrauchnahme gleich, weshalb sich auch der sog. nicht-mehrBerechtigte nach § 248b StGB strafbar macht.207 Die Privatrechtsklauseln begrenzen die polizeilichen Handlungsbefugnisse somit nicht und sowohl die Sicherstellung des Fahrzeugs als auch dessen Herausgabe an B208 sind recht­ mäßig. h) Fall 8: Recht am eigenen Bild aa) Die Konstellation Die Studentinnen A und B besuchen die gleiche Vorlesung an der Univer­ sität. Eines Tages fotografiert A die B heimlich mit ihrem Smartphone, weil sie deren Frisur ziemlich merkwürdig findet. Das Foto der B verschickt A über den Messenger-Dienst ihres Smartphones an verschiedene Mitglieder eines sog. Gruppenchats, in dem A Mitglied ist. Nach der Vorlesung erfährt B zufällig von dem Vorgang. Sie hält einen am Campus vorbeifahrenden Streifenwagen an und bittet die Polizisten, die A zur Löschung des Bildes aufzufordern. Die Polizisten kommen dieser Bitte nach.209 bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Auch in diesem Fall würde sich die B in der Praxis sicherlich im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen die Verbreitung des Fotos zur Wehr setzen und nicht die Polizei um Hilfe bitten. Nach der Ausschließlichkeit­ stheorie könnte ein entsprechendes Hilfegesuch bei der Polizei gleichwohl von Erfolg gekrönt sein. Durch das Verschicken der Fotografie an die an­ deren Gruppenmitglieder hat A diese im Sinne des § 22 KUG210 „verbrei­ 207  BGH, Urt. v. 17.10.1957 – 4 StR 523/57 –, BGHSt 11, 47, 48 f.; so auch BGH, ­ eschl. v. 24.06.2014 – 2 StR 73/14 –, BGHSt 59, 260, 261 f.; OLG Schleswig, B ­Beschl. v. 20.01.1989 – 1 Ss 527/88 –, NStZ 1990, 340; Fischer, StGB, § 248b Rn. 4; kritisch Hohmann, in: MüKo, StGB, § 248b Rn. 20 f. 208  Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW (= § 24 Abs. 1 Satz 1 ME PolG) sind si­ chergestellte Sachen grundsätzlich an die Person herauszugeben, bei denen sie sicher­ gestellt worden sind. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW (= § 24 Abs. 1 Satz 2 ME PolG) gilt dies allerdings nicht, wenn die Herausgabe an diese Person „nicht möglich“ ist. Eine solche Unmöglichkeit ist auch bei einer offenkundigen Nichtbe­ rechtigung der Person anzunehmen, in diesem Fall ist die Sache an den (wahren) Berechtigten herauszugeben, siehe Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 46 Rn. 1.6; Braun, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 46 Rn. 2. 209  Angelehnt an LG Frankfurt a. M., ­ Beschl. v. 28.05.2015 – 2-03 O 452/14 –, juris. 210  § 22 Satz 1 KUG lautet: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebil­ deten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

tet“211, dies geschah auch „ohne Einwilligung“ der B. Der objektive Tatbe­ stand der in § 33 KUG212 normierten Strafnorm ist damit verwirklicht. Die dadurch gegebene Störung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung rechtfertigt die polizeiliche Löschungsmaßnahme213, ohne dass es hierbei auf die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln ankäme. i) Fall 9: Geistiges Eigentum aa) Die Konstellation Getränkehersteller A vertreibt erfolgreich einen Softdrink unter der einge­ tragenen Marke „Zitronengold“. Sein Konkurrent B entwickelt einen eigenen Softdrink, welchen er schließlich unter der Bezeichnung „Zitronen-Gold“ auf den Markt bringt. Durch Hinzufügen des Bindestrichs meint B, die Marke des A nicht zu verletzen. Als A vom Inverkehrbringen des „Zitronen-Gold“ erfährt, ist er außer sich. Er wendet sich an die Polizei und weist dieser durch Vorlage eines Auszugs des Markenregisters seine Inhaberschaft der Marke „Zitronengold“ nach. Die Polizei verbietet dem B im Hinblick auf die Marke des A deswegen den Verkauf des Softdrinks. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie In der Praxis würde dieser Fall vermutlich ebenfalls im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens vor den ordentlichen Gerichten ausgetra­ gen. Gleichwohl bestehen gegen die polizeiliche Untersagungsverfügung, die inhaltlich von einer entsprechenden gerichtlichen einstweiligen Verfügung nicht zu unterscheiden ist, auf dem Boden der Ausschließlichkeitstheorie keinerlei Bedenken. Wer in dieser Konstellation von einem polizeilichen 211  Entscheidend für die Annahme eines Verbreitens ist die Aufgabe der Verfü­ gungsgewalt über das Bildnis, dies ist beim Verschicken an die Mitglieder eines Gruppenchats der Fall, LG Frankfurt a. M., ­Beschl. v. 28.05.2015 – 2-03 O 452/14 –, juris – 19; zustimmend Specht-Riemenschneider, in: Dreier/Schulze, KUG, § 22 Rn. 9. 212  § 33 Abs. 1 KUG lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geld­ strafe wird bestraft, wer entgegen den §§ 22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt“. 213  Sollte das Löschen des Bildnisses auf den Smartphones der Empfänger mittels des Smartphones der A technisch nicht möglich sein [Anm.: Das Löschen bereits verschickter Nachrichten ist bei gängigen Messenger-Diensten nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters nach Verschicken der Nachricht möglich], wird die Lö­ schungsanordnung zumindest unter dem Gesichtspunkt einer Gefahr für die Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung durch das zu besorgende erneute Verschicken des Fotos gerechtfertigt.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 93

Tätigwerden zum ausschließlichen Schutz der eigentumsähnlichen Befug­ nisse aus der Marke des A ausgeht, übersieht den strafrechtlichen Schutz, den eine Marke durch das Markengesetz erfährt. Wegen der offensichtlichen Verwechslungsgefahr der Bezeichnung „Zitronen-Gold“ mit „Zitronengold“ liegt in deren Verwendung ein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ­MarkenG214, der in § 143 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG pönalisiert wird.215 Infolge­ dessen ist erneut eine Störung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsord­ nung gegeben216, die einer Heranziehung der Privatrechtsklauseln zur Be­ schränkung der polizeilichen Befugnisse entgegensteht. Dieser Beispielsfall kann stellvertretend für viele andere Bereiche des geistigen Eigentums stehen. Anstelle einer markenrechtlichen Verankerung ließe sich z. B. ohne Weiteres ein vergleichbarer Fall für den Bereich des Patent- oder Urheberrechts bilden, weil dort mit den §§ 106 f. UrhG oder § 142 PatentG entsprechende Strafvorschriften normiert sind. Als Quint­ essenz bleibt folglich festzuhalten, dass der Polizei nach der Ausschließlich­ keitstheorie zum Schutz des geistigen Eigentums weitreichende, von den Privatrechtsklauseln gänzlich unberührte Handlungsbefugnisse zukommen. Nichtsdestominder soll an dieser Stelle nicht verkannt werden, dass die Poli­ zei von diesen theoretischen Befugnissen in der Praxis kaum einmal Ge­ brauch machen wird respektive durch die Betroffenen überhaupt nicht um ein dahingehendes Einschreiten ersucht werden wird. Am Bestehen der ent­ sprechenden Befugnisse nach Lesart der allgemeinen Meinung ändert dieser Befund freilich nichts.

214  § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG lautet: „Dritten ist es untersagt, ohne Zu­ stimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen […] ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird […]“; die für die Annahme einer Verwechslungsgefahr erforderliche Identität bzw. Ähnlichkeit zwischen den Zeichen („Zitronen-Gold“ einerseits und „Zitronen­ gold“ andererseits) ist ebenso gegeben wie die Ähnlichkeit/Identität der darunter vertriebenen Ware (Softdrink), siehe zum Ganzen Maske-Reiche, in: MüKo, StGB, MarkenG, § 143 Rn. 16 und 19. 215  § 143 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG lautet: „Wer im geschäftlichen Verkehr wider­ rechtlich entgegen § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ein Zeichen benutzt, […] wird mit Frei­ heitsstrafe bis zu 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ 216  Durch den andauernden Vertrieb des Softdrinks liegt ein fortlaufender Verstoß gegen §§ 143 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkenG vor.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

j) Fall 10: Schutz von finanziellen Ansprüchen aa) Die Konstellation A kauft im Online-Shop des B unter zutreffender Angabe seiner Identität und seiner Anschrift einen neuen Computer. Als Rechnungsmethode wählt A den Kauf auf Rechnung. Nach der Bestellung sendet B dem A eine Auftrags­ bestätigung zu, prüf dessen Bonität und veranlasst schließlich die Lieferung des Computers. Nach erfolgreicher Auslieferung weigert sich A jedoch dem B den Kaufpreis zu zahlen. B wendet sich an die Polizei und belegt den Bestellvorgang des A sowie dessen Zahlungsverzug. Die Polizei fordert A daraufhin zur Begleichung des Kaufpreises auf. bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Ausgerechnet in dieser Konstellation, die sich wegen der rasanten Ent­ wicklung des Onlinehandels mittlerweile sicherlich jeden Tag etliche Male in Deutschland abspielt, stößt die Ausschließlichkeitstheorie an ihre Grenzen und muss eine Antwort auf die Frage der Anwendbarkeit der Privatrechts­ klauseln schuldig bleiben. Das Versagen der Ausschließlichkeitstheorie ergibt sich hierbei aus dem Folgenden: Hatte A bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags die Absicht, den Kaufpreis nicht zu zahlen, hätte er den B konkludent über seine Zahlungsbereitschaft getäuscht und sich infolgedessen wegen eines Betruges gemäß § 263 StGB strafbar gemacht.217 Darin läge eine Störung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, die eine Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln zur Folge hätte.218 Hatte A eine entsprechende Absicht bei Vertragsschluss hingegen nicht, entfiele eine Strafbarkeit nach § 263 StGB und die Polizei wäre ausschließlich zum Schutz der Forderung des B tätig geworden. Wegen der für den B bestehenden Möglichkeit zur klagewei­ sen Geltendmachung der Forderung219 wäre die Zahlungsaufforderung durch 217  Siehe

etwa LG Aachen, Urt. v. 09.09.2013 – 66 KLs 15/12 –, juris-Rn. 104. Frage, ob die Polizei in diesem Fall zu einer entsprechenden Zahlungsauf­ forderung berechtigt wäre, siehe oben unter C.I.1.c)bb); nicht eindeutig insoweit Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 31, der einen vergleichbaren Beispielsfall bildet und ausführt, dass „die Ermittlungen der Polizei wegen dieser Straftat [Anm.: Gemeint ist der Betrug]“ nicht durch die Privatrechtsklauseln „blockiert“ wären, da­ bei bleibt jedoch unklar, ob diese Ausführungen tatsächlich auf repressive [„Ermitt­ lungen“] oder präventive [die Ausführungen stehen unter der Überschrift „Subsidiari­ tät beim Schutz privater Rechte“] Maßnahmen bezogen sind. 219  Die für eine Klageerhebung erforderliche Identität und ladungsfähige Anschrift des A sind dem B bekannt, §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 130 Nr. 1 ZPO. 218  Zur



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 95

die Polizei nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln in diesem Fall offensicht­ lich rechtswidrig. Eine solch differenzierte rechtliche Bewertung muss nun schon deswegen verwundern, weil plötzlich die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands für die gefahrenabwehrrechtliche Bewertung maßgeblich sein soll, obschon der inneren Tatseite an sich jegliche polizeirechtliche Relevanz abgesprochen wird. Gleichwohl ist die vorgenommene Differenzierung unumgänglich. Beim Tatbestand des Betrugs besteht die Besonderheit, dass über die Ver­ wirklichung des objektiven Tatbestands bisweilen ohne die Betrachtung der Beweggründe des Täters gar keine Aussage getroffen werden kann. So ver­ hält es sich auch in dem Beispielsfall. In objektiver Hinsicht setzt der Betrug eine Täuschung voraus, die das Gesetz als „Vorspiegelung falscher oder Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen“ beschreibt. Jedenfalls wenn der Täter über eine sog. innere Tatsache (hier die Bereitschaft zur Zah­ lung des Kaufpreises) täuscht, ist das objektive Tatbestandsmerkmal der Täuschung untrennbar mit den Beweggründen des Täters verknüpft. Ob die für eine Täuschung erforderliche Vorspiegelung falscher oder die Entstellung/ Unterdrückung wahrer Tatsachen vorliegt, kann nämlich notwendigerweise nur unter Rückgriff auf dessen Zahlungsbereitschaft beurteilt werden. Nur wenn diese nicht gegeben ist, kann der Täter eine falsche Tatsache (die ver­ meintliche Zahlungsbereitschaft) vorspiegeln respektive eine wahre Tatsache (die nicht vorhandene Zahlungsbereitschaft) entstellen oder unterdrücken. Die dem subjektiven Tatbestand zuzuordnende Bereicherungsabsicht220 und das objektive Tatbestandsmerkmal der Täuschung korrelieren mithin.221 Da die Beweggründe des A in dem Beispiel – wie dies auch in der Praxis üblicherweise der Fall sein wird – vollkommen offen sind bzw. zumindest unklar bleiben muss, ob die erforderliche Bereicherungsabsicht bereits im maßgeblichen Zeitpunkt des Bestellvorgangs222 vorgelegen hat, kann zur Geltung der Privatrechtsklauseln in einer solchen Konstellation letztendlich keine Aussage getroffen werden.223 220  Die fehlende Zahlungsbereitschaft steht der Bereicherungsabsicht hier gleich, denn derjenige, der ohne Zahlungsbereitschaft einen entgeltlichen Vertrag abschließt, muss zwangsläufig die eigene Bereicherung beabsichtigen. 221  Zur (streitigen) Existenz eines subjektiven Elements des objektiven Tatbestands­ merkmals der „Täuschung“, BGH, Urt. v. 26.04.2011 – 4 StR 439/00 –, BGHSt, 47, 1, 5; BGH, Urt. v. 05.02.1963 – 1 StR 533/62 –, BGHSt 18, 235, 237; Kühl, in: Lackner/ Kühl, StGB, § 263 Rn. 6. 222  Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB muss der Vorsatz im Zeitpunkt der Tatbege­ hung, hier folglich im Zeitpunkt des Bestellvorgangs im Internet, vorliegen (sog. Koinzidenz- oder Simultanitätsprinzip), hierzu Joecks/Kulhanek, in: MüKo, StGB, § 16 Rn. 15. 223  Dies übersehend wohl Knemeyer, der bei einem zum Straftatbestand der Heh­ lerei (§ 259 StGB) gebildeten Beispielsfall die Geltung der Privatrechtsklauseln eben­

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

cc) Exkurs: Unterschlagung Den gleichen Problemen wie im dargestellten Beispiel sieht sich die Aus­ schließlichkeitstheorie unweigerlich in den Konstellationen ausgesetzt, in denen die Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Unterschlagung gemäß § 246 StGB in Rede steht. So setzt der Straftatbestand der Unterschla­ gung in objektiver Hinsicht die „Zueignung“ einer fremden beweglichen Sache voraus. Bei dem Tatbestandsmerkmal der „Zueignung“ handelt es sich nun erkennbar um ein subjektives Merkmal, sodass der Straftatbestand genau genommen überhaupt keine Beschreibung der Tathandlung enthält. Das ob­ jektive Tatbestandsmerkmal der Zueignung wird nach allgemeiner Meinung im Strafrecht als die nach außen erkennbare Manifestation des Zueignungs­ willens ausgelegt.224 Während diese Definition im strafrechtlichen Kontext lediglich zu den dort üblichen Auslegungsschwierigkeiten führt, ist die Aus­ schließlichkeitstheorie wiederum mit einem unlösbaren Problem konfrontiert. Denn ob der Störer den objektiven Tatbestand einer Unterschlagung verwirk­ licht, mithin seinen Zueignungswillen nach außen erkennbar manifestiert, kann zwangsläufig lediglich bei einem Rückgriff auf dessen innere Willens­ richtung ermittelt werden. Die Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln hinge sonach auch hier von den – im gefahrenabwehrrechtlichen Kontext kaum zu ermittelnden – Beweggründen des Täters ab. k) Fall 11: Verstoß gegen eine Benutzungsordnung aa) Die Konstellation Doktorand D schreibt seine Dissertation auf dem Gebiet des Polizeirechts. Für seine Arbeit leiht er sich einen Kommentar zum Polizeigesetz des Lan­ des Nordrhein-Westfalen in der Bibliothek der Universität K aus. Nach § 30 der Benutzungsordnung beträgt die regelmäßige Leihfrist 20 Öffnungstage. Nach Ablauf von 30 Öffnungstagen hat D den Kommentar immer noch nicht zurückgebracht und auf eine automatisierte Mahnung mittels E-Mail nicht reagiert. Die zuständige Bibliothekarin verständigt die Polizei. Diese sucht den D an seinem Wohnsitz auf und verlangt die Rückgabe des Kommentars an die Bibliothek.

falls von der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands, genauer von der Kenntnis des vermeintlichen Hehlers von der Herkunft des Bildes, abhängig macht, Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 137; ähnlich anscheinend auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 28 und 31. 224  Hohmann, in: MüKo, StGB, § 246 Rn. 19.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 97

bb) Die Lösung nach der Ausschließlichkeitstheorie Die rechtliche Würdigung nach Maßgabe der allgemeinen Meinung muss auch hier eindeutig ausfallen. Die Polizei wird nicht ausschließlich zum Schutz des Eigentums der Bibliothek an dem Kommentar tätig, sondern in erster Linie zur Abwehr eines Verstoßes gegen die Unversehrtheit der objek­ tiven Rechtsordnung. Diese ist vorliegend in Gestalt von § 30 der Benut­ zungsordnung, einer universitären Satzung225, berührt. Die verspätete Rück­ gabe des Buches verletzt die in dieser Vorschrift kodifizierte Leihfrist wo­ durch unabhängig vom universitären Eigentum an dem Buch eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt. Obwohl die Benutzungsordnung als nur materielles Gesetz226 in der Normenhierarchie unterhalb der jeweiligen Poli­ zeigesetze anzusiedeln ist, hat sie mithin den erneuten Dispens der Privat­ rechtsklauseln zur Folge. Denn für den von der Ausschließlichkeitstheorie angenommenen Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung ist die Normqualität der verletzten bzw. bedrohten Vorschrift ohne Relevanz.227 2. Die fehlende Stringenz in der Rechtsprechung Die für die allgemeine Meinung konstitutive Prämisse des Vorrangs der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung gegenüber der Unverletzlich­ keit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter wird an sich ohne jegliche Ein­ schränkungen auch von der Rechtsprechung vertreten.228 Nichtsdestoweniger wird die Reduktion der Privatrechtsklauseln respek­ tive des Subsidiaritätsprinzips auf die Konstellation einer ausschließlichen Gefährdung der Unverletzlichkeit der subjektive Rechte und Rechtsgüter nicht konsequent durchgehalten. In mehreren Entscheidungen wenden die Gerichte die Privatrechtsklauseln bzw. das Subsidiaritätsprinzip ungeachtet einer bestehenden Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsord­ nung an. Eine Erläuterung dieser Abkehr von der Ausschließlichkeitstheorie findet sich indessen zumeist nicht, sodass nicht immer sicher geklärt werden kann, ob die Gerichte bewusst der allgemeinen Meinung die Gefolgschaft 225  Zur Satzungsqualität einer von einer Hochschule erlassenden (Benutzungs-) Ordnung siehe v. Coelln, in: BeckOK, HochschulR NRW, HG, § 2 Rn. 40. 226  Zum Begriff des „materiellen“ Gesetzes siehe Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 21. 227  Siehe nur Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55, der insoweit das Bei­ spiel der Straßenverkehrsordnung anführt, die als nur materielles Gesetz (Rechtsver­ ordnung) ebenfalls die Privatrechtsklauseln dispensieren würde. 228  Siehe die zahlreichen Nachweise in Fn. 120.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

verweigert oder den in Rede stehenden Normverstoß schlicht übersehen ha­ ben. Das letztere dürfte in den meisten Fällen allerdings unwahrscheinlich sein, weil sich der Verstoß – anders als in den oben angeführten Beispiels­ fällen – jeweils aufgedrängt hat bzw. teilweise vom Gericht sogar explizit festgestellt worden ist. Anhand der zu den Privatrechtsklauseln bzw. zum Subsidiaritätsprinzip gemachten Ausführungen können die gerichtlichen Entscheidungen letztend­ lich in vier verschiedene Kategorien unterteilt werden. Innerhalb dieser Ka­ tegorien sollen die Entscheidungen im Folgenden einzeln dargestellt werden. Des Weiteren soll eine Entscheidung des VGH BW dargestellt werden, in der das Gericht gleichsam in umgekehrter Weise mit der Ausschließlichkeits­ theorie bricht. So lässt der VGH BW in dem zugrunde liegenden Fall die Privatrechtsklausel des § 2 Abs. 2 PolG BW außer Betracht, obgleich diese nach der allgemeinen Meinung hätte herangezogen werden müssen. Die vom Gericht für diesen Schritt bemühte Begründung erweist sich dabei als ebenso inkonsequent wie dies bei den Entscheidungen in der umgekehrten Konstel­ lation der Fall ist. a) Ausdrückliche Abkehr von der Ausschließlichkeitstheorie Die erste Fallgruppe kennzeichnen Entscheidungen, in denen die Gerichte die Privatrechtsklauseln ungeachtet einer von Ihnen erkannten Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung angewandt haben. In einem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)229 entschie­ denen Fall begehrte der Antragsteller vom Antragsgegner das Einschreiten gegen eine Straßenblockade. Der Antragsteller war Eigentümer eines land­ wirtschaftlichen Grundstücks, dessen einzige Zufahrt über das benachbarte Grundstück führte. Diese öffentliche Straße versperrte der Eigentümer des Nachbargrundstücks mit massiven Steinen, sodass der Antragsteller sein ei­ genes Grundstück nur noch unter Schwierigkeiten befahren konnte. Der BayVGH wies den Antrag auf sicherheitsrechtliches Einschreiten ab. Zwar verstoße das Blockieren der öffentliche Straße gegen § 32 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO, dennoch dürfe die Antragsgegnerin im Rahmen des ihr nach Art. 7 Abs. 2  LStVG230 eingeräumten Ermessens berücksichtigen, dass aus­ schließlich der Schutz privater Rechte des Antragstellers in Rede stehe. Wörtlich heißt es in der Entscheidung im Anschluss an die Ausführungen zur Geltung der Privatrechtsklauseln für das ordnungsbehördliche Handeln: 229  BayVGH,

­Beschl. v. 10.08.2009 – 11 CE 09.1795 –, juris. LStVG handelt es sich um die Generalklausel der bayerischen Sicherheitsbehörden. 230  Bei Art. 7 Abs. 2



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 99 „Hier geht es zwar auch um das Verbot, eine tatsächliche öffentliche Verkehrsflä­ che eigenmächtig zu blockieren, was grundsätzlich durchaus im Allgemeininteresse liegt. Jedoch ist im konkreten Fall von der Blockade allein das Grundstück des Antragstellers betroffen, so dass die grundsätzlich in Rede stehenden Allgemein­ interessen ausschließlich in Form von Rechten des Antragstellers betroffen sind. Der zugrunde liegende Sachverhalt kommt daher mehr einer privaten Nachbar­ schaftsstreitigkeit gleich.“231

Auch wenn diese Erwägung für die Ablehnung des Antrags nicht allein ausschlaggebend gewesen sein mag und sich im Hinblick auf die Privat­ rechtsklauseln zudem die Besonderheit einer Verpflichtungssituation ergab, markiert die Entscheidung einen bemerkenswerten Bruch mit der Ausschließ­ lichkeitstheorie. Der Sache nach scheint der BayVGH den Vorrang der Un­ versehrtheit der objektiven Rechtsordnung vom Schutzzweck der konkret verletzten Norm abhängig zu machen. Bezweckt diese den ausschließlichen Schutz von subjektiven Rechten oder Rechtsgütern, scheint das Subsidiari­ tätsprinzip nach Auffassung des BayVGH wiederaufzuleben. Das VG Karlsruhe232 wiederum hatte über die Rechtmäßigkeit der Verlän­ gerung einer polizeilichen Wohnungsverweisung wegen häuslicher Gewalt zu entscheiden. Die Polizei hatte den Antragsteller zunächst für zwei Wochen aus der in Rede stehenden Wohnung verwiesen und diese Verfügung nach Zeitablauf um weitere zwei Wochen verlängert. Darin sah das Gericht einen unzulässigen Eingriff in die Kompetenzen des nach §§ 210, 211 FamFG für den Erlass einstweiliger Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz zuständi­ gen Familiengerichts. Trotz der Gefahr weiterer Straftaten stehe einer poli­ zeilichen Zuständigkeit die Privatrechtsklausel des § 2 Abs. 2 PolG BW ent­ gegen, weil die Verhinderung von Straftaten nicht maßgeblich für die polizei­ liche Verfügung gewesen sei. Wörtlich führt das Gericht hierzu aus: „Für die hier angefochtene Verfügung ist jedoch nicht der Gesichtspunkt der Ver­ hinderung von Straftaten bestimmend, sondern derjenige der Überbrückung des Zeitraums bis zum Ergehen einer zivilrichterlichen Entscheidung nach dem Ge­ waltschutzgesetz. Abgesehen davon, dass hiergegen bereits erhebliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines fehlerhaften Gebrauchs des durch §§ 1, 3 PolG eingeräumten Ermessens bestehen, dürfte es für eine solche polizeiliche Maßnah­ me auch an der Zuständigkeit mangeln. Denn nach § 2 Abs. 2 PolG obliegt der Polizei der Schutz privater Rechte nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirk­ lichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. […] Es fällt nicht in die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde, quasi im Vorgriff auf etwaige amtsrich­ terliche Regelungen nach dem Gewaltschutzgesetz vorläufige Maßnahmen zu

231  BayVGH,

a. a. O., juris-Rn.  12. ­Beschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 –, juris.

232  VG Karlsruhe,

100

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

treffen, die ausschließlich dem Amtsgericht im Rahmen der Anwendung des Ge­ waltschutzgesetzes vorbehalten sind.“233

Ob bei einer Wohnungsverweisung, die zur Verhinderung häuslicher Ge­ walt erlassen worden ist, tatsächlich ein anderer Gesichtspunkt als die Ver­ hinderung von Straftaten „bestimmend“ gewesen sein kann, soll an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Für die hiesige Untersuchung ist allein festzu­ halten, dass das VG Karlsruhe mit dem Verweis auf einen anderweitigen „bestimmenden Gesichtspunkt“ den Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung negiert hat. b) „Konkludente“ Abkehr von der Ausschließlichkeitstheorie In der zweiten Kategorie werden Entscheidungen zusammengefasst, in denen polizeiliche Maßnahmen von den Gerichten ungeachtet einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung an den Privatrechts­ klauseln gemessen wurden. Anders als in der ersten Kategorie haben die Gerichte dabei den (drohenden) Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung nicht selbst festgestellt, sondern sind über diesen Gesichtspunkt kurzerhand hinweg gegangen. Da die jeweiligen Normverstöße hierbei freilich stets auf der Hand lagen, kann kaum von einem unbewussten Hinwegsehen durch die Gerichte ausgegangen werden. Aus diesem Grund dürfte anstelle eines schlichten gerichtlichen Versehens eher von einer stillschweigenden Abkehr von der allgemeinen Meinung auszugehen sein. Zunächst sind an dieser Stelle Entscheidungen des VG Mainz234 und des VG Berlin235 zu nennen, bei denen jeweils die Räumung eines besetzten Hauses streitgegenständlich gewesen ist. Ohne die allgemeine Meinung auch nur zu erwähnen, prüfen beide Gerichte die Voraussetzungen der jeweiligen Privatrechtsklauseln und lassen damit den ausweislich der gerichtlichen Fest­ stellungen offensichtlich erfüllten Straftatbestand des § 123 StGB gänzlich außer Betracht. Während das VG Berlin diesen nicht einmal erwähnt, findet 233  VG Karlsruhe,

a. a. O., juris-Rn. 9. Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14.MZ –, juris. 235  VG Berlin, Urt. v. 16.07.2003 – 1 A 321.98 –, juris; auch im Beschluss vom 06.04.1981 – 1 A 87/81 –, NJW 1981, 1748, 1748 f., hielt das VG Berlin das Subsi­ diaritätsprinzip bei einer Hausbesetzung trotz der offensichtlichen (freilich vom Ge­ richt nicht selbst erwähnten) Verwirklichung des § 123 StGB grundsätzlich für ein­ schlägig und ließ dieses letztendlich nur mit der Begründung außer Betracht, dass das Bestreiten des ordentlichen Rechtswegs wegen der mit einer Identitätsfeststellung verbundenen Schwierigkeiten für den Antragsteller nur „schwerlich möglich“ sei. Der Sache nach hat das Gericht das Subsidiaritätsprinzip damit gleichwohl angewendet und dessen Voraussetzung (Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes) als erfüllt ange­ sehen. 234  VG Mainz,



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 101

sich im Tatbestand des Urteils des VG Mainz zumindest der Hinweis auf einen gestellten Strafantrag und die Einstellung des gegen den Antragsteller wegen Hausfriedensbruchs geführten Ermittlungsverfahrens nach §  154 ­StPO.236 Angesichts der eingehenden Behandlung, die das Subsidiaritätsprin­ zip im Zusammenhang mit der Räumung besetzter Häuser in der Literatur erfahren hat237, dürfte ein schlichtes Übersehen des Hausfriedensbruchs – je­ denfalls durch das VG Mainz – ausgeschlossen sein. Beide Entscheidungen vermitteln vielmehr den Eindruck eines bewussten Abwendens von der Aus­ schließlichkeitstheorie. In einem vom VG Göttingen238 entschiedenen Fall begehrte die transsexu­ elle Bewohnerin einer Obdachlosenunterkunft ordnungsbehördliches Ein­ schreiten gegen verbale und körperliche Übergriffe anderer Bewohner. Das VG Göttingen lehnte den Antrag ab und verwies die Antragstellerin auf den Zivilrechtsweg. Wenngleich das VG Göttingen seine Entscheidung maßgeb­ lich auf die fehlende Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs gestützt hat239, lässt es zugleich eine von der Ausschließlichkeitstheorie abweichende Rechtsauffassung erkennen, indem es ausführt, es sei „grundsätzlich Sache der Antragstellerin selbst, sich gegen Störungen aus der Unterkunftsanlage mit den Mitteln des Privat- oder Strafrechts zur Wehr zu setzen“.240 Wegen des Verweises auf „Mittel des Strafrechts“ [Anm.: Gemeint sind Strafanzei­ gen] im Kontext der niedersächsischen Privatrechtsklausel scheint das VG Göttingen ersichtlich von der Geltung des Subsidiaritätsprinzips ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer Gefahr für die Unversehrtheit der objekti­ ven Rechtsordnung auszugehen. Der gleichen Auffassung dürfte auch das VG Köln sein. In einem von ihm entschiedenen Fall241 hatte die Polizei die Sicherstellung einer Mietwohnung angeordnet, weil deren Mieter nach Angaben des Vermieters Gegenstände aus der Wohnung verbringen würden, an denen ihm aufgrund offener Miet­ zahlungen ein Vermieterpfandrecht zustehe. Das VG Köln erklärte die Si­ cherstellung für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen der nordrhein-west­ fälischen Privatrechtsklausel nicht gegeben seien und jedenfalls für eine endgültige Maßnahme in Form der unbefristeten Sicherstellung keine poli­ 236  VG Mainz, Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14.MZ –, juris-Rn. 2 f.; aus einer Ver­ fahrenseinstellung nach § 154 StPO kann nicht auf die Straflosigkeit des Antragstel­ lers im Hinblick auf § 123 StGB geschlossen werden, da eine Einstellung gemäß § 154 StPO auch bei Annahme eines hinreichenden Tatverdachts möglich ist, siehe Teßmer, in: MüKo, StPO, Band 2, § 154 Rn. 5. 237  Siehe die Nachweise in Fn. 159. 238  VG Göttingen, B ­ eschl. v. 10.09.2009 – 1 B 235/09 –, juris. 239  VG Göttingen, a. a. O., juris-Rn. 8. 240  VG Göttingen, a. a. O., juris-Rn.8. 241  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris.

102

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

zeiliche Zuständigkeit bestanden habe. Die Ausführungen zur Privatrechts­ klausel und hierbei insbesondere die Formulierung, die Polizei sei „offen­ kundig zum Schutz eines von dem Vermieter […] behaupteten privaten Rechts – in Gestalt eines Vermieterpfandrechts an den Gegenständen in der Wohnung […] – tätig geworden“242 müssen wegen des offensichtlich ein­ schlägigen243 Straftatbestands der Pfandkehr nach § 289 StGB verwundern. Dies gilt umso mehr, als der Vermieter am selben Tag bereits vor der Sicher­ stellung einen entsprechenden Strafantrag gestellt hatte und das Gericht bei seinen Ausführungen zur Privatrechtsklausel diesen Umstand expressis verbis erwähnte.244 Vor diesem Hintergrund dürfte in der Entscheidung wiederum eine bewusste Abkehr von der Ausschließlichkeitstheorie zu erblicken sein, die freilich mit keinem einzigen Wort begründet wird. c) Verkennen einer Gefahr für die objektive Rechtsordnung Als eigenständige Kategorie (dritte Fallkonstellation) soll eine Entschei­ dung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Sachsen-Anhalt (OVG LSA)245 dargestellt werden, bei der von einem schlichten Übersehen des einschlägigen Verstoßes gegen die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung auszugehen sein dürfte. Die Entscheidung betrifft die Sicherstellung eines Mietobjekts im Rahmen einer mietrechtlichen Auseinandersetzung. Die Vermieterin hatte ­ihrem ehemaligen Mieter gekündigt und bereits eine neue Mieterin für das Objekt gefunden. Diese begann damit, die noch in der Wohnung befindlichen Gegenstände des ehemaligen Mieters abzutransportieren. Der ehemalige ­Mieter behauptete gegenüber der Polizei Eigentümer der Sachen zu sein und 242  VG Köln,

a. a. O., juris-Rn. 75. objektiver Hinsicht setzt der Tatbestand der Pfandkehr neben dem Bestehen eines Vermieterpfandrechts lediglich eine offene fällige Mietforderung sowie die Wegnahme des Pfandgegenstandes voraus, diese Voraussetzungen sind anhand der vom Gericht getroffenen Feststellungen eindeutig erfüllt, insbesondere setzt eine Wegnahme im Sinne des § 289 StGB – abweichend von § 242 StGB – keinen Ge­ wahrsamsbruch voraus; zur Pfandkehr am Vermieterpfandrecht siehe Maier, in: MüKo, StGB, § 289 Rn. 8 f. und 15; BayObLG, Urt. v. 09.04.1981 – RReg 5 St 53/81 –, juris-Rn. 4 f.; zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 289 StGB in einer vergleichbaren Konstellation auch Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 91 und 102. Bereits das PrOVG hielt in einer Entscheidung aus dem Jahr 1881 fest, dass die Polizei in einer solchen Konstellation unter dem Gesichtspunkt der Straftatenverhütung zuständig sei, PrOVG, Urt. v. 26.03.1881, PrOVGE 7, 374, 378 [Anm.: Die Entscheidung wird in der amtlichen Sammlung ohne Aktenzeichen wie­ dergegeben]. Die vom PrOVG zitierte Vorschrift des § 289 RStGB entspricht dabei dem heutigen § 289 StGB, Maier, in: MüKo, StGB, § 289 Rn. 1: „seit 1871 nahezu unveränderte Vorschrift“. 244  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 77. 245  OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris. 243  In



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 103

erwirkte dadurch die polizeiliche Sicherstellung („Versiegelung“) des Mietob­ jekts. Das OVG LSA wies die auf die Missachtung der Privatrechtsklausel des § 1 Abs. 2 SOG LSA gestützte Beschwerde der Antragstellerin (der neuen Mieterin) zurück und sah die Voraussetzungen dieser Norm als erfüllt an.246 Tatsächlich dürfte die Prüfung der Voraussetzungen der Privatrechtsklausel nach der Ausschließlichkeitstheorie jedoch entbehrlich gewesen sein. Durch den Abtransport der Gegenstände aus der Wohnung dürfte die Antragstellerin den objektiven Tatbestand eines Diebstahls gemäß § 242 StGB verwirklicht haben. Wird vom Eigentum des Beigeladenen (des ehemaligen Mieters) aus­ gegangen – wie es offensichtlich auch vom OVG LSA vertreten wurde247 –, liegt eine fremde bewegliche Sache vor, die offenkundig noch im Gewahr­ sam des Beigeladenen als dem ehemaligen Mieter stand.248 Der Abtransport stellte demnach die tatbestandsmäßige Wegnahme einer fremden beweglichen Sache dar, die für sich genommen schon die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt der objektiven Rechtsordnung rechtfertigen würde.249 d) Anwendung der an sich unanwendbaren Privatrechtsklauseln Diese vierte Kategorie ist Entscheidungen des VG Karlsruhe250 und des VG Düsseldorf251 entnommen, die alle bisherigen Erkenntnisse zum Anwen­ dungsbereich der Privatrechtsklauseln gleichsam auf den Kopf stellen, indem die Gerichte die Vorschriften heranziehen, obgleich sie zuvor deren Unan­ wendbarkeit festgestellt haben respektive die Voraussetzungen der Privat­ rechtsklauseln aufgrund einer für die öffentliche Sicherheit bestehenden Ge­ fahr als erfüllt ansehen.

246  OVG LSA,

a. a. O., juris-Rn. 4. Entscheidung ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen und enthält deshalb keinen Tatbestand. Denn das Abfassen eines Tatbestands ist bei Beschlüssen – anders als bei Urteilen nach § 117 Abs. 2 Nr. 4 VwGO – gesetzlich nicht vorgeschrieben (siehe BVerwG, Urt. v. 25.08.1999 – 8 C 12.98 –, juris-Rn. 17) und deshalb in der gerichtlichen Praxis unüblich. 248  Der Mieter vermieteter Räumlichkeiten hat Alleingewahrsam an allen in der Wohnung befindlichen Gegenständen, siehe Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rn. 33; aus der Entscheidung geht nicht hervor, inwieweit der Mieter seinen jedenfalls anfänglichen Gewahrsam verloren haben könnte. 249  Siehe auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 14, der ebenfalls die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 242 StGB wegen eines damit ein­ hergehenden Verstoßes gegen §§ 903, 823 Abs. 1 BGB ausreichen lässt. 250  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris. 251  VG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2017 – 14 K 6193/17 –, juris. 247  Die

104

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Thematisch lag der Entscheidung des VG Karlsruhe eine polizeiliche Wohnungsverweisung wegen häuslicher Gewalt zugrunde, weshalb die vom Gericht einstweilen dargelegte Nichtgeltung der Privatrechtsklauseln wegen der zu besorgenden Begehung von Körperverletzungsdelikten nach Maßgabe der Ausschließlichkeitstheorie nur folgerichtig ist.252 Gleichwohl folgt unmit­ telbar darauf im nächsten Absatz der Entscheidungsgründe ein eklatanter Widerspruch und das VG Karlsruhe führt wörtlich aus: „Für die geeignete und verhältnismäßige (§ 5 PolG) Dauer eines Betretensverbots ist im vorliegenden Fall dem Subsidiaritätsgrundsatz des § 2 Abs. 2 PolG, insbe­ sondere im Hinblick auf den Erlass des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen – GewaltschutzG – v. 11.12.2001 (BGBl. I S. 3513) Rechnung zu tragen.“253

Ungeachtet des Umstands, dass sie überhaupt nicht anwendbar ist, soll die Privatrechtsklausel des § 2 Abs. 2 PolG BW mithin dennoch für das polizei­ liche Handeln verbindlich sein. Erwartungsgemäß lässt die gerichtliche Ent­ scheidung dabei jegliche Begründung für diesen offenen Widerspruch ver­ missen. Nicht weniger widersprüchlich mutet die Entscheidung des VG Düsseldorf an. Diese betraf das Abschleppen eines unbefugt in einer Garageneinfahrt abgestellten Fahrzeugs, durch welches ein in der Garage geparktes Fahrzeug an der Ausfahrt gehindert wurde. Das VG Düsseldorf erkannte im Zuparken des Fahrzeugs einen Verstoß gegen § 240 StGB und erachtete die Abschlepp­ maßnahme deshalb als rechtmäßig. Hierbei führt es wie folgt aus: „Dabei ist die Polizei nach § 1 Abs. 2 PolG NRW auch für den Schutz privater Rechte zuständig, wenn und soweit gerichtliche Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig zu erlangen ist. Dies war hier der Fall. Vorliegend war ein Verstoß gegen die ob­ jektive Rechtsordnung gegeben.“254

Mag das vom VG Düsseldorf gefundene Ergebnis auch demjenigen der allgemeinen Meinung entsprechen, kann der Weg dorthin dogmatisch keines­ falls überzeugen. Abweichend von der allgemeinen Meinung scheint ein Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung nach Auffassung des Gerichts nicht zur Unanwendbarkeit der Privatrechtsklausel zu führen, sondern viel­ mehr das Vorliegen deren Voraussetzungen zu begründen.

252  VG Karlsruhe,

­ eschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris-Rn. 5 und 7. B a. a. O., juris-Rn. 8. 254  VG Düsseldorf, Urt. v. 21.11.2017 – 14 K 6193/17 –, juris-Rn. 24 f. 253  VG Karlsruhe,



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 105

e) Außerachtlassung der einschlägigen Privatrechtsklausel Eine weitere, eigenständige Kategorie soll schließlich einer Entscheidung des VGH BW255 gewidmet werden, die mit der Außerachtlassung der sogar nach Maßgabe der Ausschließlichkeitstheorie anwendbaren Privatrechtsklau­ sel eine von den bisher vorgestellten Entscheidungen abweichende Konstel­ lation betrifft. In dem zugrunde liegenden Fall wandte sich der Kläger gegen eine poli­ zeiliche Anordnung, mit der ihm aufgegeben wurde, seine Hunde für den Zeitraum zwischen 22 Uhr abends und sechs Uhr morgens in einem ge­ schlossenen Gebäude zu halten. Anlass der Verfügung waren mehrfache Be­ schwerden eines Nachbarn des Klägers, der sich durch das nächtliche Bellen und Heulen der Hunde erheblich gestört fühlte. Gestützt wurde die polizei­ liche Maßnahme auf den Verstoß gegen eine polizeiliche Verordnung256, nach der Hunde so zu halten seien, „daß niemand durch anhaltendes Bellen oder Heulen mehr als nach den Umständen unvermeidbar gestört wird“.257 Der Argumentation der Polizei folgend nahm auch der VGH BW einen Ver­ stoß gegen § 6 der in Rede stehenden Polizeiverordnung an und begründete mit der darin liegenden Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung die Unanwendbarkeit des § 2 Abs. 2 PolG BW wie folgt: „Etwas anderes folgt auch nicht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, aus dem polizeirechtlichen Subsidiaritätsprinzip des § 2 Abs. 2 PolG, wonach der Schutz privater Rechte der Polizei grundsätzlich nicht obliegt. Zwar geht es hinsichtlich der Wohnruhe und der Gesundheit auch um private Rechte des betrof­ fenen Nachbarn; gleichzeitig dokumentiert § 6 der Polizeiverordnung der Beklag­ ten aber das öffentliche Interesse am Schutz dieser Rechtsgüter.“258

Was im ersten Moment noch als konsequente Handhabung des von der allgemeinen Meinung angenommen Vorrangs der Unversehrtheit der objekti­ ven Rechtsordnung erscheint, stellt sich bei näherer Betrachtung als veritab­ ler Zirkelschluss heraus. Denn der vom VGH BW ohne Weiteres angenom­ mene Verstoß gegen § 6 der Polizeiverordnung vermöchte lediglich dann eine Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung zu begrün­ den, sofern die Verordnung ihrerseits rechtmäßig wäre. Als untergesetzliche Rechtsnorm wäre die Verordnung nämlich bei einem Verstoß gegen höher­ 255  VGH

BW, Urt. v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94 –, juris. als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, wo lediglich die Ordnungs­ behörden zum Erlass von Verordnungen befugt sind (§§ 25 ff. OBG NRW), kommt in Baden-Württemberg gemäß § 17 PolG BW auch den Polizeibehörden eine entspre­ chende Befugnis zu. 257  So der Wortlaut von § 6 der entsprechenden Verordnung, zitiert nach VGH BW, Urt. v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94 –, juris-Rn. 17. 258  VGH BW, Urt. v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94 –, juris-Rn. 17. 256  Anders

106

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

rangiges Recht ipso iure nichtig259 und als solche überhaupt kein Teil der objektiven Rechtsordnung. Zu den höherrangigen Rechtsnormen, an denen die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Verordnung zu messen ist, gehört nun auch das baden-württembergische Polizeigesetz als formelles Landesge­ setz.260 Da die Befugnis der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter beim Erlass polizeilicher Verordnungen nicht weitergehen kann als bei polizeilichen Einzelfallmaßnahmen, müsste die polizeiliche Verord­ nung folglich der in § 2 Abs. 2 PolG BW normierten Privatrechtsklausel ge­ nügen. Richtigerweise wäre im Rahmen einer inzidenten Normenkontrolle261 somit zu überprüfen gewesen, ob der den Schutz von Gesundheit und „Wohnruhe“ bezweckende § 6 der Verordnung seinerseits den Voraussetzun­ gen der Privatrechtsklausel genügt.262 Das Subsidiaritätsprinzip wäre folglich zwar an einer anderen Stelle im Prüfungsaufbau zum Tragen gekommen, inhaltliche Unterschiede hätten sich hieraus gleichwohl nicht ergeben.263 Demgegenüber bedeutete die Auffassung des VGH BW in letzter Konse­ quenz nichts anderes, als dass sich die Polizei durch den Erlass einer entspre­ chenden Verordnung selbst von den Beschränkungen der Privatrechtsklauseln befreien könnte. Die Rechtswidrigkeit dieses Ergebnisses dürfte nun auf der Hand liegen, weshalb sich die Ansicht des VGH BW letztlich als unvertret­ bar erweist.264 259  Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, S. 557 ff. und 605; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 183 Rn. 12. 260  Zum Begriff des „formellen“ Gesetzes siehe Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 21. 261  Die Rechtmäßigkeit untergesetzlicher Rechtsnormen ist von den Verwaltungs­ gerichten inzident zu überprüfen; hält das Verwaltungsgericht eine untergesetzliche Norm für rechtswidrig, kann es diese selbst verwerfen respektive muss diese nicht anwenden (sog. Verwerfungskompetenz); Schübel-Pfüster, in: Eyermann, VwGO, § 1 Rn. 10; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 15. 262  Der VGH BW hingegen beließ es insoweit bei der folgenden Feststellung: „Be­ denken gegen die Gültigkeit der gemäß § 10 PolG ergangenen örtlichen Polizeiver­ ordnung sind nicht ersichtlich, insbesondere ist sie zwischenzeitlich noch nicht außer Kraft getreten (vgl. § 17 Abs. 1 PolG)“, VGH BW, Urt. v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94 –, juris-Rn. 16. 263  Freilich erscheint unklar, wie eine abstrakt-generelle Polizeiverordnung dem in § 2 Abs. 2 PolG BW normierten Antragserfordernis Rechnung tragen kann. Indem polizeiliche Verordnungen tatbestandlich das Vorliegen einer abstrakten Gefahr vor­ rausetzen (Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Auflage 2005, Rn. 714), kann im Moment des Verordnungserlasses notwendigerweise noch gar kein (konkret) Betroffener existieren, der den polizeilichen Schutz beantragen könnte. Zum (ver­ meintlichen) Antragserfordernis der Privatrechtsklauseln noch eingehend im dritten Kapitel unter A. 264  Diese gerichtliche Vorgehensweise soll daher im Folgenden nicht weiterver­ folgt werden.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 107

II. Die (übersehene) Relativität der Definition des privaten Rechts Die bei einigen Anhängern der Ausschließlichkeitstheorie vorzufindende Definition des privaten Rechts, lässt bei näherer Betrachtung die notwendige Präzision vermissen. Wie bereits ausgeführt wurde265, versteht die allgemeine Meinung, ungeachtet einzelner sprachlicher Nuancen, unter privaten Rechten solche Rechtspositionen, die ausschließlich in der Privatrechtsordnung begründet sind. Mag diese Beschreibung bei flüchtiger Betrachtung noch plau­ sibel erscheinen, bedeutet sie in letzter Konsequenz nichts anderes, als sogar privatrechtliche Forderungen und das Eigentum, mithin die beiden traditio­ nell in diesem Zusammenhang genannten Beispiele, nicht ohne Weiteres als private Rechte angesehen werden können. 1. Erfordernis einer konkreten Betrachtung Dies gilt selbst dann, wenn mit der allgemeinen Meinung die grundrecht­ liche Absicherung eines Rechts – wenig konsequent – an dieser Stelle ausge­ blendet wird. Denn sowohl privatrechtliche Forderungen als auch das Eigen­ tum als solches werden durch die in Art. 14 GG normierte Eigentumsgarantie nicht nur grundrechtlich geschützt266, sondern genießen daneben ebenfalls den weitreichenden Schutz des Strafrechts. Als Beispiele können hier die Straftatbestände des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB, des Betruges gemäß § 263 StGB und der Sachbeschädigung nach § 303 StGB genannt werden.267 Von einer ausschließlich privatrechtlichen Begründung kann angesichts dessen in dieser Pauschalität weder bei Forderungen noch beim Eigentumsrecht gesprochen werden. Da nun die allermeisten Rechtspositionen unter dem Schutz einer straf­ rechtlichen oder sonstigen Norm des öffentlichen Rechts stehen dürften, muss die Definition der allgemeinen Meinung dahingehend verstanden wer­ den, dass nicht abstrakt ein Katalog von privaten Rechten aufgestellt werden kann, sondern vielmehr konkret im Hinblick auf den jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist, ob die in Rede stehende Rechtsposition ausschließlich privat-

265  Siehe

oben unter B.IV.3.a). Subsumtion privatrechtlicher Forderungen unter den Eigentumsbegriff des Art. 14 GG siehe Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24. 267  Zu privatrechtlichen Forderungen als (auch) geschütztem Schutzgut der §§ 142, 263 StGB siehe bereits Fn. 139 und Fn. 140; zur Eigenschaft der Sachbeschädigung als Eigentumsdelikt, Wieck-Noodt, in: MüKo, StGB, Band 5, 3. Auflage 2019, § 303 Rn. 1. 266  Zur

108

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

rechtlich begründet ist.268 Andernfalls bliebe kaum eine Rechtsposition übrig, die noch unter den Begriff des privaten Rechts subsumiert werden könnte. Gemessen daran kommt es richtigerweise stets darauf an, ob die Rechts­ position in der jeweiligen Situation durch einen strafrechtlichen (oder sonsti­ gen öffentlich-rechtlichen) Schutz flankiert wird oder eben nicht. Den allge­ meinen Grundsätzen folgend muss in diesem Zusammenhang die bevorste­ hende Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm für die Annahme eines strafrechtlichen Schutzes genügen. Die Notwendigkeit einer konkreten Betrachtung bringt es dann unweiger­ lich mit sich, dass ein und dieselbe Rechtsposition in einer Situation durch­ aus noch als privates Recht angesehen werden kann, nur um bei einer ande­ ren polizeilichen Lage sodann aus der Definition der allgemeinen Meinung herauszufallen. Welche Auswirkungen mit einer solch differenzierten Betrachtungsweise einhergehen, kann plastisch anhand des Beispiels des Eigentums verdeutlicht werden. Der Straftatbestand der Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB pöna­ lisiert die Beschädigung sowie die Zerstörung fremden Eigentums.269 Infol­ gedessen kann das Eigentum lediglich dann als ein privates Recht angesehen werden, wenn sich seine Gefährdung nicht als eine drohende Zerstörung oder Beschädigung darstellt. Namentlich sind dies die Fälle der bloßen Sachent­ ziehung respektive der Gebrauchsanmaßung. Freilich kann in diesen Kon­ stellationen ein Verstoß gegen andere Straftatbestände vorliegen.270 Darüber 268  Eine relative Betrachtung fordernd auch Eicke, die im Hinblick auf die durch die rheinland-pfälzische Vorschrift zur Wohnungsverweisung (§ 13 Abs. 2 POG RhPf) geschützten „bedeutenden Sach- und Vermögenswerte“ ausführt, dass der bloße Um­ stand eines strafrechtlichen Schutzes derselbigen durch die §§ 315 ff. StGB nicht für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Begründung im Sinne der Ausschließlich­ keitstheorie ausreichen könne, sondern stattdessen „im jeweiligen Fall“ geprüft wer­ den müsse, ob „bei einer Gefährdung der privaten Rechtsgüter [Anm.: Gemeint sind die bedeutenden Sach- und Vermögenswerte] zugleich die Verletzung öffentlichrechtlicher Normen“ drohe, dies., polizeiliche Wohnungsverweisung, S. 188 f. Aus der von ihr aufgeworfenen Frage nach einer gleichzeitigen „Verletzung öffentlich-rechtli­ cher Normen“ bei der Gefährdung „privater Rechtsgüter“ folgt hierbei, dass sie die von Teilen der allgemeinen Meinung aufgestellte Definition nicht teilen kann, weil nach dieser die „Verletzung öffentlich-rechtlicher Normen“ die Eigenschaft eines Rechts als „privat“ ausschließt. 269  § 303 Abs. 1 StGB lautet: „Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe be­ straft.“ 270  So wird eine Sachentziehung regelmäßig die objektive Verwirklichung des Straftatbestands des Diebstahls nach § 242 StGB darstellen und eine Gebrauchsanma­ ßung u. U. als Unterschlagung nach § 246 StGB zu bewerten sein, sofern die Ge­ brauchsanmaßung nicht ausnahmsweise bereits als solche strafbar ist, siehe etwa § 248b StGB.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 109

hinaus kann auch bei einer Gefährdung durch elementare Naturkräfte von einem privaten Recht gesprochen werden, da sich der strafrechtliche Schutz des Eigentums naturgemäß nur gegen menschliche Handlungen richtet und insofern wiederum kein straf- oder öffentlich-rechtlicher Schutz des Eigen­ tums angenommen werden könnte. 2. Die Folgewidrigkeit der allgemeinen Meinung Soll die von einigen Vertretern der allgemeinen Meinung bemühte Defini­ tion des privaten Rechts aufrechterhalten werden, ohne den Privatrechtsklau­ seln den ihnen noch verbleibenden Anwendungsbereich zu entziehen, ist das Abstellen auf eine konkrete Betrachtung zwingend. Denn eine Rechtsposi­ tion, der schlechthin jeglicher strafrechtliche (oder sonstige öffentlich-recht­ liche) Schutz verwehrt wird, existiert in der Rechtsordnung nicht. Ungeachtet dessen wird die Relativität des Adjektivs „privat“ von keinem der das private Recht definierenden Vertreter der Ausschließlichkeitstheorie expressis verbis herausgearbeitet. Lediglich das VG Minden271 lässt in einem Urteil aus dem Jahr 2006 die hier postulierte konkrete Betrachtung erahnen. So zählt das Gericht die „Rechtsgüter Leib und Leben sowie Eigentum“ nicht schlechthin zu den durch die öffentliche Sicherheit geschützten subjektiven Rechten und Rechts­ gütern, sondern nur „soweit der Angriff auf sie im Einzelfall z. B. strafrecht­ lich sanktioniert ist“.272 Die identische Formulierung findet sich auch in ei­ nem Urteil des VG Köln273 aus dem Jahr 2013. Demgegenüber wird anhand der bisweilen in der Literatur vorzufindenden Aufzählung von Rechtspositio­ nen, die als private Rechte im Sinne der Privatrechtsklauseln anzusehen seien, erkennbar, dass das Erfordernis einer konkreten Betrachtung regelmä­ ßig gänzlich übersehen wird.274 Unter Zugrundelegung eines relativen Blick­ winkels ist es nämlich weder möglich, eine Rechtspositionen pauschal als

271  VG Minden,

Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris. a. a. O., juris-Rn. 23. 273  VG Köln, Urt. v. 19.03.2013 – 14 K 6709/09 –, juris-Rn. 43. 274  Lediglich bei Wöhrle/Belz, PolG BW, § 2 Rn. 16, wird die Relativität des Be­ griffs angedeutet. So führen diese aus, dass bei privaten Rechten, die zugleich durch als absolute Antragsdelikte ausgestaltete Straftatbestände geschützt seien, hinsichtlich der polizeilichen Befugnisse danach zu differenzieren sei, ob der Rechteinhaber einen Antrag nach § 2 Abs. 2 PolG BW oder einen Strafantrag gestellt habe. Nur im erste­ ren Fall werde die Polizei demnach zum Schutz privater Rechte tätig, wohingegen im zweiten Fall das polizeiliche Tätigwerden der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit diene. Mithin muss auch nach ihnen die Einordnung eines Rechts als privat von der Art der Gefahr abhängen. 272  VG Minden,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Beispiel für ein privates Recht zu benennen275 noch, umgekehrt, diese Eigen­ schaft einem Recht kategorisch abzusprechen.276 Angesichts dessen erscheint die Begriffsbestimmung der allgemeinen Mei­ nung wenig ausgereift. Es hat den Anschein, als sei der Wortlaut der Privat­ rechtsklauseln für die bereits vor dem Inkrafttreten der jeweiligen Vorschrif­ ten herausgebildete Auffassung von nur untergeordneter Bedeutung und die Definition des privaten Rechts diene lediglich dazu, diese überkommene Auffassung entsprechend normativ zu verankern. Wird sich an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, dass die meisten Vertreter der heutigen allgemeinen Meinung eine Begriffsbestimmung nicht nur gänzlich vermissen lassen, son­ dern sich darüber hinaus mit ihren Formulierungen in offenen Widerspruch zu den teilweise präsentierten Definitionen setzen, wird dieser Eindruck nur noch bekräftigt.

III. Erfordernis einer abweichenden Auslegung In Ansehung einer Auffassung, die von sämtlichen Stimmen in der Litera­ tur und darüber hinaus – zumindest im Ausgangspunkt – genauso uneinge­ schränkt von der Rechtsprechung vertreten wird, einen eigenen Lösungsan­ satz entwickeln zu wollen, mag vermessen erscheinen. Gleichwohl stellt sich dieses Vorgehen angesichts der oben aufgezeigten Wertungswidersprüche sowie der dargelegten Begründungsschwächen der allgemeinen Meinung als unumgänglich dar. Die oben unter C.I.1. dargestellten Beispielsfälle haben gezeigt, dass der von der Ausschließlichkeitstheorie angenommene Anwendungsprimat der objektiven Rechtsordnung nicht zu überzeugen vermag. In jedem277 der Bei­ spielsfälle begegnet es augenscheinlich durchgreifenden Bedenken, ungeach­ tet des nicht zu leugnenden zivilrechtlichen Einschlags eine unbeschränkte 275  So aber Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 45 f., der zu privaten Rechten neben der Menschenwürde, das Leben, die Gesundheit, die Freiheit, das Ei­ gentum, das Persönlichkeitsrecht auch alle sonstigen Rechte des § 823 Abs. 1 BGB zählt; Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 65: „private Rechte sind absolute Rechte, die sich wie das Eigentumsrecht gegen jedermann richten, Persönlichkeitsrechte wie das Na­ mensrecht und Urheberrechte […]“; ähnlich Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 121. 276  So aber Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34, weil Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum und Besitz „stets zugleich durch öffentlich-rechtliche bzw. straf­ rechtliche Normen geschützt“ seien; dies ist jedoch – wie die Beispiele der Sachent­ ziehung bzw. Gebrauchsanmaßung im Hinblick auf das Eigentum sowie generell die von Naturgewalten ausgehenden Gefahren zeigen – unzutreffend. 277  In dem unter C.I.1.b) dargestellten Beispielsfall (Fall 2: Verkehrswidrig abge­ stellte Fahrzeuge) wendet auch die allgemeine Meinung die Privatrechtsklauseln an.



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 111

polizeiliche Handlungsbefugnis anzunehmen. Ausgerechnet in Konstellatio­ nen, die beinahe sinnbildlich für das Erfordernis eines Subsidiaritätsprinzips zu stehen scheinen, soll jenes überhaupt keine Anwendung finden. Nach der Ausschließlichkeitstheorie bleibt die Unanwendbarkeit der Privatrechtsklau­ seln dennoch (auch in diesen Fällen) zwingend; eine divergente Würdigung der Beispielsfälle ist ohne eine Aufgabe des Anwendungsvorrangs der objek­ tiven Rechtsordnung nicht möglich. Die sich unweigerlich einstellende praktische Bedeutungslosigkeit der Pri­ vatrechtsklauseln bildet für sich genommen sicherlich den Hauptkritikpunkt an der allgemeinen Meinung. Nicht weniger schwer wiegt jedoch die Folge­ widrigkeit, die bei der Subsumtion unter den an sich unbedingten Anwen­ dungsvorrang der objektiven Rechtsordnung mitunter zu beobachten ist. Während die Literaturstimmen den Vorrang der objektiven Rechtsordnung durch Bildung entsprechend eingängiger Fallbeispiele in ihren Ausführungen noch vergleichsweise leicht durchhalten können, sähe sich die zur Entschei­ dung konkreter Fälle berufene Rechtsprechung bei strikter Anwendung der Ausschließlichkeitstheorie oftmals mit dem überraschenden Befund einer Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln konfrontiert, wie er anhand der Beispielsfälle illustriert wurde. Wie die vorstehend angeführten Gerichtsentscheidungen278 vermuten las­ sen, dürfte die Rechtsprechung diese Rechtsfolge nun ebenfalls als unbefrie­ digend empfinden. Anders vermag die breitwillige Abkehr von der allgemei­ nen Meinung kaum erklärt zu werden. So sehr die Aufgabe des Anwendungs­ primats der objektiven Rechtsordnung im Ergebnis auch zu begrüßen sein mag, so kritikwürdig ist der Weg, den die Rechtsprechung wählt, um dieses Ergebnis zu erreichen. Indem diese der allgemeinen Meinung ohne jegliche Begründung die Gefolgschaft verweigert, legt sie die Schwächen der Aus­ schließlichkeitstheorie schonungslos offen. Eine Auffassung, die zur Vermeidung unangemessener Ergebnisse der Korrektur im Einzelfall bedarf, vermag aus wissenschaftlicher Perspektive nicht zu überzeugen. 1. Die Wankelmütigkeit der allgemeinen Meinung Als beinahe bezeichnend für die Wankelmütigkeit der allgemeinen Mei­ nung kann hierbei ein Urteil des VG Bayreuth279 aus dem Jahr 2013 heran­ gezogen werden, welches mit der Anerkennung eines Dienstunfalls eine an 278  Siehe

oben unter C.I.2. Urt. v. 19.04.2013 – B 5 K 11.632 –, juris.

279  VG Bayreuth,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

sich originär beamtenrechtliche Fragestellung behandelt, gleichwohl aber auch eine für den hiesigen Kontext interessante Aussage enthält. Der private Hund eines Polizeibeamten wurde während eines Spaziergangs in der dienstfreien Zeit von einem fremden Hund angegriffen. Bei der Ab­ wehr des Angriffs verletzte sich der Beamte unglücklich und begehrte später die Anerkennung des Ereignisses als Dienstunfall, weil er sich zum Schutz seines Hundes in den Dienst versetzt und folglich nicht mehr als Privatperson gehandelt habe. Das VG Bayreuth wies die Klage ab und zog bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein in-den-Dienst-Versetzen in Zweifel. Wörtlich führt Gericht hierzu aus: „Es erscheint bereits zweifelhaft, ob der Kläger sich überhaupt wirksam in den Dienst versetzen konnte. Ein Beamter kann nur ein solches Verhalten zur Dienstaus­ übung machen, das nach objektiver Betrachtungsweise zu den Erfordernissen des für diesen Beamten typischen Dienstes gehört […]. Ein Einschreiten des Klägers zur Rettung allein seines Hundes ist nicht von Art. 2 PAG [Anm.: Gemeint wohl Art. 2 Abs. 1 PAG] gedeckt, da eine fahrlässige Sachbeschädigung keine Straftat darstellt. Auch Art. 2 Abs. 2 PAG ist zum Schutz der eigenen Rechte des Klägers an dem Tier nicht einschlägig, da er hier genauso gut auch privat zum Schutz sei­ nes Hundes vorgehen konnte.“280

Inhaltlich trifft der Verweis auf die Straflosigkeit einer fahrlässigen Sach­ beschädigung selbstverständlich zu281, doch bleibt diese Erkenntnis für die rechtliche Beurteilung des Handelns des Polizeibeamten gänzlich irrelevant. Art. 2 Abs. 1 BayPAG weist der bayerischen Polizei die Aufgabe der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu. Da die (dro­ hende) Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafvorschrift aner­ kanntermaßen zur Annahme einer Gefahr für die Unversehrtheit der objekti­ ven Rechtsordnung ausreicht, ergibt sich die polizeiliche Zuständigkeit zur Abwehr des Hundeangriffes entgegen der Auffassung des VG Bayreuth durchaus aus Art. 2 Abs. 1 BayPAG, ohne dass die Straflosigkeit einer fahr­ lässigen Sachbeschädigung hieran etwas zu ändern vermöchte. Mag es sich im Ergebnis auf die Entscheidung des Gerichts nicht ausge­ wirkt haben282, fördert der gerichtliche Hinweis auf die Straflosigkeit einer fahrlässigen Sachbeschädigung dennoch eindrucksvoll das Dilemma zutage, 280  VG Bayreuth,

Urt. v. 19.04.2013 – B 5 K 11.632 –, juris-Rn. 19. 15 StGB; einzige Ausnahme hierzu ist die fahrlässige Brandstiftung nach §§ 306, 306d Abs. 1 Halbs. 1 Alt. 1 StGB, da es sich bei der Brandstiftung nach § 306 StGB um eine qualifizierte Form der Sachbeschädigung handelt, Heine/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, § 306d Rn. 1 m. w. N. 282  Maßgeblich für die Klageabweisung war die nach außen fehlende Erkennbar­ keit des angeblichen „in-den-Dienst-Versetzens“, VG Bayreuth, Urt. v. 19.04.2013 – B 5 K 11.632 –, juris-Rn. 20. 281  §§ 303,



C. Kritische Auseinandersetzung mit der allgemeinen Meinung 113

mit welchem sich die allgemeine Meinung wegen des unbedingten Anwen­ dungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung fortwährend konfrontiert sieht. Wird eine Strafnorm auf ihren objektiven Tatbestand reduziert und dessen Verwirklichung für die Annahme einer Gefährdung der objektiven Rechts­ ordnung als ausreichend erachtet, ist die Rechtsordnung in beinahe jeder polizeilichen Lage gefährdet. Wie im vom VG Bayreuth entschiedenen Fall liegt demnach sogar dann regelmäßig eine Gefahr für die objektive Rechts­ ordnung vor, wenn auf den ersten Blick allein subjektive Rechte und Rechts­ güter des Einzelnen gefährdet zu sein scheinen. 2. Verkannte Konsequenzen Mit dem Übersehen der Eröffnung der polizeilichen Gefahrenabwehr nach Art. 2 Abs. 1 BayPAG nährt die Entscheidung des VG Bayreuth, wie die anderen Beispiele aus der Rechtsprechung letztlich auch, somit nur einen Verdacht, der sich bei eingehender Betrachtung der Ausschließlichkeitstheo­ rie zunehmend einschleicht. So scheinen, obgleich die Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln bei einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung einmütig betont wird, kaum einem Vertreter der allgemeinen Meinung die Konsequenzen bewusst zu sein, die diese Prämisse tatsächlich mit sich bringt. Nicht anders können die teilweise in der Literatur als An­ wendungsbeispiele für die Privatrechtsklauseln genannten Fälle erklärt wer­ den, bei denen in Wahrheit eine Gefahr für die objektive Rechtsordnung vorliegt und die Vorschriften auf dem Boden der Ausschließlichkeitstheorie dementsprechend gar nicht anwendbar wären. Insbesondere ist hierbei die häufige Konstellation zu nennen, in der sich ein Mieter trotz offener Miet­ schulden anschickt, die mit einem Vermieterpfandrecht belasteten Gegen­ stände aus den vermieteten Räumlichkeiten zu entfernen. Da in der Entfer­ nung der Gegenstände unzweifelhaft eine tatbestandsmäßige Wegnahme im Sinne des § 289 StGB zu sehen ist283, geht der stets zu findende Hinweis auf die Privatrechtsklauseln respektive die Geltung des Subsidiaritätsprinzips offenkundig fehl.284 Sinnbildlich können an dieser Stelle auch die bei Schütte/ Braun/Keller285 angeführten Anwendungsbeispiele genannt werden, von de­ 283  Siehe

die Nachweise in Fn. 243. aber Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 25; Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 69; Denninger, in: Lisken/Denninger, 6. Auflage 2018, D Rn. 28; Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.5; Schütte, in: ders./Braun/Keller, PolG NRW, § 1 Rn. 44; siehe auch die bereits unter C.I.2.b) dargestellte Entscheidung des VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 74 f. 285  Schütte, in: ders./Braun/Keller, PolG NRW, § 2 Rn. 44. 284  So

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

nen gleich drei richtigerweise zugleich eine Gefahr für die Unversehrtheit der Rechtsordnung beinhalten.286 3. Fehlende Praktikabilität Nicht zuletzt dürfte die Ausschließlichkeitstheorie für den handelnden Po­ lizeibeamten auch ein praktisch kaum lösbares Problem mit sich bringen. Von ihm wird nicht weniger erwartet, als er vor jedem Tätigwerden zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter zunächst umfassend prüft, ob nicht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafrechtsnorm in Rede steht oder sonst irgendeine objektivrechtliche Vorschrift verletzt zu werden droht respektive verletzt wird. Zur Vornahme dieser eingehenden ju­ ristischen Prüfung ist der Polizeibeamte im Zweifel indes weder ausgebildet, noch wird im Einsatz die hierfür erforderliche Zeit zur Verfügung stehen. Wie die Ausschließlichkeitstheorie in der polizeilichen Praxis konsequent gehandhabt werden kann, muss deswegen unklar bleiben. 4. Zwischenergebnis Nach alldem stellt es sich als erforderlich dar, den Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips abweichend von der allgemeinen Meinung zu bestim­ men.

D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten Im Folgenden sollen deshalb einige alternative Auslegungsmöglichkeiten untersucht werden, die ob der an der Ausschließlichkeitstheorie geübten Kri­ tik naheliegen dürften und überdies teilweise sogar bei Vertretern der allge­ meinen Meinung selbst angedeutet werden.

286  Im ersten Beispiel bedroht ein Gast einen Gastwirt mit Gewalt, weil dieser wegen offener Forderungen sein Pfandrecht aus § 704 BGB an einem teuren Mantel des Gastes ausüben möchte. Hierdurch verwirklicht der Gast den objektiven Tatbe­ stand der räuberischen Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB und denjenigen der Pfandkehr nach § 289 StGB (wegen fehlenden Strafantrags offen gelassen in BGH, Urt. v. 22.09.1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92); im zweiten Beispiel verlässt ein Autofahrer die Werkstatt ohne zuvor die Reparaturrechnung beglichen zu haben, wegen des gesetzlichen Werkunternehmerpfandrechts gemäß § 647 BGB erfüllt der Autofahrer den objektiven Tatbestand des § 289 StGB (so auch Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 88 f.); das dritte Beispiel betrifft die bereits geschilderte Konstellation des Entfernens von Gegenständen, die dem Vermieterpfandrecht unter­ liegen, und erfüllt mithin ebenfalls den objektiven Tatbestand des § 289 StGB.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten115

I. Beschränkung des Anwendungsvorrangs auf Straftat- und Ordnungswidrigkeitstatbestände Zunächst kommt in Betracht, den von der Ausschließlichkeitstheorie ange­ nommenen Anwendungsprimat der objektiven Rechtsordnung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu reduzieren. Eine Gefahr für die objektive Rechts­ ordnung führte hiernach lediglich dann zu einer Unanwendbarkeit der Privat­ rechtsklauseln, sofern es sich bei der Vorschrift, deren Verletzung zu besor­ gen ist, um eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit handelt. 1. Historischer Ursprung der Ausschließlichkeitstheorie Als das PrOVG in seiner Rechtsprechung das in den heutigen Privatrechts­ klauseln kodifizierte Subsidiaritätsprinzip erstmals formulierte, nahm es aus dessen Anwendungsbereich zugleich die Fälle heraus, in denen sich der poli­ zeiliche Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter gleichzeitig als die Ver­ hinderung strafbarer Handlungen darstellte. Wörtlich heißt es hierzu in einem Urteil aus dem Jahr 1878: „[…] und unter einer derartigen Gefahr ist nicht allein eine dem Leben und der Gesundheit, sondern auch eine dem Vermögen des Einzelnen drohende Gefahr287 zu verstehen. Indes ist auf der anderen Seite ‚Gefahr‘ nicht gleichbedeutend mit ‚Nachteil‘, und insbesondere kann, wenn der Nachteil von den freiwilligen Hand­ lungen Dritter zu besorgen ist, derselbe – abgesehen von Fällen, wo die öffentliche Ruhe, Sicherheit oder Ordnung gefährdet ist, – der Polizei nur dann Grund zum Einschreiten geben, wenn die in Frage stehenden Handlungen strafbar sind. Wo dies nicht der Fall ist, liegt ein lediglich privatrechtliches Verhältnis vor […]“.288

Mit der Ausklammerung der Abwehr strafbarer Handlungen289 griff bereits das PrOVG einen Aspekt auf, der auch für die heute vertretene Auffassung 287  Soweit das PrOVG den Begriff der „drohenden Gefahr“ verwendet, ist klarzu­ stellen, dass hiermit eine „gewöhnliche“, d. h. konkrete Gefahr gemeint ist und der Begriff unbedingt von der nunmehr in Art. 11a Abs. 1 BayPAG definierten „drohen­ den Gefahr“ abzugrenzen ist. Denn nach dem überkommenen Begriffsverständnis handelt es sich bei einer „drohenden Gefahr“ lediglich um ein Synonym für den Be­ griff der „konkreten Gefahr“; zur synonymen Verwendung des Begriffs vor Änderung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes, siehe Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 11 Rn. 38; zur synonymen Verwendung des Begriffs im Grundgesetz siehe Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BPolG, § 11 Rn. 24. Um Missverständnisse vorzubeugen wird auf den Begriff der drohenden Gefahr in dieser Untersuchung – außer bei wörtlichen Zitaten – verzichtet. 288  PrOVG, Urt. v. 18.09.1878 – I C 158/78 –, PrOVGE 4, 414, 418, Hervorhe­ bung nur hier. 289  St. Rspr. des PrOVG, Urt. v. 20.04.1922 – I A 27/21 –, PrOVGE 77, 333, 336 f.; Urt. v. 29.09.1900 – III A 41/99 –, PrOVGE 38, 291, 299; Urt. v. 04.11.1897 –

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

kennzeichnend ist. Allerdings geht die von der heutigen allgemeinen Mei­ nung vertretene Einschränkung des Subsidiaritätsprinzips noch über diejenige des PrOVG hinaus. Während das Gericht dieses lediglich bei der Abwehr strafbarer Handlungen außer Betracht ließ, geht die Ausschließlichkeitstheo­ rie bei jedweder Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung von einer Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln aus. Das mit dieser Ausweitung eine nicht unerhebliche Zurückdrängung des Subsidiaritätsprin­ zips verbunden ist, liegt angesichts der Weite der objektiven Rechtsordnung auf der Hand. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, den Vorrang des Schutzguts der objektiven Rechtsordnung abweichend von der allgemeinen Meinung nicht auf sämtliche Vorschriften der objektiven Rechtsordnung zu erstrecken, sondern stattdessen auf die Abwehr von Straftaten zu beschrän­ ken. Dadurch erhielte die Ausschließlichkeitstheorie wieder jenen histori­ schen Kern, den ihr das PrOVG ursprünglich zugedacht hatte. Da Ordnungswidrigkeiten im weitesten Sinne ebenfalls als strafbare Handlungen angesehen werden können, könnte neben der bevorstehenden Begehung von Straftaten auch bei der drohenden Verwirklichung von Ord­ nungswidrigkeiten von einem Zurücktreten des Subsidiaritätsprinzips auszu­ gehen sein. Die vom PrOVG vorgenommene Beschränkung auf strafbare Handlungen dürfte insoweit allein dem Umstand geschuldet sein, dass vor Inkrafttreten des Ordnungswidrigkeitengesetzes im Jahr 1952 noch nicht zwischen Straftaten auf der einen und Ordnungswidrigkeiten auf der anderen Seite unterschieden wurde.290 Eine dahin lautende Verengung des von der allgemeinen Meinung ange­ nommenen Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung findet sich nun ansatzweise sogar in aktuellen Darstellungen. So heißt es an mehreren Stellen, die Privatrechtsklauseln seien bei der bevorstehenden Verwirklichung von Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbeständen nicht anwendbar, ohne dass dieser Vorbehalt jedoch auf jedwede Vorschrift der objektiven Rechts­ ordnung ausgeweitet wird.291 Eine Modifikation der allgemeinen Meinung dürfte in dieser Ausdrucksweise gleichwohl nicht zu sehen sein, weshalb im Rahmen der Darstellung der Ausschließlichkeitstheorie auch keine geson­ derte Darstellung einer insoweit abweichenden Auffassung erfolgt ist. Denn es dürfte sich hierbei vielmehr lediglich um eine ungenaue Ausdrucksweise IV A 80/96 –, PrOVGE 32, 425, 428; Urt. v. 07.04.1897 – IV A 143/96 –, PrOVGE 32, 421, 424. 290  Hierzu Gerhold, in: BeckOK, OWiG, Einleitung zum OWiG Rn. 17. 291  Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81; Würtenberger/Heckmann/ Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 58 und 61; Erbguth/Mann/Schubert, Besonde­ res Verwaltungsrecht, Rn. 444, die lediglich Straftaten als Ausnahme des Subsidiari­ tätsprinzips aufzählen; ebenso Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 34 f.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten117

handeln, die nicht mit einer inhaltlich divergierenden Ansicht verbunden ist. Für diese Lesart streitet der Umstand, dass die meisten der Autoren die Un­ anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips bei gleichzeitig einschlägigen Strafund Ordnungswidrigkeitentatbeständen pauschal mit dem Hinweis auf den Verstoß gegen die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung begrün­ den.292 Ausschlaggebend für die Nicht-Anwendung der Privatrechtsklauseln dürfte demnach nicht die Eigenschaft der verletzten Vorschrift als straf- oder bußgeldbewehrt, sondern generell die Verletzung der objektiven Rechtsord­ nung sein. Da zur Letzteren auch nach dem Verständnis dieser Autoren nicht allein Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften zählen293, dürften sich folglich keinerlei Unterschiede zu der allgemeinen Sichtweise der Aus­ schließlichkeitstheorie ergeben. Vermutlich ist die Nennung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten bei den betreffenden Fundstellen rein beispielhaft zu verstehen und schlichtweg auf die große Bedeutung zurückzuführen, die der Verletzung jener Vorschriften in der Praxis zukommt.294 Zumal davon auszugehen ist, dass die Autoren ein etwaiges Abrücken von der allgemeinen Meinung nicht in einer sprachlichen Nuance verbergen, sondern explizit he­ rausstellen würden. 2. Zum Scheitern verurteilter Ansatz Erscheint eine Restriktion des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung auf Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften angesichts des historischen Hintergrunds zunächst durchaus naheliegend und vielver­ sprechend, tritt mit Blick auf die oben geschilderten Beispielsfälle augen­ blicklich Ernüchterung ein. Mit Ausnahme des Beispiels der universitären Benutzungsordnung steht in sämtlichen Beispielen die (objektive) Verwirkli­ chung einer Straftat respektive einer Ordnungswidrigkeit in Rede, wodurch eine von der Ausschließlichkeitstheorie abweichende Rechtsfolge mit diesem Ansatz praktisch nicht zu erreichen ist. Gewiss vermag eine derart ergebnisorientierte Betrachtung für sich ge­ nommen noch kein Argument gegen eine dahin lautende Auslegung darzu­ stellen. Ausschlaggebend für das Verwerfen dieser Auslegung sind dement­

292  Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 444; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 58 und 61. 293  Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 439; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 257. 294  So lässt etwa Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 83, an anderer Stelle erkennen, dass er Straftaten und Ordnungswidrigkeiten lediglich als Beispiele („insbesondere“) für vorrangige öffentlich-rechtliche Vorschriften versteht.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

sprechend auch nicht die mit der Ausschließlichkeitstheorie nahezu identi­ schen Rechtsfolgen, sondern die nachfolgenden Überlegungen. a) Subjektiver Tatbestand als notwendiges Korrektiv Das Abstellen auf einen Verstoß gegen straf- und bußgeldbewehrte Vor­ schriften ist von vornherein nicht geeignet, eine sachgerechte Auflösung des zwischen Exekutive und Judikative bestehenden Kompetenzkonflikts herbei­ zuführen. Grund hierfür ist das enorme Ausmaß, welches die Kodifikationen auf diesem Gebiet mittlerweile angenommen haben. Zutreffend stellen etwa Rachor/Roggan295 fest, dass „es so gut wie keine Lebensbereiche gibt, die nicht gleichzeitig durch Strafvorschriften reglementiert sind“. Dies muss umso mehr gelten, wenn zu dem ohnehin schon weiten Feld der Strafvor­ schriften auch noch sämtliche Ordnungswidrigkeiten hinzugezählt werden. Der Großteil öffentlich-rechtlicher Vorschriften wird durch entsprechende Ordnungswidrigkeitentatbestände flankiert, um das in den Vorschriften je­ weils enthaltene Verbot wirksam durchzusetzen. Dies gilt für so alltägliche Angelegenheiten wie die Errichtung einer ungenehmigten baulichen An­ lage296 ebenso wie für andere durch Spezialgesetze regulierte Materien, etwa die im Tabakerzeugnisgesetz normierten Werbeformverbote297 oder den Be­ reich des öffentlichen Personennahverkehrs.298 Der Grund, weshalb sich der Einzelne trotz dieses unüberschaubaren Be­ funds an Vorschriften nicht fortwährend einem Straf- oder Ordnungswidrig­ keitenverfahren ausgesetzt sieht, ist hierbei schnell gefunden: Eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht gemäß § 15 StGB bzw. § 10 OWiG nur derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Der subjektive Tatbestand fungiert mithin als eine Art Korrektiv, weil die Verwirklichung des objekti­ ven Tatbestands allein für die Annahme straf- oder bußgeldwürdigen Verhal­ tens nicht als ausreichend erachtet wird.299 Eben jenes Korrektiv bleibt bei der polizeirechtlichen Gefahrenprognose nun außer Betracht: Eine Gefahr für 295  Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, C. Rn. 3; ähnlich Schucht, Generalklau­ sel und Standardmaßnahme, S. 79, der festhält, unter das Teilschutzgut der Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung ließe sich „aufgrund der Verrechtlichung na­ hezu aller Lebensbereiche die Mehrzahl polizeirechtlicher Fälle subsumieren“. 296  § 86 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW = § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Musterbauordnung. 297  § 35 Abs. 2 Nr. 7, 8 und 9 TabakerzG. 298  § 61 PBefG. 299  Zur heute unbestrittenen Meinung, dass das Unrecht der Tat von der Willens­ richtung des Täters (und damit der Verwirklichung des subjektiven Tatbestands) ab­ hängt, siehe nur Roxin/Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil, I, § 10 Rn. 8, mit plasti­ schen Beispielen; im Kontext der Polizeipflichtigkeit bezeichnet auch Knemeyer das Verschuldenserfordernis als ein im Polizeirecht fehlendes „Korrektiv“, weshalb die



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten119

die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung liegt nach allgemeiner Mei­ nung auch dann vor, wenn der Störer bei Verwirklichung des objektiven Tatbestands weder vorsätzlich noch fahrlässig handelt. Dies ist einerseits schlüssig, da die Gefährdung des durch die in Rede stehende Norm geschütz­ ten Rechts oder Rechtsguts unabhängig davon besteht, ob das schädigende Verhalten vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt. Diese Frage ist damit aus­ schließlich auf repressiver Ebene für die persönliche Verantwortlichkeit des Störers relevant.300 Andererseits hebt das Ausblenden der subjektiven Kom­ ponente einer Straftat/Ordnungswidrigkeit die objektive Rechtsordnung un­ vermeidlich in den Rang eines beinahe omnipräsenten polizeilichen Schutz­ guts. Entfällt das Korrektiv des subjektiven Tatbestands, kommt die unüber­ schaubare Vielzahl von Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften unge­ filtert zum Tragen und in beinahe jeder erdenklichen Lebenslage ist der Tatbestand einer dieser Vorschriften tangiert. Die Anwendung der Privat­ rechtsklauseln auf die wenigen hiernach noch verbleibenden Konstellationen zu beschränken, führte mithin ersichtlich nicht weiter. b) Ausschließlich individualschützende Ordnungswidrigkeiten Zudem ist insbesondere für das weite Feld des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht einzusehen, weshalb der schlichte Umstand einer Bußgeldbewehrung den Schutz eines subjektiven Rechts oder Rechtsguts zu einem Anliegen der Allgemeinheit erheben und hierdurch eine von den Privatrechtsklauseln un­ berührte polizeiliche Handlungsbefugnis zur Folge haben soll. Doch ist diese Rechtsfolge bei konsequenter Anwendung der Ausschließ­ lichkeitstheorie zwingend, wie eine Entscheidung des OVG Schleswig-Hol­ stein301 eindrucksvoll belegt. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die zu­ ständige Straßenverkehrsbehörde, dem entsprechenden Antrag eines ortsan­ sässigen Obst- und Gemüsehändlers folgend, ein eingeschränktes Halteverbot angeordnet, um dem Händler das ungestörte Be- und Entladen seiner Fahr­ zeuge zu ermöglichen. Als ein Fahrzeugführer das Halteverbot missachtete und mit seinem Fahrzeug den Händler blockierte, ließ die Polizei das vor­ schriftswidrig abgestellte Fahrzeug abschleppen. Gegen den hierauf ergange­ nen Kostenbescheid wehrte sich der Halter des abgeschleppten Fahrzeugs zuvörderst mit dem Einwand, die Polizei sei bei Abschleppen seines Fahr­ zeugs ausschließlich zum Schutz der privaten Rechte des Händlers tätig ge­ worden, obschon die Voraussetzungen der Privatrechtsklausel nicht erfüllt im Strafrecht geltende Äquivalenztheorie nicht für die Bestimmung der polizeirecht­ lichen Gefahrverantwortlichkeit ausreiche, ders., Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 323. 300  Siehe die Nachweise im ersten Kapitel in Fn. 82. 301  OVG Schl.-H., Urt. v. 28.02.2000 – 4 L 135/99 –, juris.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

gewesen seien. Konsequent der Argumentation der allgemeinen Meinung folgend, schob das OVG diesen Einwand mit einem knappen Hinweis auf die verletzten Vorschriften der Straßenverkehrsordnung302 beiseite. Wegen der darin zu erblickenden Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung komme es auf die Voraussetzungen der schleswig-holsteini­ schen Privatrechtsklausel nicht an.303 Auch wenn die ausschließlich individuelle Schutzrichtung eines bußgeld­ bewehrten Verbots nicht immer so deutlich zutage treten mag wie in dem vom OVG entschiedenen Fall, in dem das in Rede stehende eingeschränkte Halteverbot überhaupt erst auf ausdrücklichen Antrag des Händlers hin erlas­ sen worden war,304 existieren gleichwohl noch viele weitere Vorschriften, deren Verletzung vom Gesetzgeber als Ordnungswidrigkeit pönalisiert wird und die dennoch anerkanntermaßen ausschließlich den subjektiven Interessen eines Einzelnen zu dienen bestimmt sind. Das in § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO enthaltene Verbot des Zuparkens von Grundstücksein- und -ausfahrten etwa „dient allein der Verhinderung von Belästigungen und Behinderungen des Anliegers bei der uneingeschränkten Nutzung seines Grundstücks“305. An diesem Umstand vermag auch der korrespondierende Ordnungswidrigkeiten­ tatbestand nach § 49 Abs. 1 Nr. 12 StVO nichts zu ändern. Denn durch die Kodifikation der Ordnungswidrigkeit wird auf repressiver Ebene zwar ein gesetzgeberisches und damit öffentliches Interesse an der Ahndung entspre­ chender Verstöße erkennbar. Ob aus diesem Interesse an einer ordnungswid­ rigkeitsrechtlichen Ahndung aber gleichzeitig auch auf präventiver Ebene ein öffentliches Interesse an der Beseitigung des vorschriftswidrigen Zustands – durch Abschleppen des Fahrzeugs – folgt, erscheint zumindest zweifelhaft. In die gleiche Kerbe schlägt schließlich der BayVGH, indem er in der oben dargestellten Entscheidung306 trotz eines einschlägigen Ordnungswid­ rigkeitentatbestands von der ausschließlichen Betroffenheit der subjektiven Rechte des Antragstellers ausgeht. Dessen Ansatz, wonach es offenbar in je­ dem Einzelfall darauf ankommen soll, ob „die grundsätzlich in Rede stehen­ den Allgemeininteressen ausschließlich in Form von Rechten des Antragstel­ lers betroffen“307 sind, ist freilich bereits aus Gründen der Rechtssicherheit 302  Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs entgegen § 41 Abs. 1 StVO i. V. m. An­ lage 2 Nr. 63 (Zeichen Nr. 286) stellt nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO eine Ordnungswid­ rigkeit dar. 303  OVG Schl.-H., Urt. v. 28.02.2000 – 4 L 135/99 –, juris Rn. 24. 304  OVG Schl.-H., a. a. O., juris-Rn. 3. 305  OLG Düsseldorf, ­ Beschl. v. 15.02.1994 – 2 Ss (OWi) 27/94 und (OWi) 6/94 III –, NZV 1994, 288, 288. 306  BayVGH, ­Beschl. v. 10.08.2009 – 11 CE 09.1795 –, juris; hierzu schon unter C.I.2.a). 307  BayVGH, a. a. O., juris-Rn.  12.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten121

abzulehnen. Statt den an sich allumfassenden Vorrang der objektiven Rechts­ ordnung aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit nachträglich wieder einzu­ schränken, muss dieser von vornherein überdacht werden. c) Ergebnis Eine Beschränkung des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsord­ nung auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ließe den Vorrang der objek­ tiven Rechtsordnung faktisch unangetastet und bedeutete ergo rein begrifflich eine Beschränkung desselbigen. Denn mit Ausblendung des auf repressiver Ebene geltenden Verschulden-Korrektivs stellen sich straf- und bußgeldbe­ wehrte Vorschriften im polizeirechtlichen Kontext als omnipräsentes Schutz­ gut dar, welches in beinahe jeder polizeilichen Lage tangiert ist. Darüber ­hinaus ist, wie aufgezeigt, nicht ersichtlich, inwiefern namentlich der bloße Umstand einer Bußgeldbewehrung einen Dispens des Subsidiaritätsprinzips rechtfertigen könnte. Der Ansatz, den Anwendungsprimat der objektiven Rechtsordnung auf Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu beschränken, ist daher abzulehnen.

II. Differenzierung zwischen Gefahr und Störung Bei genauer Betrachtung der oben angeführten Beispielsfälle lässt sich bei den meisten Fällen eine Gemeinsamkeit erkennen. Mit Ausnahme der Fälle 5 und 6308 ließen sich in jedem der Beispielsfälle, wie dies teilweise auch schon geschehen ist, die Ausführungen zur rechtlichen Würdigung dahinge­ hend präzisieren, dass sich die jeweils angenommene Gefahr für die Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung in Wirklichkeit bereits realisiert hat und es sich demgemäß genau genommen nicht mehr um die Abwehr einer Gefahr, sondern um die Beseitigung einer Störung handelt. Sobald nämlich der objektive Tatbestand einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit vollständig verwirklicht worden ist, ist die Verhütung eben jener Tat gescheitert und es kommt präventiv-polizeilich nur noch auf die Beseitigung etwaiger fortwäh­ render rechtswidriger Beeinträchtigungen an. Obschon die Beseitigung einer Störung an sich der Abwehr einer Gefahr gleich gestellt wird309, könnte diese Differenzierung hinsichtlich der Anwen­ dung der Privatrechtsklauseln weiterführend sein. Die vom PrOVG entwi­ ckelte Ausnahme, nach der das Subsidiaritätsprinzip bei der Abwehr strafba­ 308  Siehe oben unter C.I.1.e) (Fall 5: Zwangsvollstreckungsverfahren) und C.I.1.f) (Fall 6: Herausgabeanspruch). 309  Siehe hierzu die Ausführungen unter C.I.1.d)bb) sowie die Nachweise in Fn. 192.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

rer Handlungen keine Anwendung findet, könnte auf die Gefahrenabwehr im engeren Sinne beschränkt werden. Während demnach bei der Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten die Privatrechtsklauseln weiterhin, in­ sofern in Einklang mit der Ausschließlichkeitstheorie, unanwendbar wären, könnten die Vorschriften ab dem Moment wieder herangezogen werden, in dem die Gefahr für die objektive Rechtsordnung in eine Störung umschlägt. Hintergrund dieser Differenzierung ist das Bewusstsein des Dilemmas, mit dem sich jeder unweigerlich konfrontiert sieht, der in Anbetracht der obigen Beispielsfälle den Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips abweichend von der allgemeinen Meinung neu bestimmen möchte. Die Verhütung von Straftaten stellt eine ureigene Aufgabe der Polizei dar.310 Aus diesem Grund bereitet es grundsätzlich Unbehagen, diese polizeiliche Kernaufgabe zu Gunsten des Subsidiaritätsprinzips einzuschränken. Allzu befremdlich mutet der Gedanke an, die Polizei könne sehenden Auges Straftaten geschehen lassen und ihre Untätigkeit hierbei noch mit einem Verweis auf die Privat­ rechtsklauseln rechtfertigen. Diesen Bedenken könnte durch die hier vorge­ schlagene Unterscheidung Rechnung getragen werden. Auf der einen Seite bliebe der traditionelle Aufgabenbereich der Straftatenverhütung unangetas­ tet, wohingegen die Privatrechtsklauseln andererseits einen nicht unerheb­ lichen Bedeutungszuwachs erfahren würden, indem sie bei der Beseitigung einer Störung – ungeachtet eines etwaigen Verstoßes gegen die objektive Rechtsordnung – die polizeilichen Befugnisse begrenzen würden. Dies für sich genommen kann selbstverständlich noch keine derart ein­ schneidende Differenzierung rechtfertigen. Allein die Aussicht auf interes­ sengerechte Ergebnisse vermag noch keine Begründung für eine unterschied­ liche Behandlung von Gefahrenabwehr einerseits und Störungsbeseitigung andererseits zu liefern. Zumal der Wortlaut der Privatrechtsklauseln für eine dahingehende Unterscheidung keinerlei Anhaltspunkte bietet und umgekehrt die Beseitigung einer Störung in einigen Gesetzen ausdrücklich der Abwehr einer Gefahr gleichgestellt wird.311 1. Störungsbeseitigung als im Kern zivilrechtliche Auseinandersetzung Der Grund, der für eine Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr auf der einen und Störungsbeseitigung auf der anderen Seite streiten könnte, ist dem­ entsprechend auch ein anderer. 310  Siehe

schon im zweiten Kapitel unter A.II. Abs. 1 Satz 1 PolG BW; § 3 Abs. 1 SOG HH; siehe auch Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayPAG; § 16 Abs. 1 Nr. 1 SOG M-V; § 176 Abs. 1 Nr. 1 LVwG SH; § 12 Abs. 2 Nr. 3 ThPAG. 311  § 1



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten123

Bei einer Störung ist der Schaden an den polizeilichen Schutzgütern be­ reits eingetreten, wodurch das polizeiliche Tätigwerden noch näher an eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit heranzurücken scheint als es bisweilen ohnehin schon der Fall ist. Wurden die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen durch menschliches Verhalten geschädigt, so muss der Rechts- respektive Rechts­ gutinhaber typischerweise zivilrechtlich gegen den Schädiger vorgehen312 und darf sich nicht der unentgeltlichen Hilfe der Polizei bedienen. Gemessen daran muss die präventiv-polizeiliche Störungsbeseitigung aus dem Blickwinkel des Subsidiaritätsprinzips Argwohn hervorrufen. Aus wel­ chem Grund und insbesondere unter welchen Voraussetzungen bleibt noch Raum für ein polizeiliches Einschreiten, wenn der Geschädigte ebenso zivil­ rechtlich gegen den Schädiger vorgehen könnte? Der Befund einer weiteren Annäherung an eine zivilrechtliche Auseinan­ dersetzung im Fall einer präventiv-polizeilichen Störungsbeseitigung kann anhand des klassischen Beispiels einer Hausbesetzung belegt werden. Tradi­ tionell wird die polizeiliche Räumung des besetzten Objekts mit dem Hin­ weis auf den einschlägigen Straftatbestand des § 123 StGB gerechtfertigt.313 De facto kann mit der Räumung indessen gar keine Straftat mehr abgewehrt werden, weil diese mit dem Eindringen in die geschützte Räumlichkeit be­ reits vollendet ist. Das anschließende Verweilen ohne Befugnis ist für sich genommen zwar ebenfalls nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar314, aller­ dings tritt diese Tatbestandsmodalität hinter derjenigen des widerrechtlichen Eindringens zurück. Der Täter, der zunächst widerrechtlich in die geschützte Räumlichkeit eingedrungen ist, macht sich durch das anschließende Verwei­ len nicht auch noch gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB strafbar.315 Gewiss dauert wegen des Verweilens die Beeinträchtigung des Hausrechts weiter an, weshalb eine Störung der öffentlichen Sicherheit durchaus gegeben ist.316 Freilich mutet es zumindest widersprüchlich an, nun gerade wegen des ein­ 312  Etwa durch eine Klage gerichtet auf Unterlassung weiterer zu befürchtender Beeinträchtigungen bzw. auf Zahlung von Schadensersatz. 313  Siehe die zahlreichen Nachweise in Fn. 159. 314  Die gemäß § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB erforderliche Aufforderung des Berechtig­ ten an den Täter, sich zu entfernen, liegt bei Hausbesetzungen regelmäßig vor, zumal die Aufforderung auch konkludent erfolgen kann, Feilcke, in: MüKo, StGB, § 123 Rn. 52. 315  Die zweite Tatbestandsalternative ist insoweit nach allgemeiner Meinung sub­ sidiär, BGH, Urt. v. 14.12.1966 – 2 StR 346/66 –, BGHSt 21, 224, 225; Feilcke, in: MüKo, StGB, § 123 Rn. 54 f.; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 123 Rn. 13; Fischer, StGB, § 123 Rn. 45. 316  So spricht auch das VG Mainz, Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14.MZ –, ­juris-Rn. 29, in der Konstellation einer Hausbesetzung ausdrücklich von einer Störung der öffentlichen Sicherheit.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

schlägigen § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB ein polizeiliches Tätigwerden zum ausschließlichen Schutz des Hausrechts zu verneinen, obgleich diesem Ver­ stoß im Hinblick auf die Strafbarkeit des Täters keinerlei Bedeutung zu­ kommt.317 Nicht übersehen werden soll an dieser Stelle der Grundsatz der Irrelevanz einer etwaigen Strafbarkeit für die polizeirechtliche Gefahrenpro­ gnose bzw. Verantwortlichkeit. Dennoch vermittelt die Konstellation der Hausbesetzung angesichts der strafrechtlichen Subsidiarität des § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB den Eindruck, dass die Polizei eben doch ausschließlich zum Schutz des privaten Hausrechts und nicht zum Schutz der Rechtsordnung tätig wird.318 Mit Blick darauf könnte eine sinnvolle Restriktion der Ausschließlichkeits­ theorie darin gesehen werden, den gesamten Bereich der Störungsbeseitigung vom Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung auszunehmen und stattdessen den Privatrechtsklauseln zu unterstellen. Neben der Räumung besetzter Häuser wäre somit etwa das Abschleppen eines verkehrswidrig ab­ gestellten Kraftfahrzeugs319 sowie die Sicherstellung eines vertragswidrig gebrauchten Fahrzeugs320 ebenfalls am Subsidiaritätsprinzip zu messen. Denn auch in diesen Fällen wurde die jeweilige Straftat respektive Ord­ nungswidrigkeit bereits begangen und die damit verbundene Beeinträchti­ gung dauert lediglich fort. 2. Die Auffassung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts In einem Urteil des PrOVG321 aus dem Jahr 1881 findet die Differenzie­ rung zwischen Gefahrenabwehr einerseits und Störungsbeseitigung anderer­ seits schließlich sogar ein historisches Vorbild. In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Dienstherr beim Auszug seines Knechts mehrere von diesem eingebrachte Gegenstände mit der Begründung zurückgehalten, dass er ge­ gen den Knecht noch offene Forderungen besitze und ihm deshalb ein Pfand­ recht an den eingebrachten Sachen zustehe. Die zuständige Ortspolizeibe­ hörde hatte den Dienstherrn daraufhin unter Androhung einer Geldstrafe an­ 317  Allerdings

sein.

kann die Dauer der Hausbesetzung für das Strafmaß von Bedeutung

318  Unverständlich deshalb der oftmals zu findende Hinweis, bei einer Hausbeset­ zung stehe nicht das Hausrecht, sondern die Verhütung eines Hausfriedensbruchs im Vordergrund, so etwa Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.5.2.2. 319  Eingehend hierzu unter C.I.1.a) (Fall 1: Hausbesetzung/Wohnraummietstreitig­ keiten). 320  Eingehend hierzu unter C.I.1.g) (Fall 7: Vertragswidergebrauch von Fahrzeu­ gen). 321  PrOVG, Urt. v. 26.03.1881, PrOVGE 7, 374 [Anm.: Die Entscheidung wird in der amtlichen Sammlung ohne Aktenzeichen wiedergegeben].



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten125

gewiesen, die pfandweise einbehaltenen Sachen sofort herauszugeben oder spätestens binnen acht Tagen einen gerichtlichen Arrest zu beantragen. Der Argumentation der beklagten Polizeibehörde, wonach sie zu einer solchen Verfügung auf dem Gebiet des Privatrechts befugt gewesen sei, da sich der Dienstherr einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe, erteilte das PrOVG eine klare Absage. Die strafrechtliche Relevanz eines Verhaltens führe zwar dazu, dass die Polizei dieses Verhalten unter dem Gesichtspunkt der Straftatenverhütung abwehren dürfe, begründe demgegenüber aber keine polizeiliche Befugnis zur Beseitigung der Folgen, sofern das strafbare Han­ deln bereits stattgefunden habe. Wörtlich heißt es im Urteil hierzu: „Endlich behauptet der Revisionskläger zwar noch, daß der Kläger sich hier einer strafbaren Handlung […] schuldig gemacht habe. Aber abgesehen davon, daß we­ nigstens die vorliegenden Akten den Thatbestand einer strafbaren Handlung des Klägers nicht ergeben, so kommt außerdem entscheidend in Betracht, daß, selbst wenn die Pfändung des abziehenden Knechts eine strafbare Handlung darstellte, es zwar Sache der Polizeibehörde gewesen sein würde, ihr womöglich hindernd ent­ gegenzutreten, nicht aber ihre vermögensrechtlichen Folgen zu Gunsten des Ge­ schädigten unabhängig von einer strafgerichtlichen Verfolgung durch Ausübung der polizeilichen Exekutivgewalt, wie hier geschehen, zu beseitigen (zu. vergl. §. 111 der Strafprozeßordnung) […].“322

Erkennbar teilt das PrOVG damit die gleichen Bedenken, die auch an die­ ser Stelle gegenüber einer vom Subsidiaritätsprinzip unbeschränkten polizei­ lichen Störungsbeseitigung vorgetragen wurden. Da der Standpunkt des PrOVG realiter ebenfalls auf eine Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr auf der einen und Störungsbeseitigung auf der anderen Seite hinausläuft, entspricht er inhaltlich der hier soeben in den Raum gestellten Überlegung. 3. Zum Scheitern verurteilter Ansatz Nach den vorstehenden Ausführungen muss es zunächst erstaunen, wenn die allgemeine Meinung der Beseitigung einer Störung im Hinblick auf eine Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips keinerlei Beachtung schenkt. Ohne auf die dargelegte Problematik auch nur einzugehen, setzt sie die Gefahren­ abwehr unbesehen der Störungsbeseitigung gleich. Dies wird schon an dem bereits behandelten, klassischen Beispiel der Hausbesetzung erkennbar, an­ hand dessen die Vertreter der allgemeinen Meinung den Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung oftmals verdeutlichen.323

322  PrOVG, Urt. v. 26.03.1881, PrOVGE 7, 374, 377 [Anm.: Die Entscheidung wird in der amtlichen Sammlung ohne Aktenzeichen wiedergegeben]. 323  Siehe die zahlreichen Nachweise in Fn. 159.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Nichtsdestominder ist es, wie bei einer näheren Betrachtung erkennbar wird, richtigerweise nicht angezeigt, im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln zwischen Gefahrenabwehr einerseits und Störungsbesei­ tigung andererseits zu unterscheiden. Denn eine dahingehende Differenzie­ rung erweist sich letztlich weder als praktisch durchführbar noch als interes­ sengerecht. a) Unüberwindbare Abgrenzungsschwierigkeiten Der Grundsatz der Gewaltenteilung erfordert eine eindeutige Abgrenzung der Zuständigkeiten von Polizei und ordentlichen Gerichten.324 Eine solche vermöchte durch eine Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr auf der ei­ nen und Störungsbeseitigung auf der anderen Seite indessen kaum geleistet zu werden. So rührt die gefahrenabwehrrechtliche Relevanz einer Störung daher, dass jeder Störung letztlich eine „in der Zukunft fortbestehende ‚Ge­ fahr‘ “325 innewohnt und diese sich insofern nicht von einer gewöhnlichen Gefahr unterscheidet.326 Angesichts dessen fallen die Übergänge von einer Gefahr zu einer Störung hin fließend aus und in der Praxis würden sich er­ hebliche Abgrenzungsschwierigkeiten einstellen, wenn die Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr und Störungsbeseitigung als Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips fungieren würde. Zur Verdeutlichung kann hierbei das folgende Beispiel angeführt werden. Sieht die Besatzung eines Streifenwagens wie eine Person auf eine andere Person einschlägt, stellt sich die Frage, ob in der körperlichen Misshandlung eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der anderen Person zu erbli­ cken ist oder nicht eher von einer bereits realisierten Gefahr, mithin einer Störung, auszugehen ist. Einerseits könnte argumentiert werden, die für die körperliche Unversehrtheit bestehende Gefahr habe sich bereits mit dem ers­ ten Schlag realisiert, weswegen von einer Störung der öffentlichen Sicherheit ausgegangen werden müsse. Andererseits ließe sich hier einwenden, lediglich die dem ersten Schlag innewohnende Gefahr habe sich realisiert und wegen der zu besorgenden weiteren Schläge bestehe nach wie vor eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit. 324  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 251. in: ders., 1. Kap. Rn. 282; siehe auch Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 3, Störungsbeseitigung als „Beseitigung der Störungen oder Verletzungen [meint], denen noch Gefahren innewohnen“; Thiel, Polizei- und Ord­ nungsrecht, § 8 Rn. 50, jede nicht behobene Störung stelle auch künftig eine Gefahr dar; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 88, in der Störung liege „auch die Gefahr der Schadensperpetuierung, die es zu beseitigen gilt“. 326  Nach Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 111, kommt dem Begriff der Störung deshalb keine eigenständige Bedeutung zu. 325  Schoch,



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten127

Gleichermaßen könnte im Beispiel des „nächtlichen Möbelrückens“327 darüber diskutiert werden, zu welchem Zeitpunkt genau das Pfandrecht des Vermieters beeinträchtigt wird und deswegen von einer Realisierung der Ge­ fahr, mithin dem Eintritt einer Störung, ausgegangen werden muss. Verwirk­ licht sich die für das Vermieterpfandrecht bestehende Gefahr schon mit dem Bereitstellen der Möbel auf dem Bürgersteig oder erst wenn der Mieter die Sachen tatsächlich in das für den Abtransport vorgesehen Fahrzeug verbracht hat? Liegt in Gestalt der bereits ins Fahrzeug verbrachten Möbel eine Stö­ rung vor, während in den noch auf dem Bürgersteig befindlichen Sachen nach wie vor eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu erblicken ist? Auch Abgrenzungsfragen wie die soeben aufgezeigten mögen der Grund dafür sein, dass im allgemeinen Polizeirecht kaum einmal dezidiert zwischen Gefahrenabwehr einerseits und Störungsbeseitigung andererseits differenziert wird. b) Störungsbeseitigung kein sachgerechter Anknüpfungspunkt für einen Dispens des Subsidiaritätsprinzips Wie bei näherer Betrachtung deutlich wird, ist es schließlich lediglich auf den ersten Blick interessengerecht, die Betroffenen im Falle einer Störungs­ beseitigung hinsichtlich ihrer Interessenwahrnehmung vorrangig auf den Zi­ vilrechtsweg zu verweisen. So ergeben sich im polizeilichen Alltag regelmä­ ßig Konstellationen, in denen es widersinnig wäre, die Befugnis der Polizei zur Beseitigung der Störung von den Voraussetzungen der Privatrechtsklau­ seln abhängig zu machen. Wenn der allgemeinen Meinung ob der sich bei den Beispielsfällen ergebenden Rechtsfolgen hier der Vorwurf der Absurdität gemacht wurde, muss dieser Vorwurf für den hier erwogenen Lösungsansatz gleichermaßen gelten. Dies betrifft etwa das zweite der beiden eingangs im ersten Kapitel unter A vorgestellten Fallbeispiele. Bei einer Geiselnahme werden regelmäßig die objektiven Straftatbestände der Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), der Geisel­ nahme (§ 239a StGB) sowie des Erpresserischen Menschenraubs (§ 239b StGB) verwirklicht. Da es sich bei diesen Straftaten ausnahmslos um sog. Dauerdelikte handelt328, dauert die Beeinträchtigung der persönlichen Frei­ heit als des von den Vorschriften geschützten Rechtsguts jeweils noch an und es liegt präzise ausgedrückt keine Gefahr, sondern eine Störung vor. Nach dem hier in Betracht gezogenen Lösungsansatz stünde die polizeiliche Be­ 327  VG Köln,

Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris. in: MüKo, StGB, § 239 Rn. 8; Renzikowski, in: MüKo, StGB, § 239a Rn. 5; ders., a. a. O. § 239b Rn. 2. 328  Wieck-Noodt,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

fugnis zum Beenden der Geiselnahme dementsprechend unter dem Vorbehalt der Privatrechtsklauseln. Ungeachtet des Umstands, dass deren Voraussetzungen ohne Weiteres er­ füllt sein dürften, erscheint es befremdlich, die polizeiliche Befreiungsaktion überhaupt an den Privatrechtsklauseln zu messen. So ist sich an dieser Stelle vor Augen zu führen, dass die polizeilichen Handlungsbefugnisse vor Beginn der Geiselnahme keineswegs durch das Subsidiaritätsprinzip begrenzt wor­ den sind und die Polizei diese folglich hätte verhindern dürfen. Erst mit Be­ ginn der Geiselnahme, mithin genau in dem Moment, in dem die Verhütung der Straftat einstweilen gescheitert ist, würden die Privatrechtsklauseln die Befugnisse der Polizei einschränken. Das Subsidiaritätsprinzip würde folg­ lich just in dem Moment wieder aufleben, in dem der Geiselnehmer die Geisel in seine Gewalt gebracht und sich die zunächst bestehende Gefahr in Gestalt einer Störung realisiert hätte. Gerade das Sich-Bemächtigen der Gei­ sel führte demzufolge zu einer Beschränkung der polizeilichen Befugnisse. Diese Rechtsfolge ist weder interessengerecht, noch könnte sie den grund­ rechtlichen Schutzpflichten, die den Staat gegenüber der Geisel treffen, ge­ nügen. Hat sich die für ein Grundrecht in Gestalt eines privaten Übergriffs bestehende Gefahr bereits realisiert und dauert die Beeinträchtigung fort, ist das verfassungsrechtliche Bedürfnis nach einem effektiven Schutz des Grundrechts mindestens ebenso hoch wie in dem Moment als sich die Gefahr noch nicht realisiert hat. Das Scheitern der polizeilichen Gefahrenabwehr darf nicht zur Konsequenz haben, dass der Betroffene hinsichtlich des Schut­ zes seines Grundrechts vorrangig auf den ordentlichen Rechtsweg zu verwei­ sen wäre. c) Ergebnis Die Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr auf der einen und Stö­ rungsbeseitigung auf der anderen Seite erwies sich nur auf den ersten Blick als zielführender Ansatz. Mag die polizeirechtliche Störungsbeseitigung auch erhebliche Parallelen zu einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit aufweisen, bringt der dahin lautende Ansatz unüberwindbare Abgrenzungsschwierigkei­ ten mit sich. Des Weiteren wäre es bei genauer Betrachtung auch nicht inte­ ressengerecht, das Vorliegen einer Störung als Anlass für einen Dispens der Privatrechtsklauseln zu nehmen. Aus diesem Grund ist dieser Lösungsansatz aufzugeben.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten129

III. Behandlung von Privatklage- und absoluten Antragsdelikten Besonderes Augenmerk unter dem Gesichtspunkt des Subsidiaritätsprin­ zips verdient der Umgang mit Privatklagedelikten und absoluten Antrags­ delikten. Wie oben dargestellt wurde, erfahren die beiden Deliktsgruppen von der allgemeinen Meinung keine differenzierte Behandlung, sondern werden unbesehen dem Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung unterstellt. Dies muss insofern verwundern, als hierdurch das auf repressiver Ebene fehlende bzw. zumindest verringerte öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung auf präventiver Ebene vollkommen ausgeblendet wird. Wäh­ rend die Strafverfolgung eines absoluten Antrags- oder Privatklagedelikts nach der gesetzgeberischen Wertung nicht ohne Weiteres im öffentlichen In­ teresse liegt, vermag nach der Ausschließlichkeitstheorie im Rahmen der Gefahrenabwehr die Verhütung eben dieser Delikte den Dispens des Subsidi­ aritätsprinzips auszulösen. Wer sich an dieser Stelle in Erinnerung ruft, dass den Privatrechtsklauseln auch nach der allgemeinen Meinung gerade die Konstellationen zugrunde liegen, in denen das öffentliche Interesse grund­ sätzlich hinter privaten Interessen zurücktritt, dem stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die Privatrechtsklauseln ausgerechnet bei dieser Art von Delikten keine Anwendung finden sollen. 1. Privatklagedelikte Zunächst sollen die Privatklagedelikte behandelt werden. Indem § 376 StPO das Vorliegen eines öffentlichen Interesses zur besonderen Voraus­ setzung der öffentlichen Klage erhebt, impliziert der Gesetzgeber für den Regelfall bei diesen Delikten zugleich das Fehlen eines Strafverfolgungsinte­ resses an den in § 374 StPO bezeichneten Straftaten. a) Vorüberlegungen Ausgehend von der bei Privatklagedelikten bestehenden Besonderheit kommen für die polizeirechtliche Bewertung drei verschiedene Möglichkei­ ten in Betracht. Nach dem Ansatz der allgemeinen Meinung tritt das polizeiliche Teilschutz­ gut der subjektiven Rechte und Rechtsgüter auch hinter die Verhütung eines Privatklagedelikts zurück, wodurch die Ausschließlichkeitstheorie im Ergeb­ nis auf gefahrenabwehrrechtlicher Ebene stets ein öffentliches Interesse329 an­ 329  Das öffentliche (Strafverfolgungs-)Interesse ist nicht zu verwechseln mit dem öffentlichen Interesse, das entgegen der hier vertretenen Auffassung teilweise zur

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

nimmt bzw. dessen Vorliegen für entbehrlich erachtet (erste Möglichkeit). Ab­ weichend davon könnten Privatklagedelikte nun entweder aus dem Anwen­ dungsvorrang der objektiven Rechtsordnung herausgenommen werden (zweite Möglichkeit) oder die Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln könnte da­ von abhängig gemacht werden, ob im konkreten Einzelfall ein öffentliches Interesse nach Maßgabe von Nr. 86 RiStBV330 besteht (dritte Möglichkeit). Der letztgenannte Ansatz muss dabei von vornherein ausscheiden. Die Entscheidung, ob an der Strafverfolgung eines Privatklagedelikts ein öffent­ liches Interesse besteht, steht ausschließlich der Staatsanwaltschaft und nicht der Polizei, auch nicht dem Polizisten in seiner Eigenschaft als Ermittlungs­ person der Staatsanwaltschaft nach § 152 GVG, zu.331 Aus diesem Grund kann die Frage nach einem öffentlichen Interesse bereits mit Blick darauf nicht beantwortet werden, dass die zu dieser Entscheidung ausschließlich berufene Staatsanwaltschaft in dem für die gefahrenabwehrrechtliche Beur­ teilung maßgeblichen Zeitpunkt, mithin vor Begehung der Straftat, noch gar keine Kenntnis des Vorgangs hat. Doch selbst wenn die Staatsanwaltschaft im Einzelfall einmal Kenntnis von der bevorstehenden Straftat haben sollte, könnte sie sich zu einem etwa­ igen öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung des noch nicht begangenen Delikts überhaupt nicht verhalten. Denn bei der Beurteilung eines öffent­ lichen Interesses kommt es entscheidend auf die Umstände der konkreten Tat an332, sodass die diesbezügliche Entscheidung rechtslogisch erst nach und nicht bereits vor Begehung der Tat getroffen werden kann.

Voraussetzung eines polizeilichen Handelns zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter gemacht wird. 330  Nr. 86 der Richtlinie für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) präzisiert den in § 376 StPO verwendeten Begriff des „öffentlichen Interesses“. Auch wenn der Richtlinie aufgrund ihrer Eigenschaft als Verwaltungsvorschrift an sich keine unmittelbare Außenwirkung zukommt, ist sie für die weisungsgebundenen (§ 146 GVG) Staatsanwaltschaften in der Praxis dennoch maßgeblich. 331  Dies folgt zum einen aus der u. a. in §§ 161 Abs. 1, 163 Abs. 2 Satz 1 StPO zum Ausdruck kommenden Stellung der Staatsanwaltschaft als „Herrin des Ermitt­ lungsverfahrens“ (v. Häfen, in: BeckOK, StPO, § 163 Rn. 3) sowie aus dem Umstand, dass zur Erhebung der öffentlichen Klage, für die das öffentliche Interesse gemäß § 376 StPO Voraussetzung ist, nach § 152 Abs. 1 StPO ausschließlich die Staatsan­ waltschaft berufen ist; siehe auch Daimagüler, in: MüKo, StPO, § 376 Rn. 5 f.: „Ent­ scheidung der Staatsanwaltschaft“; ebenso Valerius, in: BeckOK, StPO, § 376 Rn. 4 f. 332  So kommt es bei einer Körperverletzung beispielsweise auf die körperlichen Folgen der Tat an, siehe hierzu Velten, in: SK-StPO, § 376 Rn. 8.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten131

b) Keine Rechtfertigung einer gesonderten Behandlung Ebenso wenig zu überzeugen vermag die Überlegung, die Verhütung von Privatklagedelikten stets unter den Vorbehalt des Subsidiaritätsprinzips zu stellen und diese hinsichtlich der Privatrechtsklauseln vom Anwendungsvor­ rang der objektiven Rechtsordnung auszunehmen. Der Wortlaut der Vorschriften der Polizeigesetze liefert keinerlei Anhalts­ punkte für derlei Differenzierungen. Allein aus der gesetzlichen Bezeichnung als Privat-Klagedelikt kann nicht gefolgert werden, dass sämtliche in § 376 StPO genannten Straftaten private Rechte im Sinne der Privatrechtsklauseln schützen. Eine dahingehende Argumentation verbietet sich im Hinblick auf die 16 Polizeigesetze der Länder schon deshalb, weil dem Bundesgesetzge­ ber keine Kompetenz zur verbindlichen Festlegung des Anwendungsbereichs einer landesrechtlichen Norm zukommen kann. Vielmehr steht der Wortlaut der Privatrechtsklauseln einer divergierenden Behandlung von Privatklagedelikten sogar entgegen. Denn wird der Wortlaut der Vorschriften ernst genommen, setzt eine divergierende Behandlung vor­ aus, dass sämtlichen der in § 376 StPO aufgeführten Straftaten gerade der Schutz von solchen subjektiven Rechten und Rechtsgütern gemeinsam ist, die als private Rechte im Sinne der Polizeigesetze klassifiziert werden kön­ nen. Ohne den Begriff des privaten Rechts an dieser Stelle definieren zu wollen333, kann jedoch festgehalten werden, dass eine derartige Homogenität der geschützten Rechte und Rechtsgüter bei Privatklagedelikten nicht besteht. Belegen lässt sich die These einer Heterogenität der Schutzgüter der Pri­ vatklagedelikten anhand des in § 223 StGB normierten Straftatbestands der (einfachen) Körperverletzung. Unbestrittenermaßen schützt diese Vorschrift zumindest auch die körperliche Unversehrtheit.334 Gemäß § 374 Abs. 1 Nr. 4 StGB stellt die (einfache) Körperverletzung ein Privatklagedelikt dar. Folg­ lich müsste es sich bei der durch die Norm geschützten körperlichen Unver­ sehrtheit um ein privates Recht handeln. Nun wird die körperliche Unver­ sehrtheit auch durch zahlreiche weitere Strafvorschriften geschützt, die nicht in § 376 StPO aufgeführt werden. Als Beispiel kann diesbezüglich etwa die gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB genannt werden. Infolgedes­ sen könnte es sich bei der körperlichen Unversehrtheit dann nicht mehr um ein privates Recht handeln, wenn sie durch eine der in § 224 Abs. 1 StGB aufgeführten Tatbestandsmodalitäten beeinträchtigt zu werden droht und so­ nach nicht mehr nur die Verteitelung eines Privatklagedelikts in Rede steht. 333  Eingehend

hierzu noch unter E.I. in: Lackner/Kühl, StGB, § 223 Rn. 1 m. w. N.; präzisierend Hardtung, in: MüKo, StGB, § 223 Rn. 1: „Körper und Psyche“. 334  Kühl,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln hätte dieser Befund folgenschwere Konsequenzen. Während die Polizei etwa ohne Weiteres eine von zwei Personen gemeinschaftlich begangene Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) verhindern dürfte, hinge die Rechtmäßigkeit des polizei­ lichen Einschreitens vom Vorliegen der Voraussetzungen der Privatrechts­ klauseln ab, sofern die entsprechende Gefahr für die körperliche Unversehrt­ heit lediglich von einer einzelnen Person ausginge. Die Unbilligkeit der da­ hingehenden Differenzierung liegt auf der Hand. Ferner dürften sich in der Praxis erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben – gedacht sei hier etwa an Tritte mit „beschuhtem Fuß“, bei denen es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob die darin liegende Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB mittels eines gefährlichen Werkzeugs began­ gen wird.335 Des Weiteren wäre eine divergierende Behandlung von Privatklagedelikten ebenfalls nicht interessengerecht. Die polizeiliche Verhütung einer einfachen Körperverletzung oder auch einer Nötigung (§ 374 Abs. 1 Nr. 5 StPO) von den Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln abhängig zu machen, wäre mit den grundrechtlichen Schutzpflichten kaum zu vereinbaren. Im Bereich von häuslicher Gewalt beispielsweise dürfte nach diesem Ansatz eine polizeiliche Wohnungsverweisung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, sondern die gefährdete Person wäre stattdessen auf die Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung gegen den Störer zu verweisen. Gleiches gilt für die Konstellation, in der der Angeklagte einem Belastungs-Zeugen mit einer Körperverletzung droht, um dessen unliebsame Aussage im Strafprozess zu verhindern. Auch hier müsste sich der Bedrohte regelmäßig im Wege einer einstweiligen Anordnung gegen die Nötigung bzw. die angedrohte Körper­ verletzung zur Wehr setzen. Weiterhin ist es entgegen dem ersten Anschein auch nicht widersprüchlich, das Subsidiaritätsprinzip bei Privatklagedelikten nicht heranzuziehen, ob­ schon für diese Deliktsgruppe das Zurücktreten eines öffentlichen Interesses hinter privaten Interessen genau wie für die Privatrechtsklauseln gerade cha­ rakteristisch ist. Darin einen Widerspruch zu erblicken, würde den zwischen öffentlichem Interesse an der Gefahrenabwehr einerseits und öffentlichem Strafverfolgungsinteresse andererseits bestehenden Unterschied verkennen. An der Verhinderung von Straftaten besteht in einem Rechtsstaat stets ein öffentliches Interesse336 und dieses wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Strafverfolgung des konkreten Delikts, sollte die polizeiliche Verhü­ 335  Hardtung,

in: MüKo, StGB, § 224 Rn. 28. nimmt auch Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135, als Vertreter der ein öffentlichen Interesse fordernden Ansicht bei einem (drohenden) Verstoß ge­ gen Strafrechtsnormen stets ein öffentliches Interesse an. 336  So



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten133

tung scheitern, das öffentliche Interesse grundsätzlich abgesprochen wird. Durch die Pönalisierung eines bestimmten Verhaltens wird der gesetzgeberi­ sche und damit in letzter Konsequenz der Wille der Allgemeinheit artikuliert, nach dem genau dieses Verhalten von der Allgemeinheit abgelehnt und ge­ ächtet wird. Die Ächtung eines Verhaltens, die sich in der Schaffung eines Straftatbestands manifestiert, setzt unweigerlich das Bestehen eines öffent­ lichen Interesses respektive eines Interesses der Allgemeinheit an der Verhin­ derung der in Rede stehenden Verhaltensweise voraus. Denn maßgeblicher Zweck des Strafrechts ist es gerade, das unter Strafe gestellte Verhalten zu verhindern.337 c) Ergebnis Insgesamt ist der allgemeinen Meinung hinsichtlich der Behandlung von Privatklagedelikten beizupflichten. Auch Privatklagedelikte genießen An­ wendungsvorrang gegenüber dem Teilschutzgut der subjektiven Rechte und Rechtsgüter; das Subsidiaritätsprinzip bzw. die Privatrechtsklauseln bleiben demzufolge unanwendbar. 2. Absolute Antragsdelikte Bei absoluten Antragsdelikten macht das Gesetz die Strafverfolgung vom Willen des durch die Straftat Verletzten abhängig. Innerhalb der dreimonati­ gen Antragsfrist des § 77b StGB kann der Verletzte entscheiden, ob die be­ gangene Tat durch die staatlichen Behörden verfolgt werden soll und seine Entscheidung im Nachhinein gemäß § 77d Abs. 1 StGB sogar noch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens durch Zurücknahme des Strafan­ trags revidieren.338 Bei absoluten Antragsdelikten verfügt der Verletzte dem­ entsprechend über eine beträchtliche Dispositionsbefugnis und kann selbst über die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens entscheiden.339 Ungeachtet dessen soll sich die Eigenschaft einer Straftat als absolutes Antragsdelikt auf präventiver Ebene nach der Ausschließlichkeitstheorie nicht auswirken und das Subsidiaritätsprinzip auch dann unanwendbar sein, wenn die Verhütung eines absoluten Antragsdelikts in Rede steht.

337  Roxin/Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil, I, § 3 Rn. 21 und 37, sog. General­ prävention. 338  Im Fall der Zurücknahme des Strafantrags fallen allerdings gemäß § 470 StPO grundsätzlich dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens zur Last. 339  Gleichwohl kann die Staatsanwaltschaft auch nach Stellung des Strafantrags das Verfahren nach eigenem Ermessen noch einstellen.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

a) Vorüberlegungen Eingangs sollen auch insoweit die alternativ in Betracht kommenden Mög­ lichkeiten zum Umgang mit absoluten Antragsdelikten dargestellt werden. Einerseits könnten die absoluten Antragsdelikte vom Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung ausgenommen und stattdessen den Privat­ rechtsklauseln unterstellt werden. Hiernach wäre der polizeiliche Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter selbst dann am Subsidiaritätsprinzip zu messen, wenn die Polizei hierdurch zugleich eine Straftat in Gestalt eines absoluten Antragsdelikts verhüten würde. Andererseits könnte die Geltung des Subsidiaritätsprinzips auch unter den Vorbehalt eines wirksamen Straf­ antrags gestellt werden. Läge kein Strafantrag vor, wären die Privatrechts­ klauseln demnach ungeachtet einer etwaigen Gefahr für die objektive Rechtsordnung anwendbar. b) Keine Rechtfertigung einer gesonderten Behandlung Dem erstgenannten Lösungsansatz kann ohne Weiteres mit der gleichen Argumentation entgegengetreten werden, die auch eine differenzierte Hand­ habung der Privatklagedelikte verbietet.340 Weder bietet der Wortlaut der Privatrechtsklauseln Anlass für eine dahingehende Differenzierung, noch vermag die Schlussfolgerung zu überzeugen, in Ermangelung eines unbe­ dingten öffentlichen Strafverfolgungsinteresses auch ein öffentliches Interes­ ses an der Verhütung der entsprechenden Straftaten verneinen zu können. Desgleichen steht auch hinsichtlich absoluter Antragsdelikte die Hetero­ genität der von diesen Delikten geschützten Rechte und Rechtsgüter einer einheitlichen Behandlung im Rahmen der Privatrechtsklauseln entgegen. Veranschaulicht werden kann dies anhand des in § 242 StGB normierten Diebstahltatbestands. Unbestrittenermaßen schützt diese Vorschrift zumindest auch das Eigentum.341 Gemäß § 247 StGB ist der Diebstahl als absolutes Antragsdelikt ausgestaltet, wenn es sich bei dem Täter um einen Angehöri­ gen des Verletzten handelt oder er mit diesem in häuslicher Gemeinschaft lebt. Folglich müsste es sich bei dem durch die Norm geschützten Eigentum in dieser Konstellation um ein privates Recht handeln. Nun stellt der Dieb­ stahl in allen übrigen Fällen, d. h. wenn der Täter weder mit dem Verletzten in einer häuslichen Gemeinschaft lebt noch mit diesem verwandt oder ver­ schwägert ist, ein gewöhnliches Offizialdelikt bzw. bei sog. geringwertigen 340  Siehe

die Ausführungen unter D.III.1.b). in: MüKo, StGB, § 242 Rn. 4 f.; ob daneben auch noch der Gewahr­ sam geschützt wird, ist umstritten, hierzu ders., a. a. O., §  242 Rn.  6 f. 341  Schmitz,



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten135

Sachen nach § 248a StGB ein bedingtes Antragsdelikt dar. Sonach könnte es sich beim Eigentum in diesen Fällen nicht mehr um ein privates Recht han­ deln, weil eben kein absolutes Antragsdelikt mehr vorliegt. Entsprechende Beispiele ließen sich angesichts der zahlreichen Verweisen auf § 247 StGB342 auch zu vielen anderen Delikten bilden. In all diesen Fällen würde der Ver­ wandtschafts- oder Verschwägerungsgrad zwischen Täter und Verletztem re­ spektive deren Wohnsituation darüber entscheiden, ob etwa die Rechtmäßig­ keit eines polizeilichen Einschreitens zum Schutz des Eigentums an den Privatrechtsklauseln zu messen ist oder nicht. Während beispielsweise der Eigentümer eines Fahrzeugs die Wegnahme desselbigen durch seinen Nach­ barn mit polizeilicher Hilfe abwehren könnte, wäre er ggf. auf den Zivil­ rechtsweg zu verweisen, sofern sich anstelle seines Nachbarn sein Bruder anschickte, das Fahrzeug wegzunehmen. Gründe, die eine solche Ungleich­ behandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, weshalb sich eine abweichende Behandlung von absoluten Antragsdelikten im Ergebnis als willkürliche Differenzierung darstellt. Darüber hinaus ergäben sich in der Praxis wiederum erhebliche Schwierig­ keiten, sofern die Geltung des Subsidiaritätsprinzips tatsächlich vom Vorlie­ gen eines absoluten Antragsdelikts abhinge. Bei der Verhütung von Strafta­ ten, bei denen u. U. § 247 StGB zur Anwendung kommen kann, wäre konse­ quenterweise eine vorherige Ermittlung der besagten persönlichen Verhält­ nisse zwischen Täter und Verletzten erforderlich, bevor eine Aussage über die Beschränkung polizeilicher Handlungsbefugnisse durch die Privatrechts­ klauseln getroffen werden könnte. Die Durchführung entsprechender Ermitt­ lungen ist nicht nur vollkommen lebensfremd, sondern würde insbesondere einen erheblichen Zeitverlust bedeuten, der dem sicherheitsrechtlichen Grundgedanken der Effektivität der Gefahrenabwehr343 eklatant zuwiderlau­ fen würde. c) Bedeutungslosigkeit des Strafantrags für das präventiv-polizeiliche Handeln Die Erwägungen, die gegen eine gesonderte Behandlung von absoluten Antragsdelikten vorgebracht wurden, lassen sich ebenso gegen die weitere Auslegungsmöglichkeit fruchtbar machen, der zufolge bei absoluten Antrags­ delikten das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden ist, sofern kein wirksamer Strafantrag vorliegt. Denn auch diese Auslegung läuft letztendlich auf eine Gleichbehandlung sämtlicher absoluter Antragsdelikte hinaus, die mit der 342  Siehe § 248c Abs. 3, § 257 Abs. 4 Satz 1, § 259 Abs. 2, § 263 Abs. 4, § 263a Abs. 2, § 265a Abs. 3, § 266 Abs. 2 StGB. 343  Hierzu Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 182 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Heterogenität der von diesen geschützten Rechten und Rechtsgütern nicht vereinbar ist. Ungeachtet dessen soll im Folgenden die Bedeutung des Straf­ antragserfordernisses für präventiv-polizeiliches Handeln, insbesondere in Bezug auf das Subsidiaritätsprinzip, näher betrachtet werden. aa) Alleinige Relevanz des Strafantrags für die polizeiliche Störungsbeseitigung Dem Strafantragserfordernis kann auf polizeirechtlicher Ebene von vorn­ herein lediglich im Hinblick auf die Beseitigung einer Störung Bedeutung zukommen. Bei einer Gefahr im engeren Sinne erübrigt sich die Frage nach einem wirksamen Strafantrag hingegen schon deshalb, weil es vor der Bege­ hung einer Straftat überhaupt noch keinen „Verletzten“ im Sinne des § 77 Abs. 1 StGB gibt, dem ein Antragsrecht zustehen könnte. Rechtslogisch muss eine Straftat bereits begangen sein, bevor der Antragsberechtigte deren strafprozessuale Verfolgung durch die staatlichen Behörden begehren kann. Ein präventiver Strafantrag ist nicht möglich.344 Zudem darf die Verhütung eines absoluten Antragsdelikts mit Blick darauf nicht vom Vorliegen eines wirksamen Strafantrags abhängig gemacht wer­ den, dass der potentielle345 Antragsberechtigte regelmäßig keine Kenntnis von der bevorstehenden Straftat haben wird und aus diesem Grund gar kei­ nen Antrag stellen kann.346 Müsste die Polizei in einem solchen Szenario vor einem gefahrenabwehrrechtlichen Eingreifen zunächst die Identität des Be­ troffenen ermitteln und anschließend durch Kontaktaufnahme mit diesem 344  Mitsch, in: MüKo, StGB, § 77b Rn. 10; hierin liegt kein Widerspruch zu der Rechtsprechung, nach der ein Strafantrag u. U. auch schon vor Begehung der Straftat gestellt werden kann (BGH, Urt. v. 16.11.1959 – 2 StR 430/59 –, BGHSt, 13, 363, 365). Denn die von der Rechtsprechung entschiedene Frage, ob ein vor Tatbegehung gestellter Strafantrag zur Verfolgung der dann tatsächlich begangenen Tag herangezo­ gen werden kann, ist von der hier allein interessierenden Frage der Wirksamkeit des Strafantrags im Zeitpunkt vor Tatbegehung zu unterscheiden. Die Rechtsprechung dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass der vor Tatbegehung gestellte Antrag im Moment der Tatbegehung (ex-nunc) wirksam wird; kritisch zu dieser Rechtsprechung, Schroth, NStZ 1982, 1. 345  Vor der Begehung einer Straftat kann es begrifflich noch keinen Antragsbe­ rechtigten geben. 346  Dieses Verständnis entspricht der Rechtslage auf repressiver Ebene. Strafpro­ zessuale Zwangsmaßnahmen wie die vorläufige Festnahme sowie der Erlass eines Haftbefehls sind gemäß §§ 127 Abs. 3, 130 StPO ebenfalls unabhängig vom Vorlie­ gen eines Strafantrags möglich. Auch hierhinter steht die gesetzgeberische Erwägung, dass der Antragsberechtigte von der Tatbegehung oftmals keine Kenntnis erlangen wird, hierzu Geerds, GA 1982, 237, 247, der deshalb auch bei der vorläufigen Fest­ nahme eine dem § 130 Satz 1 StPO vergleichbare Unterrichtungspflicht des Antrags­ berechtigten verlangt.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten137

eruieren, ob das Stellen eines Strafantrags beabsichtigt ist, wäre jegliche Möglichkeit einer effektiven Gefahrenabwehr konterkariert. bb) Begründung eines Antragserfordernisses Für den Ansatz, die Befugnis der Polizei zur Beseitigung einer Störung vom Vorliegen eines Strafantrags abhängig zu machen, spricht die folgende Überlegung. Sofern die Strafverfolgung des jeweiligen in Rede stehenden Delikts vom Willen des Verletzten abhängt, erscheint es a prima vista nur folgerichtig auch die polizeiliche Beendigung des bereits begonnen Delikts zu dessen Disposition zu stellen. Gibt dieser nämlich durch Verzicht auf ei­ nen Strafantrag sein fehlendes Strafverfolgungsinteresse zu erkennen, so kann nicht ohne Weiteres ein gleichzeitig bestehendes Interesse an der Besei­ tigung der Störung angenommen werden. Vor diesem Hintergrund würde sich ein Einschreiten der Polizei vor Stellen eines Strafantrags in gewisser Weise als Vorwegnahme der ausschließlich dem Antragsberechtigten vorbe­ haltenen Entscheidung darstellen. Dem Vorliegen eines Strafantrags wird dabei auch in der Praxis durchaus entscheidende Bedeutung beigemessen. So sah die zuständige Polizeibehörde bei der in der Einleitung geschilderten Hausbesetzung in Kerpen-Manheim347 unter Hinweis auf den fehlenden Strafantrag zunächst noch keine Veranlas­ sung zur Räumung des besetzten Gebäudes, nahm diese nach Strafantragstel­ lung durch den Energiekonzern sodann aber umgehend vor.348 Wichtig ist es allerdings die beiden insoweit möglichen Konstellationen auseinanderzuhalten. Einerseits ist eine Fallgestaltung denkbar, in der der Verletzte noch keinen Strafantrag gestellt hat, dies aber weiterhin möglich ist. Andererseits ist die Situation zu nennen, in der der Verletzte wirksam und damit endgültig auf einen Strafantrag verzichtet hat.349 347  Siehe

oben im ersten Kapitel unter A. den schriftlichen Bericht des nordrhein-westfälischen Ministers des In­ nern für die Sitzung des Innenausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags am 08.11.2018 zu dem Tagesordnungspunkt „Lässt die Landesregierung jetzt die Stadt Kerpen mit den autonomen Hausbesetzungen im Umsiedlungsort Manheim al­ leine?“ – Antrag der SPD-Fraktion vom 25.11.2018, S. 1 –: „[…] so wurden neben der Räumung von besetzten Häusern nach Vorliegen des erforderlichen Strafantrags der Eigentümerin am 25.10.2018 die Präsenzmaßnahmen im Ortsteil Manheim-alt unmittelbar nach Feststellung der Besetzungen u. a. durch den Einsatz von Kräften der Bereitschaftspolizei intensiviert“, abrufbar unter https://www.landtag.nrw.de/ portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-1345.pdf (zuletzt abgerufen am 02.06.2022), Hervorhebungen nur hier. 349  Nach h. M. kann der Verletzte nach Begehung der Tat gegenüber den nach § 158 Abs. 2 StPO zuständigen Stellen (sowie den Sühnebehörden gemäß § 380 348  Siehe

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Nicht relevant werden kann in diesem Zusammenhang die Antragsfrist des § 77b StGB. Da das Fortdauern der Beeinträchtigung für die Annahme einer Störung zwingend erforderlich ist, kann es sich bei den in Rede stehenden Straftaten ausschließlich um Dauerdelikte handeln. Bei diesen beginnt – wie oben ausgeführt wurde350 – die Antragsfrist indessen erst mit der Beseitigung des rechtswidrigen Zustands zu laufen und damit just in dem Moment, in dem eine Störung im Sinne des Polizeirechts nicht mehr vorliegt. cc) Irrelevanz des Strafantragserfordernisses im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln In der ersten der beiden Varianten, namentlich in der Situation, in der ein Strafantrag noch nicht gestellt wurde, dies aber gleichwohl möglich ist, ver­ mag die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nicht schlüssig begründet zu werden. Wie herausgearbeitet wurde, bleibt die Deliktsnatur eines absoluten Antragsdelikts im Rahmen der der Störungsbeseitigung zeitlich vorgelager­ ten Gefahrenabwehr351 ohne Auswirkungen. Schon aus diesem Grund würde es erheblichen Bedenken begegnen, die Privatrechtsklauseln im Augenblick des Umschlagens der Gefahr in eine Störung sodann wieder heranziehen zu wollen, nur um sie nach Stellen des erforderlichen Strafantrags erneut gänz­ lich auszublenden. Eine dahin lautende Differenzierung wäre wegen der hiermit notwendig einhergehenden Abgrenzungsschwierigkeiten nicht nur mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit verbunden, sondern stünde wiede­ rum in offenem Widerspruch zum Wortlaut der Privatrechtsklauseln. Warum beispielsweise dem durch § 123 StGB geschützten Hausrecht nach Strafan­ tragstellung die Eigenschaft als privatem Recht abgesprochen werden soll, kann vernünftigerweise nicht erklärt werden. Ähnliches gilt für die zweite Variante, in der der Verletzte verbindlich auf das Stellen eines Strafantrags verzichtet hat. Hier das Subsidiaritätsprinzip mit Erklärung des Verzichts wieder aufleben lassen zu wollen, würde bedeu­ ten, die Verzichtserklärung als konstituierend für die Entstehung eines priva­ ten Rechts anzusehen. Für das Beispiel des Hausfriedensbruchs würde dies nichts anderes heißen, als es der Inhaber des Hausrechts durch Erklärung des

StPO) wirksam auf sein Antragsrecht verzichten, Griesbaum, in: KK-StPO, § 158 Rn. 55; Wohlers/Deiters, in: SK-StPO, § 158 Rn. 61; Kölbel, in: MüKo, StPO, § 158 Rn. 47. 350  Siehe oben unter C.I.1.a)bb)(1). 351  Nicht übersehen wird an dieser Stelle, dass auch die Störungsbeseitigung letzt­ endlich bloß eine besondere Form der Gefahrenabwehr darstellt, siehe Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 111.



D. Naheliegende Auslegungsmöglichkeiten139

Strafantragverzichts selbst in der Hand hätte, aus dem durch § 123 StGB geschützten Hausrecht ein privates Recht entstehen zu lassen. Zudem dürfte eine von der Polizei trotz wirksamen Strafantragsverzichts vorgenommene Störungsbeseitigung ungeachtet der Privatrechtsklauseln schon aus einem anderen Grund rechtswidrig sein. Obschon es im Rahmen der Straftatenverhütung allein auf die Verwirklichung des objektiven Tatbe­ stands und nicht auf die Strafbarkeit als solche ankommt, lässt sich ein poli­ zeiliches Einschreiten nämlich nur schwerlich mit dem Aspekt der Straftaten­ verhütung rechtfertigen, sofern durch Verzicht auf den Strafantrag eindeutig feststeht, dass die in Rede stehende Tat strafrechtlich niemals verfolgt werden kann. Der hierin liegende Unterschied zur Behandlung der der Störungsbe­ seitigung zeitlich vorgelagerten Gefahrenabwehr, bei der einem etwaigen Strafantragserfordernis von vornherein keine Bedeutung zukommt, kann da­ bei wie folgt erklärt werden. Die Erwägung, die hinter der Irrelevanz des Strafantrags auf gefahrenabwehrrechtlicher Ebene liegt, dürfte darin zu sehen sein, dass der (potentielle) Antragsberechtigte zu diesem Zeitpunkt schlicht­ weg noch gar keine Möglichkeit zur Ausübung seines Antragsrechts gehabt hat. Wird in dieser Situation vollkommen nachvollziehbar ein gleichwohl bestehendes Interesse des Antragsberechtigten an der Verhütung der Straftat vermutet und der Polizei eine entsprechende Befugnis zur Verhütung der Straftat eingeräumt, so muss diese Überlegung entfallen, sobald der Berech­ tigte wirksam auf den Antrag verzichtet hat. Nichtsdestoweniger dürfte die geschilderte Konstellation allein theoreti­ scher Natur sein. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die Polizei in der Praxis einmal zur Beendigung eines noch andauernden absoluten Antragsdelikts veranlasst sehen könnte, nachdem der Berechtigte wirksam auf einen Straf­ antrag verzichtet hat. d) Ergebnis Nach alldem bleibt zusammenfassend zu konstatieren, dass eine von der Ausschließlichkeitstheorie abweichende Behandlung absoluter Antragsdelikte im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln nicht angezeigt ist. Die Besonder­ heiten, die diese Delikte auf der Ebene der Strafverfolgung kennzeichnen, rechtfertigen keine divergente Behandlung auf der Ebene der Gefahrenab­ wehr. Die Befugnis der Polizei zur Verhütung von absoluten Antragsdelikten entspricht in ihrer Reichweite daher derjenigen, die ihr auch bezüglich aller anderen Straftaten zukommt. Das Subsidiaritätsprinzip bleibt unanwendbar.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

IV. Resümee Die gegen die Ausschließlichkeitstheorie vorgebrachten Argumente, insbe­ sondere die unbefriedigenden Ergebnisse bei den unter C.I.1. dargestellten Beispielsfällen, wurden zum Anlass genommen, auf naheliegende alternative Auslegungsmöglichkeiten der Privatrechtsklauseln einzugehen. Die Ergeb­ nisse dieser Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Wie die Untersuchung gezeigt hat, stellt eine Beschränkung des von der Ausschließlichkeitstheorie angenommenen Anwendungsvorrangs der objekti­ ven Rechtsordnung auf Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestände keinen tauglichen Ansatz für eine Neubestimmung der Reichweite des Subsidiari­ tätsprinzips dar. Die persönliche Vorwerfbarkeit eines Verhaltens hat bei der gefahrenabwehrrechtlichen Bewertung außer Betracht zu bleiben und hin­ sichtlich der Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist einzig auf die rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands abzustellen. Da in Gestalt des subjektiven Tatbestands und des Schuldelements somit die beiden Korrektive der oftmals weit gefassten objektiven Tatbestände wegfal­ len würden, hätte dieser Umstand zur Folge, dass in beinahe jeder polizei­ lichen Lage das Einschreiten mit der Verhütung einer Straftat respektive Ordnungswidrigkeit begründet werden könnte. Das Subsidiaritätsprinzip würde sonach ebenso leerlaufen wie es nach der Ausschließlichkeitstheorie der Fall ist. Desgleichen erwies sich die Differenzierung zwischen Gefahrenabwehr auf der einen und Störungsbeseitigung auf der anderen Seite als wenig taug­ licher Anknüpfungspunkt für den Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprin­ zips. Wie herausgearbeitet werden konnte, weist eine bereits realisierte Ge­ fahr zwar mitunter erhebliche Ähnlichkeiten mit einer bürgerlichen Rechts­ streitigkeit auf, dies rechtfertigt es indes nicht, den Betroffenen in diesen Konstellationen einen polizeilichen Schutz zu versagen respektive den Letz­ teren von den Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln abhängig zu machen. Namentlich bei sog. Dauerdelikten wäre es geradezu absurd und mit den grundrechtlichen Schutzpflichten unvereinbar, die polizeilichen Befugnisse just in dem Moment einzuschränken, indem die polizeiliche Gefahrenabwehr, also die Verhütung des Dauerdelikts, einstweilen gescheitert ist. Überdies würde dieser Ansatz wegen der fließenden Übergänge zwischen Gefahrenab­ wehr und Störungsbeseitigung in der Praxis zu erheblichen Abgrenzungs­ schwierigkeiten führen. Weiterhin konnte herausgearbeitet werden, dass der Charakter einer Straf­ tat als Privatklagedelikt für die Geltung der Privatrechtsklauseln ohne Rele­ vanz bleiben muss. Aus dem bei dieser Deliktsgruppe grundsätzlich fehlen­ den Strafverfolgungsinteresse darf nicht auf das Fehlen eines öffentlichen



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln141

Interesses an der Abwehr von Gefahren für die durch diese Straftatbestände geschützten subjektiven Rechte und Rechtsgüter geschlossen werden. Gleichermaßen hat sich im Rahmen der Untersuchung herausgestellt, dass die Ausgestaltung einer Straftat als absolutes Antragsdelikt keine divergie­ rende Behandlung auf gefahrenabwehrrechtlicher Ebene rechtfertigt. Die In­ homogenität der durch diese Deliktsgruppe geschützten subjektiven Rechte und Rechtsgüter, wie sie am Beispiel des Antragserfordernisses nach § 247 StGB illustriert wurde, steht einer einheitlichen Behandlung sämtlicher abso­ luter Antragsdelikte im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip von vornherein entgegen. Ebenso kommt dem Vorliegen eines Strafantrags für das präventivpolizeiliche Handeln keinerlei Bedeutung zu.

E. Auslegung der Privatrechtsklauseln Nachdem sämtliche naheliegenden Auslegungsmöglichkeiten verworfen werden mussten, ist es unumgänglich, den Anwendungsbereich des Subsidi­ aritätsprinzips anhand einer eingehenden Auslegung der Privatrechtsklauseln zu bestimmen. Hierbei ist auf die vier klassischen Auslegungsmethoden nach Savigny352, die grammatikalische, die historische, die systematische und die teleologische Auslegung, zurückzugreifen.

I. Grammatikalische Auslegung Jede Gesetzesauslegung muss mit dem Wortsinn beginnen.353 Aus diesem Grund ist das Augenmerk der Untersuchung zunächst auf den Wortlaut der Privatrechtsklauseln zu legen. Für den Anwendungsbereich des Subsidiari­ tätsprinzips kommt hierbei lediglich dem Begriff des privaten Rechts (u. a. in § 1 Abs. 2 PolG NRW) Bedeutung zu. Denn indem das in den Vorschriften kodifizierte Subsidiaritätsprinzip lediglich beim polizeilichen Schutz privater Rechte greift, entscheidet die Auslegung des Begriffs des privaten Rechts allein über die Reichweite des Subsidiaritätsprinzips. 1. Der Begriff des Rechts Bei Betrachtung der insgesamt 17 Privatrechtsklauseln fällt sogleich auf, dass diese ausweislich ihres Wortlauts lediglich den Schutz privater Rechte betreffen, wohingegen der Schutz privater Rechtsgüter weder dort noch an anderer Stelle in den jeweiligen Polizeigesetzen Erwähnung findet. 352  Hierzu

353  Larenz,

Savigny, System des heutigen römischen Rechts, I, 206 ff., 213. Methodenlehre, S.  320 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Ausgehend von dem korrekten Begriffsverständnis, nach dem zwischen Rechten und Rechtsgütern streng zu differenzieren ist354, stellt sich ange­ sichts dieses sprachlichen Befunds die Frage, ob der polizeiliche Schutz pri­ vater Rechtsgüter a priori vom Geltungsbereich des Subsidiaritätsprinzips auszunehmen und dieses vielmehr auf den Schutz privater Rechte zu be­ schränken ist. Eine dahingehende Auslegung wäre möglich und erforderlich, sofern auch den Privatrechtsklauseln das hier vertretene Begriffsverständnis zugrunde liegen und der Gesetzgeber355 durch die gesetzliche Formulierung zwischen Rechten auf der einen und Rechtsgütern auf der anderen Seite un­ terscheiden würde. Ob dies der Fall ist, gilt es im Folgenden zu untersuchen. a) Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern Soll anknüpfend an den Wortlaut der Privatrechtsklauseln der polizeiliche Schutz subjektiver Rechtsgüter aus dem Anwendungsbereich des in den Vor­ schriften normierten Subsidiaritätsprinzips herausgenommen werden, setzt dies notwendigerweise voraus, dass auch der Gesetzgeber von einem Unter­ schied zwischen Rechten und Rechtsgütern ausgeht. Allein aus der Verwendung des Begriffs des privaten Rechts kann hierbei noch nicht geschlossen werden kann, dass den Vorschriften ein zwischen Rechten und Rechtsgütern differenzierendes Begriffsverständnis des Gesetz­ gebers zugrunde liegt. Aus diesem Grund ist im Rahmen der grammatikali­ schen Auslegung der übrige Wortlaut der Privatrechtsklauseln in den Blick zu nehmen. Sämtliche 17 Vorschriften gestehen der Polizei eine Befugnis zum Schutz privater Rechte allein dann zu, „wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirkli­ chung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“. Die gewählte Formulierung einer Verwirklichung des privaten Rechts legt die Auslegung, nach der lediglich Rechte unter die Privatrechtsklauseln zu sub­ sumieren sind, zumindest nahe. Während es durchaus üblich ist, von der Verwirklichung eines Rechts respektive einer Rechtsverwirklichung zu spre­ chen356, findet der Ausdruck Rechtsgutverwirklichung bzw. Verwirklichung 354  Dazu

im ersten Kapitel unter D.I.2. die Gesetzgeber; allein aus Gründen des Leseflusses wird hier und im Folgenden der Singular verwendet. 356  Statt vieler: Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 167 Rn. 15: „die Zwangs­ vollstreckung ist ein Mittel der Rechtsverwirklichung“ unter der Überschrift „Rechts­ erkenntnis und Rechtsverwirklichung“; Gaier, NJW 2016, 1367: „Schlichtung, Schiedsgerichtsbarkeit, staatliche Justiz – drei Akteure in einem System institutionel­ ler Rechtsverwirklichung“; siehe auch die mit den Privatrechtsklauseln identische Formulierung in § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO: „wenn die Gefahr besteht, daß […] die 355  Bzw.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln143

eines Rechtsguts – soweit ersichtlich – im juristischen Sprachgebrauch keine Verwendung. Hiergegen ließen sich einwenden, auch die allgemeine Mei­ nung komme ohne die etwas holprig anmutende Wendung Rechtsgutverwirk­ lichung aus, da sie den Begriff Rechtsgut eben als ein Synonym für den Begriff Recht auffasse und deswegen in allen denkbaren Konstellationen von einer Rechtsverwirklichung sprechen könne. Dieser Einwand übersieht in­ dessen die Stilblüten, zu der die allgemeine Meinung durch diese Lesart un­ vermeidlich gezwungen wäre. So müsste im Falle einer für die körperliche Unversehrtheit bestehenden Gefahr bei Anwendung der Privatrechtsklauseln etwa geprüft werden, ob ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Obgleich es stilistisch nun mindestens ungewöhnlich erscheint, von einer Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit zu sprechen, bleibt einzuräu­ men, dass der Wortlaut der Privatrechtsklauseln insoweit für die hier vorge­ nommene Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern lediglich ein Indiz sein kann. So ließe sich die entsprechende Stilblüte ohne Weiteres vermeiden, wenn das gefährdete private Recht in dieser Konstellation nicht in der körperlichen Unversehrtheit, sondern in einem Recht auf körperliche Unversehrtheit erblickt würde. Eine maßgeblich auf den Begriff der „Ver­ wirklichung“ gestützte Argumentation müsste sich deshalb zu Recht dem Vorwurf der Wortklauberei ausgesetzt sehen. Da auch der weitere Wortlaut der Privatrechtsklauseln keine Hinweise auf das gesetzgeberische Begriffsverständnis liefert, bleibt der Wortlaut der Vor­ schriften für die Auslegung des Begriffs des privaten Rechts letztlich insge­ samt unergiebig. b) Offener Wortlaut der Privatrechtsklauseln In Anbetracht des gefundenen Ergebnisses, wonach unklar bleibt, ob den Privatrechtsklauseln ein zwischen Rechten und Rechtsgütern differenzieren­ des Begriffsverständnis zugrunde liegt, muss der Wortlaut der Vorschriften insoweit als offen bezeichnet werden. So lässt er sowohl die Auslegung, nach der subjektive Rechtsgüter nicht unter den Begriff des privaten Rechts zu subsumieren sind, als auch die Auslegung, wonach es sich bei Rechten und Rechtsgütern um Synonyme handelt, zu.

Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte“.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

2. Der Begriff „Privat“ Wie sich aus der bei einigen Vertretern der allgemeinen Meinung zu fin­ denden Definition des privaten Recht ergibt, wird der Vorrang der Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung – sofern der Wortlaut der Privat­ rechtsklauseln überhaupt einmal zur Bestimmung der Reichweite des Subsi­ diaritätsprinzips herangezogen wird – normativ am Begriff des privaten Rechts festgemacht. Denn privat seien eben nur die ausschließlich in der Privatrechtsordnung begründeten Rechte.357 Die nachfolgende Untersuchung ist demzufolge darauf auszurichten, ob dem Begriffsteil „privat“ tatsächlich ein Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung entnommen werden kann. a) Unergiebigkeit des allgemeinen Sprachgebrauchs Bei unvoreingenommener Betrachtung vermag dem Terminus privat der von der allgemeinen Meinung angenommene Anwendungsprimat der objek­ tiven Rechtsordnung nicht entnommen zu werden. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann das Adjektiv „privat“ als „persönlich“ oder „nur die eigene Person betreffend“ umschrieben werden.358 Dieses Begriffsverständ­ nis zugrunde gelegt, wäre die von der allgemeinen Meinung vorgenommene Auslegung nicht nur wenig überzeugend, sondern vielmehr widersprüchlich. Denn ausgerechnet höchstpersönliche Rechtsgüter wie das Leben oder die körperliche Unversehrtheit werden aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Ver­ ankerung (§§ 211 ff., 223 ff. StGB) von der Ausschließlichkeitstheorie nicht als private Rechte angesehen. Aufgrund dessen kann die allgemeine Meinung bei Auslegung der Privatrechtsklauseln nicht von dem allgemeinen Sprachge­ brauch ausgegangen sein, sondern muss ein anderes Begriffsverständnis zu­ grunde gelegt haben. b) Die unergiebigen Definitionen der allgemeinen Meinung Wie ein Blick auf die Definitionen der allgemeinen Meinung, die trotz sprachlicher Nuancen allesamt auf die ausschließliche Verankerung des Rechts in der Privatrechtsordnung abstellen359, nahelegt, scheinen die das private Recht definierenden Stimmen das Adjektiv „privat“ nicht isoliert, sondern in Zusammenschau mit dem anderen Begriffsteil „Rechte“ zu be­ 357  Siehe

hierzu schon unter B.IV.3.a). unter „privat“, https://www.duden.de/rechtschreibung/privat (zuletzt abgerufen am 02.06.2022). 359  Siehe oben unter B.IV.3.a). 358  Duden



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln145

trachten. Denn nur durch einen Rückgriff auf den Begriff des Rechts ist es möglich, die ausschließliche Verankerung in der Privatrechtsordnung als notwendige Bedingung für das Vorliegen eines privaten Rechts anzusehen. Allerdings führt die von der allgemeinen Meinung vorgenommene Zusam­ menschau der beiden Begriffsteile letztendlich dazu, dass die in den Polizei­ gesetzen genannten privaten Rechte dem Begriff des Privatrechts gleichge­ setzt werden. Die Übereinstimmung des Begriffspaars der privaten Rechten mit dem Terminus des Privatrechts ergibt sich hierbei aus dem Folgendem: Indem die ausschließliche Verankerung eines privaten Rechts in der Privat­ rechtsordnung zum alleinigen Definitionsmerkmal erhoben wird, könnte die in den Vorschriften gebrauchte Formulierung „Schutz privater Rechte“ durch die Wendung „Schutz der Privatrechtsordnung“ ersetzt werden, ohne dass sich insoweit eine abweichende Rechtsfolge ergäbe. Denn ein ausschließlich in der Privatrechtsordnung verankertes Recht muss notwendigerweise zu­ gleich Teil derselbigen sein und wäre demzufolge ebenfalls unter den Begriff der Privatrechtsordnung zu subsumieren. Gleichzeitig wäre hierbei ausge­ schlossen, dass eine Position, die von der allgemeinen Meinung als privates Recht verstanden wird, vom Begriff der Privatrechtsordnung nicht erfasst würde. Wird mit der Ausschließlichkeitstheorie nämlich eine ausschließliche Verankerung des privaten Rechts in der Privatrechtsordnung verlangt, kann es außerhalb der Privatrechtsordnung kein privates Recht geben. Wenn sich nun aber das für den Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzip entschei­ dende Begriffspaar „private Rechte“ ohne Weiteres gegen „Privatrechtsord­ nung“ austauschen lässt, wird hiermit augenblicklich der geringe Aussagege­ halt, der mit dem Begriffsverständnis der allgemeinen Meinung verbunden ist, offenbart. Würden die Vorschriften in den Polizeigesetzen „Der Schutz der Privatrechtsordnung obliegt der Polizei […]“ lauten, wäre mit dieser Formulierung zwar die durch den Grundsatz der Gewaltenteilung bedingte Funktion des Subsidiaritätsprinzips zutreffend umschrieben, aber noch kei­ nerlei Aussage darüber getroffen, welche Rechte und Rechtsgüter als Teil der Privatrechtsordnung anzusehen sind. Ob die Absicherung eines Rechts oder Rechtsguts durch eine Norm der objektiven Rechtsordnung tatsächlich des­ sen Zugehörigkeit zur Privatrechtsordnung entgegenstünde, ergäbe sich ebenso wenig aus dem Wortlaut der Vorschriften, wie es nun bei der Wen­ dung „Schutz privater Rechte“ der Fall ist. Dass der von der allgemeinen Meinung angenommene Anwendungsvor­ rang der objektiven Rechtsordnung in dem Wortlaut der Polizeigesetze keine Stütze findet, legt überdies bereits der gänzliche Verzicht der meisten Vertre­ ter auf eine Definition des privaten Rechts nahe. Indem diese eine Definition des zentralen Begriffs der Vorschriften für entbehrlich halten und den An­ wendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips losgelöst vom Wortlaut der Pri­

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

vatrechtsklauseln bestimmen, räumen sie die unzureichende normative Ver­ ankerung ihrer eigenen Auffassung letztlich selbst ein. c) Identität von privaten und subjektiven Rechten Die Prämisse der allgemeinen Meinung, nach der sich aus dem Begriff des privaten Rechts ein Vorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsord­ nung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter ergebe, vermöchte allein dann zu überzeugen, sofern zwischen den in den Vorschriften genannten privaten Rechten einerseits und subjektiven Rechten andererseits unterschieden werden könnte. Würde es sich bei dem Begriff des privaten Rechts hingegen lediglich um ein Synonym zum Begriff des subjektiven Rechts360 handeln, würde die dahin lautende Auslegung aus­ scheiden, weil der Begriffsteil „privat“ insofern einer eigenständigen Bedeu­ tung ermangeln würde und jedes subjektive Recht unter die Vorschriften der Polizeigesetze zu subsumieren wäre. Wie sich bei näher Betrachtung herausstellt, ist das Letztere nun gerade der Fall. Jedes private Recht stellt zugleich ein subjektives Recht dar und umgekehrt ist jedes subjektive Recht gleichzeitig ein privates Recht.361 Mag diese Konsequenz auf den ersten Blick auch überraschen, kann sie letztend­ 360  So Schucht, Generalklausel und Standardmaßnahme, S. 78 Fn. 250, nach dem die Bezeichnungen „private oder individuelle Rechte oder Rechtsgüter“ anerkannter­ maßen als Synonyme für die unter das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu sub­ sumierenden subjektiven Rechte gebraucht würden. Während ein synonymer Ge­ brauch hinsichtlich der Bezeichnung „individuelle Rechte und Rechtsgüter“ durchaus festgestellt werden kann (siehe schon im ersten Kapitel unter D.I.2.), ist ein entspre­ chender Sprachgebrauch im Hinblick auf „private Rechte und Rechtsgüter“ weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ersichtlich. Vielmehr wird die Differenzie­ rung zwischen privaten und subjektiven Rechten ob des Wortlauts der Privatrechts­ klauseln konsequent durchgehalten (siehe nur Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 51 a. E.). Die Ausführungen Schuchts erfolgen dementsprechend auch nicht im Kontext des Subsidiaritätsprinzips. 361  Soweit einzelne Gesetze eine Legaldefinition der öffentlichen Sicherheit ent­ halten und diese ausdrücklich die Unverletzlichkeit subjektiver Rechte zum polizeili­ chen Schutzgut erklären, während die jeweiligen Privatrechtsklauseln ausweislich ihres Wortlauts den Schutz privater Rechte behandeln, folgt hieraus nicht, dass zu­ mindest diese Gesetze explizit zwischen subjektiven Rechten auf der einen und priva­ ten Rechten auf der anderen Seite unterscheiden. Die Bedeutung dieser Legaldefini­ tionen für die (systematische) Auslegung der Privatrechtsklauseln wird noch ausführ­ lich unter E.III.1.a) behandelt werden, da sich durch die in den Legaldefinitionen jeweils vorzufindende gesonderte Nennung von subjektiven Rechten und Rechtsgü­ tern im Hinblick auf die nur von Rechten sprechenden Privatrechtsklauseln hinsicht­ lich einer etwaigen Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgüter vergleichbare Überlegungen aufdrängen.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln147

lich sogar anhand der Definition der allgemeinen Meinung begründet wer­ den. aa) Kein Unterschied nach der Definition der allgemeinen Meinung Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, ist selbst die allgemeine Mei­ nung außerstande, das Bestehen eines Unterschieds zwischen privaten Rech­ ten auf der einen und subjektiven Rechten auf der anderen Seite nachzuwei­ sen. Denn notwendige Voraussetzung für eine dahin lautende Differenzierung wäre jene präzise Definition, die die Ausschließlichkeitstheorie gerade ver­ missen lässt. Soweit nun einzelne Vertreter der allgemeinen Meinung das private Recht definieren, widerspricht deren Definition keineswegs der hier angenomme­ nen Identität von privaten und subjektiven Rechten, sondern bestätigt diese letztendlich nur noch. Nach der von einzelnen Anhängern der Ausschließ­ lichkeitstheorie präsentierten Definition vermag sich ein privates Recht näm­ lich lediglich durch die Art der Gefahr von einem subjektiven Recht zu un­ terscheiden. Diese Erkenntnis ergibt sich unentrinnbar aus der oben heraus­ gearbeiteten Relativität des privaten Rechts und des damit einhergehenden Erfordernisses einer konkreten Betrachtung.362 Kommt es für die Annahme eines privaten Rechts demnach allein darauf an, dass bei konkreter Betrachtung die für das Recht bestehende Gefahr nicht zugleich mit einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung einhergeht und bleibt demgegenüber unerheblich, ob das Recht schlechthin, d. h. abstrakt betrachtet, eines öffentlichen-rechtlichen Schutzes entbehrt, kann dies bei zwei unabhängig voneinander bestehenden Gefahren zu einem Zusammentreffen von privatem und subjektivem Recht führen. bb) Zusammentreffen von privatem und subjektivem Recht Verdeutlicht werden soll diese Schlussfolgerung am Beispiel des Eigen­ tums: Bei einem unverschlossen in einer öffentlichen Straße abgestellten Kraft­ fahrzeug ist zuvörderst dessen unbefugte Benutzung zu befürchten.363 Durch diese würde der Straftatbestand des Diebstahls oder zumindest des unbefug­ 362  Siehe

oben unter C.II. Sicherstellung eines mit geöffneter Scheibe in einem Flughafen-Parkhaus abgestellten Fahrzeugs aus Gründen des Diebstahlschutzes siehe OVG NRW, ­Beschl. v. 11.04.2003 – 5 A 4351/01 –, juris. 363  Zur

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

ten Gebrauchs von Fahrzeugen364 erfüllt und es läge eine Gefahr für die öf­ fentliche Sicherheit unter dem Gesichtspunkt der Unversehrtheit der objekti­ ven Rechtsordnung vor.365 Nach Maßgabe der Definition der Vertreter der allgemeinen Meinung würde das Eigentum am Kraftfahrzeug dementspre­ chend kein privates Recht, sondern ein subjektives Recht darstellen. Schickt sich nun zeitgleich ein Nachbar, vor dessen Haus das Kraftfahrzeug abgestellt ist, an, dieses auf einen anderen Stellplatz zu schieben, da es seiner Meinung nach allein ihm zustehe vor seiner Haustür zu parken, droht dem Eigentum an dem Kraftfahrzeug plötzlich eine weitere Gefahr, die nicht mit einem Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung einhergeht. Infolgedessen läge eine weitere eigenständige Gefahr für die öffentliche Sicherheit unter dem Aspekt der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte vor. Nach der relativen De­ finition der Ausschließlichkeitstheorie müsste das Eigentum am Fahrzeug hinsichtlich der in Gestalt des Verschiebens auf einen anderen Stellplatz be­ stehenden Gefahr nun konsequenterweise als ein privates Recht angesehen werden. Denn durch die darin zu erblickende Eigentumsbeeinträchtigung366 würde die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung nicht berührt. Hier­ nach wäre das Eigentum an dem Fahrzeug ausschließlich in der Privatrechts­ ordnung begründet, womit die einzige von der Definition der Ausschließlich­ keitstheorie aufgestellte Voraussetzung erfüllt wäre. Dieser Befund konfrontiert die Ausschließlichkeitstheorie mit einem fol­ genschweren Dilemma. Ein und dieselbe Rechtsposition vermag in bestimm­ ten Konstellationen sowohl ein subjektives als auch ein privates Recht darzu­ stellen. Der von der Ausschließlichkeitstheorie behauptete Unterschied zwi­ schen privaten Rechten auf der einen und subjektiven Rechten auf der ande­ ren Seite ist sonach jedenfalls in diesen Konstellationen widerlegt. Wie sich die Janusköpfigkeit des Eigentumsrechts nun in dem geschilderten Beispiel auf die Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln respektive des Subsidiaritäts­ prinzips auswirkt, muss ungewiss bleiben. Genügt für die Geltung der Privat­ rechtsklauseln die Eigenschaft des Eigentums als zumindest auch privates Recht? Wird das Subsidiaritätsprinzip dadurch verdrängt, dass dem Fahrzeug 364  Zur schwierigen Abgrenzung zwischen einer bloßen Gebrauchsanmaßung (§ 248b StGB) und einer dauernden Enteignung (§ 242 StGB) in einer solchen Kons­ tellation, Schmitz, in: MüKo, StGB, § 242 Rn. 149 f. 365  Darüber hinaus ergäbe sich ein Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung auch aus der folgenden Überlegung: Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 StVO sind Kraftfahr­ zeuge gegen „unbefugte Benutzung zu sichern“, der Verstoß hiergegen stellt nach § 49 Abs. 1 Nr. 14 StVO eine Ordnungswidrigkeit dar. Infolgedessen verursacht in einer solchen Konstellation auch der Eigentümer des Kraftfahrzeugs selbst eine Ge­ fahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung. 366  Das Verändern der räumlichen Lage einer Sache gegen den Willen des Eigen­ tümers stellt eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, vgl. Thole, in: Staudinger, § 1004 Rn. 42.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln149

wenigstens auch Gefahren drohen, die eine Verletzung der objektiven Rechts­ ordnung bedeuteten? Oder hängt die Frage gar davon ab, welche der beiden eigenständigen Gefahren die polizeiliche Maßnahme abwehren soll – Außer­ achtlassen des Subsidiaritätsprinzips bei einem Abschleppvorgang zum Schutz vor unbefugter Benutzung und Heranziehen desselbigen bei Maßnah­ men zum Schutz vor dem Verschieben auf einen anderen Stellplatz? Die allgemeine Meinung bleibt eine Antwort auf diese Fragen schuldig und enttarnt ihre eigene Definition hierdurch als leere Worthülse. Genügt das Hinzutreten einer weiteren Gefahr, um aus einem privaten zugleich ein sub­ jektives respektive umgekehrt aus einem subjektiven zugleich ein privates Recht werden zu lassen, bedeutet dies im Ergebnis nichts anderes, als der Begriff des privaten Rechts mit demjenigen des subjektiven Rechts identisch sein muss. cc) Subjektives Recht als Oberbegriff für subjektive private und subjektive öffentliche Rechte Die These einer Identität von privaten und subjektiven Rechten wird auch durch einen Blick auf die im allgemeinen Verwaltungsrecht gebräuchliche Terminologie gestützt. Außerhalb des Kontexts des Subsidiaritätsprinzips erfolgt im allgemeinen Verwaltungsrecht keine Abgrenzung zwischen subjektiven und privaten Rechten, vielmehr werden subjektive Rechte allein vom objektiven Recht abgegrenzt. Entsprechend der allgemeinen rechtstheoretischen Grundsätze367 wird folglich auch im allgemeinen Verwaltungsrecht unter einem subjektiven Recht die „einem Subjekt durch eine Rechtsnorm zuerkannte Rechtsmacht, zur Verfolgung eigener Interessen von einem anderen ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen zu fordern“368 verstanden. Das subjektive Recht kann hierbei entweder privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich begründet sein, je nachdem, ob die das subjektive Recht begründende Rechtsnorm dem privaten oder öffentlichen Recht zuzuordnen ist.369 Während für die letztge­ nannte Konstellation die Bezeichnung als subjektives öffentliches Recht all­ 367  Hierzu

bereits im ersten Kapitel unter D.I.1. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2; Schell, Anspruch auf polizeiliches Einschreiten oder Angriff gegen eine polizeiliche Erlaubnis, S. 52; undeutlich Peine/Siegel, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 237, die mit der identi­ schen Definition zunächst den Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts beschrei­ ben, nur im Anschluss zutreffend klarzustellen, dass es sich nur dann um ein subjek­ tives öffentliches Recht handelt, „wenn das öffentliche Recht diese Rechtsmacht ein­ räumt“. 369  Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2. 368  Maurer/Waldhoff,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

gemein üblich ist370, wird im erstgenannten Fall nur vereinzelt der Terminus eines subjektiven privaten Rechts bemüht.371 Bei subjektiven Rechten han­ delt es sich folglich um einen Oberbegriff, unter den subjektive öffentliche und subjektive private Rechte zusammengefasst werden.372 Wie ein Blick auf die Definition des subjektiven privaten Rechts unschwer erkennen lässt, stimmt diese beinahe wörtlich mit der Definition eines priva­ ten Rechts nach der allgemeinen Meinung überein. So sind in der Termino­ logie des allgemeinen Verwaltungsrechts unter subjektiven privaten Rechten alle „auf dem Privatrecht beruhenden individuellen Rechte des Einzelnen“373 zu verstehen, während die Ausschließlichkeitstheorie im polizeirechtlichen Kontext private Rechte als „subjektive Rechte, die ausschließlich privatrecht­ lich begründet sind“ definiert.374 Der Unterschied zwischen subjektiven pri­ vaten Rechten auf der einen und privaten Rechten auf der anderen Seite er­ schöpft sich mithin rein sprachlich in dem Verzicht auf eine ausschließliche Verankerung des subjektiven privaten Rechts in der Privatrechtsordnung. Dieser sprachliche Unterschied schlägt sich indes nicht in einer inhaltli­ chen Divergenz wieder. Da jedes subjektive Recht per definitionem aus einer bestimmten Rechtsnorm abgeleitet wird, müssen subjektive Rechte zwangs­ läufig entweder ausschließlich auf dem privaten oder ausschließlich auf dem öffentlichen Recht beruhen. Da sich somit jede Rechtsnorm eindeutig dem privaten oder dem öffentlichen Recht zuordnen lässt375, kann für das aus der jeweiligen Rechtsnorm abgeleitete subjektive Recht nichts anderes gelten. Wird das subjektive Recht aus einer öffentlich-rechtlichen Norm abgeleitet, ist diese öffentlich-rechtliche Verankerung ebenso zwingend als ausschließ­ lich anzusehen wie im umgekehrten Fall, in dem das aus einer Norm des Privatrechts abgeleitete subjektive Recht unumgänglich als ausschließlich privatrechtlich zu qualifizieren ist. 370  Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2; Peine/Siegel, All­ gemeines Verwaltungsrecht, Rn. 237. 371  Schell, Anspruch auf polizeiliches Einschreiten oder Angriff gegen eine poli­ zeiliche Erlaubnis, S. 52; siehe auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54, der im Kontext der Privatrechtsklauseln von „subjektiven Privatrechten“ spricht. 372  Siehe etwa VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn. 23: „Private Rechte sind subjektive Rechte, die ausschließlich privatrechtlich begründet sind“, Hervorhebung nur hier; ebenso VG Köln, Urt. v. 19.03.2013 – 14 K 6709/09 –, juris-Rn. 43. 373  Schell, Anspruch auf polizeiliches Einschreiten oder Angriff gegen eine poli­ zeiliche Erlaubnis, S. 52. 374  VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn. 23. 375  Zu den gängigen Abgrenzungstheorien zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 10 ff.; Peine/Siegel, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn.  31 ff.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln151

Nicht vorbringen lässt sich hiergegen der Einwand, wonach infolge eines strafrechtlichen Schutzes einzelne subjektive Rechte durchaus sowohl privat­ rechtlich als auch öffentlich-rechtlich verankert seien. Der etwaige strafrecht­ liche Schutz eines subjektiven Rechts lässt dessen privatrechtlichen Ursprung gänzlich unberührt. Denn die flankierende Strafrechtsnorm setzt insoweit das Bestehen eines subjektiven Rechts voraus und vermag ein solches nicht selbst zu begründen. So bestimmt sich beispielsweise der Schutzinhalt eines Markenrechts allein nach den privatrechtlichen Vorschriften der §§ 14 ff. MarkenG, wodurch diese Normen376 das subjektive Recht überhaupt erst konstituieren. Die Strafrechtsnorm des § 143 MarkenG sichert dieses privat­ rechtlich begründete Recht zusätzlich ab, ohne sich indes selbst konstituie­ rend auszuwirken. Die Hauptaufgabe des Strafrechts lässt sich in dem Schutz von (strafrechtlichen) Rechtsgütern377 erkennen378, weshalb der Erlass einer Strafvorschrift nur dort einen Sinn ergibt, wo bereits subjektive Rechte und Rechtsgüter bestehen. Würde eine Strafvorschrift die von ihr geschützte Rechtsposition erst begründen, würde sie letztlich allein um ihrer selbst wil­ len bestehen. Die von der allgemeinen Meinung für den Bereich des Polizeirechts be­ mühte Definition eines privaten Rechts stimmt nach alldem mit der im all­ gemeinen Verwaltungsrecht vorzufindenden Definition eines subjektiven privaten Rechts überein. dd) Subjektive öffentliche Rechte kein Bestandteil der öffentlichen Sicherheit Davon ausgehend wäre rechtslogische Voraussetzung für eine Differenzie­ rung zwischen (subjektiv-)privaten einerseits und subjektiven Rechten ande­ rerseits auf dem Gebiet des Polizeirechts, dass nicht nur subjektive private Rechte, sondern auch subjektive öffentliche Rechte unter das polizeiliche Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter subsu­ miert werden könnten. Würden subjektive öffentliche Rechte nämlich über­ 376  Der Umstand, dass mit den §§ 14 f. MarkenG mehrere Vorschriften den Schutz­ inhalt des Markenrechts bestimmen, steht nicht im Widerspruch zu der vorstehend getätigten Aussage, dass jedes subjektive Recht aus einer bestimmten Rechtsnorm abgeleitet wird. Die einzelnen Vorschriften sind insoweit als einheitliche Rechtsnorm anzusehen, weil insoweit nicht die unterschiedliche Paragraphen-Nummerierung, son­ dern der korrelierende Regelungsgehalt der Normen entscheidend ist. 377  Der strafrechtliche Rechtsgutbegriff ist nicht mit dem hier verwendeten Begriff des Rechtsguts identisch; zur (kaum überschaubaren) Diskussion um den strafrechtli­ chen Rechtsgutbegriff siehe nur Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, I, § 2 Rn. 2. 378  Roxin/Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil, I, § 2 Rn. 1 ff. und 7; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, § 1 III.1, S. 7.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

haupt nicht diesem Teilschutzgut der öffentlichen Sicherheit unterfallen, würde von vornherein feststehen, dass es sich bei jedem durch das Polizei­ recht geschützten subjektiven Recht zugleich um ein subjektives privates ­respektive privates Recht handelt. Eine weitergehende Unterscheidung zwi­ schen privaten und subjektiven Rechten würde sich hiermit erübrigen, weil mit der Nennung des Oberbegriffs das in Rede stehende subjektive Recht zugleich als ein subjektives privates Recht bzw. privates Recht identifiziert wäre. Im Hinblick auf die Zugehörigkeit subjektiver öffentlicher Rechte zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gilt es nun zu differenzieren. Während die Grundrechte durchaus zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zu zäh­ len sind379, trifft dies auf einfach-gesetzlich begründete subjektive öffentliche Rechte nicht zu. Da der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts vor­ nehmlich der Abgrenzung zum objektiven Recht respektive den im Privat­ recht begründeten Rechten dient, werden mit diesem nach traditioneller Lesart ausschließlich die einfach-gesetzlich begründeten Rechte erfasst und grundrechtliche Positionen ausgeblendet.380 Diese Terminologie soll auch hier zugrunde gelegt werden. Denn sämtliche subjektiven Rechte und Rechts­ güter, deren Unverletzlichkeit zum Teilschutzgut der öffentlichen Sicherheit erhoben wird, sind grundrechtlich abgesichert. Dies ist bei den geschützten Rechtsgütern des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit offensichtlich, gilt aber ebenso auch für privatrechtliche Forderungen, die den grundrechtli­ chen Schutz der in Art. 14 GG normierten Eigentumsgarantie genießen.381 Würde die grundrechtliche Absicherung nun zum Anlass genommen, die genannten Rechte im polizeirechtlichen Kontext als subjektive öffentliche Rechte zu bezeichnen, müsste konsequenterweise bei jedem subjektiven Recht oder Rechtsgut von einem subjektiven öffentlichen Recht gesprochen werden, sodass für die Annahme von subjektiven privaten oder privaten Rechten begrifflich kein Raum mehr bleiben würde.382 Wird der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts dementsprechend auf einfach-rechtliche Rechtspositionen reduziert, fallen diese aus dem Schutzgut 379  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 51; Heckmann, in: Becker/Heckmann/ Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 101; zur Eigenschaft der Grundrechte als subjektiven Rechten, Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 14. 380  Scharl, Die Schutznormtheorie, Historische Entwicklung und Hintergründe, S.  169 f.; Henke, Das subjektive öffentliche Recht, S. 51 f.; Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 54; kritisch zu dieser Terminologie, Eisele, Subjektive öffentliche Rechte auf Normerlaß, S. 37. 381  Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 24. 382  Aus diesem Grund blendet auch die Ausschließlichkeitstheorie zur Bestim­ mung der von den Privatrechtsklauseln geschützten privaten Rechten einen etwaigen grundrechtlichen Schutz aus, siehe oben unter B.IV.3.a).



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln153

der öffentlichen Sicherheit heraus.383 Subjektive öffentliche Rechte gewähren dem Einzelnen die Rechtsmacht, „vom Staat zur Verfolgung eigener Interes­ sen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können“384 und richten sich infol­ gedessen ausschließlich gegen den Staat. Aus diesem Grund liefe jede poli­ zeiliche Maßnahme zum Schutz eines subjektiven öffentlichen Rechts auf ein Einschreiten gegen einen anderen Hoheitsträger, mithin den Staat selbst, hin­ aus. Denn vermag die aus einem subjektiven öffentlichen Recht folgende Verpflichtung allein durch den Staat erfüllt zu werden, ist auch nur der Staat in der Lage das subjektive öffentliche Recht (durch Nichtbefolgung der ihn daraus treffenden Verpflichtung) zu gefährden respektive zu verletzen. Ungeachtet der Frage, ob das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht An­ ordnungen gegenüber Hoheitsträgern grundsätzlich zulässt385, muss ein poli­ zeilicher Schutz von sich ausschließlich gegen den Staat richtenden Rechten a priori ausscheiden. Gewährt ein subjektives öffentliches Recht dem Einzel­ nen das Recht vom Staat ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können, kann nicht der Staat selbst über die Einhaltung dieses Rechts wachen. In dem 383  Soweit vereinzelt subjektive öffentliche Rechte zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gezählt werden (Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 90; Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 72; Horn, in: Gornig/Horn/Will, 2. Teil Rn. 278 f.), dürfte dies darauf zurückzuführen sein, dass abweichend von der hier gebrauchten Terminologie auch Grundrechte zu den subjektiven öffentlichen Rechten gezählt werden. Denn die genannten Autoren nennen als Beispiel für die von der öf­ fentlichen Sicherheit umfassten subjektiven Rechte und Rechtsgüter ausschließlich solche Positionen, die auch nach der hier vertretenen Auffassung zur öffentlichen Si­ cherheit gezählt werden. Dies dürfte auch für Kingreen/Poscher gelten, denen zufolge sich die der öffentlichen Sicherheit unterfallenden subjektiven öffentlichen Rechte zwar nicht in den Grundrechten erschöpfen („zur Ausübung subjektiver Rechte des öffentlichen Rechts gehört auch und gerade die Ausübung der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte“, Hervorhebung nur hier), die aber ebenfalls ein Beispiel für ein einfach-gesetzliches subjektives öffentliches Recht schuldig bleiben und inso­ weit lediglich „Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum“ anführen, dies., Polizeiund Ordnungsrecht, jeweils § 7 Rn. 21; ähnlich auch Horn, in: Gornig/Horn/Will, 2. Teil Rn. 278 f., demzufolge „natürlich auch die Grundrechte“ zu den vom Schutz­ gut der öffentlichen Sicherheit erfassten subjektiven öffentlichen Rechten zählten. Lediglich Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 31 nennt explizit „Genehmigungen und Erlaubnisse“ als Beispiele für „öffentliche Rechte“, die eben­ falls der Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG unterfielen und deshalb als private Rechte im Sinne der Privatrechtsklauseln anzusehen seien. Ob Holzner durch die – richtige – Subsumtion subjektiver öffentlicher Rechte unter den verfassungsrechtlichen Eigen­ tumsbegriff diese tatsächlich zum polizeilichen Schutzgut der öffentlichen Sicherheit erheben möchte, erscheint dennoch fraglich, da die „öffentlichen Rechte“ in einer Reihe mit zahlreichen weiten Beispielen genannt werden und ihre Zugehörigkeit zum Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter nicht näher be­ gründet wird. 384  Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 2. 385  Hierzu Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 337 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

gewaltenteilenden Rechtsstaat überwacht sich die staatliche Gewalt nicht selbst, sondern diese Überwachungsfunktion wird von einer unabhängigen Kontrollinstanz, der Judikative, ausgeübt.386 Folgerichtig garantiert Art. 19 Abs. 4 GG dem Bürger im Falle der Verletzung eines seiner subjektiven ­öffentlichen Rechte387 die Eröffnung des Rechtswegs und lässt damit erken­ nen, dass der Schutz subjektiver öffentlicher Rechte nach der Konzeption des Grundgesetzes nicht durch die Exekutive, sondern die Judikative gewährleis­ tet wird. Diese Aufgabenverteilung ist verfassungsrechtlich zwingend. Sub­ jektive öffentliche Rechte, die aus (einfach-gesetzlichen) öffentlich-recht­ lichen Rechtsnormen, d. h. Hoheitsakten der Legislative, abgeleitet werden, begründen in erster Linie Verpflichtungen der Exekutive.388 Die Kontrolle, ob die Letztere ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt, obliegt in einem Rechtsstaat nicht der Polizei, die ihrerseits selbst Teil der Exekutive ist, sondern allein der Judikative. Aus diesem Grund können subjektive öf­ fentliche Rechte nicht unter das polizeiliche Teilschutzgut der Unverletzlich­ keit subjektiver Rechte und Rechtsgüter subsumiert werden.389 Als Resümee kann demgemäß konstatiert werden, dass es sich bei den durch die öffentliche Sicherheit geschützten subjektiven Rechten ausschließ­ lich um subjektive private Rechte handelt, die ihrerseits mit den in den Pri­ vatrechtsklauseln genannten privaten Rechten identisch sind.390 386  Zugegebenermaßen übt auch die Judikative staatliche Gewalt aus, sodass sich der Staat letztendlich doch „selbst überwacht“; freilich kommt der Judikative auf­ grund ihrer verfassungsrechtlich abgesicherten Unabhängigkeit (Art. 97 GG) eine Sonderrolle zu, die den Vorwurf einer staatlichen „Selbstüberwachung“ unberechtigt erscheinen lässt. 387  Subjektive öffentliche Rechte stellen den Hauptanwendungsfall der Rechts­ schutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG dar. Subjektive private Rechte unterfallen der Norm nur in der (seltenen) Konstellation, dass sie auch gegenüber der öffentlichen Gewalt wirken und dadurch von ihr verletzt werden können, Papier, in: HStR, VIII, § 177 Rn. 46; Kloepfer, Verfassungsrecht, II, § 74 Rn. 17 sowie Fn. 34. 388  Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 8: „Rechtspflicht der Verwaltung“. 389  Die Richtigkeit dieses Befunds ergibt sich auch aus der folgenden Überlegung: Bei dem Anspruch auf polizeiliches Einschreiten handelt es sich ebenfalls um ein subjektives öffentliches Recht (Schell, Anspruch auf polizeiliches Einschreiten oder Angriff gegen eine polizeiliche Erlaubnis, S. 59: „subjektiv-öffentlich-rechtlicher An­ spruch auf polizeiliches Einschreiten“). Würde dieser nun dem Schutzgut der öffent­ lichen Sicherheit unterfallen, würde die Polizei, sofern sie trotz eines bestehenden Anspruchs auf Einschreiten untätig bleiben sollte, selbst eine Gefahr für die öffentli­ che Sicherheit verursachen, die ihrerseits wiederum einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten auslösen würde. 390  Zu diesem Schluss müsste konsequenterweise auch Gusy als Anhänger der Ausschließlichkeitstheorie kommen. Ihm zufolge seien private Rechte zunächst „alle Rechte, die keine subjektiven öffentlichen Rechte sind, also durch das bürgerliche Recht begründete Rechte“ (ders., Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 91). Da mit der



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln155

d) Ergebnis Angesichts der aufgezeigten Identität von privaten und subjektiven Rech­ ten ermangelt der Begriffsteil „privat“ einer eigenständigen Bedeutung und kann infolgedessen nicht als normativer Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung herangezogen werden. Die Kernthese der allgemeinen Meinung findet im Wortlaut der Pri­ vatrechtsrechtsklauseln somit keine Stütze. 3. Ergebnisse der grammatikalischen Auslegung Die Ergebnisse der grammatikalischen Auslegung können wie folgt zu­ sammengefasst werden: Ob mit dem Begriffsteil Rechte private Rechtsgüter aus dem Anwendungs­ bereich der Privatrechtsklauseln ausgeschlossen werden, konnte anhand des übrigen Wortlauts der Vorschriften nicht eruiert werden. Hingegen konnte herausgearbeitet werden, dass der von der allgemeinen Meinung angenommene Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objekti­ ven Rechtsordnung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter im textlichen Befund der Privatrechtsklauseln nicht angelegt ist. So konnte die auf den Begriffsteil „privat“ gestützte Argumentation der An­ hänger der Ausschließlichkeitstheorie insofern widerlegt werden, als aufge­ zeigt wurde, dass diesem Begriffsteil keine eigenständige Bedeutung zu­ kommt und sich die in den Vorschriften genannten privaten Rechte in keiner Formulierung „alle Rechte“ alle subjektiven Rechte gemeint sein müssen (denn es gibt keine objektiven Rechte, sondern lediglich das objektive Recht), bleiben nach Ausscheiden der subjektiven öffentlichen Rechte zwangsläufig nur subjektive private Rechte für die Bezeichnung als private Rechte übrig. Indem Gusy private Rechte nun anschließend als „ausschließlich im bürgerlichen Recht begründeten Rechte“ definiert (ders., a. a. O., Rn. 92, Hervorhebung nur hier), setzt er sich mit seiner erstgenannten Aussage selbst in Widerspruch. Die Existenz eines ausschließlich im bürgerlichen Recht begründeten Rechts würde nämlich voraussetzen, dass Rechte auch gleichzeitig sowohl im öffentlichen als auch im bürgerlichen Recht begründet sein könnten. Wür­ den derlei subjektiv-öffentliche-private Rechte nun aber existieren, wären diese nach der ersten Aussage Gusys ebenfalls als private Rechte anzusehen, da er mit dieser Aussage nur subjektive öffentliche (und nicht auch subjektive-öffentliche-private) Rechte aus dem Kreis der subjektiven Rechte herausgenommen hat. Letztendlich können die Ausführungen Gusys deswegen sinnbildlich für die Argumentationsschwä­ chen der allgemeinen Meinung herangezogen werden. Zur These, dass mit den von Gusy gebrauchten Formulierung „alle Rechte“ alle subjektiven Rechte gemeint sein müssen, siehe auch Merscher, der die Aussage Gusys aufgreift und wie folgt be­ schreibt: „Privat sind alle subjektiven Rechte, die keine öffentlichen Rechte sind, na­ mentlich alle durch das Bürgerliche Recht begründeten Rechte“, Merscher, Die Ver­ zahnung von Straf- und Zivilrecht im Kampf gegen häusliche Gewalt, S. 186.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Weise von den subjektiven Rechten unterscheiden, deren Unverletzlichkeit gemeinhin zum Bestandteil der öffentlichen Sicherheit gezählt wird. 4. Ausgangslage für die weitere Untersuchung Im Ergebnis legt der sprachliche Befund der Privatrechtsklauseln eine in zweierlei Hinsicht von der allgemeinen Meinung abweichende Auslegung nahe. Zum einen erscheint es denkbar, anhand einer Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern den grundrechtssensiblen Bereich des polizeili­ chen Schutzes höchstpersönlicher Rechtsgüter wie dem Leben oder der kör­ perlichen Unversehrtheit aus dem Anwendungsbereich der Privatrechtsklau­ seln herauszunehmen. Zum anderen lässt der Wortlaut als äußerste Grenze jedweder Auslegung391 es zu, den Vorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung aufzugeben und die Vorschriften bei einem polizeilichen Tä­ tigwerden zum Schutz privater Rechte ungeachtet einer gleichzeitig beste­ henden Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung anzu­ wenden. Zwischen diesen beiden Aspekten unterscheidend soll die weitere Ausle­ gung der Privatrechtsklauseln im Folgenden jeweils zunächst auf die Diffe­ renzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern ausgerichtet werden, um sich in einem zweiten Schritt sodann dem durch die Ausschließlichkeitstheorie postulierten Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung zu widmen. Lediglich im Rahmen der abschließenden teleologischen Auslegung sollen ein hiervon abweichender Aufbau gewählt und beide Gesichtspunkte zusam­ menhängend betrachtet werden.

II. Historische Auslegung Das Begriffspaar der privaten Rechte tauchte – soweit ersichtlich – erst­ mals mit der entsprechenden Formulierung in § 1 Abs. 2 ME PolG im poli­ zeirechtlichen Kontext auf. Aus diesem Grund ist dem Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes bei der historischen Auslegung der Privatrechts­ klauseln maßgebliche Bedeutung beizumessen.

391  Zum Wortlaut als äußerster Grenze bei der Auslegung eines Straftatbestands, BVerfG, ­Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 –, BVerfGE 126, 170, 197; zum Wortlaut als Grenze der Auslegung bei sämtlichen Rechtsnormen, Larenz, Methoden­ lehre, S. 343.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln157

1. Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern Zunächst ist die historische Auslegung auf eine Differenzierung zwischen subjektiven Rechten und Rechtsgütern auszurichten. a) Unergiebigkeit der Gesetzgebungsgeschichte In der offiziellen Begründung des Musterentwurfs eines einheitlichen Po­ lizeigesetzes findet sich weder eine Erläuterung der Begrifflichkeit noch eine Klarstellung, wonach durch den Gebrauch der Formulierung „private Rechte“ der Schutz privater Rechtsgüter bewusst aus dem Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips herausgenommen werden sollte. Stattdessen heißt es dort recht lapidar: „Die Vorschrift verdeutlicht für den Bereich ‚Schutz priva­ ter Rechte‘ die subsidiäre Zuständigkeit der Polizei, wie sie in § 1a allgemein geregelt ist“.392 Bestimmungsgemäß fungierte die im Musterentwurf enthaltene Urform der Privatrechtsklauseln sodann als Vorbild für die entsprechenden landes­ rechtlichen Kodifikationen, sodass die Bezeichnung „private Rechte“ Einzug in die Polizeigesetze der alten Bundesländer erhielt.393 Da der Wortlaut des § 1 Abs. 2 ME PolG hierbei unverändert übernommen wurde, fallen die amt­ lichen Begründungen in den einzelnen Landesgesetzen entsprechend unergie­ big aus. So erschöpft sich etwa die amtliche Begründung zu § 1 Abs. 2 PolG NRW in einer sinngemäßen Wiederholung der Begründung zum Mus­ terentwurf: „Die Vorschrift verdeutlicht für den Bereich ‚Schutz privater Rechte‘ die subsidiäre Zuständigkeit der Polizei, wie sie in § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG allgemein geregelt ist“.394 Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung dienten die Polizeigesetze der alten Bundesländer anschließend als Vorbil­ der395 für die noch zu verabschiedenden Polizeigesetze der neuen Bundeslän­ der, wodurch der Begriff der privaten Rechte unbesehen auf die Gesetze der ostdeutschen Länder übertragen wurde. Nach Inkrafttreten des – später so bezeichneten – Bundespolizeigesetzes396 im Jahr 1994, für dessen in § 1 Abs. 4 BPolG enthaltene Privatrechtsklausel ebenfalls § 1 Abs. 2 ME PolG

392  Heise/Riegel,

ME PolG, S. 26. Verwirklichung des ME PolG, Rasch, DVBl. 1982, 126. 394  Nordrhein-Westfalen, LT-Drucks., 8/4080, S. 50. 395  Götz, NVwZ 1994, 652, 653. 396  Damals noch „Bundesgrenzschutzgesetz“, die Umbenennung in „Bundespoli­ zeigesetz“ erfolgte erst später durch das Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenz­ schutzes in Bundespolizei vom 21.06.2005, BGBl. I Nr. 39/2005, S. 1818. 393  Zur

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

als Vorlage diente397, fand sich die Begrifflichkeit schließlich in sämtlichen Polizeigesetzen wieder. Ohne jemals im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erläutert worden zu sein, waren die privaten Rechte damit zu einem entscheidenden Terminus der modernen Sicherheitsgesetzgebung geworden. Für die weitere Untersu­ chung muss deswegen festgehalten werden, dass sich aus der Gesetzgebungs­ geschichte keine Anhaltspunkte für eine bewusste Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern durch die historischen Gesetzgeber entnehmen lassen. b) Das historische Begriffsverständnis In einem nächsten Schritt soll sich dem historischen Begriffsverständnis zugewandt und untersucht werden, ob nach dem zum Zeitpunkt des Inkraft­ tretens der Privatrechtsklauseln vorherrschenden Sprachverständnis zwischen Rechten und Rechtsgütern differenziert wurde oder bereits damals die heute festzustellende synonyme Verwendung der beiden Begriffe geläufig war. Dahingehenden Erkenntnissen käme hinsichtlich der zu ermittelnden Rege­ lungsabsicht der historischen Gesetzgeber eine entscheidende Bedeutung zu.398 Da der Begriff der privaten Rechte letztendlich auf die entsprechende Formulierung in § 1 Abs. 2 PolG ME zurückzuführen ist, ist hierbei der Zeit­ raum um 1977, dem Jahr des Erscheinens des von der ständigen Konferenz der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder erarbeiteten Mus­ terentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes399, in den Blick zu nehmen. Üblicherweise bereitet die Eruierung eines historischen Sprachverständnis­ ses nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Zwar kommen als diesbezügliche Erkenntnisquellen neben anderen thematisch verwandten Gesetzen aus dem entsprechenden Zeitraum auch Gerichtsentscheidungen oder zeitgenössische polizeirechtliche Literatur in Betracht, doch bleibt deren Lektüre regelmäßig

397  Graulich,

in: Schenke/Graulich/Ruthig, BPolG, § 1 Rn. 16. Larenz ist das historische Begriffsverständnis bereits im Rahmen der grammatikalischen Auslegung einer Rechtsnorm zu berücksichtigen, weil der Gesetz­ geber bei Erlass einer Norm zwangsläufig nur von dem jeweils gegenwärtigen Sprachgebrauch ausgehen und kein zukünftiges, eventuell abweichendes, Begriffsver­ ständnis antizipieren könne, ders., Methodenlehre, S. 323, mit dem Hinweis auf eine Entscheidung des BGH, in der dieser zur Bestimmung des Begriffs des „Bergwerks­ besitzers“ auf den Sprachgebrauch des historischen Gesetzgebers abstellt (Urt. v. 14.07.1969 – III ZR 235/65 –, BGHZ 52, 259, 269). 399  Die erste Fassung des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes aus dem Jahr 1975 wurde 1976 und schließlich 1977 nochmals überarbeitet; zur Entste­ hungsgeschichte Rasch, in: Ule, ME PolG, Vorb. Rn. 1 f. 398  Nach



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln159

ergebnislos. Gleichwohl soll im Folgenden versucht werden, das historische Begriffsverständnis zu ermitteln. aa) Zeitgenössische Rechtsprechung Zunächst soll ein Blick auf die zeitgenössische Rechtsprechung geworfen werden. Gerichtsentscheidungen aus dem entsprechenden Zeitraum, in denen es entscheidend auf die Privatrechtsklauseln ankam oder in denen die Vorschrif­ ten zumindest erwähnt wurden, lassen sich nur vereinzelt finden. Genannt werden kann an dieser Stelle zunächst das bereits in anderem Zusammen­ hang angeführte Urteil des VG Freiburg400 aus dem Jahr 1979, welches das Abschleppen eines ordnungswidrig abgestellten Kraftfahrzeugs zum Gegen­ stand hatte. Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern sind diesem nicht zu entnehmen, weil sich das Gericht insoweit mit der schlichten Feststellung begnügte, es handele sich bei dem in Rede stehenden „Besitz-, d. h. des Nutzungsrechts sowohl am PKW […] als auch an der Garage“ um ein privates Recht.401 Ebenso unergiebig im Hinblick auf den Begriff des privaten Rechts bleibt ein Urteil des VG Berlin402 von 1981, in dem es um die zwangsweise Be­ endigung einer Hausbesetzung ging und dem für den hier interessierenden Zusammenhang lediglich entnommen werden kann, dass nach Auffassung des VG Berlin das Eigentum bzw. Hausrecht an dem besetzten Haus ein privates Recht darstelle.403 Keine Hinweise auf die Auslegung des Begriffs enthält schließlich die wei­ terhin zu nennenden Entscheidungen des VG Bremen404 aus dem Jahr 1976, die einen Antrag auf ordnungsbehördliches Einschreiten gegen die Nutzung eines Grundstücks zum Wintersport betraf. Dagegen lässt eine Entscheidung des OVG Berlin405 aus dem Jahr 1980 ohne Weiteres die synonyme Verwendung der Begriffe Rechte und Rechtsgü­ ter erkennen. Wörtlich führt das OVG Berlin hierzu aus:

400  VG Freiburg, Urt. v. 03.04.1979 – VS.VI 454/77 –, DVBl. 1979, 745; hierzu schon in Fn. 67 und 175. 401  VG Freiburg, a. a. O., DVBl. 1979, 745, 745 f. 402  VG Berlin, B ­ eschl. v. 06.04.1981 – 1 A 87/81 –, NJW 1981, 1748, 1748 f. 403  Zum dem sich infolge der Verwirklichung des § 123 StGB ergebenden Wider­ spruch zur allgemeinen Meinung bereits unter C.I.2.b). 404  VG Bremen, ­Beschl. v. 06.02.1976 – II V 25/1976 – DVBl. 1976, 720. 405  OVG Berlin, B ­ eschl. v. 13.03.1980 – 6 S 7.80 –, juris.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

„Trotz der in § 4 Abs. 2 ASOG geregelten Subsidiarität polizeilichen Schutzes ge­ genüber dem Schutz privater Rechte durch die Gerichte ist aus dieser Vorschrift zu folgern, daß unter Umständen auch Individualrechtsgüter in das Schutzgut der öf­ fentlichen Sicherheit einbezogen sind […].“406

Indem das OVG Berlin die Zugehörigkeit von „Individualrechtsgütern“ zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit mit Verweis auf die in § 4 Abs. 2 ASOG a. F. genannten „privaten Rechte“ begründet, muss es zwangsläufig von einer Übereinstimmung der beiden Begriffe ausgegangen sein. bb) Zeitgenössische Literatur Nicht weiterführen vermag die Lektüre der zeitgenössischen Literatur. So beschränken sich die Kommentierungen des Musterentwurfs eines einheitli­ chen Polizeigesetzes auf eine Erläuterung des in § 1 Abs. 2 ME PolG enthal­ tenen Subsidiaritätsprinzips und geben keinerlei Hinweis auf eine etwaige Differenzierung zwischen Rechten einerseits und Rechtsgütern anderer­ seits.407 cc) Zeitgenössische parallele Gesetzgebung Bei einem Blick auf die Gesetzgebung des entsprechenden Zeitraums fällt auf, dass sich der Begriff des privaten Rechts gleichermaßen in der Muster­ bauordnung von 1981408 findet. In § 69 Abs. 4 ME BauO 1981, der Grund­ norm zur Baugenehmigung, heißt es: „Die Baugenehmigung wird unbescha­ det der privaten Rechte Dritter erteilt“. Eine entsprechende Formulierung findet sich auch heutzutage noch in fast allen Bauordnungen409, wobei die Formulierung „private Rechter Dritter“410 teilweise durch die Wendung „Rechte Dritter“411 ersetzt worden ist. 406  OVG Berlin,

a. a. O., juris-Rn. 12. Rasch, in: Ule, ME PolG, § 1 Rn. 54 f.; Wagner, PolG NRW/ME PolG, § 1 Rn. 147 f.; Gintzel, JA 1977, 385, 388. 408  Musterbauordnung in der Fassung vom 11. Dezember 1981, abrufbar auf der Homepage der Bauministerkonferenz unter: https://www.is-argebau.de/Doku­ mente/4238122.pdf (zuletzt abgerufen am 03.11.2020). 409  Lediglich in der niedersächsischen Bauordnung fehlt eine ausdrückliche Nor­ mierung, auch dort soll dieser Grundsatz indes nach wie vor Geltung beanspruchen, Kemper, in: BeckOK, Bauordnungsrecht Nds. BauO, § 70 Rn. 37. 410  So Art. 68 Abs. 4 BayBO; § 58 Abs. 3 LBO BW; § 67 Abs. 6 BbgBO; § 74 Abs. 5 HBO; § 70 Abs. 1 Satz 3 BauO RhPf; § 73 Abs. 4 LBO SL; § 73 Abs. 4 LBO SH; § 71 Abs. 4 ThürBO. 411  § 71 Abs. 4 BauOBln; § 72 Abs. 4 BremBO; § 72 Abs. 4 HamBauO; § 72 Abs. 5 LBauO M-V; § 72 Abs. 4 SöchsBO; § 71 Abs. 4 BauO LSA; § 74 Abs. 4 BauO NRW. 407  Siehe



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln161

Obschon das Bauordnungsrecht der Sache nach ebenso wie das Polizei­ recht eine Materie des (besonderen) Gefahrenabwehrrechts darstellt412, wird der in den einzelnen Bauordnungen verwendete Begriff der „privaten Rechte Dritter“ gänzlich anders ausgelegt als im Polizeirecht. So werden hierunter traditionell privatrechtliche Rechte vom am Baugrundstück Berechtigten413, von Nachbarn oder sonstigen Dritten verstanden, mithin private Rechtsver­ hältnisse des Bauherrn zu Dritten.414 Beispielhaft werden diesbezüglich Ei­ gentum, Erbbaurechte, Dienstbarkeiten und Grundpfandrechte genannt.415 Auch wenn die bauordnungsrechtlichen Begrifflichkeiten gewiss keine Ver­ bindlichkeit für den Bereich des Polizeirechts beanspruchen können416, so verdeutlichen die genannten Beispiele immerhin, dass im Bereich des Bau­ ordnungsrechts nur solche Rechtspositionen unter den Begriff des privaten Rechts subsumiert werden, die auch nach dem zutreffenden Begriffsverständ­ nis als Rechte anzusehen sind. Rechtsgüter wie das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit können demgegenüber schlecht­ hin nicht unter die entsprechenden Normen des Bauordnungsrechts gefasst werden. Denn der gesetzgeberische Zweck der genannten Vorschriften liegt darin, das Fehlen einer privatrechtsgestaltenden Wirkung durch die Erteilung einer Baugenehmigung klarzustellen.417 Eine rechtsgestaltende Wirkung kommt im Hinblick auf Rechtsgüter wie das Leben oder die körperliche Un­ versehrtheit von vornherein nicht in Betracht, da sich das Erteilen einer Baugenehmigung hierauf notwendigerweise nicht gestaltend auszuwirken vermag.418 Der Ausschluss einer rechtsgestaltenden Wirkung im Hinblick auf Rechtsgüter wäre demnach reine Makulatur. Da dem bauordnungsrechtlichen Begriffsverständnis aufgrund der unter­ schiedlichen Zielsetzungen von Polizei- und Bauordnungsrecht für die hie­ sige Untersuchung nur eine geringe Aussagekraft zukommen kann, verbietet es sich, aus diesem Befund den Schluss zu ziehen, dass auch die historischen 412  So

ausdrücklich § 58 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. in: Busse/Kraus, BayBauO, Art. 68 Rn. 452; Greim-Diroll, in: BeckOK, Bauordnungsrecht Bayern, BauO, Art. 68 Rn. 71. 414  Kemper, in: BeckOK, Bauordnungsrecht Nds., BauO, § 70 Rn. 38. 415  Decker, in: Busse/Kraus, BayBauO, Art. 68 Rn. 453 f. 416  Nichtsdestoweniger scheinen Gusy/Worms die in § 1 Abs. 2 PolG NRW ge­ nannten privaten Rechte mit jenen der Vorgängerregelung des § 74 Abs. 4 BauO NRW (§ 75 Abs. 3 BauO NRW 2000: „private Rechte“) gleichzusetzen, siehe Gusy/ Worms, in: BeckOK, PolR NRW, OBG, § 1 Rn. 10. 417  Will, Öffentliches Baurecht, Rn. 656; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Ver­ waltungsrecht, Rn. 1314. 418  Von den rechtsgestaltenden Wirkungen einer Baugenehmigung ist die Frage zu unterscheiden, ob sich die spätere Ausführung eines Bauvorhabens faktisch auf die Rechtsgüter anderer auswirken kann (bspw. Schattenwurf eines Gebäudes, Immissio­ nen eines Gewerbes). 413  Decker,

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Gesetzgeber der Polizeigesetze mit den Privatrechtsklauseln ausschließlich Rechte und nicht auch Rechtsgüter dem Subsidiaritätsprinzip unterstellen wollten. Vollkommen fruchtlos erscheint der hier vorgenommene Blick auf das Bauordnungsrecht dennoch nicht. So ließ dieser immerhin erkennen, dass es durchaus nicht zwingend ist, Rechtsgüter in den Begriff des Rechts einzu­ schließen. dd) Ergebnis Letztendlich vermochte nicht geklärt zu werden, ob nach dem bei Inkraft­ treten der Privatrechtsklauseln respektive bei Erarbeitung des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes vorherrschenden Sprachgebrauch zwi­ schen Rechten und Rechtsgütern differenziert wurde oder die beiden Begriffe bereits damals – wie heute auf dem Gebiet des Polizeirechts üblich – als Synonyme verwendet wurden. Rückschlüsse auf die Regelungsabsicht der historischen Gesetzgeber lassen sich der historischen Auslegung insoweit mithin nicht entnehmen. c) Rechtsprechung des PrOVG als Ursprung des Begriffs des privaten Rechts Der Beweggrund der seinerzeitigen Innenministerkonferenz, das in § 1 Abs. 2 ME PolG enthaltene Subsidiaritätsprinzip normativ ausgerechnet an den Begriff der privaten Rechte anzuknüpfen, dürfte in der Rechtsprechung des PrOVG zu finden sein. So umschrieb das PrOVG den Bereich, der auf­ grund des Subsidiaritätsprinzips dem polizeilichen Handeln entzogen sei, stets mit Formulierungen wie „privatrechtliche Streitigkeiten“419, „privat­ rechtliche Verhältnisse“420 oder schlichtweg „Fragen des Privatrechts“421. Wenngleich nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, ob die Wortwahl des PrOVG die Innenministerkonferenz bei der Fassung des § 1 Abs. 2 ME PolG tatsächlich inspiriert hat, dürfte dieser Schluss angesichts der Klang­ ähnlichkeit der Formulierungen naheliegen. Zumal der Begriff des 419  PrOVG, Urt. v. 08.07.1907 – IV A 20/05 –, PrOVGE 51, 403, 406; Urt. v. 27.09.1900 – IV C 194/99 –, PrOVGE 38, 447, 453; Urt. v. 07.04.1897 – IV A 143/96 –, PrOVGE 32, 421, 423; PrOVG, Urt. v. 04.12.1878 – I A 27/78 –, PrOVGE 4, 419, 422. 420  PrOVG, Urt. v. 20.04.1922 – I A 27/21 –, PrOVGE 77, 333, 336, in dem inso­ weit auch von „privatrechtlichen Beziehungen“ gesprochen wird; Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, 446; Urt. v. 18.09.1878 – I C 158/78 –, PrOVGE 4, 414, 418. 421  PrOVG, Urt. v. 04.12.1878 – I A 27/78 –, PrOVGE 4, 419, 422.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln163

privaten Rechts – soweit ersichtlich – bis dahin im polizeirechtlichen Kon­ text noch keine Verwendung gefunden hatte. Dürfte der Begriff somit auf die Rechtsprechung des PrOVG zurückzuführen sein, kommt im Rahmen der historischen Auslegung nun auch dem Begriffsverständnis des PrOVG ent­ scheidende Bedeutung zu. Wie bei genauer Lektüre der einschlägigen Urteile des PrOVG erkennbar wird, betrafen sämtliche Entscheidungen den Schutz solcher Rechtspositio­ nen, die nach der hier herangezogenen Terminologie als Rechte und nicht als Rechtsgüter anzusehen sind. Auffällig ist dabei, dass in ausnahmslos jedem der entschiedenen Fälle das polizeiliche Einschreiten dem Schutz des Eigen­ tums diente422, mag dieses vereinzelt auch in Gestalt von besonderen Aus­ prägungen wie Pfandrechten423 oder dinglichen bzw. vertraglichen Ansprü­ chen424 gefährdet gewesen sein. Demgegenüber sind Entscheidungen, in de­ nen das PrOVG auch das polizeiliche Einschreiten zum Schutz von Rechts­ gütern am Subsidiaritätsprinzip gemessen hat, nicht ersichtlich. Angesichts dieses Befunds liegt es nun nahe, dass das PrOVG bei der Entwicklung des Subsidiaritätsprinzips den polizeilichen Schutz von Rechts­ gütern wie des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit gar nicht vor Augen gehabt hat, sondern jenes von vornherein nur auf den Schutz von Rechten erstreckt wissen wollte. Denn schon rein sprachlich sind die vom PrOVG für die Umschreibung des Subsidiaritätsprinzips gewählten Formu­ lierungen mit dem Schutz von Rechtsgütern kaum in Einklang zu bringen. So erschiene es sprachlich mindestens holprig, etwa den Schutz des Lebens

422  PrOVG, Urt. v. 20.04.1922 – I A 27/21 –, PrOVGE 77, 333; Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441; Urt. v. 28.10.1910 – I B 7/10 –, PrOVGE 58, 264; Urt. v. 08.07.1907 – IV A 20/05 –, PrOVGE 51, 403; sowie Urt. v. 17.05.1901 – I A 163/00 –, PrOVGE 39, 396, in dem das Gericht entgegen des klägerischen Vorbrin­ gens keine Gefahr für die Gesundheit von Schulkindern erkannte, sondern lediglich das Eigentum des Nachbarn als betroffenes Recht ansah, zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt noch in Fn. 425; ähnlich Urt. v. 27.09.1900 – IV C 194/99 –, PrOVGE 38, 447, in dem das Gericht ebenfalls allein auf eine Betroffenheit des Grundstückeigentums abstellte, zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt noch in Fn. 425; siehe schließlich auch Urt. v. 29.09.1900 – III A 41/99 –, PrOVGE 38, 291; Urt. v. 07.04.1897 – IV A 143/96 –, PrOVGE 32, 421; Urt. v. 11.02.1887 – II A 39/86 –, PrOVGE 14, 378. 423  PrOVG, Urt. v. 18.09.1878 – I C 158/78 –, PrOVGE 4, 414. 424  PrOVG, Urt. v. 13.03.1903 – I A 173/02 –, PrOVGE 43, 428, Schutz des An­ spruchs auf Erbringung der Dienstleistung durch Aufforderung an einen Dritten, der das Gesinde ebenfalls unter Vertrag genommen hatte, das Gesinde zu entlassen; Urt. v. 26.03.1881, PrOVGE 7, 374, Schutz des Anspruchs auf Herausgabe eingebrachter Gegenstände nach Beendigung des Gesindevertrags [Anm.: Die Entscheidung wird in der amtlichen Sammlung ohne Aktenzeichen wiedergegeben].

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

vor dem Übergriff eines Dritten als eine „privatrechtrechtliche Streitigkeit“ zu bezeichnen. Allerdings, dies bleibt unbedingt klarzustellen, findet sich in den Urteilen weder eine explizite Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern noch die unmissverständliche Feststellung, dass die Befugnis der Polizei zum Schutz von Rechtsgütern nicht am Subsidiaritätsprinzip zu messen sei. Dabei hätten einzelne Entscheidungen zu dieser Klarstellung durchaus Anlass gege­ ben.425 Deshalb muss der Blick auf die Rechtsprechung des PrOVG hinsicht­ lich der Unterscheidung von Rechten und Rechtsgütern letztendlich ergebnis­ los bleiben. 2. Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung Im Hinblick auf den Vorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsord­ nung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter ist die historische Auslegung der Privatrechtsklauseln ein Stück weit bereits vorweggenommen worden, indem der Ursprung der Ausschließlichkeitstheo­ rie auf den vom PrOVG entwickelten Vorbehalt der Abwehr strafbarer Hand­ lungen zurückgeführt wurde.426 Wie bei einer kleinschrittigen Betrachtung der historischen Entwicklung des Subsidiaritätsprinzips deutlich wird, stellte sich der Anwendungsprimat der objektiven Rechtsordnung bei Inkrafttreten der Privatrechtsklauseln nun jedoch keinesfalls als ein gefestigter Grundsatz des Polizeirechts dar. Diese 425  In dem Urt. v. 17.05.1901 – I A 163/00 –, PrOVGE 39, 396, hatte die Polizei eine Grundstückseigentümerin zur Entfernung mehrerer hoher Bäume verpflichtet, weil die Bäume die Klassenräume des benachbarten Klosters verdunkelt hätten und aus den Bäumen Insekten in die Klassenräume gelangt seien, die polizeiliche Verfü­ gung stützte sich mithin auf den Schutz der Gesundheit der Schulkinder. Das PrOVG erklärte die Verfügung für rechtswidrig, da tatsächlich keine Gefahr für die Gesund­ heit der Schulkinder bestanden habe und es in Wirklichkeit ausschließlich um den Schutz des Eigentums des Klosters gegangen sei. Diesem Schutz stehe indes die Subsidiarität polizeilichen Handelns entgegen. Dem Urt. v. 27.09.1900 – IV C 194/99 –, PrOVGE 38, 447, lag ein Nachbarschaftsstreit zugrunde. Zum Schutz der Schulkinder einer kirchlichen Schule hatte die Polizei die Kirche dazu verpflichtet, an einer zu den Klassenräumen führenden Treppe ein Geländer anzubringen. Hiergegen wandte sich der Kläger, auf dessen Grundstück die Treppe um sieben Zentimeter he­ reinragte und der zuvor mittels einstweiliger Verfügung der Kirche das Anbringen eines Geländers untersagt hatte. Obwohl die polizeiliche Verfügung letztendlich allein die Gesundheit der die Treppe nutzenden Schulkindern bezweckte, ging das PrOVG auf diesen Aspekt allenfalls beiläufig ein und stellte maßgeblich auf das Verhältnis der beiden Grundstückseigentümer zueinander ab, das es wiederum als „privatrechtli­ che Streitigkeit“ bezeichnete. 426  Siehe oben unter D.I.1.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln165

Erkenntnis ist hierbei insoweit von Bedeutung, als bei Annahme eines gefes­ tigten Rechtsgrundsatzes davon ausgegangen werden könnte, dass die histo­ rischen Gesetzgeber diesen bei der Kodifikation der Privatrechtsklauseln stillschweigend in ihren Willen aufgenommen haben.427 a) Der Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen nach dem PrOVG Wenngleich bereits das PrOVG das von ihm entwickelte Subsidiaritäts­ prinzip hinter der polizeilichen Aufgabe der Straftatenverhütung zurücktreten ließ, unterscheidet sich der von ihm angenommene Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen im Detail doch erheblich von dem durch die heutige allgemeine Meinung angenommenen Vorrang der Unversehrtheit der objekti­ ven Rechtsordnung. Diesbezüglich ist zunächst unbedingt der historische Kontext der Recht­ sprechung des PrOVG zu beachten. Denn zu Zeiten des PrOVG existierten weitaus weniger Strafvorschriften als dies heute der Fall ist. So dürfte das PrOVG insbesondere nicht das weite Gebiet des Nebenstrafrechts im Blick gehabt haben, als es der Abwehr strafbarer Handlungen Vorrang gegenüber dem von ihm entwickelten Subsidiaritätsprinzip einräumte. Handelt es sich bei der zunehmenden Ausweitung des Nebenstrafrechts doch um eine jün­ gere Entwicklung428, die damals kaum abzusehen gewesen sein dürfte. Allein ob des fortschreitenden Erlasses strafrechtlicher Vorschriften ergibt sich da­ her ein erheblicher Unterschied zwischen der Ausgangslage für die Auffas­ sung des PrOVG und derjenigen für die heutige allgemeine Meinung. Manifestiert wird die Divergenz zwischen dem ursprünglichen Vorbehalt der Straftatenverhütung und dem von der Ausschließlichkeitstheorie heute angenommenen Anwendungsprimat der objektiven Rechtsordnung zudem durch einen weiteren Umstand. Während heutzutage im Hinblick auf die Verhütung drohender Straftaten allein auf die rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands abgestellt wird und sämtliche weiteren Aspekte der Strafbarkeit, wie etwa die Frage nach einem vorsätzlichen oder schuld­ haften Handeln, ausgeblendet werden, legte das PrOVG den von ihm entwi­ ckelten Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen ungleich enger aus. So ließ das PrOVG in einer Entscheidung aus dem Jahr 1910 erkennen, dass die rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Straf­ norm seiner Auffassung nach keinesfalls für die Annahme einer polizeili­

427  Zu der dahin lautenden Argumentation im Rahmen der historischen Auslegung einer Vorschrift, Möllers, Juristische Methodenlehre, § 4 Rn. 152 f. 428  Hierzu Rutkowski, in: Buddendiek/Rutkowski, Einführung VIII Rn. 31 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

chen Befugnis zu einem „Eingreifen in privatrechtliche Streitigkeiten“429 genüge. Der genannten Entscheidung lag hierbei folgende Konstellation zugrunde: Der Pächter eines Obstgartens hatte diesen an einen Dritten weiterverpachtet, obgleich ihm die Überlassung an einen Dritten vertraglich untersagt gewesen war. Als der Dritte anlässlich einer Kirmesfeier sodann eine Schaukel in ei­ nem Teil des Obstgartens errichten wollte, forderte ein vom Eigentümer des Obstgartens herangezogener Gendarm den Dritten zum Verlassen des Obst­ gartens auf. Im Prozess begründete der Dienstherr des Gendarmen dessen Aufforderung zum Verlassen des Grundstücks mit der Verhinderung eines strafbaren Hausfriedensbruchs bzw. einer Straftat nach § 9 des Feld- und Forstpolizeigesetzes, die – im Gegensatz zu § 123 StGB430 – auch das wider­ rechtliche Verweilen auf einem nicht befriedeten Grundstücken pönalisierte. Dieser Argumentation schloss sich das PrOVG nicht an, weil dem Dritten die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens nicht bewusst gewesen sei, er mithin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Wörtlich führt das PrOVG hierbei aus: „Läßt sich mithin gegen W das Bewußtsein der Widerrechtlichkeit seines Aufent­ halts im G.schen Garten nicht erweisen, so muß auch davon abgesehen werden, sein Verbleiben daselbst trotz des von G. erhobenen Einspruchs und der von R. an ihn gerichteten Aufforderung gemäß § 9 des Feld- und Forstpolizeigesetzes für strafbar zu erachten. Scheidet der Gesichtspunkt, daß der beklagte Beamte die Verhütung strafbarer Handlungen beabsichtigt gehabt habe und deshalb zu einem Vorgehen gegen W. befugt gewesen sei, aus diesen Erwägungen aus, so bleibt zu prüfen, ob der Konflikt deshalb begründet ist, weil R. einschreiten durfte, um eine dem G. drohende Gefahr von dessen Eigentum abzuwenden.“431

In der sich anschließenden Prüfung, ob das Einschreiten des Gendarmes mit der Abwehr einer für das Grundstückseigentum bestehenden Gefahr ge­ rechtfertigt werden konnte, zog das PrOVG sodann auch das Subsidiaritäts­ prinzip heran. Wie hierdurch ohne Weiteres erkennbar wird, würde der Ge­ sichtspunkt der Abwehr strafbarer Handlungen nach dem Verständnis des PrOVG allein dann zur Unanwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips führen, sofern das in Rede stehende Verhalten nach strafrechtlichen Maßstäben tat­ sächlich strafbar gewesen wäre. Gemessen daran hat der von der heutigen 429  So der amtliche Leitsatz der Entscheidung, PrOVG, Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441. 430  Zu den vom Straftatbestand des Hausfriedensbruchs geschützten Objekten ge­ hörte bereits damals neben Wohnungen, Geschäftsräumen und zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmten abgeschlossenen Räumen allein das „befriedete Be­ sitztum“; zur Historie dieses Begriffs Amelung, NJW 1986, 2075, 2076. 431  PrOVG, Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, 446 [Anm.: Die beteiligten Personen werden im Original durch die Anfangsbuchstaben ihres Nachna­ mens bezeichnet. Bei G. handelt es sich um den Eigentümer des Gartens, bei W. um den Pächter des Obstgartens und bei R. um den Gendarmen].



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln167

allgemeinen Meinung angenommene Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung mit der vom PrOVG vertretenen Ansicht selbst dann nicht mehr viel gemein, wenn der Erste auf seinen historischen Kern, das Zurück­ treten des Subsidiaritätsprinzips hinter der polizeilichen Aufgabe der Straf­ tatenverhütung, reduziert wird. Denn indem die Ausschließlichkeitstheorie insoweit die rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm genügen lässt, versteht diese den Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen ungleich weiter als es der Intention des PrOVG entsprechen würde. Überdies dürfte sich die Ausschließlichkeitstheorie noch weiter von der ursprünglichen Intention des Gerichts entfernt haben, indem sie die ursprüng­ lich auf den drohenden Verstoß gegen Strafvorschriften beschränkte Aus­ nahme des Subsidiaritätsprinzips auf sämtliche Vorschriften der objektiven Rechtsordnung ausgeweitet hat. So wird die vollständige Verdrängung des Subsidiaritätsprinzips durch jedes beliebige materielle Gesetz kaum Gegen­ stand der Überlegungen des PrOVG gewesen sein; zumal in der Unversehrt­ heit der objektiven Rechtsordnung als solcher zum damaligen Zeitpunkt noch kein polizeiliches Schutzgut erblickt wurde.432 Nach alldem bleibt festzuhalten, dass der Anwendungsvorrang der Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung zwar seinem Ursprung nach auf die Rechtsprechung des PrOVG zurückzuführen ist, sich in entscheidenden De­ tails aber gleichwohl erheblich von der Ansicht des Gerichts unterscheidet. b) Das Subsidiaritätsprinzip unter Geltung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes Obschon mit der Kodifikation des am 1. Juni 1931 in Kraft getretenen Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes an sich auch maßgeblich die vom PrOVG in seiner Rechtsprechung gewonnen Erkenntnisse in geschriebenes Recht umgesetzt worden waren433, trifft dies auf das Zurücktreten des Subsi­ diaritätsprinzips bei der Abwehr strafbarer Handlungen nicht zu. In der amt­ lichen Begründung zu § 14 PrPVG, in dem das vom PrOVG entwickelte Subsidiaritätsprinzip aufgegriffen wurde, heißt es vielmehr: „In letzterer Hinsicht [Anm.: Gemeint ist, dass die Gefährdung des Einzelnen von menschlichen Handlungen/Unterlassungen in Gestalt eines Bruchs einer Norm der 432  Sogar in der amtlichen Begründung zu § 14 PrPVG wurde der „Bruch der öf­ fentlichen […] Rechtsordnung“ noch als eine von mehreren möglichen Quellen von Bedrohungen für den Staat und seine Einrichtungen sowie Leben, Gesundheit, Frei­ heit, Ehre und Vermögen des Einzelnen aufgeführt und nicht als eigenständiges Schutzgut, hierzu Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 236. 433  Stolleis/Kremer, in: Lisken/Denninger, A. Rn. 51.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

öffentlichen oder privaten Rechtsordnung ausgeht] hat die Polizei allerdings nur tätig zu werden, soweit nicht die Zuständigkeit anderer Behörden, insbesondere der ordentlichen Gerichte oder der Strafverfolgungsbehörden gegeben ist, es sei denn, daß ein besonderer, auf andere Weise nicht zu beseitigender Notstand vorliegt.“434

Indem neben den ordentlichen Gerichten auch die Strafverfolgungsbehörde als Beispiel für eine gegenüber der Polizei vorrangig zuständige Behörde genannt wird, steht fest, dass sich die Wendung „in letzterer Hinsicht“ so­ wohl auf den Bruch einer Norm der privaten Rechtsordnung als auch auf denjenigen einer Norm der öffentlichen Rechtsordnung beziehen muss. Denn bei dem bloßen Verstoß gegen eine Norm der Privatrechtsordnung ist eine Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden überhaupt nicht denkbar. Aus diesem Grund muss der Gesetzgeber des Preußischen Polizeiverwaltungsge­ setzes auch im Falle eines Verstoßes gegen die öffentliche Rechtsordnung von einer Geltung des Subsidiaritätsprinzips ausgegangen sein. Die amtliche Begründung lässt ebenfalls keine Auslegung zu, wonach sich die vorrangige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit lediglich auf den Bruch der Privatrechtsordnung und die der Strafverfolgungsbehörden allein auf den Bruch der öffentlichen Rechtsordnung bezieht. Zum einen spricht gegen eine solche Auslegung bereits die Syntax der amtlichen Be­ gründung. Während die öffentliche Rechtsordnung im ersten Teil des Satzes vor der privaten Rechtsordnung genannt wird, werden die Strafverfolgungs­ behörden im zweiten Teil nach den ordentlichen Gerichten aufgeführt. Hätte der Gesetzgeber die vorrangige Zuständigkeit der genannten Behörden je­ weils entweder nur auf die private oder die öffentliche Rechtsordnung erstre­ cken wollen, hätte es nahe gelegen, Behörden und Rechtsordnungen in der gleichen Reihenfolge aufzuführen und diese nicht umzukehren. Zum anderen spricht auch der rein beispielhafte Charakter („insbesondere“) der Aufzäh­ lung dagegen, die Zuständigkeit der aufgeführten Behörden jeweils nur auf einen Aspekt der Rechtsordnung zu beschränken. Der vom PrOVG entwickelte Vorbehalt der Abwehr strafbarerer Handlun­ gen hatte nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers demnach keinen Einzug in das Preußische Polizeiverwaltungsgesetz erhalten. Der Verdacht, dass abweichend von der Rechtsprechung des PrOVG das Subsidiaritätsprinzip auch bei der Abwehr strafbarer Handlungen zur Anwen­ dung kommen sollte, wird schließlich bei einem Blick in die Kommentierun­ gen des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes weiter genährt. Im Rahmen der Ausführungen zum polizeilichen Schutz privater Rechte findet sich kei­ nerlei Hinweis auf diesen vom PrOVG noch in ständiger Rechtsprechung

434  Abgedruckt

etwa bei Scheer/Trubel, PrPVG, II.2 (S. 102).



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln169

angenommenen Dispens.435 Vielmehr zeigt ein in diesem Zusammenhang gemachtes Beispiel zum Schutz des Vermieterpfandrechts436, dass der Vorbe­ halt der Abwehr strafbarer Handlungen mit Inkrafttreten des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes entweder aufgegeben worden war oder zumindest dessen Reichweite schon damals verkannt wurde. Denn genau wie heute stand das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters bereits zu Zeiten des Preußi­ schen Polizeiverwaltungsgesetzes unter strafrechtlichem Schutz.437 Infolge­ dessen wehrte die Polizei auch damals unweigerlich zugleich eine strafbare Handlung ab, wenn sie einen Mieter an der Entfernung der von ihm in die Mietwohnung eingebrachten Sachen gegen den Willen des Vermieters hin­ derte. Nach Maßgabe des PrOVG hätte das Subsidiaritätsprinzip in einer solchen Konstellation deshalb gar nicht herangezogen werden dürfen, zumal das PrOVG selbst in einer Entscheidung aus dem Jahr 1881 genau diese Fallgestaltung anführte, um beispielhaft aufzuzeigen, wie aus dem Gesichts­ punkt der Straftatenverhütung eine präventiv-polizeiliche Zuständigkeit er­ wachsen könne.438 3. Ergebnisse der historischen Auslegung Zusammenfassen lassen sich die Resultate der historischen Auslegung wie folgt: Anhand des historischen Begriffsverständnisses konnte nicht geklärt wer­ den, ob die historischen Gesetzgeber respektive die Innenministerkonferenz aus dem Jahr 1977 durch Verwendung des Terminus Rechte Rechtsgüter be­ wusst aus dem Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips herausnehmen oder die beiden Begriffe vielmehr als Synonyme verstanden wissen wollten. Ebenso unergiebig blieb der Blick auf die Rechtsprechung des PrOVG. Obgleich diese den Ursprung des Begriffs des privaten Rechts darstellen dürfte und sämtliche einschlägigen Entscheidungen ausschließlich den poli­ zeilichen Schutz von Rechten betrafen, kann daraus nicht mit der nötigen Sicherheit gefolgert werden, dass nach Auffassung des Gerichts das von ihm entwickelte Subsidiaritätsprinzip beim polizeilichen Schutz von Rechtsgütern keine Geltung erfahren sollte. 435  Drews, Preußisches Polizeirecht, S. 26 f.; Friedrichs, Polizeiverwaltungsgesetz, S.  78 f. 436  Dehler/Albrecht, Preußisches Allgemeines Polizeirecht, S. 15. 437  Der Straftatbestand der Pfandkehr nach § 289 StGB befand sich bereits in § 289 RStGB, siehe Maier, in: MüKo, StGB, § 289 Rn. 1: „seit 1871 nahezu unver­ änderte Vorschrift“. 438  PrOVG, Urt. v. 26.03.1881, PrOVGE 7, 374, 378 [Anm.: Die Entscheidung wird in der amtlichen Sammlung ohne Aktenzeichen wiedergegeben].

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Was den Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung betrifft, konnte dargelegt werden, dass dieser zwar seinem Ursprung nach auf den vom PrOVG entwickelten Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen zurückzuführen ist, vor Inkrafttreten der Privatrechtsklauseln aber keinesfalls einen allgemein anerkannten Grundsatz des Polizeirechts markierte. Die Erwägung, die historischen Gesetzgeber könnten den Vorbe­ halt der Straftatenabwehr bei der Kodifikation der Vorschriften stillschwei­ gend vorausgesetzt haben, scheidet demnach aus.

III. Systematische Auslegung Eine systematische Auslegung der Privatrechtsklauseln hat zu berücksich­ tigen, dass mit den insgesamt 17 Polizeigesetzen letztendlich 17 verschiedene Gesetzessystematiken vorliegen und die anhand der Systematik eines einzel­ nen Gesetzes gewonnenen Erkenntnisse für die Vorschriften anderer Gesetze deshalb nur eine bedingte Aussagekraft haben können. 1. Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern Zunächst ist im Rahmen der systematischen Auslegung der einzelnen Po­ lizeigesetze das Augenmerk auf eine etwaige Differenzierung zwischen sub­ jektiven Rechten und subjektiven Rechtsgütern zu legen. a) Differenzierung in den Legaldefinitionen der öffentlichen Sicherheit In Bezug auf die Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und sub­ jektiven Rechtsgütern ließe sich mit Blick auf die in § 2 Nr. 2 BremPolG, § 3 Nr. 1 SOG LSA sowie § 54 Nr. 1ThürOBG439 enthaltene Legaldefinition der öffentlichen Sicherheit zunächst noch argumentieren, dass zumindest diese drei Gesetzgeber bei der Kodifikation der jeweiligen Vorschriften von einem zwischen Rechten und Rechtsgütern bestehenden Unterschied ausgegangen sein müssen. Indem die Legaldefinitionen expressis verbis die „Unverletz­ lichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter“440 zum Schutzgut der öffentli­ chen Sicherheit erklären, während bei den das Subsidiaritätsprinzip enthalte­ nen Vorschriften ausschließlich von Rechten die Rede ist, kann das Gesetz die beiden Begriffe an sich nicht synonym verwenden. Andernfalls würde die 439  Das Thüringer Ordnungsbehördengesetz enthält mit § 2 Abs. 2 ThürOBG eine dem § 1 Abs. 2 ME PolG entsprechende Privatrechtsklausel, sodass es ebenfalls in diesem Zusammenhang genannt werden kann, obgleich Gegenstand der Untersuchung allein die Polizei- und nicht die sonstigen Ordnungsgesetze sind. 440  Hervorhebung nur hier.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln171

kumulative Nennung im Rahmen der Legaldefinition jeglicher Funktion ent­ behren und wäre schlicht überflüssig. Gleichwohl dürfte genau das Letztere der Fall sein. So lassen die drei Gesetze an anderer Stelle jeweils erkennen, dass ihnen zumindest nicht die hier vertretene Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern zugrunde liegen kann. Neben dem unbestimmten Rechtsbegriff der öffentlichen Sicher­ heit definieren die Gesetze nämlich noch den Begriff der erheblichen Gefahr und beschreiben diese als „eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentliche Vermögenswerte oder den Bestand des Staates“.441 Da auch wesentliche Vermögenswerte respektive nicht un­ wesentliche Vermögenswerte als bedeutsame Rechtsgüter angeführt werden, können die jeweiligen Gesetzgeber ersichtlich nicht, wie hier postuliert, an­ hand des Kriteriums der Übertragbarkeit zwischen Rechten und Rechtsgütern differenziert haben. Denn sämtliche Vermögenswerte, und insbesondere das Eigentum als deren Prototyp, zeichnen sich nach dem hiesigen Begriffsver­ ständnis gerade durch ihre Übertragbarkeit aus. Die Inhomogenität zwischen der kumulativen Nennung von Rechten und Rechtsgütern in der Legaldefinition der öffentlichen Sicherheit einerseits und der isolierten Nennung von Rechten in den Privatrechtsklauseln andererseits kann mit Blick auf die Gesetzgebungshistorie nachvollzogen werden. Die Definition der öffentlichen Sicherheit wurde erst im Zuge einer Neufassung in die jeweiligen Gesetze aufgenommen und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die Privatrechtsklauseln teilweise bereits jahrzehntelang unverändert Bestand gehabt hatten.442 Der sich zum Wortlaut der Privatrechtsklauseln 441  § 3 Nr. 3 lit. c) SOG LSA; § 54 Nr. 3 lit. c) ThürOBG; § 2 Nr. 3 lit. c) Brem­ PolG („nicht unwesentliche Vermögenswerte“ statt „wesentliche Vermögenswerte“); eine identische Legaldefinition findet sich auch in § 14 Abs. 2 Satz 2 BPolG, weil das Bundespolizeigesetz jedoch keine Definition der öffentlichen Sicherheit enthält, scheidet die hier vorgenommene systematische Auslegung diesbezüglich aus; gleiches gilt für das Bayerische Polizeiaufgabengesetz, das in Art. 11 Abs. 3 Satz 2 BayPAG „erhebliche Eigentumspositionen“ sowie „Sachen, deren Erhalt im besonderen öffent­ lichen Interesse liegt“ zu „bedeutenden Rechtsgütern“ erklärt, den Begriff der öffent­ lichen Sicherheit indes ebenfalls nicht definiert; ebenso auch das Niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz, das in § 2 Nr. 3 NPOG die erhebliche Gefahr definiert als „eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, nicht unwesentliche Vermögenswerte sowie andere straf­ rechtlich geschützte Güter von vergleichbarem Gewicht“. 442  So datiert das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) auf den 18.12.1991 (GVBl. LSA 1991, S. 538) und das Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Thür­ OBG) auf den 18.06.1993 (GVBl. Thür 1993, S. 323); lediglich das Bremische Poli­ zeigesetz (BremPolG) v. 21.03.1983 (BremGBl. 1983, S. 141), das erstmalig eine abschließende gesetzliche Definition der öffentlichen Sicherheit enthielt (zur „Quasi“Legaldefinition in § 2 des Berliner Polizeizuständigkeitsgesetz von 1958, siehe Ko-

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

ergebende Widerspruch dürfte deswegen schlichtweg übersehen worden sein, zumal – wie bereits ausgeführt wurde443 – die beiden Begriffe auf dem Ge­ biet des Polizeirechts ohnehin seit jeher synonym verstanden werden. b) Kein einheitliches Begriffsverständnis in den Polizeigesetzen Mag die systematische Auslegung der Privatrechtsklauseln im Hinblick auf die Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern auch unergiebig bleiben, so kann anhand der Systematik einiger Gesetze zumindest der hier geäußerte Vorwurf, wonach der Begriff des privaten Rechts ohne jegliche Erläuterung Einzug in die Polizeigesetze erhalten habe, fundiert werden. So findet sich der Begriff nicht allein in den für das Subsidiaritätsprinzip maßgeblichen Privatrechtsklauseln, sondern überdies in mehreren Polizeige­ setzen auch in der Vorschrift zur Ingewahrsamnahme. Wörtlich heißt es etwa in § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW: „Die Polizei kann eine Person in Gewahr­ sam nehmen, wenn das unerlässlich ist, um private Rechte zu schützen[,] und eine Festnahme und Vorführung der Person nach den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zulässig ist.“444 Indem diese Standardmaß­ nahme445 die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Selbsthilfe zur Bedingung der Ingewahrsamnahme erhebt446, kann es sich bei privaten Rechten im Sinne der Vorschriften ausschließlich um privatrechtliche Ansprüche handeln. Denn eine Selbsthilfe nach § 229 BGB ist bereits ausweislich des Wort­ lauts447 der zivilrechtlichen Vorschrift allein zum Schutz privatrechtlicher walzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 47 f.), trat bereits ver­ gleichsweise kurze Zeit nach Verabschiedung des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes in Kraft. 443  Erstes Kapitel unter D.I.2. 444  Eine nahezu identische Formulierung weisen § 30 Abs. 1 Nr. 4 ASOG Bln; § 17 Abs. 1 Nr. 5 BbgPolG; § 13 Abs. 1 Nr. 5 SOG HH; § 32 Abs. 1 Nr. 4  HSOG; § 55 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V; § 14 Abs. 1 Nr. 4 POG RhPf; und § 204 Abs. 1 Nr. 3 LVwG SH auf. Eine inhaltlich vergleichbare Standardmaßnahme enthält auch § 13 Abs. 1 Satz 2 BremPolG, wobei sich dort nicht der Begriff des privaten Rechts fin­ det: „Die Ingewahrsamnahme ist weiterhin zulässig zum Zwecke der Vorführung ge­ mäß den §§ 229, 230 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches“. 445  Thiel lehnt die Bezeichnung als „Standardmaßnahme“ mit dem Hinweis ab, dass der Schutz privater Rechte „eben nicht zum ‚Standard‘-Repertoire der Polizei“ gehöre, vielmehr würden die Vorschriften als „erratische Blöcke“ erscheinen, ders., Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 151. 446  Basteck, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 35 Rn. 60; Thiel, Polizei- und Ord­ nungsrecht, § 10 Rn. 152; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 35 Rn. 13. 447  § 229 BGB lautet: „Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln173

Ansprüche, nicht aber zum Schutz sonstiger subjektiver Rechte oder Rechts­ güter möglich.448 Demgemäß kann auch die polizeirechtliche Ingewahrsam­ nahme allein auf den Schutz privatrechtlicher Ansprüche gestützt werden.449 Die den Vorschriften zur Ingewahrsamnahme zugrundeliegende Termino­ logie widerspricht dadurch sowohl der von einigen Vertretern der Ausschließ­ lichkeitstheorie präsentierten Definition des privaten Rechts als auch dem hier angenommenen Begriffsverständnis. Nach dem Letzteren werden zwar subjektive Rechtsgüter vom Begriff des privaten Rechts ausgenommen, eine Verengung auf privatrechtliche Ansprüche geht damit indessen nicht einher. Vielmehr zählen nach der hier entwickelten Auslegung auch die subjektiven Rechte selbst, etwa das Eigentum, zu den privaten Rechten und nicht ledig­ lich die aus diesen abgeleiteten privatrechtlichen (Unterlassungs-)Ansprüche. Eine Reduktion auf zivilrechtliche Ansprüche würde der Funktion der Pri­ vatrechtsklauseln dabei auch nicht gerecht werden, wie im Einzelnen noch darzulegen sein wird.450 An dieser Stelle ist es insoweit bei der Feststellung zu belassen, dass sämtliche Polizeigesetze, die eine entsprechende Befugnis zur Ingewahrsamnahme vorsehen, von zwei verschiedenen Arten privater Rechte ausgehen müssen und diese einander nicht deckungsgleich sein kön­ nen. Für das Verständnis der Privatrechtsklauseln im Hinblick auf die hier vorgenommene Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern bleibt diese Erkenntnis freilich ohne Relevanz. 2. Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung Sodann gilt es zu untersuchen, ob sich der Systematik der einzelnen Ge­ setze Anhaltspunkte für einen Anwendungsprimat der objektiven Rechtsord­ nung entnehmen lassen.

gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs ver­ eitelt oder wesentlich erschwert werde“, Hervorhebung nur hier. 448  Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 3: „Der Anspruchsbegriff des § 229 deckt sich mit dem des § 194, bezieht sich also auf das materielle Recht, von einem ande­ ren ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen“. 449  Siehe nur Basteck, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 35 Rn. 60: „der Anspruch […], der gleichsam das schützende Recht im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG dar­ stellt“; Leggereit, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 32 Rn. 30; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 152. 450  Hierzu noch unter E.IV.5.b).

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

a) Keine Rangfolge der polizeilichen Schutzgüter Was eine Rangfolge der einzelnen polizeilichen Schutzgüter angeht, liefert die systematische Auslegung der verschiedenen Polizeigesetze keine Er­ kenntnisse. Allein der Umstand, dass die Unverletzlichkeit der Rechtsord­ nung in § 2 Nr. 2 BremPolG, § 3 Nr. 1 SOG LSA und § 54 Nr. 1 ThürOBG an erster Stelle und somit vor der Unverletzlichkeit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter genannt wird, rechtfertigt nicht die Annahme eines Rang­ verhältnisses zwischen den beiden polizeilichen Schutzgütern. Zumal der mit der Ausschließlichkeitstheorie einhergehende Anwendungsvorrang der objek­ tiven Rechtsordnung – soweit ersichtlich – seinerzeit noch gar nicht heraus­ gearbeitet und als solcher benannt worden ist. Die Annahme einer bewussten Priorisierung durch die systematische Stellung innerhalb der Legaldefinitio­ nen liegt deshalb bei jedem der in Rede stehenden Gesetze fern. b) Kein Vorrang der polizeilichen Aufgabe der Straftatenverhütung Insbesondere die auch schon vom PrOVG entwickelte Ausnahme, wonach das Subsidiaritätsprinzip bei der Abwehr strafbarer Handlungen nicht ein­ schlägig sein soll, kann der systematischen Stellung der Privatrechtsklauseln nicht entnommen werden. Zwar wird von der überwiegenden Anzahl der Gesetze der Polizei explizit auch die Aufgabe der Straftatenverhütung zuge­ wiesen451, doch legt die systematische Stellung zu den Privatrechtsklauseln keinesfalls nahe, dass es sich hierbei um eine Einschränkung des Subsidiari­ tätsprinzips handeln könnte. Ganz im Gegenteil sprechen die Systematik der Gesetze und der Wortlaut der jeweiligen Aufgabenzuweisungen eher für eine Auslegung, der zufolge nicht die Anwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips unter dem Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen steht, sondern umgekehrt die Verhütung von Straftaten durch das Subsidiaritätsprinzip bedingt wird. So heißt es in den meisten Gesetzen, die Straftatenverhütung452 gehöre „im Rahmen der Gefah­ renabwehr“ zur Aufgabe der Polizei.453 Wird durch diese Bezugnahme die 451  § 1 Abs. 3 ASOG Bln; § 1 Abs. 1 Satz  2 BbgPolG; § 1 Abs. 1 Satz  3 Brem PolG; § 1 Abs. 4 HSOG; § 1 Abs. 1 Satz 3 NPOG; § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW; § 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V; § 1 Abs. 1 Satz 3 POG RhPf; § 2 Abs. 1 Satz 3 SächsPVDG; § 2 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA; § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG; § 1 Abs. 5 BPolG. 452  Unter „Straftatenverhütung“ wird an dieser Stelle die Verhinderung einer un­ mittelbar bevorstehenden Straftat verstanden, zum abweichenden Verständnis unter dem Gesichtspunkt der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten siehe Fn. 40. 453  § 1 Abs. 3 ASOG Bln; § 2 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA; § 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V; § 1 Abs. 1 Satz 3 POG RhPf; sinngemäß auch § 1 Abs. 5 BPolG: „Die der Bundes­ polizei obliegenden Aufgaben der Gefahrenabwehr umfassen auch die Verhütung von



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln175

Verhütung von Straftaten letztlich zu einem Unterfall der Gefahrenabwehr erklärt, müsste insoweit an sich auch die in den Privatrechtsklauseln enthal­ tene Aufgabenbeschränkung454 einschlägig sein. Denn der Rahmen, in dem die Straftatenverhütung ausweislich des Wortlauts der Vorschriften zu erfol­ gen hat, lässt sich zwangsläufig nur anhand der jeweiligen gesetzlichen Auf­ gabenzuweisung bestimmen. Indem sämtliche Polizeigesetze die Aufgabe der Gefahrenabwehr nun durch die Privatrechtsklauseln einschränken, kann fol­ gerichtig auch die Straftatenverhütung nur nach Maßgabe dieser Einschrän­ kung zu den polizeilichen Aufgaben gehören. Diese Auslegung erscheint schon deshalb zwingend, weil die Aufgabe der Straftatenverhütung auch ohne ausdrückliche Normierung zu den polizei­ lichen Aufgaben gezählt werden muss. Jede Strafvorschrift ist ihrerseits Teil der objektiven Rechtsordnung, weshalb die bevorstehende Verwirklichung einer Strafvorschrift von der Polizei ohne Weiteres als Gefahr für die Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung abgewehrt werden könnte. Ist die gesonderte Zuweisung der Aufgabe der Straftatenverhütung demnach ­lediglich deklaratorisch455, verbietet sich eine Auslegung, wonach diese Auf­ gabe infolge ihrer gesonderten Nennung nicht den Einschränkungen der Pri­ vatrechtsklauseln unterliegen soll. Die rein deklaratorische Nennung einer der Polizei ohnehin schon zugewiesenen Aufgabe muss den Inhalt dieser Aufgabe unvermeidlich unberührt lassen. Des Weiteren stünde eine derartige Auslegung in Widerspruch zum Wort­ laut der Privatrechtsklauseln, nach dem diese für sämtliche auf das Polizeige­ setz („nach diesem Gesetz“456) gestützten Maßnahmen, also auch für den Bereich der Straftatenverhütung, Geltung beanspruchen.

Straftaten nach diesem Gesetz“; ebenso § 1 Abs. 1 Satz 3 BremPolG: „Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Verhütung von Strafta­ ten“; keinen inhaltlichen Unterschied weisen auch § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW, § 1 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG und § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG auf, in denen es diesbezüg­ lich heißt: „im Rahmen dieser Aufgabe“, womit jeweils die in § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW respektive § 1 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG respektive § 2 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG enthaltene Aufgabe der Gefahrenabwehr gemeint ist; undeutlich insoweit nur § 1 Abs. 4 HSOG: „Die Polizeibehörden haben auch zu erwartende Straftaten zu verhü­ ten“, ein inhaltlicher Unterschied zu den Vorschriften der anderen Bundesländer dürfte sich hieraus indes nicht ergeben, zumal sich der Zusatz „im Rahmen der Ge­ fahrenabwehr“ bei ansonsten identischem Wortlaut auch in der Vorgängervorschrift des § 1 Abs. 4 HSOG a. F. fand. 454  Zum dogmatischen Charakter der Privatrechtsklauseln als Aufgabenbeschrän­ kung siehe vorstehend unter B.III.3. 455  Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 6. 456  § 162 Abs. 2 LVwG SH, § 1 Abs. 3 SOG M-V und § 1 Abs. 4 BPolG enthalten diese Formulierung nicht.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Schließlich vermag aus der gesonderten Nennung der polizeilichen Auf­ gabe der Straftatenverhütung schon deshalb keine Unanwendbarkeit der Pri­ vatrechtsklauseln abgeleitet zu werden, weil die jeweilige Privatrechtsklausel dann umgekehrt in den Ländern, in denen eine vergleichbare Vorschrift fehlt457, entgegen der allgemeinen Meinung konsequenterweise auch bei der Abwehr von Straftaten anwendbar sein müsste. 3. Ergebnisse der systematischen Auslegung Das abschließende Fazit der systematischen Auslegung fällt ernüchternd aus. Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern erschöpft sich der Erkenntnisgewinn in dem Zutagefördern begrifflicher Un­ genauigkeiten der Polizeigesetze Sachsen-Anhalts und Bremens sowie des thüringischen Ordnungsbehördengesetzes. Zudem konnte herausgearbeitet werden, dass insgesamt acht Polizeigesetze bei der Standardmaßnahme der Ingewahrsamnahme einen Begriff des privaten Rechts verwenden, der mit demjenigen der Privatrechtsklauseln nicht identisch ist. Bezüglich der von der Ausschließlichkeitstheorie angenommenen Präze­ denz der objektiven Rechtsordnung muss konstatiert werden, dass sich diese der systematischen Stellung der Privatrechtsklauseln nicht entnehmen lässt und überdies hinsichtlich der Verhütung von Straftaten der gesetzlichen Sys­ tematik widerspricht.

IV. Teleologische Auslegung Nachdem weder die grammatikalische noch die historische noch die syste­ matische Auslegung der Privatrechtsklauseln zu einem eindeutigen Ergebnis geführt hat, kommt es nunmehr entscheidend darauf an, welche gesetzgebe­ rische Intention den Privatrechtsklauseln zugrunde liegt. Denn lassen sowohl der Wortlaut einer Vorschrift als auch die Historie und die Systematik des Gesetzes zwei verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zu, ist derjenigen der Vorzug zu geben, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betroffenen Norm am ehesten gerecht wird.458 Die gesetzliche Regelungsabsicht gilt es dabei sowohl im Hinblick auf eine Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern als auch bezüglich 457  Namentlich ist dies in Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, dem Saarland und Schleswig-Holstein der Fall. 458  Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 344, der insoweit die Unergiebigkeit der grammatikalischen und systematischen Auslegung ausreichen lässt und auf die histo­ rische Auslegung in diesem Zusammenhang nicht eingeht.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln177

eines Vorrangs der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung459 zu ermit­ teln. Abweichend von der bisherigen Vorgehensweise sollen insoweit die beiden maßgeblichen Aspekte nicht getrennt voneinander, sondern zusam­ menhängend beleuchtet werden. 1. Die ratio legis der Privatrechtsklauseln Wie schon im verfassungsrechtlichen Teil der Untersuchung herausgear­ beitet wurde, besteht die Funktion der Privatrechtsklauseln darin, den zwi­ schen der Polizei als Teil der Exekutive und den ordentlichen Gerichten als Organen der Judikative bestehenden Kompetenzkonflikt aufzulösen.460 Ge­ 459  Beim Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Meck­ lenburg-Vorpommern besteht im Hinblick auf die teleologische Auslegung der in § 1 Abs. 3 SOG M-V normierten Privatrechtsklauseln die Besonderheit, dass der Gesetz­ geber im Zuge einer Gesetzesänderung erahnen lässt, dass ihm der von der Aus­ schließlichkeitstheorie angenommene Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsord­ nung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter zumindest bekannt gewesen ist. So heißt es in der amtlichen Begründung zu einer Änderung der Privatrechtsklausel, die einschränkenden Voraussetzungen der Vorschriften gälten „­allerdings nicht, sofern die Gefahr für private Rechte zugleich eine Gefahr für an­ dere Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung darstellt (z. B. Verletzung von Strafrechtsnormen wie Hausfriedensbruch)“, Mecklenburg-Vorpommern, LTDrucks. 1/1612, S. 53. Dass der Gesetzgeber mit dieser Formulierung den Anwen­ dungsprimat der objektiven Rechtsordnung in seinen Willen aufgenommen hat, kann nun entgegen des ersten Anscheins nicht angenommen werden. Zunächst ist zu be­ achten, dass der Gesetzgeber die Verletzung von Strafrechtsnormen zwar als Beispiel für einen Dispens der Privatrechtsklausel anführt, dem Schutzgut der öffentlichen Sicherheit jedoch insgesamt, d. h. nicht nur im Hinblick auf die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung, einen Vorrang einzuräumen scheint. Denn nach der amtli­ chen Begründung geht der Gesetzgeber von einer Unanwendbarkeit der Privatrechts­ klausel aus, sofern „die Gefahr für private Rechte zugleich eine Gefahr für andere Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit“ bedeutet, siehe LT-Drucks. 1/1612, S. 53, Hervorhebung nur hier. Konsequenterweise darf die Privatrechtsklausel demnach auch bei einer Gefahr für die Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter keine Anwendung finden, wodurch sich die vermeintliche Nähe der gesetzgeberischen Auffassung zur Ausschließlichkeitstheorie letztlich als Trugschluss herausstellt. Da ein Anwendungsprimat der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter ge­ genüber der Privatrechtsklausel ob der Identität von subjektiven und privaten Rechten ersichtlich fehl ginge, lassen sich der amtlichen Begründung deshalb letztlich keiner­ lei Rückschlüsse auf den gesetzgeberischen Willen entnehmen. Zumal der Gesetzge­ ber auch bei einer für die öffentliche Ordnung bestehenden Gefahr von einer Unan­ wendbarkeit der Privatrechtsklausel auszugehen scheint, wodurch sich seine Position noch weiter von der allgemeinen Meinung entfernt. Denn ein Primat der öffentlichen Ordnung gegenüber den Privatrechtsklauseln wird von der Ausschließlichkeitstheorie nicht vertreten (eingehend hierzu Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuel­ len Rechten, S. 123 f.). 460  Siehe oben unter A.III.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

messen daran ist zu untersuchen, ob die hier entwickelte Auslegung der Vorschriften, dass nämlich ausschließlich subjektive Rechte, nicht aber sub­ jektive Rechtsgüter unter den dort genannten privaten Rechten zu verstehen sind und die Privatrechtsklauseln auch in Ansehung einer für die Unversehrt­ heit der objektiven Rechtsordnung bestehenden Gefahr Anwendung finden, der gesetzgeberischen Intention mehr gerecht werden kann als dies bisweilen nach der allgemeinen Meinung der Fall ist. Gleichwohl kann es hierbei nicht darauf ankommen, die polizeilichen Handlungsbefugnisse durch eine möglichst weite Auslegung der Privatrechts­ klauseln unangemessen einzuschränken, nur um den eigenen Lösungsvor­ schlag tunlichst von der als falsch erachteten Ausschließlichkeitstheorie ab­ zugrenzen. Umgekehrt besteht freilich auch kein Anlass, die Eingriffsbefug­ nis der Polizei durch eine möglichst enge Auslegung ausufern zu lassen. Zwischen gerichtlichem und polizeilichem Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter besteht kein Rangverhältnis, welches die Bevorzugung der einen Staatsgewalt zu Lasten der anderen Staatsgewalt rechtfertigen könnte. Vielmehr hat sich die Abgrenzung ausschließlich an der Funktion auszu­ richten, die das Grundgesetz der Exekutive und der Judikative im Hinblick auf den Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter zuweist. Bei der Exeku­ tive handelt es sich hierbei um die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit, während die Judikative zur Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten berufen ist.461 Die Funktion der Privatrechtsklauseln besteht darin, bei einer Überschneidung dieser beiden Aufgaben, d. h. sofern die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit mit der Intervention in eine (potentielle) bürgerliche Rechtsstreitigkeit einhergeht, die verfassungsrechtlich vorgezeichneten Kom­ petenzgrenzen von Exekutive und Judikative abzustecken. Die den Vorschrif­ ten zugrunde liegende Regelungsabsicht ist folglich in einer sachgerechten Abgrenzung der konkurrierenden Befugnisse der Polizei auf der einen und der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf der anderen Seite zu erblicken. An die­ ser gesetzgeberischen Intention hat sich die teleologische Auslegung auszu­ richten. 2. Unvereinbarkeit des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung mit der gesetzgeberischen Intention Die Abgrenzung der allgemeinen Meinung zwischen den Aufgabenberei­ chen von Exekutive und Judikative erfolgt dergestalt, dass die polizeiliche Befugnis zu Maßnahmen, mit denen die Wahrung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung bezweckt wird, von etwaigen zivilrechtlichen Im­ 461  Siehe

oben unter A.II.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln179

plikationen gänzlich unberührt bleibt. Soweit auch nur der Verstoß gegen eine untergesetzliche Rechtsnorm droht, wird die zivilrechtliche Komponente der polizeilichen Lage ausgeblendet und eine allumfassende Eingriffskompe­ tenz der Polizei angenommen. Den zwischen Exekutive und Judikative bestehenden Kompetenzkonflikt – wie die allgemeinen Meinung – anhand des Vorliegens einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung aufzulösen, mag auf den ersten Blick wegen der der Polizei verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabe zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit überzeugend sein. Bei näherer Betrachtung offenbart sich dieser Ansatz jedoch als Trugschluss, welcher ei­ ner opportunen Ausbalancierung der beiden Kompetenzen von vornherein entgegensteht. a) Das grundlegende Missverständnis der allgemeinen Meinung Gerade in der Prämisse, wonach hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips strikt zwischen der Abwehr von Gefahren für die objektive Rechtsordnung auf der einen und Gefahren für subjektive Rechte und Rechtsgüter auf der anderen Seite differenziert werden könne, ist das grundlegende Missver­ ständnis der Ausschließlichkeitstheorie zu erblicken. Strafvorschriften etwa, die als solche den aus gefahrenabwehrrechtlicher Perspektive relevantesten Bestandteil der objektiven Rechtsordnung markie­ ren, bestehen nicht um ihrer selbst willen, sondern bezwecken den Schutz strafrechtlicher Rechtsgüter.462 Da Rechtsgüter im strafrechtlichen Sinne oftmals zugleich subjektive Rechte und Rechtsgüter nach dem hier zugrunde­ gelegten Begriffsverständnis darstellen463, geht die Abwehr von Gefahren für die objektive Rechtsordnung – wie bereits dargelegt464 – regelmäßig mit dem Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter einher. Aus diesem Grund dürfen Gefahren für die objektive Rechtsordnung und solche für subjektive Rechte und Rechtsgüter nicht unabhängig voneinander betrachtet und das Subsidia­ ritätsprinzip nicht allein auf die Letzteren beschränkt werden. Denn auch die Abwehr einer strafbaren Handlung vermag sich ihrem Wesen nach als poli­ zeiliche Maßnahme zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter darzu­ stellen.

462  Roxin/Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil, I, § 2 Rn. 1 ff. und 7; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, § 1 III.1, S. 7. 463  So etwa das Eigentum oder die körperliche Unversehrtheit, näher zum straf­ rechtlichen Rechtsgutsbegriff Roxin/Greco, Strafrecht, Allgemeiner Teil, I, § 2 Rn. 2. 464  Hierzu im ersten Kapitel unter D.II.2.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Indirekt wird dies teilweise auch von den Vertretern der Ausschließlich­ keitstheorie selbst eingeräumt. So bezeichnet Schoch465 die Wohnungsver­ weisung zum Schutz vor häuslicher Gewalt als „typisches Beispiel für priva­ ten Rechtsgüterschutz“ und spricht Dietlein466 in diesem Kontext von einem „Grenzbereich zwischen präventiver Gefahrenabwehr und bürgerlich-rechtli­ cher Konfliktregelung“, obgleich bei Maßnahmen gegen häusliche Gewalt unweigerlich die Abwehr von Straftaten in Gestalt von Körperverletzungsde­ likten gemäß §§ 223 ff. StGB in Rede steht. Noch deutlicher lesen sich die Ausführungen Dietleins im Zusammenhang mit der Problematik des aufge­ drängten Grundrechtsschutzes. Eine Sicherstellung zum Schutz des Eigen­ tümers vor einem drohenden Diebstahl scheint er als unverhältnismäßig zu erachten, sofern der Eigentümer das Diebstahlsrisiko bewusst eingegangen ist. Dass in einer solchen Konstellation nicht nur eine Gefahr für das Eigen­ tum als subjektives Recht, sondern überdies eine Gefahr für die objektive Rechtsordnung in Gestalt des drohenden Diebstahls vorliegt, erklärt Dietlein insoweit für unbeachtlich, als „die bedrohte Norm ihrerseits speziell dem Schutz des konkret gefährdeten Eigentums“ diene.467 Trotz der Verhütung eines nach § 242 StGB strafbaren Diebstahls scheint Dietlein in der in Rede stehenden Konstellation in der Sicherstellung mithin eine polizeiliche Maß­ nahme zum Schutz eines subjektiven Rechts zu erkennen. Indem die allgemeine Meinung ungeachtet der Korrelation von Gefahren für die objektive Rechtsordnung und solchen für subjektive Rechte und Rechtsgüter einen Vorrang der Ersteren annimmt, verkennt sie, dass sich auch in Ansehung der Abwehr einer Straftat durchaus das Bedürfnis einer Abgrenzung der exekutiven Befugnisse zu jenen der Judikative einstellen kann. Der Primat der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung manifes­ tiert sich deshalb als die einseitige Verlagerung von Kompetenzen der Judi­ kative auf die Exekutive, die mit dem gesetzgeberischen Willen nicht zu vereinbaren ist. b) Umgehungsmöglichkeit des ordentlichen Rechtswegs am Beispiel des Markenrechts Verdeutlicht werden kann die Missachtung des gesetzgeberischen Willens durch die von der Ausschließlichkeitstheorie vorgenommene Auslegung der Privatrechtsklauseln anhand des Beispiels des Markenrechts. So enthält § 140 MarkenG spezielle Vorschriften, die die Durchsetzung der sich aus dem Mar­ kengesetz ergebenden Ansprüche betreffen. § 140 Abs. 1 MarkenG bestimmt 465  Schoch,

JURA, 2013, 468, 470. in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 168, Hervorhebung im Original. 467  Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 203. 466  Dietlein,



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln181

etwa die ausschließliche468 sachliche Zuständigkeit der Landgerichte, § 140 Abs. 2 MarkenG ermächtigt die Länder zu Zuständigkeitskonzentrationen bei einzelnen Landgerichten und gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG wird im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens abweichend von §§ 935, 940 ZPO das Vorliegen eines Verfügungsgrunds469 auch ohne eine entsprechende Glaubhaftmachung (widerleglich) vermutet. Ersichtlich sieht das Gesetz demzufolge das Anrufen der ordentlichen Ge­ richtsbarkeit als adäquate Reaktionsmöglichkeit auf die Verletzung eines durch das Markengesetz geschützten Rechts an. Ein dahingehender gesetzge­ berischer Wille wird überdies in der in § 13 GVG470 enthaltenen Regelung erkennbar, nach der bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, zu denen auch Kennzei­ chenstreitsachen nach dem Markengesetz zu zählen sind471, der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen werden. Mit der Vorschrift des § 140 MarkenG trägt der Gesetzgeber hierbei den Besonderheiten von Kennzeichenstreit­ sachen Rechnung. So ermöglicht die vorgesehene Konzentrationsermächti­ gung die Bildung spezialisierter Kammern bei den Landgerichten und mit der widerleglichen Vermutung eines Verfügungsgrunds wird auf die typi­ scherweise im Bereich des geistigen Eigentums bestehende Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzes reagiert. Insgesamt erfahren die dem Rechteinhaber zur 468  D. h. streitwertunabhängige Zuständigkeit, siehe § 1 ZPO i. V. m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. 469  Unter Verfügungsgrund ist die unmittelbar für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren drohende Gefahr (Eilbedürftigkeit) zu verstehen, siehe Drescher, in: MüKo, ZPO, § 935 Rn. 15 f.; instruktiv hierzu auch Pustovalov, in: Lampmann/Pustovalov, Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht, Rn. 156. 470  § 13 GVG lautet: „Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten […], für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungs­ behörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist […]“. Der Vorbehalt einer vorran­ gigen Zuständigkeit von „Verwaltungsbehörden“, zu denen an sich auch die Polizei zu zählen ist, ist dabei erläuterungsbedürftig. Wegen des in Art. 92 GG verankerten Rechtsprechungsmonopols sind bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwingend den Ge­ richten zugewiesen (hierzu bereits unter A.II.), sodass insoweit überhaupt keine be­ hördliche Zuständigkeit bestehen kann. Unter dem genannten Vorbehalt sind nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ausschließlich dem eigentlichen Gerichtsverfahren vorgelagerte behördliche Verfahren (sog. Vorschaltverfahren), beispielsweise nach § 35 BJagdG, zu verstehen, siehe Gerhold, in: BeckOK, GVG, § 13 Rn. 18; ebenso Wittschier, in: Musielak/Voit, ZPO, § 13 GVG Rn. 15, der eine Zuweisung von Zivil­ rechtsstreitigkeiten an die Verwaltungsbehörden zutreffend als „verfassungswidrig“ bezeichnet; siehe auch Pabst, in: MüKo, ZPO, § 13 GVG Rn. 24. Ungenau deshalb Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 251, dem zufolge der Gesetzgeber bei § 13 GVG „ausdrücklich den Kompetenzkonflikt mit Verwal­ tungsbehörden gesehen“ habe, obgleich ein solcher Kompetenzkonflikt aufgrund der eindeutigen Zuweisung des Art. 92 GG tatsächlich nicht (mehr) besteht. 471  Pabst, in: MüKo, ZPO, § 13 GVG Rn. 7.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten dadurch eine signifikante Verbesserung, so dass der Gesetzgeber im Bereich des Markenrechts seinen grundrechtlichen Schutzpflichten472 mit der Eröffnung des Zivilrechtswegs genügt haben dürfte. Dieses auf den Rechtsschutz durch die ordentliche Gerichtsbarkeit zuge­ schnittene System wird durch die Ausschließlichkeitstheorie nun gleichsam auf den Kopf gestellt. Wie im Rahmen des einschlägigen Beispielsfalls aus­ geführt wurde, stehen der Polizei wegen der in § 143 MarkenG enthaltenen Strafvorschriften nämlich ebenfalls weitreichende Befugnisse zum Schutz von Marken- und Kennzeichenrechten zu.473 Von diesen Befugnissen könnte die Polizei dabei nur in einer einzigen Form Gebrauch machen. Und zwar kann die in der zu verhütenden Straftat liegende Verletzung eines Markenoder sonstigen Kennzeichenrechts zwangsläufig allein durch die Untersagung der weiteren Rechtsverletzung, im Beispielsfall demgemäß nur durch ein Verbot des weiteren Vertriebs des Softdrinks „Zitronen-Gold“, abgewehrt werden. Diese trivial anmutende Erkenntnis birgt für den hiesigen Kontext gravierende Konsequenzen. Denn mit einer derartigen Untersagungsverfü­ gung würde die Polizei der Sache nach den dem Rechteinhaber gegen den Rechtsverletzer zustehenden Unterlassungsanspruch474 durchsetzen und da­ mit exakt jenes Verbot aussprechen, welches auch ein Gericht bei Erlass einer einstweiligen Verfügung anordnen würde. Bemerkenswerterweise würde die Reichweite der polizeilichen Verbotsver­ fügung dabei sogar noch über diejenige eines gerichtlichen Verbots hinausge­ hen. Während ein Gericht im Rahmen eines Verfügungsverfahrens nur vor­ läufige Maßnahmen aussprechen darf475, unterliegen die polizeilichen Hand­ lungsbefugnisse keiner vergleichbaren Einschränkung. Könnten sich derlei Beschränkungen doch allein aus den Privatrechtsklauseln ergeben, die nach der Sichtweise der allgemeinen Meinung aber gerade nicht anwendbar wä­ ren. Ihr zufolge würde die Polizei in einer solchen Situation eben nicht das 472  Die durch das Markengesetz geschützten Positionen unterfallen dem Eigen­ tumsbegriff nach Art. 14 GG, siehe Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 8. 473  Siehe bereits oben unter C.I.1.i) (Fall 9: Geistiges Eigentum). Die polizeilichen Befugnisse bestehen nur soweit die Verletzungshandlung im „geschäftlichen Verkehr“ erfolgt. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 MarkenG richtet sich das Ausschlussrecht des Mar­ keninhabers nämlich lediglich gegen Handlungen, die im geschäftlichen Verkehr vorgenommen werden, dementsprechend kommt bei Handlungen außerhalb des ge­ schäftlichen Verkehrs insoweit auch keine Strafbarkeit nach § 143 MarkenG in Be­ tracht, die eine Zuständigkeit der Polizei unter dem Gesichtspunkt der Straftatenver­ hütung begründen könnte; zum Tatbestandsmerkmal des geschäftlichen Verkehrs siehe Mielke, in: BeckOK, MarkenR, MarkenG, § 14 Rn. 56 ff. 474  Siehe § 14 Abs. 5 MarkenG. 475  Drescher, in: MüKo, ZPO, § 938 Rn. 8: „Sicherung einer prozessualen Rechts­ stellung“.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln183

Markenrecht als privates Recht schützen, sondern allein zur Verhütung einer Straftat einschreiten. Dem von der Untersagungsverfügung Betroffenen bliebe deshalb konse­ quenterweise nur die Möglichkeit vor dem Verwaltungsgericht gegen die polizeiliche Maßnahme vorzugehen. Dieses hätte sodann im Rahmen eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO476 über die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung zu entscheiden und dabei inzident zu überprüfen, ob die Polizei, wenigstens unter dem Gesichtspunkt einer Anscheinsgefahr, von der Begehung einer Straftat nach § 143 MarkenG ausgehen durfte. Un­ geachtet einer etwaigen Zuständigkeitskonzentration nach § 140 Abs. 2 ­MarkenG hätte sonach letztendlich ein Verwaltungsgericht über eine marken­ rechtliche Fragestellung zu entscheiden. Sämtliche in § 140 MarkenG vorge­ sehenen Rechtsschutzerleichterungen verkäme hierdurch zur Makulatur. Die Unvereinbarkeit dieses Ergebnisses mit dem gesetzgeberischen Wil­ len, nach dem Kennzeichenstreitsachen in einem Zivilprozess vor den or­ dentlichen Gerichten ausgetragen werden sollen, liegt auf der Hand. Statt selbst gegen den Rechtsverletzer prozessieren zu müssen, befände sich der Rechteinhaber in der komfortablen Position, einem etwaigen Prozess des Störers gegen die Polizei477 allenfalls478 als Beigeladener beiwohnen zu müs­ sen und sich folglich jeglichem Kostenrisiko entziehen zu können.479 Wäh­ rend er im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren das Bestehen eines Verfügungsanspruchs- und -grundes glaubhaft machen müsste480, würde sich dies wegen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes481 in einem ver­ waltungsgerichtlichen Verfahren erübrigen, wodurch sich eine weitere nicht 476  Eine Klage gegen die Untersagungsverfügung hätte gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung. 477  Respektive in Bundesländern, in denen anstelle des Behördenprinzips das Rechtsträgerprinzip gilt, gegen den Rechtsträger der Polizei (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). 478  Nur bei Annahme einer notwendigen Beiladung wäre der Rechteinhaber gemäß § 65 Abs. 1 VwGO zwingend beizuladen. Die Abgrenzung zur (fakultativen) einfa­ chen Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO wird bei Anfechtungsklagen bzw. Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen drittschützende Verwaltungsakte dergestalt vorgenom­ men, dass von einer notwendigen Beiladung ausgegangen wird, wenn der Verwal­ tungsakt auf einen Antrag des Begünstigten hin ergangen ist und die Behörde inso­ weit einen Anspruch auf Einschreiten erfüllen wollte. Erging der drittschützende Verwaltungsakt hingegen von Amts wegen, soll lediglich eine einfache Beiladung vorliegen, hierzu Hoppe, in: Eyermann, VwGO, § 65 Rn. 15. 479  Nach § 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO können einem Beigeladenen nur dann Kos­ ten auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; hierzu Hug, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 154 Rn. 8. 480  Siehe §§ 935, 920 Abs. 2 ZPO. 481  Siehe § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

zu rechtfertigende Verbesserung der Position des Rechteinhabers ergäbe. Zu guter Letzt könnte dieser das gerichtliche Verfahren auch vergleichsweise entspannt verfolgen, weil – anders als bei einem Verfügungsverfahren vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit – das von ihm missbilligte Verhalten des Störers durch die polizeiliche Untersagungsverfügung bereits verboten wäre und er nicht erst auf den Ausspruch eines entsprechenden Verbotes durch das angerufene Gericht warten müsste. Diametral zu der prozessualen Situation vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit hätte mithin der Rechtsverletzer, d. h. der Störer, anstelle des Rechteinhabers ein gesteigertes Interesse an einem zügigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens. Insgesamt würde die Rechtsstellung des Betroffenen im Falle eines poli­ zeilichen Einschreitens insoweit eine erhebliche Aufwertung gegenüber einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung erfahren. Zutreffend betont das VG Saar­ land482 in dem verwandten Kontext einer Klage auf behördliches Einschrei­ ten denn auch das „meist im Vordergrund stehende Interesse, die staatliche Behörde zur Vermeidung eigener Prozess- und Kostenrisiken für sich in die ‚Schlacht‘ zu schicken“. Zwar dürfte eine entsprechende polizeiliche Untersagungsverfügung in der Praxis kaum einmal erlassen werden, womit die vorstehenden Überlegungen ein Stück weit theoretischer Natur bleiben müssen. Allerdings wird dadurch die Schlüssigkeit der Argumentation keineswegs geschmälert, sondern viel­ mehr die Folgewidrigkeit der Ausschließlichkeitstheorie belegt. Der Grund, weshalb in der Praxis vermutlich jede Polizeibehörde vom Erlass derlei Un­ tersagungsverfügungen absehen wird, dürfte hierbei zum einen in fehlenden markenrechtlichen Kenntnissen zu sehen sein. Darüber hinaus würden die Polizeibehörden ihre Untätigkeit jedoch auch bei Kenntnis der Strafvorschrift des § 143 MarkenG höchstwahrscheinlich mit einem Hinweis auf das in den Privatrechtsklauseln normierte Subsidiaritätsprinzip begründen, erscheint eine derartige markenrechtliche Streitigkeit a prima vista doch zweifelsohne als eine der Zuständigkeit der Polizei entzogene rein zivilrechtliche Ausein­ andersetzung.483 Auch die Vertreter der allgemeinen Meinung hätten vermutlich Bedenken, einer solchen polizeilichen Verfügung die Rechtmäßigkeit zu attestieren. Gleichwohl besteht auf dem Boden der Ausschließlichkeitstheorie keine Möglichkeit der Untersagungsverfügung mit Verweis auf das Subsidiaritäts­ prinzip die Rechtmäßigkeit abzusprechen. Geht die Gefährdung eines Rechts oder Rechtsguts mit einem (bevorstehenden) Verstoß gegen die objektive 482  VG Saarland,

Urt. v. 14.03.2007 – 5 K 96/06 –, juris-Rn. 52. schon Baur, JZ 1962, 73, 76, nach dem es „offenbar nicht Aufgabe der Polizei“ sein könne, sich mit Fragen des Markenrechts „herumzuschlagen“, und der insoweit zutreffend eine Überforderung der Polizei annimmt. 483  So



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln185

Rechtsordnung einher, liegt kein polizeiliches Tätigwerden zum Schutz eines privaten Rechts vor und das Subsidiaritätsprinzip ist schlechthin unanwend­ bar. Ihr unumstößlicher Leitsatz verbietet der Ausschließlichkeitstheorie in­ soweit jede abweichende Bewertung der geschilderten Konstellation. Im Ergebnis ermöglicht die allgemeine Meinung daher nicht nur auf dem Gebiet des Markenrechts, sondern in sämtlichen Bereichen des Nebenstraf­ rechts, eine polizeiliche Durchsetzung zivilrechtlicher (Unterlassungs-)An­ sprüche unter vollständiger Umgehung der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wo­durch die von ihr vorgenommene Auslegung der Privatrechtsklauseln der gesetzgeberischen Intention der Vorschriften eklatant zuwiderläuft. Von ei­ nem sachgerechten Ausgleich der sich überschneidenden Kompetenzen von Judikative und Exekutive kann nicht gesprochen werden, sofern jede nur erdenkliche Strafvorschrift genügt, um der Polizei auf einem an sich der ­ ­ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsgebiet Befugnisse einzu­ räumen, die denjenigen des Gerichts nicht nur gleichkommen, sondern diese in Reichweite und Konsequenzen regelmäßig sogar übersteigen. c) Der kompetenzrechtliche Hintergrund Sofern der von der Ausschließlichkeitstheorie vorgenommenen Auslegung der Privatrechtsklauseln an dieser Stelle eine Missachtung des gesetzgeberi­ schen Willens vorgeworfen wird, werden mit diesem Vorwurf nicht die Ge­ setzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder in unzulässiger Weise durcheinander geworfen. Zugegebenermaßen handelt es sich bei § 13 GVG, der Vorschrift, die eine Kennzeichenstreitsache den ordentlichen Gerichten zuweist, um eine bundes­ rechtliche Regelung, sodass der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kom­ mende Wille des Bundesgesetzgebers genau genommen allein für die Ausle­ gung der Privatrechtsklausel des Bundespolizeigesetzes484 beachtlich wäre. Bei den 16 Landespolizeigesetzen hingegen hätte die Intention des Bundes­ gesetzgebers an sich außer Betracht zu bleiben, weil es bei der Auslegung einer Vorschrift ausschließlich auf den Willen des Gesetzgebers ankommen kann, der das in Rede stehende Gesetz erlassen hat, nicht aber auf den Willen eines anderen Hoheitsträgers. Indes ist in diesem Zusammenhang die auf dem Gebiet der Gefahrenab­ wehr bestehende Korrelation der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern zu beachten. Wenngleich es sich bei der Gefahrenabwehr um eine legislative Kernkompetenz der Länder handelt, wird diese durch die Gesetz­ gebung des Bundes maßgeblich beeinflusst. So markiert die Verhütung von 484  § 1

Abs. 4 BPolG.

186

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Straftaten seit jeher einen Kernbereich der Gefahrenabwehr, der freilich durch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet des Strafrechts485 entscheidend geprägt wird. Welches Verhalten zur Straftat erklärt wird und als solche von den Sicherheitsbehörden der Länder unter dem Gesichtspunkt der Straftatenverhütung unterbunden werden kann, bestimmt einzig der Bund und nicht das einzelne Land. Infolgedessen ist es nur konsequent, bei Auslegung der landesrechtlichen Privatrechtsklauseln ebenfalls den Willen des Bundesgesetzgebers heranzuziehen, der mit der Kodifikation der entsprechenden Strafvorschrift, wie beispielsweise § 143 MarkenG, überhaupt erst den Boden für eine polizeiliche Handlungsbefugnis bereitet hat. Zudem wird der vermeintliche kompetenzrechtliche Widerspruch bereits dadurch relativiert, dass es nicht allein die ordentliche Gerichtsbarkeit als solche ist, der von der allgemeinen Meinung die ihr nach § 13 GVG zuge­ wiesene Aufgabe entzogen wird. So kommt es in diesem Zusammenhang weniger auf die Zuweisung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten speziell an die ordentliche Gerichtsbarkeit denn auf die grundsätzliche Zugehörigkeit sol­ cher Aufgaben zum Tätigkeitsbereich der Judikative an. Dass die Entschei­ dung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten ausschließlich den Gerichten und nicht der Polizei als Teil der Exekutive zugewiesen ist, ergibt sich nicht nur aus der einfach-gesetzlichen Norm des § 13 GVG, sondern bereits aus der ver­ fassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 92 GG. Denn die Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art, wie sie etwa auch eine Kennzeichenstreitsache nach dem Markengesetz darstellt, gehört zu dem Kernbereich der nach Art. 92 GG den Richtern überantworteten rechtspre­ chenden Gewalt.486 Aus diesem Grund ist es nicht nur der Wille des einfa­ chen (Bundes-)Gesetzgebers, sondern auch derjenige des Verfassungsgebers, dem die von der Ausschließlichkeitstheorie vorgenommene Auslegung wi­ derspricht. 3. Straftatenverhütung keine unbeschränkbare polizeiliche Aufgabe Besonderes Augenmerk im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip erfordert die polizeiliche Aufgabe der Straftatenverhütung. Hielt doch schon das PrOVG in der ersten zum Subsidiaritätsprinzip ergangenen Entscheidung

485  Siehe

Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Urt. v. 06.06.1967 – 2 BvR 375, 53/50 und 18/65 –, BVerfGE 22, 49, 78; ­ Beschl. v. 09.05.1962 – 2 BvL 13/60 –, BVerfGE 14, 56, 66; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 92 Rn. 16; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 92 Rn. 7; Nitz, Private und öffentliche Sicherheit, S. 490. 486  BVerfG,



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln187

zugleich dessen Unanwendbarkeit bei der Abwehr von Straftaten fest.487 Freilich darf diese historische Verankerung keine Unumstößlichkeit des Vor­ behalts der Straftatenabwehr zur Folge haben. Vielmehr vermag die allge­ meine Meinung für sich keinen gesetzgeberischen Willen in Anspruch zu nehmen, dem zufolge die Verhütung von Straftaten als überkommene polizei­ liche Kernkompetenz schlechthin vom Subsidiaritätsprinzip unberührt blei­ ben müsse. Eine dahingehende ratio legis lässt sich den Privatrechtsklauseln im Wege einer teleologischen Auslegung schlicht nicht entnehmen. a) Subsidiaritätsprinzip als notwendige Begrenzung der polizeilichen Straftatenverhütung Die Ausweitung des Subsidiaritätsprinzips auf die polizeiliche Aufgabe der Straftatenverhütung bricht nicht etwa mit einem polizeirechtlichen Tabu, sondern ist vielmehr unerlässlich um der gesetzgeberischen Regelungsabsicht Rechnung tragen zu können. Dies erkannte bereits Baur488, indem er die Konsequenzen, die sich bei Annahme einer unbedingten polizeilichen Befug­ nis zur Straftatenverhütung unweigerlich einstellen, ebenso prägnant wie zutreffend auf den Punkt brachte: „Gesteht man der Polizei das Recht zu, strafbare Handlungen zu verhindern, so ist sie zu einem präventiven Eingriff überall dort befugt, wo ein zivilrechtlicher Ver­ bots- oder Gebotstatbestand auch als Norm des Strafrechts ausgestaltet ist. M. a. W.: das Zivilrecht [Original: Strafrecht]489, das man eben mit dem Hinweis auf die vollkommen ausreichende zivilgerichtliche Hausordnung zur Eingangstür hinaus­ komplimentiert hat, käme unverzüglich durch die Hintertür wieder zum Vorschein!“

Indirekt erkennt außerdem auch die Rechtsprechung die Notwendigkeit einer Erstreckung des Subsidiaritätsprinzips auf die polizeiliche Aufgabe der Straftatenverhütung an. Wie an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen ist, wen­ det die Rechtsprechung den von der allgemeinen Meinung postulierten An­ wendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung keinesfalls konsequent an, sondern ist bisweilen durchaus bereit, das polizeiliche Handeln selbst in 487  PrOVG, Urt. v. 18.09.1878 – I C 158/78 –, PrOVGE 4, 414, 418, hierzu bereits oben unter D.I.1. 488  Baur, JZ 1962, 73, 76. 489  Soweit im Original anstelle von Zivilrecht das Strafrecht genannt wird, dürfte es sich hierbei augenscheinlich um ein Versehen handeln, da die Ausführungen im Kontext der Pönalisierung des Zivilrechts stehen und die Metaphorik der Hintertür erkennbar verdeutlichen soll, dass wegen der pönalisierten Zivilrechtsnormen der Polizei letztendlich doch umfassende Befugnisse auf dem Gebiet des Zivilrechts zu­ gestanden werden; überdies würde es widersprüchlich anmuten, das Strafrecht gerade mit einem Hinweis auf die Zivilgerichtsordnung aus dem Aufgabenbereich der Polizei hinauszukomplimentieren.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Ansehung einer abzuwehrenden Straftat am Subsidiaritätsprinzip zu messen. So zogen die Gerichte in sechs der vorstehend dargestellten Entscheidun­ gen490 die Privatrechtsklauseln heran, obgleich in den zugrundeliegenden Konstellationen jeweils die Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafvorschrift zu besorgen gewesen ist. Ohne eine Bedeutungslosigkeit des Subsidiaritätsprinzips kann der von der Ausschließlichkeitstheorie erdachte Anwendungsprimat der objektiven Rechtsordnung in der Praxis nicht einmal hinsichtlich der Abwehr strafbarer Handlungen durchgehalten werden. Dies ist die Quintessenz, die sich bei Lichte betrachtet den genannten Entschei­ dungen entnehmen lässt. b) Über das Subsidiaritätsprinzip hinweggegangene Entwicklung des Gefahrenabwehrrechts Der Grund weshalb sich der der gesetzgeberischen Intention der Vorschrif­ ten zuwiderlaufende Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung überhaupt zu einer einmütig vertretenen Auffassung entwickeln konnte, dürfte in einer fehlenden Anpassung des Subsidiaritätsprinzips an die allge­ meine Entwicklung des Gefahrenabwehrrechts zu erblicken sein. Wie im Rahmen der historischen Auslegung bereits dargelegt wurde491, existierten zu Zeiten des PrOVG weitaus weniger Strafvorschriften als dies heute der Fall ist. Aus diesem Grund kam dem vom PrOVG angenommenen Dispens des Subsidiaritätsprinzips ursprünglich eine nur geringere Bedeu­ tung zu. Mit fortschreitendem Erlass strafrechtlicher Vorschriften, insbeson­ dere auf dem Gebiet des Nebenstrafrechts, erfuhr die polizeiliche Aufgabe der Straftatenverhütung eine stetige Ausweitung, ohne dass die mit dieser Entwicklung unweigerlich verbundenen Auswirkungen auf die Reichweite des Subsidiaritätsprinzips in Rechtsprechung oder Literatur thematisiert wor­ den wären. Noch mehr als die stetig zunehmende Zahl strafrechtlicher Vorschriften wirkte sich eine weitere Entwicklung des Polizeirechts auf die Reichweite des Subsidiaritätsprinzips aus. Während das PrOVG den Vorbehalt der Ab­ wehr strafbarer Handlungen noch auf die Konstellationen beschränkt hatte, 490  OVG LSA, B ­ eschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris-Rn. 4: Diebstahl nach § 242 StGB; VG Mainz, Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14.MZ – juris-Rn. 60: Hausfrie­ densbruch nach § 123 StGB; VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, jurisRn. 74 und 77: Pfandkehr nach § 289 StGB; VG Göttingen, B ­ eschl. v. 10.09.2009 – 1 B 235/09 –, juris-Rn. 8: Beleidigung nach § 185 StGB; VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 – juris-Rn. 4 und 9: Körperverletzung nach § 223 StGB; VG Berlin, Urt. v. 16.07.2003 – 1 A 321.98 –, juris-Rn. 29: Hausfriedensbruch nach § 123 StGB. 491  Siehe oben unter E.II.2.a).



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln189

in denen sich das Verhalten des Störers auch nach strafrechtlichen Maßstäben als Straftat darstellte492, ging die moderne Lehre dazu über, den Gesichts­ punkt der Straftatenverhütung im polizeirechtlichen Kontext auf die rechts­ widrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm auszu­ dehnen.493 So wichtig diese Entwicklung im Hinblick auf den polizeirecht­ lichen Leitgedanken der Effektivität der Gefahrenabwehr auch gewesen sein mag, so erheblich waren die Konsequenzen, die diese Neuerung für den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln mit sich brachte. Denn wird eine Straftat für die gefahrenabwehrrechtliche Bewertung auf ihren objekti­ ven Tatbestand reduziert, ist die polizeiliche Aufgabe der Straftatenverhütung wesentlich häufiger berührt, als dies noch nach dem Ansatz des PrOVG der Fall gewesen ist. Entsprechend überschaubar gestaltet sich der Anwendungs­ bereich des Subsidiaritätsprinzips, sofern diese Entwicklung unbesehen auf den Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen übertragen wird. Dass bei dieser Fortentwicklung des Gefahrenabwehrrechts die Auswirkungen auf das Subsidiaritätsprinzip hinreichend bedacht worden wären, ist nicht ersichtlich. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Zurücktreten des Subsidiari­ tätsprinzips auch bei der zu besorgenden (rechtswidrigen) Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm angezeigt ist, findet sich nirgends. Aus diesem Grund ist zu befürchten, dass die beschriebene Wechselwirkung zwischen der Reichweite der polizeilichen Straftatenverhütung auf der einen und dem Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips auf der anderen Seite schlicht übersehen worden ist. Gleiches gilt im Übrigen für die Ausweitung des Vorbehalts der Straftaten­ abwehr auf Ordnungswidrigkeiten sowie auf sämtliche Vorschriften der objektiven Rechtsordnung, mithin für die Entwicklung des Anwendungs­ ­ vorrangs der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter. Eine Begründung, weshalb die ehemals auf die Abwehr strafbarer Handlungen beschränkte Ausnahme kontinuierlich auf die Verletzung jeder nur erdenklichen Norm der objektiven Rechtsordnung ausgeweitet wurde, ist nirgendwo zu finden. Vielmehr liegt nahe, dass mit Aufwertung der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung zum Teilschutzgut der öffentlichen Sicherheit die ursprüng­ lich auf die Abwehr strafbarer Handlungen beschränkte Ausnahme des Sub­ sidiaritätsprinzips ebenfalls unbesehen auf sämtliche Rechtsnormen erstreckt wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Ausschließlichkeitstheorie, wie sie heute vertreten wird, nicht unbedingt als die Quintessenz eines Jahrzehnte währenden Diskurses dar, sondern erscheint eher als das Resultat einer ver­ 492  Hierzu

bereits unter E.II.2.a). zu diesem heute allgemein anerkannten Grundsatz unter Fn. 82.

493  Nachweise

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

selbstständigten Entwicklung. Mag der Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen einst eine lediglich punktuelle Einschränkung gewesen sein, so hat er infolge der aufgezeigten Entwicklung des Gefahrenabwehrrechts mitt­ lerweile dessen weitgehende Verdrängung zur Folge, wie nicht zuletzt anhand der oben angeführten Fallbeispiele494 deutlich wurde. Davon ausgehend ist kein gesetzgeberischer Wille erkennbar, dem zufolge der gesamte Bereich der Straftatenverhütung von vornherein dem Anwendungsbereich der Privat­ rechtsklauseln entzogen wäre. c) Kongruenz zur strafprozessualen Rechtslage Keinen Bedenken begegnet die Aufgabe des Primats der objektiven Rechtsordnung schließlich bei einem Vergleich mit der strafprozessualen Rechtslage. Zwar kann es durchaus Fallgestaltungen geben, in denen ein Polizist auf­ grund des Subsidiaritätsprinzips zunächst an der Verhütung einer Straftat gehindert ist, nur um unmittelbar nach Begehung der Straftat durch das Le­ galitätsprinzip495 zum Ergreifen repressiver Maßnahmen nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet zu sein. Folglich müsste der Polizist erst die Be­ gehung der Straftat abwarten, bevor er gegen den Störer respektive Täter vorgehen dürfte. So absurd dieser Befund zunächst erscheinen mag, so leicht lassen sich die daraus erwachsenden Bedenken entkräften. Eingedenk der unterschiedlichen Zielrichtungen von präventivem und re­ pressivem polizeilichen Handeln sind derart divergierende Rechtsfolgen nicht zu vermeiden und bestehen in umgekehrter Konstellation ebenso auf dem Boden der Ausschließlichkeitstheorie. Begeht beispielsweise ein Kind unter 14 Jahren eine Straftat, so ist gemäß § 19 StGB nicht nur die Bestrafung selbst ausgeschlossen, sondern darüber hinausgehend nach wohl herrschen­ der Meinung infolge der Schuldunfähigkeit auch ein Großteil der strafprozes­ sualen Maßnahmen unzulässig.496 Obschon die Einleitung eines Strafverfah­ rens damit von vornherein nicht in Betracht kommt, wird die präventive Befugnis der Polizei zur Verhütung der entsprechenden Straftat von nieman­ den in Abrede gestellt und es wird stattdessen – zu Recht – stets auf die sich

494  Siehe

die unter C.I.1. dargestellten Beispielsfälle. §§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 StPO folgt auch für die Polizei eine Pflicht zur Strafverfolgung, siehe Fischer, in: KK-StPO, Einleitung Rn. 8. 496  Streng, in: MüKo, StGB, § 19 Rn. 12 f., jedoch mit beachtlichen Argumenten gegen die von der wohl herrschenden Meinung vertretene Unzulässigkeit einer vor­ läufigen Festnahme gemäß § 127 StPO. 495  Aus



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln191

von dem Zweck der Strafverfolgung unterscheidende Zielrichtung des Ge­ fahrenabwehrrechts hingewiesen.497 Ein Abweichen der gefahrenabwehrrechtlichen Bewertung von der sich anhand des Strafprozessrechts ergebenden Rechtslage ist somit durchaus nicht unüblich, sodass dieser Umstand für sich genommen keine Bedenken gegen den hiesigen Lösungsvorschlag zu begründen vermag. 4. Beachtung der grundrechtlichen Schutzpflichten Indem mithilfe der Privatrechtsklauseln die Kompetenzen von Judikative und Exekutive zueinander abgegrenzt werden, ist hierdurch gleichzeitig die Beachtung des grundrechtlichen Untermaßverbots498, welches den Staat bei Erfüllung seiner Schutzpflichten trifft, gewährleistet. Gewiss mag es auf den ersten Blick befremdlich wirken, die Polizei durch Heranziehung der Privat­ rechtsrechtsklauseln ausgerechnet in den Fällen zur Untätigkeit zu verdam­ men, in denen mit der Verhütung von Straftaten ihre ureigene Kernkompetenz betroffen ist. Die Vorstellung eines Polizisten, der die Verhinderung einer Straftat mit einem Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip ablehnt, scheint mit den grundrechtlichen Schutzpflichten, die den Staat gegenüber dem von der Straftat Bedrohten treffen, schlechthin unvereinbar. Im Ergebnis greifen die vorstehenden Bedenken, so gewichtig sie a prima vista auch erscheinen mö­ gen, indessen nicht durch. a) Gerichtlicher Schutz als Äquivalent zur polizeilichen Gefahrenabwehr Da die Privatrechtsklauseln die polizeilichen Befugnisse nur bei der Er­ reichbarkeit gerichtlichen Schutzes zurücktreten lassen, ist gewährleistet, dass die Polizei nur dann an der Verhütung einer Straftat gehindert ist, wenn dem Betroffenen mit der Möglichkeit gerichtlichen Schutzes ein Äquivalent zur Verfügung steht. Das Entstehen einer grundrechtlichen Schutzlücke, in der weder Polizei noch ordentliche Gerichtsbarkeit zur Verhütung der bevor­ stehenden Straftat einschreiten dürfen respektive können, ist hierdurch aus­ geschlossen. Die im Hinblick auf die bevorstehende Straftat mit Recht als befremdend empfundene Untätigkeit der Polizei wird dadurch relativiert, als die Polizei nicht schlechterdings an einem Einschreiten gehindert wäre, sondern die 497  Siehe insbesondere Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 11; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 14. 498  Zum grundrechtlichen Untermaßverbot siehe Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 26 und 30 f.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

drohende Straftat unter den Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln durch­ aus verhindern dürfte. Die verstörende Vorstellung eines Polizisten, der se­ henden Auges eine Straftat geschehen lässt – gedacht sei hier etwa an den Einbrecher, der unbehelligt von der Besatzung eines Streifenwagens seinen Beutezug fortsetzen kann – ist hierdurch widerlegt. Wie im Beispiel des nächtlichen Einbrechers wird nämlich in den allermeisten Fällen für den Betroffenen ein gerichtliches Vorgehen gegen den Störer nicht möglich sein, sei es wegen der Anonymität des Störers oder der Unkenntnis von der Tatbe­ gehung. Ein polizeiliches Einschreiten wird dementsprechend lediglich in den (seltenen) Fällen durch das Subsidiaritätsprinzip ausgeschlossen, in de­ nen der Betroffene die Begehung der Straftat ebenso gut durch ein Anrufen der ordentlichen Gerichtsbarkeit verhindern könnte.499 Das Zurücktreten der polizeilichen Befugnis zur Verhütung von Straftaten bleibt somit auf die Konstellation beschränkt, in denen für den Betroffenen eine zweigleisige Schutzmöglichkeit besteht: Der Schutz durch die Polizei einerseits und der Schutz durch die ordentliche Gerichtsbarkeit andererseits. In dieser Konstellation die exekutive Befugnis hinter derjenigen der Judika­ tive zurücktreten zu lassen, ist keineswegs unbillig, sondern durchaus folge­ richtig. Soweit ein gerichtlicher Schutz möglich ist, ist dieser in Anspruch zu nehmen und darf nicht durch ein polizeiliches Einschreiten unterlaufen wer­ den. Dies ist der Grundgedanke der Privatrechtsklauseln, die den Vorrang des gerichtlichen Schutzes gegenüber dem polizeilichen ausdrücklich anordnen500 und wird als solcher auch von den Anhängern der Ausschließlichkeitstheorie nicht in Abrede gestellt.501 Der sich bei Aufgabe des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsord­ nung gegenüber der Position der allgemeinen Meinung ergebende Unter­ 499  Zu der weiterhin von den Privatrechtsklauseln aufgestellten Voraussetzung ei­ ner Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung, die in derlei Konstellationen regelmäßig erfüllt ist, eingehend noch im dritten Kapitel unter C. 500  „Der Schutz privater Rechte […] obliegt […] nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist […]“, so die Formulierung in sämtlichen der 17 Privatrechtsklauseln, Hervorhebung nur hier; Schlink, NJW 1988, 1689, 1691, spricht insoweit vom „Kern des Subsidiaritätsprinzips“; siehe auch Schoch, JURA 2013, 468, 470: „die Subsidiaritätsklausel stellt den Vorrang der Zivilgerichts­ barkeit beim Schutz privater Rechte sicher.“ 501  So deutlich Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 20: „Besteht die Gefahr der Verletzung privater Rechte und Rechtsgüter durch andere, bestimmte Pri­ vate, so tritt die Gefahrenabwehr hinter den zivilrechtlichen und zivilprozessualen Rechtsschutz, den der Gefährdete gegenüber dem Störer oder Schuldner in Anspruch nehmen kann, zurück (Subsidiaritätsprinzip)“, wobei sie das Subsidiaritätsprinzip gleichwohl bei der Verhütung von Straftaten für nicht einschlägig erachten, § 10 Rn. 22.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln193

schied erschöpft sich hinsichtlich des Schutzes subjektiver Rechte hiernach darin, den Vorrang des gerichtlichen Schutzes auf den Bereich der Straftaten­ verhütung auszuweiten. Sofern auch das Gericht zur Verhütung einer Straftat in der Lage ist, treten die Eingriffsbefugnisse der Polizei nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln zurück. b) Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum In Anbetracht des dem Gesetzgeber bei der Erfüllung der ihn treffenden Schutzpflichten einzuräumenden Gestaltungsspielraums502 bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die polizeiliche Befugnis zur Verhü­ tung einer Straftat unter den Vorbehalt der Möglichkeit gerichtlichen Schut­ zes zu stellen. Der von der Exekutive gewährte Grundrechtsschutz ist gegenüber demje­ nigen der Judikative aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht vorzugs­ würdig503, Maßstab bei der Erfüllung staatlicher Schutzpflichten ist vielmehr ausschließlich der Gesichtspunkt der Effektivität des grundrechtlichen Schut­ zes.504 Ist der durch ein Gericht gewährte Schutz ebenso effektiv wie derje­ nige der Polizei, besteht kein Anlass, den exekutiven Schutz demjenigen der Judikative vorzuziehen. Für den Gesetzgeber besteht insoweit ein Wahlrecht, welcher der beiden anderen Staatsgewalten er den Schutz eines Grundrechts anvertrauen möchte. Dieses Wahlrecht hat der Gesetzgeber mit der Kodifika­ tion der Privatrechtsklauseln ausgeübt und ausweislich deren Wortlauts hier­ bei dem gerichtlichen Rechtsschutz den Vorrang gegenüber dem polizeilichen Schutz eingeräumt. Die von der allgemeinen Meinung vorgenommene Auslegung kehrt diesen Vorrang auf dem Gebiet der Straftatenverhütung sowie für den gesamten Bereich der Abwehr von Gefahren für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung um und weist dort der Polizei die vornehmliche Befugnis zum Schutz der gefährdeten Rechte und Rechtsgüter zu. Aufgrund der domi­ nanten Rolle, die dem Schutzgut der Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung in der Praxis zukommt, verkommt der vom Gesetzgeber angeordnete Primat gerichtlichen Rechtsschutzes in weiten Teilen der Praxis somit zur Makulatur.

502  Siehe

oben unter A.I. bezeichnet Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 38, polizei­ liche Maßnahmen als zwar „typische“, aber nicht „exklusive“ Form des Schutzes von Grundrechten. 504  Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 26. 503  Zutreffend

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Bedenken muss diese Auslegung der allgemeinen Meinung nun bereits deswegen hervorrufen, weil der von den Privatrechtsklauseln einfach-gesetz­ lich normierte Primat des gerichtlichen Rechtsschutzes auch verfassungs­ rechtlich vorgezeichnet ist. Indem das Grundgesetz auf dem Gebiet des Pri­ vatrechts einen umfassenden Schutz durch die Judikative gewährleistet505, wird dieser Bereich zugleich dem Zugriff der Exekutive grundsätzlich entzo­ gen. Denn ungeachtet der kontrovers geführten Diskussion zum Rechtspre­ chungsbegriff des Art. 92 GG506 dürfte zumindest insoweit ein Konsens an­ genommen werden können, als sämtliche Definitionen eine Letztverbindlich­ keit des Richterspruchs verlangen.507 Diesem Anspruch auf Letztverbindlich­ keit könnte die gerichtliche Entscheidung nur schwerlich genügen, sofern neben der Judikative auch der Exekutive weitreichende Entscheidungsbefug­ nisse auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts zukämen. Gleichwohl stellen sich solche weitreichenden polizeilichen Befugnisse unvermeidlich ein, wenn der Polizei die Aufgabe der Straftatenverhütung ohne den Vorbehalt des Subsidiaritätsprinzips zugewiesen wird. Soweit das subjektive Recht oder ­ Rechtsgut einen strafrechtlichen Schutz genießt, besteht für den Rechteinha­ ber nach der Ausschließlichkeitstheorie faktisch ein Wahlrecht, ob er gericht­ lich einen Unterlassungsanspruch gegen den Rechtsverletzer geltend macht oder stattdessen die Polizei um den Erlass einer polizeilichen Untersagungs­ verfügung ersucht. 5. Unanwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips beim Schutz subjektiver Rechtsgüter Mit der bisher im Rahmen der teleologischen Auslegung vorgebrachten Argumentation erfolgte noch keine Begründung, weshalb nach dem hier vor­ geschlagenen Ansatz der Schutz subjektiver Rechtsgüter nicht ebenfalls dem Subsidiaritätsprinzip unterstellt, sondern diesem stattdessen entzogen wird. Gewiss ließen sich die bisherigen Ausführungen ebenso als Argumentation heranziehen, um den Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung

505  Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, S. 95 ff. und 115; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 301 und 445. 506  Siehe nur Wilke, in: HStR, V, § 112 Rn. 56 f. 507  Siehe BVerfG, Urt. v. 08.02.2001 – 2 BvF 1/100 –, BVerfGE 103, 111, 137: „Zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen der Rechtsprechung in diesem Sinne gehört das Element der Entscheidung, der letztverbindlichen, der Rechtskraft fähigen Fest­ stellung und des Ausspruchs dessen, was im konkreten Fall rechtens ist“, Hervorhe­ bung nur hier; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Vorb. Art. 92 Rn. 9 und Art. 92 Rn. 20; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 92 Rn. 11: Die zu treffende Entscheidung müsse „Letztverbindlichkeit“ beanspruchen können.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln195

nicht lediglich hinsichtlich des Schutzes subjektiver Rechtsgüter, sondern auch im Hinblick auf den Schutz subjektiver Rechte aufzugeben. a) Kein „traditioneller Kernbereich“ richterlicher Aufgaben Das Erfordernis einer divergierenden Behandlung von Rechtsgütern ergibt sich aus der den Privatrechtsklauseln zugrundeliegenden gesetzgeberischen Intention. Wie bereits mehrfach betont wurde, besteht die Funktion der Pri­ vatrechtsklauseln darin, den zwischen Polizei und ordentlicher Gerichtsbar­ keit bestehenden Kompetenzkonflikt aufzulösen. Diese gesetzgeberische In­ tention lässt sich dahingehend präzisieren, dass mit den Vorschriften ein po­ lizeiliches Tätigwerden in dem von Art. 92 GG ausschließlich den Gerichten zugewiesenen Bereich der Rechtsprechung verhindert respektive nur aus­ nahmsweise zugelassen werden soll. Der Schutz von Rechtsgütern wie dem Leben oder der Gesundheit kann nun schwerlich als eine originäre Aufgabe der Rechtsprechung angesehen werden, die als solche durch die Privatrechtsklauseln vor einem polizeilichen Kompetenz-Übergriff bewahrt werden müsste. Zugegebenermaßen können die ordentlichen Gerichte im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zwar durchaus auch zum Schutz von Rechtsgütern vor privaten Übergriffen ange­ rufen werden. Doch wird der Erlass einer entsprechenden einstweiligen An­ ordnung kaum zu den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten hinzugezählt werden können, die Art. 92 als „traditionellen Kernbereich“508 ausschließlich den Gerichten zuweist. So spricht auch das Bundesverfassungsgericht insoweit treffend von „bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vermögensrechtlicher Art“, deren Entscheidung eine „typische Aufgabe der Rechtsprechung“ darstelle.509 Dass der Schutz von Rechtsgütern vor den Übergriffen Privater nicht als Teil des überkommenen Aufgabenbereichs der Rechtsprechung angesehen werden kann, belegt ein Blick auf das Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG). Vor Inkrafttreten des Ge­ waltschutzgesetzes am 1. Januar 2002 existierte nicht einmal eine kodifizierte Rechtsgrundlage für gerichtliche Schutzanordnungen bei Verletzungen von Rechtsgütern wie der körperlichen Unversehrtheit oder der persönlichen Freiheit510, sodass die Anzahl der diesbezüglich ergangenen Entscheidungen

508  Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 92 Rn. 16; Classen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 92 Rn. 7. 509  BVerfG, B ­ eschl. v. 09.05.1962 – 2 BvL 13/60 –, BVerfGE 14, 56, 66; siehe auch Urt. v. 06.06.1967 – 2 BvR 375, 53/50 und 18/65 –, BVerfGE 22, 49, 78, Her­ vorhebung nur hier. 510  Krüger, in: MüKo, BGB, Band 8, 7. Auflage 2017, GewSchG, § 1 Rn. 1.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

sehr überschaubar ausfiel.511 Ferner gestaltete sich die Vollstreckung entspre­ chender Beschlüsse512 nach der alten Rechtslage als schwierig, weshalb sich die gerichtlichen Verbote in der Praxis oftmals als nur bedingt wirksam heraus­stellten.513 Insgesamt war der zivilrechtliche Schutz von subjektiven Rechtsgütern vor dem Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes folglich nur unzureichend ausgestaltet.514 b) Keine vorrangige Zuweisung des Schutzes subjektiver Rechtsgüter an die Judikative Obwohl seit der Kodifikation des Gewaltschutzgesetzes ein effektiver ge­ richtlicher Schutz von Rechtsgütern wie dem Leben oder der körperlichen Unversehrtheit nunmehr möglich ist515, erscheint es dennoch angebracht, den 511  BT-Drucks. 14/5429, S. 15 unter C.III.1., wo darauf hingewiesen wird, dass nach alter Rechtslage entsprechenden Anträgen teilweise das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen worden sei, weil die Taten, deren Unterlassung begehrt werde, ohnehin strafbewehrt seien. 512  Gerichtliche Entscheidungen (einstweilige Verfügungen) zum Schutz von Kör­ per, Gesundheit oder Freiheit ergingen unter Geltung der Zivilprozessordnung wegen der besonderen Eilbedürftigkeit regelmäßig ohne mündliche Verhandlung durch Be­ schluss, §§ 935, 936, 922 Abs. 1, 128 Abs. 4 ZPO. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist für den entsprechenden gerichtlichen Ausspruch (einst­ weilige Anordnung) zwingend der Beschluss als Entscheidungsform vorgesehen, siehe § 214 Abs. 2 Satz 1, § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG. 513  Nach alter Rechtslage konnten entsprechende Untersagungsverfügungen nur nach §§ 890 f. ZPO vollstreckt werden. Dies führte wegen der Anhörungspflicht des Schuldners gemäß § 891 ZPO zu langwierigen Verfahren. Überdies erwies sich die Festsetzung von Ordnungsgeldern bei mittellosen Schuldnern als wirkungslos, Merscher, Die Verzahnung von Straf- und Zivilrecht im Kampf gegen häusliche Gewalt, S. 27 f. Nunmehr sieht § 96 FamFG eine effiziente Vollstreckung entsprechender einstweiliger Anordnungen durch den Gerichtsvollzieher vor, hierzu Duden, in: MüKo, BGB, GewSchG, § 1 Rn. 35. 514  Heinke, Gewaltschutzgesetz, Vorb. Rn. 1. 515  Insbesondere dürfte der Effektivität gerichtlichen Schutzes nach dem Gewalt­ schutzgesetz nicht die Obliegenheit einer vorgerichtlichen Abmahnung entgegenste­ hen. Während für den Zivilprozess allgemein anerkannt ist, dass vor der gerichtlichen Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs grundsätzlich eine Abmahnung des Störers erforderlich ist, um die Kostenfolge des § 93 ZPO (sofortiges Anerkenntnis) abzuwenden (Jaspersen, in: BeckOK, ZPO, § 93 Rn. 33), dürfte das Gewaltschutzge­ setz eine vergleichbare Obliegenheit nicht vorsehen, da mit den §§ 80 f. FamFG inso­ weit spezielle Vorschriften zur Kostentragung existieren, die die Kostenentscheidung in das Ermessen des Gerichts stellen und hierbei – anders als etwa § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 FamFG für Unterhaltssachen – nicht auf § 93 ZPO bzw. die in ihm zum Ausdruck kommende Wertung verweisen (siehe § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Nichts­ destoweniger geht das LG Bonn für das – als solches nicht mehr dem Gewaltschutz­



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln197

polizeilichen Schutz subjektiver Rechtsgüter im Hinblick auf das Subsidiari­ tätsprinzip abweichend von dem Schutz subjektiver Rechte zu bewerten. Während etwa in dem dargestellten Beispiel des Markenrechts516 nach der Vorstellung des Gesetzgebers allein ein Anrufen der (ordentlichen) Gerichts­ barkeit die adäquate Reaktion des Betroffenen auf einen (drohenden) privaten Übergriff darstellt, ist eine entsprechende gesetzgeberische Intention hin­ sichtlich des Schutzes subjektiver Rechtsgüter auch nach Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes nicht erkennbar. Im Gegenteil war es der Bundesge­ setzgeber selbst, der auf die Kodifikation korrespondierender (landesrechtli­ cher) Gefahrenabwehrmaßnahmen hinwirkte, um den durch das Gewalt­ schutzgesetz gestärkten gerichtlichen Schutz für den Bereich der häuslichen Gewalt polizeirechtlich zu flankieren.517 Infolgedessen sehen mittlerweile auch sämtliche Polizeigesetze der Länder518 entsprechende Vorschriften zur Wohnungsverweisung vor.519 Wie sich aus diesen Vorschriften nun mittelbar ergibt, kann der Schutz von Rechtsgütern vor privaten Übergriffen nicht als bürgerliche Rechtsstrei­ tigkeit ausschließlich der Rechtsprechung anvertraut sein. Denn die An­ nahme einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit in der Konstellation von häusli­ cher Gewalt hätte unumgänglich die Verfassungswidrigkeit der entsprechen­ den polizeirechtlichen Vorschriften zur Folge. So weist Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Be­ reich des bürgerlichen Rechts zu, von der dieser, insbesondere mit Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuches, grundsätzlich520 abschließend Gebrauch ge­ gesetz unterfallende – Hauptsacheverfahren von einer Anwendbarkeit des § 93 ZPO aus, LG Bonn, ­Beschl. v. 21.06.2004 – 6 T 136/04 –, BeckRS 2004, 17832; siehe auch die Entscheidung des OLG Saarbrücken, B ­ eschl. v. 12.04.2011 – 6 UF 23/11 –, juris, in welcher das Gericht auf die Anwendbarkeit des § 93 ZPO bei einer einstwei­ ligen Anordnung nach § 1 GewSchG nicht eingeht, da es die Beschwerde gegen eine isolierte Kostenentscheidung bereits wegen des Nichterreichens der erforderlichen Beschwerdesumme als unzulässig verwirft und sich die Frage nach einer Anwendung des § 93 ZPO deswegen nicht mehr stellt. 516  Siehe oben unter C.I.1.i) (Fall 9: Geistiges Eigentum). 517  Merscher, Die Verzahnung von Straf- und Zivilrecht im Kampf gegen häusli­ che Gewalt, S. 188 f. 518  Das Bundespolizeigesetz enthält keine solche Standardmaßnahme. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die Fälle häuslicher Gewalt außerhalb der (nur begrenzten) örtlichen Zuständigkeit der Bundespolizei liegen. 519  Auch in Bayern wurde mit dem Gesetz zur effektiveren Überwachung gefähr­ licher Personen (Bay. GVBl. Nr. 13/2017, 388) in Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayPAG nunmehr ein sog. Kontaktverbot eingeführt, hierzu Heckmann, in: Becker/Heckmann/ Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 358 und 359b. Näher zu den einzelnen Vorschriften der Länder im vierten Kapitel unter E.III.1. 520  Zur Zulässigkeit landesrechtlicher Vorschriften des Sachenrechts siehe BVerwG, Urt. v. 21.11.1996 – 4 C 33.94 –, BVerwGE 102, 260, originärer Eigentums­

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

macht hat.521 Würde es sich bei der Begehung von Körperverletzungen im Rahmen einer häuslichen Gemeinschaft tatsächlich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handeln, wären die Vorschriften zur Wohnungsverweisung in Ermangelung einer Gesetzgebungskompetenz der Länder somit formell verfassungswidrig. Eine Verfassungswidrigkeit der Standardmaßnahme der Wohnungsverwei­ sung wegen einer fehlenden Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Bereich des Bürgerlichen Rechts522 wird – soweit ersichtlich – bislang nicht vertreten und ist im Ergebnis auch abzulehnen.523 Begründen ließe sich die Einordnung häuslicher Gewalt als eine Streitigkeit des bürgerlichen Rechts allenfalls mit Verweis auf den privatrechtlichen Unterlassungsanspruch, den die gefährdete Person gegenüber dem Störer vor der ordentlichen Gerichts­ barkeit geltend machen könnte. Freilich müsste mit dieser Argumentation nahezu der gesamte Bereich polizeilicher Tätigkeit als bürgerliche Rechts­ streitigkeit angesehen werden. Mit Ausnahme der Fälle, in denen die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht durch menschliches Verhal­ ten hervorgerufen wird524 bzw. allein die Allgemeinheit gefährdet ist525, be­ steht stets ein privatrechtlicher Unterlassungsanspruch, der im Zuge der poli­ zeilichen Gefahrenabwehrmaßnahme durch die Exekutive anstelle der hierzu eigentlich berufenen Judikative durchgesetzt wird. Denn die ausweislich ihres Wortlauts allein den Schutz des Eigentums betreffende Vorschrift des § 1004

erwerb an Fossilienfunden nach einer landesrechtlichen Vorschrift des Denkmalschut­ zes. 521  Siehe Art. 55 EGBGB. 522  Demgegenüber wird eine formelle Verfassungswidrigkeit der Normen wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Freizügigkeit (Art. 11 GG) im Hinblick auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Be­ reich der Freizügigkeit durchaus diskutiert, hierzu Trierweiler, Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt, S. 91 f. 523  So auch Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 168, der die nordrhein-westfä­ lische Vorschrift des § 34a PolG NRW „in einem Grenzbereich zwischen präventiver Gefahrenabwehr und der bürgerlich-rechtlichen Konfliktregelung“ ansiedelt und den­ noch eine Gesetzgebungskompetenz der Länder annimmt: „dürfte eine landesrechtli­ che (polizeiliche) Gesetzgebungskompetenz noch zu bejahen sein“ [Anm.: Gemeint sein dürfte: Gesetzgebungskompetenz der Länder, da es eine landesrechtliche Gesetz­ gebungskompetenz nicht geben kann, sondern sich eine solche nur aus den bundesrechtlichen Vorschriften der Art. 70 ff. GG zu ergeben vermag]; zustimmend Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 92. 524  Etwa bei drohenden Naturkatastrophen. 525  Gedacht sei hierbei etwa an die Verwirklichung einer Strafnorm, die aus­ schließlich öffentliche Interessen schützt, wie beispielsweise die allein die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs schützende Strafnorm des § 316 StGB, hierzu Pegel, in: MüKo, StGB, Band 5, 3. Auflage 2019, § 316 Rn. 1.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln199

BGB526 findet anerkanntermaßen auf sämtliche durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten subjektiven Rechte und Rechtsgüter analoge Anwendung.527 Für den in der polizeilichen Praxis bedeutsamen Bereich der Straftatenverhütung ergibt sich des Weiteren ein inhaltsgleicher Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB, da Strafvorschriften regelmäßig als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind.528 Davon ausgehend müsste bis auf die beiden genannten Ausnahmen529 aufgrund des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs konsequentermaßen in sämtlichen polizeilichen La­ gen eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit angenommen werden. Angesichts dessen vermag das Bestehen eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs für sich genommen noch keine hinreichende Bedingung für die Annahme einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit darzustellen. Beinahe jede gefahrenab­ wehrrechtliche Maßnahme als Intervention in eine zivilrechtliche Auseinan­ dersetzung anzusehen, ginge ersichtlich fehl. Allerdings wird an dieser Stelle unweigerlich die Frage aufgeworfen, wes­ halb beim Schutz subjektiver Rechte, insbesondere auf dem Gebiet des geis­ tigen Eigentums, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips noch mit einem Hinweis auf den bestehenden zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch begrün­ det wurde und ein entsprechender Anspruch beim Schutz subjektiver Rechts­ güter demgegenüber ausgeblendet wird. Mag dies dem ersten Anschein nach zwar widersprüchlich erscheinen, kann die unterschiedliche Bewertung durchaus begründet werden. Wenngleich die Polizei der Sache nach bei ei­ nem Tätigwerden zum Schutz subjektiver Rechtsgüter gleichermaßen den in der Regel bestehenden Unterlassungsanspruch durchsetzt, erscheint dieser Umstand hier dennoch lediglich als ein Reflex, welcher eine unterschiedliche Behandlung gegenüber dem polizeilichen Schutz subjektiver Rechte zulässt. Denn während der Schutz subjektiver Rechte nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers durch eine gerichtliche Durchsetzung des zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu erfolgen hat, misst der Gesetzgeber den sich aus subjektiven Rechtsgütern ergebenden Ansprüchen keine vergleichbare Be­ deutung zu. Dies folgt schon daraus, dass für dahin lautende Unterlassungs­ ansprüche keine geschriebene materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage be­ 526  § 1004 Abs. 1 BGB lautet: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beein­ trächtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“ 527  Thole, in: Staudinger, § 1004 Rn. 13 m. w. N. 528  Siehe die nicht abschließende Aufzählung bei Wagner, in: MüKo, BGB, § 823 Rn. 596. 529  In der ersten Konstellation (Naturkatastrophen etc.) fehlt es an einem Unterlas­ sungsschuldner während in der zweiten (bloße Gefährdung der Allgemeinheit) kein Unterlassungsgläubiger existiert.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

steht530, sondern diese erst im Rahmen einer analogen Anwendung des § 1004 BGB gewonnen werden kann. Eine gesetzgeberische Intention, der zufolge auch bei der Bedrohung subjektiver Rechtsgüter den grundrecht­ lichen Schutzpflichten zuvörderst durch ein Anrufen der ordentlichen Ge­ richtsbarkeit genügt werden soll, ist mithin nicht erkennbar. Der bloße Um­ stand, dass durch jedes polizeiliche Tätigwerden zum Schutz subjektiver Rechtsgüter zugleich auch ein privatrechtlicher Unterlassungsanspruch durch­gesetzt wird, gebietet es folglich nicht, subjektive Rechtsgüter im Hin­ blick auf das Subsidiaritätsprinzip subjektiven Rechten gleichzustellen. Aus den voranstehenden Ausführungen ergibt sich des Weiteren, dass die in den Privatrechtsklauseln genannten privaten Rechte nicht mit privatrecht­ lichen Forderungen gleichgesetzt werden können. Schließlich käme das Subsidiaritätsprinzip bei einer dahin lautenden Aus­ legung (außer in den beiden geschilderten Ausnahmen) fortwährend zur An­ wendung, weil angesichts des stets bestehenden Unterlassungsanspruchs je­ des polizeiliche Einschreiten auf den Schutz eines privaten Rechts hinauslau­ fen würde. Ergo kann nicht der privatrechtliche Unterlassungsanspruch her­ angezogen werden, um mit dessen Eigenschaft als subjektives Recht die Anwendung der Privatrechtsklauseln in sämtlichen Fällen zu begründen. Abzustellen ist vielmehr auf das konkret gefährdete Recht oder Rechtsgut. c) Hervorgehobene Bedeutung subjektiver Rechtsgüter Weiterhin streitet für das Herauslösen subjektiver Rechtsgüter aus dem Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips der Umstand, dass es sich bei Rechtsgütern ausnahmslos um grundrechtliche Positionen handelt, denen eine besonders vornehme Bedeutung zukommt. Obzwar an sich kein abstrak­ tes Rangverhältnis zwischen einzelnen Grundrechten besteht531, kann doch nicht geleugnet werden, dass dem Leben, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit von der Rechtsordnung eine gewisse Vorrang­ stellung gegenüber subjektiven Rechten eingeräumt wird. So wird namentlich das Leben verbreitet als „Höchstwert“ der verfassungsrechtlichen Ordnung bezeichnet.532 530  § 1 GewSchG stellt eine verfahrensrechtliche Vorschrift dar, die keinen materi­ ell-rechtlichen Anspruch gewährt, sondern diesen vielmehr voraussetzt, siehe BGH, ­Beschl. v. 26.02.2014 – XII ZB 373/11 –, juris-Rn. 13; Duden, in: MüKo, BGB, GewSchG, § 1 Rn. 3. 531  Papier, in: HGR, III, § 64 Rn. 31 f. 532  BVerfG, Urt. v. 25.02.1975 – 1 BvF 1/74 (u. a.) –, BVerfGE 39, 1, 42: „Das menschliche Leben stellt, wie nicht begründet werden muss, innerhalb der grundge­ setzlichen Ordnung einen Höchstwert dar“; Müller-Verpatz, in: HStR, VII, § 147



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln201

Der besondere Rang von Rechtsgütern wird schließlich auch durch die in einigen Polizeigesetzen enthaltenen Definitionen der erheblichen Gefahr533, die als solche eine Qualifikation des gewöhnlichen Gefahrenbegriffs dar­ stellt534, unterstrichen. Während die Legaldefinitionen mit dem Begriff der Vermögenswerte535 subjektive Rechte nicht per se, sondern lediglich unter dem Vorbehalt der Wesentlichkeit536 zu bedeutsamen Rechtsgütern erklären, werden das Leben, die Gesundheit und die Freiheit, die nach dem hiesigen Begriffsverständnis allein als Rechtsgüter anzusehen sind, ohne Weiteres als bedeutsam klassifiziert.537 Mit der vornehmen Stellung von Rechtsgütern korrespondieren entspre­ chend weitreichende staatliche Schutzpflichten.538 Die konkrete Rechtsfolge einer staatlichen Schutzpflicht wird auch durch den Rang des in Rede stehen­ den Grundrechts bedingt539, sodass die den Staat im Hinblick auf den Schutz von subjektiven Rechtsgütern treffenden Pflichten weiter zu stecken sind als diejenigen, die beim Schutz subjektiver Rechte bestehen. Denn sämtliche540 Positionen, die nach der hier vertretenen Differenzierung als ein subjektives Recht angesehen werden, unterfallen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG541, Rn. 52, der betont, das Leben sei „ein, nicht aber der verfassungsrechtliche Höchst­ wert“, Hervorhebungen nur hier; siehe auch Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 25: Leben und körperlicher Unversehrtheit komme „innerhalb des Grundgesetzes ein herausge­ hobener Rang zu“. 533  § 2 Nr. 3 lit. c) BremPolG; § 2 Nr. 3 NPOG; § 3 Nr. 3 lit. c) SOG LSA; § 14 Abs. 2 Satz 2 BPolG; siehe auch § 54 Nr. 3 lit. c) ThürOBG. 534  Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 12 Rn. 29. 535  Nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis können sämtliche sub­ jektiven Rechte unter den Begriff der Vermögenswerte subsumiert werden, weil jeder übertragbaren Rechtsposition ein Vermögenswert zukommt. 536  § 2 Nr. 3 lit. c) BremPolG und § 2 Nr. 3 NPOG erklären anstelle von „wesent­ lichen Vermögenswerten“ „nicht unwesentliche Vermögenswerten“ zu bedeutsamen Rechtsgütern. 537  Siehe auch Berner/Köhler/Käß, PAG, Art. 5 Rn. 5, die Leben, körperliche Un­ versehrtheit und persönliche Freiheit als „wesentliche Rechtsgüter“ bezeichnen und bei deren Gefährdung eine Pflicht der Polizei zum Einschreiten annehmen. 538  So nimmt das BVerfG bei den „höchstpersönlichen Rechtsgütern – Leben, kör­ perliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person –“ unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung an, ob­ gleich das Grundgesetz einen solchen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter an sich nicht kennt, BVerfG, B ­ eschl. v. 06.10.2014 – 2 BvR 1568/12 –, juris-Rn. 9 f. 539  Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 25; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, I, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 41. 540  Zur besonderen Stellung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen der hier vorgenommenen Differenzierung noch im fünften Kapitel unter D.III. 541  Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff umfasst auf dem Gebiet des Pri­ vatrechts „grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befug­

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

hinsichtlich derer den Staat lediglich eine vergleichsweise gering ausgeprägte Schutzpflicht trifft.542 Dieser verringerte Umfang der staatlichen Schutzpflicht wird hierbei durch den Umstand gerechtfertigt, dass Eigentumsverletzungen einer nachträglichen finanziellen Kompensation zugänglich sind, sodass etwa­ ige Rechtsverletzungen zumindest im Nachhinein ausgeglichen werden kön­ nen.543 Demgegenüber ist bei einer erlittenen Rechtsgutverletzung eine finan­ zielle Kompensation nur bedingt möglich. Sind bei einer Gefahr für subjektive Rechtsgüter somit regelmäßig nur schwer zu kompensierende Schäden zu befürchten, ist es angezeigt, die poli­ zeilichen Befugnisse insoweit nicht von den Voraussetzungen der Privat­ rechtsklauseln abhängig zu machen. Denn anders als dies bei einer Gefähr­ dung ihrer subjektiven Rechte der Fall ist, vermag die betroffene Person, falls gerichtlicher Schutz entgegen der vorläufigen Einschätzung der Poli­ zei544 doch nicht rechtzeitig erreicht werden kann, ihre erlittenen Rechtsguts­ verletzungen durch Regressforderungen gegen den Störer545 nachträglich nicht ohne Weiteres zu kompensieren. Auch wegen dieser nur eingeschränk­ ten Kompensationsmöglichkeit sind bei Gefährdungen subjektiver Rechts­ güter typischerweise schwerwiegendere Schäden zu besorgen als bei einer ausschließlich für subjektive Rechte bestehenden Gefahr. Vor diesem Hinter­ nisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“, BVerfG, ­Beschl. v. 09.01.1991 – 1 BvR 929/89 –, BVerfGE 83, 201, 209; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 23. Damit werden schuldrechtliche Forderungen ebenso erfasst wie Rechte des geistigen Eigentums oder auch das aus dem zivilrecht­ lichen Eigentum abgeleitete (hierzu BVerfG, B ­ eschl. v. 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226, 259) Hausrecht. 542  Calliess, in: HGR, II, § 44 Rn. 25. 543  Trute, Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im Bundesimmissions­ schutzgesetz, S. 239; Isensee, das Grundrecht auf Sicherheit, S. 38 sowie speziell hinsichtlich eines Anspruches auf polizeiliches Einschreiten bei einer Eigentumsver­ letzung, S. 54; siehe auch Steinberg, NJW 1984, 457, 458 f., nach dem im nachbar­ rechtlichen Kontext die den Staat hinsichtlich der Eigentumsfreiheit treffenden Schutzpflichten hinter den aus Art. 2 Abs. 2 GG erwachsenden Schutzpflichten zu­ rückstehen. 544  Zur polizeilichen Wahrscheinlichkeitsprognose hinsichtlich der Voraussetzun­ gen der Privatrechtsklauseln noch im dritten Kapitel unter D.III. 545  Regressforderungen gegen den Staat wegen der unzutreffenden Verneinung der Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln dürften hingegen regelmäßig ausscheiden. Einem Amtshaftungsanspruch dürften die gegen den Störer bestehenden Schadenser­ satzansprüche entgegenstehen (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB), darüber hinaus dürfte es an einem Verschulden der Polizeibeamten fehlen. Landesrechtliche Ersatzansprüche dürften daran scheitern, dass die polizeiliche Maßnahme dem Schutz der gefährdeten Person bezweckt hat (siehe etwa § 67 PolG NRW i. V. m. § 39 Abs. 2 lit. b) OBG NRW, der anders als § 46 Abs. 5 Satz 1 ME PolG diesen Umstand nicht erst bei der Bemessung der Schadenshöhe berücksichtigt, sondern einen zwingenden Haftungs­ ausschluss vorsieht).



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln203

grund ist das Bedürfnis nach einem umgehend erreichbaren staatlichen Schutz bei der Gefährdung subjektiver Rechtsgüter ungleich höher anzuset­ zen als bei subjektiven Rechten. Diesem Bedürfnis nach einem umgehend erreichbaren Schutz vermag ob der unterschiedlichen Organisationsstrukturen von Polizei und Gerichtsbarkeit die Erstere gewiss in höherem Maße gerecht zu werden, handelt es sich bei der Polizei mit ihrer dezentralen Organisation und der damit verbundenen Omnipräsenz doch um das „typische Organ des ersten, vorläufigen Zugriffs“.546 Zuletzt kommt die differenzierte Behandlung von Rechten und Rechtsgü­ tern im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip der Sache nach auch in einer bereits in der Literatur vertretenen Auffassung zum Vorschein und stellt inso­ fern keinesfalls juristisches Neuland dar. So bejahen Drews/Wacke/Vogel/ Martens547 als Befürworter des Erfordernisses eines öffentlichen Interesses ein solches stets bei der Gefährdung „hochwertiger Individualgüter“548 und nimmt spiegelbildlich549 hierzu Muckel550 eine Ausnahme vom Subsidiari­ tätsprinzip an, wenn dem „privaten Recht in seiner Wertigkeit ein gesteigerter Rang zukommt und schwere Schäden drohen“. Wenngleich diese Autoren nicht expressis verbis Rechtsgüter als die in diesem Sinne als vornehm anzu­ sehenden Positionen identifizieren, lassen die von ihnen angeführten Bei­ spiele erkennen, dass allein die Rechtsgüter des Lebens und der Gesund­ heit551 sowie der persönlichen Freiheit552 als hochwertig begriffen werden.553 Somit dürfte die von den genannten Autoren vertretene Auffassung genau wie die hier entwickelte Auslegung jedenfalls im Ansatz darauf hinauslaufen, 546  Baur, JZ 1962, 73, 76; siehe auch Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, C. Rn. 3, die die hervorgehobene Stellung der Polizei als Sicherheitsbehörde prägnant wie folgt skizzieren: „Wer sich, wann und wo auch immer, unmittelbar bedroht oder sonst hilflos fühlt, ‚ruft‘ die Polizei – oder droht wenigstens damit – und nicht eine andere Stelle“. 547  Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 229. 548  Ähnlich Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135. 549  Ebenso treffend wie prägnant zur Korrelation von öffentlichem Interesse und Subsidiaritätsprinzip, Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 258: „zwei Seiten derselben Me­ daille“; siehe auch VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 74, in dem der VGH BW die Unanwendbarkeit der Privatrechtsklausel mit dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses begründet. 550  Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 84. 551  Das Leben und die Gesundheit als Beispiel anführend Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, S. 229. 552  Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135, nennt neben dem Leben und der Gesundheit insoweit auch die Freiheit als Beispiel. 553  Auch nach Muckel, Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 84 f., kommt hinsichtlich der Ausnahme des Subsidiaritätsprinzips „vorrangig Art. 2 Abs. 2 GG (Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit) maßgeblicher Einfluss“ zu.

204

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

das Subsidiaritätsprinzip beim polizeilichen Schutz subjektiver Rechtsgüter nicht heranzuziehen.554 d) Widerspruch zum Erfordernis einer Glaubhaftmachung Mit Außerachtlassen der Privatrechtsklauseln im Falle eines Einschreitens zum Schutz subjektiver Rechtsgüter wird überdies ein gewisser Widerspruch vermieden, der sich mit der Subsumtion subjektiver Rechtsgüter unter den Begriff des privaten Rechts unweigerlich einstellt. Ohne dass dies den Anhängern der Ausschließlichkeitstheorie bewusst sein dürfte, ist die Anwendung der Privatrechtsklauseln bei einem polizeilichen Tätigwerden zum Schutz subjektiver Rechtsgüter nämlich mit dem Erforder­ nis der Glaubhaftmachung, welches von den Vertretern der allgemeinen Meinung wohl überwiegend in die Privatrechtsklauseln hineingelesen wird, kaum in Einklang zu bringen. Wie im Einzelnen noch herauszuarbeiten sein wird555, verlangt die wohl überwiegende Zahl der Vertreter der allgemeinen Meinung neben einem Antrag des Berechtigten weiterhin, dass der Berech­ tigte das von ihm behauptete subjektive Recht respektive die Umstände, aus denen er dieses ableitet, glaubhaft macht. Ohne an dieser Stelle auf die Be­ rechtigung einer dahingehenden ungeschriebenen Voraussetzung eingehen zu wollen, ist diese nun erkennbar auf den Schutz subjektiver Rechte zuge­ schnitten und läuft leer, soweit der Schutz subjektiver Rechtsgüter in Rede steht.556 Rechtsgüter, die sich nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis gerade durch ihre fehlende Übertragbarkeit von Rechten unterscheiden, sind der menschlichen Existenz immanent und bedürfen infolgedessen keiner ge­ sonderten Glaubhaftmachung. Derjenige, der etwa die Polizei zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anruft, genügt dem Nachweis seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit bereits durch den bloßen Umstand 554  Freilich unterscheidet sich diese Auffassung im Ergebnis praktisch nicht von der Ausschließlichkeitstheorie, der sie aufgrund des von ihr angenommenen Anwen­ dungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung zugeordnet werden muss. Denn jede durch einen Menschen hervorgerufene Gefährdung eines Rechtsguts geht mit der Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm einher, sodass das Subsi­ diaritätsprinzip nach der allgemeinen Meinung ohnehin keine Anwendung findet. So stellt denn auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 55, zutreffend fest, dass der dahin lautenden Ausnahme auf dem Boden der Ausschließlichkeitstheorie „keine praktische Bedeutung“ zukäme. 555  Siehe hierzu die Ausführungen im dritten Kapitel unter D. 556  In diese Richtung auch Schoch, JURA 2013, 468, 471, dem zufolge das Beur­ teilen des Bestehens des privaten Rechts „beim Rechtsgüterschutz (z. B. körperliche Unversehrtheit, Freiheit) […] zumeist zu leisten“ sei.



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln205

seiner Existenz, denn die körperliche Unversehrtheit ist mit der menschlichen Existenz untrennbar557 verbunden. Steht dem Menschen das Recht auf kör­ perliche Unversehrtheit somit um seiner selbst willen zu, ist eine gesonderte Glaubhaftmachung dieses Rechts nicht erforderlich. Indem die Vertreter der allgemeinen Meinung den Privatrechtsklauseln die ungeschriebene Voraus­ setzung der Glaubhaftmachung entnehmen, liefern sie letztendlich selbst ein weiteres Argument gegen die von ihnen vertretene Ausschließlichkeitstheo­ rie. Da nur bei subjektiven Rechten eine Glaubhaftmachung sinnvollerweise verlangt zu werden mag, ist die Ausschließlichkeitstheorie zu einer gespalte­ nen Auslegung der Privatrechtsklauseln gezwungen. Die Glaubhaftmachung des zu schützenden privaten Rechts kann lediglich dann zur weiteren Voraus­ setzung für ein polizeiliches Eingreifen erhoben werden, sofern es sich bei dem privaten Recht nach der hiesigen Lesart um ein Recht handelt. Nun verhält es sich, dass für die gespaltene Auslegung einer Rechtsnorm nur aus­ nahmsweise, namentlich bei einem unionsrechtlichen Hintergrund558 respek­ tive im Anwendungsbereich des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots559 ein sachliches Bedürfnis anzuerkennen ist. Ein solches Bedürfnis ist im hiesigen Kontext indes nicht erkennbar, weshalb das von der Ausschließlichkeitstheo­ rie in die Vorschriften hineingelesene Erfordernis der Glaubhaftmachung letztlich nur die Bedenken bekräftigt, die an dieser Stelle gegen die Subsum­ tion subjektiver Rechtsgüter unter die Privatrechtsklauseln vorgebracht wer­ den. 6. Ergebnisse der teleologischen Auslegung Die vorangegangene teleologische Auslegung der Privatrechtsklauseln lässt sich folgendermaßen resümieren:

557  Die Einschränkbarkeit dieses Grundrechts durch einfaches Gesetz (Art.  2 Abs. 2 Satz 3 GG), etwa im Wege unmittelbaren Zwangs durch die Polizei gemäß §§ 55 f. PolG NRW (= §§ 35 f. ME PolG), ändert nichts an dem Umstand, dass jedem Menschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit zuteilwird. 558  Unterfallen einer (zumeist zivilrechtlichen) nationalen Norm sowohl Sachver­ halte, die im Anwendungsbereich einer europäischen Richtlinie liegen, als auch sol­ che, die von dieser nicht erfasst sind, stellt sich die Frage, ob die nationale Norm allein im Anwendungsbereich der europäischen Richtlinie oder auch darüber hinaus, d. h. in sämtlichen Anwendungsfällen, im Sinne der Richtlinie ausgelegt werden soll, hierzu Höpfner/Rüthers, AcP 209, 1, 28 f. 559  Auf dem Gebiet des Nebenstrafrechts nehmen die einschlägigen Straftatbe­ stände regelmäßig auf originär zivilrechtliche Bestimmungen Bezug, wodurch die Frage aufgeworfen wird, ob deren zivilrechtliche Auslegung dem strafrechtlichen Bestimmtheitserfordernis genügt, näher hierzu Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 186 f., 197 f., 204.

206

2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Es konnte herausgearbeitet werden, dass die Ausschließlichkeitstheorie keinesfalls von den Privatrechtsklauseln als allein dem gesetzgeberischen Willen gerecht werdende Auslegungsmöglichkeit vorgezeichnet ist. Die ge­ setzgeberische Funktion dieser Vorschriften besteht darin, die sich über­ schneidenden Befugnisse von Exekutive und Judikative im Bereich des Schutzes subjektiver Rechte und Rechtsgüter sachgerecht voneinander abzu­ grenzen. Dieser gesetzgeberischen Intention wird die Ausschließlichkeits­ theorie nicht gerecht. Vielmehr führt der von ihr angenommene Primat der objektiven Rechtsordnung zu einer einseitigen Verlagerung von Kompeten­ zen der Judikative auf die Exekutive. Verdeutlicht wurde dieser Befund anhand eines Beispiels zum Markenge­ setz. Obgleich markenrechtliche Auseinandersetzungen originäre bürgerliche Rechtsstreitigkeiten darstellen und als solche gemäß § 13 GVG respektive Art. 92 GG in den Zuständigkeitsbereich der Judikative fallen, finden die Privatrechtsrechtsklauseln nach der Prämisse der allgemeinen Meinung dort regelmäßig keine Anwendung. Konsequent zu Ende gedacht bestehen somit nicht nur im Bereich des Markenrechts, sondern in weiten Teilen des Neben­ strafrechts umfangreiche polizeiliche Handlungsbefugnisse, die sowohl der Intention der jeweiligen Fachgesetze als auch der Funktion der Privatrechts­ klauseln eklatant zuwiderlaufen. Dargelegt wurde des Weiteren, dass der vom PrOVG formulierte Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen nicht an die Fortentwicklung des allge­ meinen Gefahrenabwehrrechts angepasst wurde und die Ausschließlichkeits­ theorie aus diesem Grund mit der ursprünglichen Erwägung des PrOVG kaum noch etwas gemein hat. Da sich die historischen Gesetzgeber der Poli­ zeigesetze nicht nur terminologisch, sondern auch inhaltlich an der Recht­ sprechung des PrOVG orientiert haben dürften, vermag die Ausschließlich­ keitstheorie folglich keine gesetzgeberische Intention für sich in Anspruch zu nehmen, nach der die Vorschriften bereits dann keine Geltung erfahren sollen, sofern eine rechtswidrige Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Strafnorm zu besorgen ist. Weiterhin führt die Aufgabe des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung nicht zu einer Verletzung des grundrechtlichen Untermaßver­ botes. Denn die polizeilichen Handlungsbefugnisse werden durch eine Anwen­ dung der Privatrechtsklauseln nur insoweit beschränkt, als für den Betroffenen die Möglichkeit eines gerichtlichen Schutzes besteht. Situationen, in denen der Betroffene weder die Polizei noch das Gericht zum Schutz vor einem privaten Übergriff in Anspruch nehmen könnte, sind sonach ausgeschlossen. Schließlich konnte die hier vorgenommene Differenzierung zwischen sub­ jektiven Rechten auf der einen und subjektiven Rechtsgütern auf der anderen Seite damit begründet werden, dass in Bezug auf subjektive Rechtsgüter



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln207

keine gesetzgeberische Intention erkennbar ist, der zufolge deren Schutz vorrangig durch die Gerichte gewährleistet werden soll. Während sämtliche subjektiven Rechte Ausfluss der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sind und sich private Auseinandersetzungen um diese Rechte ergo im Kern als eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des Art. 92 GG darstellen, wird der Schutz subjektiver Rechtsgüter durch die Rechtsordnung nicht vorrangig den Gerichten überantwortet. Außerdem treffen den Staat hinsichtlich des Schut­ zes von Rechtsgütern weitergehende Pflichten als bei subjektiven Rechten, woraus sich ein weiterer Grund für eine diesbezügliche Differenzierung er­ gibt. Zudem knüpft die Nichtberücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips bei einem polizeilichen Tätigwerden zum Schutz subjektiver Rechtsgüter inhalt­ lich an eine bereits in der Literatur vertretene Auffassung an, nach der selbi­ ges bei hochwertigen Schutzgütern keine Anwendung finde. Die Erwägung, dass subjektive Rechte und Rechtsgüter im Hinblick auf das Subsidiaritäts­ prinzip einer unterschiedlichen Behandlung bedürfen, ist der polizeirechtli­ chen Literatur demgemäß nicht gänzlich fremd. Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Auslegung der Privatrechts­ klauseln durch die allgemeine Meinung mit dem in den Vorschriften zum Aus­ druck kommenden Willen der jeweiligen Gesetzgeber unvereinbar ist. Weder entspricht es der ratio legis, den Anwendungsbereich der Vorschriften auf die Fälle zu beschränken, in denen keine Gefahr für die Unversehrtheit der objek­ tiven Rechtsordnung besteht, noch beabsichtigten die Gesetzgeber mit Kodifi­ kation der Privatrechtsklauseln den Schutz subjektiver Rechtsgüter am Subsi­ diaritätsprinzip zu messen. Der gesetzgeberischen Intention wird vielmehr ein Ansatz gerecht, der sich in zweifacher Hinsicht von der Ausschließlichkeits­ theorie unterscheidet. So sind in einem ersten Schritt subjektive Rechtsgüter aus dem Anwendungsbereich des Subsidiaritätsprinzips heraus­zunehmen, um sodann in einem zweiten Schritt bei der Auslegung der dementsprechend le­ diglich noch für den Schutz subjektiver Rechte geltenden Privatrechtsklauseln den Anwendungsvorrang der objektiven Rechtsordnung aufzugeben.

V. Resümee Die Ergebnisse der Auslegung der Privatrechtsklauseln können wie folgt zusammengefasst werden. Ausgehend vom Wortlaut der Privatrechtsklauseln, der allein den Schutz privater Rechte, nicht aber den Schutz privater Rechtsgüter benennt, wurde untersucht, ob es angezeigt ist, subjektive Rechtsgüter von vornherein aus dem Geltungsbereich des Subsidiaritätsprinzips herauszunehmen. Dies wurde letztendlich bejaht, wobei insbesondere die folgenden Überlegungen maßgeb­ lich waren.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

Wenngleich der einzig private Rechte aufgreifende Wortlaut der Privat­ rechtsklauseln Ausgangspunkt für den hier entwickelten Lösungsansatz ge­ wesen ist, konnte die grammatikalische Auslegung noch keine Gewissheit liefern, dass die Gesetze anhand dieser Formulierung bewusst zwischen subjektiven Rechten auf der einen und subjektiven Rechtsgütern auf der an­ deren Seite unterscheiden. Ebenso wenig vermochte der Blick auf das histo­ rische Begriffsverständnis eine synonyme Verwendung der beiden Begriffe durch die Vorschriften zu widerlegen. Im Zuge der weiteren historischen Auslegung konnte der Ursprung des Subsidiaritätsprinzips alsdann in der Rechtsprechung des PrOVG verortet werden. Außerdem dürfte auch der Ter­ minus des privaten Rechts an die Wortwahl des PrOVG angelehnt sein. Im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern fiel auf, dass sämtliche zum Subsidiaritätsprinzip ergangenen Entscheidungen solche Rechtspositionen betrafen, die nach dem hier zugrunde gelegten Ver­ ständnis als Recht zu bezeichnen sind. Gleichwohl konnte nicht geklärt wer­ den, ob dieser Umstand auf eine bewusste Differenzierung des PrOVG hin­ weist oder vielmehr auf einem schlichten Zufall beruht. Die im Anschluss vorgenommene systematische Auslegung blieb in diesem Zusammenhang unergiebig. Als ausschlaggebend für eine Ungleichbehandlung von subjekti­ ven Rechten und Rechtsgütern im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip stellten sich schließlich teleologische Erwägungen heraus. Den polizeilichen Schutz subjektiver Rechtsgüter den Privatrechtsklauseln zu unterstellen, er­ wies sich als unvereinbar mit dem gesetzgeberischen Willen. Unbedingt zu betonen bleibt, dass die hier postulierte Unterscheidung zwi­ schen subjektiven Rechten und subjektiven Rechtsgütern unbedingt als ein Spezifikum der Privatrechtsklauseln verstanden werden muss. Wie sich an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen ist, lassen sowohl der Wortlaut der Pri­ vatrechtsklauseln als auch die Systematik der Polizeigesetze das von der allgemeinen Meinung vertretene synonyme Begriffsverständnis zu. Indem somit erst teleologische Erwägungen eine dahingehende Unterscheidung er­ forderlich machen, steht zugleich fest, dass diese Differenzierung nicht unbe­ sehen auf andere Vorschriften übertragen werden darf. Die gesetzgeberische Intention, die bei den Privatrechtsklauseln zu einer Unterscheidung von Rechtsgütern und Rechten zwingt, kann bei anderen Vorschriften durchaus eine Auslegung erforderlich machen, nach der es sich bei beiden Begriffen um Synonyme handelt. So darf die hier vorgenommene Auslegung beispiels­ weise nicht zum Anlass genommen werden, die nach der hiesigen Lesart als Rechtsgut zu bezeichnende körperliche Unversehrtheit nicht unter die in § 42 Abs. 2 VwGO560 genannten Rechte zu subsumieren. Eine dahin lautende ge­ 560  § 42 Abs. 2 VwGO lautet: „Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt



E. Auslegung der Privatrechtsklauseln209

setzgeberische Regelungsabsicht lässt sich der prozessualen Vorschrift schlichtweg nicht entnehmen.561 Nicht zuletzt wegen der Relativität der Rechtsbegriffe562 bleibt für jede Vorschrift daher gesondert zu überprüfen, ob dem Willen des Gesetzgebers durch eine Unterscheidung von Rechten und Rechtsgütern tatsächlich eher Rechnung getragen wird als durch einen syno­ nymen Gebrauch der beiden Begriffe. Neben der strikten Unterscheidung zwischen Rechten und Rechtsgütern wurde die Untersuchung in einem weiteren Schritt darauf ausgerichtet, ob sich der von der Ausschließlichkeitstheorie zugrunde gelegte Primat der ob­ jektiven Rechtsordnung den Privatrechtsklauseln im Wege der Auslegung entnehmen lässt. Diese Frage musste letztlich verneint werden. Maßgeblich für diese Erkenntnis waren hierbei die folgenden Erwägungen: Als norma­ tiver Anknüpfungspunkt für den Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung gegenüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte fungiert nach der allgemeinen Meinung – sofern deren Vertreter dem Wortlaut der Vorschriften Bedeutung schenken – der Begriffsteil privat. Die dahingehende Argumentation konnte widerlegt werden, indem die Identität von privaten und subjektiven Rechten nachgewiesen wurde. Bei der sich anschließenden historischen Auslegung trat zutage, dass das PrOVG das von ihm entwickelte Subsidiaritätsprinzip von Beginn an unter den Vorbehalt der Abwehr strafbarer Handlungen gestellt hat. Insofern findet die allgemeine Meinung durchaus einen historischen Ursprung. Allerdings legt die heutige allgemeine Meinung den entsprechenden Vorbehalt ungleich weiter aus als es noch vom PrOVG praktiziert worden ist. Die systematische Auslegung der Privatrechtsklauseln lieferte keine Anhaltspunkte für das von der Ausschließ­ lichkeitstheorie angenommene Rangverhältnis zwischen den einzelnen Teil­ schutzgütern der öffentlichen Sicherheit. Im Gegenteil sprechen die Systema­ tiken der meisten Gesetze eher dafür, die Privatrechtsklauseln auch bei der der Polizei explizit zugewiesenen Aufgabe der Straftatenverhütung heranzu­ ziehen. Entscheidend gegen das von der allgemeinen Meinung angenommene Vorrangverhältnis sprach schließlich wiederum die in den Privatrechtsklau­ seln zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention. Wie dargelegt wurde, läuft die Außerachtlassung der Privatrechtsklauseln im Falle einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung bei genauer Betrachtung auf die praktische Bedeutungslosigkeit der Vorschriften hinaus. Die Abgrenzungsfunktion, die den Privatrechtsklauseln nach dem Willen der oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein;“ Hervor­ hebung nur hier. 561  Zum der Begriff der von § 42 Abs. 2 VwGO erfassten Rechten siehe nur R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 78. 562  Grundlegend hierzu Müller-Erzbach, JhJ 61(1912), 343.

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2. Kap.: Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln

jeweiligen Gesetzgeber zukommt, vermag die Auslegung der allgemeinen Meinung insoweit nicht im Ansatz zu erfüllen. Nach alldem kann der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln für die weitere Untersuchung wie folgt skizziert werden: Bei den in den Vorschriften genannten privaten Rechten handelt es sich ausschließlich um Rechte, d. h. übertragbare Rechtspositionen. Demgegenüber sind Rechtsgüter, namentlich das Leben, die Gesundheit bzw. die körperliche Unversehrtheit und die Frei­ heit, nicht unter die Vorschriften zu subsumieren. Weiterhin besteht kein Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung ge­ genüber der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter. Geht die Gefahr für ein subjektives Recht demnach mit einer Gefahr für die objektive Rechtsordnung einher, sind die polizeilichen Befugnisse gleichwohl an den Privatrechtsklauseln zu messen. Im Ergebnis sind die Vorschriften mithin immer dann einschlägig, sofern die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte tätig wird.

3. Kapitel

Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln Nachdem der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln bestimmt wor­ den ist, sind in diesem Kapitel die Voraussetzungen zu untersuchen, die die Vorschriften an den polizeilichen Schutz subjektiver Rechte1 stellen. Wenn­ gleich die Vorschriften in ihrer heutigen Form seit nunmehr mehreren Jahr­ zehnten unverändert Bestand haben, erscheinen die von ihnen für ein polizei­ liches Einschreiten aufgestellten Voraussetzungen nach wie vor nicht hinrei­ chend geklärt.2 Klarzustellen ist an dieser Stelle, dass die folgenden Ausführungen ledig­ lich für den polizeilichen Schutz subjektiver Rechte Geltung beanspruchen, wohingegen der Schutz subjektiver Rechtsgüter nach der hier vertretenen Auslegung von vornherein nicht dem Anwendungsbereich der Privatrechts­ klauseln unterfällt.

A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten? Wird die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte tätig, dient das polizeili­ che Handeln ausschließlich den Interessen eines Einzelnen. Durch diesen Umstand wird unweigerlich die Frage aufgeworfen, ob die Polizei erst auf Antrag des Rechteinhabers zum Schutz eines subjektiven Rechts befugt ist oder insoweit auch von Amts wegen tätig werden darf.

1  Aufgrund der bisherigen Ergebnisse der Untersuchung werden die in den Pri­ vatrechtsklauseln genannten „privaten“ Rechte fortan als „subjektive“ Rechte be­ zeichnet. 2  So auch das VG Karlsruhe, Urt. v. 17.05.2010 – 9 K 1513/08 –, juris-Rn. 39, welches die Berufung gegen seine Entscheidung aufgrund der grundsätzlichen Bedeu­ tung der Rechtssache gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuließ und festhielt, dass die Frage, „wann die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Polizei zum Schutz privater Rechte nach § 2 Abs. 2 PolG [BW]“ vorliegen würden, in der Rechtsprechung „bisher nicht abschließend geklärt“ sei; das Urteil ist trotz der Zulassung der Berufung rechtskräftig geworden.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

I. Normativer Befund Während der Wortlaut der meisten Privatrechtsklauseln keinerlei Anhalts­ punkte für die Annahme eines Antragserfordernisses liefert, sehen § 2 Abs. 2 PolG BW sowie § 2 Abs. 2 SächsPVDG ein solches explizit vor. Wörtlich heißt es in diesen Vorschriften hierzu: „Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten […]“.3 Besondere Formvorschriften sehen hierbei beide Gesetze nicht vor, sodass der Rechteinhaber den Antrag schriftlich, (fern-)mündlich oder konkludent stellen kann.4 Ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Vorschriften scheint ein polizeiliches Einschreiten zum Schutz subjektiver Rechte von Amts wegen in diesen beiden Ländern folglich ausgeschlossen.

II. Antragserfordernis als ungeschriebene Voraussetzung? Obgleich nach den übrigen 15 Polizeigesetzen ein Antrag des Berechtigten dem Wortlaut nach nicht erforderlich ist, wird diskutiert, ob auch in deren Geltungsbereich die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte erst auf Antrag des Berechtigten hin tätig werden darf. Das Erfordernis eines Antrags wird mithin als ungeschriebene Voraussetzung in die jeweiligen Privatrechtsklau­ seln hineingelesen. Ein Blick in die polizeirechtliche Literatur sowie die einschlägige Rechtsprechung offenbart hierbei ein beachtliches Meinungs­ spektrum. 1. Unbedingtes Antragserfordernis? So erheben Kingreen/Poscher5 das Antragserfordernis ungeachtet des Feh­ lens einer normativen Verankerung zur allgemeingültigen Voraussetzung des polizeilichen Schutzes subjektiver Rechte. Da die Durchsetzung subjektiver Rechte auch vor den ordentlichen Gerichten einzig auf Initiative des Rechte­ inhabers stattfinde, dürfe auch die Polizei zum Schutz derselbigen erst auf Antrag hin tätig werden. Dieser Auffassung hat sich ausdrücklich auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW)6 an­ 3  Zur Identität des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes mit dem Polizeige­ setz Baden-Württembergs siehe im zweiten Kapitel Fn. 64. 4  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 51; Würtenberger/Heckmann/ Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 61. 5  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48; so nunmehr auch Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 14. 6  OVG NRW, Urt. 06.10.2017 – 11 A 353/17 –, juris-Rn. 28; OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 60; in beiden Entscheidungen war das Vorlie­ gen eines Antrags indes nicht entscheidungserheblich.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?213

geschlossen, wenngleich die nordrhein-westfälische Privatrechtsklausel in ih­ rem Wortlaut gerade keinen Antrag des Rechteinhabers voraussetzt. An eine besondere Form dürfte ein hiernach erforderlicher Antrag nicht gebunden sein, da weder Kingreen/Poscher noch das OVG NRW diesbezügliche Anfor­ derungen aufstellen.7 2. Bedingtes Antragserfordernis? Die wohl überwiegende Auffassung relativiert das Erfordernis eines An­ trags demgegenüber insoweit, als neben einem formalen Antrag auch die bloße „Zustimmung“ des Berechtigten für ausreichend erachtet wird.8 Die Relativierung des Antragserfordernisses ist dabei darin zu erblicken, dass von einer Zustimmung des Berechtigten bereits dann ausgegangen werden dürfte, sofern das polizeiliche Einschreiten dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht. Teilweise wird dies von den Vertretern der Auffas­ sung auch explizit so hervorgehoben.9 3. Antragserfordernis als rechtslogische Notwendigkeit? Für einige Stimmen scheint das Vorliegen eines Antrags des Rechteinha­ bers hingegen eine rechtslogische Notwendigkeit zu sein, die keiner aus­ drücklichen Erwähnung bedarf. So finden sich bei Kugelmann10 und Pewes­ torf 11 zwar keinerlei Ausführungen zum Erfordernis eines Antrags, nichts­ destoweniger dürften beide ein solches jedoch implizit voraussetzen, indem sie den Rechteinhaber bei Erläuterung der Privatrechtsklauseln schlicht als „Antragsteller“ titulieren. Ebenso müssten konsequenterweise all jene Stim­ 7  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48; OVG NRW, Urt. 06.10.2017 – 11 A 353/17 –, juris-Rn. 28; OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 60; ebenso Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 14. 8  Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 93; Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 37; Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 66, der am Antragserfordernis fest­ hält, obwohl § 1 Abs. 3 HSOG anders als die Vorgängerregelung ein entsprechendes Erfordernis nicht mehr vorsieht. 9  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 223; Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 124; Wehr, BPolG, § 1 Rn. 11; Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35: „jedenfalls nicht gegen seinen [Anm.: Gemeint ist der Rechteinhaber] Willen“; so wohl auch Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54, Fn. 42, nach dem ein „Einverständnis“ erforderlich sei; unklar Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.3, Fn. 132, nach denen bei Abwesenheit des Berechtigten kein Fall des § 1 Abs. 2 PolG NRW vorliege, sondern der „generelle Gefahrenab­ wehrauftrag“ nach § 1 Abs. 1 PolG NRW einschlägig sei. 10  Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 68. 11  Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

men, die vom Rechteinhaber zwar nicht expressis verbis einen Antrag ver­ langen, aber die Glaubhaftmachung seines subjektiven Rechts verlangen12, im Ergebnis vom Erfordernis eines Antrags respektive eines Ersuchens aus­ gehen. Denn in jeder Glaubhaftmachung ist zugleich das zumindest konklu­ dente Ersuchen um einen polizeilichen Schutz des glaubhaft gemachten Rechts enthalten.13 Indem die Glaubhaftmachung nämlich gerade dazu dient, die Polizei vom Bestehen eines subjektiven Rechts zu überzeugen, setzt sie unweigerlich den auf einen polizeilichen Schutz gerichteten Willen des Rechteinhabers voraus.14 Andernfalls würde die Glaubhaftmachung jeglicher Funktion entbehren und letztendlich auf eine Glaubhaftmachung um ihrer selbst willen hinauslaufen.15

12  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 254; Kowalzik, Der Schutz von privaten und indi­ viduellen Rechten, S. 147 f. und 156 f. 13  So spricht auch Schoch von einer Glaubhaftmachung durch den „um Hilfe Su­ chenden“, womit auch er letztlich einen Antrag fordern dürfte, denn ein Unterschied zwischen einem Hilfeersuchen und der Stellung eines Antrags ist nicht erkennbar. Widersprüchlich erscheint es deshalb, wenn Schoch die „einen Antrag generell for­ dernde“ Auffassung in Fn. 724 als abweichende Ansicht darstellt (wobei der Verweis auf Thiel an dieser Stelle ungenau ist, da dieser es ausreichen lässt, dass die polizei­ liche Maßnahme jedenfalls nicht gegen den Willen des Rechteinhabers erfolgt, ders., Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35), Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 254. Wider­ sprüchlich auch Kugelmann, der einerseits eine Glaubhaftmachung des Antragstellers verlangt (5. Kap. Rn. 68), sich andererseits aber ebenfalls von der generell einen Antrag erfordernden Ansicht zu distanzieren scheint, ders., Polizei- und Ordnungs­ recht, 5. Kap. Rn. 68, Fn. 93. 14  Dass ein Dritter anstelle des Betroffenen dessen Recht gegenüber der Polizei geltend macht, dürfte praktisch nicht vorkommen. Im Übrigen würde in dieser Kons­ tellation der Dritte durch die Glaubhaftmachung letztlich nur den Willen des Rechte­ inhabers zu einem polizeilichen Einschreiten artikulieren, sodass die Glaubhaftma­ chung wiederum mit einer entsprechenden Willensbekundung des Rechteinhabers, wenn auch im Wege einer Art Stellvertretung, einhergehen würde. 15  Undeutlich deshalb Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, der zunächst die Frage nach der Notwendigkeit eines Antrags im Falle ei­ ner fehlenden gesetzlichen Normierung offenlässt (S. 147 f.), sodann aber unabhän­ gig von einer gesetzlichen Normierung eine Glaubhaftmachung des subjektiven Rechts verlangt (S. 158 f.). Da auch nach Kowalzik ein konkludenter Antrag ausrei­ chend ist (S. 147), dürfte dieser somit übersehen, dass eine Glaubhaftmachung ohne gleichzeitige (konkludente) Antragsstellung nicht möglich ist und seine Argumenta­ tion letztlich ebenfalls auf ein generelles Antragserfordernis hinausläuft. Bezeich­ nenderweise spricht auch Kowalzik selbst im Rahmen seiner Ausführungen von dem „Antragsteller“ (siehe nur S. 156, 157 und 159) und nicht etwa von dem Glaubhaft­ machenden.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?215

4. Länderspezifisch differenzierende Auffassung Nach Brenneisen/Martins16 wiederum ist ein Antrag des Rechteinhabers zum Schutz subjektiver Rechte allein dann zu verlangen, wenn das jeweilige Polizeigesetz ein entsprechendes Antragserfordernis vorsieht. Die generell einen Antrag verlangende Auffassung weisen sie ausdrücklich zurück, weil die entsprechende über den Wortlaut hinausgehende Auslegung im Einzelfall zu unbefriedigenden Ergebnissen führe. Ähnlich positioniert sich auch Walter17, der im Hinblick auf das Bundespolizeigesetz sowohl einen ausdrückli­ chen als auch einen konkludenten Antrag für entbehrlich erachtet. Ein beträchtlicher Teil der polizeirechtlichen Literatur verhält sich schließ­ lich überhaupt nicht zum Erfordernis eines Antrags.18 Ergo dürfte auch nach diesen Stimmen ein Antrag nur in den Ländern notwendig sein, in denen das Polizeigesetz einen solchen explizit voraussetzt. 5. Die Auffassung der Rechtsprechung Wie sich die Rechtsprechung hinsichtlich des Antragserfordernisses posi­ tioniert, ist mit Ausnahme des OVG NRW kaum einer Bewertung zugäng­ lich. Dies liegt zum einen an der ohnehin überschaubaren Anzahl gerichtli­ cher Entscheidungen, in denen die Gerichte das polizeiliche Handeln tatsäch­ lich einmal an den Privatrechtsklauseln gemessen haben. Des Weiteren wurde in den meisten dieser Fälle die Polizei erst auf ein Ersuchen des Rechteinha­ bers hin tätig, sodass für die Gerichte gar keine Veranlassung bestand, darü­ ber zu befinden, ob die Polizei von Amts wegen hätte einschreiten dürfen.19 Da die Polizei in der Praxis nur in den seltensten Fällen aus eigenem An­ trieb zum Schutz subjektiver Rechte tätig werden dürfte, sofern deren Verlet­ zung keinen Verstoß gegen die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung 16  Brenneisen/Martins, Kriminalistik 2009, 717, 719, die gleichwohl einräumen, dass in der Praxis ein polizeiliches Einschreiten ohne vorangegangene Bitte des Be­ rechtigten kaum einmal vorkommen dürfte. 17  Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, § 1 Rn. 48. 18  Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 18 f.; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn.  253 f.; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 80 ff.; Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn.  443 f.; Heckmann, in: Becker/Heckmann/ Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 50; Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig, BPolG, § 1 Rn. 16. 19  VG Berlin, Urt. v. 16.07.2003 – 1 A 321.98 –, juris-Rn. 6; VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 10 f.; dies gilt erst recht für die Entscheidun­ gen, denen eine Verpflichtungskonstellation zugrunde lag, siehe BayVGH, B ­ eschl. v. 10.08.2009 – 11 CE 09.1795 –, juris-Rn. 1; VG Göttingen, ­Beschl. v. 10.09.2009 – 1 B 235/09 –, juris-Rn. 1 f.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

darstellt respektive diese Einsätze kaum einmal Anlass zu einem verwal­ tungsgerichtlichen Verfahren geben werden, ist die Anzahl einschlägiger Entscheidungen dementsprechend überschaubar. Tatsächlich findet sich dies­ bezüglich allein die bereits dargestellte Entscheidung des VG Mainz. Diese ist gleichwohl insoweit erhellend, als das Gericht die Räumung des besetzten Hauses für rechtmäßig erachtete, obwohl der polizeilichen Räumung kein Antrag des Hauseigentümers vorangegangen war, sondern sich diese nach den gerichtlichen Feststellungen als eine „eigene polizeibehördliche Ent­ scheidung und Maßnahme“ darstellte.20 Zumindest nach Auffassung des VG Mainz setzt ein polizeiliches Einschreiten zum Schutz subjektiver Rechte folglich keinen Antrag des Rechteinhabers voraus.

III. Argumente gegen ein unbedingtes Antragserfordernis Die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte unbedingt vom Vorliegen eines Antrags des Rechteinhabers abhängig zu machen, begegnet durchgreifenden Bedenken. Ausgehend von dem hiesigen Verständnis, nach dem die Privatrechtsklauseln auch dann Anwendung finden, sofern sich die Gefährdung des subjektiven Rechts zugleich als eine Gefahr für die Unver­ sehrtheit der objektiven Rechtsordnung darstellt, würde ein generelles An­ tragserfordernis in vielen Fällen die polizeilichen Handlungsbefugnisse unzu­ mutbar beschränken. Doch auch nach Lesart der Ausschließlichkeitstheorie führt die Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses zu einer unbilli­ gen Begrenzung der polizeilichen Handlungsbefugnisse. 1. Unmöglichkeit des Schutzes unbekannter Rechteinhaber Insbesondere in den Fällen, in denen die Identität des Rechteinhabers nicht feststeht, wäre die Polizei bei Geltung eines unbedingten Antragserfordernis­ ses konsequenterweise daran gehindert, das subjektive Recht des unbekann­ ten Rechteinhabers zu schützen. Verdeutlichen lässt sich diese Schlussfolge­ rung anhand einer Konstellation, die in der Praxis regelmäßig die Verwal­ tungsgerichtsbarkeit beschäftigt. a) Sicherstellung von Bargeld Namentlich ist hierbei das Beispiel einer auf das Gefahrenabwehrrecht gestützten Sicherstellung von Bargeld zu nennen. Findet die Polizei bei der Durchsuchung einer Person größere Mengen an Bargeld und ist aufgrund 20  VG Mainz,

Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14.MZ –, juris-Rn. 61.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?217

dessen Zusammensetzung und der sonstigen Umstände21 von einem delikti­ schen Ursprung des Geldes auszugehen, erfolgt regelmäßig eine Sicherstel­ lung des Geldes, die auf das jeweilige Polizeigesetz gestützt wird. Interessant ist hierbei die Begründung, die für die Rechtmäßigkeit der po­ lizeilichen Maßnahme angeführt wird. Begründet wird die Sicherstellung re­ gelmäßig mit dem Schutz des tatsächlichen Eigentümers des Geldes, sodass die Maßnahme zumindest vorrangig22 dem Schutz subjektiver Rechte dient. Einschlägige Ermächtigungsgrundlage ist dabei im Beispiel NordrheinWestfalens § 43 Nr. 2 PolG NRW, nach der eine Sicherstellung zulässig ist, „um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Ge­ walt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen“. Eine dem § 43 Nr. 2 PolG NRW korrespondierende Tatbestandsvariante der Sicherstellung23 sehen sämtliche Polizeigesetze vor.24 Ihre Relevanz für den Aspekt eines Antragserfordernisses erfährt diese Fallgestaltung aus den folgenden Überlegungen. Sofern die Polizei eine de­ liktische Herkunft des Geldes vermutet, geht sie davon aus, dass der Be­ schuldigte respektive Störer kein Eigentümer des Bargelds ist und dieses rechtswidrig in seinen Besitz gebracht hat. Da sich das aufgefundene Bargeld typischerweise keiner konkreten Straftat zuordnen lässt, fehlen im Moment der Sicherstellung regelmäßig Hinweise auf dessen tatsächlichen Eigentümer. Die polizeiliche Sicherstellung bezweckt mithin den Schutz subjektiver Rechte, deren Inhaber der Polizei im Zeitpunkt der Sicherstellung gar nicht bekannt ist. Von der Rechtsprechung erfährt diese polizeiliche Praxis eine Billigung. Die fehlende Identifizierung des Eigentümers sei unbeachtlich, da

21  Indizien für einen deliktischen Ursprung des Bargelds sind etwa eine Zusam­ mensetzung aus Geldscheinen mit geringem Geldwert oder ein auffälliges Missver­ hältnis zwischen der Summe des Bargelds und den Einkommens-/Vermögensverhält­ nissen der das Bargeld besitzenden Person, vgl. OVG NRW, Urt. v. 02.03.2021 – 5 A 942/19 –, juris-Rn. 47. 22  Ein weiterer Beweggrund für die polizeiliche Sicherstellung dürfte in der Praxis der Gedanke der Kriminalprävention sein, siehe Söllner, NJW 2009, 3339, 3339. 23  Auch in Baden-Württemberg, dessen Polizeigesetz zwischen Sicherstellung und Beschlagnahme differenziert, wird diese Tatbestandsalternative als „Sicherstel­ lung“ bezeichnet, siehe § 37 Abs. 1 [bis zum 16.01.2021: § 32 Abs. 1, siehe Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 für die Polizei in Baden-Württemberg und zur Änderung weiterer polizeilicher Vorschriften vom 06.10.2020, BW GBl. 2020, 735] PolG BW; ebenso auch noch § 26 Abs. 1 SächsPolG. 24  Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG; § 25 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG; § 38 Nr. 2 ASOG Bln; § 21 Nr. 1 BremPolG; § 37 Abs. 1 PolG BW; § 40 Abs. 1 Nr. 2 HSOG; § 14 Abs. 1 Satz 1 lit. c) SOG HH; § 45 Nr. 2 SOG LSA; § 61 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V; § 26 Nr. 2 NPOG; § 22 Nr. 2 POG RhPf; § 21 Nr. 2 SPolG; § 31 Abs. 1 Nr. 2 Sächs­ PVDG; § 210 Abs. 1 Nr. 3 LVwG SH; § 27 Nr. 2 ThürPAG; § 21 Nr. 2 ME PolG.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

die einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen auch die Sicherstellung zum Schutz eines unbekannten Eigentümers zulassen würden.25 b) Die widersprüchliche Auffassung des OVG NRW Dass auch das OVG NRW26 von der Möglichkeit einer Sicherstellung zum Schutz unbekannter Rechteinhaber ausgeht, muss angesichts des von diesem vertretenen unbedingten Antragserfordernisses überraschen. Bei der Sicherstellung nach § 43 Nr. 2 PolG NRW respektive den Parallel­ bestimmungen der anderen Polizeigesetze handelt es sich um eine Standard­ maßnahme, die auch nach Lesart der allgemeinen Meinung allein dem Schutz subjektiver Rechte dient.27 Infolgedessen müssen für eine entsprechende Sicherstellung die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln erfüllt sein28, denn diese gelten unabhängig von ihrer rechtlichen Grundlage für sämtliche polizeilichen Maßnahmen, die den Schutz subjektiver Rechte bezwecken.29 25  So die ständige Rechtsprechung: BayVGH, ­ Beschl. v. 29.11.2018 – 10 ZB 18.3 –, juris-Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.11.2018 – OVG 1 B 2.18 –, juris-Rn. 20; Nds. OVG, ­ Beschl. v. 20.09.2010 – 11 ME 32/10 –, juris-Rn. 18; VG Aachen, Urt. v. 08.05.2017 – 6 K 1405/15 –, juris-Rn. 34; zustimmend Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 43 Rn. 14; siehe auch BVerfG, Nichtannahmebeschl. vom 24.10.2011 – 1 BvR 732/11 –, BeckRS 2011, 56238; zu den Anforderungen an die Widerlegung der Eigentumsvermutung des § 1006 BGB in diesem Zusammenhang siehe insbesondere BayVGH, Urt. v. 01.12.2011 – 10 B 11.480 –, juris-Rn. 29 ff. 26  OVG NRW, ­ Beschl. v. 11.08.2010 – 5 A 298/09 –, juris-Rn. 38; OVG NRW, ­Beschl. v. 22.02.2010 – 5 A 1189/08 –, juris-Rn. 15. 27  OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 07.02.2007 – 3 L 364/05 –, juris-Rn. 24; BayVGH, Urt. v. 16.01.2001 – 24 B 99.1571 –, juris-Rn. 24; VG Hamburg, B ­ eschl. v. 09.02.2017 – 17 E 7585/16 –, juris-Rn. 26; Braun, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 43 Rn. 35; Neuhäuser, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 26 Rn. 41; Keller, in: Schütte/ Braun/Keller, PolG NRW, § 43 Rn. 11; Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 43 Rn. 15; Denninger, in: Lisken/Denninger, 6. Auflage 2018, D. Rn. 251; Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 215; Schoch, JURA 2013, 468, 475. 28  OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.11.2018 – OVG 1 B 2.18 –, juris-Rn. 20; Braun, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 43 Rn. 35; Senftl, in: BeckOK, PolR Bay­ ern, PAG, Art. 25 Rn. 21; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 637; sofern Leggereit, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 40 Rn. 10, einschränkend anzunehmen scheint, dass die Privatrechtsklauseln nur in den Fällen anwendbar seien, in denen die Sicherstel­ lung tatsächlich dem Schutz privater Rechte diene, ist dem entgegenzuhalten, dass keine Konstellation ersichtlich ist, in der eine entsprechende Sicherstellung nicht mit dem Schutz privater Rechte einhergehen würde. So bleibt auch Leggereit selbst dies­ bezüglich ein Beispiel schuldig und hält fest, dass „viele der unter diese Befugnis­ norm subsumierbaren Fälle dem Schutz privater Rechte zuzuordnen sein werden“, Leggereit, a. a. O., §  40 Rn.  10. 29  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 255; deutlich wird die Geltung der Privatrechts­ klauseln für sämtliche auf der Grundlage des jeweiligen Polizeigesetzes ergangenen



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?219

Einer Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln kann dabei auch nicht entge­ gengehalten werden, die polizeiliche Sicherstellung bezwecke zugleich die Abwehr einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung. Zum einen ist nicht ersichtlich, welche Straftat durch den bloßen Besitz an dem Geld auch in nur objektiver Hinsicht verwirklicht werden könnte30, und zum anderen erscheint es widersprüchlich, die polizeiliche Maßnahme einer­ seits ausdrücklich auf den Schutz des mutmaßlichen Eigentümers zu stützen, andererseits dann aber wieder den Aspekt der Straftatenverhütung zu bemü­ hen, um die Unanwendbarkeit des Subsidiaritätsprinzips begründen zu kön­ nen. Finden die Privatrechtsklauseln dementsprechend Anwendung und wird in diese das Erfordernis eines Antrags des Rechteinhabers hineingelesen, so wie es der Auffassung des OVG NRW31 entspricht, bleibt für eine Sicherstellung zum Schutz des unbekannten Eigentümers freilich kein Raum mehr. Der Schutz eines unbekannten Rechteinhabers kann notwendigerweise lediglich von Amts wegen und nicht auf Antrag desselbigen erfolgen.32 Denn mit der Antragsstellung würde sich der zunächst noch unbekannte Rechteinhaber gegenüber der Polizei seiner Anonymität entledigen. Das diesen Umstand verkennende OVG NRW muss sich hiernach dem Vorwurf der Widersprüch­ lichkeit ausgesetzt sehen. Eine Sicherstellung zum Schutz eines unbekannten Rechteinhabers ist bei Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses schlechthin nicht möglich, weswegen entsprechende polizeiliche Maßnahmen zwangsläufig als rechtswidrig anzusehen sind.

Maßnahmen auch anhand deren Wortlauts, so heißt es in allen Vorschriften mit Aus­ nahme von § 162 Abs. 2 LVwG SH, § 1 Abs. 3 SOG M-V und § 1 Abs. 4 BPolG: „der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur dann […]“, Hervorhebung nur hier. 30  Die ursprüngliche Straftat, durch die das Bargeld widerrechtlich in den Besitz des Störers gelangt ist, ist zum Zeitpunkt der polizeilichen Maßnahme notwendiger­ weise bereits vollendet (die Besitzerlangung stellt ein objektives Tatbestandsmerkmal der einschlägigen Straftaten dar, siehe §§ 242, 249 StGB) sowie regelmäßig auch beendet (endgültige Sicherung des Gewahrsams an der entwendeten Sache, hierzu Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 242 Rn. 18). Der bloße Besitz an Diebesgut stellt in Ermangelung einer einschlägigen Tatbestandsalternative auch keine Hehlerei nach § 259 StGB dar, sodass allenfalls die Verwirklichung des objektiven Tatbestands einer Begünstigung (§ 259 StGB) durch das Verwahren des Bargelds denkbar wäre, hierzu Cramer, in: MüKo, Band 4, StGB, § 259 Rn. 18. 31  OVG NRW, Urt. 06.10.2017 – 11 A 353/17 –, juris-Rn. 28; OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn. 60. 32  So zum Beispiel der Sicherstellung wohl auch Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 637: „in den Fällen administrativen Tätigwerdens kann es zu einem Antrag der geschützten Person naturgemäß nicht kommen“.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

c) Zwischenergebnis Wird das polizeiliche Handeln in Eröffnung der Privatrechtsklauseln von einem Antrag des Rechteinhabers abhängig gemacht, müsste die Polizei konsequenterweise an einem Einschreiten zum Schutz eines unbekannten ­ Rechteinhabers gehindert sein. Soweit ungeachtet dessen, namentlich vom OVG NRW, die Sicherstellung von Bargeld zum Schutz eines unbekannten Rechteinhabers als zulässig erachtet wird, erweist sich die dahin lautende Auffassung demzufolge als widersprüchlich. 2. Der Trugschluss eines unbedingten Antragserfordernisses Den polizeilichen Schutz subjektiver Rechte unbedingt von einem Antrag des Berechtigten abhängig zu machen, muss schließlich auch unter einem anderen Gesichtspunkt auf Ablehnung stoßen. Zwar markiert die Antragsbe­ dürftigkeit bei begünstigendem Verwaltungshandeln die gesetzliche Regel, weil der Staat „kaum ein Interesse daran haben kann, seinen Bürgern Wohl­ taten aufzudrängen“33, doch ist im Polizeirecht eine Besonderheit zu beach­ ten, die es von den meisten anderen Materien des allgemeinen Verwaltungs­ rechts unterscheidet. a) Begründung eines unbedingten Antragserfordernisses Zunächst gilt es, sich die Überlegung vor Augen zu führen, die nach den Verfechtern eines unbedingten Antragserfordernisses der dahin lautenden Forderung zugrunde liegen dürfte. So dürfte – ebenso wie im allgemeinen Verwaltungsrecht – auch im hier interessierenden Zusammenhang der Beweggrund für das Verlangen eines An­ trags des Rechteinhabers darin zu erblicken sein, einen aufgedrängten (Grund-) Rechtsschutz durch die Polizei zu verhindern. Bereits Pieroth/Schlink/ Knie­sel34, die – soweit ersichtlich – als Erste35 den Privatrechtsklauslen im Wege der Auslegung ein unbedingtes Antragserfordernis entnommen haben, begründeteten ihren Standpunkt mit einem Vergleich zur Rechtsdurchsetzung vor den ordentlichen Gerichten. Wörtlich führten sie – ebenso wie nunmehr 33  So Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 420, im Hinblick auf begünsti­ gende Verwaltungsakte. 34  Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 5 Rn. 47. 35  Das OVG NRW nahm in der Entscheidung, in der es erstmals das unbedingte Erfordernis eines Antrags formulierte, explizit auf die bei Pieroth/Schlink/Kniesel geäußerte Auffassung Bezug, siehe OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris-Rn.  60 f.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?221

die Bearbeiter des von ihnen begründeten Grundrisses zum Polizei- und Ord­ nunsgrecht, Kingreen/Poscher36, – diesbezüglich wie folgt aus: „Da die Durchsetzung privater Rechte auch vor den ordentlichen Gerichten nur auf Initiative des Rechteinhabers stattfindet, darf auch die Polizei private Rechte nur schützen, wenn der Inhaber es selbst beantragt“.

Der Verweis auf den im Zivilprozess geltenden Dispositionsgrundsatz dürfte hierbei nicht von ungefähr herrühren, unterfallen nach dem Verständ­ nis der genannten Autoren den Privatrechtsklauseln doch „im Wesentlichen privatrechtliche Ansprüche“37. Kennzeichnend für den zivilprozessualen Dispositionsgrundsatz ist das aus der Privatautonomie folgende Selbstbestimmungsrecht, wonach die Partei, selbst darüber entscheiden kann, ob und in welchem Umfang sie ihre Forde­ rungen gerichtlich durchsetzen möchte.38 Dieser Umstand verdeutlicht, dass der vornehmliche Zweck des Antragserfordernisses darin besteht, ein polizei­ liches Einschreiten gegen den Willen des Rechteinhabers zu verhindern und so dessen Selbstbestimmungsrecht zu wahren.39 b) Keine freiverantwortliche Entscheidung des Rechteinhabers Die aufgezeigte Argumentation übersieht allerdings Folgendes: Begünsti­ gendes Verwaltungshandeln von einem Antrag des Begünstigten abhängig zu machen, begegnet dort keinen Bedenken, wo dem Begünstigten das Stellen eines Antrags möglich ist und der Verzicht auf selbigen somit Ausdruck einer freiverantwortlichen Entscheidung ist. Eine solche freiverantwortliche Ent­ scheidung kann auf dem Gebiet des Gefahrenabwehrrechts jedoch nicht ohne Weiteres angenommen werden. Denn dort verfügt der Betroffene regelmäßig nicht über die erforderlichen Kenntnisse, die ihm eine selbstbestimmte Ent­ scheidung ermöglichen würden. 36  Kingreen/Poscher,

Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48. Polizei- und Ordnungsrecht, § 5 Rn. 46; nunmehr Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 47. 38  Musielak, in: ders./Voit, ZPO, Einleitung Rn. 35. 39  So erblickten schon Wöhrle/Belz im Hinblick auf die Rechtslage in BadenWürttemberg die gesetzgeberische Regelungsabsicht des in § 2 Abs. 2 PolG BW ausdrücklich normierten Antragserfordernisses in dem Verhindern eines aufgedräng­ ten polizeilichen Schutzes, dies., PolG BW, § 2 Rn. 12; siehe auch Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 50, dem zufolge durch das Antragserfordernis eine „aufgedrängte Hilfe“ der Polizei ausgeschlossen sei; ähnlich Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 37: Die Polizei dürfe ihre Hilfe im privaten Rechtssinne nicht aufzwingen; VG Karlsruhe, Urt. v. 17.05.2010 – 9 K 1513/08 –, juris-Rn. 24: „Der Schutz privater Rechte darf nicht aufgedrängt werden“; siehe auch Gusy, Poli­ zei- und Ordnungsrecht, Rn. 93. 37  Pieroth/Schlink/Kniesel,

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Sofern der Betroffene nämlich nicht um die Gefährdung seiner subjektiven Rechte weiß oder aus anderen Gründen, etwa aufgrund von Abwesenheit, an der Stellung eines Antrags gehindert ist, ist ihm eine freiverantwortliche Ent­ scheidung darüber, ob er zur Abwehr der Gefahr polizeilichen Schutz in Anspruch nehmen möchte, nicht möglich. Da der Rechteinhaber im polizei­ rechtlichen Kontext somit oftmals an einer Antragsstellung gehindert sein wird, wäre die Polizei bei Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses sogar dann an einem Einschreiten gehindert, wenn der polizeiliche Schutz offensichtlich mit dem Willen des Rechteinhabers in Einklang steht, gedacht sei hier etwa an Betrunkene, die sich des Nachts anschicken auf der Straße abgestellte Kraftfahrzeuge zu zerkratzen. Wie schwer sich dieses Ergebnis mit den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates vereinbaren lässt, liegt auf der Hand. Angesicht dessen dürfte es auch nicht der Absicht der eine Antragsbedürftigkeit vertretenden Stimmen entsprechen, die Polizei in einer solchen Situation zur Untätigkeit zu verdammen. Für das angeführte Beispiel gilt dies schon deshalb, weil nach der Ausschließlichkeitstheorie die Privat­ rechtsklauseln aufgrund der bevorstehenden Sachbeschädigung überhaupt nicht anwendbar wären. Doch auch auf dem Boden der allgemeinen Meinung sind Fallgestaltungen denkbar, in denen die Polizei in Ermangelung eines Antrags nicht einschrei­ ten dürfte, obgleich allein das Einschreiten im wohlverstandenen Interesse des Rechteinhabers läge. Ein anschauliches Beispiel hierzu findet sich bei Kowalzik40: Eine Person hat fahrlässig auf einem Privatgelände das Fahrzeug eines nicht anwe­ senden Eigentümers beschädigt. Die Polizei beobachtet das Geschehen und greift in Ermangelung eines entsprechenden Antrags nicht zum Schutz des Schadenser­ satzanspruches des Fahrzeugeigentümers ein. Der Schädiger kann deshalb uner­ kannt entkommen.

Mag die Tatenlosigkeit der Polizei auf den ersten Blick noch so befremd­ lich41 erscheinen, bei konsequenter Annahme eines Antragserfordernisses ist sie zwingend. Aufgrund des Umstands, dass eine fahrlässige Sachbeschädi­ gung keine Straftat darstellt42, ist ein auf die Strafprozessordnung gestütztes repressives Vorgehen gegen den Schädiger nicht möglich. Da sich der Vorfall auf einem Privatgelände abgespielt hat, erfüllt dessen Flucht auch nicht den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort43, sodass ein poli­ 40  Kowalzik, 41  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 151 f. a.  a.  O., spricht diesbezüglich zurückhaltender von „Unbehagen“,

S. 151. 42  Näher hierzu im zweiten Kapitel unter Fn. 281. 43  § 142 StGB erfasst nur Unfälle, die sich „im Straßenverkehr“, d. h. auf faktisch öffentlich-zugänglichem Verkehrsgrund, ereignet haben, hierzu Zopfs, in: MüKo, StGB, § 142 Rn. 32.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?223

zeiliches Eingreifen auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Straftatenverhü­ tung gerechtfertigt werden kann. Jedes polizeiliche Tätigwerden wäre dem­ zufolge mit dem Verdikt der Rechtswidrigkeit behaftet.44 Vergleichbare Beispiele lassen sich nicht nur zu privatrechtlichen Ansprü­ chen bilden. So wäre die Polizei bzw. die Ordnungsbehörde etwa auch so­ lange am Fällen eines akut umsturzgefährdeten Baumes gehindert, bis der Eigentümer des in der prognostizierten Fallrichtung befindlichen Gebäudes sie um einen polizeilichen Schutz ersuchen würde. Abstrakt betrachtet wäre bei Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses mithin in all jenen Konstellationen, in denen das polizeiliche Einschreiten zwar dem Willen des Rechteinhabers entspricht, dieser seinen dahingehenden Willen jedoch nicht zum gegebenen Zeitpunkt in Gestalt eines Antrags gegenüber der Polizei ar­ tikulieren kann, jedwede Möglichkeit eines polizeilichen Schutzes ausge­ schlossen.45 c) Verkürzung des Selbstbestimmungsrechts des Rechteinhabers Anhand der angeführten Konsequenzen wird deutlich, dass die bisweilen zum zivilprozessualen Dispositionsgrundsatz gezogene Parallele fehlgeht. Die Einleitung eines Zivilprozesses von einem entsprechenden Parteiantrag abhängig zu machen, ist durchaus gerechtfertigt, da der Partei Umfang und Bestehen ihrer privatrechtlichen Ansprüche zumindest im Wesentlichen be­ kannt sein dürften respektive sie sich diese Kenntnis jedenfalls durch Inan­ spruchnahme anwaltlicher Hilfe rechtzeitig aneignen kann. Demgegenüber stellt sich die Ausgangslage in den Situationen, in denen ein polizeiliches Einschreiten in Betracht kommt, wie dargelegt wurde, gänzlich anders dar, weil der Rechteinhaber zu einer Antragstellung in dem maßgeblichen Zeit­ punkt oftmals nicht in der Lage sein wird. Davon ausgehend muss es Bedenken begegnen, die polizeiliche Befugnis zum Einschreiten dennoch in jedem Fall von einem Antrag des Rechteinha­ bers abhängig zu machen. Scheint dessen Selbstbestimmungsrecht durch das 44  Dies gilt selbst dann, wenn der Begünstigte im Nachgang den bereits erfolgten polizeilichen Schutz beantragen würde. Zwar sieht § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG [Bund] für diesen Fall die Heilung des in dem fehlenden Antrag zu erblickenden Verfahrens­ fehler vor, eine nachträgliche Heilung würde indes selbst bei Annahme einer Rück­ wirkung (so etwa Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 59) nichts an dem Umstand ändern, dass die Maßnahme im Moment ihrer Vornahme rechtswidrig gewesen ist und die von dieser Maßnahme belastete Person (typischer­ weise der Störer) aus der „früher bestehenden Rechtswidrigkeit“ Konsequenzen etwa in Form eines Amtshaftungsanspruchs ziehen könnte, Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, § 45 Rn. 14. 45  So denn auch Basten, Privatrecht in der polizeilichen Praxis, S. 37.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Erfordernis eines Antrags vermeintlich gestärkt zu sein, so liegt darin realiter eine Verkürzung desselbigen. Dies ergibt sich auch entscheidend aus der folgenden Überlegung: Ist der Rechteinhaber zu einer Antragstellung nicht in der Lage, können aus einem diesbezüglichen Unterlassen keine Rückschlüsse auf dessen Willen gezogen werden. Indem die unbedingt einen Antrag postu­ lierende Auffassung dessen ungeachtet der Polizei in Ermangelung eines Antrags jegliche Befugnis zum Schutz des gefährdeten Rechts abspricht, unterstellt sie dem Rechteinhaber letztlich ein fehlendes Interesse an einem polizeilichen Einschreiten. Ihr berechtigtes Anliegen einer Stärkung des Selbstbestimmungsrechts wird damit ins Gegenteil verkehrt, weshalb die Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses im Ergebnis nicht einmal den Erwägungen gerecht wird, die der dahingehenden Forderung zugrunde liegen. 3. Maßgeblichkeit des mutmaßlichen Willens des Rechteinhabers Steht nach dem Vorstehenden fest, dass aus dem Fehlen eines Antrags nicht ohne Weiteres auf ein nicht bestehendes Schutzinteresse des Rechtein­ habers geschlossen werden kann, liegt es nahe, dessen Schutzinteresse allein anhand des mutmaßlichen Willens zu bestimmen. Fehlen Anhaltspunkte für den tatsächlichen Willen des Rechteinhabers, vermag dem aus der Privatau­ tonomie folgenden Selbstbestimmungsrecht am ehesten durch das Rekurrie­ ren auf den mutmaßlichen Willen des Rechteinhabers Rechnung getragen zu werden. Bei der Standardmaßnahme der Sicherstellung ist diese Erwägung nun sogar allgemein anerkannt, wie im Folgenden aufzuzeigen ist. a) Rechtslage bei der Sicherstellung von Kraftfahrzeugen Ähnlich gelagert wie die Konstellation der Sicherstellung von Bargeld sind die Fälle, in denen die Polizei ein unverschlossenes Kraftfahrzeug sicher­ stellt, um dessen Eigentümer vor einem Verlust oder einer Beschädigung desselbigen zu bewahren. Obzwar auch in dieser Fallgestaltung typischer­ weise kein Antrag des (unbekannten) Fahrzeugeigentümers vorliegt, wird die mit dem Eigentumsschutz begründete Sicherstellung allgemein als zulässig erachtet. Überraschenderweise gilt dies nun sogar für Sachsen, dessen Poli­ zeigesetz die Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte expressis verbis von einem Antrag des Rechteinhabers abhängig macht. So ging das Sächsische OVG (SächsOVG)46 in einer entsprechenden Kon­ stellation von der Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme aus, ohne das 46  SächsOVG,

Beschl. v. 11.08.2015 – 3 A 224/14 –, juris.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?225

in § 2 Abs. 2 SächsPolG a. F. normierte Antragserfordernis auch nur zu er­ wähnen. Statt die Sicherstellung ob des fehlenden Antrags für rechtswidrig zu erklären, ließ es das SächsOVG ausreichen, dass diese im mutmaßlichen Willen des Fahrzeugeigentümers erfolgt war. Wörtlich heißt es in der Ent­ scheidung hierzu: „Bei der Sicherstellung zum Schutz des Eigentums wird die Polizei für den Eigen­ tümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt tätig. Ihrem Wesen nach ist sie vergleichbar mit der Geschäftsführung ohne Auftrag i. S. v. §§ 677 ff. BGB. Die Sicherstellung zur Eigentumssicherung ist folglich zulässig, wenn sie dem objektivierten mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht. Ob sie vom Betroffenen tatsächlich gebilligt wird, ist hingegen unerheblich.“47

Der Ansatz des SächsOVG, die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung in einer solchen Konstellation vom mutmaßlichen Willen des Eigentümers abhängig zu machen, entspricht dabei der in Rechtsprechung und Literatur vorherr­ schenden Auffassung.48 Demzufolge wird zumindest bei der Sicherstellung aus dem Fehlen eines Antrags nicht auf einen fehlenden Schutzwillen des Rechteinhabers geschlossen. b) Parallele zur Geschäftsführung ohne Auftrag Die vom SächsOVG zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gezogenen Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen und so wird auch von vielen anderen Vertretern der allgemeinen Auffassung der Verweis auf die §§ 677 ff. BGB bemüht, um im Rahmen einer Sicherstellung zum Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt das Abstellen auf dessen mutmaßlichen Willen zu rechtfertigen.49 Freilich 47  SächsOVG, Beschl. v. 11.08.2015 – 3 A 224/14 –, juris-Rn. 7; siehe auch Hebeler, JA 2016, 474, 476, der dem Gericht im Ausgangspunkt beipflichtet, im Hinblick auf den konkreten Fall allerdings einen mutmaßlichen Willen des Eigentümers be­ zweifelt; siehe auch SächsOVG, Urt. v. 02.03.2017 – 3 A 531/16 –, juris-Rn. 19 so­ wie SächsOVG, ­Beschl. v. 15.08.2011 – 3 A 230/10 –, juris-Rn. 4. 48  BVerwG, B ­ eschl. v. 03.05.1999 – 3 B 48.99 –, juris-Rn. 3; BayVGH, ­Beschl. v. 27.02.2019 – 10 C 18.2522 –, juris-Rn. 21; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 07.02.2007 – 3 L 364/05 –, juris-Rn. 25; OVG NRW, ­Beschl. v. 11.04.2003 – 5 A 4351/01 –, juris-Rn. 23 f.; HessVGH, Urt. v. 18.05.1999 – 11 UE 4648/96 –, jurisRn. 24 f.; VG Aachen, Urt. v. 20.07.2011 – 6 K 1228/10 –, juris-Rn. 22 f.; Reinhardt, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 37 Rn. 8; Senftl, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 25 Rn. 23; Neuhäuser, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 26 Rn. 41 und 44; Braun, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 43 Rn. 36, Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW, § 43 Rn. 14; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 203. 49  BVerwG, ­Beschl. v. 03.05.1999 – 3 B 48.99 –, juris-Rn. 3; OVG MecklenburgVorpommern, Urt. v. 07.02.2007 – 3 L 364/05 –, juris-Rn. 25; HessVGH, Urt. v. 18.05.1999 – 11 UE 4648/96 –, juris-Rn. 24; VG Münster, Urt. v. 09.05.2018 – 7 K 4385/16 –, juris-Rn. 19; VG Aachen, Urt. v. 20.07.2011 – 6 K 1228/10 –, juris-Rn. 22;

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

beanspruchen diese Erwägungen nicht allein bei der Sicherstellung, sondern darüber hinaus auch bei sämtlichen anderen Maßnahmen zum Schutz subjek­ tiver Rechte uneingeschränkt Geltung wie im Folgenden darzulegen ist. aa) Polizeilicher Schutz subjektiver Rechte als fremdnützige Interessenwahrnehmung Kennzeichnend für das Rechtsinstitut der echten50 Geschäftsführung ohne Auftrag ist die fremdnützige Interessenwahrnehmung51 und in der Tat han­ delt auch die Polizei in gewisser Weise fremdnützig, wenn sie zum Schutz subjektiver Rechte tätig wird. Dem steht nicht entgegen, dass subjektive Rechte Bestandteil des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit sind und die Polizei deshalb mit einem Einschreiten zugleich der ihr zugewiesenen Auf­ gabe der Gefahrenabwehr nachkommt. Der letztgenannte Umstand mag es zwar bedenklich erscheinen lassen, dem Staat in solchen Konstellationen in analoger Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften einen Aufwendungser­ satzanspruch gegen den Privaten zuzugestehen52, der fremdnützige Charak­ ter des behördlichen Einschreitens als solcher ist gleichwohl auch in Anse­ hung der gesetzlichen Aufgabenzuweisung nicht zu leugnen. bb) Keine Rechtfertigung einer abweichenden Behandlung der Sicherstellung Der fremdnützige Charakter des polizeilichen Tätigwerdens, welcher im Rahmen der Sicherstellung zur Begründung der Maßgeblichkeit des mutmaß­ lichen Willens des Rechteinhabers herangezogen wird, besteht nun ebenso auch bei jedem anderen polizeilichen Einschreiten, das den Schutz subjekti­ VG Berlin, Urt. v. 16.05.2001 – 1 A 291.00 –, juris-Rn. 11; Neuhäuser, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 26 Rn. 41 und 44; Braun, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 43 Rn. 36; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 203. 50  Eine „echte“ Geschäftsführung ohne Auftrag liegt vor, wenn der Handelnde (Geschäftsführer) mit sog. Fremdgeschäftsführungswillen handelt, ermangelt es eines solchen, wird von einer „unechten“ Geschäftsführung ohne Auftrag oder einer irrtüm­ lichen respektive angemaßten Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) gespro­ chen; näher hierzu Schäfer, in: MüKo, BGB, § 677 Rn. 2. 51  Bergmann, in: Staudinger, Vorb. § 677 Rn. 3. 52  So aber nach wie vor die Rechtsprechung, siehe etwa OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2011 – I-6 U 116/11 –, juris-Rn. 4 m. w. N.; mit beachtlichen Argumenten hier­ gegen Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 414 f.; zunehmend erkennt auch die Rechtsprechung den abschließenden Charakter der einschlägigen öffentlich-rechtli­ chen Erstattungsvorschriften an und lehnt einen auf die §§ 677 ff. BGB gestützten Anspruch ab, so etwa schon BGH, Urt. v. 13.11.2003 – III ZR 70/03 –, juris-Rn. 10 f.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?227

ver Rechte bezweckt.53 Infolgedessen ist es nur konsequent, die zur Sicher­ stellung entwickelten Grundsätze auf sämtliche Maßnahmen im Anwen­ dungsbereich der Privatrechtsklauseln zu übertragen. Kann eine Sicherstel­ lung rechtmäßigerweise auch zum Schutz eines unbekannten Rechteinhabers erfolgen, sofern die polizeiliche Maßnahme in dessen mutmaßlichen Interesse liegt, darf für auf andere Vorschriften gestützte Maßnahmen, die ebenso den Schutz eines nicht identifizierten Rechteinhabers zum Gegenstand haben, nichts anderes gelten. Ein Grund, der insoweit eine gesonderte Behandlung der Sicherstellung rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich. Ist die Polizei demgemäß befugt, die subjektiven Rechte eines unbekann­ ten Rechteinhabers auch in anderer Form als durch eine Sicherstellung zu schützen, folgt daraus zugleich, dass diese Befugnis nicht von dem Antrag des unbekannten Rechteinhabers abhängig gemacht werden kann. Denn wie bereits ausgeführt wurde, ist diesem das Stellen eines Antrags rechtslogisch nicht möglich.

IV. Zwischenergebnis Nach alldem sind die Bedenken gegen die Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses unabweislich. Korrespondierend zur zivilrechtlichen Konstellation einer Geschäftsführung ohne Auftrag, bei der ein Handeln des Geschäftsführers auch ohne Auftrag durchaus erwünscht54 ist, entspricht es ebenso der gefahrenabwehrrechtlichen Interessenlage, der Polizei auch ohne Antrag des Rechteinhabers eine Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte einzuräumen. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Ein­ griffs ist hierbei einzig, ob dieser dem mutmaßlichen Willen des Rechteinha­ bers entspricht.

53  So zieht bereits Krüger, Privatrechtsschutz als Polizeiaufgabe, S. 38, die Paral­ lele zwischen einer Geschäftsführung ohne Auftrag und einem polizeilichen Tätig­ werden im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln; folgerichtig hierzu bejaht Braun in diesem Zusammenhang einen geldwerten Vorteil des Rechteinhabers, der in Eröffnung der Privatrechtsklauseln die Erhebung einer Gebühr für das polizeiliche Handeln rechtfertige, ders., Finanzierung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung, S. 305. 54  Die Anreizfunktion des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt insbesondere in der Haftungsprivilegierung des § 680 BGB zum Ausdruck. Danach hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, sofern „die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr“ bezweckt, hierzu Schäfer, in: MüKo, BGB, § 680 Rn. 1.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

V. Die Rechtslage in Baden-Württemberg und Sachsen Die vorstehenden Erkenntnisse werfen unweigerlich die Frage nach der Rechtslage in Baden-Württemberg und Sachsen auf. So wird in diesen Län­ dern den Privatrechtsklauseln das unbedingte Erfordernis eines Antrags nicht erst im Wege der Auslegung entnommen, vielmehr sehen diese ein solches expressis verbis vor. 1. Ausgangslage: Die Polizei „zwischen Skylla und Charybdis“ Die Diskussion um das in § 2 Abs. 2 PolG BW und § 2 Abs. 2 SächsPVDG normierte Antragserfordernis ist nicht neu. Bereits Kowalzik55 skizzierte an­ hand des oben geschilderten Beispiels56 anschaulich die Problemlage, die sich einstellt, wenn dem Rechteinhaber ein Antrag nicht möglich ist und die Polizei ausweislich des Gesetzeswortlauts deshalb zur Untätigkeit gezwun­ gen scheint. Eine „zufriedenstellende Lösung“ des Problems hielt er mit Blick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut indessen nicht für möglich und beließ es insoweit bei der konsternierenden Feststellung, die Polizei befinde sich in der geschilderten Situation „zwischen Skylla und Charybdis“.57 2. Teleologische Reduktion als Korrektur einer vom Gesetz unerwünschten Rechtsfolge Der von Kowalzik angenommene Befund einer Kalamität trifft zu. Nicht gefolgt werden vermag ihm gleichwohl in seiner Einschätzung, nach der das skizzierte Dilemma einer interessengerechten Lösung nicht zugänglich sei. Die Schlussfolgerung, ob des eindeutigen Gesetzeswortlauts könne auf das Vorliegen eines Antrags nicht verzichtet werden, würde allein dann zutreffen, sofern die gesetzgeberische Intention tatsächlich dahin gehen würde, der Polizei in der geschilderten problematischen Situation jegliche Befugnis zum Schutz des gefährdeten subjektiven Rechts abzusprechen. Ließe sich ein ent­ sprechender Wille des Gesetzgebers hingegen nicht ermitteln, wäre vielmehr eine teleologische Reduktion des Antragserfordernisses geboten. Denn sofern der Wortlaut einer Rechtsnorm einen Sachverhalt erfasst, obgleich dessen 55  Zur Zeit der Untersuchung Kowalziks sahen neben § 2 Abs. 2 PolG BW auch die Polizeigesetze Hessens und Schleswig-Holsteins sowie aufgrund einer Verwal­ tungsvorschrift wohl auch das hamburgische Sicherheitsgesetz ein Antragserfordernis vor. § 2 Abs. 2 SächsPVDG respektive die Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 2 Sächs­ PolG ist hingegen ob der noch nicht vollzogenen deutschen Einheit nicht Gegenstand der Erörterungen Kowalziks gewesen. 56  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 151 f. 57  Beide Zitate: Kowalzik, a. a. O., S. 153 f. [im Original: „Scylla“].



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?229

Subsumtion dem in der Rechtsnorm zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zuwiderläuft, ist das sich einstellende Ergebnis vom Rechtsan­ wender nicht etwa als unbefriedigend hinzunehmen58, vielmehr ist die in Rede stehende Vorschrift teleologisch zu reduzieren.59 3. Teleologische Reduktion des Antragserfordernisses Desgleichen verhält es sich nun bei den Privatrechtsklauseln Baden-Würt­ tembergs und Sachsens im Hinblick auf das gesetzlich vorgesehene Antrags­ erfordernis. In den Konstellationen, in denen dem Rechteinhaber die Antrag­ stellung verwehrt ist, jedoch einzig ein polizeiliches Einschreiten seinem wohlverstandenen Interesse gerecht werden würde, sind § 2 Abs. 2 PolG BW und § 2 Abs. 2 SächsPVDG dahingehend teleologisch zu reduzieren, als es keines Antrags des Rechteinhabers bedarf, sondern bereits die Übereinstim­ mung mit dessen mutmaßlichen Willen ausreicht, um eine polizeiliche Be­ fugnis zum Schutz subjektiver Rechte zu begründen. Die Wendung „nur auf Antrag“ ist dementsprechend als nur im mutmaßlichen Willen des Rechte­ inhabers auszulegen, sofern diesem das Stellen eines Antrags aus tatsäch­ lichen Gründen nicht möglich ist. Gewiss erfordert es einen ungleich höheren Begründungsaufwand, eine vom Gesetz explizit aufgestellte Voraussetzung teleologisch zu reduzieren, als die Existenz einer ungeschriebenen Voraussetzung zu verneinen. Dies gilt für die Rechtslage in Sachsen umso mehr, als die Kodifikation eines Antrags­ erfordernisses dort politisch umstritten gewesen ist.60 Dennoch kann dem dergestalt erhöhten Begründungserfordernis genüge getan werden, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird. a) Antragserfordernis als gesetzliche Fiktion eines fehlenden Schutzwillens Wer sich die gesetzgeberische Funktion des Antragserfordernisses in Erin­ nerung ruft, die darin besteht, das Selbstbestimmungsrecht des Rechteinha­ 58  So wie Kowalzik aber auch Wöhrle/Belz, PolG BW, § 2 Rn. 12, die es als „un­ befriedigend“ bezeichnen, dass aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts selbst bei Unerreichbarkeit des Rechteinhabers nicht auf einen Antrag verzichtet werden könne. 59  Möllers, Juristische Methodenlehre, § 6 Rn. 92; Larenz, Methodenlehre, S. 391 f. 60  Siehe Beschlussempfehlung des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu den Ge­ setzesentwürfen für das Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (Sachsen, LT­ Drucks. 1/238 und LT-Drucks. 1/257 vom 03.07.1991, abgedruckt bei Sachsen, LTDrucks. 1/652) in der ein Antrag auf ersatzlose Streichung des Antragserfordernisses abgelehnt wird.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

bers zu wahren und einen aufgedrängten Schutz durch die Polizei zu verhin­ dern61, wird erkennen, dass es mit der ratio legis kaum in Einklang zu bringen ist, der Polizei in Ermangelung eines Antrags jegliche Befugnis zum Schutz des subjektiven Rechts abzusprechen. Ebenso wie die Annahme eines unge­ schriebenen Antragserfordernisses liefe auch eine wortlautgetreue Auslegung der Vorschriften in dieser Konstellation darauf hinaus, dem Rechteinhaber ein fehlendes Interesse an einem polizeilichen Einschreiten zu unterstellen.62 Raum, um einen abweichenden Willen des Rechteinhabers zu berücksichti­ gen, ließe diese Auslegung selbst dann nicht, wenn dessen abweichender Wille auf der Hand läge. Infolgedessen käme das in § 2 Abs. 2 PolG BW sowie in § 2 Abs. 2 Sächs­ PVDG normierte Antragserfordernis letztlich der gesetzlichen Fiktion eines fehlenden Interesses gleich. Da der Inhaber des gefährdeten Rechts im Re­ gelfall durchaus ein Interesse an dessen polizeilichen Schutz haben dürfte, wäre mit dieser Fiktion die gesetzgeberische Regelungsabsicht ersichtlich konterkariert. Anstatt dem Willen des Rechteinhabers größtmögliche Geltung zu verschaffen, würde dieser regelmäßig hinter der dargelegten gesetzlichen Fiktion zurücktreten. b) Keine Rechtfertigung einer abweichenden Behandlung der Sicherstellung Die gesetzliche Fiktion eines fehlenden Interesses des Rechteinhabers in Eröffnung der Privatrechtsklauseln verhält sich zudem diametral zu der im Hinblick auf die Rechtslage bei der Sicherstellung allgemein vertretenen Auffassung. Denn, wie an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen ist, soll die Rechtmäßigkeit von Sicherstellungen nach § 37 Abs. 1 PolG BW sowie dem inhaltlich identischen § 31 Abs. 1 Nr. 2 SächsPVDG nach allgemeiner Auf­ fassung nicht vom Vorliegen eines Antrags des Berechtigten abhängen.63 61  Wöhrle/Belz, PolG BW, § 2 Rn. 12; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, § 2 Rn. 50. 62  Siehe oben unter A.III.2.c). 63  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, § 2 Rn. 50 sowie Reinhardt, a. a. O., §  32 Rn. 6.1; Stephan/Deger, PolG BW, § 32 Rn. 2; Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, § 2 Rn. 310; ebenso dürften Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 215, einen Antrag für verzichtbar halten, indem sie feststellen, dass § 32 [nunmehr § 37] PolG BW als lex specialis den Privatrechtsklauseln vorgehe; siehe hierzu auch die bereits dargestellte Rechtsprechung des SächsOVG, welches das Er­ fordernis eines Antrags nicht erwähnt und stattdessen allein auf den mutmaßlichen Willen des Berechtigten abstellt, Urt. v. 02.03.2017 – 3 A 531/16 –, juris-Rn. 19; Beschl. v. 11.08.2015 – 3 A 224/14 –, juris-Rn. 7; ­Beschl. v. 15.08.2011 – 3 A 230/10 –, juris-Rn. 4.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?231

Mithin wird bei der Sicherstellung in Ermangelung eines Antrags keineswegs auf eine fehlende Befugnis zum polizeilichen Einschreiten geschlossen, son­ dern vielmehr auf den mutmaßlichen Willen des Rechteinhabers abgestellt. Verwundern muss hierbei, dass sogar die Stimmen, die mit Blick auf den Wortlaut der Privatrechtsklauseln einen Antrag des Rechteinhabers an sich für unverzichtbar halten, bei Sicherstellungen zum Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt hiervon bereitwillig eine Ausnahme machen.64 Soweit sich eine Begründung für diese Diskre­ panz findet, heißt es recht lakonisch, die Bestimmung zur Sicherstellung gehe den Privatrechtsklauseln vor65 bzw. der Gesetzgeber gehe bei der Sicherstellung von einem mutmaßlichen Einverständnis des Berechtigten ­ aus.66 Erklären können diese vagen Begründungsansätze die abweichende Behandlung der Sicherstellung indessen kaum. aa) Kein Vorrang der Sicherstellungsvorschriften Mit einem Vorrang der Sicherstellungsvorschriften gegenüber den Privat­ rechtsklauseln, wie er namentlich von Ibler67 vertreten wird, lässt sich der Verzicht auf einen Antrag bei Sicherstellungen nicht begründen. Abzulehnen ist die Annahme eines solchen Vorrangs bereits deshalb, weil es umgekehrt gerade anerkannt ist, dass die Privatrechtsklauseln als allge­ meine Vorschriften bei sämtlichen polizeilichen Maßnahmen zum Schutz subjektiver Rechte zu beachten sind.68 Begründen lässt sich dies im Hinblick auf § 2 Abs. 2 PolG BW bzw. § 2 Abs. 2 SächsPVDG zum einen mit deren systematischen Stellung in dem den einzelnen Standardmaßnahmen vorange­ stellten Abschnitt „Aufgaben der Polizei“ respektive „Allgemeines“ sowie zum anderen mit Blick auf den Wortlaut der Vorschriften, nach dem diese bei allen Maßnahmen „nach diesem Gesetz“ anwendbar sind. Stellt die Anwend­ barkeit der Privatrechtsklauseln demgemäß den gesetzlichen Regelfall dar, bedarf der Antragsverzicht bei der Sicherstellung als Ausnahme von der ge­ setzlichen Regel einer besonderen Begründung. Folglich vermag allein der Umstand, dass die Sicherstellungsvorschriften das Erfordernis eines Antrags nicht explizit vorsehen, die Entbehrlichkeit eines solchen noch nicht zu 64  Wöhrle/Belz, PolG BW, § 2 Rn. 12 sowie § 26 Rn. 2; Stephan/Deger, PolG BW, § 32 Rn. 2. 65  Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, § 2 Rn. 310; so wohl auch Würtenberger/ Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW, Rn. 215. 66  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, § 2 Rn. 50 sowie Reinhardt, a. a. O, §  32 Rn. 6.1; Stephan/Deger, PolG BW, § 32 Rn. 2. 67  Ibler, in: Ennuschat/Ibler/Remmert, § 2 Rn. 310. 68  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 255.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

rechtfertigen. Doch dürfte gerade darin die Argumentation Iblers liegen, der die Entbehrlichkeit eines Antrags mit dem Verweis auf einen vermeintlichen Vorrang der Sicherstellungsvorschriften begründet. Einer weitergehenden Auseinandersetzung mit dem Ansatz Iblers bedarf es nicht, da dieser eine nähere Erläuterung seines Ansatzes schuldig bleibt. bb) Gesetzliche Vermutung eines mutmaßlichen Einverständnisses Möglicherweise stimmt der Ansatz von Ibler inhaltlich auch mit der Über­ legung überein, wonach bei der Sicherstellung deshalb kein Antrag erforder­ lich sei, weil der Gesetzgeber69 dort von einem mutmaßlichen Einverständ­ nis des Berechtigten ausgehe. Auch wenn es kaum einmal expressis verbis hervorgehoben wird, dürfte diese These ihre normative Stütze in § 37 Abs. 4 PolG BW respektive der weitgehend identischen Regelung in § 34 Abs. 1 Satz 4 SächsPVDG ha­ ben.70 So heißt es dort: „Die Sicherstellung ist aufzuheben, wenn der Eigen­ tümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt dies verlangt […]“.71 Stellt das Gesetz hiernach die Aufhebung der Sicherstellung zur Disposition des Rechteinhabers, kann es umgekehrt die Begründung dersel­ bigen nicht von dessen Antrag abhängig machen. Denn in den seltensten Fällen dürfte derjenige, der die polizeiliche Sicherstellung zunächst noch selbst beantragt hat, anschließend deren Aufhebung beantragen. Zumal die sichergestellte Sache schon von Amts wegen herauszugeben ist, sobald der mit der Sicherstellung einhergehende polizeiliche Schutz nicht mehr erfor­ derlich ist.72

69  Gemeint sind der baden-württembergische und der sächsische Gesetzgeber gleichermaßen, allein aus Gründen des Leseflusses wird hier und im Folgenden der Singular verwendet. 70  Siehe Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, § 2 Rn. 50, nach dem die in § 37 Abs. 4 PolG BW enthaltene Regelung den Verzicht auf das Antragserfordernis kom­ pensiere. 71  § 34 Abs. 1 Satz 4 SächsPVDG hat gegenüber der mit § 37 Abs. 4 PolG BW noch identischen Vorgängervorschrift des § 26 Abs. 4 SächsPolG geringfügige Ände­ rungen erfahren und lautet nunmehr wie folgt: „Im Fall des § 31 Absatz 1 Nummer 2 ist die Sache herauszugeben, wenn der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt dies verlangt oder wenn ein Schutz nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch nach zwei Wochen.“. 72  Dies sehen § 37 Abs. 4 PolG BW und § 34 Abs. 1 Satz 4 SächsPVDG aus­ drücklich vor, in denen es weiter heißt, dass die Sicherstellung aufzuheben (§ 37 Abs. 4 PolG BW) respektive die Sache herauszugeben ist (§ 34 Abs. 1 Satz 4 Sächs­ PVDG), „wenn ein Schutz nicht mehr erforderlich ist“.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?233

Die Konstellation, die der Gesetzgeber bei der Kodifikation der Sicherstel­ lungsvorschrift respektive der Schaffung der Möglichkeit eines Aufhebungs­ antrags vor Augen gehabt haben wird, dürfte mithin diejenige einer Sicher­ stellung in Unkenntnis des Berechtigten sein. Hierfür streitet auch die in § 37 Abs. 2 PolG BW sowie § 32 Abs. 2 Satz 3 SächsPVDG vorgesehene Be­ nachrichtigungspflicht73, die andernfalls bedeutungslos wäre.74 Da bei einer Sicherstellung in Unkenntnis des Berechtigten rechtslogisch kein Antrag desselbigen vorliegen kann, scheint demzufolge auch der Gesetzgeber – zu­ mindest in dieser Konstellation – von der Zulässigkeit einer von Amts wegen vorgenommenen Sicherstellung auszugehen. Aus diesem Grund erweist sich die Prämisse, der Gesetzgeber gehe bei der Sicherstellung von einem mut­ maßlichen Einverständnis des Berechtigten aus, als durchaus zutreffend. Denn auch in Baden-Württemberg und Sachsen bezwecken die einschlägigen Sicherstellungsvorschriften ausschließlich den Schutz des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt. Damit unterstellt der Gesetzgeber in der Tat ein mutmaßliches Einverständnis des Berechtigten, wenn er eine solche Maßnahme auch ohne dessen Antrag für zulässig erach­ tet. c) Unauflösbarer Widerspruch Die gesetzgeberische Annahme eines mutmaßlichen Interesses des durch die Sicherstellung Begünstigten steht nun ersichtlich in Widerspruch zu der gesetzlichen Fiktion, die sich im Falle einer wortlautgetreuen Auslegung der Privatrechtsklauseln bei allen anderen Maßnahmen zum Schutz subjektiver Rechte einstellen würde. Wie ausgeführt wurde75, würde danach keineswegs ein mutmaßliches Einverständnis des Rechteinhabers vermutet, sondern dia­ metral gerade vom Fehlen eines solchen ausgegangen werden, indem der Polizei in Ermangelung eines Antrags jegliche Befugnis zum Schutz des subjektiven Rechts abgesprochen werden müsste. Zwei denkbar ähnliche Sachverhalte erführen durch das Gesetz mithin eine gänzlich unterschied­ liche Behandlung, wie anhand eines einfachen Beispiels illustriert werden kann. 73  § 37 Abs. 2 PolG lautet: „Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.“; in § 32 Abs. 2 Satz 3 Sächs­ PVDG heißt es: „Der Eigentümer oder ein anderer Berechtigter ist unverzüglich zu unterrichten.“ 74  Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr, S. 104; auch nach Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizei­ recht in BW, Rn. 216, kommt eine Sicherstellung üblicherweise nur bei Abwesenheit des Betroffenen in Betracht. 75  Siehe oben unter A.V.3.a).

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Drohen einem unter einem morschen Baum abgestellten Kraftfahrzeug Schäden durch herabstürzende Äste, dürfte die Polizei das Fahrzeug in Un­ kenntnis des Eigentümers zwar abschleppen und auf einem sicheren Ver­ wahrparkplatz abstellen. Das bloße Umsetzen des Fahrzeugs um wenige Meter wäre ihr hingegen selbst dann untersagt, wenn bereits dadurch die Gefahr eines Schadens durch herabfallende Äste gebannt werden könnte. Denn im Gegensatz zu einem Abschleppvorgang mit anschließender Verwah­ rung würde es sich bei einer bloßen Umsetzung des Fahrzeugs nicht um eine Sicherstellung76 handeln, sodass diese Maßnahme ohne einen Antrag des Fahrzeugeigentümers rechtswidrig wäre. Gleichermaßen wäre die Polizei in Ansehung des in den Privatrechtsklauseln enthaltenen Antragserfordernisses auch an einer Fällung des morschen Baumes oder sämtlichen anderen Maß­ nahmen zum Schutz des Fahrzeugs gehindert. Das polizeiliche Auswahl­ ermessen wäre in einer solchen Situation sonach auf die Sicherstellung als die allein verbleibende Handlungsoption reduziert. d) Übertragbarkeit der gesetzgeberischen Wertung bei der Sicherstellung Dass es nicht der gesetzgeberischen Regelungsabsicht entsprechen kann, die Polizei in einer derartigen Situation zwar zur Vornahme einer Sicherstel­ lung zu ermächtigen, ihr im Übrigen aber jegliche Befugnis zum Schutz des gefährdeten Rechts abzusprechen, liegt schon wegen der sich ansonsten un­ weigerlich einstellenden Abgrenzungsschwierigkeiten auf der Hand. Infolge­ dessen kann die Bewertung der Sicherstellung und der auf andere Vorschrif­ ten zum Schutz subjektiver Rechte gestützten Maßnahmen nur einheitlich 76  Wird das Fahrzeug im Anschluss in Verwahrung genommen, ist das Abschlep­ pen als Sicherstellung zu klassifizieren, andernfalls handelt es sich um eine Vollstre­ ckungsmaßnahme in Form der Ersatzvornahme. Ungeachtet der im Detail bestehen­ den Unstimmigkeiten dürfte diese Differenzierung der herrschenden Ansicht entspre­ chen, zumal es in dem hier angeführten Beispiel nicht um das Entfernen eines verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs geht, sondern dem Fahrzeug selbst eine Gefahr droht. Sogar bei der Entfernung verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge wie hier diffe­ renzierend denn auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 189; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 18 Rn. 5; Kugelmann, Polizei- und Ordnungs­ recht, 11. Kap. Rn. 54; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 636; a. A. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 164, demzufolge die Annahme einer Sicherstellung stets aus­ schiede, da die Begründung der Sachherrschaft an dem Fahrzeug kein primärer Zweck des Abschleppens sei. Teilweise hat die Differenzierung zwischen Sicherstel­ lung auf der einen und Umsetzung auf der anderen Seite auch Einzug ins Gesetz er­ halten, so in § 14 Abs. 1 Satz 2 SOG HH und § 22 Abs. 2 ThürOBG. Die Rechtspre­ chung lässt die Einordnung dahinstehen, weil sowohl die Vorschriften zur Sicherstel­ lung als auch diejenigen der Ersatzvornahme eine Kostentragungspflicht des Störers vorsehen und die Einordnung mangels Entscheidungserheblichkeit somit dahinstehen kann, siehe nur OVG NRW, Urt. v. 13.09.2016 – 5 A 470/14 –, juris-Rn. 20.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?235

ausfallen. Entweder wird eine ohne Antrag des Berechtigten vorgenommene Sicherstellung desgleichen für unzulässig erklärt oder bei sämtlichen Maß­ nahmen zum Schutz subjektiver Rechte wird – entgegen dem Wortlaut der Privatrechtsklauseln – auf einen Antrag des Berechtigten verzichtet, sofern dieser aus tatsächlichen Gründen nicht zum Beantragen des polizeilichen Schutzes in der Lage ist. Die demnach gebotene einheitliche Behandlung kann angesichts der in § 37 Abs. 4 PolG BW respektive § 34 Abs. 1 Satz 4 SächsPVDG zum Aus­ druck kommenden gesetzgeberischen Wertung nur im Wege einer teleologi­ schen Reduktion des in den Privatrechtsklauseln normierten Antragserforder­ nisses ausfallen. In der Konstellation der Sicherstellung, die typischerweise ohne Kenntnis des insoweit Begünstigten durchgeführt wird, verzichtet der Gesetzgeber erkennbar auf das Vorliegen eines Antrags und erkennt dadurch die Rechtmäßigkeit einer von Amts wegen vorgenommenen Sicherstellung implizit an. Dementsprechend scheint auch der Gesetzgeber davon auszuge­ hen, dass eine Sicherstellung, die ausschließlich den Schutz der subjektiven Rechte des Begünstigten bezweckt, in dessen Interesse liegt. Andernfalls würde keinerlei Veranlassung bestehen, die Polizei unbeschadet des Fehlens eines Antrags zur Vornahme einer Sicherstellung zu ermächtigen. Damit entspricht die gesetzgeberische Einschätzung für den Bereich der Sicherstellung exakt der hier für den Anwendungsbereich der Privatrechts­ klauseln vertretenen Auffassung. Ist dem Berechtigten, wie bei einer Sicher­ stellung regelmäßig der Fall, das Stellen eines Antrags nicht möglich, ist die Polizei dennoch zum Schutz dessen subjektiver Rechte befugt, da von einem mutmaßlichen Willen des Begünstigten auszugehen ist. Schließt der Gesetz­ geber somit bei der Sicherstellung aus dem Fehlen eines Antrags nicht auf das fehlende Interesse des Begünstigten an einem polizeilichen Schutz, ist nicht ersichtlich, weshalb er diese Schlussfolgerung nun vornehmen sollte, sofern eine ebenso allein den Schutz subjektiver Rechte bezweckende Maß­ nahme nur auf eine andere Ermächtigungsgrundlage gestützt wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, wenn er für die praktisch wohl bedeutsamste Standardmaßnahme zum Schutz subjektiver Rechte das Be­ dürfnis eines polizeilichen Tätigwerdens von Amts wegen anerkennt, diese Einschätzung im Hinblick auf sämtliche individualschützenden Maßnahmen teilt. Dies muss bereits deshalb gelten, weil eine abweichende Sichtweise bei genauer Betrachtung einen veritablen Wertungswiderspruch mit sich bringen würde. Eine gesonderte Behandlung der Sicherstellung würde dem Rechtein­ haber nach dem oben Gesagten ein höheres Interesse an der Vornahme einer Sicherstellung als an anderen polizeilichen Schutzmaßnahmen unterstellen. Wer sich an dieser Stelle die sowohl in Baden-Württemberg als auch in

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Sachsen normierte Kostentragungspflicht des durch eine Sicherstellung Be­ günstigten vor Augen führt77, wird die Absurdität dieser Annahme ohne Weiteres erkennen. Da die bei der Sicherstellung normierte Kostentragungs­ pflicht die Ausnahme bildet und alle übrigen Maßnahmen zum Schutz sub­ jektiver Rechte für den Begünstigten kostenfrei erfolgen78, vermag dem Begünstigten nur schwerlich ein besonderes Interesse an der Durchführung der kostenpflichten Maßnahme unterstellt zu werden. Stattdessen dürfte des­ sen Interesse an der Vornahme einer kostenfreien Maßnahme naturgemäß ungleich stärker ausgeprägt sein. e) Die widersprüchliche Auffassung des VGH BW Schließlich scheint auch der VGH BW die unbilligen Ergebnisse zu erken­ nen, die ein starr verstandenes Antragserfordernis bisweilen mit sich bringen würde. Abgesehen von der Konstellation der Sicherstellung dürfte die Recht­ 77  Während in § 34 Abs. 3 Satz 1 SächsPVDG die Kostentragungspflicht des durch die Sicherstellung Begünstigten ausdrücklich normiert ist, findet sich in BadenWürttemberg keine vergleichbare Regelung. Auch dort entsprach die Kostentragungs­ pflicht des Begünstigten bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richt­ linie (EU) 2016/680 für die Polizei in Baden-Württemberg und zur Änderung weiterer polizeilicher Vorschriften am 17.01.21 indes der allgemeinen Meinung, weil der Ge­ setzgeber in § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 PolG BW a. F. i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 3 der [ehemaligen] Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigeset­ zes (DVO PolG) zumindest eine Kostentragungspflicht für die Kosten der Verwahrung vorgesehen hatte und hierunter gemeinhin auch die Kosten für die Sicherstellung als solche subsumiert wurden, siehe nur VGH BW, Urt. v. 14.05.2007 – 1 S 1422/06 –, juris-Rn. 16; Reinhardt, in: BeckOK, PolR BW, § 37 Rn. 22. An dieser Rechtsauffas­ sung dürfte sich im Ergebnis durch die vorbezeichnete Novellierung des Polizeigeset­ zes nichts geändert haben, weil das Gesetz die Polizei nunmehr in § 129 Satz 1 PolG BW dazu berechtigt, die Herausgabe einer sichergestellten Sache von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig zu machen (sog. „Zurückbehaltungsbefugnis“) und mithin erkennbar eine entsprechende Kostentragungspflicht voraussetzt. 78  Die bei der Ersatzvornahme sowie der unmittelbaren Ausführung vorgesehene Kostentragungspflicht trifft nicht den von der Maßnahme Begünstigten, sondern den Störer, siehe zur Ersatzvornahme § 63 Abs. 1 PolG BW i. V. m. § 25 Abs. 1 LV­ wVG sowie § 39 Abs. 1 SächsPVDG i. V. m. § 24 Abs. 1 SächsVwVG (= § 30 Abs. 1 ME PolG); zur unmittelbaren Ausführung § 8 Abs. 2 PolG BW sowie § 8 Abs. 2 SächsPVDG (= § 5a Abs. 2 ME PolG); nach Braun, Finanzierung polizeilicher Auf­ gabenwahrnehmung, S. 305, stellen Maßnahmen im Anwendungsbereich der Privat­ rechtsklauseln einen „eine Gebührenerhebung rechtfertigenden geldwerten Vorteil“ dar, sodass die Gesetzgeber einen entsprechenden Gebührentatbestand einführen dürften; nach Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 68, kann die Polizei in Baden-Württemberg für Maßnahmen nach der Privatrechtsklausel grundsätzlich Gebühren erheben, soweit in der einschlägigen Verordnung ein spezieller Gebühren­ tatbestand normiert ist, als Beispiel nennt Nachbaur diesbezüglich allerdings lediglich die Sicherstellung (Rn. 68.1).



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?237

sprechung nämlich auch bei auf die Generalklausel gestützten Maßnahmen durchaus bereit sein, auf einen Antrag des Rechteinhabers zu verzichten. So erachtete der VGH BW79 ein polizeiliches Verbot der Gehsteigbera­ tung vor einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle als rechtmäßig, ohne auf das in § 2 Abs. 2 PolG BW normierte Antragserfordernis auch nur einzu­ gehen. Erstaunen muss dies hierbei umso mehr, als der VGH BW die Recht­ mäßigkeit der polizeilichen Untersagungsverfügung u. a. auf die Überlegung stützte, dass „einzelne Unterlassungsklagen der betroffenen Frauen vor den ordentlichen Gerichten nicht genauso effektiv“ wie die polizeiliche Untersa­ gungsverfügung wären, da die Letztere die in der Gehsteigberatung zu erbli­ ckende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „auch gegen­ über künftig die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen“ abwehren würde.80 Bei Geltung eines unbedingten Antragserfordernisses würde eine dahin­ gehende Argumentation nun erkennbar ausscheiden, wäre die Polizei zum Schutz der „künftig die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen“ in Ermange­ lung eines Antrags doch gar nicht berufen. Der Sache nach muss dement­ sprechend auch der VGH BW von einer ggf. möglichen bzw. notwendigen teleologischen Reduktion des Antragserfordernisses ausgehen, zumal in dem zugrundeliegenden Fall dem polizeilichen Tätigwerden auch kein Antrag von einer der Frauen, die die Beratungsstelle bereits aufgesucht hatten, voraus gegangen war.81 Bei genauer Betrachtung musste sich der VGH BW in der genannten Ent­ scheidung durch seine eigene Argumentation sogar gezwungen sehen, entge­ gen dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 PolG BW einen Antrag der betroffenen Frauen für entbehrlich zu erachten. So lehnte der VGH BW weiterhin eine vorrangige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit dem Hinweis ab, den betroffenen Frauen sei „die Rechtsverfolgung vor den ordentlichen Gerichten nicht zumutbar“, weil ihnen dies einen „Verzicht auf die durch § 6 Abs. 2 SchKG82 gesetzlich gewährleistete Anonymität abverlangen würde“.83 79  VGH

BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris. BW, a. a. O., juris-Rn. 71, der VGH BW prüft die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln unter dem Gesichtspunkt eines öffentlichen Interesses, kritisch hierzu bereits im ersten Kapitel unter D.II.1.d)bb). 81  Vielmehr ging das polizeiliche Einschreiten auf ein Ersuchen des Leiters der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zurück, dem als Unbeteiligten indessen kein Antragsrecht im Sinne des § 2 Abs. 2 PolG BW zustehen konnte, VGH BW, a. a. O., juris-Rn. 5. 82  § 6 Abs. 2 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwanger­ schaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG) lautet: „Die Schwan­ gere kann auf ihren Wunsch gegenüber der sie beratenden Person anonym bleiben“. 83  VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 72; zur „Unzumutbar­ keit“ gerichtlichen Schutzes ausführlich noch unter B.V. 80  VGH

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Hätte der VGH BW das in § 2 Abs. 2 PolG BW normierte Antragserfordernis streng verstanden, wäre ihm die dahin lautende Argumentation versagt gewe­ sen, da ein Antrag bei der Polizei die betroffenen Frauen – zumindest gegen­ über der Polizei – gewiss ebenso zu einem „Verzicht“ auf ihre Anonymität genötigt hätte. f) Zwischenergebnis Dürfte nach alldem die Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprechen, ist es nur folgerichtig, die vom Gesetzgeber bei der Sicherstellung getroffene Wertung auf sämtliche Maßnahmen zum Schutz subjektiver Rechte zu erstrecken. Bei der Sicher­ stellung besteht nicht mehr Veranlassung für einen Dispens des Antragserfor­ dernisses als bei jedem anderen polizeilichen Tätigwerden, welches den Schutz subjektiver Rechte intendiert. Danach bedürfen die Privatrechtsklau­ seln Baden-Württembergs und Sachsens einer teleologischen Reduktion, um der bei den Sicherstellungsvorschriften zum Ausdruck kommenden gesetzge­ berischen Wertung gerecht zu werden und ein polizeiliches Tätigwerden auch ohne Antrag des Begünstigten zuzulassen.84

VI. Exkurs: Bedeutung für den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln Das in § 2 Abs. 2 PolG BW sowie § 2 Abs. 2 SächsPVDG vorgesehene Antragserfordernis kann endlich auch für die hier vertretene Auslegung fruchtbar gemacht werden, nach der bei Anwendung der Privatrechtsklauseln zwischen subjektiven Rechten und subjektiven Rechtsgütern zu unterschei­ den ist. So dürften die Gesetzgeber Baden-Württembergs und Sachsens bei der Kodifikation des Antragserfordernisses kaum die Rechtsgüter des Lebens, der Gesundheit respektive der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit vor Augen gehabt haben. Allzu befremdlich würde es etwa anmuten, der Polizei erst auf Antrag der Geisel eine Befugnis zur Beendigung der Geisel­ nahme zuzugestehen.

84  Im Ergebnis scheint auch Krüger, Privatrechtsschutz als Polizeiaufgabe, S. 38, eine teleologische Reduktion der explizit normierten Antragserfordernisse (wie sie damals neben Baden-Württemberg auch in Bremen, Hessen und Schleswig-Holstein normiert waren) zu präferieren, indem er festhält, mit der grundsätzlichen Entschei­ dung für Maßnahmen des polizeilichen Privatrechtsschutzes erscheine es nicht ver­ einbar, die Polizei allein wegen des Fehlens eines ohnehin formlos möglichen Antrags zur Untätigkeit zu verpflichten.



A. Erfordernis eines Antrags des Berechtigten?239

Allerdings vermöchte die dahin lautende Argumentation gewiss allein dann zu verfangen, sofern nach dem hier vertretenen Ansatz auch die polizei­ liche Straftatenverhütung am Subsidiaritätsprinzip gemessen wird. Ein eigen­ ständiges Argument stellt diese Erwägung ergo nicht da.

VII. Ergebnis Die für die Sicherstellung in ihrer fremdnützigen Ausprägung anerkannten Parallelen zur zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag können ebenso für sämtliche anderen polizeilichen Tätigkeiten in Eröffnung der Privat­ rechtsklauseln herangezogen werden. Ausgehend von der Prämisse, dass eine individualschützende Maßnahme der Polizei grundsätzlich im Interesse des Begünstigten liegt, lässt sich den Privatrechtsklauseln weder eine über den gesetzlichen Wortlaut hinausge­ hende Antragsbedürftigkeit entnehmen, noch darf ein kodifiziertes Antragser­ fordernis in sämtlichen Konstellationen Geltung beanspruchen. Denn in der Vielzahl der denkbaren Fälle, in denen dem Begünstigten das Stellen eines Antrags nicht möglich ist, würde das sklavische Festhalten an einem An­ tragserfordernis, sei es ungeschrieben oder kodifiziert, nicht nur der gesetz­ geberischen Intention einer Stärkung des Selbstbestimmungsrechts zuwider­ laufen, sondern würde überdies eine Missachtung der grundrechtlichen Schutzpflichten bedeuten. Dies gilt auch für die Rechtslage in Baden-Württemberg und Sachsen, in denen das Antragserfordernis Einzug in den Gesetzestext erhalten hat. So­ wohl das Polizeigesetz Baden-Württembergs als auch das sächsische Polizei­ gesetz lassen bei den Vorschriften zur Sicherstellung erkennen, dass diese Standardmaßnahme nach der gesetzgeberischen Vorstellung auch ohne vor­ herigen Antrag des Begünstigten zulässig sein soll. Vor diesem Hintergrund liefe die wortlautgetreue Auslegung der Privatrechtsklauseln auf eine Privile­ gierung des durch eine Sicherstellung Begünstigten hinaus, die ersichtlich nicht mit der ratio legis der Normen in Einklang zu bringen ist. Die Privat­ rechtsklauseln Baden-Württembergs und Sachsens sind deshalb dergestalt teleologisch zu reduzieren, als anstelle eines Antrags auch das mutmaßliche Einverständnis des Begünstigten ausreicht, sofern diesem eine Antragsstel­ lung nicht möglich ist. Das Negieren eines ungeschriebenen Antragserfordernisses respektive des­ sen teleologische Reduktion bedeutet freilich nicht, dass die Polizei dem Rechteinhaber gegen dessen Willen ihren Schutz aufdrängen könnte. In An­ lehnung an § 683 Satz 1 BGB ist vielmehr auf den mutmaßlichen Willen des Berechtigten abzustellen, sodass die Polizei an einem Einschreiten gehindert

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

ist, wenn sich das polizeiliche Tätigwerden für den vermeintlich Begünstig­ ten als eine unerwünschte Belastung darstellt.85

B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes Nach dem insoweit übereinstimmenden Wortlaut sämtlicher Privatrechts­ klauseln obliegt der Polizei der Schutz subjektiver Rechte nur dann, „wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist“. Wer sich an dieser Stelle die Funktion der Privatrechtsklauseln in Erinnerung ruft, die in der Abgrenzung der polizeilichen Befugnisse vom Zuständigkeitsbereich der Ju­ dikative besteht, wird die eminente Bedeutung dieser Voraussetzung ohne Weiteres erkennen. Sie ist es, die die vorrangige Zuständigkeit der (Zivil-) Gerichte bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten absichert86 und hierdurch zweifellos den „Kern des Subsidiaritätsprinzips“ markiert.87

I. Rechtliche Möglichkeit eines gerichtlichen Schutzes Bevor auf die Frage eingegangen wird, wann genau gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und deswegen eine Eilkompetenz der Polizei in Betracht kommt, ist das Augenmerk auf eine weitere Voraussetzung der Privatrechtsklauseln zu legen, die teilweise aus dem Erfordernis der Uner­ reichbarkeit gerichtlichen Schutzes abgeleitet wird. 1. Die Auffassung von Kowalzik So vertritt insbesondere Kowalzik die Auffassung, die in den Privatrechts­ klauseln genannten Rechte müssten „gerichtlich durchsetzbar“ sein, um eine polizeiliche Handlungsbefugnis begründen zu können. Wörtlich formuliert er hierbei wie folgt: „Private Rechte i. S. der Privatschutzklauseln können nur solche sein, die auch ge­ richtlich durchsetzbar sind. Dies folgt aus dem weiteren Tatbestandsmerkmal, daß rechtzeitiger gerichtlicher Schutz nicht zu erlangen sein darf. Denn die Polizei soll nur eingreifen dürfen, wenn normalerweise auch ein Gericht über die privatrechtli­ che Streitigkeit entscheiden dürfte.“88 85  Dementsprechend muss die Polizei ihre Maßnahme zum Schutz des subjekti­ ven Rechts aufheben, sofern der Rechteinhaber ihr gegenüber erklärt, kein Interesse an einem polizeilichen Schutz seines Rechts zu haben. 86  Schoch, JURA 2013, 468, 470. 87  Schlink, NJW 1988, 1689, 1691. 88  Beide Zitate: Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 107.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes241

Die Konsequenzen, die Kowalzik89 aus dieser Überlegung zieht, sind er­ heblich. So sollen aufgrund des Erfordernisses einer gerichtlichen Durchsetz­ barkeit nicht nur Naturalobligationen90 wie die Ansprüche aus Spiel- oder Wettschulden (§ 762 BGB) oder Ehevermittlungsverträgen (§ 656 BGB) aus dem Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln herausfallen, sondern ebenso Ansprüche aus Verträgen, die wegen eines Verstoßes gegen ein ge­ setzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig sind.91 Außerdem dürfe ein Anspruch nicht bereits rechtskräftig abgewiesen worden sein, da ansonsten die aus § 322 Abs. 1 ZPO erwachsende materielle Rechtskraft der gerichtlichen Durchsetzung entgegenstehen würde. Ange­ lehnt sein dürfte die Auffassung Kowalziks an die Rechtslage bei der zivil­ rechtlichen Selbsthilfe gemäß § 229 BGB, bei der der zu sichernde Anspruch nach allgemeiner Meinung ebenfalls gerichtlich durchsetzbar sein muss.92 Während die meisten Autoren die Frage nach der gerichtlichen Durchsetz­ barkeit nicht einmal für erwähnenswert zu erachten scheinen und den Aspekt an keiner Stelle aufgreifen, findet der Ansatz Kowalziks teilweise auch heute noch Zustimmung in der polizeirechtlichen Literatur. So wird der Polizei eine Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte in Gestalt von zivilrechtlichen Ansprüchen bisweilen allein dann zugestanden, sofern auch dem nicht (recht­ zeitig) zu erreichenden ordentlichen Gericht ein Schutz derselbigen möglich wäre.93 Die Rechtsprechung wiederum musste sich – soweit ersichtlich – mit 89  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 108 f. von Naturalobligationen wird auch von unvollkommenen Verbindlichkeiten, Moralobligationen oder natürlichen Verbindlichkeiten gesprochen, zur diesbe­ züglichen Begriffsvielfalt siehe Krebs, in: Dauner-Lieb/Langen, § 241 Rn. 14; unab­ hängig von den terminologischen Unstimmigkeiten besteht über den Inhalt solcher Rechtspositionen, die treffend von Schulze (JuS 2011, 193, 193) als „nicht erzwing­ bare Leistungsforderung“ bezeichnet werden, Einigkeit. Kennzeichnend für solche Rechtspositionen ist es, dass das Gesetz die Forderung zwar anerkennt (indem die Rückforderung des bereits Geleisteten ausgeschlossen wird, siehe etwa § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB), der Forderungsinhaber den Schuldner von Rechts wegen aber nicht zur Erfüllung (durch Erhebung einer Klage) zwingen darf, siehe Schulze, JuS 2011, 193, 194; eingehend zum Ganzen, ders., Die Naturalobligation, 2008. 91  Die Zulässigkeit eines gerichtlichen Schutzes verlangend auch Wöhrle/Belz, PolG BW, § 2 Rn. 13, die neben Spiel- und Wettschulden nach § 762 BGB das Bei­ spiel nichtiger Forderungen gemäß § 138 BGB nennen; siehe auch Krüger, Privat­ rechtsschutz als Polizeiaufgabe, S. 30 f., der neben dem Beispiel der Naturalobliga­ tionen auch die Verwendungsersatzansprüche des Besitzers nach §§ 1000, 1003 BGB sowie familienrechtliche Ansprüche anführt. 92  Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 3 m. w. N. 93  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 54, der diesbezüglich das Bei­ spiel von § 762 BGB anführt; so auch Stephan/Deger, PolG BW, § 2 Rn. 17; in diese Richtung wohl auch Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 223, die eine „gerichtliche Durchsetzbarkeit der polizeilich vorzunehmenden Handlung ver­ 90  Anstelle

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

der Thematik bisher noch nicht auseinandersetzen, weshalb es diesbezüglich an einschlägigen Entscheidungen fehlt. 2. Unerheblichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit Richtigerweise muss die gerichtliche Durchsetzbarkeit eines privatrecht­ lichen Anspruchs für die polizeiliche Befugnis zum Schutz desselbigen ohne Relevanz bleiben. Mag es auf den ersten Blick folgerichtig erscheinen, die Befugnisse der Polizei nicht über diejenigen des Gerichts hinausgehen zu lassen, verkennt dieser Ansatz bei genauer Betrachtung den Regelungszweck der Privatrechtsklauseln und sieht sich zudem einem inneren Widerspruch ausgesetzt. Zuletzt dürfte der abweichende Ansatz in der polizeilichen Praxis schlichtweg nicht umsetzbar sein. a) Unzulässiges polizeiliches Vorverfahren Wird die Befugnis der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte von deren gerichtlicher Durchsetzbarkeit abhängig gemacht, so wird damit die gesetz­ geberische Funktion der Privatrechtsklauseln verkannt. Denn jedenfalls in der von den entsprechenden Stimmen in den Blick genommenen Konstella­ tion, in der sich das gefährdete subjektive Recht als ein auf die Zahlung von Geld gerichteter privatrechtlicher Anspruch darstellt94, dürfte die Polizei diesen Zahlungsanspruch selbst dann nicht durchsetzen, wenn sämtliche Vo­ raussetzungen der Privatrechtsklauseln erfüllt sind. Wie noch auszuführen sein wird95, beschränken sich die polizeilichen Handlungsbefugnisse auch in Eröffnung der Privatrechtsklauseln nämlich auf die vorläufige Sicherung des gefährdeten Rechts, wohingegen die endgültige Rechtsdurchsetzung der Po­ langen“ und als Beispiel anführen, dass die Polizei eine Sache, die nach bürgerlichem Recht hinterlegt werden muss, nicht an den Berechtigten herausgeben dürfe; identisch Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 93; zustimmend wohl auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35, nach dem die Polizei hinsichtlich der von ihr gesetzten Rechtsfolge nicht über das hinausgehen dürfe, „was der Rechteinhaber gerichtlich geltend machen und erlangen könnte.“ 94  Dass die eine gerichtliche Durchsetzbarkeit verlangenden Stimmen Geldzah­ lungsansprüche vor Augen haben dürften, wird anhand der von ihnen angeführten Beispiele deutlich. So betrifft namentlich das häufig bemühte Beispiel des § 762 BGB einen auf die Zahlung von Geld gerichteten Anspruch. Ebenso steht auch bei den weiteren von Kowalzik genannten Beispielen der Forderungen aus nach §§ 134, 138 BGB nichtigen Verträgen sowie Ansprüchen aus Ehevermittlungsverträgen (§ 656 BGB) jedenfalls vornehmlich ein auf die Zahlung von Geld gerichteter Anspruch in Rede. 95  Hierzu im vierten Kapitel unter B.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes243

lizei grundsätzlich96 verwehrt ist. Ist die Polizei dementsprechend nicht zu einer Durchsetzung des gefährdeten Zahlungsanspruchs befugt, muss dessen rechtliche Durchsetzbarkeit für das polizeiliche Eingreifen jeglicher Relevanz entbehren. Veranschaulichen lässt sich dies am Beispiel der Identitätsfeststel­ lung. Die Identitätsfeststellung stellt neben der Sicherstellung gewiss das Para­ debeispiel97 einer polizeilichen Maßnahme im Anwendungsbereich der Pri­ vatrechtsklauseln dar. In dem klassischen Lehrbuchbeispiel ist dem Inhaber einer privatrechtlichen Forderung die Identität des Schuldners oder dessen ladungsfähige Anschrift nicht bekannt, sodass ihm die gerichtliche Durchset­ zung seiner Forderung verwehrt ist.98 In dieser Konstellation ist die Polizei nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln zu einer Feststellung der Personalien des Schuldners befugt, um dem Forderungsinhaber eine gerichtliche Durch­ setzung seiner Forderung zu ermöglichen.99 An einer selbstständigen Durch­ setzung der Forderung in Gestalt einer Zahlungsaufforderung an den Schuld­ ner bleibt die Polizei demgegenüber gehindert, weil die Durchsetzung privat­ rechtlicher Forderungen den gesetzlich hierfür vorgesehenen Vollstreckungs­ organen vorbehalten ist100 und insbesondere erst erfolgen darf, nachdem ein Gericht das Bestehen des Anspruchs rechtskräftig festgestellt hat.101 In der Begrenzung der exekutiven Handlungsbefugnisse auf vorläufige Sicherungs­ maßnahmen manifestiert sich die ausschließliche Zuständigkeit der ordent­ lichen Gerichtsbarkeit für die Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten, wie sie in Art. 92 GG und § 13 GVG ihren Ausdruck gefunden hat. Doch ist es eben diese vorrangige Zuständigkeit der Judikative, die durch das postu­ 96  Zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von sog. rechtsschutzersetzenden Maßnah­ men im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln noch eingehend im vierten Ka­ pitel unter C. 97  Teilweise sehen die Polizeigesetze auch explizit die Möglichkeit einer Identi­ tätsfeststellung zum Schutz privater Rechte vor: Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 BayPAG, § 21 Abs. 2 Nr. 2 ASOG Bln, § 12 Abs. 1 Nr. 7 BbgPolG, § 20 Abs. 1 Var. 3 SOG LSA, § 14 Abs. 1 Nr. 7 ThürPAG, § 23 Abs. 1 Nr. 5 BPolG. 98  Ohne die Identität des Schuldners ist die gerichtliche Geltendmachung einer Forderung nicht möglich, siehe § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 (i. V. m. § 495) i. V. m. § 130 Nr. 1 ZPO. 99  Siehe Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54; Gusy, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 95; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 50; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 35; Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, § 1 Rn. 50. 100  VG Dresden, ­ Beschl. v. 07.01.2003 – 14 K 35/03 –, juris-Rn.18; Walter, in: Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, § 1 Rn. 48. 101  Siehe § 704 ZPO: „Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind“; weitere Vollstreckungstitel sind in § 794 ZPO aufgeführt.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

lierte Erfordernis einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts nun missachtet wird. Würde die Rechtmäßigkeit der Identitätsfeststellung tatsächlich von der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des geltend gemachten Anspruchs abhängen, würde die nach Art. 92 GG und § 13 GVG dem Richter vorbehaltene Ent­ scheidung über das Bestehen eines privatrechtlichen Anspruchs in gewisser Weise durch die Polizei vorweggenommen werden. Denn bei der Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des gefährdeten subjektiven Rechts han­ delt es sich letztendlich um die Frage nach dem Bestehen des privatrecht­ lichen Anspruchs als solchen. Dies belegen die von Kowalzik angeführten Beispiele der Nichtigkeit nach § 134 sowie § 138 BGB eindrücklich, handelt es sich bei der Nichtigkeit eines Vertrages doch um eine originär materiellrechtliche Fragestellung. Ob ein privatrechtlicher Anspruch besteht respek­ tive ob dessen Durchsetzung Einreden des Schuldners oder sonstige Um­ stände entgegenstehen, ist indessen gerade im zivilprozessualen Erkenntnis­ verfahren durch den hierzu berufenen Richter zu entscheiden. Soll die ­Identitätsfeststellung die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens erst er­ möglichen, kann deren Rechtmäßigkeit rechtslogisch nicht vom Ausgang des noch anstehenden Gerichtsverfahrens abhängen. Andernfalls würde die von der Polizei vorgenommene Sicherungsmaßnahme auf eine Art Vorverfahren hinauslaufen, in dem bereits vorab das Bestehen des privatrechtlichen An­ spruchs geprüft worden wäre. Würde die Polizei bei ihrer Prüfung hierbei zu Unrecht zu einem negativen Ergebnis kommen, wäre dem Forderungsinhaber die gerichtliche Durchsetzung seiner Forderung vereitelt, ohne dass er die polizeiliche Einschätzung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit überprüfen lassen könnte. Denn ohne die Identitätsfeststellung könnte der Gläubiger dem Erfordernis einer genauen Bezeichnung des Schuldners nach § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, i. V. m. § 130 Nr. 1 ZPO nicht genügen, weshalb ihm der Gang vor die ordentlichen Gerichte versperrt bliebe. Anstelle eines zivilge­ richtlichen Verfahrens hätte der Forderungsinhaber lediglich die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Untätigkeit nachträglich vom Verwal­ tungsgericht feststellen zu lassen. Seinem eigentlichen Anliegen, der Durch­ setzung des Anspruchs, würde hierbei freilich auch ein insoweit stattgebendes Urteil nicht abhelfen, da selbst der verwaltungsgerichtliche Rechtswidrig­ keitsausspruch ihm nicht die Kenntnis der nach § 253 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 i. V. m. § 130 Nr. 1 ZPO notwendigen Daten verschaffen würde. Da sich eine polizeiliche Identitätsfeststellung regelmäßig auch nicht nachholen lassen dürfte102, stünde eine abschlägige polizeiliche Prüfung in ihrer Wirkung letztlich einer rechtskräftigen Klageabweisung gleich. Die von den Privat­ 102  Sofern die Polizei auf eine Identitätsfeststellung verzichtet hat, kann diese grundsätzlich nicht nachgeholt werden, weil der Schuldner in Ermangelung der er­



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes245

rechtsklauseln an sich bezweckte Gewährleistung der gerichtlichen Entschei­ dungshoheit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wäre hierdurch konterka­ riert. b) Unterschied zur zivilrechtlichen Selbsthilfe Außerdem übersieht die Erwägung, im Hinblick auf die Rechtslage bei der zivilrechtlichen Selbsthilfe (§ 229 BGB) auch bei den Privatrechtsklauseln eine gerichtliche Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts zu verlangen, den entscheidenden Unterschied zwischen dem polizeilichen Schutz subjektiver Rechte auf der einen und der privaten Selbsthilfe auf der anderen Seite. Während private Selbsthilferechte vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols auf ein Minimum zu reduzieren sind103 und die zivilrecht­ lichen Vorschriften vor diesem Hintergrund eng auszulegen sind, besteht im Hinblick auf die exekutiven Befugnisse der Polizei keine vergleichbare Inte­ ressenlage. Denn anders als der Anspruchsinhaber ist die Polizei, wenngleich nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln nur beschränkt, durchaus auch für den Schutz zivilrechtlicher Ansprüche zuständig. Ein Gleichlauf zwischen privaten und exekutiven Befugnissen ist deshalb nicht angezeigt, vielmehr dürfen die exekutiven Befugnisse angesichts des staatlichen Gewaltmonopols über die Reichweite zivilrechtlicher Rechtfertigungsgründe hinausgehen. c) Unvereinbarkeit mit dem aufgabenbeschränkenden Charakter der Privatrechtsklauseln Des Weiteren bleibt Kowalzik eine Erklärung schuldig, wie sich seine For­ derung nach einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts mit dem Charakter der Privatrechtsklauseln als Beschränkung der polizeilichen Aufgaben in Einklang bringen lässt. Wird in den Privatrechtsklauseln zutreffend eine Beschränkung der der Polizei zunächst umfassend zugewiesenen Aufgabe der Abwehr von Gefah­ ren für die öffentliche Sicherheit erkannt104, so wie es auch der Auffassung kennungsdienstlichen Behandlung für die Polizei letztendlich ebenso unauffindbar ist wie für den Gläubiger selbst. 103  Hierzu Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 1, der zutreffend „das grundsätzli­ che Verbot, zur Durchsetzung eigener Zwecke Gewalt anzuwenden“ als einen der „tragenden Grundsätzen aller zivilisierten Rechtsordnungen der Gegenwart“ bezeich­ net; näher zum Verhältnis zivilrechtlicher Selbsthilfe zu den polizeirechtlichen Privat­ rechtrechtsklauseln noch unter C.VII. 104  Hierzu bereits im zweiten Kapitel unter B.III.3.

246

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Kowalziks105 entspricht, bringt die in Rede stehende Auslegung der Privat­ rechtsrechtsklauseln einen gewissen Widerspruch mit sich. Denn würden die Vorschriften tatsächlich einzig auf gerichtlich durchsetzbare subjektive Rechte Anwendung finden, wären konsequenterweise auch nur diese den einschränkenden Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln unterworfen. Demzufolge würden die polizeilichen Befugnisse bei gerichtlich nicht durch­ setzbaren Forderungen weitergehen als bei solchen Forderungen, die der Rechteinhaber vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit gelten machen könnte. Das mit dem Postulat einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit verbundene Anlie­ gen wäre mithin ins Gegenteil verkehrt. d) Fehlende Rechtskenntnisse des Polizeivollzugsdienstes Entscheidend gegen den hier zurückgewiesenen Ansatz Kowalziks spre­ chen schließlich praktische Erwägungen. Die Anwendung der Privatrechts­ klauseln darf bereits deshalb nicht von der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des geltend gemachten subjektiven Rechts abhängig gemacht werden, da die meisten Polizeibeamten in Ermangelung einer zivilrechtlichen Ausbildung zu einer derartigen Prüfung gar nicht befähigt sein dürften. So sieht beispielsweise das Curriculum der für die Ausbildung der nord­ rhein-westfälischen Polizeivollzugsbeamten zuständigen Hochschule für Po­ lizei und öffentliche Verwaltung (HSPV NRW) kein eigenständiges zivil­ rechtliches Modul vor106, weshalb die zivilrechtlichen Kenntnisse des durch­ schnittlichen Polizeivollzugsbeamten, zumindest in Nordrhein-Westfalen, rudimentär bleiben dürften. Wie dem Beamten angesichts dessen eine einge­ hende zivilrechtliche Prüfung, zumal unter dem im Gefahrenabwehrrecht ty­ pischerweise bestehenden Zeitdruck, zugemutet werden könnte, ist nicht im Ansatz ersichtlich.107 Dies gilt nicht nur für hochkomplexe Fragestellungen im Rahmen des § 134 BGB (verwiesen sei hier etwa auf die höchstrichterliche Rechtspre­ chung zur Nichtigkeit von Verträgen aufgrund sog. ohne-Rechnung-Abre105  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 61 f. finden dort als juristische Ausbildungsinhalte lediglich die Fächer „Eingriffs-/Staatsrecht“ und „Strafrecht“ Erwähnung, Modulübersicht Bachelorstudi­ engang Polizeivollzugsdienst ab Einstellungsjahr 2020 in der Fassung vom 27.02.2020, gültig ab 13.03.2020, abrufbar unter https://www.hspv.nrw.de/studium/bachelor studiengaenge/studienvorschriften-inhalte/pvd/ (zuletzt abgerufen am 02.06.2022). 107  Den polizeilichen Schutz privatrechtlicher Ansprüche sieht auch Schoch wegen der fehlender „Fachkompetenz“ der Polizei als schwierig respektive als „oftmals auch gar nicht möglich“ an, JURA 2013, 468, 471; ähnlich Gusy, Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 93; Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 66. 106  Stattdessen



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes247

den108), sondern ebenso für die vermeintlich eingängige Problematik der fehlenden Einklagbarkeit von Naturalobligationen. Denn auch die Vorschrif­ ten der §§ 656, 762 BGB werfen in rechtlicher Hinsicht Fragen auf, deren Beantwortung umfangreiche juristische Kenntnisse voraussetzen dürfte. Zu nennen sind an dieser Stelle beispielsweise die allgemein anerkannte analoge Anwendung des § 656 BGB auf Partnervermittlungsverträge109 sowie die in § 762 Abs. 2 BGB enthaltene Regelung110, die sich selbst dem juristisch ge­ schulten Betrachter bei unbefangener Lektüre nicht ohne Weiteres erschlie­ ßen dürfte.111 Insbesondere auch das von Kowalzik angeführte Beispiel einer rechtskräftigen Abweisung des zivilrechtlichen Anspruchs ist in diesem Zu­ sammenhang zu nennen, dürften die dahingehenden Feststellungen dem Be­ amten doch sowohl in rechtlicher112 als auch in tatsächlicher113 Hinsicht schlechthin unmöglich sein. Wer sich an dieser Stelle in Erinnerung ruft, dass eine abschlägige Prüfung des Polizeibeamten in der Konstellation der Identitätsfeststellung dem Rechte­ inhaber faktisch jegliche Möglichkeit einer Rechtsdurchsetzung vereiteln würde, muss eine dahingehende Auslegung der Privatrechtsrechtsklauseln als unvertretbar bezeichnen. Nach dem Ansatz Kowalziks wäre die Polizei letzt­ endlich doch zur Entscheidung „zweifelhafter Rechtsfragen“ berufen, obzwar gerade dies nach einer berühmten Formel des OVG NRW114 die ureigene Domäne der ordentlichen Gerichtsbarkeit markiert.115 108  Hierzu

etwa BGH, Urt. v. 16.3.2017 – VII ZR 197/16 –, juris. Urt. v. 17.01.2008 – III ZR 239/06 –, juris-Rn. 21. 110  § 762 Abs. 2 BGB lautet: „Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinba­ rung, durch die der verlierende Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Spiel- oder einer Wettschuld dem gewinnenden Teil gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbeson­ dere für ein Schuldanerkenntnis.“ 111  Verwiesen werden kann diesbezüglich auf die im Rahmen des § 762 Abs. 2 BGB erforderliche Differenzierung zwischen erfüllungshalber begründeten Verbind­ lichkeiten und Verbindlichkeiten zur Leistung an Erfüllungs statt, hierzu Habersack, in: MüKo, BGB, § 762 Rn. 25. 112  Auch der Umfang der Rechtskraft eines abweisenden Urteils kann im Einzel­ fall durchaus komplexe rechtliche Fragen aufwerfen, siehe insoweit nur BGH, Urt. v. 12.12.1974 – II ZR 113/73 –, juris-Rn. 6, zur Reichweite der Rechtskraft eines eine negative Feststellungsklage abweisenden Urteils. 113  Der Umstand einer der Anspruchsdurchsetzung entgegenstehenden Rechtskraft dürfte der Polizeibeamte allenfalls durch die – in der Praxis nicht mögliche – Lektüre der jeweiligen Gerichtsentscheidung in Erfahrung bringen können. 114  OVG NRW, Urt. v. 21.05.1968 – IV A 836/67 –, OVGE 24, 72, welches im dritten Leitsatz der Entscheidung wie folgt konstatiert: „Es ist dabei nicht Aufgabe der Polizei zweifelhafte Rechtsfragen selbst zu entscheiden.“ 115  So auch Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61; Gusy, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 93; Hornmann, HSOG, § 1 Rn. 66; Schoch, JURA 2013, 468, 471; siehe auch Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 75. 109  BGH,

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

e) Ergebnis Im Ergebnis bleibt die gerichtliche Durchsetzbarkeit eines subjektiven Rechts, zumindest wenn dieses in einem zivilrechtlichen Zahlungsanspruch zu erblicken ist116, demgemäß für die polizeilichen Handlungsbefugnisse ohne Relevanz.

II. Unerreichbarkeit in zeitlicher Hinsicht Zum Schutz subjektiver Rechte darf die Polizei allein dann tätig werden, sofern dem Rechteinhaber ein Anrufen der hierfür an sich ausschließlich zu­ ständigen ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht möglich ist. Die Privatrechts­ klauseln selbst lassen hierbei bereits erkennen, dass die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes in erster Linie zeitlich zu begreifen ist. So ermächti­ gen die Vorschriften die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte nur, „wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig117 zu erlangen ist.“ Die Frage wann genau die Erlangung gerichtlichen Schutzes als nicht mehr rechtzeitig anzu­ sehen ist und aus diesem Grund die polizeiliche Eilfallkompetenz begründet wird, ist für die Reichweite des in den Privatrechtsklauseln normierten Sub­ sidiaritätsprinzips mithin von essentieller Bedeutung. Angesichts dieser ausschlaggebenden Bedeutung muss es verwundern, dass gerade diese Voraussetzung der Privatrechtsklauseln in den einschlägi­ gen Darstellungen kaum einmal eine eingehende Behandlung erfährt und anstelle von allgemeingültigen Kriterien zur Bestimmung der Rechtzeitigkeit des gerichtlichen Schutzes stets nur gesonderte Aspekte, die im Einzelfall die Annahme eines nicht rechtzeitigen gerichtlichen Schutzes rechtfertigen sol­ len, genannt werden. So betont insbesondere Kowalzik118, die Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes hänge „selbstverständlich von den jeweiligen Umstän­ den des Einzelfalls ab“. Richtigerweise lassen sich die Umstände, die im Einzelfall für die An­ nahme eines nicht rechtzeitigen gerichtlichen Schutzes streiten mögen, frei­ lich erst benennen, nachdem die von den Privatrechtsklauseln erhobene Vor­ aussetzung zunächst abstrakt betrachtet worden ist. Denn wie jeder unbe­ stimmte Rechtsbegriff wird auch derjenige der Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes der praktischen Rechtsanwendung erst durch seine präzise Defini­ tion zugänglich. Um die hiernach erforderliche Definitionsarbeit zu leisten, 116  Zur Bedeutung der gerichtlichen Durchsetzbarkeit in den übrigen Fällen, in denen die Privatrechtsklauseln die Polizei ausnahmsweise sogar zu einer endgültigen Rechtsdurchsetzung ermächtigen noch im vierten Kapitel unter C.II.4. 117  Hervorhebung nur hier. 118  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 183.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes249

soll im Folgenden zunächst eine Bestandsaufnahme der von Literatur und Rechtsprechung diesbezüglich getroffenen Aussagen gemacht werden. 1. Die Diversität der Ansätze in der Literatur Bei Betrachtung der in der Literatur vorzufindenden Ausführungen lässt sich hinsichtlich der vertretenen Ansätze ein nicht unbeachtlicher Facetten­ reichtum feststellen, wobei nicht jeder dieser Ansätze mit einem Erkenntnis­ gewinn verbunden sein dürfte. So belässt es Schenke119 bei der beinahe trivial anmutenden Aussage, ge­ richtlicher Schutz sei nicht rechtzeitig zu erlangen, sofern das ordentliche Gericht das subjektive Recht nicht einmal im Wege des einstweiligen Rechts­ schutzes zu schützen vermöchte. Ähnlich heißt es bei Denninger120, gericht­ licher Schutz sei nicht rechtzeitig, wenn ein wirksamer Schutz des gefährde­ ten Rechts selbst durch die Instrumente des vorläufigen Rechtsschutzes zu spät kommen würde. Nicht wesentlich ergiebiger sind die Ausführungen bei Kingreen/Poscher121, die diesbezüglich lediglich anmerken, gerichtlicher Schutz sei „be­ sonders nachts und an den Wochenenden“ nicht rechtzeitig zu erreichen. In die gleiche Kerbe schlägt auch Kowalzik122, der – wie bereits dargestellt – die Frage der Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes zwar grundsätzlich von den „jeweiligen Umständen des Einzelfalls“ abhängig machen möchte, je­ doch zugleich konstatiert, die Privatrechtsklausel würden nach der „gesetzli­ chen Grundkonzeption“ überwiegend Geschehnisse betreffen, „die sich zur Nachtzeit, an Wochenenden oder an abgelegenen Orten“ abspielen würden. Ähnlich argumentiert denn auch Schoch123, dem zufolge regelmäßig der „Zeitfaktor“ dazu führe, dass behördlich eingeschritten werden könne, weil das Beschreiten des Zivilrechtswegs ineffektiv wäre. Als Beispiel nennt auch er ein polizeiliches Einschreiten zur Nachtzeit. Götz/Geis124 scheinen wiederum eine polizeiliche Eilfallkompetenz immer dann anzunehmen, „soweit die Polizei noch schneller sein kann als selbst der schnellste zivilprozessuale Rechtsschutz durch einstweilige Verfügung oder Arrest“. Erläuterungsbedürftig erscheint ihre Auffassung hierbei insoweit, als die Polizei aufgrund der ihr eigenen Organisationsstruktur in jeder Lebens­ 119  Schenke,

Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54. in: Lisken/Denninger, 6. Auflage 2018, D. Rn. 28. 121  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48. 122  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 183. 123  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 257. 124  Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 21. 120  Denninger,

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

lage schneller als die Gerichte zu einem Schutz des gefährdeten Rechts in der Lage sein dürfte.125 Gleichwohl bleiben sie eine nähere Erläuterung ihres Ansatzes schuldig. Demgegenüber gestalten sich die Ausführungen Thiels126 bereits präziser, soweit er ausführt, die Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes bedeute, dass dieser „zeitlich noch geeignet“ sein müsse, um „die Realisierung des Rechts zu ermöglichen“. Ähnlich hierzu geht Nachbaur127 von nicht rechtzeitigem Rechtsschutz aus, sofern dieser „in zeitlicher Hinsicht nicht mehr geeignet ist, die Realisierung oder zumindest Sicherung der fraglichen Rechtsposition zu ermöglichen“. Aufschlussreich erscheinen endlich die Ausführungen von Drews/Wacke/ Vogel/Martens128, die im Hinblick auf das Erfordernis eines nicht rechtzeiti­ gen gerichtlichen Schutzes verlangen, dass es dem Rechteinhaber unmöglich sein müsse, „das zuständige ordentliche Gericht rechtzeitig zur Abwehr der drohenden Gefahr – etwa durch Erlaß einer einstweiligen Verfügung oder durch Anordnung des Arrests – in Tätigkeit zu setzen“. Der Sache nach dürfte dieser Ansatz mit der Auffassung von Gusy/Worms129 übereinstimmen, die den gerichtlichen Schutz als nicht mehr rechtzeitig erachten, wenn „durch Zeitablauf jeglicher oder doch effektiver Rechtsschutz vereitelt werden würde“, und in diesem Zusammenhang von einer „Gefahr im Verzug“ spre­ chen. Ähnlich dürften auch die Ausführungen Pewestorf130 zu verstehen sein, demzufolge gerichtlicher Schutz dann nicht rechtzeitig sei, wenn er nicht vor „Eintritt der Schädigung“ erreicht werden könne. 2. Die Auffassung der Rechtsprechung Im Gegensatz zu den mannigfaltigen Ansätzen der Literatur, verhält sich die Rechtsprechung kaum einmal zu der Frage eines nicht rechtzeitigen ge­ richtlichen Schutzes. Überraschen kann dieser Befund angesichts des gerin­ gen Anwendungsbereichs, der nach der (auch von der Rechtsprechung ver­ tretenen) Ausschließlichkeitstheorie für die Privatrechtsklauseln verbleibt, dabei kaum.

125  Rachor/Roggan,

in: Lisken/Denninger, C. Rn. 3. Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 33. 127  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 55. 128  Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 238. 129  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 224; siehe auch Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 94: „Gefahr im Verzug“. 130  Pewestorf, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, § 1 Rn. 62. 126  Thiel,



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes251

Nichtsdestominder liefern die wenigen Entscheidungen, in denen die Ge­ richte das polizeiliche Handeln tatsächlich einmal an den Privatrechtsklau­ seln gemessen haben, hinsichtlich einer Definition der Rechtzeitigkeit ge­ richtlichen Schutzes mehr Erkenntnisse, als es bisweilen bei den in der Lite­ ratur vorzufindenden Ausführungen der Fall ist. Können sich die zur Ent­ scheidung konkreter Fälle berufenen Gerichte doch nicht mit vagen Formeln begnügen, sondern müssen die Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes in ei­ nem konkreten Lebenssachverhalt entweder bejahen oder verneinen. Wie sich bei Lektüre der einzelnen Entscheidungen herauskristallisiert, ist für die praktische Rechtsanwendung hierbei von dezisiver Bedeutung, auf welchen Zeitpunkt hinsichtlich der Beurteilung der Rechtzeitigkeit abzustel­ len ist. Die Rechtsprechung verhält sich zu dieser Frage nicht eindeutig. a) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts einer hypothetischen gerichtlichen Entscheidung? Das VG Köln erachtete in dem bereits geschilderten131 Fall des nächtli­ chen Entfernens von Möbeln aus einer Mietwohnung die zeitlich unbegrenzte Sicherstellung u. a. deshalb als rechtswidrig, weil der zuständige Bereit­ schaftsrichter für den durch die Sicherstellung begünstigten Vermieter er­ reichbar gewesen wäre. Wörtlich begründet das VG Köln die Subsidiarität eines polizeilichen Einschreitens mit dem Hinweis, es könne davon ausge­ gangen werden, „dass eine Eilentscheidung in dieser Sache noch am selben Abend hätte ergehen können.“132 Demnach scheint es nach Auffassung des VG Köln hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des gerichtlichen Schutzes auf den Zeitpunkt anzukommen, in dem die vom Rechteinhaber zum Schutz seines subjektiven Rechts beantragte Entscheidung des Gerichts hypothetisch erge­ hen würde. Der Zeitpunkt, in dem für den Rechteinhaber das Beantragen des gerichtlichen Schutzes möglich ist, dürfte für das VG Köln demgegenüber irrelevant zu sein. 131  Siehe

die Ausführungen im zweiten Kapitel unter C.I.2.b). Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 80, tatsächlich hatte der Vorgesetzte der handelnden Polizeibeamten vor Anordnung der Sicherstellung sogar noch telefonische Rücksprache mit dem diensthabenden Bereitschaftsrichter des zuständigen Amtsgerichts gehalten. Anlass dieses Telefonats dürfte der Umstand gewesen sein, dass zwischen Vermieter und Mieter zwei zivilgerichtliche Verfahren wegen ausstehender Mietzahlungen anhängig waren. Da die beiden Zahlungsklagen prozessrechtlich mit der Sicherung des Vermieterpfandrechts indes in keinem Zusam­ menhang stehen, es liegen insoweit unterschiedliche Streitgegenstände vor (im Ergeb­ nis so auch das VG Köln, a. a. O., juris-Rn. 81), erging durch den Bereitschaftsrichter folgerichtig keine Entscheidung hinsichtlich der Sicherung des Vermieterpfandrechts (VG Köln, a. a. O., juris-Rn. 13). 132  VG Köln,

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Ebenso liest sich eine weitere Entscheidung des VG Köln133, in der dieses einen Anspruch auf behördliches Einschreiten unter Verweis auf das in den Privatrechtsklauseln normierte Subsidiaritätsprinzip verneinte und diesbezüg­ lich ausführte, das Erwirken einer einstweiligen Verfügung sei mit „keinem größeren Zeitverlust“ verbunden als das vom Kläger beantragte Einschreiten der beklagten Behörde. Da unter dem Erwirken einer einstweiligen Verfü­ gung deren Erlass respektive deren Wirksamwerden134 zu verstehen ist, dürfte das VG auch hier den Zeitpunkt einer hypothetischen gerichtlichen Entscheidung für ausschlaggebend halten. Gleiches dürfte schließlich für das VG Dresden135 gelten, welches die po­ lizeiliche Versiegelung eines vormals vermieteten Gewerberaums infolge Zeitablaufs für rechtswidrig erachtete, weil die um das Eigentum der in dem Gewerberaum befindlichen Sachen streitenden Beteiligten „zwischenzeitlich durch die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes beim zuständigen Zivilgericht die Sicherung der von ihnen geltend gemachten privaten Rechte“ hätten „erwirken“ können. Ebenso stellte auch das VG Arnsberg136 in einer Entscheidung im Hinblick auf die Privatrechtsklausel darauf ab, ob der Rechteinhaber gerichtlichen Schutz durch das „Erwirken“ einer einstweiligen Verfügung hätte erlangen können. Noch deutlicher für eine Maßgeblichkeit des Zeitpunkts einer hypotheti­ schen gerichtlichen Entscheidung positioniert sich das VG Aachen137. In ei­ nem Fall, in dem die Polizei dem leiblichen Vater eines Kindes untersagt hatte, sein Kind entgegen einer familiengerichtlichen Umgangsregelung von der Schule abzuholen, ging das VG Aachen von der Unmöglichkeit rechtzei­ tigen gerichtlichen Schutzes aus, obschon die alleinsorgeberechtigte Mutter die vom Gericht getroffene Umgangsregelung an sich auch mittels gericht­ licher Hilfe hätte durchsetzen können. Wörtlich heißt es in der Entscheidung: „Der Schutz des lediglich während dieser Zeitspanne begrenzten Aufenthaltsbe­ stimmungsrechts der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter kann in der zugrunde­ liegenden Fallkonstellation (amts)gerichtlich nicht rechtzeitig gewährleistet wer­ den; seine Verwirklichung würde ohne polizeiliche Hilfe vereitelt. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 FamFG138 […] durch das Amtsge­ 133  VG Köln, 134  Zum

Urt. v. 19.03.2013 – 14 K 6709/09 –, juris-Rn. 51. Wirksamwerden einstweiliger Verfügungen eingehend noch unter B.

II.3.b). 135  VG Dresden, ­Beschl. v. 07.01.2003 – 14 K 35/03 –, juris-Rn.18. 136  VG Arnsberg, ­Beschl. v. 18.01.2011 – 8 L 952/10 –, juris-Rn. 32. 137  VG Aachen, ­Beschl. v. 14.01.2010 – 6 L 533/09. 138  Entgegen der Auffassung des Gerichts dürfte sich die Vollstreckung der ge­ richtlichen Umgangsregelung nicht nach § 35 FamFG, sondern nach §§ 86 f. FamFG richten, da § 35 FamFG ausschließlich die Vollstreckung verfahrensleitender Ent­ scheidungen betrifft, während verfahrensabschließende Entscheidungen nach Maß­



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes253 richt – Familiengericht – allein wäre zur rechtzeitigen Durchsetzung der gegenwär­ tigen Umgangsregelung nicht gleichermaßen geeignet. Dessen ungeachtet müsste die Kindesmutter wiederum polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen, um ihr Aufent­ haltsbestimmungsrecht zu verwirklichen, wenn der Antragsteller seinen Sohn der bestehenden Umgangsregelung zuwider erneut montags nach der Schule abholen würde. Entsprechendes gilt, würde die Kindesmutter eine einstweilige Anordnung durch das Amtsgericht – Familiengericht – nach § 119 Abs. 1 Satz 1 FamFG erwir­ ken, die dem Antragsteller ein Abholen des Kindes nach der Schule außerhalb der bestehenden Umgangsregelung untersagte.“139

Ebenso stellte auch das VG Karlsruhe140 hinsichtlich der Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes explizit auf den Zeitpunkt der hypothetischen gericht­ lichen Entscheidung ab. So ging das Gericht in einer seiner beiden bereits vorgestellten141 Entscheidungen trotz des Inkrafttretens des Gewaltschutzge­ setzes weiterhin von der Zulässigkeit polizeilicher Wohnungsverweisungen aus und begründete diese Auffassung wie folgt: „Dabei bleibt für ein Betretensverbot seitens der Ortspolizeibehörde zur raschen Abwehr konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit bis zur Erreichbarkeit zivilrechtlichen Rechtsschutzes weiterhin Raum, allerdings in engen Grenzen. Ent­ scheidend für die Dauer eines Betretensverbots ist der Zeitraum, innerhalb dessen wirksamer Eilrechtsschutz bei den ordentlichen Gerichten, insbesondere beim Fa­ miliengericht erlangt werden kann. Das Gericht hält hierfür in der Regel einen Zeitraum von drei bis vier Arbeitstagen für angemessen. Innerhalb dieses Zeit­ raums ist es dem Geschädigten zumutbar, ggf. einen Anwalt einzuschalten, beim Familiengericht einen Eilantrag zu stellen, der binnen weniger Tage entschieden werden kann.“142

Indem das VG Karlsruhe der gefährdeten Person zum Beantragen gericht­ lichen Schutzes einen Zeitraum von mehreren Tagen zugesteht und hierbei insbesondere auch die vom Gericht für seine Entscheidungsfindung benötigte Zeit einkalkuliert, macht das VG Karlsruhe unmissverständlich deutlich, dass nach seinem Verständnis von einem rechtzeitigen gerichtlichen Schutz erst dann ausgegangen werden kann, sofern das Gericht rechtzeitig über einen hypothetischen Antrag des Rechteinhabers zu entscheiden vermöchte.

gabe der §§ 86 f. FamFG vollstreckt werden, näher hierzu Zimmermann, in: MüKo, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 35 Rn. 3 und § 86 Rn. 9 f. 139  VG Aachen, ­Beschl. v. 14.01.2010 – 6 L 533/09 –, juris-Rn. 24.  140  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris. 141  Siehe im ersten Kapitel unter C.I.2.d). 142  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 29.08.2003 – 11 K 2529/03 –, juris-Rn. 8; wobei zu beachten bleibt, dass die Privatrechtsklauseln auch nach Auffassung des Gerichts ob der Abwehr drohender Straftaten an sich gar nicht anwendbar seien, siehe VG Karls­ ruhe, a. a. O, juris-Rn. 7.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

b) Maßgeblichkeit der Möglichkeit einer gerichtlichen Antragsstellung? Diametral143 hierzu liest sich nun die andere bereits vorgestellte144 Ent­ scheidung des VG Karlsruhe145, der gleichermaßen eine polizeiliche Woh­ nungsverweisung zur Verhinderung häuslicher Gewalt zugrunde lag. Genauso entschieden wie das Gericht in der soeben behandelten Entscheidung den Zeitpunkt der hypothetischen gerichtlichen Entscheidung als maßgeblich er­ achtet hatte, lässt es nun die bloße Möglichkeit der Antragsstellung für die Annahme eines rechtzeitigen gerichtlichen Schutzes genügen. Insoweit be­ gründet das Gericht die von ihm angenommene Rechtswidrigkeit der polizei­ lichen Maßnahme hilfsweise mit einem Hinweis auf die Möglichkeit recht­ zeitigen gerichtlichen Schutzes, obzwar die gefährdete Person bereits einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt hatte, über den vom zuständigen Familiengericht allerdings noch nicht entschieden worden war. Wörtlich führt das Gericht hierbei wie folgt aus: „Wie den dem Gericht vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist, hat die Prozess­ bevollmächtigte der Beigeladenen […] einen Antrag auf Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz […] gestellt, über den aber bisher noch nicht entschieden ist und über den nach Auskunft des Amtsgerichts […] im Laufe dieser Woche nicht mehr entschieden wird. Es fällt nicht in die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde, quasi im Vorgriff auf etwaige amtsrichterliche Regelungen nach dem Gewalt­ schutzgesetz vorläufige Maßnahmen zu treffen, die ausschließlich dem Amtsgericht im Rahmen der Anwendung des Gewaltschutzgesetzes vorbehalten sind.“146

3. Rechtzeitig zur Abwehr der für das subjektive Recht bestehenden Gefahr Wann von einem rechtzeitigen gerichtlichen Schutz ausgegangen werden kann, bestimmt sich nach der den Privatrechtsklauseln zugrundeliegenden gesetzgeberischen Regelungsabsicht. Auf dem der ordentlichen Gerichtsbar­ keit zugewiesenen Gebiet bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten schließen die Vorschriften ein polizeiliches Tätigwerden nicht schlechthin aus, sondern lassen es unter den hier zu untersuchenden Voraussetzungen ausdrücklich zu. Damit erkennt der Gesetzgeber ein Bedürfnis nach polizeilichen Befugnissen in diesem Bereich im Ausgangspunkt an. Indem die polizeilichen Befugnisse von der Unerreichbarkeit rechtzeitigen gerichtlichen Schutzes abhängig ge­ 143  Die Divergenz der beiden Entscheidungen mag darauf zurückzuführen sein, dass es sich ausweislich der Aktenzeichen um die Entscheidungen zwei verschiedener Kammern des VG Karlsruhe handelt. 144  Siehe im ersten Kapitel unter C.I.2.a). 145  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 –, juris. 146  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 –, juris-Rn. 9.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes255

macht werden, gibt der Gesetzgeber zugleich zu erkennen, dass die nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln bestehenden Befugnisse den nicht (recht­ zeitig) möglichen gerichtlichen Schutz kompensieren sollen.147 Mit anderen Worten soll die Polizei zum Schutz eines gefährdeten subjektiven Rechts berechtigt sein, sofern die an sich ausschließlich zuständige ordentliche Ge­ richtsbarkeit hierzu nicht in der Lage ist. Gemessen daran bezieht sich das Adjektiv „rechtzeitig“ auf den Zweck, der sowohl von einer gerichtlichen Entscheidung als auch einem polizei­ lichen Einschreiten verfolgt werden würde: Der Abwehr der für das subjek­ tive Recht bestehenden Gefahr. Nicht rechtzeitig im Sinne der Privatrechts­ klauseln bedeutet dementsprechend, nicht rechtzeitig um die Gefahr abzuwehren. Dahingehend definierte bereits das PrOVG die von ihm als „Not­ stand“ bezeichnete Konstellation, in der ausnahmsweise ein polizeiliches Eingreifen in privatrechtliche Streitigkeiten gerechtfertigt sei. Diesen Not­ stand, der in den Privatrechtsklauseln nunmehr eine ausdrückliche Regelung erfahren hat, beschrieb das PrOVG in einer seiner Entscheidungen folgender­ maßen: „Ein solcher Notstand ist dann als vorliegend anzuerkennen, wenn die zum Schut­ ze des Vermögens des Einzelnen gegebene regelmäßige Hilfe, insbesondere die des ordentlichen Richters, nicht rechtzeitig erreichbar ist, um eine drohende Gefahr abzuwenden.“148

Wenngleich lediglich Drews/Wacke/Vogel/Martens149 explizit den Bezug zur Abwehr der für das subjektive Recht bestehenden Gefahr herstellen, dürfte dieses Verständnis auch mit den übrigen in der Literatur vorzufinden Ansätzen übereinstimmen. Denn die entsprechenden Ausführungen sind stets vor dem Hintergrund der Zielsetzung der polizeilichen Maßnahmen in Eröff­ nung der Privatrechtsklauseln zu betrachten. Wer sich vor Augen führt, dass das polizeiliche Einschreiten stets die Gefahrenabwehr bezweckt, wird die isoliert betrachtet noch recht gehaltlos erscheinenden Ausführungen ungleich verständlicher finden. So wird etwa nachvollziehbar, warum viele Autoren das Beispiel polizeilichen Tätigwerdens zur Nachtzeit oder an Wochenenden bemühen, um die Voraussetzung des nicht rechtzeitigen gerichtlichen Schut­ 147  VG Minden, Urt. v. 02.12.2005 – 11 K 1662/05 –, juris-Rn. 27, welches die Kompensation des unmöglichen gerichtlichen Rechtsschutzes als „leitenden Gesichts­ punkt“ bezeichnet; ebenso VG Köln, Urt. v. 19.03.2013 – 14 K 6709/09 –, jurisRn. 41; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 49; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 64. 148  PrOVG, Urt. v. 20.04.1922 – I A 27/21 –, PrOVGE 77, 333, 337; siehe auch PrOVG, Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, 447: „wenn der polizei­ liche Eingriff den Umständen nach als der einzig gangbare Weg zur Abwendung einer drohenden Gefahr anzusehen ist“. 149  Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 238.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

zes zu verdeutlichen. Denn außerhalb der gewöhnlichen Dienstzeiten sind Gerichte typischerweise nicht besetzt150, weshalb sie zur Abwehr der Gefahr nicht eingreifen können.151 Davon ausgehend muss die in den Privatrechts­ klauseln enthaltene Wendung, „wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erreichen ist“ gedanklich um den Zusatz um die Gefahr abzuwehren ergänzt werden. a) Gerichtliche Entscheidung als Maßnahme der Gefahrenabwehr Diesen Zusatz hinzugedacht, steht fest, dass es bei Subsumtion der Vor­ schriften nur auf den Zeitpunkt ankommen kann, in dem hypothetisch eine Entscheidung des Gerichts ergehen könnte. Denn allein die gerichtliche Ent­ scheidung als solche ist in der Lage, die für das subjektive Recht bestehende Gefahr abzuwehren, wohingegen der bloße Antrag auf gerichtlichen Schutz das gefährdete Recht noch nicht zu schützen vermag. Veranschaulicht werden soll dies anhand des häufig zu findenden Beispiels des nächtlichen Möbelrückens, welches, auch dem vom VG Köln152 ent­ schiedenen Fall zugrunde lag. Schafft der Mieter seine dem Vermieterpfand­ recht unterliegenden Gegenstände aus den vermieteten Räumen, obgleich der Vermieter gegen ihn fällige Zahlungsansprüche aus dem Mietverhältnis hat, so liegt eine Gefahr für das aus § 562 BGB erwachsende gesetzliche Pfand­ recht des Vermieters vor. Diese Gefahr resultiert daraus, dass die Gegen­ stände durch die Entfernung aus der Wohnung faktisch dem Zugriff des Vermieters entzogen werden und dieser deshalb an der Ausübung seines Pfandrechts, welches auch nach Entfernung aus den vermieteten Räumen nicht erlischt153, gehindert wird.154 Um diese Gefahr abzuwehren, ist es er­ forderlich, den Mieter daran zu hindern, seine dem Vermieterpfandrecht un­ terliegenden Gegenstände aus den vermieteten Räumen zu entfernen. Neben der polizeilichen Sicherstellung kommt aus zivilgerichtlicher Perspektive hierbei lediglich in Betracht, dem Mieter mittels einstweiliger Verfügung das 150  Zum

richterlichen Eildienst sogleich unter B.II.3.a). in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 55: „sind jedoch Gefahren für private Rechte in der Nacht sowie an Wochenenden oder Feiertagen abzuwehren, scheidet Eilrechtschutz durch die Zivilgerichte von vornherein aus, da die Gerichte nicht besetzt sind“. 152  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris. 153  Gemäß § 562a BGB erlischt das Vermieterpfandrecht nicht „mit der Entfer­ nung der Sachen von dem Grundstück“, sofern diese „ohne Wissen oder unter Wider­ spruch des Vermieters erfolgt“, hierzu Artz, in: MüKo, BGB, § 562a Rn. 9. 154  Näher zur wesentlichen Erschwerung der Durchsetzung des Vermieterpfand­ rechts in derlei Konstellationen noch im vierten Kapitel unter B.II.1. 151  Nachbaur,



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes257

Entfernen der Gegenstände zu verbieten.155 Da das gerichtliche Verbot je­ doch erst mit Erlass der einstweiligen Verfügung respektive deren Zustellung wirksam werden würde, vermag allein die gerichtliche Entscheidung als solche, nicht aber bereits der Antrag auf Erlass derselbigen, die bestehende Gefahr abzuwehren. Für die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Sicherstellung kommt es somit darauf an, ob eine einstweilige Verfügung rechtzeitig wirk­ sam werden könnte, um die für das Vermieterpfandrecht bestehende Gefahr abwehren zu können. Dies muss im Falle eines nächtlichen Möbelrückens eindeutig verneint werden. Entgegen der Einschätzung des VG Köln156 in dem von ihm ent­ schiedenen Fall kann keinesfalls angenommen werden, dass der bereit­ schaftsdiensthabende Richter noch zu Nachtzeiten eine einstweilige Verfü­ gung zum Schutz des Vermieterpfandrechts erlassen hätte. Für die nächtliche Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten ist der bei den Amtsgerichten eingerichteten Bereitschaftsdienst schlichtweg nicht vorgesehen, wie bereits ein Blick in die jeweiligen Geschäftsverteilungspläne verrät. So weist etwa der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgericht (AG) Köln, welches in dem vom VG Köln entschiedenen Fall für den Erlass einer einstweiligen Verfü­ gung zuständig gewesen wäre, dem richterlichen Bereitschaftsdienst allein die Funktion zu, den bei strafprozessualen157 Maßnahmen regelmäßig vorge­ sehenen Richtervorbehalt158 zu gewährleisten.159 Dies ist nur folgerichtig; ist 155  Die Beeinträchtigung des Vermieterpfandrechts stellt nach § 562a Satz 1 BGB einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar, weshalb dem Vermieter gemäß § 541 BGB ein Anspruch auf Unterlassung zusteht, den er auch im Wege des vorläu­ figen Rechtsschutzes durchsetzen kann, hierzu Bruns, NZM 2019, 46, 55; hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine theoretische Rechtsschutzmöglichkeit wie die einschlägigen Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen, siehe etwa OLG Stuttgart, ­Beschl. v. 26.09.1996 – 5 W 43/96 –, juris; OLG Celle, B ­ eschl. v. 12.06.1986 – 2 W 34/86 –, juris. 156  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 80. 157  Auch für präventiv-polizeiliche Maßnahmen ist vereinzelt ein Richtervorbehalt vorgesehen, siehe etwa § 42 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW für Wohnungsdurchsuchungen. 158  Siehe etwa § 105 Abs. 1 (Wohnungsdurchsuchung) oder § 98 Abs. 1 StPO (Be­ schlagnahme). 159  Der Geschäftsverteilungsplan des Amtsgericht Köln für das Jahr 2022 (Stand: 25.05.2022), abrufbar unter https://www.ag-koeln.nrw.de/aufgaben/geschaeftsver teilung/index.php (zuletzt abgerufen am 02.06.2022) weist lediglich dem während der allgemeinen Dienstzeiten (8–16 Uhr) eingerichteten Bereitschaftsdienst die Bearbei­ tung von Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung/Anordnung zu (siehe S. 89 f. unter D.III.1.). Der außerhalb der allgemeinen Dienstzeiten (Zeitraum von 6–21 Uhr) eingerichtete Bereitschaftsdienst, den das VG Köln bei seiner Entschei­ dung (Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 80) im Blick gehabt hat, indem es von der Möglichkeit einer Entscheidung „noch am selben Abend“ ausging, ist demgegenüber lediglich samstags von 6–10 Uhr für zivilgerichtliche Eilverfahren

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

das verfassungsrechtliche Gebot eines richterlichen Bereitschaftsdienstes doch ausschließlich auf die grundrechtlichen Richtervorbehalte160 zurückzu­ führen161 und nicht etwa auf den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch. Auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive obliegt dem richterlichen Be­ reitschaftsdienst sonach nicht die Entscheidung besonders eilbedürftiger bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten. b) Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt Doch selbst wenn sich der zuständige Bereitschaftsrichter in dem vom VG Köln entschiedenen Fall tatsächlich bemüßigt gesehen hätte, des Nachts eine einstweilige Verfügung zum Schutz des Vermieterpfandrechts zu erlas­ sen162, hätte diese die bestehende Gefahr zumindest nicht unmittelbar abweh­ ren können. Denn während die polizeiliche Sicherstellung aufgrund der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO normierten sofortigen Vollziehbarkeit163 vom Mieter umgehend zu befolgen ist, träfe dies auf das durch eine einstweilige Verfü­ gung ausgesprochene gerichtliche Ge- bzw. Verbot nicht zu. Da das nächt­ („alle weiteren in die Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln fallenden unaufschiebba­ ren Dienstgeschäfte“, S. 91 unter D.III.2.c)) zuständig. Außerhalb dieses vierstündi­ gen Zeitraums erschöpft sich seine Zuständigkeit im Wesentlichen in den „unauf­ schiebbaren Dienstgeschäften der Strafabteilungen“, hierzu S. 90 f. unter D.III.2. 160  Siehe Art. 104 Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 13 Abs. 2, 3 und 4 GG. 161  Fikenscher/Dingelstadt, NJW 2009, 3473, 3473; zum aus Art. 13 Abs. 2 GG erwachsenden Richtervorbehalt siehe BVerfG, B ­ eschl. v. 12.03.2019 – 2 BvR 675/14 –, juris-Rn.  53 f. 162  Ohne eine entsprechende Aufgabenzuweisung im gerichtlichen Geschäftsver­ teilungsplan ist der Richter des Bereitschaftsdienstes für den Erlass einer entspre­ chenden einstweiligen Verfügung nicht zuständig, sodass diese nur unter Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ergehen könnte. Eine etwaige (streitwertabhängige, vgl. § 1 ZPO i. V. m. § 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) sachliche Zuständigkeit des Landgerichts dürfte einer Entscheidung durch das Amtsgericht hingegen nicht entgegenstehen, da § 942 Abs. 1 ZPO für dringende Fälle eine (streitwertunabhängige) Zuständigkeit des Amtsgerichts vorsieht, in dessen Be­ zirk sich der Streitgegenstand befindet. Die Unzuständigkeit des richterlichen Bereit­ schaftsdienstes für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten übersieht offenbar Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht, § 4 Rn. 33, indem er ohne näheren Erläuterungen ausführt, ein etwaiger gerichtlicher Eildienst müsse zum Schutz des subjektiven Rechts in An­ spruch genommen werden; ähnlich Kowalzik, Der Schutz von privaten und individu­ ellen Rechten, S. 184. 163  Ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt bei Vornahme der Sicherstellung an­ wesend, handelt es sich bei der Sicherstellung um einen Verwaltungsakt, Thiel, Poli­ zei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 183.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes259

liche Anberaumen einer mündlichen Verhandlung augenscheinlich ausschei­ det, könnte die einstweilige Verfügung nämlich lediglich als sog. Beschluss­ verfügung164, d. h. ohne vorherige mündliche Verhandlung ergehen.165 Das in einer Beschlussverfügung ausgesprochene Verbot wird nun nicht wie bei ei­ ner durch Urteil ergehenden einstweiligen Verfügung ipso iure bereits mit Verkündung der gerichtlichen Entscheidung wirksam, sondern gemäß §§ 922 Abs. 2, 935 ZPO erst nachdem der Antragsteller den gerichtlichen Beschluss an den Antragsgegner, aus polizeirechtlicher Perspektive den Störer, zuge­ stellt hat.166 Somit hätte der Bereitschaftsrichter die einstweilige Verfügung noch in der Nacht an den Antragsteller weiterleiten müssen, damit dieser dem gerichtlichen Verbot sodann durch förmliche Zustellung des Beschlusses per Gerichtsvollzieher an den Mieter zur Wirksamkeit hätte verhelfen kön­ nen. Da erst ein wirksames, d. h. verbindliches, Verbot – dessen Befolgung durch den Mieter vorausgesetzt – die für das Vermieterpfandrecht bestehende Gefahr abgewendet hätte, entbehrt die Annahme des VG Köln, der Vermieter hätte noch in der Nacht gerichtlichen Schutz seines Vermieterpfandrechts erlangen können167, jeglicher Grundlage. Dies gilt umso mehr, als sich das Geschehen gegen 18 Uhr an einem Sonntag, dem Vorabend vor Heiligabend, abgespielt hat168 und bei lebensnaher Betrachtung schon deshalb nicht von dem zeitnahen Erlass einer einstweiligen Verfügung, geschweige denn von deren nächtlichen Zustellung ausgegangen werden kann.169 164  Zur Möglichkeit des Erlasses einer einstweiligen Verfügung im Beschlusswege siehe §§ 922 Abs. 1 Satz 1, 935, § 128 Abs. 4 ZPO. 165  § 937 Abs. 2 ZPO sieht für „dringende Fälle“ ausdrücklich die Möglichkeit eines Verzichts auf eine mündliche Verhandlung vor. 166  Eingehend zur erforderlichen Differenzierung zwischen Urteils- und Beschluss­ verfügungen anhand des praktisch bedeutsamen Beispiels des Wettbewerbsrechts Lampmann, in: ders./Pustovalov, Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht, Rn. 359 und 372 f.; zur Zustellung als Wirksamkeitsvoraussetzung bei Beschlussver­ fügungen siehe auch BGH, Urt. v. 22.10.1992 – IX ZR 36/92 –, NJW 1993, 1076, 1077. 167  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 80. 168  VG Köln, a. a. O., juris-Rn. 9. 169  Im Ergebnis ging das VG Köln dennoch zu Recht von der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Sicherstellung aus. Unabhängig vom Zeitpunkt einer hypothetischen gerichtlichen Entscheidung, hätte die Polizei die Sicherstellung ob der vorrangigen Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit jedenfalls ausdrücklich bis zum Erge­ hen der gerichtlichen Entscheidung befristen müssen, weil just in diesem Moment gerichtlicher Schutz für den Vermieter erreichbar geworden wäre. Dies erkennt denn auch das VG Köln (a. a. O., juris-Rn. 81) und wendet das in der Privatrechtsklausel normierte Subsidiaritätsprinzip hierdurch letztlich zutreffend an. Eingehend zur Be­ schränkung der polizeilichen Befugnisse auf vorläufige Maßnahmen in Eröffnung der Privatrechtsklauseln noch im vierten Kapitel unter B.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

c) Irrelevanz der gerichtlichen Dienstzeiten Nach dem Vorstehenden erweist sich das im hiesigen Kontext oftmals be­ mühte Beispiel eines polizeilichen Einschreitens außerhalb der regulären gerichtlichen Dienstzeiten als irreführend. Wie das Beispiel im Umkehr­ schluss suggeriert und dies vereinzelt sogar expressis verbis hervorgehoben wird170, soll die ordentliche Gerichtsbarkeit während der gewöhnlichen Dienstzeiten in der Lage sein, die für ein subjektives Recht bestehende Ge­ fahr durch Erlass einer gerichtlichen Entscheidung abzuwehren. Dies stellt sich nach den vorherigen Erläuterungen als Trugschluss heraus. Da nur das verbindliche, d. h. wirksame, gerichtliche Verbot das subjektive Recht zu schützen vermag und es in der Praxis realiter nahezu ausgeschlossen sein dürfte, im Laufe eines Tages eine einstweilige Verfügung zu erwirken und diese durch Zustellung an den Störer in Wirksamkeit erstarken zu lassen, dürfte gerichtlicher Schutz auch während des gerichtlichen Dienstbetriebes regelmäßig nicht rechtzeitig zu erreichen sein. Dies erkannte schon das PrOVG und ließ dementsprechend nicht einmal den Zeitraum eines ganzen Tages für die Annahme eines rechtzeitigen ge­ richtlichen Rechtsschutzes genügen.171 Denn auch das PrOVG stellte hin­ sichtlich der Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes nicht allein auf den Zeitpunkt ab, in dem das Gericht eine einstweilige Verfügung erlassen könnte, sondern erklärte ausdrücklich den Zeitpunkt für maßgeblich, bis zu dem eine einstweilige Verfügung erlassen und „vollstreckt“172 werden könnte. Im Ergebnis ist der in der Literatur und in der Rechtsprechung oftmals zu findende Hinweis auf die regulären Dienstzeiten der ordentlichen Gerichts­ barkeit dementsprechend wie folgt zu präzisieren: Gerichtlicher Rechtsschutz ist während der regulären Dienstzeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht nur ausnahmsweise173, sondern regelmäßig nicht rechtzeitig zu erreichen. 170  Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 62: „während der Geschäftszeiten der Gerichte ist aber zumeist Eilrechtsschutz möglich“. 171  PrOVG, Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, 449. 172  PrOVG, Urt. v. 20.04.1922 – I A 27/12 –, PrOVGE 77, 333, 337; Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, 449: „Durchführung“; mit „Vollstre­ ckung“ respektive „Durchführung“ einer einstweiligen Verfügung ist deren Wirksam­ werden gemeint, weil eine auf eine Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung an sich keiner Vollstreckung bedarf, sondern das in ihr enthaltene Verbot mit Wirksam­ werden der einstweiligen Verfügung (d. h. mit Zustellung) für den Schuldner wirksam wird. Insoweit ist die Vollziehung der Unterlassungsverfügung von der Vollstreckung der Sanktion gegen einen Verstoß gegen die Unterlassungspflicht (Ordnungsmittel nach § 890 ZPO) zu unterscheiden, zum Ganzen Drescher, in: MüKo, ZPO, § 938 Rn. 47. 173  Eine Ausnahme nahelegend aber die Formulierung bei Schoch, JURA 2013, 468, 472: „das kann außer den vorstehend erwähnten Zeiträumen [Anm.: „während



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes261

Ausufern lässt dieser Befund die polizeilichen Handlungsbefugnisse zum Schutz subjektiver Rechte dennoch nicht. Wie unbedingt zu beachten ist, genügt die Annahme eines nicht rechtzeitigen gerichtlichen Schutzes für sich genommen nämlich noch nicht, um eine polizeiliche Befugnis nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln zu begründen. Hierzu ist ausweislich des Wortlauts der Vorschriften vielmehr weiterhin erforderlich, dass „ohne die polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wer­ den würde“. Von Bedeutung ist dieser Umstand dabei insbesondere für die polizeiliche Aufgabe der Störungsbeseitigung, bei der eine gerichtliche Ge­ fahrenabwehr aufgrund der bereits realisierten Gefahr nach dem oben Gesag­ ten an sich ausscheiden und infolgedessen ohne weitere Voraussetzungen stets eine Befugnis der Polizei zum Schutz des jeweiligen beeinträchtigten subjektiven Rechts angenommen werden müsste. Welche Auswirkungen die hier gewonnenen Erkenntnisse auf die polizeili­ che Störungsbeseitigung haben, ist demgemäß im Rahmen der Ausführungen zu der diesbezüglichen Voraussetzung der Privatrechtsklauseln zu erläutern, auf die an dieser Stelle zu verweisen bleibt.174 4. Ergebnis Festzuhalten bleibt Folgendes: Gerichtlicher Schutz ist dann als nicht rechtzeitig im Sinne der Privatrechtsklauseln anzusehen, wenn die gericht­ liche Entscheidung zu spät ergehen würde, um die für das subjektive Recht bestehende Gefahr abzuwehren. Da die gerichtliche Entscheidung frühestens mit ihrem Wirksamwerden die Gefahr abzuwehren vermag, kommt es bei der Frage nach der Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes folglich darauf an, zu welchem Zeitpunkt eine gerichtliche Entscheidung hypothetisch wirksam werden könnte.

III. Unerreichbarkeit in tatsächlicher Hinsicht Wenngleich die von den Privatrechtsklauseln zur Voraussetzung erhobene Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes ob des Wortlauts der Vorschriften („rechtzeitig“) in erster Linie zeitlich zu verstehen ist, entbehrt auch die Un­ erreichbarkeit aus tatsächlichen Gründen durchaus nicht praktischer Rele­ vanz.

der Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen“] auch zu anderen Zeiten der Fall sein“. 174  Siehe die Ausführungen unter C.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Dass die Letztere der in den Vorschriften allein genannten zeitlichen Uner­ reichbarkeit gleichzusetzen ist, lässt sich hierbei leicht begründen. Ermäch­ tigt das Gesetz die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte, „wenn gericht­ licher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist“, muss dies erst recht gelten, sofern gerichtlicher Schutz für den Rechteinhaber überhaupt nicht zu errei­ chen ist.175 Denn der aus tatsächlichen Gründen nicht zu erreichende Rechts­ schutz vermag ebenso wenig wie der nicht rechtzeitig zu erlangende die für ein subjektive Recht bestehende Gefahr abzuwenden. 1. Das Identifizierungserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Seine Bedeutung erfährt der vorstehende Erst-recht-Schluss in den Fällen, in denen dem Rechteinhaber ein gerichtliches Vorgehen unmöglich ist, weil ihm die nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zwingend anzugebende Identität des Störers nicht bekannt ist oder er dessen ladungsfähige Anschrift, die nach § 130 Nr. 1 i. V. m. 253 Abs. 4 ZPO grundsätzlich Voraussetzung176 für eine wirksame Klageerhebung respektive Antragsstellung ist177, nicht zu benen­ nen vermag. In der Praxis betrifft dies insbesondere die Konstellation der Hausbeset­ zung, in der die Identität der bisweilen vermummten Hausbesetzer bis zur polizeilichen Räumung regelmäßig unbekannt bleibt. Während die hiermit zusammenhängenden zivilprozessualen Probleme nach Lesart der allgemei­ nen Meinung irrelevant bleiben, weil die Privatrechtsklauseln wegen des Verstoßes gegen § 123 StGB nicht anwendbar sind178, muss an dieser Stelle – in der gebotenen Kürze – auf die zivilprozessuale Rechtslage durchaus ein­ gegangen werden, da die Privatrechtsklauseln nach der hier vertretenen Auslegung auch in Ansehung einer Gefahr für die Unversehrtheit der objek­ tiven Rechtsordnung Anwendung finden.

175  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 185 f. dem Erfordernis einer ladungsfähigen Anschrift handelt es sich entgegen der Wendung „soll“ in § 130 Nr. 1 i. V. m. § 253 Abs. 4 ZPO grundsätzlich um eine zwingende Voraussetzung, siehe nur Becker-Eberhard, in: MüKo, ZPO, § 253 Rn. 57; in Ausnahmefällen lässt die Rechtsprechung indes auch die Angabe der Arbeitsstelle als ladungsfähige Anschrift ausreichen, hierzu BGH, Urt. v. 20.1.2015 – VI ZR 137/14 –, juris-Rn. 14. 177  Zur Geltung des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Verfahren des vorläufigen Rechts­ schutzes siehe bereits im zweiten Kapitel Fn. 33. 178  Mit dieser Begründung geht auch Kowalzik als Vertreter der Ausschließlich­ keitstheorie auf die sich aus zivilprozessualer Perspektive ergebenden Probleme nicht ein, ders., Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 186 f. 176  Bei



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes263

Der gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO respektive § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO179 erforderlichen Bezeichnung der gegnerischen Partei wird typischerweise durch dessen namentliche Benennung entsprochen, sieht doch auch das Ge­ setz selbst in dem nach § 253 Abs. 4 ZPO anwendbaren § 130 Nr. 1 ZPO die Bezeichnung der Parteien „nach Namen“ vor. Gleichwohl ist die namentliche Benennung nicht zwingend, da es sich bei § 130 Nr. 1 ZPO lediglich um eine Ordnungsvorschrift („sollen“) handelt und § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zwar die Bezeichnung der Parteien vorschreibt, selbst aber keine Vorgaben enthält, in welcher Form die Bezeichnung zu erfolgen hat.180 Notwendig, aber auch ausreichend, ist dementsprechend eine Bezeichnung, die so bestimmt ist, dass über die Identität der Partei kein Zweifel bestehen kann.181 Bei unbe­ kannten Störern, etwa den ihre Identität verschleiernden Hausbesetzern, wird diesem Erfordernis anerkanntermaßen durch eine Bezeichnung genügt, an­ hand derer die „physische Identität“ der Störer „eingrenzbar ist, indem sie nach Zahl, Aufenthaltsort oder auch Tätigkeit von anderen unterschieden werden“.182 Berühmt geworden ist in diesem Kontext eine vom LG Düssel­ dorf gewählte Parteibezeichnung, welche die an eine dahingehende Bezeich­ nung zu stellenden Anforderungen plastisch vor Augen führt. So bezeichnete 179  § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO lautet: „die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind […]“. Die nach dieser Vorschrift erforderliche Individualisierung der Partei stimmt der Sache nach mit den diesbezüglichen Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überein, denn es machte ersichtlich keinen Sinn an die Einleitung des Verfahrens diesbezüglich weni­ ger strenge Anforderungen als an eine etwaige nachfolgende Zwangsvollstreckung zu stellen. Zutreffend geht deshalb auch Dierck von einer Übereinstimmung der beiden Voraussetzungen aus und merkt zu dem vom BGH in der kommentierten Entschei­ dung (BGH, B ­ eschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16, ausführlich zu dieser Entscheidung sogleich unter B.III.2.) angenommenen Verstoß gegen § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO wie folgt an: „konsequenterweise hätte dann ein solcher Titel im Erkenntnisverfahren auch gar nicht erlassen werden dürfen“, NJW 2018, 399, 401. 180  So die allgemeine Meinung, siehe etwa BGH, Urt. v. 12.05.1977 – VII ZR 167/76 –, juris-Rn. 13; Becker-Eberhard, in: MüKo, ZPO, § 253 Rn. 50; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 253 Rn. 14. 181  BGH, Urt. v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99 –, juris-Rn. 23; Becker-Eberhard in MüKo, ZPO, § 253 Rn. 50; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 253 Rn. 14. 182  OLG Oldenburg, ­Beschl. v. 24.02.1995 – 5 W 24/95 –, juris-Rn. 9; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 253 Rn. 18; Becker-Eberhard, in: MüKo, ZPO, § 253 Rn. 55; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 253 Rn. 16; siehe auch BGH, ­Beschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 10, der im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine namentliche Bezeichnung des Vollstreckungsschuldners für entbehrlich hält, sofern „durch eine Auslegung anhand des Titels ohne Weiteres festgestellt werden kann, wer Partei“ des dem Vollstreckungstitels zugrundeliegenden Gerichtsverfahrens ist. Bemerkenswert ist dies insoweit, als § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO expressis verbis die „namentliche Be­ zeichnung“ der Person verlangt, gegen die die Zwangsvollstreckung erfolgen soll.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

das Gericht die namentlich unbekannten Personen, die die Verladebrücke ei­ nes Unternehmens blockiert hatten, wörtlich als „derzeit 10 unbekannte Per­ sonen, die gegenwärtig auf zwei schwimmenden Rettungsinseln an den Dal­ ben der Verladebrücke der Antragstellerin bei Rhein-Strom km X die unbe­ hinderte Zu- und Abfahrt von Schiffen zu dieser Verladebrücke stören“.183 2. Nicht identifizierbare Störer Nichtsdestominder vermag selbst dem dergestalt großzügig ausgelegten Identifizierungserfordernis dann nicht mehr Genüge getan zu werden, wenn sich der Kreis der Störer, wie bei Hausbesetzungen oftmals der Fall, „fort­ während in Zusammensetzung und Zahl ändert“.184 Den in der zivilrechtlichen Literatur erhobenen Forderungen, in diesen Fällen das Bestimmtheitserfordernis zur Ermöglichung einer Vollstreckung noch weiter zu lockern185, hat der Bundesgerichtshof (BGH)186 jüngst eine klare Absage erteilt und die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Vollstreckung respektive Räumung hierdurch schlechthin ausgeschlossen.187 Welchen Weg der BGH dem Vollstreckungsgläubiger als Alternative aufzeigt, kann kaum verwundern. Beinahe beiläufig weist der BGH darauf hin, dass eine Räu­ mung des besetzten Hauses nach dem Polizei- und Ordnungsrecht erfolgen könne und scheint diesbezüglich sogar von einer die Sicherheitsbehörden treffenden „Pflicht zum Eingreifen“188 auszugehen. Die hierzu vom BGH 183  LG Düsseldorf, ­Beschl. v. 17.10.1980 – 8 O 508/80 –, zitiert nach RaeschkeKessler, NJW 1981, 663, 663 Fn. 6 [Anm.: Ob das LG Düsseldorf in der – soweit ersichtlich – nicht veröffentlichten Entscheidung im Original den Rhein-Strom-Kilo­ meter tatsächlich mit „x“ gekennzeichnet hat, ist unbekannt]; die Bestimmtheit dieser Bezeichnung annehmend Becker-Eberhard, in: MüKo, ZPO, § 253 Rn. 55; ebenso Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 253 Rn. 18. 184  So die prägnante Formulierung bei Muckel, Fälle zum Besonderen Verwal­ tungsrecht, S. 147; zur allgemeinen Meinung, die in solchen Fällen das Identifizie­ rungsgebot als nicht gewahrt ansieht, OLG Oldenburg, B ­ eschl. v. 24.02.1995 – 5 W 24/95 –, juris-Rn. 9; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 253 Rn. 18; Becker-Eberhard, in: MüKo, ZPO, § 253 Rn. 56; siehe auch Majer, NZM 2019, 59, 59, der die histori­ sche Entwicklung der einschlägigen Rechtsprechung kurz skizziert. 185  Statt vieler: Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 253 Rn. 16; mit beachtlichen Argu­ menten auch Majer, NZM 2019, 59, 61 f. 186  BGH, ­Beschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 10. 187  Folgerichtig sieht Bruns den Vollstreckungsgläubiger durch die Auffassung des BGH „rechtlos gestellt“ und hält sie aus diesem Grund für „verfassungsrechtlich nicht haltbar“, NZM 2018, 164, 167; Vollkommer spricht diesbezüglich von „Justiz­ verweigerung“, MDR 2018, 1104, 1106; erhebliche Kritik übend auch Majer, NZM 2019, 59, 63, der durch die Entscheidung das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttert sieht. 188  BGH, ­Beschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 19.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes265

bemühte Begründung fällt denkbar knapp aus. Wegen des Verstoßes gegen § 123 StGB läge eine Störung der öffentlichen Sicherheit vor, deren Beseiti­ gung in die „polizeiliche189 Aufgabenzuständigkeit“ falle. Die Privatrechts­ klauseln würden den polizeilichen Befugnissen dabei nicht entgegenstehen, da diese ob des Verstoßes gegen die Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung keine Anwendung finden würden. Im Übrigen seien deren Voraus­ setzungen bei Hausbesetzungen regelmäßig erfüllt.190 Eine dezidierte Bewertung der vom BGH getroffenen Entscheidung würde gewiss über den Rahmen der hiesigen Untersuchung hinausgehen. Hinzuwei­ sen bleibt an dieser Stelle deshalb allein auf das polizeirechtliche Opportuni­ tätsprinzip, welches der BGH nicht hinreichend berücksichtigt haben dürfte. Die vom BGH – auf dem Boden der allgemeinen Meinung durchaus zu Recht – angenommene Befugnis der Sicherheitsbehörden zu einer Räumung des besetzten Hauses darf keinesfalls mit einer korrespondieren Verpflich­ tung der Behörden gleichgesetzt werden.191 Gerade weil die Voraussetzungen für einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten auch Jahrzehnte nach dem grundlegenden sog. Bandsägen-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts192 noch nicht hinreichend geklärt erscheinen, muss die vom BGH en passant bejahte „Pflicht“ der Sicherheitsbehörden zu einem Eingreifen durchgreifen­ den Bedenken begegnen.193 Dies gilt umso mehr, als die Behörden in der Praxis von ihrem Entschlie­ ßungsermessen durchaus häufig Gebrauch machen und einem entsprechen­ den Ersuchen des Rechteinhabers zumindest nicht ohne Weiteres nachkom­ men.194 Da hilft es auch nicht, dass selbst der BGH die gravierenden Konse­ quenzen seiner Rechtsprechung erkennt und in diesem Zusammenhang ein 189  Für die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen verneint Muckel hingegen eine po­ lizeiliche Zuständigkeit zur Räumung besetzter Häuser und nimmt, jedenfalls solange der Berechtigte noch keinen Strafantrag gestellt habe, stattdessen eine Zuständigkeit der Ordnungsbehörden an, ders., Fälle zum Besonderen Verwaltungsrecht, S. 144 f. 190  BGH, B ­ eschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 19. 191  Siehe nur Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 95. 192  BVerwG, Urt. v. 18.08.1960 – I C 42.59 –, BVerwGE 11, 95, in dem erstmals die Voraussetzungen eines Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten benannt werden. 193  So auch Bruns, der die vom BGH angenommene Pflicht der Polizei zutreffend als „schlichtweg unrichtig“ bezeichnet, ders., NZM 2018, 164, 167. 194  Nach Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, § 253 Rn. 16, gebe der Hinweis auf die Mög­ lichkeit polizeilicher Räumungen dem Kläger „Steine statt Brot“, „weil in der Praxis vom öffentlichen Recht oftmals keine Hilfe zu erwarten ist“; Majer, NZM 2019, 59, 62 erkennt den dem Vollstreckungsgläubiger vor dem Hintergrund des Opportunitäts­ prinzips lediglich zustehenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht als gegenüber der zivilrechtlichen Vollstreckung „gleichwertigen“ Rechtsschutz an; ausführlich zum polizeilichen Ermessen hinsichtlich der Räumung besetzter Häuser Schlink, NVwZ 1989, 529, 532 f.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

„gesetzliches Defizit bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Räumungsansprü­ che“ einräumt, zu dessen Behebung er indes allein den Gesetzgeber berufen sieht.195 Mag der Verweis des BGH auf die Zuständigkeit des Gesetzgebers vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung durchaus seine Berechtigung ha­ ben, ändert dies gleichwohl nichts an dem unbefriedigenden Ergebnis, wel­ ches die Entscheidung des BGH letztlich mit sich bringt. Beizupflichten bleibt deswegen nur Foerste, der insoweit konstatiert: „Abhilfe de lege fe­ renda ist überfällig“.196 Ungeachtet aller berechtigten Kritik ist die Auffassung des BGH auch der hiesigen Untersuchung zugrunde zu legen, da sich die allermeisten der unter­ instanzlichen Gerichte realiter der Ansicht des BGH anschließen werden197 und diese für die Rechtsanwendung hierdurch bis auf weiteres faktisch ver­ bindlich wird. Abschließend festzuhalten ist somit, dass de lege lata ein ge­ richtliches Vorgehen gegen einen wechselnden Kreis von namentlich nicht bekannten Störern, typischerweise Hausbesetzern, derzeit von vornherein ausgeschlossen ist und in dieser Konstellation folglich von einem nicht recht­ zeitig zu erlangenden gerichtlichen Schutz im Sinne der Privatrechtsklauseln auszugehen ist.

IV. Unerheblichkeit von Verschuldensfragen Nach einer früher in der Literatur vertretenen Auffassung setzt die Uner­ reichbarkeit gerichtlichen Schutzes weiterhin voraus, dass „es dem Berech­ tigten ohne Verschulden unmöglich gewesen sein muss, rechtzeitig gerichtli­ chen Rechtsschutz zu erlangen“.198 Zu Recht konnte sich dieser Ansatz nicht durchsetzen und wird – soweit ersichtlich – heutzutage lediglich noch bei Mühl/Fischer199 aufgegriffen, die der dahingehenden Forderung eine klare Absage erteilen.

195  BGH, ­ Beschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16 –, juris-Rn. 21; so auch Dierck, NJW 2018, 399, 401. 196  Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, § 253 Rn. 18. 197  So etwa LG Köln, ­ Beschl. v. 22.10.2018 – 5 O 410/18 –, juris-Rn. 16 unter teilweise wörtlicher Wiedergabe der Ausführungen des BGH.  198  So etwa Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 166 m. w. N., dem zufolge es sich hierbei um die damals allgemeine Auffassung in der Literatur gehandelt habe; siehe auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 238. 199  Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 122, bei denen es ebenso knapp wie präzise heißt: „Auf Gründe, warum gerichtlicher Schutz nicht mög­ lich ist, kommt es dabei nicht an, auch nicht auf Verschuldensfragen (hat es der Be­ troffene schuldhaft versäumt, rechtzeitig um gerichtlichen Schutz nachzusuchen?)“.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes267

Während Mühl/Fischer eine Begründung für ihre ablehnende Haltung ebenso schuldig bleiben wie die vormals vertretene Auffassung ihre über den Wortlaut der Privatrechtsklauseln hinausgehende Auslegung nicht zu begrün­ den wusste200, soll nachfolgend in der gebotenen Kürze dargelegt werden, weshalb in Eröffnung der Privatrechtsklauseln für derlei Verschuldensfragen richtigerweise kein Raum ist. 1. Relevante Konstellation Die einzige Konstellation, in der sich das Erfordernis einer unverschulde­ ten Nichterreichbarkeit des gerichtlichen Schutzes auszuwirken vermöchte, ist diejenige, in der dem Rechteinhaber ein gerichtliches Vorgehen gegen den Störer zunächst noch möglich gewesen ist, während er nunmehr an der Ein­ leitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens gehindert ist. Zur Veranschaulichung soll wiederum das Beispiel des nächtlichen Möbel­ rückens bemüht werden. In dem vom VG Köln201 entschiedenen Fall hatte der Vermieter nämlich bereits drei Tage vor der polizeilichen Sicherstellung von der Räumung der Mietsache erfahren und dennoch keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit gestellt. Vorausgesetzt das zuständige Gericht hätte innerhalb der drei Tage eine einstweilige Verfügung erlassen und der Antragsteller diese auch zustel­ len lassen können, hätte eine etwaige Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes demgemäß auf das Versäumen des Vermieters zurückgeführt werden müssen, weshalb die Polizei bereits aus diesem Grund an einem Einschreiten gehin­ dert gewesen wäre. Dennoch ging das VG Köln auf diesen Gesichtspunkt nicht einmal ein – zu Recht, wie im Folgenden darzulegen ist. 2. Unzulässige Beschränkung des zivilprozessualen Dispositionsgrundsatzes Der Polizei in dem Beispiel des nächtlichen Möbelrückens die Befugnis zum Schutz des Vermieterpfandrechts abzusprechen, würde auf eine dem zi­ vilprozessualen Dispositionsgrundsatz widersprechende Pflicht des Rechtein­ 200  Siehe nur Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 166, der die Zulässigkeit dieser ungeschriebenen Forderung mit einem Hinweis auf den nach Maßgabe der Ausschließlichkeitstheorie ohnehin nur sehr begrenzten An­ wendungsbereich der Privatrechtsklauseln zu begründen versucht: „Die Zulässigkeit dieser im Schrifttum vorgeschlagenen Einschränkung des Schutzbereichs lässt sich jedoch dann erklären, wenn man sich nochmals den Schutzbereich der Privatschutz­ klauseln vergegenwärtigt“ [Anm.: Es folgt eine Darstellung des Anwendungsvorrangs der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung]. 201  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 80.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

habers zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens hinauslaufen. So mag der Vermieter in dem vom VG Köln entschiedenen Fall seine Gründe gehabt haben, vorerst auf die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu verzich­ ten. Von der gerichtlichen Geltendmachung seines aus §§ 541, 562a Satz 1 BGB folgenden Unterlassungsanspruchs abzusehen, war sein gutes Recht, steht doch gerade die Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens in­ folge des Dispositionsgrundsatzes ausschließlich dem Rechteinhaber selbst zu.202 Mit Ausnahme von zivilrechtlichen Ausschluss- oder Verjährungsfris­ ten203 darf die Nichteinleitung eines Verfahrens für den Rechteinhaber nicht mit negativen Konsequenzen verbunden sein. Andernfalls wäre er in seiner Entscheidung über die gerichtliche Geltendmachung seines subjektiven Rechts nicht mehr frei. Dies muss für die im Anwendungsbereich der Privat­ rechtsklauseln in Rede stehenden Konstellationen umso mehr gelten, als der Rechteinhaber hier – anders als bei Ausschluss- und Verjährungsfristen – in der Regel nicht absehen kann, dass ihm die Rechtsdurchsetzung durch eige­ nes Zuwarten vereitelt wird.204 3. Ungerechtfertigte Sanktionierung des Rechteinhabers Darüber hinaus widerspricht das Abstellen auf ein etwaiges Verschulden des Rechteinhabers dem überkommenen Grundsatz des Polizeirechts, wo­ nach Verschuldensfragen bei der gefahrenabwehrrechtlichen Bewertung von vornherein außer Betracht zu bleiben haben.205 Dies gilt nun nicht nur im Rahmen der Verhaltensverantwortlichkeit206, sondern ebenso für den Schutz subjektiver Rechte. Ein Grund, denjenigen zu „bestrafen“, der sich zunächst ggf. nur nachlässig um die gerichtliche Durchsetzung seiner Rechte geküm­ 202  Rauscher,

in: MüKo, ZPO, Einl. Rn. 337 f. verliert der Anspruch durch Zeitablauf seine gerichtliche Durchsetzbarkeit und wird dadurch wirtschaftlich wertlos, gerechtfertigt wird diese Rechtsfolge mit dem Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens, so explizit zur Verjäh­ rung, BGH, Urt. v. 23.11.1994 – XII ZR 150/93 –, BGHZ 128, 74, 84. 204  Zudem betragen Verjährungs- und Ausschlussfristen typischerweise mehrere Monate oder Jahre und räumen dem Rechteinhaber hierdurch eine gewisse Bedenk­ zeit ein, während der Rechteinhaber mit der Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes vor den ordentlichen Gerichten nicht beliebig zuwarten kann, da eine verzögerte An­ tragstellung unter dem Gesichtspunkt der „Selbstwiderlegung“ zu einem Wegfall des Verfügungsgrundes, d. h. der Dringlichkeit, führen kann, siehe Drescher, in: MüKo, ZPO, § 935 Rn. 18 f. 205  So bezeichnet auch Kowalzik das Abstellen auf ein Verschulden des Rechtein­ habers als „zunächst etwas ‚befremdlich‘ “, ders., Der Schutz von privaten und indi­ viduellen Rechten, S. 166. 206  Allgemeine Meinung, siehe nur Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 91; sowie Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 9 Rn. 10. 203  Hier



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes269

mert hat und dem die Rechtsdurchsetzung nunmehr unmöglich zu werden droht, ist schlichtweg nicht ersichtlich. Vielmehr ist eine solche Form der Sanktionierung dem Polizeirecht völlig fremd. Zumal das Versagen eines polizeilichen Schutzes letztlich allein dem Störer zu Gute kommen und er hierdurch einen nicht zu rechtfertigenden Vorteil erlangen würde. 4. Praktische Erwägungen Des Weiteren sprechen auch rein praktische Erwägungen gegen das Erfor­ dernis einer unverschuldeten Unerreichbarkeit des gerichtlichen Schutzes. In den meisten Gefahrensituationen wird die Polizei schlichtweg keine Zeit ha­ ben, vor einem Einschreiten zum Schutz des subjektiven Rechts noch zu überprüfen, ob der Rechteinhaber seinerseits alles Erforderliche zum Schutz seines Rechts unternommen hat. So muss in dem vom VG Köln entschiede­ nen Fall unklar bleiben, wie die Polizeibeamten vor Sicherstellung der Möbel hätten eruieren sollen, ob der Vermieter den nicht zu erlangenden gericht­ lichen Rechtsschutz selbst verschuldet hat. Dies gilt schon deshalb, weil vollkommen unklar ist, welcher Verschuldensmaßstab diesbezüglich heran­ zuziehen wäre und welche Maßnahmen der Vermieter konkret hätte unter­ nehmen müssen, um dem dahin lautenden Vorwurf entgehen zu können. 5. Ergebnis Zu resümieren bleibt nach alldem, dass es für die polizeilichen Handlungs­ befugnisse ohne Relevanz ist, aus welchen Gründen dem Rechteinhaber ein gerichtliches Vorgehen gegen den Störer unmöglich ist. Den allenfalls theo­ retisch denkbaren Fällen, in denen der Rechteinhaber zunächst bewusst auf eine gerichtliche Durchsetzung seines subjektiven Rechts verzichtet hat, weil er in den Genuss des – kostenfreien – polizeilichen Schutzes gelangen wollte, kann hierbei im Rahmen des Entschließungsermessens Rechnung getragen werden. Denn, so bleibt stets zu betonen, wird der Polizei eine Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte zugesprochen, so darf sie nach pflichtgemäßem Ermessen selbst darüber befinden, ob sie von dieser Befugnis auch Gebrauch macht.

V. „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes? Der von den Privatrechtsklauseln zur Voraussetzung erhobenen Unerreich­ barkeit gerichtlichen Schutzes wird von einer auf ein Urteil des VGH BW207 207  VGH

BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 72.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

zurückgehenden Auffassung die „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes gleichgestellt.208 Da diese Ansicht maßgeblich durch die – in anderem Kon­ text bereits erwähnte209 – Entscheidung des VGH BW geprägt ist, soll zu­ nächst der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt in der gebotenen Kürze dargestellt werden, bevor auf die Berechtigung einer dahingehenden Auslegung einzugehen sein wird. 1. Die Entscheidung des VGH BW Ein religiöser Verein, der sich den Schutz des menschlichen Lebens zur Aufgabe gemacht hatte, organisierte vor einer nach § 9 SchKG staatlich an­ erkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle sog. Gehsteigberatungen. Diese Gehsteigberatungen richteten sich vornehmlich an Frauen, die nach Einschätzung der Vereinsmitglieder im Begriff waren, die Schwangerschafts­ konfliktberatungsstelle aufzusuchen. Nach den Feststellungen des VGH BW wurden die Frauen stets mit der Frage „Sind Sie schwanger?“ angesprochen und es wurden ihnen Faltblätter angeboten, in denen plakativ gegen die Vor­ nahme eines Schwangerschaftsabbruchs agitiert wurde.210 Augenscheinlich zielte die Gehsteigberatung somit darauf ab, die angesprochenen Frauen von einem Abbruch ihrer Schwangerschaft abzuhalten. Die Polizei verbot die Gehsteigberatungen, weil sie in diesen eine Verletzung des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts der die Beratungsstelle aufsuchenden Frauen erkannte. Dieser Begründung schloss sich der VGH BW an. Eine vorrangige Zustän­ digkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für die in Rede stehende Untersa­ gung sei nicht gegeben, da den betroffenen Frauen wegen der „Einmaligkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung“ das für ein zivilgerichtliches Verfahren er­ forderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle.211 Des Weiteren sei gerichtlicher Schutz für diese auch schon deshalb nicht zu erlangen, da „der jeweils be­ troffenen Frau jedenfalls dann, wenn sie sich tatsächlich in einer Schwanger­ schaftskonfliktsituation befindet, die Rechtsverfolgung vor den ordentlichen Gerichten nicht zumutbar“ sei, „weil ihr dies einen Verzicht auf die durch § 6 Abs. 2 SchKG gesetzlich gewährleistete Anonymität abverlangen würde.“212

208  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Fn. 41 zu Rn. 54; Schenke/Schenke, in: Steiner/Brinktrine, Fn. 73 zu Rn. 50; ähnlich wohl auch Kingreen/Poscher, Polizeiund Ordnungsrecht, § 3 Rn. 42 f. 209  Siehe erstes Kapitel unter D.II.1.d)bb). 210  VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 49 f. 211  VGH BW, a. a. O., juris-Rn. 71. 212  VGH BW, a. a. O., juris-Rn. 72, Hervorhebung nur hier.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes271

2. „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes als teleologische Reduktion der Privatrechtsklauseln Bereits eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der VGH BW den von ihm entwickelten Ansatz nicht durch eine Auslegung der baden-württembergi­ schen Privatrechtsklausel gewinnt. Vielmehr erfolgen seine Ausführungen im Kontext des Erfordernisses eines öffentlichen Interesses, wie es § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG BW seinem Wortlaut nach für die Annahme einer polizeilichen Zuständigkeit vorsieht. Da der VGH BW – methodisch verfehlt – unter dem Begriff des öffentlichen Interesses gerade die Voraussetzungen der Privat­ rechtsklauseln prüft213, handelt es sich bei dessen Ansatz der Sache nach gleichwohl um eine teleologische Reduktion der Voraussetzung des nicht rechtzeitig zu erlangenden gerichtlichen Schutzes. Für eine dahin lautende Auslegung besteht nun weder ein Bedürfnis noch vermöchte das vom VGH BW bemühte Kriterium der „Unzumutbarkeit“ dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot zu genügen, welches bei Abgrenzung der Kompetenzen der Exekutive von denjenigen der Judikative stets zu beachten ist.214 3. Entbehrlichkeit einer teleologischen Reduktion Bei Lektüre der Entscheidung kann sich nicht des Eindrucks verwehrt werden, dass der VGH BW sichtlich bemüht war, die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Untersagungsverfügung nicht an dem in den Privatrechts­ klauseln normierten Subsidiaritätsprinzip scheitern zu lassen, obzwar diese Konsequenz angesichts des eindeutigen zivilrechtlichen Einschlags215 der zugrundeliegenden Konstellation nahegelegen hätte. Da die Nichtanwen­ dung des Subsidiaritätsprinzips in Ermangelung eines Verstoßes gegen eine strafrechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschrift ausnahmsweise nicht einfach mit Verweis auf den Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung begründet werden konnte, war der VGH BW zu einer „kreativen“ Argumentation gezwungen, die er mit dem Gesichts­ punkt der Unzumutbarkeit gerichtlichen Schutzes sodann auch aus dem Hut zauberte. Entsprechend deutlich fällt denn auch die Kritik der Entscheidung bei Schoch aus, der insoweit festhält, dass beim Ansatz des VGH BW „of­ fensichtlich Zweckmäßigkeitserwägungen dominieren, während die recht­

213  VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 70 ff.; kritisch hierzu bereits im ersten Kapitel unter D.II.1.d)bb). 214  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 251. 215  Siehe nur Wiebe, ZfL 2013, 49, 52, die Gehsteigberatung bleibe, soweit sie beanstandet werde, eine „zivilrechtliche Auseinandersetzung“.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

lichen Voraussetzungen der Subsidiaritätsklausel in den Hintergrund tre­ ten.“216 In die Kalamität, eine Unanwendbarkeit der Privatrechtsklauseln ungeach­ tet der hier ausschließlich in Rede stehenden Gefährdung subjektiver Rechte217 begründen zu müssen, bringt sich der VGH BW dabei durch die von ihm zu Unrecht angenommene Verletzung des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts der angesprochenen Frauen. Richtigerweise verletzten die vom Verein durchgeführten Gehsteigberatungen das Persönlichkeitsrecht der Frauen ebenso wenig wie es bei den anderen im öffentlichen Straßenraum durchaus üblichen Ansprachen der Fall ist. Büchner218 nennt in diesem Kon­ text etwa die Beispiele von „ihre sexuelle Orientierung zur Schau stellenden Menschen (Loveparade)“ sowie „Tierschützern, die Passanten durch scho­ ckierende Bilder gequälter Tiere zu einer vegetarischen Ernährungsweise bekehren möchten“ und weist zutreffend auf die Funktion des öffentlichen Straßenraums zur Gewährleistung des „kommunikativen Verkehrs“ hin. Zu­ mindest solange der Betroffene die Ansprache ignorieren und die Entgegen­ nahme von Informationsmaterial verweigern kann, muss eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts demgemäß ausscheiden.219 Statt auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der die Beratungsstelle auf­ suchenden Frauen abzustellen, wäre bezüglich der Prüfung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit vielmehr auf die Beratungsstelle selbst abzustellen gewesen. So hätte der VGH BW prüfen müssen, ob die Beeinträchtigung der Beratungstätigkeit der Beratungsstelle, welche die Gehsteigberatungen zwei­ fellos darstellten, zugleich eine Gefahr für subjektive Rechte der Beratungs­ stelle zu begründen vermochte.220 Durch diesen Ansatz wäre es dem VGH BW ohne Weiteres möglich gewesen, die Beratungsstelle auf den ordent­ lichen Rechtsweg zu verweisen, ohne die betroffenen Frauen zu der von ihm 216  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 257; siehe auch ders., JURA 2013, 468, 472: Auslegung „extra legem“. 217  Zur Einordnung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Recht noch im fünf­ ten Kapitel unter D.III. 218  Büchner, ZfL 2011, 97, 102, auch unter Hinweis auf die einschlägige Recht­ sprechung des BVerfG; siehe diesbezüglich insbesondere BVerfG, Urt. v. 22.02.2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226 („Fraport“). 219  So auch Büchner, ZfL 2011, 97, 102; zudem stellt der VGH BW keine Um­ stände fest, die die Annahme einer besonders aggressiven Form der Ansprache recht­ fertigten könnten, sondern belässt es im Hinblick auf die vom Verein verteilten Flug­ blätter beispielsweise bei der Feststellung, dass diese den betroffenen Frauen „ange­ boten“ worden seien, VGH BW, a. a. O., juris-Rn. 57; im Ergebnis eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ablehnend auch Wiebe, ZfL 2013, 49, 50 f., der dies mit der fehlenden „Öffentlichkeit“ der Situation zu begründen scheint. 220  Wobei bereits problematisch erscheint, auf welche subjektiven Rechte sich die Beratungsstelle bezüglich ihrer Beratungstätigkeit hätte berufen können.



B. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes273

als unzumutbar eingestuften Rechtsverfolgung zu zwingen.221 Darüber hinaus hätte sich hierdurch auch nicht die Problematik eines fehlenden Rechts­ schutzbedürfnisses gestellt, da hinsichtlich der Beratungsstelle selbst keine nur „einmalige Rechtsgutbeeinträchtigung“ vorlag. Doch selbst wenn in der an sich rein zivilrechtlichen Auseinandersetzung aufgrund der Betroffenheit „einer Vielzahl von Grundrechtsträgerinnen“222 tatsächlich eine zwingend über das Polizeirecht zu lösende Angelegenheit zu erblicken wäre223, hätte der Polizei respektive dem VGH BW224 ein Weg offen gestanden, die Gehsteigberatungen zu untersagen, ohne sich in den dargelegten Konflikt mit dem in den Privatrechtsklauseln verankerten Subsi­ diaritätsprinzip zu begeben. Wegen der nicht zu leugnenden Parallele der Gehsteigberatungen zu Varianten des sog. aggressiven Bettelns hätte es sich nämlich angeboten, das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung zu prüfen, wie sie bei aggressivem Betteln durchaus angenommen wird.225 Bei Bejahen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung hätten sich Ausführun­ gen zu den Privatrechtsklauseln erübrigt, weil diese wegen des fehlenden individualschützenden Charakters des Schutzguts der öffentlichen Ordnung von vornherein keine Anwendung hätten finden können.226

221  Auch Wiebe verordnet den der Entscheidung zugrundeliegenden Konflikt als „zivilrechtliche Auseinandersetzung“ zwischen dem die Gehsteigberatungen durch­ führenden Verein und der Beratungsstelle selbst und weist diesbezüglich darauf hin, dass die Gehsteigberatungen vor Arztpraxen schon mehrfach Gegenstand zivilrecht­ licher Auseinandersetzungen gewesen sei, ZfL 2013, 49, 52 unter Verweis auf zwei vor dem LG München I diesbezüglich geführte Verfahren. 222  VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 73. 223  So augenscheinlich der VGH BW, der durch die Gehsteigberatung weniger die konkreten Grundrechte der angesprochenen Frauen denn die Grundrechte als „objek­ tive Wertordnung“ betroffen sieht, VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, jurisRn. 73; so offenbar auch Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 42 f. 224  Der VGH BW hätte eine zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicher­ heit ergangene polizeiliche Untersagungsverfügung auch dann auf eine Gefahr für die öffentliche Ordnung stützen können, sofern die Polizei diesen Gesichtspunkt zur Be­ gründung der Maßnahme selbst nicht angeführt hätte. Insoweit sind die von der Rechtsprechung zum Austausch der Ermächtigungsgrundlage aufgestellten Grund­ sätze heranzuziehen, die einen dahingehenden Austausch zulassen, sofern dieser – wie es hier der Fall sein dürfte – nicht zu einer Wesensänderung der polizeilichen Maßnahme führt, hierzu BVerwG, Urt. v. 21.11.1989 – 9 C 28.89 –, juris-Rn. 12. 225  So schon Holzkämper, NVwZ 1994, 146, 149; Enzensperger, NJW 2018, 3550, 3553; die Frage ausdrücklich offenlassend VGH BW, ­Beschl. v. 06.07.1998 – 1 S 2630/97 –, juris-Rn. 31. 226  Ausführlich zum Verhältnis von Individualschutz und öffentlicher Ordnung, Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 123 f.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

4. „Unzumutbarkeit“ gerichtlichen Schutzes keine hinreichende Bedingung der Privatrechtsklauseln Bestand demnach selbst in der konstituierenden Entscheidung des VGH BW kein Bedürfnis dafür, der nach dem Wortlaut der Privatrechtsklau­ seln erforderlichen Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes im Wege der te­ leologischen Reduktion die Unzumutbarkeit desselbigen gleichzustellen, entbehrt die dahin lautende Auslegung durch den VGH BW jeglicher Grund­ lage. Konstellationen, in denen das Kriterium der Unerreichbarkeit gericht­ lichen Schutzes zu unbilligen Ergebnissen führen würde, sind damit insge­ samt nicht ersichtlich. Dies muss umso mehr gelten, als der VGH BW in seiner Entscheidung ob des vermeintlich fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses selbst bereits die Uner­ reichbarkeit gerichtlichen Schutzes bejaht hatte227 und folglich überhaupt kein Grund mehr für eine über den Wortlaut der Vorschriften hinausgehende Auslegung bestand. Zumindest aber hätte der VGH BW die von ihm vorge­ nommene teleologische Reduktion der gesetzlichen Voraussetzung ausführ­ lich begründen und insbesondere darlegen müssen, wann genau sich die Rechtsverfolgung vor den ordentlichen Gerichten für den Rechteinhaber als unzumutbar darstellt. Liegen entsprechende Unsicherheiten bei dem vom VGH BW bemühten Kriterium der Unzumutbarkeit doch auf der Hand und wird sich die vom VGH BW konkret getroffene Wertung kaum auf andere Konstellationen übertragen lassen. Zumal die Preisgabe der Identität für den Kläger eines rechtstaatlichen gerichtlichen Verfahrens zwingend228 ist und schon deswegen kaum einmal einen beachtlichen Nachteil darstellen dürf­ te.229 Da die vom VGH BW vorgenommene Auslegung demnach sowohl eine tragfähige Begründung als auch die erforderliche Bestimmtheit vermis­ sen lässt, kann dieser letztlich allein die Bedeutung einer vereinzelt gebliebe­ nen Fehlentscheidung zukommen.230 227  VGH

BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 71. nur Wiebe, ZfL 2013, 49, 51, dem zufolge „Gründe der prozessualen Offenheit und Gleichstellung vor Gericht“ eine Offenlegung der Personalien des Klä­ gers erforderlich machten. 229  Im Übrigen gewährt § 6 Abs. 2 SchKG der Schwangeren ein Recht auf Anony­ mität nur „gegenüber der sie beratenden Person“. 230  Bezeichnend für die hier aufgezeigten Begründungsschwächen der Entschei­ dung steht die Argumentation des VGH BW, wonach die Befugnis der Polizei, mithin der Exekutive, aus dem Justizgewährleistungsanspruch abzuleiten sei, wörtlich heißt es in der Entscheidung insoweit: „Bei dieser Sachlage gebietet es der im Rechts­ staatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG wurzelnde allgemeine Justizgewährleistungsan­ spruch, der wirkungsvollen Rechtsschutz garantiert […], das gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. PolG erforderliche öffentliche Interesse am polizeilichen Schutz des 228  Siehe



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 275

C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung Ausweislich des Wortlauts der Privatrechtsklauseln genügt die bloße Uner­ reichbarkeit gerichtlichen Schutzes, sei es aus zeitlichen oder tatsächlichen Gründen, für sich genommen noch nicht, um eine polizeiliche Handlungsbe­ fugnis zu begründen. Weiterhin erforderlich ist vielmehr, dass „ohne polizei­ liche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“.

I. Oftmals übersehene Voraussetzung der Privatrechtsklauseln Ungeachtet des an sich eindeutigen Wortlauts, findet die dahin lautende Voraussetzung der Privatrechtsklauseln bei den Erläuterungen der Vorschrif­ ten kaum einmal Beachtung.231 Stattdessen lesen sich die dortigen Ausfüh­ rungen teilweise so, als genügte schon die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes, um den Erfordernissen der Privatrechtsklauseln zu genügen, bzw. als sei bei einer für subjektive Rechte bestehenden Gefahr zwangsläufig zu­ gleich deren Verwirklichung vereitelt oder jedenfalls wesentlich erschwert.232 1. Bestandsaufnahme in der Literatur Wird in der Literatur das Erfordernis einer Vereitelung oder Erschwerung zumindest sprachlich doch einmal als eigenständige Voraussetzung benannt, lassen die Ausführungen eine präzise Abgrenzung zu der anderen Vorausset­ zung des Subsidiaritätsprinzips, der Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes, vermissen.

allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu bejahen“, VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 71, Hervorhebung nur hier. 231  Dies feststellend auch Benighaus, LKV 2009, 202, 203. 232  So etwa bei Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 21: „Die subsidi­ äre Rechtsschutzaufgabe der Polizei bedeutet: Soweit die Polizei noch schneller sein kann als selbst der schnellste zivilprozessuale Rechtsschutz durch einstweilige Verfü­ gung oder Arrest, können ihre Maßnahmen auch zum Schutz privater Rechte genutzt werden“; ähnlich Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54, die Subsidiarität poli­ zeilichen Handelns greife nicht, „wenn die Gerichte im Einzelfall Individualrechte nicht – auch nicht im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes – schützen können und die polizeiliche Hilfe dem Willen des Rechteinhabers entspricht“; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 257: „regelmäßig führt der Zeitfaktor dazu, dass behördlich eingeschrit­ ten werden kann, weil das Beschreiten des Zivilrechtswegs ineffektiv wäre“.

276

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

So bejahen Kingreen/Poscher233 sowie Thiel234 eine Vereitelung respektive wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung, sofern dem Rechteinha­ ber die Identität und/oder die Anschrift des Störers nicht bekannt und er in­ folgedessen an einem gerichtlichen Vorgehen gegen diesen gehindert ist. Eine Erläuterung, weshalb in diesen Konstellationen, in denen gewiss von der Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes auszugehen ist, ebenso eine Ver­ eitelung bzw. wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung droht, er­ folgt nicht. Demgegenüber erkennt Kowalzik235 zwar zutreffend, dass es sich bei der Frage der Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirk­ lichung nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Vorschriften („und“) um eine kumulativ zu prüfende Voraussetzung handelt, bleibt in seinen wei­ teren Ausführungen indes ebenso vage. So belässt er es diesbezüglich bei der Anmerkung, wonach „wegen der Fülle der in Betracht kommenden Lebens­ situationen“ eine Auseinandersetzung mit der Frage, „wann konkret“ die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert ist, „nicht möglich“ sei. Stattdessen könne auf die Kommentierungen zur zivilrecht­ lichen Selbsthilfe verwiesen werden, da der Wortlaut des § 229 BGB236 inso­ weit weitgehend mit demjenigen der polizeirechtlichen Vorschriften überein­ stimme.237 Ähnlich scheint auch Holzner das Bestehen zivilrechtlicher Selbsthilfe­ rechte als „Indiz“ für die Annahme einer zu besorgenden Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung anzusehen. Anders als Kowalzik beschränkt er sich gleichwohl nicht auf den Verweis auf die zivilrechtliche Rechtslage, sondern führt ergänzend aus, eine Vereitelung oder Erschwerung könne ange­ nommen werden, „wenn das Recht zerstört oder dem Inhaber entzogen wird, oder wenn eine drohende Schädigung des Rechts auf dem Gerichtswege nicht mehr oder nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden kann.“238

233  Kingreen/Poscher,

Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48. Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 34; ähnlich wohl auch Gusy, Poli­ zei- und Ordnungsrecht, Rn. 94. 235  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 138; auch Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 68, spricht insoweit ausdrück­ lich von „zwei“ Voraussetzungen. 236  § 229 BGB lautet: „[…] handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr be­ steht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde“, Hervorhebung nur hier. 237  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 138 f. 238  Beide Zitate: Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 28. 234  Thiel,



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 277

2. Die Auffassung der Rechtsprechung Kaum weniger ernüchternd als die Bestandsaufnahme in der Literatur fällt der Blick auf die einschlägige Rechtsprechung aus. Da die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes in Anlehnung an die auch im Gesetz vorzufindende Reihenfolge von den Gerichten typischerweise vor der Frage nach einer Vereitelung respektive Erschwerung der Rechtsverwirk­ lichung geprüft wird, kommt es auf die Letztere lediglich dann an, sofern das Gericht zuvor sowohl die Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln als auch die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes bejaht hat. Trifft das Erstere nach Maßgabe der auch von der Rechtsprechung vertretenen Ausschließlich­ keitstheorie ohnehin nur auf die wenigsten Entscheidungen zu, lassen die Gerichte, wenn sie die Privatrechtsklauseln im Einzelfall doch einmal an­ wenden, die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme regelmäßig bereits an dem Umstand eines durchaus erreichbaren gerichtlichen Schutzes schei­ tern.239 Nähere Ausführungen zu der weiteren hier interessieren Vorausset­ zung der Privatrechtsklausel erübrigen sich daher in der Regel. Doch selbst wenn die Gerichte das polizeiliche Einschreiten auch in Anse­ hung der Privatrechtsklauseln als rechtmäßig erachten und demzufolge von einer Vereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung ausgehen müssen, wird auf die dahin lautende Voraussetzung zumeist nicht einmal eingegangen. Als beinahe bezeichnend kann diesbezüglich eine Entscheidung des OVG NRW240 angeführt werden. In dem zugrundeliegenden Fall hatte die kommunale Ordnungsbehörde einen auf einem gemeindlichen Grund­ stück widerrechtlich abgestellten Altkleidercontainer entfernen lassen und die hierfür angefallenen Kosten dem Containereigentümer in Rechnung gestellt. Da der Container selbst keinen Hinweis auf ihren Eigentümer enthielt, ging das OVG NRW zutreffend von der Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes aus und erachtete bereits deshalb die ordnungsbehördliche Maßnahme als rechtmäßig. Auf die Frage, ob durch den widerrechtlich abgestellten Contai­ ner die Verwirklichung des gemeindlichen Grundstückeigentums vereitelt oder wesentlich erschwert wurde, ging das OVG NRW hingegen nicht ein­ mal ein.241 Nicht minder ernüchternd liest sich eine Entscheidung des OVG Rhein­ land-Pfalz (OVG RhPf)242. So erachtete das OVG RhPf die polizeiliche 239  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 79 f.; VG Berlin, Urt. v. 16.07.2003 – 1 A 321.98 –, juris-Rn. 29; VG Dresden, B ­ eschl. v. 07.01.2003 – 14 K 35/03 –, juris-Rn. 18. 240  OVG NRW, Urt. v. 16.06.2014 – 11 A 2816/12 –, juris. 241  OVG  NRW, a. a. O., juris-Rn.  58 f. 242  OVG RhPf, Urt. v. 29.09.1987 – 7 A 34/87 –, juris.

278

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Aufforderung zum Entfernen eines Kraftfahrzeugs, welches ein anderes Fahrzeug blockierte, auch in Ansehung der rheinland-pfälzischen Privat­ rechtsklausel als rechtmäßig, ohne den Aspekt der Vereitelung oder wesent­ lichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung auch nur zu erwähnen. Viel­ mehr ließ auch das OVG RhPf bereits die (nächtliche) Unerreichbarkeit ge­ richtlichen Rechtsschutzes genügen, um eine Befugnis der Polizei zum Schutz des Eigentums an dem blockierten Fahrzeug zu bejahen.243 Anders stellt sich die – in anderem Zusammenhang244 – bereits vorge­ stellte Entscheidung des OVG LSA245 dar, in der die Antragstellerin ihre Beschwerde ausdrücklich auch auf die ihrer Auffassung nach nicht zu besor­ gende Vereitelung oder Erschwerung der Rechtsverwirklichung gestützt hatte. In Ansehung des Vorbringens der Antragstellerin musste sich das OVG LSA dezidiert mit dieser von den Privatrechtsklauseln erhobenen Voraus­setzung auseinandersetzen und erachtete im Zuge dessen die Sicher­ stellung des Inventars für rechtmäßig, weil ohne die polizeiliche Maßnahme „die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs“ der Beigeladenen (der ehema­ ligen Mieterin246) „erheblich erschwert“ werden würde. Wörtlich führt das Gericht diesbezüglich aus: „Weder ist durch den Vortrag schlüssig dargelegt und nachgewiesen oder zumin­ dest glaubhaft gemacht, dass die Beigeladene Kenntnis vom Verbringungsort erhält noch dass durch die Änderung des Lagerortes des Inventars der Herausgabean­ spruch des Eigentümers nicht durch Einwendungen eines weiteren Besitzers er­ schwert oder vereitelt wird (vgl. § 986 BGB) […]. Denn soweit der Vermieterin der Räumlichkeiten in der einstweiligen Verfügung […] aufgegeben wurde, es zu unterlassen, das in der einstweiligen Verfügung aufgelistete Inventar der ehemali­ gen Eisdiele […] im Haus M-Platz […] in C-Stadt auszuräumen, stützt sich die Begründung der einstweiligen Verfügung auf das von der Beigeladenen glaubhaft gemachte Eigentum an dem Inventar und die konkrete Gefahr, dass die Durchset­ zung eines Herausgabeanspruches der Beigeladenen durch beabsichtigte Räu­ mungsmaßnahmen der Vermieterin erheblich erschwert werde.“247

243  OVG RhPf, a. a. O., juris-Rn. 23; siehe auch VG Düsseldorf, welches das Er­ fordernis der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung nicht einmal im Obersatz bei der Prüfung der Privatrechtsklauseln erwähnt, VG Düs­ seldorf, Urt. v. 21.11.2017 – 14 K 6193/17 –, juris-Rn. 24; das VG Mainz wiederum sieht in der Konstellation einer Hausbesetzung die Voraussetzungen der Privatrechts­ klausel ebenso bereits wegen der Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes (keine na­ mentliche Bezeichnung der Störer möglich) als erfüllt an, VG Mainz, Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14.MZ –, juris-Rn. 61 f. 244  Siehe zweites Kapitel unter C.I.2.c). 245  OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris. 246  Hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts sei auf die Ausführungen im zweiten Kapitel unter C.I.2.c) verwiesen. 247  OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris-Rn. 6.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 279

II. Rechtsverwirklichung als (gerichtliche) Durchsetzung des subjektiven Rechts Wie sich anhand der Ausführungen des OVG LSA unschwer erkennen lässt, subsumiert das Gericht unter die vom Gesetz gebrauchte Wendung „Verwirklichung des Rechts“ die Durchsetzung des in Rede stehenden He­ rausgabeanspruchs.248 Für das OVG LSA ist unter der Verwirklichung eines Rechts mithin dessen (gerichtliche) Durchsetzung zu verstehen. Dass diese Auslegung zutreffend und unter der Verwirklichung eines Rechts in der Tat dessen gerichtliche Durchsetzung zu verstehen ist, legt nun schon ein Blick auf thematisch verwandte Vorschriften außerhalb des Polizeirechts nahe. Die von den Privatrechtsklauseln aufgestellte Voraussetzung einer „Verei­ telung oder wesentlichen Erschwerung der Verwirklichung des Rechts“ findet sich in leicht abgewandelter Form nicht nur in § 229 BGB, sondern ebenso in § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO249 sowie in § 917 Abs. 1250 und § 935 ZPO.251 Bei diesen Vorschriften entspricht es dem allgemeinen Verständnis, dass sich die im Gesetz jeweils genannte Gefahr der Vereitelung respektive der we­ sentlichen Erschwerung auf die gerichtliche Durchsetzung eines Anspruchs oder eines Rechts bezieht.252 Deutlich wird dies insbesondere an der Vor­

248  OVG LSA,

a. a. O., juris-Rn. 6. Abs. 1 Satz 1 VwGO lautet: „Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zu­ stands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.“, Hervorhebung nur hier. 250  § 917 Abs. 1 ZPO lautet: „Der dingliche Arrest findet statt, wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.“, Hervorhebung nur hier. 251  § 935 ZPO lautet: „Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegen­ stand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehen­ den Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.“, Hervorhebung nur hier. 252  Zu § 229 BGB siehe Repgen, in: Staudinger, § 229 Rn. 12, der anstelle der im Gesetz genannten „Anspruchsverwirklichung“ auch von „Rechtsdurchsetzung“ spricht; zu § 123 VwGO Schoch, in: ders./Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, § 123 Rn. 77c: „Eine Rechtsvereitelung ist insbesondere im Falle der Schaffung irreversibler Fakten [Hervorhebung im Original] seitens der Behörde anzunehmen, weil zu befürchten ist, dass das gefährdete Recht […] nicht mehr durchgesetzt [Hervorhebung nur hier] werden kann.“; zu § 917 ZPO Drescher, in: MüKo, ZPO, § 917 Rn. 3: Ar­ restgrund als „die Gefahr, die dem Gläubiger für die Durchsetzung seines Anspruchs […] droht; zu § 935 ZPO ders., in: MüKo, ZPO, § 935 Rn. 15: Verfügungsgrund als die „unmittelbar für die Rechtsverwirklichung und Rechtsdurchsetzung im Hauptver­ fahren drohende Gefahr“, Hervorhebung jeweils nur hier. 249  § 123

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

schrift des § 917 Abs. 1 ZPO, die diesbezüglich nicht von der „Verwirk­ lichung“, sondern von der „Vollstreckung“ spricht. 1. Die ratio legis der gesetzlichen Voraussetzung Der Grund, weshalb das dargelegte allgemeine Begriffsverständnis nun ebenso für die Auslegung der Privatrechtsklauseln fruchtbar gemacht werden kann, liegt in der ratio legis der Vorschriften. Wie bereits dargelegt wurde, sollen die der Polizei von den Privatrechts­ klauseln eingeräumten Befugnisse die Unmöglichkeit der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung kompensieren. Vor diesem Hintergrund kann sich die in den Vorschriften genannte Rechtsverwirklichung allein auf die (gerichtliche) Durchsetzung des subjektiven Rechts beziehen.253 Nur wenn diese im Zuge der Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes beeinträchtigt zu werden droht, besteht ein Bedürfnis, den an sich ausschließlich den ordentlichen Gerichten zugewiesenen Schutz subjektiver Rechte ausnahmsweise der Polizei zu über­ antworten. Ist demgegenüber trotz Unerreichbarkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit keine Beeinträchtigung der Rechtsdurchsetzung zu besorgen, vermag der exekutive „Übergriff“254 in die Kompetenzen der Judikative nicht gerechtfer­ tigt zu werden. Würde bei der Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Polizei und Judikative allein auf die rechtzeitige Erreichbarkeit gerichtlichen Schut­ zes abgestellt werden, würde die mit den Privatrechtsklauseln intendierte Beschränkung polizeilicher Befugnisse weitestgehend leerlaufen. Aufgrund der ihr eigenen Organisationsstruktur dürfte die Polizei die Gefahr letztlich nämlich in jedem Fall schneller „als selbst der schnellste zivilprozessuale Rechtschutz“255 abwehren können,256 weshalb im Ergebnis stets eine polizei­ liche Zuständigkeit angenommen werden müsste.

253  Siehe nur Benighaus, LKV 2009, 202, 203, der ohne Erläuterung anstelle von „Rechtsverwirklichung“ den Begriff der „Rechtsdurchsetzung“ gebraucht; siehe auch Knemeyer, der in einem Beispielsfall, in dem die Polizei ein dem Eigentümer gestoh­ lenes Bild sicherstellt, die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln mit dem Hinweis bejaht, dass im Falle einer Veräußerung des Bildes „die Verfolgung des Herausgabe­ anspruchs (§ 985 BGB) wesentlich erschwert würde“, ders., Polizei- und Ordnungs­ recht, Rn. 137, Hervorhebung nur hier. 254  Schoch, JURA 2013, 468, 472; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 57. 255  Missverständlich deshalb die dahin lautende Formulierung bei Götz/Geis, Poli­ zei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 21. 256  Hierzu Rachor/Roggan, in: Lisken/Denninger, C. Rn. 3.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 281

Das Erfordernis einer Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung fungiert demnach als eine Art Korrektiv, um die polizeilichen Befugnisse zum Schutz subjektiver Rechte hinreichend zu be­ grenzen. Denn das Abstellen auf einen nicht zu erlangenden gerichtlichen Schutz würde, wie aufgezeigt wurde, hierfür allein noch nicht genügen. Zu­ treffend erkennen denn auch Schoch257 und Nachbaur258 die Funktion der weiteren Voraussetzung darin, den „ultima-ratio-Charakter“ des durch die Privatrechtsklauseln ermöglichten polizeilichen „Übergriffs“ in die Kompe­ tenzen der Judikative zu gewährleisten. 2. Bedeutung der gesetzlichen Voraussetzung bei der polizeilichen Störungsbeseitigung Eine erhebliche praktische Bedeutung kommt diesem Korrektiv in den Fällen der polizeilichen Störungsbeseitigung zu. Hat sich die Gefahr für das subjektive Recht bereits realisiert, liegt eine Störung der öffentlichen Sicher­ heit vor und gerichtlicher Schutz ist für den Rechteinhaber zwangsläufig nicht rechtzeitig zu erlangen. Denn zur Abwehr einer schon eingetretenen Gefahr vermag die ordentliche Gerichtsbarkeit rechtslogisch nicht mehr rechtzeitig tätig zu werden. Die naheliegende Überlegung, das Erfordernis des nicht rechtzeitig zu er­ langenden gerichtlichen Schutzes nun als „rechtzeitig zur Beseitigung der Störung“ auszulegen, erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht gangbar. Da es sich bei einer Störung um einen gegenwärtigen Zustand handelt, kann hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit nicht auf die Störung selbst abge­ stellt werden. Rechtzeitig kann eine polizeiliche Maßnahme stets nur im Hinblick auf ein in der Zukunft bevorstehendes Ereignis sein, nicht aber hinsichtlich eines gegenwärtigen Zustands. In Ermangelung eines (in der Zukunft liegenden) Bezugspunktes würde sich ergo gar nicht beurteilen las­ sen, ob der Rechteinhaber das Gericht rechtzeitig zur Beseitigung der Stö­ rung anrufen könnte.

III. Der Begriff der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung Nachdem dargelegt wurde, dass unter der Verwirklichung eines Rechts dessen gerichtliche Durchsetzung zu verstehen ist und die in Rede stehende Voraussetzung der Privatrechtsklauseln insbesondere bei der Störungsbeseiti­ 257  Schoch,

JURA 2013, 468, 472 in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 57.

258  Nachbaur,

282

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

gung praktische Relevanz erfährt, gilt es nunmehr herauszuarbeiten, wann von einer Vereitelung respektive einer wesentlichen Erschwerung der Ver­ wirklichung des subjektiven Rechts ausgegangen werden kann. 1. Übertragbarkeit der zivilrechtlichen Terminologie Zur Auslegung der gesetzlichen Begrifflichkeiten soll – wie von Kowalzik259 angeregt – zunächst ein Blick in die Kommentierungen zum zivilrecht­ lichen Selbsthilferecht gemäß § 229 BGB geworfen werden. Während der Begriff der Vereitelung dort gemeinhin in Anlehnung an die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch als „uneinbringlicher Verlust“ umschrieben wird260, findet sich zum Merkmal der wesentlichen Erschwerung die folgende Defini­ tion: „Eine wesentliche Erschwernis, die sofortiges Eingreifen gebietet, liegt nur dann vor, wenn aus objektiver Sicht die Anspruchsverwirklichung infolge drohender Veränderung des bestehenden Zustandes gefährdet ist.“261 Die zivilrechtlichen Begrifflichkeiten lassen sich in der Tat desgleichen für die Auslegung der Privatrechtsklauseln fruchtbar machen. Denn die Beein­ trächtigung der gerichtlichen Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs kann sich im Polizeirecht nicht nach anderen Maßstäben richten als im Zivil­ recht selbst. Ist die Durchsetzung eines Anspruchs aus zivilrechtlicher Per­ spektive gefährdet, kann für die polizeirechtliche Bewertung nichts anderes gelten. 2. Subsumtion am Beispiel privatrechtlicher Forderungen Veranschaulicht werden können die Konsequenzen dieser begrifflichen Anleihe am Beispiel polizeilicher Maßnahmen zum Schutz privatrechtlicher Forderungen. Diese sind anerkanntermaßen unter das Schutzgut der öffent­ lichen Sicherheit zu subsumieren262, weshalb eine Gefahr für dieselbige an­ zunehmen ist, wenn etwa der Schuldner einer Geldforderung gegenüber dem Gläubiger die Erfüllung verweigert. Bei genauer Betrachtung ist dabei sogar von einer bereits realisierten Gefahr, mithin einer Störung, auszugehen. Denn schon in dem Moment, in dem die Forderung fällig wird, stellt sich die un­ berechtigte Erfüllungsverweigerung des Schuldners als eine Beeinträchtigung des Forderungsrechts des Gläubigers dar. Da bei einer Störung die Vorausset­ zungen der Privatrechtsklauseln nicht mit dem Argument eines rechtzeitig 259  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 138 f. in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.03.2022, § 229 Rn. 32; Motive zum

260  Rövekamp,

BGB, I, S. 355. 261  Rövekamp, in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.02.2021, § 229 Rn. 32. 262  Siehe hierzu die Ausführungen im zweiten Kapitel unter B.III.3.c).



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 283

erreichbaren gerichtlichen Schutzes verneint werden können, bleibt nur noch das Kriterium der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung, um den Gläubiger hinsichtlich der Durchsetzung sei­ ner Forderung an die hierfür originär zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit zu verweisen. Ihrer Filterfunktion vermag die vom Gesetz aufgestellte Voraussetzung hierbei gerecht zu werden, dürfte sie auf derlei Konstellation doch gerade zugeschnitten sein. So ist dem Gläubiger die Durchsetzung seiner privat­ rechtlichen Forderung gewiss ohne polizeiliche Hilfe möglich, sofern er über Identität und Anschrift seines Schuldners verfügt. Ohne ein polizeiliches Einschreiten wäre die Durchsetzung der Forderung weder dauerhaft ausge­ schlossen noch in irgendeiner Form erschwert, womit weder eine Vereitelung noch eine wesentliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung angenommen werden kann. Anders verhält es sich allerdings, wenn der Fall dahingehend abwandelt wird, dass dem Gläubiger die Identität seines Schuldners nicht bekannt ist. In diesem Fall wäre der Gläubiger an der gerichtlichen Durchset­ zung der Forderung gehindert, weshalb ohne polizeiliche Hilfe, typischer­ weise in Gestalt einer Identitätsfeststellung, von einer Vereitelung der Rechtsverwirklichung ausgegangen werden müsste. Festgehalten werden kann dementsprechend bereits an dieser Stelle, dass bei namentlich unbe­ kannten Störern stets eine Vereitelung der Rechtsverwirklichung zu besorgen ist. Den einschlägigen Ausführungen Kingreens/Poschers263 und Thiels264 ist insoweit beizupflichten.

IV. Grenzen des gesetzlichen Abgrenzungskriteriums So eingängig sich die Subsumtion bei privatrechtlichen Forderungen dar­ stellen mag, so schwierig gestaltet sie sich bei sämtlichen übrigen subjekti­ ven Rechten. Wie im Folgenden darzulegen sein wird, bereitet die Subsum­ tion unter die gesetzlichen Begrifflichkeiten in einer Vielzahl typischer Konstellationen erhebliche Probleme bzw. ist teilweise sogar schlicht un­ möglich. 1. Durchsetzung des aus einem subjektiven Recht erwachsenden Anspruchs Ungeachtet der rechtstheoretischen Frage, ob subjektive Rechte für sich genommen überhaupt einer gerichtlichen Durchsetzung zugänglich sind oder 263  Kingreen/Poscher, 264  Thiel,

Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48. Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 34.

284

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

nicht vielmehr allein die aus ihnen resultierenden Ansprüche gerichtlich gel­ tend gemacht werden können265, ist jedenfalls im Kontext der Privatrechts­ klauseln nicht auf das Recht als solches, sondern auf die aus ihm erwachsen­ den Ansprüche abzustellen. Dies folgt aus der gesetzgeberischen Konzeption der Vorschriften, die er­ sichtlich auf die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche zugeschnitten ist, und wird auch mit Blick auf die Bestimmungen des § 935 ZPO und § 123 VwGO bestätigt. Sowohl bei § 935 ZPO als auch bei § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO wird nach allgemeiner Lesart nicht auf die Verwirklichung des Rechts, sondern auf diejenige des jeweils streitgegenständlichen materiellrechtlichen Anspruchs abgestellt.266 In § 229 BGB spricht überdies auch das Gesetz selbst explizit von der Vereitelung oder wesentlichen Erschwe­ rung der Verwirklichung des Anspruchs. Folgerichtig zog denn auch das OVG LSA267 in dem von ihm entschiedenen, vorstehend bereits behandel­ ten268, Fall den aus dem subjektiven Recht erwachsenden Anspruch heran, als es zu der Frage der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung Stellung nehmen musste. Andernfalls hätte das OVG statt auf die Verwirklichung des Herausgabeanspruchs auf die Verwirklichung des Eigentums an dem Inventar rekurrieren müssen. Denn dem dort in Rede stehenden Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB liegt ersichtlich das sub­ jektive Recht des Eigentums zugrunde.

265  Allenfalls das Bestehen eines subjektiven Rechts dürfte einer gerichtlichen Durchsetzung insofern zugänglich sein, als der Rechteinhaber im Wege einer Feststel­ lungsklage nach § 256 ZPO das Bestehen seines Rechts feststellen lassen kann. Da der feststellende Tenor eines entsprechenden Urteils indessen nicht vollstreckbar ist (siehe Becker-Eberhard, in: MüKo, ZPO, § 256 Rn. 54) erscheint zumindest fraglich, ob hierin eine Durchsetzung des Rechts erblickt werden kann. 266  Zu § 935 ZPO siehe nur Thümmel, in: Wieczorek/Schütte, ZPO, § 935 Rn. 24: „Die Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung muss sich auf die Verwirklichung gerade des zugrundeliegenden Verfügungsanspruches beziehen“; zu § 123 VwGO siehe Schoch, in: ders./Schneider, Verwaltungsrecht, VwGO, § 123 Rn. 77: „Damit stellt das Gesetz einen funktionalen Zusammenhang zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch her […]: Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 ist die Sicherung des in seiner Verwirklichung bedrohten Anspruchs“. 267  OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris-Rn. 6; konsequenter­ weise stellte auch das Nds. OVG bei einer polizeilichen Räumung eines Schützenhau­ ses nicht auf das Eigentum am selbigen als gefährdetes subjektives Recht, sondern auf einen etwaigen Herausgabeanspruch ab, Nds. OVG, B ­ eschl. v. 30.09.2008 – 11 LA 396/07 –, juris-Rn. 11 f. 268  Siehe oben unter C.I.2.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 285

2. Unterlassungsanspruch als maßgeblicher Anknüpfungspunkt Kommt es hinsichtlich der Verwirklichung eines Rechts auf die gericht­ liche Durchsetzung der aus ihm erwachsenden Ansprüche an, ist unweiger­ lich die Frage aufgeworfen, auf die Durchsetzung welchen Anspruchs genau bei der Gefährdung eines subjektiven Rechts abzustellen ist. Steht nicht ge­ rade die Herausgabe einer Sache in Rede, verbleiben als mögliche Anknüp­ fungspunkte insoweit lediglich noch die aus einem subjektiven Recht resul­ tierenden Schadensersatz- sowie Unterlassungsansprüche. Da Schadenser­ satzansprüche auf die nachträgliche Kompensation einer Rechtsverletzung gerichtet sind und zur Abwehr einer noch bevorstehenden Gefahr bzw. zur Beseitigung einer noch andauernden Störung ausscheiden, kann diesbezüg­ lich allein auf die aus den subjektiven Rechten folgenden Unterlassungsan­ sprüche abgestellt werden. Deren Subsumtion unter die Privatrechtsklauseln bereitet nun erhebliche Schwierigkeiten, wie im Folgenden darzulegen sein wird. 3. Die Problematik bei Unterlassungsansprüchen Zur Illustration der sich bei Unterlassungsansprüchen ergebenden Proble­ matik soll an dieser Stelle wiederum das Beispiel des Markenrechts dienen. Wer eine Marke widerrechtlich benutzt, kann gemäß § 14 Abs. 5 MarkenG von dem Markeninhaber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Da nach der hier vertretenen Auslegung unerheblich ist, ob durch die wider­ rechtliche Markenbenutzung zugleich der objektive Tatbestand einer nach § 143 MarkenG strafbaren Kennzeichenverletzung verwirklicht wird, finden die Privatrechtsrechtsklauseln in einer solchen Konstellation uneingeschränkt Anwendung. Sofern die Markennutzung bereits stattfindet, die entsprechen­ den Produkte etwa bereits zum Verkauf angeboten werden, liegt eine Störung der öffentlichen Sicherheit vor, sodass nach dem oben Gesagten von einem unerreichbaren gerichtlichen Rechtsschutz auszugehen ist. Infolgedessen kommt es für das Bestehen einer polizeilichen Handlungsbefugnis darauf an, ob ohne ein polizeiliches Einschreiten die Verwirklichung des Unterlassungs­ anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. a) Faktische Unmöglichkeit einer Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung Auf den ersten Blick würde bezogen auf das geschilderte Beispiel einzu­ wenden sein, die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Markeninha­ bers werde bereits mit dem ersten Verstoß gegen das korrespondierende Un­

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

terlassungsgebot vereitelt. Dieses Verständnis würde freilich unweigerlich dazu führen, dass eine Vereitelung der Rechtsverwirklichung schon mit Be­ ginn der Beeinträchtigung des subjektiven Rechts angenommen werden müsste. Wer sich an dieser Stelle vor Augen führt, dass die Rechtsbeeinträchtigung in den einschlägigen Konstellationen regelmäßig bereits begonnen und sich die für das subjektive Recht bestehende Gefahr mithin als eine Störung der öffentlichen Sicherheit herauskristallisiert hat269, dem wird die Unvereinbar­ keit dieser Auslegung mit der den Privatrechtsklauseln zugrundeliegenden gesetzgeberischen Intention evident. Denn genau wie im vorliegenden mar­ kenrechtlichen Beispiel müssten dann in den meisten Konstellationen die Voraussetzungen der Privatrechtsklausel bejaht werden, wodurch sich im Ergebnis eben jene polizeiliche Allzuständigkeit einstellen würde, wie sie für die Ausschließlichkeitstheorie kennzeichnend ist. Insbesondere auf dem Ge­ biet des geistigen Eigentums wären der Polizei somit umfangreiche Kompe­ tenzen eröffnet, obzwar der Schutz der insoweit in Rede stehenden immate­ riellen Rechte nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers vornehmlich durch die ordentliche Gerichtsbarkeit gewährleistet werden soll.270 Ange­ sichts dessen kann schon aus teleologischen Erwägungen nicht jede Zuwider­ handlung gegen ein Unterlassungsgebot zu der Besorgnis einer Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Durchsetzung des korrespondieren­ den Unterlassungsanspruchs führen. Dieses Ergebnis entspricht denn auch der von Repgen271 im Hinblick auf die zivilrechtliche Selbsthilfe vertretenen Auffassung, der – soweit ersicht­ lich – als einziger auf die sich bei Auslegung des § 229 BGB gleichermaßen einstellende Problematik eingeht und ebenso festhält, dass nicht jede Zuwi­ derhandlung eine Gefährdung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs bedeuten könne.272 Allerdings bleibt auch Repgen eine Erläuterung schuldig, wann von einer Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Durchset­ zung eines Unterlassungsanspruchs ausgegangen werden kann.

269  Siehe diesbezüglich auch die im zweiten Kapitel unter C.I.1. dargestellten Bei­ spielsfälle. 270  Siehe oben im zweiten Kapitel unter E.IV.2.b). 271  Repgen, in: Staudinger, § 229 Rn. 21. 272  Demgegenüber sieht das OLG Stuttgart die Voraussetzungen der zivilrecht­ lichen Selbsthilfe in einer einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch be­ treffenden Entscheidung ob der unlauteren Geschäftshandlung als erfüllt an, ohne die Voraussetzung der Anspruchsgefährdung auch nur zu erwähnen, OLG Stuttgart, Urt. v. 01.03.1996 – 2 U 205/95 –, juris-Rn. 19.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 287

aa) Anspruchsvereitelung Wer sich die zivilrechtliche Definition in Erinnerung ruft, nach der die Vereitelung eines Anspruchs als dessen unwiederbringlicher Verlust zu be­ greifen ist, sieht, dass der Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot nur in einem einzigen Fall zu einer Vereitelung des Unterlassungsanspruchs führen kann. Da sich ein Unterlassungsanspruch nicht gegen eine bestimmte, sondern ge­ gen jede zukünftige Zuwiderhandlung richtet273, besteht dieser so lange fort, wie das subjektive Recht existiert. Denn solange der Berechtigte Inhaber des subjektiven Rechts ist, vermittelt dieses ihm unweigerlich einen Unterlas­ sungsanspruch gegen jedwede Störung seiner aus dem Recht erwachsenden Befugnisse. Aus diesem Grund kann ein unwiederbringlicher Verlust des Unterlassungsanspruchs bezogen auf eine Zuwiderhandlung lediglich dann angenommen werden, sofern das subjektive Recht infolge derselbigen unter­ geht, mithin nicht mehr existiert. Besteht das subjektive Recht nach der Zu­ widerhandlung allerdings noch fort, kann der Rechteinhaber durch den voran­gegangenen Verstoß rechtslogisch nicht seines Anspruchs verlustig ge­ gangen sein. Für das Beispiel des Markenrechts haben diese theoretisch anmutenden Überlegungen die folgenden Konsequenzen: Die widerrechtliche Markennut­ zung lässt den aus § 14 Abs. 5 MarkenG resultierenden Unterlassungsan­ spruch unberührt. Dieser steht dem Markeninhaber weiterhin gegen den Störer zu und kann gerichtlich geltend gemacht werden. Eine Vereitelung der Rechtsverwirklichung im Sinne der Privatrechtsklauseln kann demnach nicht angenommen werden und die Polizei ist an einem Einschreiten zum Schutz des Markenrechts gehindert. Das hiernach gefundene Ergebnis erscheint bei näherem Hinsehen auch als durchaus interessengerecht. Der Markeninhaber erleidet durch das Versagen polizeilichen Schutzes keinen irreversiblen Nachteil, sondern vermag seinen Unterlassungsanspruch vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit, mithin auf dem von der Rechtsordnung hierfür vorgesehenen Weg, weiter zu verfolgen. Etwaige finanzielle Nachteile, die der Markenin­ haber dadurch erleidet, dass das gerichtliche Verbot die widerrechtliche Mar­ kennutzung nicht so schnell unterbindet, wie es eine polizeiliche Untersa­ gungsverfügung vermöchte, wären vom Markeninhaber hinzunehmen. Zumal das Gesetz in § 14 Abs. 6 MarkenG für die aus der widerrechtlichen Marken­ nutzung herrührenden Schäden explizit eine Schadensersatzpflicht des Stö­ rers vorsieht. 273  Thole, in: Staudinger, § 1004 Rn. 447; Spohnheimer, in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.05.2022, § 1004 Rn. 254 f.; siehe auch Raff, in: MüKo, BGB, § 1004 Rn. 302: „präventiver Zweck“, sowie dessen Ausführungen zu der sich aus diesem Umstand ergebenden Verjährungsproblematik, ders., a. a. O., Rn.  308.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

bb) Wesentliche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung Scheidet eine Vereitelung des Unterlassungsanspruchs in dem genannten Beispiel folglich aus, bleibt zu prüfen, ob infolge der widerrechtlichen Mar­ kennutzung die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs wesentlich er­ schwert wird und aus diesem Grund ein Bedürfnis nach einem polizeilichen Tätigwerden besteht. Angesichts der Funktion des Kriteriums, den ultimaratio-Charakter des polizeilichen Eingreifens zum Schutz subjektiver Rechte zu gewährleisten, muss die wesentliche Erschwerung der Anspruchsverwirk­ lichung der endgültigen Rechtsvereitelung dabei nahekommen. Sie ist allein dann anzunehmen, wenn die Durchsetzung des Anspruchs „in ähnlicher Weise gefährdet ist wie bei der Vereitelung“.274 Davon ausgehend erschwert die widerrechtliche Markennutzung die Verwirklichung des Unterlassungsan­ spruchs ebenso wenig wie sie diese vereitelt. Die Durchsetzung des gegen den Störer gerichteten Anspruchs ist dem Gläubiger nach der Zuwiderhand­ lung genauso möglich wie vor dieser. Ist eine Beeinträchtigung der An­ spruchsdurchsetzung somit nicht ersichtlich, sind die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln nicht erfüllt und die Polizei darf zum Schutz des Mar­ kenrechts nicht tätig werden. b) Das Dilemma Während es in dem geschilderten Beispiel noch plausibel erscheint, eine drohende Vereitelung respektive wesentliche Erschwerung der Durchsetzung des markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs mit Hinweis auf dessen Fort­ bestand zu verneinen, würde eine dahingehende Auslegung der Privatrechts­ klauseln in anderen Konstellationen auf höchst unbillige Ergebnisse hinaus­ laufen. Illustriert werden soll dies anhand der folgenden Fallgestaltung: Zwischen den Grundstücksnachbarn A und B schwelt seit langem ein erbitterter Nachbarschaftsstreit. Eines Nachts beobachtet A den B dabei, wie dieser die Türen des am Straßenrand geparkten Fahrzeugs des A zerkratzt. A bittet die Besatzung eines zufällig vorbeikommenden Streifenwagens, den B zur Unterlassung der wei­ teren Beschädigung seines Fahrzeugs anzuhalten.

Auch in dieser Konstellation stellt sich wiederum die Frage, ob ohne ein polizeiliches Einschreiten die Durchsetzung des dem A gegen den B zuste­ henden Unterlassungsanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Gemessen an den soeben aufgestellten Grundsätzen wird dies ver­ neint werden müssen. Die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche

274  Thiel,

Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 34.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 289

Wiederholungsgefahr vorausgesetzt275, verfügt A auch nach Beendigung der Beeinträchtigung noch über einen Unterlassungsanspruch gegen B. Der in der Beschädigung des Fahrzeugs zu erblickende Verstoß gegen das zugrun­ deliegende Unterlassungsgebot vermag hieran nichts zu ändern, weil das Ei­ gentum an dem Fahrzeug auch in Ansehung der erfolgten Substanzbeein­ trächtigung noch fortbesteht. Vor diesem Hintergrund kann auch in dieser Konstellation keine Vereitelung des Unterlassungsanspruchs im Sinne eines unwiederbringlichen Verlusts angenommen werden. Da ebenfalls nicht er­ sichtlich ist, inwiefern sich die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs infolge der Substanzbeeinträchtigung wesentlich erschwert haben könnte, müssen die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln konsequenterweise verneint werden. Die Polizei wäre demgemäß daran gehindert, zum Schutz des Fahrzeugs einzugreifen. Nun liegt die Unvereinbarkeit dieses Ergebnisses mit den grundrechtlichen Schutzpflichten auf der Hand. Wäre die Polizei an einem Schutz des Eigen­ tums gehindert, obzwar auch die hierfür originär zuständige ordentliche Ge­ richtsbarkeit nicht rechtzeitig tätig werden kann, wäre das Grundrecht dem privaten Übergriff faktisch schutzlos ausgeliefert. Die in den Privatrechts­ klauseln zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht wäre hierdurch ersicht­ lich konterkariert. Für die Auslegung der Vorschriften birgt diese Konsequenz ein veritables Dilemma. Da die Verwirklichung eines Unterlassungsanspruchs rechtslogisch nur durch eine zum Untergang des Rechts führende Zuwider­ handlung vereitelt bzw. wesentlich erschwert werden kann, ist es schlichtweg nicht möglich, anhand der Privatrechtsklauseln die exekutiven Befugnisse von denjenigen der Judikative abzugrenzen. In den Fällen, in denen sich die für das subjektive Recht bestehende Gefahr nicht als die Gefährdung eines zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs darstellt276, muss die vom Gesetz für die Abgrenzung polizeilicher und gerichtlicher Zuständigkeiten vorgesehene Regel deshalb versagen. c) Aktualität der Problematik für die Ausschließlichkeitstheorie Unbedingt zu betonen bleibt an dieser Stelle, dass das aufgezeigte Di­ lemma keine Folge der hier vertretenen Aufgabe des Anwendungsvorrangs 275  § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB lautet: „Sind weitere Beeinträchtigungen zu besor­ gen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“; die notwendige Wiederho­ lungsgefahr kann auch aufgrund einer einzigen Verletzungshandlung bestehen, siehe Thole, in: Staudinger, § 1004 Rn. 450. 276  Bei der Durchsetzung von Herausgabeansprüchen besteht bei genauer Betrach­ tung eine identische Problematik, da auch deren Durchsetzung an sich erst durch den Untergang der herauszugebenden Sache vereitelt oder wesentlich erschwert zu wer­ den vermag.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

der objektiven Rechtsordnung ist, sondern sich die identische Problematik gleichermaßen auf dem Boden der Ausschließlichkeitstheorie einstellt. Zwar käme die allgemeine Meinung in den beiden genannten Beispielen ob der in Rede stehenden Verwirklichung einer Straftat nach § 303 StGB respektive § 143 MarkenG erst gar nicht zur Anwendung der Privatrechtsklauseln, doch vermag der Verweis auf eine für die Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung bestehende Gefahr nicht in sämtlichen Konstellationen über die aufgezeigte Problematik hinwegzuhelfen. Verwiesen werden kann in diesem Zusammenhang etwa auf den vom PrOVG277 entschiedenen Fall einer widerrechtlich in einem Obstgarten auf­ gestellten Schaukel. Da das Aufstellen der Schaukel nach geltender Rechts­ lage keinen Verstoß gegen die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung darstellt, befinden sich auch die Vertreter der Ausschließlichkeitstheorie in der Verlegenheit, die Befugnis der Polizei zu einem Einschreiten von den Voraussetzungen der Privatrechtsklausel abhängig machen zu müssen. Auf­ grund der bereits andauernden Beeinträchtigung des Grundstückeigentums, kommt es ergo wiederum auf die Frage an, ob ohne polizeiliche Hilfe bei der Entfernung der Schaukel, die Verwirklichung des Grundstückeigentums ver­ eitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Da hinsichtlich der Verwirk­ lichung des Grundstückeigentums allein auf einen entsprechenden Unterlas­ sungsanspruch abgestellt werden kann278, sieht sich folglich auch der Vertre­ ter der allgemeinen Meinung mit der skizzierten Problematik konfrontiert.279 277  PrOVG, Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441; zum zugrunde­ liegenden Sachverhalt siehe die Ausführungen im zweiten Kapitel unter E.II.2.a). 278  Ein vertraglicher Anspruch auf Räumung des Grundstücks nach § 596 Abs. 1 BGB dürfte nicht in Betracht kommen, da der Pachtvertrag durch den Eigentümer nicht wirksam gekündigt worden sein dürfte. Jedenfalls ließe sich das Beispiel ohne Weiteres dahingehend abwandeln, dass anstelle eines Pächters ein Dritter, der keiner­ lei vertragliche Beziehungen zum Grundstückseigentümer unterhält, die Schaukel auf dem Grundstück aufbaute. Zumindest in diesem Fall würden vertragliche Herausga­ beansprüche gegen den Schaukelaufsteller ausscheiden, sodass einzig auf den aus dem Eigentum folgenden Unterlassungsanspruch abgestellt werden könnte. Ein Her­ ausgabeanspruch nach § 985 BGB würde hierbei am fehlenden Besitz des Schau­ kelaufstellers scheitern, weil durch das Aufstellen einer Schaukel jedenfalls im Regel­ fall kein Besitz an dem (gesamten) Grundstück begründet wird. 279  Abstrakt formuliert besteht die Problematik auch für die Ausschließlichkeits­ theorie immer dann, sofern sich die Beeinträchtigung des subjektiven Rechts als straflose Gebrauchsanmaßung darstellt. Da abgesehen von wenigen Ausnahmen (un­ befugter Gebrauch von Fahrzeugen nach § 248b StGB, unbefugter Gebrauch von Pfandsachen nach § 290 StGB) die Straflosigkeit des furtum usus den Regelfall dar­ stellt (siehe Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 242 Rn. 24), ergibt sich hierdurch ein nicht unerheblicher Anwendungsbereich. Zu nennen ist hierbei etwa das widerrecht­ liche Abstellen von Kraftfahrzeugen, soweit hierin – richtigerweise – keine tatbe­ standliche Nötigung gemäß § 240 StGB erblickt wird; siehe hierzu die Ausführungen im zweiten Kapitel unter C.I.1.b).



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 291

d) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt zu konstatieren, dass die wortlautgetreue Auslegung der Privatrechtsklauseln der gesetzgeberischen Intention eklatant zuwiderläuft. Würde jedwede Zuwiderhandlung gegen das einem Unterlas­ sungsanspruch zugrundeliegende Unterlassungsgebot für die Annahme einer Anspruchsvereitelung ausreichen, würden die vom Gesetzgeber als Ein­ schränkung der polizeilichen Befugnisse vorgesehenen Vorschriften leerlau­ fen und die Polizei wäre bei jeder Störung der öffentlichen Sicherheit zu ei­ nem Einschreiten befugt. Würde das Erfordernis der Vereitelung bzw. we­ sentlichen Erschwerung demgegenüber streng verstanden, würde dies eine grobe Missachtung der grundrechtlichen Schutzpflichten bedeuten, weil die Polizei erst dann zu einem Schutz eines subjektiven Rechts befugt wäre, so­ fern infolge der fortdauernden Beeinträchtigung ein Untergang des subjekti­ ven Rechts zu besorgen wäre.

V. Teleologische Auslegung des Erfordernisses der Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung Versagt die vom Gesetzgeber vorgesehene Abgrenzung in den skizzierten Konstellationen demnach insbesondere immer dann, wenn auf die Durchset­ zung eines Unterlassungsanspruchs abzustellen ist und sich die Gefahr für das subjektive Recht als eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt, ist für diesen Fall eine Abgrenzungsregel zu finden, die der den Vorschriften zugrundeliegenden gesetzgeberischen Intention gerecht wird. Das Erforder­ nis der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirk­ lichung ist in den genannten Konstellationen dementsprechend teleologisch auszulegen. 1. Die zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung Ermächtigt das Gesetz die Polizei zum Schutz subjektiver Rechte, sofern deren Verwirklichung vereitelt oder wesentlich erschwert zu werden droht, kommt darin eine gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck, die anhand des folgenden Beispiels verdeutlich werden soll: A hat gegen B einen Anspruch auf Herausgabe eines Bildes, dessen Bestehen B bestreitet. A verklagt B auf Herausgabe des Bildes. Eines Tages sieht A zufällig, wie B gerade im Begriff ist, das Bild in seinem Kamin zu verbrennen. Abwandlung: A sieht zufällig wie B mit dem Bild im Gepäck am Flughafen in ein Flugzeug nach Südamerika eincheckt.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Wird nach dem hier vertretenen Ansatz von einer Anwendbarkeit der Pri­ vatrechtsklauseln ausgegangen280, sind deren Voraussetzungen in beiden Konstellationen zu prüfen. Die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes lässt sich hierbei jeweils leicht begründen. Weder durch Erlass (und Zustellung) einer einstweiligen Verfügung noch durch Anordnung eines Arrests könnte A den B – rechtzeitig – durch ein Gericht am Verbrennen des Bildes bzw. dem Flug nach Südamerika hindern lassen. Ferner muss von einer Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Durchsetzung des Herausgabean­ spruchs ohne ein polizeiliches Eingreifen ausgegangen werden. So würde in der ersten Variante das Gericht die Herausgabeklage des A abweisen, weil dem B infolge der Zerstörung des Bildes dessen Herausgabe unmöglich ge­ worden wäre. Folglich wäre von einem unwiederbringlichen Verlust im Sinne einer Vereitelung des Herausgabeanspruchs auszugehen, da dieser gemäß § 275 Abs. 1 BGB281 untergegangen wäre. In der zweiten Variante hingegen würde das Gericht den B zwar zur Herausgabe des Bildes verurteilen, der dahin lautende Vollstreckungstitel wäre für den A jedoch wirtschaftlich wert­ los, weil B das Bild zum Zeitpunkt der Verurteilung bereits nach Südamerika verbracht hätte. Deswegen bestünde der Herausgabeanspruch des A aus rechtlicher Perspektive zwar weiter fort, realisieren könnte A diesen aber kaum, da das Bild dem Zugriff der deutschen Vollstreckungsorgane faktisch entzogen wäre. Derlei Konstellationen dürfte der Gesetzgeber vor Augen gehabt haben, als er das Erfordernis der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung formuliert hat. Aus diesem Grund muss sich die Ant­ wort auf die Frage, wann bei Unterlassungsansprüchen von einer Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung auszugehen ist, an der gesetzgeberischen Wertung orientieren, die in den geschilderten Bei­ spielsfällen zum Ausdruck kommt. Insbesondere die zweite Variante des Beispiels weist dabei nicht zu über­ sehende Parallelen zu der in Rede stehenden Problematik auf und kann folg­ lich für deren Lösung fruchtbar gemacht werden. Indem das Gesetz in einer Konstellation wie dieser nämlich die wesentliche Erschwerung der An­ spruchsverwirklichung ausreichen lässt, gibt der Gesetzgeber zu erkennen, dass er das Bedürfnis für ein polizeiliches Eingreifen nicht nur dann aner­ kennt, wenn dem Rechteinhaber andernfalls die Durchsetzung seines An­ spruchs schlechthin verwehrt wäre. Vielmehr besteht ein solches nach der 280  Zur Behandlung eines entsprechenden Falls durch die Ausschließlichkeitstheo­ rie ist auf den im zweiten Kapitel unter C.I.1.f) (Fall 6: Herausgabeanspruch) darge­ stellten Beispielsfall zu verweisen. 281  § 275 Abs. 1 BGB lautet: „Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, so­ weit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.“



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 293

gesetzgeberischen Wertung auch dann, wenn der Rechteinhaber seinen An­ spruch zwar auch ohne den polizeilichen Zugriff durchsetzen könnte, dies bei wertender Betrachtung jedoch einer Anspruchsvereitelung gleichkäme, da er das dem Anspruch zugrundeliegende Rechtsschutzziel, im Beispiel die Her­ ausgabe des Bildes, faktisch nicht erreichen könnte. Nach der Wertung des Gesetzes steht die faktische Vereitelung eines Anspruchs mithin dessen recht­ lichen Untergang gleich. Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, bei Unter­ lassungsansprüchen, die, wie dargelegt wurde, in rechtlicher Hinsicht kaum einmal vereitelt werden können, ausschließlich auf die faktische Vereitelung im Sinne einer wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung abzu­ stellen. 2. Die Parallelproblematik im vorläufigen Rechtsschutz des Zivilprozesses Indizien, wann die faktische Vereitelung eines Anspruchs zu besorgen ist, lassen sich hierbei der zivilgerichtlichen Rechtsprechung entnehmen. So be­ steht auf dem Gebiet des vorläufigen Rechtsschutzes eine ähnlich gelagerte Problematik, die daraus resultiert, dass auch der Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 935 ZPO die Vereitelung oder zumindest die wesent­ liche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung voraussetzt. Namentlich bei Heraus­gabeansprüchen282 stand die ordentliche Gerichtsbarkeit deswegen vor 282  Obgleich Gegenteiliges naheliegen würde, kann für die hiesige Untersuchung nicht auf die von der Rechtsprechung und der Literatur für den Zivilprozess aufge­ stellten Grundsätze zur Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen mittels einstwei­ liger Verfügung abgestellt werden. So wird bei der Durchsetzung von Unterlassungs­ ansprüchen – soweit ersichtlich – nirgends auf den diesbezüglichen Wortlaut des § 935 ZPO eingegangen und es findet sich in diesem Zusammenhang stets nur der Hinweis, dass aus einem zurückliegenden Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot nicht auf die Besorgnis einer künftigen Zuwiderhandlung geschlossen werden könne, son­ dern es vielmehr diesbezüglich konkreter Anhaltspunkte für die Annahme einer Zuwi­ derhandlung bedürfe (Drescher, in: MüKo, ZPO, § 935 Rn. 17; OLG Düsseldorf, ­Beschl. v. 06.01.2015 – I-16 W 92/14 –, juris-Rn. 3; siehe insbesondere auch Bruns, der – beiläufig – in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit einer „endgültigen Vereitelung“ des Anspruchs „für die Zeit bis zum Erlaß eines vorläufig vollstreckba­ ren Urteils“ ausgeht und hierdurch erkennbar ein abweichendes Verständnis des Be­ griffs der endgültigen Rechtsvereitelung zugrunde legt, ders., in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 935 Rn. 45, Hervorhebung nur hier). Hintergrund dieser begrifflichen Ungenau­ igkeit dürfte der Umstand sein, dass sich das Vorliegen eines Verfügungsgrunds bei einstweiligen Verfügungen nicht allein nach § 935 ZPO richtet, der auf die Gefahr der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Verwirklichung des Rechts abstellt, sondern ebenso nach § 940 ZPO, der keine entsprechende Formulierung vorsieht. Insoweit besteht zivilprozessual demnach keine Notwendigkeit eingehend auf die Möglichkeit einer Vereitelung eines Unterlassungsanspruchs einzugehen; zum um­ strittenen Verhältnis von § 935 und § 940 ZPO eingehend Drescher, in: MüKo, ZPO,

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

der Herausforderung, herausarbeiten zu müssen, wann eine wesentliche Er­ schwerung der Anspruchsverwirklichung angenommen werden kann. Denn wie aus dem eingangs dargestellten Beispiel hervorgeht, kann bei einer rein rechtlichen Betrachtung auch im Falle eines Herausgabeanspruchs nur dann von einem unwiederbringlichen Verlust des Anspruchs ausgegangen werden, sofern die in Rede stehende Sache untergeht. Die von der Rechtsprechung diesbezüglich aufgestellten Grundsätze lassen sich hierbei wie folgt zusammenfassen. Während in der schlichten Weiterbe­ nutzung der herauszugebenden Sache noch keine wesentliche Erschwerung der Anspruchsverwirklichung liegt, ist eine solche dann anzunehmen, sofern der Sache infolge übermäßiger Benutzung eine Verschlechterung oder sonst ein besonderer Wertverlust droht.283 Dem Grunde nach wird damit eine wirt­ schaftliche Betrachtung angestellt, die letztendlich auf eine Billigkeitskon­ trolle anhand folgender Fragestellung hinausläuft: Drohen dem Gläubiger wirtschaftliche Nachteile, die es unzumutbar erscheinen lassen, die herauszu­ gebende Sache bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens in der Obhut des Schuldners zu belassen? 3. Unzumutbarkeit der Rechtsbeeinträchtigung Die von der ordentlichen Gerichtsbarkeit entwickelten Grundsätze auf den hiesigen Kontext übertragen, ist demnach zu fragen, ob es dem Rechteinha­ ber zugemutet werden kann, die mitunter bereits stattfindende Beeinträchti­ gung seines subjektiven Rechts bis zu dem Zeitpunkt, in dem er gerichtlichen Schutz erlangen könnte, d. h. in der Regel bis zum Wirksamwerden einer einstweiligen Verfügung, hinzunehmen. Dass mit dem Begriff der Zumutbarkeit hierbei ein denkbar unbestimmtes Abgrenzungskriterium zum Tragen kommt, soll an dieser Stelle nicht geleug­ net werden. Im Gegensatz zu dem vom VGH BW284 entschiedenen Fall, in dem dieser ebenfalls – wenngleich unter einem anderen Gesichtspunkt285 – auf den Begriff der Zumutbarkeit rekurrierte, ist das Abstellen auf den Ge­ danken der Zumutbarkeit an dieser Stelle allerdings erforderlich. Da es aus den dargelegten Gründen nicht möglich ist, die Befugnisse der Polizei in den § 935 Rn. 3 f. Weshalb im Gegensatz hierzu bei Herausgabeansprüchen explizit unter den Wortlaut des § 935 ZPO subsumiert wird, ist nicht ersichtlich. 283  Drescher, in: MüKo, ZPO, § 935 Rn. 17; Huber, in: Musielak/Voit, ZPO, § 935 Rn.  13 f. 284  VGH BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 72; ausführlich hierzu unter B.V. 285  Zur Abgrenzung der hier entwickelten Lösung vom Ansatz des VGH BW siehe noch unter C.V.3.d).



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 295

hier interessierenden Konstellationen anhand des Wortlauts der Privatrechts­ klauseln zu bestimmen, ist es unumgänglich, die Abgrenzung stattdessen mithilfe eines aus dem Telos der Vorschriften abgeleiteten Kriteriums vorzu­ nehmen. Dass diese Lösung unweigerlich mit dem auch in diesem Zusam­ menhang zu beachtenden Bestimmtheitsgebot286 in Konflikt gerät, muss hierbei hingenommen werden. Zumal auch die vom Gesetz vorgesehene Abgrenzungsregel mit dem Erfordernis der „wesentlichen Erschwerung“ ein allenfalls bedingt bestimmtes Abgrenzungskriterium vorsieht. Ungeachtet dessen gilt es, im Folgenden einzelne Kriterien zu entwickeln, mit deren Hilfe sich der Begriff der Zumutbarkeit – soweit möglich – präzi­ sieren lässt. Die aufgestellten Kriterien erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sollen als Anhaltspunkte für eine weitere Präzisie­ rung durch die Literatur und die Rechtsprechung fungieren. a) Vereitelung der Anspruchsdurchsetzung bei zeitgebundenen Beeinträchtigungen Für die Präzisierung des Zumutbarkeitsbegriffs kommt im hier interessie­ renden Zusammenhang insbesondere dem Aspekt der Zeitgebundenheit der Beeinträchtigung maßgebliche Bedeutung zu. So sind die dem Rechteinhaber gegen den Störer zustehenden Unterlassungsansprüche oftmals derart zeitge­ bunden, dass deren nachträgliche gerichtliche Geltendmachung zwar recht­ lich möglich ist, das eigentliche Rechtsschutzziel des Rechteinhabers durch ein nachträgliches Gerichtsverfahren jedoch nicht mehr erreicht werden kann. Im Beispiel des nächtlich beschädigten Kraftfahrzeugs ist etwa der Unter­ lassungsanspruch des Eigentümers A nicht auf die Abwehr einer andauernden Beeinträchtigung, sondern auf die Abwehr einer konkreten Verletzungshand­ lung gerichtet. Würde der A – hypothetisch gedacht – just in dem Moment der Beschädigung gerichtlich gegen den Störer B vorgehen, wäre sein Rechts­ schutzbegehren weniger auf die generelle Unterlassung einer Beschädigung seines Eigentums, denn auf die Unterlassung der ganz konkreten Verletzungs­ handlung in Gestalt des Zerkratzens gerichtet. Würde er im Nachgang der Be­ schädigung seinen Unterlassungsanspruch gegen B geltend machen – die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr vorausge­ setzt287 – bestünde sein Unterlassungsanspruch zwar fort, dieser wäre indes nicht mehr auf die Abwehr der bereits begangenen Beschädigung, sondern auf die Unterlassung weiterer Beschädigungen gerichtet. Sein eigentliches Rechts­ 286  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 251. einem bereits erfolgten Verstoß gegen die Unterlassungspflicht werden weitere Beeinträchtigungen grundsätzlich vermutet, hierzu Raff, in: MüKo, BGB, § 1004 Rn. 303. 287  Bei

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

schutzziel, die Abwehr der konkret in Rede stehenden Beschädigung, wäre sonach vereitelt, weil die zu besorgende Substanzbeeinträchtigung bereits ein­ getreten wäre. Obzwar ihm Identität und Anschrift des B bekannt sind, könnte er das mit dem Unterlassungsanspruch verbundene, für ihn primäre Rechts­ schutzziel ohne polizeiliche Hilfe mithin nicht erreichen, sodass eine wesent­ liche Erschwerung der Rechtsverwirklichung im Sinne der Privatrechts­ klauseln anzunehmen ist. Die Polizei wäre dementsprechend zu einem Ein­ schreiten zum Schutz des Eigentums befugt, weshalb sich die verstörende Vorstellung, die Polizei könne nach dem hier vertretenen Ansatz ob der An­ wendbarkeit der Privatrechtsklauseln gezwungen sein, die Begehung von Straftaten tatenlos mitansehen zu müssen, als unzutreffend erweist. Im Grunde dürften diese Erwägungen lediglich eine Überlegung vertiefen, die im Ausgangspunkt bereits heute in der Literatur vertreten wird. So dürfte der hier entwickelte Ansatz im Wesentlichen mit der Auffassung Holzners übereinstimmen. Denn indem dieser danach fragt, ob die „drohende Schädi­ gung des Rechts auf dem Gerichtswege nicht mehr oder nicht mehr vollstän­ dig rückgängig gemacht werden“288 könne, scheint auch er die Zeitgebun­ denheit der in Rede stehenden Unterlassungsansprüche zu erkennen289, wenngleich er dies nicht expressis verbis hervorhebt. Nicht zuletzt bestätigt auch ein Blick auf das Zivilprozessrecht, dass dem Aspekt der Zeitgebunden­ heit im Hinblick auf eine etwaige Vereitelung von Unterlassungsansprüchen maßgebliches Gewicht zukommt. So wird auch bei der gerichtlichen Durch­ setzung von Unterlassungsansprüchen im Wege der einstweiligen Verfügung einer etwaigen Zeitgebundenheit bzw. Dringlichkeit der abzuwehrenden Be­ einträchtigung im Hinblick auf die Frage des Vorliegens eines Verfügungs­ grunds bisweilen eine dezisive Bedeutung zugesprochen.290 Diametral zum Beispiel der nächtlichen Sachbeschädigung vermag in der markenrechtlichen Konstellation eine Unzumutbarkeit gerichtlichen Schutzes nicht mit Verweis auf die Zeitgebundenheit der Beeinträchtigung begründet zu werden. So wäre im Falle eines gerichtlichen Vorgehens des Rechteinha­ bers gegen den Störer der Unterlassungsanspruch nicht auf die Unterlassung der widerrechtlichen Markennutzung zu einem bestimmten Zeitpunkt, son­ dern auf das generelle Unterlassen der in Rede stehenden Beeinträchtigung gerichtet. Seinen Unterlassungsanspruch könnte der Gläubiger demzufolge 288  Holzner,

in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 28. in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 225, scheinen ähnlichen Erwägungen anzustellen, indem sie darauf abstellen, ob die „nachträgliche Anrufung von Gerichten zur effektiven Schadensbeseitigung nicht mehr geeignet wäre“. 290  Siehe etwa OLG Koblenz, Urt. v. 06.08.2002 – 3 U 78/02 –, BeckRS 2005, 5353; Bruns, in: Stein/Jonas, ZPO, Vor. § 935 Rn. 43; zum Beispiel des Wettbewerbs­ rechts Retzer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 12 Rn. 99. 289  Gusy/Worms,



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 297

auch im Nachgang noch sinnvollerweise gegen den Störer geltend machen. Die Konstellation ähnelt somit der bloßen Nutzung einer Sache, bei der in Bezug auf Herausgabeansprüche ebenfalls keine wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung angenommen wird. Konsequenterweise muss nun etwas anderes gelten, wenn das Beispiel dahingehend abgewandelt wird, dass es dem Markeninhaber um die Abwehr einer ganz konkreten Handlung, etwa um den Verkauf von Produkten anläss­ lich einer Messeveranstaltung, geht. In diesem Fall wäre die Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs ohne ein polizeiliches Einschreiten gewiss vereitelt, weil sich das Rechtsschutzbegehren des Markeninhabers infolge Zeitablaufs erledigt hätte. Polizeiliche Befugnisse auf dem Gebiet des geisti­ gen Eigentums sind mithin auch unter Aufgabe des Anwendungsvorrangs der objektiven Rechtsordnung nicht schlechthin ausgeschlossen. Anders als nach der allgemeinen Meinung, wird nach der hier entwickelten Lösung das poli­ zeiliche Einschreiten jedoch durch die Anwendung der Privatrechtsklauseln auf dringende Fälle beschränkt. b) Substanzbeeinträchtigung/Höhe des drohenden Schadens Weiterhin kann auch das Besorgen einer Substanzbeeinträchtigung die Annahme einer wesentlichen Erschwerung des Unterlassungsanspruchs des Gläubigers rechtfertigen. Zwar sind Substanzbeeinträchtigungen einer nach­ träglichen finanziellen Kompensation zugänglich, gleichwohl kann dem Rechteinhaber nicht zugemutet werden, dieselbige in Erwartung des Scha­ densersatzanspruches hinzunehmen. Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie bei der zivilrechtlichen Selbsthilfe, bei der die Aussicht auf eventuell entstehende Schadensersatzansprüche bei der Bewertung der Anspruchsge­ fährdung ebenfalls außer Betracht bleibt.291 Unbedingt zu beachten ist indessen, dass dem Aspekt der Substanzbeein­ trächtigung für sich genommen lediglich indizielle Bedeutung zukommen kann. Denn der mit einer Substanzbeeinträchtigung verbundene wirtschaftli­ che Schaden dürfte zwar regelmäßig, aber nicht zwangsläufig höher als bei einer reinen Nutzungsbeeinträchtigung ausfallen. Diesbezüglich kann wiede­ rum auf die beiden angeführten Fallbeispiele verwiesen werden. Bei der Beschädigung des Fahrzeugs vermag nämlich nicht ohne Weiteres ein höhe­ rer wirtschaftlicher Schaden als bei der widerrechtlichen Markennutzung befürchtet zu werden.

291  Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 5 unter Verweis auf die amtliche Begrün­ dung des historischen Gesetzgebers.

298

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Angesichts dessen muss neben einer drohenden Substanzbeeinträchtigung auch der Höhe des drohenden Schadens für die Frage der wesentlichen Er­ schwerung der Anspruchsverwirklichung Bedeutung zugemessen werden. Allerdings ist auch diesbezüglich lediglich von einer indiziellen Bedeutung auszugehen, da andernfalls beispielsweise auf dem Gebiet des geistigen Ei­ gentums, auf dem typischerweise erhebliche finanzielle Schäden drohen, re­ gelmäßig eine polizeiliche Zuständigkeit angenommen werden müsste. c) Umgehung zivilprozessualer Vollstreckungsvorschriften Gegen die Annahme einer wesentlichen Erschwerung der Anspruchsver­ wirklichung kann der Umstand sprechen, dass durch einen polizeilichen Zu­ griff die von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Vollstreckungsvorschrif­ ten umgangen werden würden. aa) Die Entscheidung des VG Aachen Als bedenkliches Vorbild für dieses Kriterium fungiert dabei die bereits vorgestellte292 Entscheidung des VG Aachen293, in dem dieses über die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme zum Schutz des elterlichen Aufenthaltsbestimmungsrechts zu befinden hatte. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die Polizei gegen den leiblichen Vater eines Kindes einen Platzverweis ausgesprochen sowie eine Ingewahrsam­ nahme angedroht, um zu verhindern, dass er entgegen einer familiengericht­ lichen Anordnung das Kind montags von der Schule abholt.294 Das Aufent­ haltsbestimmungsrecht stand dem Kindesvater nach der familiengerichtlichen Anordnung nämlich lediglich alle 14 Tage von Freitagnachmittag bis Mon­ tagmorgen zu.295 Das VG Aachen, welches inzident296 über die Rechtmäßig­ keit des Platzverweises sowie der angedrohten Ingewahrsamnahme zu ent­ scheiden hatte, sah die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln als erfüllt an und nahm ohne jegliche Begründung in einem Halbsatz eine „Vereitelung“ des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter an. So heißt es in der Ent­

292  Siehe

oben unter B.II.2.a). ­Beschl. v. 14.01.2010 – 6 L 533/09 –, juris. 294  VG Aachen, ­Beschl. v. 14.01.2010 – 6 L 533/09 –, juris-Rn. 5.  295  VG  Aachen, a. a. O., juris-Rn.  23. 296  Prozessual lag dem Verfahren ein Antrag des Kindesvaters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zugrunde, mit der dieser die Polizei zur Unterlassung ver­ gleichbarer Maßnahmen in der Zukunft verpflichten wollte, VG Aachen, a. a. O., jurisRn. 5. 293  VG Aachen,



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 299

scheidung diesbezüglich lediglich, „seine Verwirklichung würde ohne poli­ zeiliche Hilfe vereitelt.“297 bb) Bedenken gegen die Auffassung des VG Aachen Die Einschätzung des VG Aachen ist aus mehreren Gründen unzutreffend. Zunächst muss die Annahme einer Vereitelung des Aufenthaltsbestimmungs­ rechts der Mutter nach den vorstehenden Ausführungen durchgreifenden Bedenken begegnen. Da die Vereitelung eines Rechts lediglich bei einem unwiederbringlichen Rechtsverlust angenommen werden kann, wäre die Ein­ schätzung des VG Aachen allein dann zutreffend, sofern die Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht infolge der drohenden widerrechtlichen Vor­ enthaltung ihres Kindes unwiederbringlich verlieren würde. Dass die bloße Beeinträchtigung eines Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht dessen Erlöschen zur Folge haben kann, liegt dabei auf der Hand. Aus diesem Grund hätte das VG Aachen anstelle einer Rechtsvereitelung die wesentliche Erschwerung der Anspruchsverwirklichung prüfen und sich dabei gerade mit der in Rede stehenden Problematik auseinandersetzen müssen. Entgegen der Auffassung des VG Aachen ist hinsichtlich der Rechtsverwirklichung nämlich nicht auf das Aufenthaltsrecht als solches298, sondern auf die aus dem Aufenthaltsbe­ stimmungsrecht resultierenden Ansprüche abzustellen. Verdeutlicht werden kann dies, wenn die Konstellation leicht abgewandelt wird. Hätte der Kin­ desvater das Kind tatsächlich von der Schule abgeholt, hätte der Mutter ge­ mäß § 1632 Abs. 1  BGB299 ein Anspruch auf Herausgabe des Kindes zuge­ standen. In diesem Fall hätte hinsichtlich der Rechtsverwirklichung auf die Durchsetzung dieses Herausgabeanspruchs abgestellt werden müssen, denn genau wie es sich bei dem Vindikationsanspruch nach § 985 BGB um einen aus dem Eigentum folgenden Herausgabeanspruch handelt, resultiert der Herausgabeanspruch nach § 1632 Abs. 1 BGB aus dem von der elterlichen Personensorge umfassten Aufenthaltsbestimmungsrecht.300 Gemessen daran kommt es für die Rechtmäßigkeit des Platzverweises so­ wie der Androhung der Ingewahrsamnahme darauf an, ob ohne diese Maß­ 297  VG  Aachen,

a. a. O., juris-Rn.  24. ­Beschl. v. 14.01.2010 – 6 L 533/09 –, juris-Rn. 24: „Der Schutz des lediglich während dieser Zeitspanne begrenzten Aufenthaltsbestimmungsrechts der alleinsorgeberechtigten Kindesmutter kann in der zugrundeliegenden Fallkonstel­ lation (amts-)gerichtlich nicht rechtzeitig gewährleistet werden; seine Verwirklichung würde ohne polizeiliche Hilfe vereitelt“, Hervorhebung nur hier. 299  § 1632 Abs. 1 BGB lautet: „Die Personensorge umfasst das Recht, die Heraus­ gabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.“ 300  Huber, in: MüKo, BGB, § 1632 Rn. 1. 298  VG Aachen,

300

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

nahmen die Verwirklichung des der Mutter gegen den Kindesvater zustehen­ den Unterlassungsanspruchs wesentlich erschwert worden wäre. Damit ist letztendlich wiederum die Frage aufgeworfen, ob es der Mutter des Kindes unzumutbar gewesen wäre, die Beeinträchtigung ihres Aufenthaltsbestim­ mungsrechts bis zum Erlass einer familiengerichtlichen Anordnung hinneh­ men zu müssen. Gegen die Annahme einer Unzumutbarkeit sprechen nun die folgenden Erwägungen: Der vom VG Aachen entschiedene Fall unterscheidet sich von den bisher skizzierten Konstellationen dadurch, dass die Polizei hier nicht im Vorgriff auf eine gerichtliche Auseinandersetzung tätig wurde, sondern zwischen Rechteinhaber und Störer bereits ein zivilprozessuales Verfahren stattgefun­ den hatte. So hatte das zuständige Familiengericht die in Rede stehende Umgangsregel angeordnet301, gegen die der Kindesvater nun zu verstoßen drohte. Infolgedessen stellten sich die polizeilichen Maßnahmen letztlich als die zwangsweise Vollstreckung der vom Gericht getroffenen Anordnung dar. Die erheblichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen rühren daher, dass die Vollstreckung familiengerichtlicher Entscheidungen in den §§ 86 f. FamFG eine eigene gesetzliche Regelung gefunden hat und die polizeilichen Kompetenzen hierbei nach § 87 Abs. 3 Satz 1 FamFG auf das Leisten von Vollzugshilfe beschränkt sind. Bemerkenswerterweise bemüht das VG Aachen gerade die gesetzliche Aufgabe der Vollzugshilfe302, um die polizeiliche Zuständigkeit für die in Rede stehenden Maßnahmen zu begrün­ den. Mit dem Hinweis, eine einstweilige Anordnung des Familiengerichts zum Schutz des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Mutter hätte im Falle der erneuten Zuwiderhandlung letztlich ohnehin mit Hilfe der Polizei durchge­ setzt werden müssen303, begründet das VG Aachen eine polizeiliche Hand­ lungsbefugnis und verkennt das Wesen der polizeilichen Vollzugshilfe hier­ durch grundlegend. Im Rahmen der Vollzugshilfe vollstreckt die Polizei fremde, d. h. von anderen Behörden, etwa dem Gerichtsvollzieher, getroffene Entscheidungen, weshalb sich die Vollzugshilfe fundamental von der Vor­ nahme eigener Maßnahmen unterscheidet.304 Sieht das Gesetz, wie bei der 301  VG Aachen,

­Beschl. v. 14.01.2010 – 6 L 533/09 –, juris-Rn. 23. Abs. 3 i. V. m. §§ 47 f. PolG NRW (= § 1 Abs. 3, §§ 25 f. ME PolG). 303  VG  Aachen, a. a. O., juris-Rn.  24. 304  Siehe nur Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 16; Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 254; deutlich wird der Charakter der Vollzugs­ hilfe als Vollstreckung fremder Entscheidungen auch durch den Umstand, dass die Polizei im Rahmen der Vollzugshilfe keine eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen anstellen darf (so ausdrücklich Nr. 47.23 der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz Nordrhein-Westfalens, VV PolG, Runderlass. d. Innenministeriums v. 19.12.2003 – 44.1-2001), sondern auf die Rolle einer unselbstständigen Hilfsbehörde beschränkt ist, siehe insoweit auch § 47 Abs. 2 Satz 1 PolG NRW, nach dem die Polizei aus­ schließlich für die Art und Weise der Vollzugshilfe verantwortlich ist. 302  § 1



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 301

Vollstreckung von familiengerichtlichen Entscheidungen, für die Polizei le­ diglich die Rolle der Vollzugshilfe vor, scheidet die Annahme einer eigenen polizeilichen Zuständigkeit für die zu vollstreckende Maßnahme somit rechtslogisch aus.305 Im Ergebnis erweist sich der von der Polizei vorgenom­ mene Eingriff deshalb als evidente Umgehung der in §§ 86 f. FamFG vorge­ sehenen Vollstreckungsmaßnahmen. Der Ansatz des VG Aachen ließe – konsequent zu Ende gedacht – nicht weniger als den Großteil zivilprozessualer Vollstreckungsvorschriften zur Makulatur werden. Sofern das Besorgen künftiger Zuwiderhandlungen tat­ sächlich eine eigene Vollstreckungszuständigkeit der Polizei begründen könnte, wäre die Polizei nämlich überall dort zu einer eigenmächtigen Voll­ streckung ermächtigt, wo das Gesetz an sich eine Zuständigkeit bestimmter Vollstreckungsorgane vorsieht. Erwirkt etwa der Markeninhaber infolge einer widerrechtlichen Markennutzung eine einstweilige Verfügung gegen den Stö­ rer, müsste er auf Basis der Auffassung des VG Aachen im Falle einer Zuwi­ derhandlung nicht unbedingt einen Ordnungsmittelantrag nach § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO306 stellen, vielmehr könnte er ebenso durch einen Anruf bei der örtlichen Polizeibehörde versuchen, diese dazu zu bewegen, das vom Gericht angeordnete Verbot unter Außerachtlassung der einschlägigen zivilprozessua­ len Vorschriften zwangsweise durchzusetzen. Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, inwiefern es der Mutter des Kindes unzumutbar gewesen wäre, eine Beeinträchtigung ihres Aufenthaltsbestim­ mungsrechts solange hinzunehmen, bis die vom Gesetz hierfür vorgesehenen Vollstreckungsmaßnahmen gegriffen hätten. Vielmehr lassen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwil­ ligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Vollstreckungsvorschriften erkennen, dass es selbst in dringenden Fällen bei einer ausschließlichen Vollstreckungszu­ ständigkeit des Familiengerichts bleiben soll.307 So lässt § 90 FamFG zwar die 305  So ausdrücklich Nr. 47.12 der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz Nord­ rhein-Westfalens (VV PolG, Runderlass. d. Innenministeriums v. 19.12.2003 – 44.12001): „Vollzugshilfe liegt nicht vor, wenn […] die Hilfeleistung in einer Handlung besteht, die der Polizei als eigene Aufgabe obliegt“. 306  § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO lautet: „Handelt der Schuldner der Verpflichtung zu­ wider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Pro­ zessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen“, näher zum Verfahren bei einem Ordnungsmittelan­ trag Gruber, in: MüKo, ZPO, § 890 Rn. 33. 307  Folgerichtig wurde die Polizei in einem vom VG Berlin entschiedenen Fall lediglich im Wege der Vollzugshilfe bei der Vollstreckung einer familiengerichtlichen Anordnung zur Herausgabe des Kindes tätig, VG Berlin, Urt. v. 18.01.2012 – 1 K 321.11 –, juris-Rn. 1.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Durchsetzung familiengericht­licher Entscheidungen zu, stellt diese aber selbst dann unter den Vorbehalt einer ge­ richtlichen Anordnung, sofern „eine alsbaldige Vollstreckung der Entschei­ dung unbedingt geboten ist.“308 Für den Erlass einer im freien Ermessen der Polizei stehenden Vollstreckungsverfügung – im Fall des VG ­Aachen in Ge­ stalt eines Platzverweises – sowie ggf. deren Vollstreckung im Wege unmittel­ baren Zwanges bleibt hiernach kein Raum. Nach alldem ist der Entscheidung des VG Aachen für das hier entwickelte Kriterium der Zumutbarkeit eine wichtige Erkenntnis zu entnehmen: Der Annahme einer wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung ist im­ mer dann mit größtmöglicher Zurückhaltung zu begegnen, sofern sich die polizeiliche Maßnahme als Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung darstellt. cc) Indizieller Charakter des Blicks auf reguläres Vollstreckungsverfahren Freilich handelt es sich auch bei diesem Gesichtspunkt lediglich um ein Indiz, weshalb die Polizei im Einzelfall durchaus zur eigenmächtigen Voll­ streckung von gerichtlichen Entscheidungen befugt sein kann. Als Beispiel kann diesbezüglich die bereits vorgestellte309 Entscheidung des OVG LSA310 genannt werden. Dort hatte die Rechteinhaberin bereits eine einstweilige Verfügung gegen die Störerin erwirkt, sodass sich die für das Eigentum an dem Inventar bestehende Gefahr zugleich als eine bevorstehende Zuwider­ handlung gegen das gerichtliche Verbot darstellte. Um die Störerin zur Be­ achtung der einstweiligen Verfügung anzuhalten, hatte die Rechteinhaberin dabei sogar einen Ordnungsmittelantrag beim zuständigen Gericht gestellt.311 In Anbetracht dessen bedeutete die polizeiliche Sicherstellung des Inventars ebenfalls die eigenmächtige Vollstreckung des in der einstweiligen Verfügung ausgesprochenen gerichtlichen Verbots. Anders als in dem vom VG Aachen entschiedenen Fall kann hier indessen eine Unzumutbarkeit der weiteren Rechtsbeeinträchtigung bejaht werden. Denn durch das Entfernen des Inventars aus den Mieträumen wäre dieses dem Zugriff der Rechteinhaberin faktisch entzogen worden, sodass ohne die polizeiliche Sicherstellung der Herausgabeanspruch der Rechteinhaberin rechtlich gesehen zwar weiter bestanden hätte, dessen Durchsetzung rein 308  § 90 Abs. 1 Nr. 3 FamFG lautet: „Das Gericht kann durch ausdrücklichen Be­ schluss zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn […] eine alsbaldige Vollstreckung der Entscheidung unbedingt geboten ist.“ 309  Siehe zweites Kapitel unter C.I.2.c). 310  OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris. 311  OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris-Rn. 3 f.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 303

tatsächlich aber vereitelt worden wäre. Schließlich hätte die Störerin bereits durch das (glaubhafte) Abstreiten des Besitzes an dem Inventar die Abwei­ sung der Vindikationsklage herbeiführen können.312 Im Gegensatz hierzu hätte die Kindesmutter den aus ihrem Aufenthaltsbestimmungsrecht erwach­ senden Unterlassungsanspruch auch ohne den polizeilichen Zugriff sinnvol­ lerweise vor Gericht einklagen können, weil ohne entsprechende Anhalts­ punkte nicht davon ausgegangen werden dürfte, dass der Kindesvater im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens den Aufenthaltsort des Kindes be­ stritten hätte. d) Abgrenzung zum Unzumutbarkeitsbegriff des VGH BW Schließlich gilt es, die hier entwickelte Lösung von der Entscheidung des VGH BW zur Schwangerschaftsgehsteigberatung abzugrenzen. Während der VGH BW313 diesbezüglich darauf abstellt, ob dem Rechteinhaber der Gang vor die ordentliche Gerichtsbarkeit zumutbar ist, kommt es nach dem hiesi­ gen Ansatz darauf an, ob dem Rechteinhaber das weitere Hinnehmen der Rechtsbeeinträchtigung bis zum Erlangen gerichtlichen Schutzes zumutbar ist. Bezugspunkt für die Frage der Zumutbarkeit ist damit ein gänzlich ande­ rer. Im Gegensatz zur Auffassung des VGH BW stellt der hier vertretene Standpunkt keine teleologische Reduktion des Erfordernisses der Unerreich­ barkeit gerichtlichen Schutzes dar, sondern präzisiert bezogen auf das Erfor­ dernis der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsver­ wirklichung eine andere von den Privatrechtsklauseln aufgestellte Vorausset­ zung. Die Gemeinsamkeit mit dem Ansatz des VGH BW erschöpft sich demzufolge in der Verwendung des Begriffs der Zumutbarkeit. 4. Exkurs: Bedeutung der Problematik für den Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln Zu guter Letzt kann die aufgezeigte Problematik als weiteres Argument für den in dieser Untersuchung abweichend von der allgemeinen Meinung auf subjektive Rechte beschränkten Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln herangezogen werden. Bei der Subsumtion subjektiver Rechtsgüter unter die Vorschriften stellen sich die aufgezeigten Schwierigkeiten nämlich stets ein. So vermag auch bei Rechtsgütern, etwa dem Leben, ausschließlich auf einen aus dem Rechtsgut 312  Baldus,

in: MüKo, BGB, § 985 Rn. 54. BW, Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 –, juris-Rn. 72, dazu näher bereits oben unter B.V.4. 313  VGH

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

erwachsenden Unterlassungsanspruch abgestellt zu werden, sodass die Pro­ blematik der Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der An­ spruchsdurchsetzung noch einen erheblich größeren Anwendungsfall hätte. Dies legt nahe, dass der Gesetzgeber, der die diesbezüglichen Unwägbarkei­ ten augenscheinlich übersehen hat, ebenfalls nicht von der Geltung der Pri­ vatrechtsklauseln beim polizeilichen Schutz subjektiver Rechtsgüter ausge­ gangen ist. Andernfalls hätte er gewiss eine abweichende Abgrenzungsregel formuliert. Gleichwohl bleibt einzuräumen, dass die vorstehenden Erwägungen keine eigenständige Argumentation begründen können, da sie voraussetzen, dass nach dem hier vertretenen Ansatz auch die polizeiliche Straftatenverhütung am Subsidiaritätsprinzip gemessen wird. Denn bei Gefahren für subjektive Rechtsgüter wird regelmäßig zugleich die Verwirklichung von Straftatbestän­ den, insbesondere Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unver­ sehrtheit (§§ 211 ff., 223 ff. StGB), zu besorgen sein, wodurch die Vorschrif­ ten nach der Lesart der Ausschließlichkeitstheorie gar nicht zur Anwendung kommen würden.

VI. Ergebnis Zusammenfassen lassen sich die vorstehend gewonnenen Erkenntnisse wie folgt: Soweit die Privatrechtsklauseln von der Verwirklichung des „privaten Rechts“ sprechen, ist damit die Durchsetzung der dem Rechteinhaber aus sei­ nem subjektiven Recht gegen den Störer erwachsenden Ansprüche gemeint. In diesem Zusammenhang dürfte der Gesetzgeber übersehen haben, dass es sich bei den hiernach maßgeblichen Ansprüchen nicht nur um privatrecht­ liche Forderungen, sondern regelmäßig auch um Unterlassungsansprüche handelt. Während die Subsumtion privatrechtlicher Forderungen unter die von den Privatrechtsklauseln erhobene Voraussetzung der Vereitelung oder wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung keine Schwierigkei­ ten bereitet, versagt das darin liegende gesetzliche Abgrenzungskriterium bei Unterlassungsansprüchen, weil bei diesen aus rechtstheoretischen Gründen kaum einmal von einer Vereitelung oder einer wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung ausgegangen werden kann. Aus diesem Grund muss in den einschlägigen Konstellationen das Erfordernis der Vereitelung respek­ tive wesentlichen Erschwerung teleologisch ausgelegt werden. Diese Ausle­ gung hat sich an der Frage zu orientieren, ob dem Rechteinhaber ein Hinneh­ men der mitunter bereits andauernden Beeinträchtigung bis zum Wirksam­ werden gerichtlichen Schutzes hinnehmbar ist. Das läuft letztendlich auf eine Wertungsfrage hinaus, die – in Ermangelung eines passenderen Kriteriums – anhand des Rechtsbegriffs der Zumutbarkeit beantwortet werden muss.



C. Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung 305

Ob die Frage der Unzumutbarkeit der Rechtsbeeinträchtigung hierbei nor­ mativ am Merkmal der „Vereitelung“ oder demjenigen der „wesentlichen Erschwerung“ festgemacht wird, kann letztlich dahin stehen, weil beide Al­ ternativen vom Gesetz als gleichwertig erachtet werden. Freilich dürfte eine Subsumtion unter das Merkmal der „wesentlichen Erschwerung“ näher lie­ gen, da das Gesetz mit dieser Voraussetzung zu erkennen gibt, dass es auch die lediglich faktische Vereitelung eines Anspruchs für die Annahme eines Bedürfnisses nach einem polizeilichen Schutz ausreichen lässt.

VII. Verhältnis zu zivilrechtlichen Selbsthilferechten Schließlich gilt es, an dieser Stelle in der gebotenen Kürze auf das Verhält­ nis der Privatrechtsklauseln zu den zivilrechtlichen Selbsthilferechten einzu­ gehen. 1. Zurücktreten polizeilicher Befugnisse hinter zivilrechtliche Selbsthilferechte? Anlass für eine dahingehende Auseinandersetzung besteht insoweit, als die Polizei nach vornehmlich früher vertretener Auffassung, die teilweise jedoch auch heute noch Zuspruch findet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Selbsthilferechts nach § 229 BGB an einem Schutz des gefährdeten subjekti­ ven Rechts gehindert sein sollte. Ihre Grundlage fand diese Auffassung darin, dass die Privatrechtsklau­ seln – unzutreffend314 – als eine Erweiterung polizeilicher Aufgaben begrif­ fen wurden. Ausgehend von diesem Verständnis wurden bei Vorliegen eines Selbsthilferechts die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln als nicht er­ füllt angesehen.315 Normativer Anknüpfungspunkt dürfte hierbei die Erwä­ gung gewesen sein, der zufolge bei Bestehen eines Selbsthilferechts nicht von der erforderlichen Besorgnis einer Vereitelung oder wesentlichen Er­ schwerung der Rechtsverwirklichung ausgegangen werden könne. Denn durch Inanspruchnahme seiner Selbsthilferechte könne der Rechteinhaber selbst für die Sicherung seiner gefährdeten Rechtsposition sorgen.316 314  Siehe

die Ausführungen im zweiten Kapitel unter B.III.3. Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 137; so denn auch heute auch noch Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 58 f. für den Fall, dass das Selbsthilferecht – anders als § 229 BGB – nicht unter dem Vorbehalt der Unerreichbarkeit obrigkeitlicher Hilfe stehe und dessen Ausübung dem Rechteinhaber zumutbar sei; ebenso Stephan/Wolf, § 2 Rn. 18. 316  Die Problematik beim Erfordernis der Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwe­ rung der Rechtsverwirklichung verortend auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 140. 315  Knemeyer,

306

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

2. Unbeachtlichkeit etwaiger Selbsthilferechte Nach heutigen Erkenntnissen ist diese Auslegung der Privatrechtsklauseln als grobe Missachtung des (rechts-)staatlichen Gewaltmonopols zurückzu­ weisen. Die Annahme, polizeiliche Handlungsbefugnisse würden hinter den dem Privaten zustehenden zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe zurücktre­ ten können, entbehrt im modernen Rechtsstaat jeglicher Grundlage. In dem Letzteren ist die Ausübung privater Selbsthilfe, insbesondere sofern diese mit Gewalt verbunden ist, stets auf enge Ausnahmen beschränkt und schlechthin ultima ratio.317 Dies muss schon deshalb gelten, weil es im hiesigen Kontext andernfalls darauf ankommen würde, ob der Rechteinhaber körperlich in der Lage wäre, sein Selbsthilferecht gegenüber dem Störer auszuüben.318 Die Vorstellung, dem körperlich Austrainierten einen polizeilichen Schutz zu versagen und ihn stattdessen auf die Möglichkeit einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Störer zu verweisen, ist schlichtweg grotesk. Das Bestehen eines zivilrechtlichen Selbsthilferechts ist für die Eröffnung einer polizeilichen Handlungsbefugnis nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln demzufolge voll­ kommen unerheblich.319 Für das aus § 229 BGB erwachsende Selbsthilferecht ist diese Schlussfol­ gerung bereits deshalb zwingend, weil es ausweislich des eindeutigen gesetz­ lichen Wortlauts unter dem Vorbehalt der Unerreichbarkeit rechtzeitiger „obrigkeitlicher Hilfe“ steht, worunter nach allgemeiner Meinung ebenso der polizeiliche Schutz zu begreifen ist.320. Durch die hier fragliche, abweichende Auslegung würde diese expressis verbis angeordnete Subsidiarität der zivil­ rechtlichen Selbsthilfe sonach ins Gegenteil verkehrt werden: Die polizeili­ che Zuständigkeit wäre nämlich gegenüber dem zivilrechtlichen Selbsthilfe­ recht subsidiär.321 317  BVerfG, B ­ eschl. v. 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 [u. a.] –, BVerfGE 81, 347, 356: „Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtig-gewaltsame Durch­ setzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren“; Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 144; Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 1. 318  Siehe hierzu Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 140 und 142. 319  So denn auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 142 f. mit weiteren Argumenten; Brenneisen/Martins, Kriminalistik 2009, 717, 719; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54; irreführend insoweit Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 227 ff., die den Aspekt der privaten Gefahrenvorsorge mit der Abwehr konkreter Gefahren zu verwechseln scheinen. 320  Repgen, in: Staudinger, § 229 Rn. 18; Grothe, in: MüKo, BGB, § 229 Rn. 4; siehe auch OVG RhPf, Urt. v. 29.09.1987 – 7 A 34/87 –, juris-Rn. 21. 321  Einen Vorrang des polizeilichen Schutzes gegenüber dem Selbsthilferecht nach § 229 BGB annehmend denn auch Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2



D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung einer Plausibilitätsprüfung307

Soweit andere zivilrechtliche Selbsthilferechte, wie etwa die Selbsthilfe des Besitzers gemäß § 859 BGB, nicht unter dem Vorbehalt der Unerreich­ barkeit obrigkeitlicher Hilfe stehen322, hindert auch dieser Umstand nicht die Annahme polizeilicher Handlungsbefugnisse. Denn die Frage, ob das Bür­ gerliche Recht Selbsthilferechte auch in Ansehung einer möglichen obrig­ keitlichen Hilfe vorsieht, ist von der Frage zu unterscheiden, ob die Polizei­ gesetze die Befugnisse der Polizei ihrerseits hinter Selbsthilferechte des Pri­ vaten zurücktreten lassen. Die Letztere ist hierbei – wie bereits dargelegt – eindeutig zu verneinen. Im Übrigen bleibt auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass mit dem Bejahen polizeilicher Befugnisse noch keine Pflicht der Polizei zu einem Eingreifen verbunden ist.

D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung/ Notwendigkeit einer Plausibilitätsprüfung Nachdem nunmehr sämtliche Voraussetzungen, die das Gesetz ausweislich des Wortlauts der Privatrechtsklauseln für die Annahme einer polizeilichen Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte vorsieht, erläutert worden sind, ist eine Problematik aufzuzeigen, die in der Literatur unter dem Stichwort der Glaubhaftmachung diskutiert wird. Letztlich handelt es dabei weniger um eine eigenständige Voraussetzung der Privatrechtsklauseln, denn um die Frage, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab bei der g ­ efahrenabwehrrechtlichen Prüfung der vom Gesetz erhobenen Voraussetzungen heranzuziehen ist.323

I. Glaubhaftmachung als ungeschriebene Voraussetzung der Privatrechtsklauseln? Nach einer weit verbreiteten Auffassung verlangen die Privatrechtsklau­ seln über ihren Wortlaut hinaus vom Rechteinhaber die Glaubhaftmachung des zu schützenden subjektiven Rechts. Zurückgehen dürfte diese Auffassung hierbei auf ein Urteil des OVG NRW324 aus dem Jahre 1968. In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Eigentümer eines Seegrundstücks die Ordnungsbehörde auf ein Einschreiten Rn. 60; Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.4; zum Beispiel der Ingewahrsam­ nahme siehe Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 17 Rn. 35. 322  Schäfer, in: MüKo, BGB, § 859 Rn. 5, zum Beispiel des nicht unter den Be­ schränkungen des § 229 BGB stehenden Selbsthilferechts des Besitzers. 323  Eine Einordnung als „Tatbestandsmerkmal“ der Privatrechtsklauseln ablehnend deshalb auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 157. 324  OVG NRW, Urt. v. 21.05.1968 – IV A 836/67 –, OVGE 24, 72.

308

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

zum Schutz seines Grundeigentums verklagt. Konkret begehrte der Eigen­ tümer von der beklagten Behörde die Feststellung der Identität derjenigen Personen, die – seiner Auffassung nach – widerrechtlich den zu seinem Grundstück gehörenden Teil des Sees nutzten. Das OVG NRW wies die Klage des Eigentümers (u. a.) mit der Begründung ab, es fehle „an einer ge­ nügenden Glaubhaftmachung“ des vom Kläger behaupteten Unterlassungsan­ spruchs gegen die den See nutzenden Personen.325 Wohl in Anlehnung an diese Entscheidung326 findet sich heutzutage sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur oftmals der Hinweis, der Rechteinhaber müsse das Bestehen des zu schützenden subjektiven Rechts respektive seine Inhaber­ schaft desselbigen glaubhaft machen.327 Teilweise wird abweichend hiervon ein anderer Bezugspunkt der Glaub­ haftmachung angenommen und verlangt, der Rechteinhaber müsse alterna­ tiv328 bzw. kumulativ329 das Vorliegen der Voraussetzungen der Privatrechts­ klauseln, namentlich die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes sowie die Besorgnis einer Gefährdung der Rechtsverwirklichung, glaubhaft machen.330 325  OVG NRW, Urt. v. 21.05.1968 – IV A 836/67 –, OVGE 24, 72, 74; siehe auch PrOVG, Urt. v. 08.01.1931 – III A 85/30 –, PrOVGE 87, 289, 291, das Gericht erach­ tete die von einem Gendarmen zur Ermöglichung der Durchsetzung eines zivilrecht­ lichen Anspruches vorgenommene Identitätsfeststellung als rechtmäßig und führte aus, der Rechteinhaber habe dem Gendarmen „glaubhaft gemacht“, dass er den Schuldner (der ihn beleidigt hatte) nicht kenne. 326  Auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 158, sieht das Urteil des OVG NRW diesbezüglich als „Leitentscheidung“ an. 327  Nds. OVG, ­ Beschl. v. 30.09.2008 – 11 LA 396/07 –, juris-Rn. 14; VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 75; VG Karlsruhe, Urt. v. 17.05.2010 – 9 K 1513/08 –, juris-Rn. 27; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 93; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 254; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 52; Gusy/ Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 223; Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.3; Brenneisen/Martins, Kriminalistik 2009, 717, 719; siehe auch OVG LSA, ­Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris-Rn. 6, das diesbezüglich vom „glaubhaft gemachten Eigentum“ an dem Inventar spricht bzw. ausführt, der Eigentümer habe seinen Herausgabeanspruch „in der gebotenen Weise plausibel ge­ macht“. 328  So wohl Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 68, der im Kon­ text der von den Privatrechtsklauseln erhobenen Voraussetzungen ausführt, der An­ tragsteller müsse „das Vorliegen der Voraussetzungen glaubhaft machen.“ 329  So insbesondere Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S.  158 f.; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35. 330  Unklar diesbezüglich Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, §  3 Rn. 48, die das Erfordernis der Glaubhaftmachung „als ungeschriebene[s] Tatbe­ standsmerkmal“ der Privatrechtsklauseln bezeichnen ohne weiter zu spezifizieren was vom Rechteinhaber glaubhaft zu machen sei. Aus dem von ihnen bemühten Verweis auf das oben genannte Urteil des OVG NRW (Urt. v. 21.05.1968 – IV A 836/67 –,



D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung einer Plausibilitätsprüfung309

Eine Ausnahme vom Erfordernis der Glaubhaftmachung wird überwiegend angenommen, sofern das subjektive Recht „offenkundig“ bestehe respektive die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln „offenkundig“ erfüllt seien.331 Nach Weiner332 soll sogar die bloße Möglichkeit des Bestehens des subjekti­ ven Rechts ausreichen.

II. Glaubhaftmachung als Voraussetzung eines Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten Soweit das Erfordernis einer Glaubhaftmachung als „ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal“333 der Privatrechtsklauseln bezeichnet wird, ist diese Titulierung irreführend. Die Annahme einer ungeschriebenen Voraussetzung wäre allein dann zu­ treffend, wenn ohne deren Vorliegen ein polizeiliches Tätigwerden im An­ wendungsbereich der Vorschriften schlechthin rechtswidrig wäre. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist die Polizei auch dann zum Schutz subjektiver Rechte befugt, sofern der Rechteinhaber ihr gegenüber das Bestehen seines Rechts bzw. das Vorliegen der Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln nicht glaubhaft gemacht hat. Dieses Verständnis ist zwingend, wenn – wie nach der hier vertretenen Auslegung der Fall – der Polizei nicht nur auf An­ trag des Rechteinhabers eine Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte zuge­ sprochen wird, sondern ebenso ein polizeiliches Einschreiten von Amts we­ gen als zulässig erachtet wird. Ist der Rechteinhaber – wie es auf die Vielzahl der in Betracht kommenden Situationen zutreffen dürfte – in der Gefähr­ dungslage selbst nämlich gar nicht anwesend, kann von diesem notwendiger­ weise nicht die Glaubhaftmachung seines Rechts, d. h. die Vornahme einer aktiven Handlung, verlangt werden. Darüber hinaus würde die Forderung nach einer Glaubhaftmachung auf die Forderung nach einem Antrag des Rechteinhabers hinauslaufen. Denn in jeder Glaubhaftmachung ist unweigerlich ein zumindest konkludenter Antrag auf polizeiliches Einschreiten zu erblicken, sodass die Frage nach der Not­ wendigkeit einer Glaubhaftmachung nicht losgelöst von derjenigen nach ei­ OVGE 24, 72) dürfte jedoch folgen, dass sie ebenfalls eine Glaubhaftmachung des subjektiven Rechts verlangen. 331  Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 93; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61; Dietlein, in: ders./Hellermann, § 3 Rn. 34; Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 223; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 52; Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35; Benighaus, LKV 2009, 202, 203. 332  Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 37. 333  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 48.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

nem Antragserfordernis betrachtet werden kann.334 Indem die Annahme eines unbedingten Antragserfordernisses bereits widerlegt wurde335, war demnach bereits das Erfordernis einer Glaubhaftmachung abzulehnen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Stimmen, die eine Glaubhaftmachung des jeweiligen subjektiven Rechts verlangen, der Polizei mit dieser Forderung eine Befugnis zu einem Tätigwerden von Amts wegen absprechen wollen. Vielmehr dürfte die Korrelation zwischen Glaub­ haftmachung auf der einen und Antragserfordernis auf der anderen Seite schlichtweg übersehen werden336 und die Forderung nach einer Glaubhaft­ machung des zu schützenden Rechtes allein auf die Konstellation bezogen sein, in der sich der Rechteinhaber an die Polizei wendet und um den Schutz seines subjektiven Rechts ersucht. Bezeichnend ist insoweit, dass der Rechte­ inhaber im hiesigen Kontext denn auch regelmäßig als „Hilfesuchender“337 oder „Antragsteller“338 bezeichnet wird. Im Übrigen ist in Erinnerung zu rufen, dass auch der insoweit wegweisenden Entscheidung des OVG NRW339 eine Verpflichtungskonstellation zugrunde lag. Angesichts dessen ist das Erfordernis einer Glaubhaftmachung thematisch bei der Frage zu verorten, unter welchen Voraussetzungen der Einzelne einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten hat. Für die – hier allein zu untersu­ chende – Frage, ob die Polizei zu einem Schutz des subjektiven Rechts be­ fugt ist, bleibt dieser Gesichtspunkt hingegen ohne Relevanz. Folgerichtig wird der Polizei – soweit ersichtlich – auch nirgends in Ermangelung einer Glaubhaftmachung die Befugnis abgesprochen, von Amts wegen zum Schutz eines subjektiven Rechts tätig zu werden. Würden die Privatrechtsklauseln tatsächlich über ihren Wortlaut hinaus eine dahin lautende Voraussetzung enthalten, wäre eine solche Schlussfolgerung freilich zwingend. Diese Kon­ sequenz lässt sich auch nicht vermeiden, indem das Erfordernis der Glaub­ 334  Zu

dieser Korrelation bereits oben unter A.II.3. unter A.III. 336  Zum dahingehenden Widerspruch in den Ausführungen von Kugelmann und Schoch siehe bereits Fn. 13; siehe auch VG Mainz, Urt. v. 08.06.2017 – 1 K 4/14. MZ –, juris-Rn. 61, welches keine Bedenken gegen die von Amts wegen erfolgte polizeiliche Räumung eines besetzten Hauses äußerte. 337  Nds. OVG, ­Beschl. v. 30.09.2008 – 11 LA 396/07 –, juris-Rn. 14: „der um Hilfe nachsuchende“; ebenso VG Karlsruhe, Urt. v. 17.05.2010 – 9 K 1513/08 –, jurisRn. 27; Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 254. 338  Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5.  Kap. Rn.  68; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 52; Kowalzik, Der Schutz von privaten und indivi­ duellen Rechten, S. 156, 157 und 159; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61, der insoweit ebenso von dem „um Hilfe nachsuchenden Bürger“ spricht. 339  OVG NRW, Urt. v. 21.05.1968 – IV A 836/67 –, OVGE 24, 72, Verpflichtungs­ klage gerichtet auf Vornahme einer Identitätsfeststellung. 335  Oben



D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung einer Plausibilitätsprüfung311

haftmachung auf die Konstellationen beschränkt wird, in denen der Rechte­ inhaber selbst anwesend ist. Denn dies würde bedeuten, dass an das Bestehen einer polizeilichen Handlungsbefugnis bei Anwesenheit des Rechteinhabers strengere Voraussetzungen zu stellen wären als bei dessen Abwesenheit. Da eine derartige Differenzierung nicht gerechtfertigt werden kann, vermag das Erfordernis der Glaubhaftmachung auch mit Blick auf diesen Aspekt keine ungeschriebene Voraussetzung der Privatrechtsklauseln darzustellen.340

III. Notwendigkeit einer polizeilichen Plausibilitätsprüfung Wenngleich das Erfordernis der Glaubhaftmachung keine ungeschriebene Voraussetzung der Privatrechtsklauseln markiert, sondern allein für das Be­ stehen eines individuellen Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten von Be­ deutung ist, sind die der dahin lautenden Forderung zugrundeliegenden Er­ wägungen gleichwohl auch bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Polizei von Amts wegen zu einem Schutz subjektiver Rechte befugt ist.

340  Wenngleich es für die hiesige Untersuchung nicht von Bedeutung ist, bleibt an dieser Stelle anzumerken, dass das Erfordernis einer Glaubhaftmachung des zu schützenden Rechts respektive des Vorliegens der Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln insoweit missverständlich ist, als weder das Bestehen eines Rechts noch das Vorliegen der Voraussetzungen einer Rechtsnorm als solches einer Glaubhaftmachung zugänglich ist. Glaubhaft gemacht zu werden vermögen vielmehr allein die Tatsa­ chen, aus denen sich das Bestehen des Rechts bzw. das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ergibt. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen bei Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 158 f. verwiesen werden. Soweit im Hinblick auf das Erfordernis einer Glaubhaftmachung auf die Möglichkeit einer eidesstaatlichen Versicherung des Rechteinhabers hingewiesen wird (Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61: „insbesondere“; Nachbaur, in: PolR BW, PolG, § 2 Rn. 53; infolge des Verweises auf § 294 ZPO wohl auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 164 f.) geht dieser Hinweis fehl. Der im Vergleich zu einer normalen Aussage „erhöhte Beweiswert“ einer eides­ stattlichen Versicherung resultiert aus der in § 156 StGB normierten Pönalisierung einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Die Strafbarkeit gemäß § 156 StGB setzt jedoch voraus, dass die entgegennehmende Stelle gerade zur „Entgegennahme einer solchen Versicherung hinsichtlich des konkreten Gegenstandes, auf den sich die Ver­ sicherung bezieht und in dem konkreten Verfahren, um das es sich handelt“ zuständig ist, siehe Müller, in: MüKo, StGB, § 156 Rn. 42, sog. besondere Zuständigkeit. Da es im hiesigen Kontext an dieser Voraussetzung fehlt, würde sich der Rechteinhaber durch eine falsche eidesstaatliche Versicherung gegenüber der Polizei nicht strafbar machen, sodass der Versicherung des Rechteinhabers folglich überhaupt kein „erhöh­ ter Beweiswert“ zukommen würde (so auch Nachbaur, in: PolR BW, PolG, § 2 Rn. 53, der unverständlicherweise dennoch davon spricht, dass der Rechteinhaber seine Aussage durch eine eidesstattliche Versicherung „bekräftigen“ könne – richti­ gerweise ist die Annahme einer „Bekräftigung“ in Ansehung der Straflosigkeit ausge­ schlossen).

312

3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

1. Glaubhaftmachung als Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Gefahrenprognose Die Forderung nach einer Glaubhaftmachung des zu schützenden subjekti­ ven Rechts betrifft letztendlich die Frage, welcher Wahrscheinlichkeitsmaß­ stab bei der Prüfung der Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln heranzu­ ziehen ist. Die betreffende Problematik wird nicht nur in der Verpflichtungs­ konstellation, sondern gleichermaßen in der Situation virulent, in der die Polizei von Amts wegen zum Schutz eines subjektiven Rechts tätig wird. Auch hier wird unweigerlich die Frage aufgeworfen, welchen Wahrschein­ lichkeitsmaßstab der Polizeibeamte bei seiner Gefahrenprognose anzustellen hat, bevor er sich zu einem Einschreiten entschließt. 2. Plausibilitätsprüfung als Äquivalent zur Glaubhaftmachung Die Forderung nach einer Glaubhaftmachung des zu schützenden Rechts begründet Kowalzik341 für die Verpflichtungskonstellation wie folgt: Wegen des mit dem Einschreiten verbundenen Eingriffs in die Rechte des Störers342 könne die bloße Geltendmachung der Voraussetzungen der Privatrechtsklau­ seln nicht genügen. Andererseits sei der Rechteinhaber „im Augenblick der drohenden Rechtsverletzung“ kaum einmal in der Lage, den vollen Beweis für deren Vorliegen zu erbringen. Gemessen daran stelle das Erfordernis der Glaubhaftmachung einen sachgerechten „Mittelweg“ dar, der durch die sach­ liche Nähe zum einstweiligen zivilprozessualen Rechtsschutz, bei dem nach § 920 Abs. 2 ZPO343 ebenfalls eine Glaubhaftmachung erforderlich sei, ge­ rechtfertigt werden könne. Diese Begründung vermag zu überzeugen. Das Verlangen einer Glaubhaft­ machung des zu schützenden Rechts trägt einerseits dem polizeilichen Leit­ gedanken der Effektivität der Gefahrenabwehr344 Rechnung, indem es dem Rechteinhaber nicht den – praktisch kaum einmal zu erbringenden – Vollbe­ weis des Bestehens seines subjektiven Rechts abverlangt, anderseits wahrt es jedoch auch die Rechte des Störers, indem es polizeiliche Maßnahmen zu dessen Lasten nicht schon aufgrund von bloßen Behauptungen des Rechte­ inhabers zulässt.

341  Kowalzik,

Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 157 f. Beschränkung der Privatrechtsklauseln auf trigonale Konstellationen siehe die Ausführungen im zweiten Kapitel unter B.IV.1. 343  § 920 Abs. 2 ZPO lautet: „Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen“; nach § 936 ZPO gilt § 920 ZPO auch bei einstweiligen Verfügungen. 344  Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 182 f. 342  Zur



D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung einer Plausibilitätsprüfung313

Da das Erfordernis der Glaubhaftmachung gleichwohl auf die Verpflich­ tungskonstellation zugeschnitten bleibt und auf ein polizeiliches Einschreiten von Amts wegen aus den genannten Gründen schlechthin nicht übertragen werden kann, muss für die letztgenannte Konstellation ein dem Erfordernis der Glaubhaftmachung vergleichbarer Kompromiss gefunden werden. Wie dieser Kompromiss auszusehen hat, deuten hierbei teilweise bereits die an sich eine Glaubhaftmachung fordernden Stimmen an. So findet sich ergän­ zend zu der Forderung nach einer Glaubhaftmachung des zu schützenden Rechts vereinzelt der Hinweis, die Polizei müsse „vor einem Einschreiten eine überschlägige zivilrechtliche Plausibilitätsprüfung durchführen.“345 Diese Erwägung beansprucht nun bei einem von Amts wegen erfolgenden polizeilichen Zugriff gleichermaßen Geltung. Auch hier darf die Polizei al­ lein dann eingreifen, sofern das Bestehen des subjektiven Rechts plausibel erscheint. Eine eingehende zivilrechtliche Prüfung muss (und kann) die Poli­ zei hingegen nicht leisten. Außerhalb von Verpflichtungskonstellationen ist somit als Äquivalent zum Erfordernis der Glaubhaftmachung eine überschlägige Plausibilitätsprüfung vorzunehmen. Glaubhaftmachung und Plausibilitätsprüfung erweisen sich folglich als zwei Seiten derselben Medaille. 3. Bestehen eines subjektiven Rechts als Vorfrage der Gefahrenprognose Mit Blick auf die allgemein anerkannte Rechtsfigur der Anscheinsgefahr346 erweist sich das Abstellen auf eine zivilrechtliche Plausibilitätsprüfung schließlich als folgerichtige Anwendung der zur polizeirechtlichen Gefahren­ prognose aufgestellten allgemeinen Grundsätze. So kommt es bei der Gefah­ renprognose nicht darauf an, ob im Moment der polizeilichen Maßnahme tatsächlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorlag, vielmehr ist maßgeblich, ob aus der Sicht eines besonnenen und fähigen Polizeibeamten zum damaligen Zeitpunkt (ex-ante-Perspektive) der Anschein 345  Nds. OVG, ­ Beschl. v. 30.09.2008 – 11 LA 396/07 –, juris-Rn. 14; VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 75; VG Karlsruhe, Urt. v. 17.05.2010 – 9 K 1513/08 –, juris-Rn. 27; siehe auch OVG LSA, Beschl. v. 20.03.2009 – 3 M 153/09 –, juris-Rn. 6: Die Beigeladene, zu deren Schutz die Polizei eingeschritten war, habe die ihr Eigentumsrecht bzw. den ihr zustehenden Herausgabeanspruch „in der gebotenen Weise plausibel gemacht“; aus der Literatur: Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 254; Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 61. 346  Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 49; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 122; den Terminus „Anscheinsgefahr“ für verzichtend haltend, Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 12 Rn. 55; kritisch zur Begrifflichkeit denn auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 57.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

einer Gefahr bestand.347 Folglich muss es im hier interessierenden Zusam­ menhang nicht darauf ankommen, ob ein zu schützendes Recht tatsächlich bestand, sondern es ist darauf abzustellen, ob ein besonnener und fähiger Polizeibeamte von dessen Bestehen ausgehen durfte, mithin ob der Anschein eines subjektiven Rechts bestand. Anders als dies bei einer Anscheinsgefahr im überkommenen Sinne der Fall ist, geht es insoweit zwar nicht um einen sich ex post als unzutreffend herausstellenden Lebenssachverhalt, sondern um eine sich nachträglich als unzutreffend erweisende rechtliche Würdigung, doch ist eine Gleichbehand­ lung der beiden Konstellationen gerechtfertigt. Zwar dürften Rechtsirrtümer der handelnden Polizeibeamten grundsätzlich die Rechtswidrigkeit der poli­ zeilichen Maßnahme zur Folge haben, doch ist im hiesigen Zusammenhang eine Ausnahme geboten. Denn die Erwägungen, die die Rechtsfigur der An­ scheinsgefahr rechtfertigen, rechtfertigen es ebenso im Kontext der Privat­ rechtsklauseln den Anschein eines subjektiven Rechts genügen zu lassen. Eine effektive Gefahrenabwehr wäre nicht möglich, sofern die polizeiliche Maßnahme selbst dann rechtswidrig wäre, wenn das subjektive Recht zwar tatsächlich nicht bestand, der handelnde Polizeibeamte nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen im Zeitpunkt des Einschreitens aber vom Bestehen des subjektiven Rechts ausgehen durfte oder sogar musste. Bei genauer Betrachtung stellt die Existenz des subjektiven Rechts lediglich eine Vorfrage dar, die der Polizeibeamte im Rahmen der von ihm anzustellenden Gefahrenprognose beantworten muss. Bezüglich dieser Vorfrage müssen nun die gleichen Maßstäbe gelten wie bei der Gefahrenprognose selbst. Mithin ist für die Annahme einer polizeilichen Befugnis notwendig, aber auch ausreichend, dass der Polizeibeamte nach einer überschlägigen zivil­ rechtlichen Plausibilitätsprüfung von der Existenz des subjektiven Rechts ausgehen durfte.348 Die Indizien, die bei einer dahingehenden Plausibilitäts­ prüfung herangezogen werden können, sind vielfältig und hängen von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab.349 So kann beispielsweise beim 347  Thiel,

Polizei- und Ordnungsrecht, § 8 Rn. 57. ließ es schon das PrOVG, Urt. v. 08.01.1931 – III A 85/30 –, PrOVGE 87, 289, 291 in einer vergleichbaren Situation (Identitätsfeststellung zur Ermöglichung der „Strafverfolgung“ nach einer Beleidigung) ausreichen, dass „nach Lage der geschilderten Umstände […] objektiv die Annahme begründet“ gewesen sei, „dass ein Staatsbürger der Möglichkeit der Verfolgung eines ihm gesetzlich gewähr­ ten Rechtsanspruchs verlustig ging“; siehe auch Götz/Geis, Polizei- und Ordnungs­ recht, § 17 Rn. 17, die im Rahmen einer Identitätsfeststellung zum Schutz privatrecht­ licher Ansprüche die „gewisse Wahrscheinlichkeit“ des Bestehen des Anspruchs aus­ reichen lassen. 349  Siehe insoweit die Beispiele, die Nachbaur im Kontext der Privatrechtsklau­ seln anführt, Nachbaur, in: BeckOK, PolR, PolG BW, § 2 Rn. 53.1. 348  Folgerichtig



D. Erfordernis einer Glaubhaftmachung einer Plausibilitätsprüfung315

nächtlichen Aufbrechen eines Kraftfahrzeugs ohne Weiteres vom Bestehen des subjektiven Rechts eines anderen ausgegangen werden. 4. Maßgeblichkeit der Perspektive ex ante Klarzustellen bleibt an dieser Stelle, dass sich die demgemäß erforderliche zivilrechtliche Plausibilitätsprüfung auf die Frage beschränkt, ob das zu schützende subjektive Recht besteht. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, welcher Maßstab bei der Prüfung der von den Privatrechtsklauseln erhobenen Voraussetzungen anzulegen ist. So ist insbesondere zu klären, ob es diesbezüglich auf das objektive Vorlie­ gen der gesetzlichen Voraussetzungen ankommt oder vielmehr wiederum auf die subjektive Sicht eines besonnenen und fähigen Amtswalters abzustellen ist. Obgleich die identische Frage auch bei zahlreichen anderen polizeirecht­ lichen Vorschriften aufgeworfen wird350, scheint die Problematik – soweit ersichtlich – bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung näher behandelt worden zu sein. Ohne einer eingehenden Untersuchung vorweg greifen zu wollen, kann für die Privatrechtsklauseln Folgendes festgehalten werden: Vor dem Hintergrund des Gebots einer effektiven Gefahrenabwehr ist darauf abzustellen, ob der Polizeibeamte von der Unerreichbarkeit ge­ richtlichen Schutzes und einer zu besorgenden Vereitelung respektive we­ sentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung ausgehen durfte. Diese subjektive Betrachtungsweise erscheint angesichts der im Rahmen der Ge­ fahrenprognose allgemein anerkannten Grundsätze beinahe zwingend. Denn genau wie es bei der Gefahrenprognose allein darauf ankommt, ob nach dem Erkenntnishorizont eines verständigen Polizeibeamten vom Vorliegen einer Gefahr ausgegangen werden kann, muss es im hiesigen Kontext darauf an­ kommen, ob aus der Perspektive ex ante von der Unerreichbarkeit gericht­ lichen Schutzes sowie der Besorgnis einer Vereitelung respektive wesentli­ chen Erschwerung der Rechtsverwirklichung ausgegangen werden durfte. Andernfalls wäre die Rechtsfigur der Anscheinsgefahr durch Anlegen ei­ nes objektiven Maßstabs im Bereich des Schutzes subjektiver Rechte bedeu­ tungslos. Würde im Rahmen der Gefahrenprognose nämlich der Anschein einer Gefahr ausreichen, während hinsichtlich der Privatrechtsklauseln das objektive Vorliegen einer Gefahr erforderlich wäre, liefe das im Ergebnis auf 350  So stellt sich etwa im Rahmen der Zusatzverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 PolG NRW (= § 4 Abs. 3 ME PolG) die Frage, ob die in Anspruch zu nehmende Person den anderen tatsächlich zur Verrichtung bestellt haben muss oder auch hier der Anschein einer dahingehenden Bestellung ausreichend ist.

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3. Kap.: Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln

eine Gefahrenprognose aus der ex-post-Perspektive hinaus, die in dieser Form nicht vertreten wird. Die allgemein anerkannte Gefahrenbetrachtung aus der Sicht ex ante ergibt nur dann einen Sinn, sofern auch hinsichtlich aller anderen für ein polizeiliches Einschreiten erforderlichen Voraussetzun­ gen auf die ex ante-Perspektive abgestellt wird. Konsequenterweise wird deshalb etwa auch beim sog. polizeilichen Notstand351 nicht das objektive Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für maßgeblich erachtet, sondern auch insoweit eine Betrachtung ex ante durchgeführt.352 Nichts anderes kann für die Privatrechtsklauseln gelten.

IV. Ergebnis Die Forderung nach einer Glaubhaftmachung des zu schützenden Rechts ist auf die Verpflichtungskonstellation zugeschnitten und beansprucht keine generelle Geltung. Insbesondere handelt es sich hierbei nicht um eine unge­ schriebene Voraussetzung der Privatrechtsklauseln, da die Polizei andernfalls lediglich auf Antrag zu einem Schutz subjektiver Rechte befugt wäre. Richtigerweise ist das Erfordernis der Glaubhaftmachung deswegen als die Notwendigkeit einer zivilrechtlichen Plausibilitätsprüfung zu verstehen. Der Polizeibeamte muss überschlägig prüfen, ob die Existenz des zu schützenden Rechts plausibel erscheint, bevor er sich zu einem Einschreiten zu dessen Schutz entschließt. Hinsichtlich der von den Privatrechtsklauseln aufgestellten Voraussetzun­ gen kommt es darauf an, ob diese aus der ex-ante-Sicht eines verständigen Polizeibeamten vorgelegen haben.

351  Als polizeilicher Notstand wird gemeinhin die Inanspruchnahme nicht verant­ wortlicher Personen bezeichnet, siehe etwa § 6 PolG NRW (= § 6 ME PolG). 352  VG Dresden, Urt. v. 19.01.2011 – 6 K 366/10 –, juris-Rn. 23; VG Lüneburg, Urt. v. 16.03.2006 – 3 A 143/04 –, juris-Rn. 58; VG Braunschweig, Urt. v. 29.06.2004 – 5 A 528/03 –, juris-Rn. 51; VG Lüneburg, Urt. v. 6.05.1996 – 7 A 50/95 –, juris-Rn. 27; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 315; ders., in: Schenke/Graulich/Ruthig, BPolG, § 20 Rn. 6.

4. Kapitel

Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln Abschließend gilt es zu untersuchen, welche Befugnisse der Polizei in Eröffnung der Privatrechtsklauseln zukommen, mithin welche Rechtsfolge sich bei Vorliegen der dargelegten gesetzlichen Voraussetzungen einstellt.

A. (Entschließungs-)Ermessensreduzierung auf Null Aufgrund des polizeirechtlichen Opportunitätsprinzips1 steht es grund­ sätzlich im Ermessen der Polizei, ob sie sich zu einem Einschreiten ent­ schließt und welche konkreten Maßnahmen sie hierbei ergreift.2 Dieser Grundsatz gilt im Ausgangspunkt auch für polizeiliche Maßnahmen in Eröff­ nung des Anwendungsbereichs der Privatrechtsklauseln, zumal der Schutz subjektiver Rechte schon ausweislich des Wortlauts der Vorschriften der Po­ lizei lediglich „obliegt“.3 Allerdings dürfte zu differenzieren sein. So scheint kaum eine Konstella­ tion denkbar, in der die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln erfüllt sind, die Polizei aber dennoch nicht zu einem Einschreiten verpflichtet ist. Ist ge­ richtlicher Schutz nicht rechtzeitig zur Abwehr einer für ein subjektives Recht bestehenden Gefahr erreichbar und ist ohne polizeiliche Hilfe die Vereitelung respektive wesentliche Erschwerung dessen Verwirklichung zu besorgen, ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Polizei rechtmäßigerweise gegen ein Einschreiten entscheiden könnte.4 Im Anwendungsbereich der Pri­ vatrechtsklauseln ist demgemäß in aller Regel hinsichtlich des polizei­lichen Entschließungsermessens eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen.5 Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 34 ff. nur § 3 Abs. 1 PolG NRW (= § 3 Abs. 1 ME PolG). 3  Mit dem Wortlaut der Privatrechtsklauseln argumentierend denn auch Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 61. 4  Allenfalls denkbar erscheint insoweit die Konstellation, dass der Rechteinhaber mutwillig die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes herbeigeführt hat, um die Hilfe der Polizei anstelle derjenigen des Gerichts bemühen zu können. 5  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 62; Heckmann, in: Becker/ Heckmann/Kempen/Manssen, 3. Teil Rn. 51, der erkennt, dass ein etwaiger Anspruch auf polizeiliches Einschreiten in den von den Privatrechtsklauseln erfassten Eilfällen kaum einmal gerichtlich durchsetzbar sein dürfte, und zutreffend darauf hinweist, 1  Hierzu 2  Siehe

318

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

Teilweise wird darüber hinausgehend sogar stets eine Ermessensreduktion angenommen und infolgedessen ein Anspruch auf polizeiliches Einschreiten bejaht.6 Eine eingehende Behandlung dieser Problematik würde gleichwohl den Rahmen der hiesigen Untersuchung sprengen und muss deswegen einer ge­ sonderten Abhandlung vorbehalten bleiben. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Befugnis der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die poli­ zeiliche Befugnis zu einer Pflicht zum Eingreifen verdichtet und der Einzelne demzufolge einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten hat. Für den hiesi­ gen Kontext muss es an dieser Stelle folglich mit der Erkenntnis sein Bewen­ den haben, dass auch in Eröffnung der Privatrechtsklauseln das Opportuni­ tätsprinzip gilt, wenngleich hinsichtlich des Entschließungsermessens regel­ mäßig von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen sein dürfte.

B. Grundsätzliche Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen Da sich die Privatrechtsklauseln selbst nicht ausdrücklich zu der aus ihnen erwachsenden Rechtsfolge verhalten, muss diese anhand des Regelungs­ zwecks der Vorschriften ermittelt werden. Wie sich aus der durch die Privatrechtsklauseln aufgestellten Vorausset­ zung der Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes ergibt, ermächtigen sie die Polizei allein dann zum Schutz subjektiver Rechte, wenn die hierfür an sich ausschließlich zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit das subjektive Recht nicht (rechtzeitig) zu schützen vermag. Vor diesem Hintergrund müssen poli­ zeiliche Maßnahmen in Eröffnung der Privatrechtsklauseln die vorrangige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit beachten und dürfen die den Zivilgerichten vorbehaltene Entscheidung nicht vorwegnehmen.7 In Zusammenschau mit der weiteren gesetzlichen Voraussetzung, nament­ lich der zu besorgenden Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung dass das Bestehen eines Anspruchs gleichwohl im Hinblick auf etwaige Amtshaf­ tungsansprüche von Bedeutung sei. 6  Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, § 1 Rn. 60; im Hinblick auf das Eigentum auch Riegel, BayVBl. 1981, 289, 290; ähnlich auch OVG Saarland, B ­ eschl. v. 23.11.2016 – 1 D 308/16 –, juris-Rn. 30; das OVG RhPf scheint hingegen eine Er­ messenreduktion im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln wegen des subsidi­ ären Charakters des polizeilichen Schutzes subjektiver Rechte schlechthin auszu­ schließen, Urt. v. 12.09.2007 – 7 A 10789/07 –, juris-Rn. 31. 7  Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 63; Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 33.



B. Grundsätzliche Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen319

der Rechtsverwirklichung, lassen die Vorschriften den Charakter, der den von ihnen ermöglichten Maßnahmen zukommt, hierbei selbst erkennen. Indem das Gesetz die polizeilichen Handlungsbefugnisse von der Gefährdung der Anspruchsdurchsetzung abhängig macht, wird deutlich, dass sich die polizei­ lichen Maßnahmen auf das Maß zu beschränken haben, welches erforderlich ist, um die zu besorgende Vereitelung bzw. wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu verhindern.8 Dementsprechend ist die Polizei in Eröffnung der Privatrechtsklauseln nach allgemeiner Meinung lediglich zu vorläufigen Maßnahmen befugt.9 Welche Konsequenzen dieser Umstand für den der Polizei zur Verfügung stehenden Maßnahmenkatalog birgt, soll im Folgenden dargelegt werden. Zu differenzieren ist hierbei zwischen rechtsschutzermöglichenden Maßnahmen auf der einen und rechtsschutzsichernden Maßnahmen auf der anderen Sei­ te.10

I. Rechtsschutzermöglichende polizeiliche Maßnahmen Zu rechtsschutzermöglichenden Maßnahmen ist die Polizei nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln ermächtigt, sofern ohne ein polizeiliches Einschrei­ ten die Verwirklichung des subjektiven Rechts vereitelt werden würde. Ver­ anschaulicht werden soll dies anhand des folgenden Beispiels: Sind dem Gläubiger Name und Anschrift seines Schuldners nicht bekannt, so ist er schlechthin an der gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs gehindert (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Folglich würde ohne polizeiliche Hilfe ein unwie­ 8  Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 33; Graulich, in: Lisken/ Denninger, E. Rn. 117; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 63; Gusy/ Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 226. 9  VGH BW, Urt. v. 22.02.1995 – 1 S 3184/94 –, juris-Rn. 22; VG Frankfurt, ­Beschl. v. 07.08.2020 – 5 L 1972/20.F –, juris-Rn. 6; VG Köln, Urt. v. 19.03.2013 – 14 K 6709/09 –, juris-Rn. 41; Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 63; Holzner, in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 33; Gusy, Polizei- und Ord­ nungsrecht, Rn. 94; Götz/Geis, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 21; Mühl/Fischer, in: BeckOK, PolR Hes., HSOG, § 1 Rn. 123; Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 38; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 239; Bäcker, in: Lisken/Denninger, D. Rn. 16; Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Kap. Rn. 68; Möller/Warg, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 81; Pewestorf, in: ders./Söll­ ner/Tölle, § 1 Rn. 64; siehe auch schon PrOVG, Urt. v. 13.12.1910 – I A 116/10 –, PrOVGE 59, 441, in dessen amtlichen Überschrift von der polizeilichen Befugnis zum „einstweiligen Eingriff in privatrechtliche Streitigkeiten“ die Rede ist, ohne dass dieser Begriff im Urteil selbst aufgegriffen wird, Hervorhebung nur hier. 10  Zumindest sprachlich zwischen rechtsschutzermöglichenden und rechtsschutzsi­ chernden Maßnahmen unterscheidend auch Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 226.

320

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

derbringlicher Rechtsverlust eintreten. Um dies abzuwenden, kommen nun zwei Möglichkeiten in Betracht. Zunächst könnte die Polizei den Schuldner zur Zahlung auffordern und die Forderung hierdurch selbst durchsetzen. An­ dererseits könnte sie den Namen und die Anschrift des Schuldners feststellen und dem Gläubiger durch die anschließende Weitergabe der Daten ein ge­ richtliches Vorgehen gegen den Schuldner ermöglichen. Wer sich nun in Erinnerung ruft, dass der durch die Privatrechtsklauseln ermöglichte exekutive Übergriff in den Aufgabenbereich der Judikative ­ultima ratio bleiben soll11, wird erkennen, dass allein die Identitätsfeststel­ lung der den Vorschriften zugrundeliegenden gesetzgeberischen Intention gerecht zu werden vermag. Während die polizeiliche Durchsetzung der For­ derung ein Gerichtsverfahren obsolet machen und die vorrangige Zuständig­ keit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ersichtlich unterlaufen würde, verhin­ dert die Identitätsfeststellung den drohenden Rechtsverlust, ohne hierdurch zugleich das gerichtliche Verfahren vorweg zu nehmen. Vielmehr wird dem Gläubiger erst durch die Identitätsfeststellung ein gerichtliches Verfahren gegen den Schuldner ermöglicht, weswegen insofern von einer rechtsschutz­ ermöglichenden Maßnahme gesprochen werden kann.

II. Rechtsschutzsichernde polizeiliche Maßnahmen Während sich die polizeilichen Maßnahmen bei einer zu besorgenden An­ spruchsvereitelung darauf beschränken müssen, dem Rechteinhaber ein ge­ richtliches Vorgehen gegen den Störer zu ermöglichen, muss bei einer dro­ henden wesentlichen Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung ein anderer Gesichtspunkt für das polizeiliche Einschreiten leitend sein. So ist der poli­ zeiliche Eingriff in diesem Fall darauf auszurichten, die an sich auch ohne polizeiliche Hilfe gegebene Möglichkeit einer Durchsetzung des Anspruchs zu sichern. Als Beispiel für derlei rechtsschutzsichernde Maßnahmen kann die Konstellation des nächtlichen Möbelrückens angeführt werden, anhand derer im Folgenden verdeutlicht werden soll, welchen Anforderungen rechts­ schutzsichernde Maßnahmen der Polizei im Anwendungsbereich der Privat­ rechtsklauseln genügen müssen. 1. Widerstreitende verfassungsrechtliche Vorgaben Schickt sich der Mieter an, sein Inventar an einen dem Vermieter unbe­ kannten Ort zu verbringen, würde ohne ein polizeiliches Eingreifen die Ver­

11  Siehe

die Ausführungen im dritten Kapitel unter C.II.1.



B. Grundsätzliche Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen321

wirklichung des Vermieterpfandrechts12 wesentlich erschwert werden. Denn ohne Zugriffsmöglichkeit auf die dem Vermieterpfandrecht unterfallenden Sachen wäre dem Vermieter die Realisierung seines Pfandrechts rechtlich zwar weiterhin möglich13, faktisch wäre er an der Verwertung seiner Si­ cherheit jedoch gehindert, weil der Mieter durch (glaubhaftes) Abstreiten des Besitzes an den Sachen die Abweisung einer etwaigen Herausgabeklage des Vermieters herbeiführen könnte.14 Angesichts dessen muss der polizeiliche Zugriff nun einerseits das Pfandrecht des Vermieters ausreichend gegen das zu befürchtende Beiseiteschaffen durch den Mieter schützen, andererseits aber auch die vorrangige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit hin­ reichend beachten. Da sich dabei hinter den beiden Aspekten eine verfas­ sungsrechtliche Direktive verbirgt, namentlich die aus Art. 14 GG resultie­ rende grundrechtliche Schutzpflicht auf der einen und die in Art. 92 GG vorgesehene richterliche Zuständigkeit für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten auf deren anderen Seite, sind die insoweit widerstreitenden verfassungsrecht­ lichen Forderungen in möglichst schonenden Ausgleich zueinander zu brin­ gen. Aufgrund des Umstands, dass die Durchsetzung des Vermieterpfand­ rechts nur gewährleistet ist, wenn die dem Pfandrecht unterliegenden Sachen in der Wohnung respektive auf dem Grundstück verbleiben, ist die Polizei zu deren Sicherstellung oder einer vergleichbaren Maßnahme berechtigt.

12  Abzustellen ist insoweit auf den Anspruch des Vermieters auf Befriedigung aus dem Pfand durch Verkauf, §§ 1257, 1228 Abs. 1 BGB. 13  Der Vermieter kann nach § 562b Abs. 2 Satz 1 BGB vom Mieter die Heraus­ gabe der Sache „zum Zwecke der Zurückschaffung auf das Grundstück und, wenn der Mieter ausgezogen ist, die Überlassung des Besitzes verlangen“, wodurch recht­ lich gesehen eine Befriedigung aus dem Pfand wieder möglich wäre (die Befriedi­ gung durch Pfandverkauf nach §§ 1257, 1228 Abs. 1 BGB setzt den Besitz an den Pfandsachen voraus). 14  Genau wie § 985 BGB besteht der Herausgabeanspruch aus § 562b Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich gegen den (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitzer der Sache (Artz, in: MüKo, BGB, § 562b Rn. 8). Leugnet der Mieter also (was in der Praxis kaum einmal zu widerlegen sein dürfte) jeglichen Besitz an der Sache, macht er sich zwar schadensersatzpflichtig, kann aber nicht zur Herausgabe der Sache verurteilt werden. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie beim Vindikationsanspruch nach § 985 BGB, bei dem ebenfalls der Besitzverlust zwangsläufig die Abweisung der Vindikationsklage zur Folge hat (Baldus, in: MüKo, BGB, § 985 Rn. 54), denn beim Herausgabeanspruch nach § 562b Abs. 2 Satz 1 BGB handelt es sich der Sache nach um ebenfalls um einen dinglichen Herausgabeanspruch, Katzenstein/Hüftle, MDR 2005, 1027, 1030.

322

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

2. Befristung der polizeilichen Maßnahme bis zur Erreichbarkeit gerichtlichen Schutzes Um dem von den Privatrechtsklauseln vorausgesetzten ultima-ratio-Ge­ danken gerecht werden zu können, muss die polizeiliche Maßnahme aller­ dings in zeitlicher Hinsicht beschränkt werden. Denn um die drohende Er­ schwerung der Anspruchsverwirklichung abzuwehren, bedarf es keiner unbe­ fristeten polizeilichen Maßnahme. Vielmehr besteht die Notwendigkeit einer polizeilichen Gefahrenabwehr nur solange bis das an sich ausschließlich zu­ ständige (ordentliche) Gericht die für das beispielhaft soeben behandelte Vermieterpfandrecht bestehende Gefahr selbst abzuwehren vermag. Aus diesem Grund ist die polizeiliche Sicherstellung nur für den Zeitraum erforderlich, den der Vermieter benötigt, um etwa eine einstweilige Verfü­ gung zu erwirken und diese an den Mieter zustellen zu lassen. Beansprucht die polizeiliche Maßnahme über diesen Zeitraum hinaus Geltung, geht sie über das zum Schutz des subjektiven Rechts Erforderliche hinaus und ist rechtswidrig. Folgerichtig erachtete deshalb auch das VG Köln15 in dem von ihm entschiedenen Fall die Sicherstellung der Möbel mit Blick auf die fehlende Befristung der polizeilichen Maßnahme für rechtswidrig.16

III. Kein abschließender Katalog polizeilicher Maßnahmen Mit der Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen wird der Polizei kein bestimmter Maßnahmenkatalog vorgegeben. Wie der dem Urteil des VG Köln17 zugrundeliegende Fall des nächtlichen Möbelrückens verdeut­ licht, kann nicht für jede Standardmaßnahme im Vorhinein beurteilt werden, ob sie dem Gebot der Vorläufigkeit genügt oder auf eine unzulässige Vor­ wegnahme der gerichtlichen Entscheidung hinausläuft. So würde die polizei­ liche Sicherstellung der Möbel keinen Bedenken begegnen, sofern diese bis zu dem Zeitpunkt befristet worden wäre, in dem für den Vermieter die Erlan­ gung gerichtlichen Rechtsschutzes möglich geworden wäre.18

15  VG Köln,

Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 78 f. nach dem VG Frankfurt, ­Beschl. v. 07.08.2020 – 5 L 1972/20.F –, jurisRn. 6, müssen polizeiliche Maßnahmen im Anwendungsbereich der Privatrechtsklau­ seln entweder befristet oder mit einer auflösenden Bedingung versehen sein; zustim­ mend Graulich, in: Lisken/Denninger, E. Rn. 117. 17  VG Köln, a. a. O., juris. 18  Das VG Köln ließ im Hinblick auf das von ihm angenommene Erfordernis ei­ ner Glaubhaftmachung des zu schützenden Vermieterpfandrechts offen, ob die Sicher­ stellung im Falle ihrer Befristung rechtmäßig gewesen wäre, VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 78. 16  Auch



C. Ausnahmsweise Zulässigkeit von endgültigen Maßnahmen323

Demgemäß steht der Polizei im Anwendungsbereich der Privatrechtsklau­ seln im Ausgangspunkt das gesamte polizeirechtliche Handlungsinstrumenta­ rium zur Verfügung, welches jedoch durch den auf Ermöglichung oder Si­ cherung gerichtlichen Rechtsschutzes gerichteten Zweck beschränkt wird.19 Nichtsdestominder werden sich die polizeilichen Maßnahmen regelmäßig als Identitätsfeststellung oder Sicherstellung darstellen, erklären doch die Poli­ zeigesetze selbst den Schutz subjektiver Rechte zu einem Hauptwendungsfall der beiden Standardmaßnahmen.20

C. Ausnahmsweise Zulässigkeit von endgültigen Maßnahmen Nach verbreiteter Meinung beschreibt die Beschränkung des polizeilichen Eingriffsinstrumentariums auf vorläufige Maßnahmen lediglich einen Grund­ satz, von dem im Einzelfall zugunsten von endgültigen polizeilichen Maß­ nahmen durchaus abgewichen werden könne. So sei die Polizei in Eröffnung der Privatrechtsklauseln nur „regelmäßig“21 respektive „grundsätzlich“22 an der Vornahme endgültiger Maßnahmen gehindert, weil die Anwendung der Privatrechtsklauseln „nicht zu Lasten eines wirksamen Rechts(güter) schutzes“ gehen dürfe.23 Als „schlagende Beispiele“ hierfür nennt Schoch die „Befreiung des zugeparkten PKW“ sowie „die Beendigung des abendlichen Hausfriedensbruchs“.24

19  Nachbaur,

in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 65. Identitätsfeststellung siehe die Nachweise im dritten Kapitel in Fn. 97, zur Sicherstellung im dritten Kapitel in Fn. 24. 21  Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 35; Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 49. 22  Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 54, der wenig nachvollziehbar die Identitätsfeststellung als Beispiel für eine ausnahmsweise zulässige endgültige Maß­ nahme anzuführen scheint, obgleich mit einer Identitätsfeststellung gerade keine end­ gültige Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruchs verbunden ist. 23  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 259; a. A. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahren­ abwehr, S. 239, nach denen die Polizei „niemals“ zu einer endgültigen Rechtsdurch­ setzung befugt sei, siehe auch VGH BW, Urt. v. 22.02.1995 – 1 S 3184/94 –, jurisRn. 22. 24  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 259, das von ihm angeführte Beispiel des abend­ lichen Hausfriedensbruchs ist hierbei insoweit unverständlich, als nach der auch von ihm (ders., a. a. O., Rn. 256) vertretenen Ausschließlichkeitstheorie die Privatrechts­ klauseln bei Vorliegen eines nach § 123 StGB strafbaren Hausfriedensbruchs gar keine Anwendung finden. 20  Zur

324

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

I. Endgültige Maßnahmen als Ersetzung des gerichtlichen Rechtsschutzes Da endgültige Maßnahmen letztlich auf die polizeiliche Durchsetzung privatrechtrechtlicher Ansprüche hinauslaufen, wird durch diese ein etwaiges gerichtliches Verfahren zwischen Rechteinhaber und Störer vorweggenom­ men und so der Judikative unwiderruflich eine in ihre originäre Zuständigkeit fallende bürgerliche Rechtsstreitigkeit entzogen. Insoweit kann deswegen von rechtsschutzersetzenden Maßnahmen gesprochen werden.

II. Rechtfertigung rechtsschutzersetzender polizeilicher Maßnahmen Angesichts des ultima-ratio-Charakters, der sämtlichen Maßnahmen im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln zukommen muss, begegnet die Zulassung endgültiger polizeilicher Maßnahmen im Ausgangspunkt erhebli­ chen Bedenken. Gleichwohl ist anzuerkennen, dass es in bestimmten Kon­ stellation in der Tat unbillig erscheinen würde, den Rechteinhaber hinsicht­ lich der Durchsetzung seines Anspruchs auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. 1. Relevante Konstellationen In welchen Konstellationen eine endgültige polizeiliche Rechtsdurchset­ zung ausnahmsweise gerechtfertigt werden kann, soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden. A ist mit seinem Nachbar B zerstritten. Anlass des Streits ist ein Anbau am Haus des A, der nach Meinung von B zum Teil auf seinem Grundstück errichtet worden ist. Tatsächlich ist dies indes nicht der Fall. Eines Abends kehrt der alleinlebende A zu seinem Haus zurück und muss feststellen, dass B sich Zugang zum Haus verschafft hat und sich nunmehr in einem Raum aufhält, der zu dem in Rede ste­ henden Anbau gehört. Dem A gegenüber erklärt B, er werde den Raum fortan sel­ ber nutzen, da dieser sich auf seinem Grundstück befinde und deshalb sein Eigen­ tum sei.

In dieser Konstellation hat A als tatsächlicher Eigentümer des Raumes25 gemäß § 985 BGB gegen B einen Anspruch auf Räumung seines Hauses.26 Aus polizeirechtlicher Perspektive liegt demnach eine Gefahr respektive Stö­ 25  Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört der Anbau als Gebäudeteil zum Grund­ stückseigentum. 26  Die Annahme eines Mitbesitzes von B steht der Anwendung des § 985 BGB nicht entgegen. Denn der Eigentümer vermag seinen Vindikationsanspruch auch ge­ gen einen Mitbesitzer geltend zu machen, insbesondere schließt § 866 BGB das Be­



C. Ausnahmsweise Zulässigkeit von endgültigen Maßnahmen325

rung vor, weil das Eigentum des A an seinem Haus unter das Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter zu subsumieren ist. Da die Beeinträchtigung des Eigentumsrechts bereits andauert, ist von der Uner­ reichbarkeit rechtzeitigen gerichtlichen Schutzes auszugehen, sodass es im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln darauf ankommt, ob ohne polizeiliche Hilfe die Durchsetzung des Herausgabeanspruchs des A vereitelt oder we­ sentlich erschwert werden würde. Diesbezüglich stellt sich nun die gleiche Problematik, die bereits im Kon­ text der Unterlassungsansprüche diskutiert wurde. So wird die Durchsetzbar­ keit des Herausgabeanspruchs durch die Beeinträchtigung des Eigentums­ rechts weder vereitelt noch wesentlich erschwert, denn der Anspruch des A auf Herausgabe besteht ungeachtet der bereits andauernden Beeinträchtigung fort.27 Dennoch wird hier ausnahmsweise nach Maßgabe der vorstehend auf­ gestellten Grundsätze28 von einer Unzumutbarkeit der weiteren Rechtsbeein­ trächtigung und dementsprechend vom Vorliegen der von den Privatrechts­ klauseln aufgestellten Voraussetzungen ausgegangen werden müssen. Denn ein gerichtliches Verfahren könnte dem A zwar einen in die Zukunft gerich­ teten Räumungsanspruch verschaffen, wäre hierbei aber kaum geeignet, die in der Anwesenheit des B zu erblickende Beeinträchtigung des Eigentums­ rechts des A nachträglich zu kompensieren. In der Folge erscheint es unzu­ mutbar, dem A aufzubürden, die Anwesenheit des B in seinem Haus bis zum Erlangen gerichtlichen Rechtsschutzes dulden zu müssen. Zumal neben dem Eigentumsrecht des A auch dessen in Art. 13 GG garantiertes Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung durch die Anwesenheit des B beeinträchtigt wird.29 stehen des Vindikationsanspruchs nicht aus, hierzu Gutzeit, in: Staudinger, § 866 Rn. 28. 27  Genau genommen besteht der Vindikationsanspruch gerade nur, weil B das Eigentum des A beeinträchtigt. Denn der Anspruch nach § 985 BGB setzt tatbestand­ lich eine Eigentumsbeeinträchtigung in Gestalt einer Vorenthaltung des Besitzes vor­ aus. Zu einer vergleichbaren Konstellation siehe auch VG Würzburg, Urt. v. 25.01.2019 – W 9 K 17.703 –, juris-Rn. 31, welches in dem polizeilichen Platzver­ weis gegen einen Mieter, der sich nach Mietende noch in den gewerblichen Räum­ lichkeiten aufhielt, auch deswegen einen Verstoß gegen die Privatrechtsklauseln er­ blickte, weil nicht ersichtlich gewesen sei, dass durch den Aufenthalt des Mieters die Verwirklichung der Rechte der Vermieterin wesentlich vereitelt oder erschwert wor­ den sei. 28  Siehe hierzu im dritten Kapitel unter C.V.3. 29  Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung schützt die räumliche Pri­ vatsphäre auch vor den Übergriffen Privater, siehe Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 13 Rn. 11, letztlich handelt es sich bei dem in Art. 13 normierten Grundrecht um eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, ders., a. a. O., Art. 13 Rn. 2.

326

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

2. Notwendigkeit endgültiger Maßnahmen zur Beendigung unzumutbarer Rechtsbeeinträchtigungen Bei genauer Betrachtung lässt sich anhand des obigen Beispiels eine Kor­ relation zwischen der Unzumutbarkeit einer weiteren Rechtsbeeinträchtigung und der ausnahmsweisen Zulässigkeit von rechtsschutzersetzenden Maßnah­ men erkennen. Wird unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit eine Vereitelung re­ spektive wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung bejaht, muss sich diese Wertung zwangsläufig auf das der Polizei zur Verfügung stehende Handlungsinstrumentarium auswirken. So würde es ersichtlich einen Wer­ tungswiderspruch darstellen, einerseits zwar von der Unzumutbarkeit einer weiteren Rechtsbeeinträchtigung auszugehen, der Polizei andererseits aber lediglich die Befugnis zur Vornahme von vorläufigen Maßnahmen zuzuspre­ chen. Die Bewertung einer Rechtsbeeinträchtigung als unzumutbar macht es unvermeidlich, die Polizei in Ansehung der Unzumutbarkeit ausnahmsweise auch zu endgültigen, d. h. rechtsschutzersetzenden Maßnahmen, zu ermächti­ gen. Andernfalls müsste der Rechteinhaber nämlich doch die als unzumutbar erachtete Beeinträchtigung erdulden. Hiermit erweist sich das Durchbrechen des Grundsatzes, nach dem die Polizei in Anwendung der Privatrechtsklauseln nur vorläufige Maßnahmen ergreifen darf, im Ergebnis als notwendige Konsequenz der im dritten Kapi­ tel30 angestellten Erwägungen. Denn die gleichen Erwägungen, mit denen trotz einer an sich nicht zu besorgenden Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung, das Bedürfnis nach einer polizeili­ chen Eilfallkompetenz begründet wurde, erfordern es, die Polizei ausnahms­ weise zur Vornahme von endgültigen Maßnahmen zu ermächtigen.31 So beschreiben beide Aspekte letztendlich zwei Seiten derselben Medaille, wie die von Schoch angeführten Beispiele eindrucksvoll belegen. Sowohl bei Beendigung des abendlichen Hausfriedensbruchs als auch bei Entfernung des einen anderen Wagen zuparkenden Kraftfahrzeugs vermag eine Eilfallkompetenz der Polizei nämlich nur dann angenommen zu werden, sofern mit dem hier entwickelten Ansatz eine Unzumutbarkeit der weiteren 30  Siehe

drittes Kapitel unter C.V.3. beachten ist, dass auch in Konstellationen, in denen von einer drohenden Anspruchsvereitelung im engeren Sinne (etwa wegen einer unbekannten Identität des Störers, vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) auszugehen ist, unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit Raum für rechtsschutzersetzende polizeiliche Maßnahmen verblei­ ben kann. Denn die an sich in solchen Fallgestaltungen vorrangig in Betracht kom­ menden rechtsschutzermöglichenden Maßnahmen (Identitätsfeststellung) wären nicht geeignet, die unzumutbare (weitere) Rechtsbeeinträchtigung zu unterbinden. 31  Zu



C. Ausnahmsweise Zulässigkeit von endgültigen Maßnahmen327

Rechtsbeeinträchtigung angenommen wird. Denn eine Vereitelung oder we­ sentliche Erschwerung der Durchsetzung des Herausgabe- bzw. Unterlas­ sungsanspruchs ist bei genauer Betrachtung weder in der Konstellation des Hausfriedensbruchs noch beim Zuparken eines anderen Kraftfahrzeugs zu befürchten. Konsequenterweise hätte somit sowohl das OLG Hamm32 als auch das OVG Rheinland-Pfalz33, deren Entscheidungen die von Schoch an­ geführten Beispiele entnommen sind34, auf die oben skizzierte Problematik der Rechtsverwirklichung eingehen und diese im Sinne des hier entwickelten Ansatzes lösen müssen, um in den zugrundeliegenden Konstellationen über­ haupt eine Befugnis der Polizei zum Schutz der gefährdeten subjektiven Rechte begründen zu können. Auch wenn beide Gerichte gänzlich anders verfahren35, verdeutlichen die Entscheidungen dennoch die Korrelation zwischen der ausnahmsweisen Zu­ lässigkeit von rechtsschutzersetzenden Maßnahmen und dem hier postulier­ ten Kriterium der Unzumutbarkeit: Ist weder eine Vereitelung noch eine wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung zu befürchten, besteht für rechtsschutzermöglichende und rechtsschutzsichernde Maßnahmen, nicht nur keine Notwendigkeit, vielmehr sind diese zur Gefahrenabwehr auch schlicht nicht geeignet. Denn derlei vorläufige Maßnahmen vermögen allein dann eine für ein subjektives Recht bestehende Gefahr abzuwehren, sofern sich diese als zu besorgende Vereitelung respektive wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung darstellt. 3. Eng auszulegende Ausnahmekonstellation Gemessen an den im dritten Kapitel36 aufgestellten Grundsätzen ist die Polizei in dem Beispiel der Wohnhausbesetzung37 aufgrund der Unzumut­ barkeit der Rechtsbeeinträchtigung zu einer Räumung des Hauses befugt, obschon die polizeiliche Räumung die endgültige Durchsetzung des dem A zustehenden Herausgabeanspruchs bedeutet und hierdurch ein etwaiges zivil­ gerichtliches Verfahren zwischen A und B vorweg nimmt. 32  OLG

Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 –, juris. Urt. v. 29.09.1987 – 7 A 34/87 –, juris. 34  Schoch, in: ders., 1. Kap. Rn. 259 und 257 verweist ausdrücklich auf die beiden genannten Entscheidungen. 35  OLG Hamm, Urt. v. 22.01.2016 – 11 U 67/15 –, juris-Rn. 10, das weder auf das Erfordernis einer Vereitelung bzw. wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirk­ lichung eingeht noch den endgültigen Charakter der polizeilichen Maßnahme darlegt (Aufforderung zur Entfernung aus der Wohnung) dar; ebenso OVG RhPf, Urt. v. 29.09.1987 – 7 A 34/87 –, juris-Rn. 23. 36  Siehe drittes Kapitel unter C.V.3. 37  Siehe oben unter C.II.1. 33  OVG RhPf,

328

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

Nichtsdestoweniger muss die Zulässigkeit derlei endgültiger Maßnahmen auf Ausnahmekonstellationen beschränkt bleiben, in denen es dem Rechtein­ haber schlechthin unzumutbar wäre, die Beeinträchtigung seines subjektiven Rechts bis zum Erlangen gerichtlichen Rechtsschutzes hinnehmen zu müs­ sen. So besteht etwa bei privatrechtlichen Forderungen schon deshalb kein Raum für eine polizeiliche Anspruchsdurchsetzung, weil die in der ausblei­ benden Zahlung zu erblickende Rechtsbeeinträchtigung schlechterdings nicht als unzumutbar qualifiziert werden kann. Doch auch im Beispiel des zuge­ parkten Kraftfahrzeugs ist nicht zwangsläufig von einer Unzumutbarkeit der hierin liegenden Eigentumsbeeinträchtigung auszugehen. Gedacht sei hier etwa an die Konstellation, dass sich der Fahrzeugeigentümer urlaubsbedingt im Ausland aufhält oder sein Fahrzeug aus anderen Gründen – erkennbar – mittelfristig nicht zu nutzen beabsichtigt. Unbedingt zu beachten bleibt an dieser Stelle deshalb, dass nicht jede Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts die Annahme einer Unzumutbarkeit rechtfertigen kann, sollen die aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Hintergrundes eng auszulegenden Pri­ vatrechtsklauseln nicht ausgehöhlt werden. 4. Exkurs: Unbeachtlichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs Wenngleich die Polizei durch rechtsschutzersetzende Maßnahmen den zi­ vilrechtlichen Anspruch anstelle des Gerichts selbst durchsetzt, führt dies nicht dazu, dass die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme in dieser Konstellation ausnahmsweise38 die gerichtliche Durchsetzbarkeit des An­ spruchs voraussetzen würde. Zunächst ist hervorzuheben, dass die dahingehende Fragestellung ohnehin allenfalls theoretischer Natur sein dürfte. Rechtsschutzersetzende Maßnah­ men der Polizei kommen – wie dargestellt wurde – lediglich dann in Be­ tracht, wenn unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit von einer Vereite­ lung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechtsverwirklichung auszu­ gehen ist. Setzt die polizeiliche Anspruchsdurchsetzung demnach voraus, dass dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann, eine (weitere) Beein­ trächtigung seiner Rechte durch Dritte hinzunehmen, werden in den in Rede stehenden Konstellationen kaum einmal Bedenken gegen die gerichtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs bestehen können. Denn die Annahme einer unzumutbaren Rechtsbeeinträchtigung dürfte bei Zweifeln an der gericht­ lichen Durchsetzbarkeit des zugrundeliegenden Anspruchs von vornherein ausscheiden. Zumindest aber erübrigt sich bei Geldzahlungsansprüchen die 38  Zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs bereits im dritten Kapitel unter B.I.



D. Die Problematik bei Unterlassungsansprüchen329

Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit schon deshalb, weil bei diesen schlechterdings nicht von einer Unzumutbarkeit der in der ausbleibenden Zahlung zu erblickenden Rechtsbeeinträchtigung ausgegangen werden kann und mithin gar kein Raum für eine endgültige polizeiliche Anspruchsdurch­ setzung besteht. Im Übrigen dürfte die Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs bereits in der im Rahmen der Privatrechtsklauseln ohnehin erfor­ derlichen überschlägigen polizeilichen Plausibilitätsprüfung aufgehen. Ist nach dieser von einem Bestehen des Rechts auszugehen, dürfte zugleich auch die gerichtliche Durchsetzbarkeit des aus dem subjektiven Recht er­ wachsenden Anspruchs anzunehmen sein. Zumal eine Differenzierung zwi­ schen Bestehen des Rechts respektive Anspruchs auf der einen und der ge­ richtlichen Durchsetzbarkeit des aus dem Recht erwachsenden Anspruchs auf der anderen Seite ohnehin den Rahmen einer überschlägigen Plausibilitätsprüfung durch den zivilrechtlich allenfalls rudimentär ausgebildeten Polizei­ beamten sprengen dürfte.

III. Ergebnis Zu konstatieren ist nach alldem Folgendes: Die Beschränkung des polizei­ lichen Handlungsinstrumentariums auf vorläufige Maßnahmen in Eröffnung der Privatrechtsklauseln stellt lediglich einen Grundsatz dar, welcher immer dann eine Ausnahme erfährt, sofern es für den Rechteinhaber unzumutbar wäre, die Beeinträchtigung seines subjektiven Rechts bis zum Erlangen ge­ richtlichen Rechtsschutzes hinzunehmen. Das Zulassen von endgültigen poli­ zeilichen Maßnahmen erweist sich dabei als zwingend, sofern in einschlägi­ gen Konstellationen mit dem hier entwickelten Ansatz hinsichtlich des Erfor­ dernisses einer Vereitelung respektive wesentlichen Erschwerung der Rechts­ verwirklichung auf den Aspekt der Zumutbarkeit abgestellt wird. Stellt sich das Hinnehmen der Rechtsbeeinträchtigung für den Rechteinhaber demnach als unzumutbar dar, ist aus Wertungsgesichtspunkten nicht nur eine polizei­ liche Eilfallkompetenz nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln, sondern auch die Befugnis der Polizei zu einer endgültigen Abwehr der Rechtsbeeinträch­ tigung, anzunehmen.

D. Die Problematik bei Unterlassungsansprüchen Einer differenzierten Betrachtung bedürfen Unterlassungsansprüche, be­ steht bei diesen doch – wie bereits dargelegt wurde39 – die Besonderheit, 39  Siehe

im dritten Kapitel unter C.IV.3.a).

330

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

dass die Durchsetzung des Anspruchs aus rechtslogischen Gründen durch den Störer kaum einmal vereitelt bzw. erschwert zu werden vermag.

I. Unmöglichkeit einer Differenzierung zwischen rechtsschutzsichernden und rechtsschutzersetzenden Maßnahmen Während sich im Hinblick auf rechtsschutzermöglichende Maßnahmen bei Unterlassungsansprüchen keine Besonderheiten ergeben40, bereitet die Abgrenzung zwischen rechtsschutzsichernden Maßnahmen einerseits und ­ rechts­ schutzersetzenden Maßnahmen andererseits im hier interessierenden Zusammenhang erhebliche Schwierigkeiten. So wird die vorläufige Siche­ rung eines Unterlassungsanspruchs regelmäßig zugleich mit einer endgülti­ gen Anspruchsdurchsetzung verbunden sein, wodurch der zwischen rechts­ schutzsichernden und rechtsschutzersetzenden Maßnahmen grundsätzlich bestehende Unterschied letztendlich eine Nivellierung erfährt. Verdeutlicht werden soll dieses Dilemma anhand des bereits mehrfach bemühten Beispiels des Markenrechts. Nutzt der Störer widerrechtlich eine Marke des Rechteinhabers, hat dieser gegen den Störer einen Anspruch auf Unterlassung der Markennutzung. Die in der widerrechtlichen Markennutzung zu erblickende Störung der öffent­ lichen Sicherheit kann die Polizei – wird im Einzelfall aufgrund einer Unzu­ mutbarkeit der weiteren Rechtsbeeinträchtigung eine polizeiliche Handlungs­ befugnis nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln angenommen – nun allein durch ein Verbot der weiteren Markennutzung abwehren. Hierdurch würde die Polizei der Sache nach den aus § 14 Abs. 5 MarkenG folgenden Unterlas­ sungsanspruch des Markeninhabers durchsetzen, denn auch ein Gericht würde bei Erlass einer einstweiligen Verfügung dem Störer die weitere Mar­ kennutzung verbieten. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen würde es dabei sogar keinen Bedenken begegnen, sofern die Polizei ein unbefristetes Verbot aussprechen würde, weil sie in Anbetracht der Unzumutbarkeit der Rechtsbeeinträchti­ gung an sich auch zum Ergreifen von endgültigen Maßnahmen befugt wäre.

40  So kommt auch bei Unterlassungsansprüchen als vorläufige Maßnahme wiede­ rum eine Identitätsfeststellung in Betracht, sofern dem Unterlassungsgläubiger die Identität des Unterlassungsschuldners (= Störers) nicht bekannt ist.



D. Die Problematik bei Unterlassungsansprüchen331

II. Beschränkung auf vorläufige Anspruchsdurchsetzung Freilich liegt es auf der Hand, dass in der soeben beschriebenen Konstel­ lation ein unbefristetes polizeiliches Verbot dem ultima-ratio-Gedanken der Privatrechtsklauseln nicht genügen könnte. Würde die Polizei die weitere Markennutzung endgültig verbieten, bestünde für den Rechteinhaber keiner­ lei Anlass, auch zivilrechtlich gegen den Störer vorzugehen, wodurch die vorrangige Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ersichtlich unter­ laufen würde. Aus diesem Grund ist die polizeiliche Verbotsverfügung auf den Zeitraum zu beschränken, den der Rechteinhaber benötigt, um einen gerichtlichen Schutz seines Markenrechts zu erlangen. Im Gegensatz zu Zahlungs- und Herausgabeansprüchen muss die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs nämlich ihrem Wesen nach nicht notwendigerweise endgültig sein. Da sich ein Unterlassungsanspruch gegen künftige Zuwiderhandlungen richtet, ist dieser vielmehr auch einer nur vorläufigen Durchsetzung durch die Polizei zugänglich, indem diese dem Störer die Fortsetzung einer Zuwiderhandlung bzw. eine erneute Zuwiderhandlung lediglich für einen bestimmten Zeitraum verbietet. Vor dem Hintergrund, dass polizeiliche Maßnahmen zum Schutz subjektiver Rechte ob des ultima-ratio-Prinzips stets auf das zur Abwehr der Gefahr respektive Beseitigung der Störung erforderliche Maß zu beschränken sind, ist die Polizei in Eröffnung der Privatrechtsklauseln dementsprechend lediglich zur vorläufigen Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs be­ fugt.41 Denn eine endgültige Anspruchsdurchsetzung ist nicht erforderlich, um die für das subjektive Recht bestehende Gefahr abzuwehren respektive dessen Beeinträchtigung zu beenden. Terminologisch kann die vorläufige Durchsetzung eines Unterlassungsan­ spruchs hierbei als rechtsschutzsichernde Maßnahme angesehen werden, weil durch das polizeiliche Einschreiten das zivilgerichtliche Verfahren nicht vorweggenommen bzw. obsolet gemacht wird. Eine Substitution des gericht­ lichen Rechtschutzes stellt sich durch den polizeilichen Zugriff ergo nicht ein.

41  In diese Richtung wohl auch Holzner, der – ohne die Problematik bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen zu verorten – festhält, auch in Ansehung des grundsätzlichen Verbots vorläufiger Maßnahmen dürfe die polizeiliche Maß­ nahme „für den Zeitraum bis zur Ergreifung von Rechtsschutz endgültig“ sein, ders., in: BeckOK, PolR Bayern, PAG, Art. 2 Rn. 33. Da eine nur für einen bestimmten Zeitraum Geltung beanspruchende Maßnahme indes gerade nicht endgültig ist, er­ scheint es vorzugswürdig, insoweit von einer vorläufigen Anspruchsdurchsetzung zu sprechen.

332

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum zivilgerichtlichen Rechtsschutz Eingehender Betrachtung bedarf schließlich das Verhältnis vorläufiger po­ lizeilicher Maßnahmen zu einem etwaigen parallel laufenden zivilgericht­ lichen Verfahren.

I. Die Problematik Ergreift die Polizei vorläufige Maßnahmen, um die für ein subjektives Recht bestehende Gefahr abzuwehren, wird mit Blick auf das ultima-ratioPrinzip unweigerlich die Frage aufgeworfen, wie es sich auswirkt, wenn der Rechteinhaber parallel zur polizeilichen Schutzmaßnahme auch gerichtlich gegen den Störer vorgeht. So wurde bereits herausgearbeitet, dass eine Sicherstellung im Falle des nächtlichen Möbelrückens nur für den Zeitraum erforderlich und damit recht­ mäßig ist, den der Vermieter benötigt, um eine gerichtliche Sicherung seines Vermieterpfandrechts zu erlangen. Nicht geklärt wurde dagegen, wie der zur Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes erforderliche Zeitraum konkret zu bemessen ist und wie es sich auf die polizeiliche Maßnahme auswirkt, sofern der Vermieter innerhalb des befristeten Zeitraums tatsächlich eine einstwei­ lige Verfügung gegen den Störer erwirkt. Wird die vorläufige Sicherungs­ maßnahme der Polizei mit Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig oder gar unwirksam? Was gilt, wenn das Gericht den Antrag des Vermieters ablehnt oder die zugunsten des Vermieters erlassene einstweilige Verfügung in der nächsten Instanz aufgehoben wird?

II. Beschränkung der Problematik auf rechtsschutzsichernde Maßnahmen Nach der vorstehend vorgenommenen Klassifikation vorläufiger Maßnah­ men in rechtsschutzermöglichende, rechtsschutzsichernde sowie rechtsschutz­ ersetzende, wird die Frage nach den Auswirkungen eines parallel laufenden zivilgerichtlichen Verfahrens insbesondere bei rechtsschutzsichernden Maß­ nahmen virulent. In den Konstellationen, in denen die Polizei zur Vornahme von rechtsschutzermöglichenden und rechtsschutzersetzenden Maßnahmen befugt ist, kann sich die entsprechende Problematik hingegen bereits deshalb nicht einstellen, weil der Rechteinhaber dort kaum einmal parallel zu der polizeilichen Maßnahme gerichtlich gegen den Störer wird vorgehen können. Bei rechtsschutzermöglichenden Maßnahmen versteht sich dies von selbst, wird dem Rechteinhaber dort doch gerade erst durch das polizeiliche Ein­



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz333

greifen eine gerichtliche Inanspruchnahme des Störers ermöglicht. Das ge­ richtliche Verfahren kann demnach notwendigerweise erst nach Abschluss der polizeilichen Intervention eingeleitet werden. Auch bei rechtsschutzerset­ zenden Maßnahmen wird regelmäßig parallel kein Gerichtsverfahren zwi­ schen Rechteinhaber und Störer anhängig sein, nimmt der polizeiliche Zugriff in dieser Konstellation die gerichtliche Entscheidung doch gerade vorweg.42

III. Anleihe bei den Vorschriften zur polizeilichen Wohnungsverweisung Während sich die Privatrechtsklauseln zu all diesen Fragen nicht verhal­ ten, lassen die Polizeigesetze an anderer Stelle durchaus erahnen, wie die zugrundeliegende Problematik nach dem Willen der Gesetzgeber aufzulösen sein dürfte. 1. Wohnungsverweisung als Sonderfall rechtsschutzsichernder Maßnahmen Sämtliche Polizeigesetze mit Ausnahme des Bundespolizeigesetzes43 se­ hen mit der Standardmaßnahme der Wohnungsverweisung praktisch einen gesetzlich geregelten Sonderfall einer vorläufigen polizeilichen Sicherungs­ maßnahme vor. Denn die polizeiliche Wohnungsverweisung dient gerade dazu, den Zeitraum zu überbrücken, den die betroffene Person benötigt, um gerichtlich gegen den Störer vorgehen zu können44, und entspricht in ihrer Zielsetzung somit den rechtsschutzsichernden Maßnahmen im Anwendungs­ bereich der Privatrechtsklauseln.45 Teilweise wird der vorläufige Charakter der Wohnungsverweisung durch die Gesetze sogar expressis verbis hervorge­ 42  Möglich bleibt deshalb allein die Konstellation, dass der Rechteinhaber bereits vor dem Einschreiten der Polizei ein gerichtliches Verfahren gegen den Störer ange­ strengt hat. Nach dem polizeilichen Zugriff würde einem gerichtlichen Vorgehen hingegen der Gesichtspunkt der Erledigung entgegenstehen, da der materiell-rechtli­ che Anspruch des Rechteinhabers gegen den Störer (etwa Räumung des Wohnhauses) infolge Erfüllung untergegangen wäre. 43  Zum kompetenzrechtlichen Hintergrund dieser Ausnahme sowie zu der nunmehr geltenden Rechtslage in Bayern siehe im zweiten Kapitel Fn. 518 und Fn. 519. 44  Treffend insoweit Trierweiler, Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häuslicher Gewalt, S. 36, nach dem die nordrhein-westfälische Vorschrift (§ 34a PolG NRW) das „zeitliche Vakuum“ bis zur familiengerichtlichen Entschei­ dung ausfüllen solle; siehe auch Guckelberger, JA 2011, 1, 1; Ogorek/Traub, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 34a Rn. 48; Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, § 29a Rn. 24. 45  Siehe nur Ogorek/Traub, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 34a Rn. 48, die zu­ treffend festhalten, dass die polizeiliche Wohnungsverweisung nicht der „endgültigen,

334

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

hoben, indem die Polizei von vornherein lediglich für den Zeitraum „bis zu einer richterlichen Entscheidung über zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten“ zu einer Wohnungsverweisung ermächtigt wird.46 Um ihrem vorläufigen Charakter gerecht zu werden, erfahren die polizeili­ chen Anordnungsbefugnisse nun in zweierlei Hinsicht eine Einschränkung. Zum einen bestimmen, mit Ausnahme des rheinland-pfälzischen Polizeige­ setzes, sämtliche Gesetze eine zeitliche Höchstgrenze der Wohnungsverwei­ sung47, die in den meisten Ländern entweder zehn48 oder 1449 Tage be­trägt50, wobei sich diese partiell um weitere zehn respektive 14 Tage verlängert, so­ fern die gefährdete Person einen Antrag auf zivilrechtlichen Rechtsschutz stellt.51 Ferner sehen die meisten Gesetze vor, dass die polizeiliche Woh­ nungsverweisung, unabhängig vom Erreichen der Höchstfrist, eo ipso52 mit dem Tag unwirksam wird, an dem das zuständige Gericht wirksam über einen dauerhaften Sicherung von Gewaltopfern“ diene und diesbezüglich auf die Privat­ rechtsklauseln verweisen. 46  § 31 Abs. 2 Satz 1 HSOG; § 36 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA. 47  § 13 Abs. 2 POG RhPf beziffert keine zeitliche Höchstgrenze, sondern sieht lediglich vor, dass die Maßnahme „zeitlich befristet“ werden müsse. 48  § 12 Abs. 4 Satz 1 BremPolG; § 16a Abs. § 5 Satz 1 BbgPolG; § 12b Abs. 1 Satz 2 SOG HH; § 34a Abs. 5 Satz 1 PolG NRW; § 12 Abs. 2 Satz 4 SPolG; § 18 Abs. 2 Satz 2 ThürPAG. 49  § 30 Abs. 4 Satz 1 PolG BW für den Fall einer Anordnung der Wohnungsver­ weisung durch die Polizeibehörde (4 Werktage bei einer Anordnung durch den Poli­ zeivollzugsdienst); § 29a Abs. 3 Satz 1 ASOG Bln; § 31 Abs. 2 Satz 3 HSOG; § 52 Abs. 2 Satz 4 SOG M-V; § 17a Abs. 1 Satz 1 NPOG; § 19 Abs. 1 SächsPVDG; § 36 Abs. 3 Satz 3 SOG LSA; § 201a Abs. 1 Satz 1 LVwG SH.  50  Das in Art. 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayPAG vorgesehene Kontaktverbot kann bis zu drei Monate betragen und um jeweils längstens drei Monate verlängert werden, siehe Art. 16 Abs. 2 Satz 3 BayPAG; nach § 201a Abs. 1 Satz 1 LVwG SH ist eine Wohnungsverweisung nunmehr bis zu einer Dauer von maximal vier Wochen mög­ lich. 51  § 16a Abs. 5 Satz 2 BbgPolG; § 12 Abs. 4 Satz 2 BremPolG; § 12b Abs. 1 Satz 3 SOG HH; § 34a Abs. 5 Satz 2 PolG NRW; § 12 Abs. 2 Satz 5 SPolG sieht keine kraft Gesetzes eintretende Verlängerung der Wohnungsverweisung vor, sondern ermächtigt die Polizei lediglich zu einer entsprechenden Verlängerung; gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 NPOG ist die Polizei wohl zu einer Verlängerung der Maßnahme ver­ pflichtet: „[…] so verlängert die Polizei […]“; nach § 31 Abs. 2 Satz 4 HSOG kann die Polizei die Wohnungsverweisung um weitere 14 Tage verlängern, sofern nach Ablauf der Höchstfrist noch keine gerichtliche Entscheidung vorliegt; eingehend zu der Frage, ob sich die Wohnungsverweisung bereits eo ipso oder erst nach einem entsprechenden Ausspruch durch die Polizei verlängert, Eicke, polizeiliche Woh­ nungsverweisung, S.  239 ff. 52  So im Hinblick auf die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, Ogorek/Traub, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 34a Rn. 48; Eicke, polizeiliche Wohnungsverweisung, S. 260.



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz335

Antrag der gefährdeten Person auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entscheidet.53 2. Übertragbarkeit des Regelungssystems auf die Privatrechtsklauseln Die in diesem ausdifferenzierten Regelungssystem zum Ausdruck kom­ menden gesetzgeberischen Wertungen lassen sich entsprechend für rechts­ schutzsichernde Maßnahmen im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln fruchtbar machen.54 a) Befristung der Maßnahmen Die bei der Wohnungsverweisung gesetzlich vorgesehenen Höchstfristen tragen dem Umstand Rechnung, dass die polizeiliche Wohnungsverweisung gerade keine endgültige Sicherung der gefährdeten Person bezweckt.55 Da dies ebenso auf rechtsschutzsichernde Maßnahmen zutrifft, müssen auch diese – wie bereits dargelegt wurde56 – notwendigerweise befristet werden.

53  § 30 Abs. 4 Satz 3 PolG BW; 16a Abs. 5 Satz 2 BbgPolG; § 12 Abs. 4 Satz 2 BremPolG; 12b Abs. 1 Satz 3 SOG HH; § 52 Abs. 2 Satz 6 SOG MV; § 17a Abs. 2 Satz 3 NPOG; § 34a Abs. 5 Satz 2 PolG NRW; § 19 Abs. 3 Satz 3 SächsPVDG; 12 Abs. 2 Satz 6 SPolG; 201a Abs. 2 Satz 2 LVwG SH; gleiches dürfte für die Rechts­ lage in Hessen und Sachsen-Anhalt gelten, da die polizeiliche Befugnis dort von vornherein nur für den Zeitraum bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung besteht, 31 Abs. 2 Satz 1 HSOG sowie 36 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA; gemäß § 29a Abs. 3 Satz 1 ASOG Bln wird die polizeiliche Anordnung nur bei einer ablehnenden gerichtlichen Entscheidung unwirksam, bei Erlass einer einstweiligen Anordnung dürften polizeiliche und gerichtliche Schutzmaßnahme demgemäß nebeneinander be­ stehen, so wohl auch Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle, ASOG, § 29a Rn. 26 f.; unabhängig von einer entsprechenden gesetzlichen Regelung von einer eo ipso eintre­ tenden Unwirksamkeit der Wohnungsverweisung ausgehend wohl Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn. 138. 54  Bei rechtsschutzsichernden Maßnahmen handelt es sich ebenso wie bei Woh­ nungsverweisungen um sog. Dauer-Verwaltungsakte, da sie ihre Funktion der Siche­ rung der Anspruchsdurchsetzung allein dann zu erfüllen vermögen, sofern ihre Rege­ lungswirkung nicht nur für einen bestimmten Zeitpunkt, sondern für einen bestimm­ ten Zeitraum eintritt, allgemein zu Dauerverwaltungsakten BVerwG, B ­eschl. v. 05.01.2012 – 8 B 62.11 –, juris-Rn. 13. 55  Ogorek/Traub, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 34a Rn. 48; Söllner, in: Pe­ westorf/Söllner/Tölle, § 29a Rn. 24. 56  Siehe oben unter B.II.2.

336

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

aa) Bemessung der Frist Den für die Wohnungsverweisung geltenden Höchstfristen dürfte die ge­ setzgeberische Intention zugrunde liegen, nach der es der gefährdeten Person regelmäßig möglich ist, innerhalb von zehn respektive 14 Tagen eine einst­ weilige Anordnung gegen den Störer erwirken zu können.57 Da der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz nicht mehr Zeit benötigen dürfte als der Erlass einer gewöhnlichen einstweiligen Verfügung, beanspruchen diese gesetzgeberischen Erwägungen auch für rechtsschutzsi­ chernde Maßnahmen nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln Geltung. Ist sonach von der Möglichkeit eines innerhalb von zehn oder 14 Tagen zu er­ wirkenden gerichtlichen Schutzes auszugehen, sind auch vorläufige Maßnah­ men zum Schutz subjektiver Rechte im Regelfall auf die Dauer von zehn oder 14 Tagen zu befristen. Zu betonen bleibt jedoch auch an dieser Stelle, dass hinsichtlich des erfor­ derlichen Zeitraumes nicht auf den Erlass der einstweiligen Verfügung, son­ dern auf deren Wirksamkeit abgestellt werden muss. Folgerichtig sehen ei­ nige Polizeigesetze die eo ipso eintretende Unwirksamkeit der Wohnungsver­ weisung ausdrücklich auch erst für den Tag einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung vor.58 Da erst die wirksame gerichtliche Verfügung das sub­ jektive Recht zu schützen vermag, ist insoweit auch die Zeit einzuberechnen, die – im Falle der praktisch allein in Betracht kommenden Beschlussverfü­ gung59 – für eine Zustellung der einstweiligen Verfügung an den Störer erforderlich ist. Dies verkannte das VG Köln60, indem es für die polizeili­ che Sicherstellung zur Verhinderung des nächtlichen Möbelrückens einen Zeitraum von „maximal wenigen Stunden“ andachte.61 bb) Fristverlängerung bei Beantragung gerichtlichen Schutzes? Ob sich diese Frist im Falle der Beantragung gerichtlichen Schutzes durch den Rechteinhaber verlängert, sollte davon abhängig gemacht werden, ob das jeweilige Polizeigesetz bei der Wohnungsverweisung eine entsprechende Fristverlängerung vorsieht. Zwingend erforderlich erscheint eine solche Fristverlängerung nicht, da dem Rechteinhaber – anders als der durch häus­ 57  Siehe Ogorek/Traub, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 34a Rn. 48; Söllner, in: Pewestorf/ders./Tölle, § 29a Rn. 24. 58  § 30 Abs. 4 Satz 3 PolG BW; 12b Abs. 1 Satz 3 SOG HH; § 52 Abs. 2 Satz 6 SOG M-V. 59  Siehe die Ausführungen im dritten Kapitel unter B.II.3.b). 60  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris. 61  VG Köln, a. a. O., juris-Rn. 79.



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz337

liche Gewalt gefährdeten Person – zugemutet werden kann, die Entscheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen den Störer, umge­ hend zu treffen.62 cc) Keine Befristung eo ipso Fraglich erscheint nun, ob die Befristung rechtsschutzsichernder Maßnah­ men bereits eo ipso eintritt oder von der Polizei ausdrücklich angeordnet werden muss. Das VG Köln ging diesbezüglich von dem Letzteren aus und erachtete die polizeiliche Sicherstellung aus diesem Grund gerade wegen der fehlenden Befristung als rechtswidrig.63 Der Auffassung des VG Köln ist zuzustimmen. Zwar dürfte in den Bundesländern, in denen für die polizei­ liche Wohnungsverweisung eine Höchstfrist vorgesehen ist, grundsätzlich auch eine analoge Anwendung der entsprechenden Vorschriften auf die Pri­ vatrechtsklauseln in Betracht kommen64, doch würde eine solche Analogie letztlich auf die Annahme einer konkludenten Nebenbestimmung hinauslau­ fen und begegnet infolgedessen aus Gründen der Rechtssicherheit nicht uner­ heblichen Bedenken. So würde eine dahin lautende Analogie nicht für sämtliche Maßnahmen in Anwendung der Privatrechtsklauseln gelten, sondern lediglich für rechts­ schutzsichernde Maßnahmen. Denn nur dort besteht – wie dargelegt wurde65 – das Erfordernis einer Befristung. Die zeitliche Geltung der polizei­ lichen Maßnahme würde mithin sowohl von der Anwendbarkeit der Privat­ rechtsklauseln als auch von deren Klassifikation als rechtsschutzsichernde Maßnahme abhängen. Hierdurch dürfte in der Praxis eine nicht unerhebliche 62  Die bei den Vorschriften zur Wohnungsverweisung teilweise vorgesehene Frist­ verlängerung dürfte der Überlegung geschuldet sein, dass die gefährdete Person die Dauer der Wohnungsverweisung oftmals abwarten und auf eine Versöhnung mit dem – ihr emotional verbundenen – Störer hoffen wird. Beantragt werden dürfte der gerichtliche Rechtsschutz deswegen in der Praxis oftmals erst kurz vor Ablauf der zehn- respektive vierzehntägigen Frist, sodass ohne eine entsprechende Verlängerung erneut eine „Schutzlücke“ entstehen würde. Da beim Schutz subjektiver Rechte regel­ mäßig keine zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Rechteinhaber und Störer bestehen werden, ist diese Erwägung auf den hiesigen Kontext nicht übertragbar. 63  VG Köln, Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 79. 64  Die Voraussetzungen einer Analogie dürften vorliegen. Indem die Gesetzgeber für die Privatrechtsklauseln keine Rechtsfolge normiert haben, liegt eine Regelungs­ lücke vor. Diese dürfte auch planwidrig sein, da keine Anhaltspunkte für einen be­ wussten Regelungsverzicht ersichtlich sind. Schließlich ist die Interessenlage zwi­ schen Maßnahmen in Eröffnung der Privatrechtsklauseln auf der einen und polizei­ lichen Wohnungsverweisungen auf der anderen Seite auch vergleichbar, da beide lediglich eine vorläufige Sicherungsmaßnahme markieren. 65  Siehe oben unter B.II.2.

338

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

Rechtsunsicherheit zu befürchten sein, da für den Störer die Geltungsdauer der – in seine Rechte eingreifenden Maßnahme – nicht ohne Weiteres er­ sichtlich wäre. Zudem erscheint es auch unter dem Gesichtspunkt der We­ sentlichkeitstheorie66 vorzugswürdig, die Anordnung einer eo ipso eintreten­ den Befristung polizeilicher Maßnahmen dem Gesetzgeber vorzubehalten, stellt die bei der Wohnungsverweisung vorgesehene Befristung kraft Gesetzes doch auch im polizeirechtlichen Kontext eine Besonderheit dar. b) Rechtsgestaltende Wirkung gerichtlicher Entscheidungen? Auch hinsichtlich der Frage, ob und inwiefern sich eine nachträgliche Entscheidung des zuständigen Zivilgerichts auf die zuvor von der Polizei getroffene Sicherungsmaßnahme auswirken muss, kann Anleihe bei den Vor­ schriften zur Wohnungsverweisung genommen werden. aa) Wegfall der Rechtfertigung des polizeilichen Kompetenzübergriffs Genau wie die polizeiliche Wohnungsverweisung lediglich die vorläufige Sicherung der gefährdeten Person intendiert, ist eine Sicherungsmaßnahme in Eröffnung der Privatrechtsklauseln allein auf die vorläufige Sicherung ei­ nes subjektiven Rechts gerichtet. Diese eindeutige Zielsetzung bringt es un­ vermeidbar mit sich, dass der mit der polizeilichen Sicherungsmaßnahme verbundene exekutive Übergriff in die Kompetenzen der Judikative dann nicht mehr gerechtfertigt werden kann, sofern das originär zuständige ordent­ liche Gericht – wenngleich nur vorläufig – wirksam über das Bestehen eines Anspruchs des Rechteinhabers gegen den Störer entschieden hat. Denn mit Ergehen der gerichtlichen Entscheidung hat die polizeiliche Sicherungsmaß­ nahme ihren Zweck erreicht. Dies gilt für stattgebende Entscheidungen ebenso wie für die Ablehnung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz. Während es im ersten Fall kei­ ner polizeilichen Sicherungsmaßnahme mehr bedarf, weil das Gericht selbst die vorläufige Sicherung des betroffenen subjektiven Rechts angeordnet hat67, ist die Unwirksamkeit der polizeilichen Maßnahme im zweiten Fall ebenso zwingend, da die Polizei ersichtlich nicht zum vorläufigen Schutz eines subjektiven Rechts befugt sein kann, sofern das hierfür an sich aus­ 66  Hierzu,

417 f.

BVerfG, B ­ eschl. v. 22.06.1977 – 1 BvR 799/76 –, BVerfGE 45, 400,

67  Verfassungsrechtlich bedenklich ist deshalb, dass die polizeiliche Wohnungs­ verweisung in Berlin nur bei einer ablehnenden gerichtlichen Entscheidung außer Kraft tritt, vgl. § 29a Abs. 3 Satz 1 ASOG Bln.



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz339

schließlich zuständige Gericht entweder das Bestehen des Anspruchs68 oder das Erfordernis einer vorläufiger Sicherung69 verneint hat. Andernfalls würde dem verfassungsrechtlichen Erfordernis einer letztverbindlichen Entschei­ dungsbefugnis des Richters für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten70 nicht mehr Genüge getan. bb) Keine Unwirksamkeit eo ipso Da die Privatrechtsklauseln im Gegensatz zu den meisten Vorschriften zur Wohnungsverweisung kein Unwirksamwerden der vorläufigen Sicherungs­ maßnahmen für den Fall einer gerichtlichen Entscheidung vorsehen, stellt sich die Frage, wie in dieser Hinsicht den vorstehenden Erwägungen Rech­ nung getragen werden kann. Namentlich ist zu klären, ob die polizeiliche Maßnahme mit Ergehen der gerichtlichen Entscheidung schlicht rechtswidrig oder (eo ipso) unwirksam wird. Gegen die Annahme einer eo ipso eintreten­ den Unwirksamkeit können zunächst die gleichen Gesichtspunkte angeführt werden, die bereits gegen eine konkludente Befristung vorgebracht wur­ den.71 Hierbei dürfte die zu besorgende Rechtsunsicherheit bei Annahme einer (konkludenten) auflösenden Bedingung sogar noch erheblicher sein. Denn es ist zu beachten, dass die Polizei typischerweise keine Kenntnis von dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung erlangen wird. Anders als dies ­ § 216a Satz 1 FamFG72 sowie auch die Polizeigesetze73 für gerichtliche Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz vorsehen, wird die Polizei von dem Gericht über den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht infor­ miert. Dies führt dazu, dass nicht einmal die Polizei als Erlassbehörde Kenntnis von der Unwirksamkeit ihrer eigenen Maßnahme erlangen würde. Im Übrigen macht – die ungeachtet einer etwaigen Rechtswidrigkeit – fortbestehende Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes74 gerade dessen Wesen 68  Sog.

Verfügungs-/Anordnungsanspruch. Verfügungs-/Anordnungsgrund. 70  BVerfG, Urt. v. 08.02.2001 – 2 BvF 1/100 –, BVerfGE 103, 111, 137. 71  Siehe oben unter E.III.2.a)cc). 72  § 216a Satz 1 FamFG lautet: „Das Gericht teilt Anordnungen nach den §§ 1 und 2 des Gewaltschutzgesetzes sowie deren Änderung oder Aufhebung der zuständi­ gen Polizeibehörde […] unverzüglich mit […].“ 73  Ob den Ländern die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass entsprechender Mit­ teilungspflichten zukommt, wird unterschiedlich bewertet. Eine Kompetenz anneh­ mend Enders, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 30 Rn. 13; dagegen Waechter, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 17a Rn. 30. 74  § 43 Abs. 2 VwVfG. 69  Sog.

340

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

aus75, sodass eine eo ipso eintretende Unwirksamkeit nach Maßgabe der Wesentlichkeitstheorie eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie etwa bei den Vorschriften zur polizeilichen Wohnungsverweisung, erfordern dürfte. Zumal das Gesetz die Aufhebung von Verwaltungsakten grundsätzlich nur für den verwaltungsgerichtlichen Richterspruch (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vorsieht, nicht aber für die Entscheidung eines ordentlichen Gerichts. Zu konstatieren ist hiernach, dass die polizeiliche Sicherungsmaßnahme mit Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung zwar rechtswidrig, aber nicht unwirksam wird. Die Abänderung der gerichtlichen Entscheidung in der nächsten Instanz bleibt dabei für die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maß­ nahme ohne Relevanz, weil die erstinstanzliche Entscheidung unabhängig von ihrem stattgebenden oder zurückweisenden Tenor zur Rechtswidrigkeit der rechtsschutzsichernden Maßnahme führt. Denn mit Ergehen der erstin­ stanzlichen Entscheidung entfällt das Bedürfnis für eine rechtsschutzermög­ lichende polizeiliche Maßnahme, da es dem hierfür originär zuständigen Gericht möglich gewesen wäre, den vom Antragsteller begehrten Rechts­ schutz zu gewähren.

IV. Polizeiliche Sicherungsmaßnahmen während des gerichtlichen Verfahrens Nachdem die bisher erörterten Aspekte die Konstellationen betrafen, in denen das polizeiliche Einschreiten dem gerichtlichen Verfahren zeitlich vor­ gelagert ist, stellen sich auch in der umgekehrten zeitlichen Reihenfolge nicht unerhebliche Schwierigkeiten ein. So stellt sich insbesondere die Frage, ob die Polizei auch während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens zu vorläufigen Sicherungsmaßnahmen befugt ist, oder diese vielmehr aus­ schließlich dem bereits angerufenen Richter vorbehalten sind. 1. Die Entscheidung des VG Karlsruhe Als Beispiel kann hierbei die bereits vorgestellte76 Entscheidung des VG Karlsruhe77 zur Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Wohnungsverweisung genannt werden. Dort hatte die gefährdete Person beim zuständigen Familien­ gericht zuvor schon einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anord­ nung gestellt, über den das Gericht indes noch nicht entschieden hatte.78 Die 75  Maurer/Waldhoff,

Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 6 f. die Ausführungen im dritten Kapitel unter B.II.2.b). 77  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 –, juris. 78  VG Karlsruhe, ­Beschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 –, juris-Rn. 9. 76  Siehe



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz341

Ausführungen des Gerichts lesen sich hierbei so, als folge die Rechtswidrig­ keit der Wohnungsverweisung gerade aus dem Umstand, dass zwischen ge­ fährdeter Person und Störer bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ge­ wesen sei. So führt das Gericht wörtlich aus: „Es fällt nicht in die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde, quasi im Vorgriff auf etwaige amtsrichterliche Regelungen nach dem Gewaltschutzgesetz vorläufige Maßnahmen zu treffen, die ausschließlich dem Amtsgericht im Rahmen der An­ wendung des Gewaltschutzgesetzes vorbehalten sind.“79

Die Begründung des Gerichts darf gleichwohl nicht missverstanden wer­ den. Wenngleich ein entsprechendes Verständnis auf den ersten Blick nahe­ liegt, können die Ausführungen des Gerichts nicht dahingehend verstanden werden, als würde die Polizei just in dem Moment, in dem der Rechteinhaber gerichtlich gegen den Störer vorgeht, sämtliche Befugnisse zu einer vorläufi­ gen Konfliktregelung verlieren. Zu beachten ist nämlich, dass in dem vom VG Karlsruhe entschiedenen Fall nicht die Rechtmäßigkeit einer erstmaligen Wohnungsverweisung streitgegenständlich war, sondern die Verlängerung eines zweiwöchigen Betretungsverbots um weitere zwei Wochen in Rede stand.80 Dies vorangeschickt, erscheint die Entscheidungsbegründung des Gerichts nachvollziehbar. Sieht das zuständige Gericht vom Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, obschon ihm dies zeitlich möglich gewesen wäre, darf die Polizei die richterliche Entscheidung nicht durch den eigenmächtigen Aus­ spruch eines entsprechenden Verbots konterkarieren. Dass dem angerufenen Richter der Erlass einer einstweiligen Anordnung möglich gewesen wäre, ergibt sich hierbei aus der zeitlichen Abfolge der zugrundeliegenden Konstel­ lation. So hatte die gefährdete Person schon an dem Tag, an dem die Polizei die zweiwöchige Wohnungsverweisung ausgesprochen hatte, einen Antrag beim Familiengericht gestellt.81 Innerhalb der zweiwöchigen Wohnungsver­ weisung wäre es dem mit dem Fall befassten Richter deshalb ohne Weiteres möglich gewesen, eine wirksame einstweilige Anordnung zu erlassen. Zumal das Gesetz bereits damals die Möglichkeit einer sofortigen Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung respektive einer Vollstreckung derselbigen vor­ sah.82 In Anbetracht dieser Umstände sind die Ausführungen des VG Karls­ 79  VG Karlsruhe,

a. a. O., juris-Rn. 9. a. a. O., juris-Rn. 1. 81  Sowohl der erstmalige Ausspruch der Wohnungsverweisung als auch der fami­ liengerichtliche Antrag datierten vom 25.07.2007, VG Karlsruhe, B ­eschl. v. 16.08.2007 – 6 K 2446/07 –, juris-Rn. 1 und 9. 82  Auf diese Möglichkeiten nach § 64b Abs. 2 Satz 2 und 3 FGG a. F. wies bereits das VG Karlsruhe hin, a. a. O., juris-Rn. 7; siehe nunmehr § 216 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 FamFG. 80  VG Karlsruhe,

342

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

ruhe den Besonderheiten des Einzelfalls geschuldet und dürfen nicht verall­ gemeinert werden. 2. Fortbestand polizeilicher Befugnisse Die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte wird durch ein zwischen Rechteinhaber und Störer anhängiges zivilgerichtliches Verfahren nicht berührt. Denn wie aufgezeigt wurde, vermag erst eine wirksame gerichtliche Ent­ scheidung die Gefahr für das betroffene subjektive Recht abzuwehren. So­ lange eine solche noch nicht vorliegt, ist das polizeiliche Einschreiten dem­ entsprechend erforderlich, um das subjektive Recht effektiv schützen zu können. Ein unzulässiger Eingriff in die Entscheidungshoheit des Gerichts ist mit der parallel bestehenden polizeilichen Handlungsbefugnis nicht verbun­ den. Zum einen muss die polizeiliche Maßnahme von vornherein befristet werden und zum anderen wird sie mit Wirksamwerden der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig. Durch diese beiden Regelungsinstrumentarien ist gewährleistet, dass sich die polizeiliche Maßnahme auf eine vorläufige Si­ cherungsmaßnahme beschränkt und die Letztentscheidungsbefugnis des Ge­ richts gewahrt bleibt. Dies gilt auch für die Fälle, in denen der Richter den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung noch nicht abgelehnt, jedoch zu erkennen ge­ geben hat, er werde eine solche nicht ohne mündliche Verhandlung erlassen. Auch in dieser Konstellation verliert die polizeiliche Maßnahme nämlich spätestens mit Fristablauf ihre Wirksamkeit, wodurch die Letztentschei­ dungsbefugnis wiederum beim Richter verbleibt. Konsequenterweise muss die Polizei hierbei an einer Verlängerung der ursprünglichen Befristung gehindert sein. Denn sofern der Richter die Durch­ führung einer mündlichen Verhandlung für erforderlich hält, gibt er zu erken­ nen, dass nach seinem Dafürhalten die Vereitelung respektive wesentliche Erschwerung des aus dem subjektiven Recht erwachsenden Anspruchs eben nicht unmittelbar zu besorgen ist. Diese richterliche Wertung hat die Polizei unbedingt zu beachten, ist sie doch schon aus Gründen der Gewaltenteilung daran gehindert, ihre eigene Wertung über diejenige des Richters zu stellen. Raum für polizeiliche Sicherungsmaßnahmen bleibt nach alldem lediglich in den Fällen, in denen sich die tatsächlichen Gegebenheiten während des ge­ richtlichen Verfahrens ändern.



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz343

V. Pflicht des Rechteinhabers zur Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens? Zu klären bleibt zuletzt noch die Frage, ob der durch eine vorläufige Si­ cherungsmaßnahme begünstigte Rechteinhaber verpflichtet ist, im Nachgang zur polizeilichen Maßnahme beim zuständigen ordentlichen Gericht einen Antrag auf zivilrechtlichen Rechtsschutz zu stellen. 1. Die bejahende Auffassung des VG Köln Von einer dahingehenden Pflicht scheint indirekt das VG Köln83 auszuge­ hen. So bemängelte es in seiner Entscheidung zum nächtlichen Möbel­rücken nicht bloß den Umstand einer fehlenden Befristung der Sicherstellung, son­ dern hielt darüber hinausgehend fest, die Sicherstellung habe „zugleich von einem Antrag des Vermieters auf Gewährung zivilrechtlichen Eilrechtsschut­ zes abhängig gemacht werden müssen.“84 Diese – beiläufig erhobene – For­ derung des Gerichts kommt freilich einem Paukenschlag gleich, gehört das Recht der Partei, freiverantwortlich über die Einleitung eines zivilgerichtli­ chen Verfahrens zu entscheiden, doch zu den Wesensmerkmalen des zivilpro­ zessualen Dispositionsgrundsatzes.85 2. Bedenken gegen die Auffassung des VG Köln Als unklar erweist sich dabei schon, wie die Forderung des VG Köln rechtstechnisch umgesetzt werden soll. Da es ersichtlich rechtswidrig wäre, den Rechteinhaber mittels einer Auflage zur Einleitung eines zivilgerichtli­ chen Verfahrens zu zwingen86, würde allenfalls die Konstruktion einer auflösenden87 Bedingung denkbar erscheinen. Die Wirksamkeit der polizei­ lichen Sicherungsmaßnahme könnte in diesem Fall mithin dadurch entfallen, dass der Rechteinhaber innerhalb eines bestimmten Zeitraums keinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellt. Allerdings besteht gar kein Bedürfnis, die Wirksamkeit der polizeilichen Maßnahme dergestalt zu bedin­ 83  VG Köln,

Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris. Urt. v. 30.03.2017 – 20 K 7424/15 –, juris-Rn. 79. 85  Musielak, in: ders./Voit, ZPO, Einleitung Rn. 35. 86  Schließlich könnte die Auflage gegebenenfalls im Wege des Verwaltungs­ zwangs durchgesetzt werden, was ersichtlich mit dem Dispositionsgrundsatz unver­ einbar wäre. 87  Würde die polizeiliche Maßnahme unter einer aufschiebenden Bedingung ste­ hen, könnte sie ihren Zweck der vorläufigen Sicherung des gefährdeten Rechts hinge­ gen nicht erreichen. Denn dieser bringt es mit sich, dass die polizeiliche Sicherungs­ maßnahme sofort wirksam werden muss. 84  VG Köln,

344

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

gen. Vielmehr dürfte die dahingehende Forderung des VG Köln auf einem Trugschluss beruhen. Obzwar das Gericht das vermeintliche Erfordernis eines zivilgerichtlichen Antrags selbst nicht begründet, liegt nahe, welche Erwägungen es seiner Auffassung zugrunde gelegt haben dürfte. So dürften die Beweggründe des Gerichts in der folgenden Überlegung zu erblicken sein: Wendet die Polizei durch eine Sicherungsmaßnahme die für ein subjektives Recht bestehende Gefahr einstweilen ab, könnte der Rechteinhaber in Ansehung der bereits abgewehrten Gefahr versucht sein, von der Einleitung eines aufwendigen und bisweilen kostenintensiven Gerichtsverfahrens abzusehen. Um zu ver­ hindern, dass der Rechteinhaber die von der Polizei ausgesprochene Schutz­ maßnahme als willkommenen Alternative zu einem gerichtlichen Verfahren ansieht respektive die Polizei zur Umgehung des an sich originär vorgesehen ordentlichen Rechtswegs „missbraucht“, scheint das VG Köln nun eine auf­ lösend bedingte Wirksamkeit der polizeilichen Sicherungsmaßnahme für er­ forderlich zu halten. Richtigerweise wird den – im Ausgangspunkt durchaus zutreffenden – Er­ wägungen des Gerichts hingegen schon vollumfänglich durch das Postulat einer Befristung der exekutiven Maßnahme Rechnung getragen. Schließlich müsste auch bei einer auflösenden Bedingung ein konkreter Zeitraum bemes­ sen werden, innerhalb dessen der Rechteinhaber einen Antrag beim zuständi­ gen ordentlichen Gericht zu stellen hätte. Eine solche könnte etwa wie folgt lauten: „Stellt der begünstigte Rechteinhaber innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der polizeilichen Sicherungsmaßnahme keinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem ordentlichen Gericht, tritt die Maßnahme der Polizei außer Kraft“. Mit einer dahin lautenden Bedingung würde nun freilich keine andere Rechtsfolge eintreten als schon mit der Befristung der Maßnahme. Denn auch bei einer Befristung würde die polizeiliche Siche­ rungsmaßnahme mit Ablauf von wiederum beispielsweise zwei Wochen ihre Wirksamkeit verlieren. Dies dürfte das VG Köln verkennen, soweit es neben einer Befristung der Sicherungsmaßnahme weiterhin auch deren auflösend bedingte Wirksamkeit verlangt.88 Richtigerweise ist der Rechteinhaber nicht zu der Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens verpflichtet bzw. zu verpflichten.

88  Siehe auch VG Frankfurt, ­ Beschl. v. 07.08.2020 – 5 L 1972/20.F –, jurisRn. 6, welches eine auflösende bedingte Wirksamkeit der polizeilichen Maßnahme im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln lediglich alternativ zu einer Befristung verlangt; ebenso Graulich, in: Lisken/Denninger, E. Rn. 117.



E. Das Verhältnis vorläufiger Maßnahmen zum Rechtsschutz345

VI. Verweis auf den Zivilrechtsweg – keine Problematik der Privatrechtsklauseln Abschließend ist in diesem Kontext das insbesondere im Bauordnungs­ recht unter dem Stichwort „Verweisung auf den Zivilrechtsweg“ diskutierte Verhältnis zwischen exekutivem und gerichtlichem Schutz von der hiesigen Untersuchung abzugrenzen. Wenngleich abweichendes nahezuliegen scheint, betrifft die vorbenannte Problematik nicht die Auslegung der Privatrechtsklauseln. Die insoweit dis­ kutierte Frage, ob die Bauaufsichtsbehörde von einem Einschreiten gegen einen baurechtswidrigen Zustand absehen und den beeinträchtigten Nachbar stattdessen darauf verweisen darf, seine Rechte „unmittelbar gegenüber dem ‚Störer‘ zivilrechtlich geltend zu machen“89, stellt sich im hier interessie­ renden Zusammenhang bei einem Tätigwerden der Polizei in Eröffnung der Privatrechtsklauseln nämlich nicht. Denn im Anwendungsbereich der Vor­ schriften kann die Polizei den Rechteinhaber schon deshalb nicht auf den Zivilrechtsweg verweisen, weil die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes gerade Voraussetzung für eine polizeiliche Handlungsbefugnis ist. Eine poli­ zeiliche Zuständigkeit zum Schutz subjektiver Rechte besteht mithin über­ haupt erst dann, wenn dem Rechteinhaber ein gerichtliches Vorgehen gegen den Störer nicht möglich ist. Die Möglichkeit einer Verweisung auf den Zi­ vilrechtsweg ist für die Polizei dadurch rechtslogisch ausgeschlossen.90

VII. Ergebnis Das Verhältnis zwischen polizeilichen Sicherungsmaßnahmen und gericht­ lichem Rechtsschutz gestaltet sich äußerst komplex und betrifft letztendlich die – soweit ersichtlich – bisher noch nicht hinreichend untersuchte Frage, inwieweit sich zivilgerichtliche Entscheidungen auf die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes auswirken können. Ohne einer möglicherweise gebotenen gesonderten Untersuchung vorweggreifen zu wollen, konnten die sich im hiesigen Kontext ergebenden Probleme unter Rückgriff auf die den Privat­ rechtsklauseln zugrundeliegende gesetzgeberische Intention dabei einer inte­ ressengerechten Lösung zugeführt werden. Im Einzelnen gilt insoweit Fol­ gendes: Durch Anleihe bei der in den meisten Polizeigesetzen vorgesehenen Stan­ dardmaßnahme der Wohnungsverweisung konnte sowohl die Notwendigkeit 89  BVerwG,

­Beschl. v. 10.12.1997 – 4 B 204.97 –, juris-Rn. 2. zutreffend auch Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rech­ ten, S. 196. 90  So

346

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

einer Befristung von rechtsschutzsichernden Maßnahmen herausgearbeitet werden als auch aufgezeigt werden, dass die Letzteren just mit dem Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung ihre Wirksamkeit verlieren müssen. Da das Gesetz in den Privatrechtsklauseln indessen weder eine Befristung entsprechender Sicherungsmaßnahmen vorsieht noch deren Unwirksamkeit für den Fall einer wirksamen gerichtlichen Entscheidung anordnet, bleibt es der Polizei überlassen, eine Befristung der Maßnahme auszusprechen bzw. diese nach Ergehen einer Entscheidung des ordentlichen Gerichts aufzuhe­ ben. Unterlässt sie dies, stellt sich die polizeiliche Maßnahme zwar als rechtswidrig dar, bleibt aber dennoch wirksam. Mag diese Rechtsfolge in Anbetracht des in den Privatrechtsklauseln zum Ausdruck kommenden ul­ tima-ratio-Prinzips gewiss misslich anmuten, dürfte sie de lege lata gleich­ wohl unumgänglich sein. Im Ergebnis bleibt deshalb der Gesetzgeber aufge­ rufen, insoweit eine Änderung herbeizuführen. Schließlich konnte dargelegt werden, dass die Polizei grundsätzlich auch während eines zivilgerichtlichen Verfahrens zu einem Schutz subjektiver Rechte befugt ist und der Rechteinhaber im Nachgang einer polizeilichen Sicherungsmaßnahme nicht zur Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens verpflichtet ist.

F. Terminologie: Eilfallzuständigkeit, Notzuständigkeit oder subsidiäre Zuständigkeit? Zu guter Letzt ist hinsichtlich der sich aus den Privatrechtsklauseln er­ wachsenden Rechtsfolge eine terminologische Klarstellung zu bemühen.

I. Privatrechtsklauseln als zuständigkeitsregelnde Vorschriften Indem die Privatrechtsklauseln die der Polizei an sich umfassend zugewie­ sene Aufgabe der Gefahrenabwehr beschränken91, bestimmen sie den Zu­ ständigkeitsbereich der Polizei, weshalb es sich bei ihnen um zuständigkeits­ regelnde Normen handelt.92

91  Zum aufgabenbeschränkenden Charakter der Privatrechtsklauseln siehe die Ausführungen im zweiten Kapitel unter B.III.3. 92  Kowalzik, Der Schutz von privaten und individuellen Rechten, S. 249, der indes offenlässt, ob die Vorschriften insoweit eine Zuständigkeitserweiterung oder eine Zu­ ständigkeitsbeschränkung enthalten; siehe auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefah­ renabwehr, S. 238, nach denen die Polizei ihre Zuständigkeit überschreite, sofern die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln nicht vorliegen würden.



F. Terminologie347

Für die der Polizei im Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln zu­ kommende Zuständigkeit zum Schutz subjektiver Rechte existieren nun ver­ schiedene Bezeichnungen. Während in Anlehnung an das in den Privatrechts­ klauseln enthaltene Subsidiaritätsprinzip bisweilen von einer subsidiären Zuständigkeit gesprochen wird93, findet sich teilweise auch der Begriff der polizeilichen Notzuständigkeit94 respektive der Eilfallzuständigkeit95. Partiell werden die Begrifflichkeiten auch synonym verwendet.96

II. Eilfallzuständigkeit statt subsidiärer Zuständigkeit? Der Terminus der subsidiären Zuständigkeit wird von Tetsch/Baldarelli97 als „missverständlich“ zurückgewiesen. Ihnen zufolge könne die Zuständig­ keit der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte nicht als subsidiär bezeichnet werden, da das Begriffspaar „subsidiäre und ordentliche Zuständigkeit“ da­ durch gekennzeichnet sei, „dass die verschiedenen Behörden gleiche Aufga­ ben wahrnehmen“ würden und sich ihre Zuständigkeitsbereiche infolgedes­ sen nur dadurch unterscheiden würden, „dass die subsidiäre Zuständigkeit bei Verhinderung der originär zuständigen Stelle“ greife.98 Aus diesem Grund könne lediglich dann von einer subsidiären Zuständigkeit der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte gesprochen werden, sofern die Polizei in Eröff­ nung der Privatrechtsklauseln die gleiche Aufgabe wie die verhinderte or­ dentliche Gerichtsbarkeit wahrnehmen würde. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die Polizei lediglich zur Vornahme von vorläufigen Maßnahmen befugt sei und im Gegensatz zum Gericht keine abschließende Entscheidung über den zwischen Rechteinhaber und Störer bestehenden Konflikt treffen dürfe. Würden die Befugnisse der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte demzu­ folge hinter denjenigen des Gerichts zurücktreten, sei die Zuständigkeit der Polizei zum Schutz subjektiver Rechte gerade nicht subsidiär.99 Statt von ei­

93  VGH BW, Urt. v. 22.02.1995 – 1 S 3184/94 –, juris-Rn. 22; von einer subsidiä­ ren Aufgabe sprechend Gusy/Worms, in: BeckOK, PolR NRW, PolG, § 1 Rn. 221. 94  VG Dresden, B ­ eschl. v. 07.01.2003 – 14 K 35/03 –, juris-Rn.18; Weiner, in: BeckOK, PolR Nds., NPOG, § 1 Rn. 37, der an anderer Stelle (a. a. O., § 1 Rn. 32) jedoch auch von einer „subsidiären Rechtsschutzaufgabe“ spricht; siehe auch Schoch, JURA 2013, 468, 470: „eine Art Reservekompetenz für Notfälle“. 95  Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.1. 96  So spricht etwa Nachbaur, in: BeckOK, PolR BW, PolG, § 2 Rn. 44, unter der Überschrift „Eilzuständigkeit zum Schutz privater Rechte“ ebenso von einer subsi­ diären Zuständigkeit der Polizei. 97  Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.1. 98  Tetsch/Baldarelli, a. a. O., §  1 Rn.  3.10.1. 99  Tetsch/Baldarelli, a. a. O., §  1 Rn.  3.10.1.

348

4. Kap.: Rechtsfolge der Privatrechtsklauseln

ner subsidiären Zuständigkeit müsse vielmehr von einer Eilfallzuständigkeit gesprochen werden.

III. Berechtigung der Bezeichnung als subsidiäre Zuständigkeit Sämtliche oben genannten Bezeichnungen haben ihre Berechtigung, ohne dass eine von ihnen als vorzugswürdig erscheinen würde. Dies gilt insbe­ sondere auch für den Terminus der subsidiären Zuständigkeit, welcher von Tetsch/Baldarelli100  – wie soeben aufgezeigt – als „missverständlich“ abge­ lehnt wird. Die von ihnen geäußerte Kritik an der Verwendung des Begriffs der subsidiären Zuständigkeit geht bezogen auf die hier interessierende The­ matik fehl. Zwar trifft deren Hinweis auf die gegenüber der richterlichen Entscheidungskompetenz zurückbleibenden Befugnisse der Polizei zu, doch steht dieser Umstand der Subsidiarität der polizeilichen Zuständigkeit nicht entgegen. Verdeutlicht werden kann dies anhand der Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Ordnungsbehörden, für die das Begriffspaar subsidiäre und originäre Zuständigkeit im polizeirechtlichen Kontext nach Tetsch/ Baldarelli „verbraucht“ sei.101 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 PolG NRW ist die Polizei in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich102 nur dann für die Gefahrenabwehr zuständig, soweit ein Handeln der anderen hierfür zuständigen Behörde „nicht oder nicht rechtzei­ tig möglich erscheint.“ Damit ähnelt die Zuständigkeitsregel ersichtlich der in den Privatrechtsklauseln enthaltenen Regelung, der zufolge der Polizei der Schutz subjektiver Rechte nur dann obliegt, „wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erreichen ist“. Ähnlich wie bei den Privatrechtsklauseln erfah­ ren die polizeilichen Befugnisse hierbei nun wiederum eine gewisse Ein­ schränkung gegenüber den Kompetenzen der an sich zuständigen Ordnungs­ behörde. So steht der Polizei, sofern sie anstelle der Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr tätig wird, im Ausgangspunkt zwar das gesamte polizei­ rechtliche Handlungsinstrumentarium zur Verfügung, allerdings sind deren Befugnisse zumindest insoweit begrenzt, als die polizeilichen Maßnahmen in zeitlicher Hinsicht nur so lange gelten dürfen, bis die vorrangig zuständige Ordnungsbehörde tätig werden kann.103 Folgerichtig beschränken einige Gesetze die polizeilichen Befugnisse auch ausdrücklich auf die Vornahme

100  Tetsch/Baldarelli,

PolG NRW, § 1 Rn. 3.10.1. a. a. O., §  1 Rn.  3.10.1. 102  Ausgenommen hiervon ist die polizeiliche Aufgabe der Verhütung von Straf­ taten sowie deren vorbeugenden Bekämpfung, § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NRW. 103  Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 37. 101  Tetsch/Baldarelli,



F. Terminologie349

vorläufiger Maßnahmen.104 Doch auch ohne explizite Normierung wird eine dahingehende Beschränkung angenommen werden müssen, soll die gesetzge­ berische Entscheidung, wonach eben den Ordnungsbehörden vorrangig die Aufgabe der Gefahrenabwehr zugewiesen ist, nicht konterkariert werden.105 Zudem erfordert es bereits das Wesen der subsidiären Zuständigkeit, dass die Befugnisse der subsidiär zuständigen Behörde nur so weit reichen können, wie es zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe zwingend erforderlich ist. Ist die Aufgabenverteilung zwischen Polizei und Ordnungsbehörden ergo gleichermaßen durch eine Beschränkung der polizeilichen Befugnisse auf vorläufige Maßnahmen gekennzeichnet, dürfte nach der Argumentation von Tetsch/Baldarelli konsequenterweise auch die polizeiliche Zuständigkeit zur Gefahrenabwehr nicht als subsidiär bezeichnet werden. Da es sich hierbei indes um eine allgemein anerkannte Bezeichnung handelt106 und insbeson­ dere auch Tetsch/Baldarelli in diesem Zusammenhang selbst von einer subsi­ diären Zuständigkeit sprechen107, vermag ihre vorbenannte Auffassung im Ergebnis nicht zu überzeugen. Es bleibt daher dabei, dass auch die aus den Privatrechtsklauseln erwachsende Zuständigkeit der Polizei als subsidiär be­ zeichnet werden kann.

104  § 2 Abs. 1 Satz 1 PolG BW; § 3 Satz 1 SächsPVDG; eine Zuständigkeit der Polizei für „unaufschiebbare Maßnahmen“ vorsehend § 3 Abs. 2 Satz 1 lit. a) SOG HH; ebenso § 7 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V; § 168 Abs. 1 Nr. 3 LwVG SH. 105  So anscheinend auch Kingreen/Poscher, die ohne nähere Begründung insoweit von „vorläufige[n] Maßnahmen“ sprechen, dies., Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 19; im Ergebnis auch Thiel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 4 Rn. 37, der hiervon indes Ausnahmen zuzulassen scheint („regelmäßig“); offenlassend Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135, der die Problematik als „umstritten“ bezeichnet. 106  Statt vieler: Kingreen/Poscher, Polizei- und Ordnungsrecht, § 3 Rn. 19. 107  Tetsch/Baldarelli, PolG NRW, § 1 Rn. 3.3 sowie 3.10.1.

5. Kapitel

Ergebnisse der Untersuchung Wie die Untersuchung gezeigt hat, wirft die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter eine ganze Reihe von Fragen auf. Individualschützende Maßnahmen der Polizei stehen unweigerlich in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Gewaltenteilung. Denn der Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter vor privaten Übergriffen obliegt grund­ sätzlich allein der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Gleichwohl erfordern es die den Staat aus den Grundrechten treffenden Schutzpflichten, auch die Polizei in bestimmten Konstellationen zum Schutz subjektiver Rechte und Rechts­ güter zu ermächtigen. Diesen Kompetenzkonflikt haben auch die Gesetzge­ ber erkannt, weswegen alle 17 Polizeigesetze eine sog. Privatrechtsklausel enthalten. Anhand dieser Vorschriften ist die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte und Rechtsgüter von derjenigen der Judikative abzugrenzen.

A. Der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln I. Die Ausschließlichkeitstheorie der allgemeinen Meinung Nach der allgemeinen Meinung beschränkt sich der Anwendungsbereich der Privatrechtsklauseln auf die Fälle, in denen die für das subjektive Recht oder Rechtsgut bestehende Gefahr nicht zugleich mit einer Gefahr für die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung einhergeht. Der Sache nach geht die allgemeine Meinung damit von einem Vorrang des Schutzguts der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung gegenüber demjenigen der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter aus. Da die allgemeine Meinung unter den in den Privatrechtsklauseln genannten privaten Rechten solche Rechtspositionen versteht, die ausschließlich in der Privatrechtsord­ nung begründet sind respektive die Anwendung der Vorschriften auf die Fälle einer ausschließlich für das Schutzgut der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter bestehenden Gefahr beschränkt, kann diese als Ausschließlichkeitstheorie bezeichnet werden.



B. Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln351

II. Die hier vertretene Auslegung: Schutz subjektiver Rechte (nicht Rechtsgüter) ohne Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung Wie anhand einer Reihe von Beispielsfällen aufgezeigt werden konnte, läuft die Ausschließlichkeitstheorie letztendlich auf die praktische Bedeu­ tungslosigkeit der Privatrechtsklauseln hinaus. Dieser unbefriedigende Be­ fund sowie Widersprüche in der Begründung der allgemeinen Meinung für die von ihr entwickelte Sichtweise wurden zum Anlass einer eingehenden Auslegung der Vorschriften genommen. Als Ergebnis dieser Auslegung stellte sich heraus, dass die Ausschließlichkeitstheorie mit der gesetzgeberischen Intention unvereinbar ist. Richtigerweise sind die Privatrechtsklauseln dahingehend auszulegen, dass unter den dort genannten privaten Rechten sämtliche subjektive Rechte, nicht aber subjektive Rechtsgüter zu verstehen sind. Dieses Verständnis unter­ scheidet sich in zweifacher Hinsicht von der allgemeinen Meinung. Zum ei­ nen wird der für die Ausschließlichkeitstheorie kennzeichnende Anwen­ dungsprimat der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung aufgegeben und die Privatrechtsklauseln finden ungeachtet einer zugleich für das polizei­ liche Schutzgut der objektiven Rechtsordnung bestehenden Gefahr uneinge­ schränkt Anwendung. Zum anderen ist zwischen subjektiven Rechten einer­ seits und subjektiven Rechtsgütern andererseits zu unterscheiden. Während sämtliche subjektive Rechte unter die Privatrechtsklauseln zu subsumieren sind, ist der polizeiliche Schutz subjektiver Rechtsgüter, namentlich des Le­ bens, der Gesundheit/körperlichen Unversehrtheit sowie der Freiheit nicht am Subsidiaritätsprinzip zu messen.1

B. Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln Ausweislich des Wortlauts der Vorschriften obliegt der Schutz subjektiver Rechte der Polizei nur dann, „wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“ (vgl. z. B. § 1 Abs. 2 PolG NRW). Wie die Untersuchung gezeigt hat, bedürfen sowohl die explizit vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen als auch das partiell in die Vor­ schriften hineingelesene Antragserfordernis sowie die überwiegend ange­ nommene Notwendigkeit einer Glaubhaftmachung eingehender Erläuterun­

1  Zur

Einordnung des Persönlichkeitsrechts siehe noch unter D.III.

352

5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

gen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse können wie folgt zusammenge­ fasst werden.

I. Kein ungeschriebenes Antragserfordernis Die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln setzt keinen Antrag des Rechteinhabers voraus. Eine dahin lautende ungeschriebene Voraussetzung kann den Vorschriften im Wege der Auslegung nicht entnommen werden. Notwendig, aber auch ausrei­ chend ist vielmehr, dass die polizeiliche Gefahrenabwehr im mutmaßlichen Interesse des Rechteinhabers liegt. Dies gilt auch für die Rechtslage in Ba­ den-Württemberg und Sachsen, deren Privatrechtsklauseln explizit ein An­ tragserfordernis vorsehen. Das Letztere ist dahingehend teleologisch zu redu­ zieren, als auch hier ein mutmaßliches Interesse des Rechteinhabers für die Annahme einer polizeilichen Handlungsbefugnis ausreichend ist, sofern dem Rechteinhaber eine Antragstellung nicht möglich ist.

II. „Gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen“ Das Adverb „rechtzeitig“ bezieht sich auf die abzuwehrende Gefahr. Dem­ entsprechend bedeutet „rechtzeitig“, zeitig genug, um die für das subjektive Recht bestehende Gefahr abzuwehren. Da das Gericht die in Gestalt eines privaten Übergriffs bestehende Gefahr allein durch eine wirksame Entschei­ dung abzuwehren vermag, ist hierbei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem ein Gericht wirksam über einen Antrag des Rechteinhabers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes entscheiden könnte. Wird berücksichtigt, dass diesbezüglich allein im Beschlusswege ergehende Eilentscheidungen in Be­ tracht kommen und diese erst mit ihrer Zustellung an den Antragsgegner wirksam werden, kommt es mithin darauf an, welchen Zeitraum der Rechte­ inhaber benötigen würde, um eine einstweilige Verfügung respektive einen Arrestbefehl zu erwirken und die gerichtliche Entscheidung an den Störer zustellen zu lassen. Da es in der Praxis nahezu ausgeschlossen ist, innerhalb eines Tages eine einstweilige Verfügung/einen Arrestbefehl zu erwirken und diese(n) an den Antragsgegner zustellen zu lassen, ist gerichtlicher Rechts­ schutz – entgegen einer verbreiteten Auffassung – ergo auch während der regulären Dienstzeiten des Gerichts regelmäßig nicht „rechtzeitig zu erlan­ gen“.



B. Die Voraussetzungen der Privatrechtsklauseln353

1. Unerheblichkeit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit Unerheblich bleibt für die polizeilichen Handlungsbefugnisse, ob das zu schützende subjektive Recht respektive der aus ihm erwachsende Anspruch gerichtlich durchsetzbar ist. 2. Unerheblichkeit von Verschuldensfragen Ebenso ist für das Bestehen und den Umfang der polizeilichen Handlungs­ befugnisse ohne Relevanz, ob dem Rechteinhaber ein gerichtliches Vorgehen gegen den Störer aufgrund eigenen Verschuldens unmöglich geworden ist.

III. „Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert“ Unter der Wendung „Verwirklichung des Rechts“ ist die gerichtliche Durchsetzung des aus dem subjektiven Recht erwachsenden Anspruchs zu verstehen. Eine Vereitelung der Anspruchsdurchsetzung ist zu befürchten, sofern ohne ein polizeiliches Einschreiten die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs endgültig ausgeschlossen wäre. Demgegenüber ist von einer wesentlichen Erschwerung der Durchsetzung des Anspruchs auszugehen, wenn ohne polizeiliche Hilfe die Anspruchsdurchsetzung erheblich gefährdet wäre. Im polizeirechtlichen Kontext ist hierbei regelmäßig auf den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch abzustellen, der dem Rechteinhaber gegen den Störer zusteht. Bei Unterlassungsansprüchen besteht nun die Besonderheit, dass diese sich gegen zukünftige Zuwiderhandlungen richten und ihre Durchsetzung demzu­ folge durch den Störer kaum einmal vereitelt oder wesentlich erschwert zu werden vermag. Da der Gesetzgeber diesen Umstand übersehen haben dürfte, ist die gesetzliche Voraussetzung deshalb dahingehend teleologisch auszule­ gen, dass eine Vereitelung respektive wesentliche Erschwerung der Durchset­ zung eines Unterlassungsanspruchs dann anzunehmen ist, wenn für den Rechteinhaber die Hinnahme der Rechtsbeeinträchtigung bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung unzumutbar wäre. Der unbestimmte Begriff der (Un-)Zumutbarkeit ist hierbei anhand einer Reihe von Kriterien zu präzi­ sieren, denen gleichwohl lediglich eine indizielle Bedeutung beizumessen ist. Maßgeblich bleiben letztendlich die Umstände des Einzelfalls.

354

5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

IV. Kein Erfordernis der Glaubhaftmachung Die Privatrechtsklauseln setzen nicht voraus, dass der Rechteinhaber das Bestehen seines subjektiven Rechts respektive das Vorliegen der anderen von den Vorschriften erhobenen Voraussetzungen gegenüber der Polizei glaubhaft macht. Die dahingehend erhobene Forderung eines Großteils des polizei­ rechtlichen Schrifttums sowie der Rechtsprechung betrifft allein die Frage, ob der Rechteinhaber gegenüber der Polizei einen Anspruch auf Einschreiten zum Schutz seines subjektiven Rechts hat. Für die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte kommt es hingegen nur darauf an, ob das Beste­ hen des jeweiligen subjektiven Rechts sowie das Vorliegen der von den Pri­ vatrechtsklauseln formulierten Voraussetzungen hinreichend wahrscheinlich sind. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insofern, dass nach einer über­ schlägigen polizeilichen Plausibilitätsprüfung vom Bestand des zu schützen­ den Rechts sowie davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen der Vor­ schriften aus der Perspektive ex ante erfüllt sind.

C. Rechtsfolgen der Privatrechtsklauseln I. Grundsätzliche Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen In Eröffnung der Privatrechtsklauseln ist die Polizei grundsätzlich ledig­ lich zur Vornahme von vorläufigen Maßnahmen befugt. Grund hierfür ist, dass die Vorschriften mit der Voraussetzung einer „Vereitelung oder wesent­ lichen Erschwerung“ der Rechtsverwicklung deutlich machen, dass der exe­ kutive Übergriff in den Aufgabenbereich der Judikative ultima ratio bleiben muss. Je nachdem, ob das polizeiliche Handeln eine Vereitelung oder we­ sentliche Erschwerung der Anspruchsdurchsetzung abwenden soll, ist hierbei zwischen rechtsschutzermöglichenden Maßnahmen auf der einen und rechtsschutzsichernden Maßnahmen auf der anderen Seite zu differenzieren.

II. Ausnahmsweise Zulässigkeit endgültiger Maßnahmen Ausnahmsweise ist die Polizei gleichwohl auch zu Maßnahmen befugt, mit denen der dem Rechteinhaber gegen den Störer zustehende Anspruch endgültig durchgesetzt wird (rechtsschutzersetzende Maßnahmen). Dies ist immer dann der Fall, wenn es für den Rechteinhaber unzumutbar wäre, die Rechtsbeeinträchtigung bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung hinzunehmen. Da durch die polizeiliche Durchsetzung eines Anspruchs die gerichtliche Auseinandersetzung zwischen Rechteinhaber und Störer vorweg­



C. Rechtsfolgen der Privatrechtsklauseln355

genommen wird, sind an die Annahme einer Unzumutbarkeit in diesem Sinne strenge Anforderungen zu stellen. Eine Besonderheit besteht wiederum im Hinblick auf Unterlassungsan­ sprüche. Bei diesen ist eine strenge Differenzierung zwischen rechtsschutz­ sichernden und rechtsschutzersetzenden Maßnahmen regelmäßig nicht mög­ lich, weil selbst die vorläufige Sicherung eines Unterlassungsanspruchs die­ sen für die Wirkungsdauer der Maßnahme zwangsläufig zugleich auch durchsetzt. Um dennoch dem ultima-ratio-Charakter der Privatrechtsklauseln gerecht zu werden, ist die polizeiliche Handlungsbefugnis insoweit auf die vorläufige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zu beschränken.

III. Spannungsverhältnis zwischen rechtsschutzsichernden Maßnahmen und zivilgerichtlichem Rechtsschutz Das Verhältnis von rechtsschutzsichernden polizeilichen Maßnahmen zu einem etwaigen parallel stattfinden gerichtlichen Verfahren erwies sich als vielschichtig und komplex. Die wichtigsten Erkenntnisse, die bei der diesbe­ züglichen Untersuchung herausgearbeitet wurden, sind die Folgenden. 1. Erfordernis einer Befristung Um den Übergriff in den Aufgabenbereich der Judikative auf das zum Schutz des subjektiven Rechts erforderliche Maß zu beschränken, sind rechtsschutzsichernde Maßnahmen der Polizei nur befristet zulässig. Eine Befristung rechtsschutzsichernder Maßnahmen tritt hierbei nicht eo ipso ein, sondern muss von der Polizei ausdrücklich angeordnet werden. Fehlt es an einer Befristung, ist die polizeiliche Maßnahme rechtswidrig. Die Bemes­ sung der Frist hat sich an den jeweiligen Vorschriften zur polizeilichen Woh­ nungsverweisung zu orientieren. Für den Regelfall ist davon auszugehen, dass der Rechteinhaber innerhalb von zehn bis 14 Tagen wirksamen vorläu­ figen Rechtsschutz gegen den Störer erwirken können wird. 2. Auswirkungen einer zivilgerichtlichen Entscheidung Mit Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung, gleich welchen Tenors (sei es stattgebend oder zurückweisend), entfällt die Rechtfertigung der polizei­ lichen Sicherungsmaßnahme. Jedoch wird diese nicht eo ipso in dem Mo­ ment des Wirksamwerdens der gerichtlichen Entscheidung ihrerseits unwirk­ sam, sondern lediglich rechtswidrig.

356

5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

3. Auswirkungen eines anhängigen Verfahrens/ Keine Pflicht zur Verfahrenseinleitung Die polizeiliche Befugnis zum Schutz subjektiver Rechte besteht auch in Ansehung eines zwischen Rechteinhaber und Störer bereits anhängigen zivil­ gerichtlichen Verfahrens, welches die Beeinträchtigung des subjektiven Rechts zum Gegenstand hat. Der Rechteinhaber ist demgegenüber nicht verpflichtet, im Nachgang einer polizeilichen Sicherungsmaßnahme zivilgerichtlich gegen den Störer vorzu­ gehen. 4. Terminologie Bei den Privatrechtsklauseln handelt es sich um zuständigkeitsregelnde Vorschriften, da sie die der Polizei zugewiesene Aufgabe der Gefahrenab­ wehr inhaltlich beschränken. Die der Polizei hierbei obliegende Aufgabe des Schutzes subjektiver Rechte kann als Notzuständigkeit, Eilfallzuständigkeit oder auch als subsidiäre Zuständigkeit bezeichnet werden.

D. Bedeutung der Ergebnisse für die polizeiliche Praxis Welche Konsequenzen die hier gewonnenen Erkenntnisse für die polizeili­ che Praxis bergen, soll im Folgenden verdeutlicht werden. Hierzu soll unter Rückgriff auf die eingangs dargestellten2 Fallbeispiele aus der Praxis dar­ gelegt werden, ob und inwiefern sich die Privatrechtsklauseln in den beiden Beispielen nach der hier vertretenen Auslegung jeweils auf die polizeilichen Befugnisse auswirken.

I. Hausbesetzung in Kerpen-Manheim Entgegen der Auffassung des VG Aachen3 war die Räumung des von Umweltaktivisten besetzten Gebäudes an den Privatrechtsklauseln zu mes­ sen. Da deren Voraussetzungen nicht vorlagen, ist der polizeiliche Einsatz rechtswidrig gewesen.4 Der Anwendbarkeit der Privatrechtsklauseln stand nicht der Umstand ent­ gegen, dass das Besetzen des Gebäudes den Straftatbestand des Hausfrie­ 2  Siehe

im ersten Kapitel unter A. ­Beschl. v. 26.10.2018 – 6 L 1601/18 –, juris-Rn. 22. 4  Auf die versammlungsrechtlichen Bezüge des Falles soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, hierzu VG Aachen, a. a. O, juris-Rn. 10 ff. 3  VG Aachen,



D. Bedeutung der Ergebnisse für die polizeiliche Praxis357

densbruchs gemäß § 123 StGB erfüllt haben dürfte. Denn ein Anwendungs­ vorrang des polizeilichen Schutzguts der Unversehrtheit der objektiven Rechts­ ordnung gegenüber demjenigen der Unverletzlichkeit subjektiver Rechte und Rechtsgüter ist mit der den Vorschriften zugrundeliegenden ge­ setzgeberischen I­ntention schlicht unvereinbar. Infolgedessen hätten die von den Privatrechtsklauseln aufgestellten Voraussetzungen bei der Räumung des Gebäudes erfüllt sein müssen. Dies war indessen in der gegebenen Konstel­ lation nicht der Fall. 1. Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes in tatsächlicher Hinsicht Gerichtlicher Schutz ist für den Energiekonzern als Hausrechtsinhaber nicht rechtzeitig zu erreichen gewesen, da die Identität der Umweltaktivisten unbekannt gewesen ist.5 Folgerichtig hatte deshalb auch das LG Köln6 einen entsprechenden Antrag des Energiekonzerns auf Erlass einer Räu­ mungsverfügung wegen der unbekannten Identität der Besetzer als unzuläs­ sig abgewiesen. 2. Drohende Vereitelung des Räumungsanspruchs Ohne die Identität der Hausbesetzer war es dem Energiekonzern unmög­ lich, einen gerichtlichen Räumungstitel gegen die Hausbesetzer zu erwirken. Insofern war folglich von einer drohenden Vereitelung der Rechtsverwirk­ lichung auszugehen. 3. Räumung des Hauses als unzulässige endgültige Maßnahme Gleichwohl beschränkten sich die somit gegebenen polizeilichen Befug­ nisse nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln auf die Vornahme von vorläufi­ gen Maßnahmen. Zu einer endgültigen Rechtsdurchsetzung in Gestalt der Räumung des Hauses war die Polizei demgegenüber nicht befugt. Da die Unerreichbarkeit gerichtlichen Schutzes aus dem Umstand folgte, dass der Energiekonzern die Antragsgegnerseite nicht – wie von § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorausgesetzt – namentlich zu bezeichnen vermochte, hätte sich der polizeiliche Zugriff auf rechtsschutzermöglichende Maßnahmen, und zwar die Feststellung der Identität der Hausbesetzer, beschränken müssen. Denn zur endgültigen Durchsetzung von Ansprüchen ist die Polizei in Eröff­ 5  Zu den diesbezüglich hilfsweise vom VG Aachen angestellten Erwägungen, siehe VG Aachen, a. a. O, juris-Rn. 24. 6  LG Köln, B ­ eschl. v. 22.10.2018 – 5 O 410/18 –, juris-Rn. 14 f.

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5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

nung der Privatrechtsklauseln lediglich dann befugt, wenn es dem Rechtein­ haber unzumutbar wäre, die Rechtsbeeinträchtigung bis zum Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung hinzunehmen. Von einer in diesem Sinne unzu­ mutbaren Beeinträchtigung des Eigentums respektive des Hausrechts infolge der Hausbesetzung konnte unter den konkreten Einzelfallumständen nicht ausgegangen werden. Insofern ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Gebäude um ein leerstehendes Einfamilienhaus handelte, welches vom Ener­ giekonzern allein zum Zwecke seines Abrisses erworben worden war. Wel­ chen unzumutbaren Nachteil der Energiekonzern erlitten hätte, sofern die Polizei lediglich die Identität der Hausbesetzer festgestellt und ihn sodann auf den Zivilrechtsweg verwiesen hätte, ist nicht ersichtlich. An dieser Stelle gilt es sodann, einige Bedenken auszuräumen, die in die­ sem Zusammenhang gegen die Recht- bzw. Zweckmäßigkeit einer polizeili­ chen Identitätsfeststellung bei Hausbesetzungen vorgebracht werden. Stell­ vertretend können diesbezüglich die Ausführungen von Lisken7 genannt werden, mit denen dieser eine Entscheidung des LG Krefeld aus dem Jahr 19818 kommentiert. Das LG Krefeld hatte in der Konstellation einer Hausbesetzung den Antrag auf Erlass einer Räumungsverfügung gegen Unbekannt u. a. auch mit der Begründung abgelehnt, dass es dem Antragsteller möglich sei, die Polizei um eine Feststellung der Identität der Hausbesetzer zu ersuchen.9 Lisken erachtet die Möglichkeit einer polizeilichen Identitätsfeststellung nun sowohl für rechtswidrig als auch für unzweckmäßig. Die Identitätsfeststellung begegne in rechtlicher Hinsicht insofern Bedenken, als diese mit einem Freiheitsein­ griff verbunden sei, für dessen Vornahme eine polizeiliche Befugnis nicht ersichtlich sei.10 Diese Argumentation vermag heutzutage nun schon deshalb nicht zu verfangen, als die Standardmaßnahme der Identitätsfeststellung die Polizei nunmehr ausdrücklich auch zu Freiheitseingriffen ermächtigt.11 Un­ geachtet dessen liegt die Annahme eines Eingriffs in das Grundrecht der Hausbesetzer aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in der genannten Kon­stellation 7  Lisken,

NJW 1982, 1136. Krefeld, Urt. v. 30.07.1981 – 5 O 303/81 –, NJW 1982, 289. 9  LG Krefeld, a. a. O., NJW 1982, 289, 290. 10  Lisken, NJW 1982, 1136, 1137. 11  Art. 13 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayPAG; § 27 Abs. 2 Satz 2 und 3 PolG BW; § 21 Abs. 3 Satz 2 und 3 ASOG Bln; § 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 BbgPolG; § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 8 BremPolG; § 12 Abs. 2 SOG HH; § 18 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 HSOG; § 29 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 SOG M-V; § 13 Abs. 2 NPOG; 12 Abs. 2 Satz 2 und 3 PolG NRW; § 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 POG RhPf; § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 5 und 6 SächsPVDG; § 20 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 SOG LSA; § 9 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 6 SPolG; § 181 Abs. 4 Satz 1 und 2 LVwG SH; § 14 Abs. 2 Satz 2 und 3 ThürPAG; § 23 Abs. 3 Satz 2 und 4 BPolG. 8  LG



D. Bedeutung der Ergebnisse für die polizeiliche Praxis359

bereits aus einem anderen Grunde fern. So würde ein solcher lediglich dann vorliegen, sofern die Polizei die Hausbesetzer an einem Verlassen des Hauses hindern würde. In Anbetracht des Umstands, dass auch eine polizeiliche Identitätsfeststellung letztlich auf die (gerichtliche) Räumung des besetzten Hauses abzielen würde, kann nun kaum davon ausgegangen werden, dass die Polizei in der Praxis jemals einen Hausbesetzer am freiwilligen Verlassen des Hauses hindern würde. Weiterhin scheint Lisken ob des typischerweise wechselnden Personenkrei­ ses von einer Unzweckmäßigkeit der Identitätsfeststellung auszugehen.12 Der dahin lautenden Annahme dürfte hierbei die Erwägung zugrunde liegen, dass die Feststellung der Identität der sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in dem Haus befindlichen Besetzer untunlich sei, weil sich nach Abschluss der polizeilichen Maßnahme die Zusammensetzung der Hausbesetzer wieder än­ dern könnte und eine vollständige Räumung des Hauses somit weiterhin nicht möglich wäre. Berechtigt wären diese Bedenken freilich nur, sofern nach Abschluss der Identitätsfeststellung weitere unbekannte Personen in das bereits besetzte Gebäude einrücken würden. Hiervon kann aus den folgenden Überlegungen aber nicht unbedingt ausgegangen werden. Zu beachten ist zum einen, dass die Polizei nach Maßgabe der Privatrechtsklauseln befugt wäre, die Identität der etwaigen neuen Hausbesetzer festzustellen, da auch insofern eine Vereitelung der Verwirklichung des Eigentums respektive des Hausrechts zu besorgen wäre. Von dieser Befugnis dürfte der den Einsatz leitende Polizeiführer in der Praxis auch durchaus Gebrauch machen, ver­ käme die bereits erfolgte Feststellung der Identität der bisherigen Hausbeset­ zer andernfalls doch zur Makulatur. Zum anderen dürften zumindest einige der potentiellen neuen Hausbesetzer in Erwartung einer auch sie betreffenden polizeilichen Identitätsfeststellung von einer Besetzung des Hauses Abstand nehmen, sodass sich die polizeiliche Identitätsfeststellung im Falle einer Hausbesetzung im Ergebnis durchaus als probates Mittel der polizeilichen Gefahrenabwehr erweist. Zumal es dem Hausrechtsinhaber ob der polizei­ lichen Identitätsfeststellung möglich wäre, seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Hinblick auf die neu hinzukommenden Hausbe­ setzer zu erweitern respektive einen neuen Antrag bei den ordentlichen Ge­ richten zu stellen. 4. Ergebnis Die polizeiliche Räumung des Gebäudes ist rechtswidrig gewesen. 12  Lisken, NJW 1982, 1136, 1137: „Der Nutzen“ [Anm.: Der Identitätsfeststellung] für den Antragsteller ist ebenfalls nicht ersichtlich, wenn solcher faktischer Arrest nur „für den Zeitpunkt des Erlasses der Einstweiligen Verfügung“ gelten soll.

360

5. Kap.: Ergebnisse der Untersuchung

II. Geiselnahme im Kölner Hauptbahnhof Bezüglich der Geiselnahme im Kölner Hauptbahnhof können die Ausfüh­ rungen kurz ausfallen. Da eine Gefahr für das Leben, die körperliche Unver­ sehrtheit sowie die Freiheit der Geisel bestand, diente der polizeiliche Zugriff dem Schutz subjektiver Rechtsgüter. Infolgedessen waren die Privatrechts­ klauseln nach der hier entwickelten Auslegung nicht heranzuziehen. Das polizeiliche Tätigwerden begegnet unter dem Gesichtspunkt des Subsidiari­ tätsprinzips mithin keinen rechtlichen Bedenken.

III. Die dargestellten Beispielsfälle In der gebotenen Kürze soll abschließend auf die Auswirkungen der hier entwickelten Auslegung auf die im zweiten Kapitel unter C.I.1. dargestellten Beispielsfälle eingegangen werden. So liegt zunächst in nahezu sämtlichen der dort behandelten Konstellationen eine Gefahr für ein subjektives Recht vor, sodass die Privatrechtsklauseln – ungeachtet etwaiger einschlägiger Straftatbestände – zur Anwendung kommen würden. Von dezidierten Ausfüh­ rungen zu jedem Fallbeispiel soll an dieser Stelle abgesehen werden und diesbezüglich auf die vorangegangenen Ausführungen zur Hausbesetzung verwiesen werden, die insoweit stellvertretend herangezogen werden können. Näherer Betrachtung bedürfen allerdings die Beispielsfälle zum Äuße­ rungsrecht sowie zum Recht am eigenen Bild. Diese unterscheiden sich von den übrigen Fällen insofern, als bei ihnen eine Gefahr für das allgemeine respektive in Gestalt des Rechts am eigenen Bild ein besonderes Persönlich­ keitsrecht des Betroffenen in Rede steht. Bei Persönlichkeitsrechten stellt sich nun die Frage, ob diese im Sinne der Privatrechtsklauseln als Recht oder Rechtsgut anzusehen sind. Ausgehend von dem hiesigen Begriffsverständnis käme es diesbezüglich an sich darauf an, ob Persönlichkeitsrechte übertragbar sind. Die Übertragbarkeit von Persönlichkeitsrechten ist umstritten und scheint, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Komponente des Per­ sönlichkeitsschutzes, nach wie vor nicht hinreichend geklärt zu sein.13 Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser originär zivilrechtlichen Fragestellung ist im Rahmen dieser Untersuchung weder möglich noch angezeigt. Aus diesem Grund ist es insoweit bei der Einschätzung zu belassen, dass es vor­ zugswürdig sein dürfte, den polizeilichen Schutz von Persönlichkeitsrechten den Privatrechtsklauseln zu unterstellen und diese mithin als subjektive Rechte zu klassifizieren.14 Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. C 50 f. macht auch Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 135, den polizei­ lichen Schutz der „Ehre“ vom Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängig und 13  Eingehend 14  So



E. Schlussbemerkung361

E. Schlussbemerkung Die in der vorliegenden Untersuchung im Hinblick auf den Anwendungs­ bereich der Privatrechtsklauseln vertretene Auslegung wird in dieser Form weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung vertreten. Insofern vermag sie durchaus als juristisches Neuland bezeichnet zu werden. Allerdings dürfte sich der hier entwickelte Ansatz oftmals mehr in der Begründung denn im Ergebnis von der allgemeinen Meinung unterscheiden. Erinnert sei an dieser Stelle etwa daran, dass auch die Rechtsprechung den für die Ausschließlich­ keitstheorie an sich konstituierenden Anwendungsvorrang der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung nicht strikt durchhält und dass in der polizei­ rechtlichen Literatur bezüglich des Anwendungsbereichs des Subsidiaritäts­ prinzips eine Differenzierung zwischen Rechten und Rechtsgütern zumindest angedeutet wird. Die Bedeutung der hier gewonnenen Erkenntnisse besteht mithin darin, eine rechtsdogmatisch schlüssige Begründung für eine bereits heute vertretene Rechtsauffassung zu liefern. Eine weitere wichtige Erkennt­ nis der vorstehenden Ausarbeitung kann denn auch darin erblickt werden, dass sie das im Hinblick auf die Privatrechtsklauseln bestehende Untersu­ chungsdefizit offenbart hat. Die vorliegende Arbeit mag deswegen sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung zum Anlass genommen werden, den Privatrechtsklauseln fortan die Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, die der Komplexität der von den Vorschriften aufgeworfenen Fragestellungen gerecht wird.

grenzt diese hierdurch von den Rechtsgütern des Lebens, der körperlichen Unver­ sehrtheit und der Freiheit ab.

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Literaturverzeichnis373 Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 10, Familienrecht II, §§ 1589–1921, 8. Auflage 2020 (zitiert: Bearbeiter, in: MüKo, BGB). Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen römischen Rechts, Band I, 1840. Schapp, Jan: Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977. Scharl, Anna Ingeborg: Die Schutznormtheorie, Historische Entwicklung und Hinter­ gründe, 2018. Scheer, Bernhard/Trubel, Hans: Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. Juni 1931; Mit Ausführungsbestimmungen und Materialien sowie rechtsvergleichenden Hinweisen auf das geltende Polizeirecht der Länder der Bundesrebulik, 6. Aufla­ ge 1961 (zitiert: Scheer/Trubel, PrPVG). Schell, Florian: Anspruch auf polizeiliches Einschreiten oder Angriff gegen eine poli­ zeiliche Erlaubnis, Die prozessuale und materielle Rechtsstellung des Dritten, 2005. Schenke, Wolf-Rüdiger/Graulich, Kurt/Ruthig, Josef: Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019 (zitiert: Bearbeiter, in: Schenke/Graulich/Ruthig). Schenke, Wolf-Rüdiger: Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Auflage 2018 (zitiert: Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht). Schieferdecker, Bernd: Die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatli­ cher Gefahrenabwehr, Rechtliche Qualifikation und Zulässigkeit, Verwahrung und Zurückbehaltungsrecht, Kostentragungs- und Haftungsprobleme, 1998 (zitiert: Schieferdecker, die Entfernung von Kraftfahrzeugen als Maßnahme staatlicher Gefahrenabwehr). Schilling, Theodor: Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994. Schlink, Bernhard: Korrektur von Gerichtsentscheidungen durch die Polizei?, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 1689 (zitiert: Schlink, NJW 1988, 1689). Schlink, Bernhard: Die polizeiliche Räumung besetzter Häuser, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1982, 529 (zitiert: Schlink, NVwZ 1982, 529). Schmidt-Aßmann, Eberhard/Schoch, Friedrich: Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Auf­ lage 2008. Schmidt-Bleibtreu, Bruno (Begr.): Kommentar zum Grundgesetz, 15. Auflage 2021 (zitiert: Bearbeiter, in: Schmidt-Bleibtreu, GG). Schoch, Friedrich/Schneider, Jens-Peter (Hrsg.): Verwaltungsrecht, Band VwGO, 41. Ergänzungslieferung, Stand: Juli 2021 (zitiert: Bearbeiter, in: Schoch/Schnei­ der, Verwaltungsrecht). Schoch, Friedrich (Hrsg.): Besonders Verwaltungsrecht, 2018 (zitiert: Bearbeiter, in: Schoch). Schoch, Friedrich: Der Schutz privater Rechte im Polizei- und Ordnungsrecht, Juris­ tische Ausbildung 2013, 468 (zitiert: Schoch, JURA 2013, 468).

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Literaturverzeichnis375 Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, §§ 677– 704, Neubearbeitung 2020 (zitiert: Bearbeiter, in: Staudinger). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 823 A–D, Neubearbeitung 2017 (zitiert: Bearbeiter, in: Staudinger). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, §§ 854– 872, Neubearbeitung 2018 (zitiert: Bearbeiter, in: Staudinger). Staudinger, Julius von (Begr.): Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, §§ 985– 2011, Neubearbeitung 2019 (zitiert: Bearbeiter, in: Staudinger). Steckert, Uwe: Zulässigkeit und Kosten polizeilich veranlaßter Abschleppmaßnahmen von verkehrswidrig abgestellten Kraftfahrzeugen, Deutsches Verwaltungsblatt 1971, 243 (zitiert: Steckert, DVBl. 1971, 243). Stein, Friedrich/Jonas, Martin (Hrsg.): Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 3, §§ 148–270, 23. Auflage 2016 (zitiert: Bearbeiter, in: Stein/Jonas). Stein, Friedrich/Jonas, Martin (Hrsg.): Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 9, §§ 916–945b, §§ 960–1024, EGZPO, GVG, 23. Auflage 2020 (zitiert: Bearbeiter, in: Stein/Jonas). Steinberg, Rudolf: Grundfragen des öffentlichen Nachbarrechts, Neue Juristische Wo­ chenschrift 1984, 457 (zitiert: Steinberg, NJW 1984, 457). Steiner, Udo/Brinktrine, Ralf (Hrsg.): Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Auflage 2018 (zitiert: Bearbeiter, in: Steiner/Brinktrine). Stephan, Ulrich/Deger, Johannes: Kommentar zum Polizeigesetz Baden-Württem­ bergs, 7. Auflage 2014 (zitiert: Stephan/Deger, PolG BW). Stern, Klaus: Die Schutzpflichtenfunktion der Grundrechte: Eine juristische Entde­ ckung, Die Öffentliche Verwaltung 2010, 241 (zitiert: Stern, DÖV 2010, 241). Tegtmeyer, Henning/Vahle, Jürgen: Kommentar zum Polizeigesetz von NordrheinWestfalen, 12. Auflage 2018 (zitiert: Tegtmeyer/Vahle, PolG NRW). Tetsch, Lambert Josef/Baldarelli, Marcello: Kommentar zum Polizeigesetz von Nord­ rhein-Westfalen, 2011 (zitiert: Tetsch/Baldarelli, PolG NRW). Thiel, Markus: Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 2019 (zitiert: Thiel, Polizeiund Ordnungsrecht). Tiedemann, Tobias: Tatbestandsfunktion im Nebenstrafrecht, Untersuchungen zu ei­ nem rechtsstaatlichen Tatbestandsbegriff, entwickelt am Problem des Wirtschafts­ strafrechts, 1969 (zitiert: Tiedemann, Tatbestandsfunktion im Nebenstrafrecht). Trierweiler, Tobias: Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häus­ licher Gewalt, Eine Untersuchung am Beispiel von § 34a PolG NRW 2006 (zitiert: Trierweiler, Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot zum Schutz vor häusli­ cher Gewalt). Trute, Hans-Heinrich: Vorsorgestrukturen und Luftreinhalteplanung im Bundesimmis­ sionsschutzgesetz, 1989. Ule, Carl Hermann (Hrsg.): Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Band III, 1. Halbband, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Auflage 1982 (zitiert: Bearbeiter, in: Ule).

376 Literaturverzeichnis Vollkommer, Max: Zwangsvollstreckungsrecht: Räumungsverfügung gegen unbe­ kannte Hausbesetzer, Besprechung von BGH, B ­ eschl. v. 13.07.2017 – I ZB 103/16, Monatsschrift für Deutsches Recht 2018, 1104 (zitiert: Vollkommer, MDR 2018, 1104). Vorwerk, Volkert/Wolf, Christian (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar, Zivilpro­ zessordnung, 44. Edition, Stand: 01.03.2022 (zitiert: Bearbeiter, in: BeckOK, ZPO). Wagner, Gerhard: Deliktsrecht, 14. Auflage 2021. Wagner, Heinz: Kommentar zum Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen und zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder, 1987 (zitiert: Wagner, PolG NRW/ME PolG). Wehr, Matthias: NomosKommentar zum Bundespolizeigesetz, 3. (Online-)Aufla­ ge 2021 (zitiert: Wehr, BPolG). Wiebe, Knut: Gehsteigberatung – zulässig oder nicht?, Zeitschrift für Lebensrecht 2013, 49 (zitiert: Wiebe, ZfL 2013, 49). Wieczorek, Bernhard/Schütze, Rolf A. (Begr.): Zivilprozessordnung und Nebengeset­ ze, Großkommentar, Band 11, § 916–1066, 4. Auflage 2014 (zitiert: Bearbeiter, in: Wieczorek/Schütze, ZPO). Will, Martin: Öffentliches Baurecht, 2019. Winkler, Daniela/Schadtle, Kai: Fortgeschrittenenklausur, Öffentliches Recht: Polizeiund Ordnungsrecht, Hooligans unerwünscht, Juristische Schulung 2015, 435 (zi­ tiert: Winkler/Schadtle, JuS 2015, 435). Wöhrle, Günter/Belz, Reiner: Kommentar zum Polizeigesetz Baden-Württemberg, 4. Auflage 1985 (zitiert: Wöhrle/Belz, PolG BW). Wolffgang, Hans-Michael/Hendricks, Michael/Merz, Matthias: Polizei- und Ord­ nungsrecht in NordrheinWestfalen, 3. Auflage 2011. Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band II, §§ 38–79b, 9. Auflage 2016 (zitiert: Bearbeiter, in: SK-StGB). Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band III, §§ 80–173, 9. Auflage 2018 (zitiert: Bearbeiter, in: SK-StGB). Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, Band III, §§ 137–197, 5. Auflage 2016 (zitiert: Bearbeiter, in: SK-StGB). Wolter, Jürgen (Hrsg.): Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung, Band VIII, §§ 374–495, 5. Auflage 2020 (zitiert: Bearbeiter, in: SK-StPO). Würtenberger, Thomas/Heckmann, Dirk/Tanneberger, Steffen: Polizeirecht in BadenWürttemberg, 7.  Auflage 2017 (zitiert: Würtenberger/Heckmann/Tanneberger, Polizeirecht in BW). Würtenberger, Thomas/Heckmann, Dirk: Polizeirecht in Baden-Württemberg, 6. Auf­ lage 2005 (zitiert: Würtenberger/Heckmann, Polizeirecht in BW, 6. Auflage 2005).

Stichwortverzeichnis Anwendungsvorrang  69 f., 110 ff., 115 ff., 144 ff., 164 ff., 173 ff., 178 ff., 188 ff., 351 Antragsdelikt  23, 72 ff., 133 ff. Antragserfordernis  211 ff. Aufgabenbeschränkung  53 ff. Aufgabenerweiterung  52, 245 Befristung  322, 335 ff., 343 ff., 355 Beschlussverfügung  259, 336 Einstweiliger Rechtsschutz  257 ff., 300, 322, 332 f., 336, 341, 352 Ermessensreduzierung  317 f. Erschwerung der Rechtsverwirklichung  275 ff., 318 f., 353 Gefahrenprognose  312 ff. Gewaltenteilung  43 ff., 48, 126, 145, 266, 342 Gewaltschutzgesetz  99 f., 197, 254, 336, 339, 341 Glaubhaftmachung  204 f., 214, 307 f., 354 Hausbesetzung  23, 77 ff., 123 f., 137, 159, 262, 356 ff. Identifizierungserfordernis  45, 244, 262 ff., 319, 357 Identitätsfeststellung  83, 243 f., 247, 283, 320, 323, 358 f. Musterentwurf Polizeigesetz  156 ff. Nebenstrafrecht  165, 185, 188, 206 Objektive Rechtsordnung  75 ff., 97 ff., 113 f., 145, 164 ff., 173 ff., 178 ff., 188 ff.

Öffentliche Ordnung  273 Öffentliche Sicherheit  25 f., 30 ff., 39 f., 56 f., 151 f., 170 ff. Öffentliches Interesse  30 ff., 73, 120, 129 f., 134 Ordnungsbehörde  58 ff., 348 Ordnungswidrigkeit  39, 115 ff., 119 ff., 189 Plausibilitätsprüfung  307 ff., 329, 354 Pönalisierte Zivilrechtsnorm  68 ff. Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz  26, 48, 56, 167 ff. Privates Recht  63 ff., 107 ff., 144 ff. Privatklagedelikt  23, 71 f., 129 ff. Privatrechtliche Forderung  56 f., 61, 107, 152, 304 Rechtsverwirklichung  142 f., 275 ff., 315, 318 f., 326 Rechtzeitigkeit gerichtlichen Schutzes  248 ff., 281, 315 f., 352 Schutzpflichten  38, 41 ff., 46, 201, 321 Selbsthilferecht  245 f., 305 f. Sicherstellung  216 ff., 224 ff., 230 ff., 243, 323 Störung  86, 121 ff., 136 f., 281, 285 ff. Straftatenverhütung  46, 122, 139, 165 ff., 174 ff., 186 Subjektives öffentliches Recht  151 ff. Subjektives Recht  25 ff., 39 f., 52 f., 141 ff., 146 ff., 179, 201, 283 f., 303 f., 351 Subjektives Rechtsgut  25 ff., 141 ff., 194 ff., 304, 351 Subsidiaritätsprinzip  50, 58 ff., 115 ff., 121 f., 141, 165 ff., 186 ff., 347

378 Stichwortverzeichnis

Untermaßverbot  191

Vereitlung der Rechtsverwirklichung  275 ff., 318 f., 353 Verschulden  266 ff. Vorläufige Maßnahme  318 ff., 349, 354 Vorsatz  39, 95 f., 118 f.

Unzumutbarkeit der Rechtsbeeinträchti­ gung  296 ff., 325 ff., 354

Wohnungsverweisung  99 f., 103 f., 132, 180, 197 ff., 253 f., 333 ff., 355

Unmöglichkeit gerichtlichen Schutzes  261 ff., 315 f. Unterlassungsanspruch  182, 194, 198 ff., 285 ff., 325 ff., 329 ff., 353

Unzumutbarkeit des Rechtsschutzes  269 ff., 303

Zuständigkeitsregelung  346 ff., 357