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German Pages 390 [392] Year 1966
F . LÜTGE
Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR AGRARGESCHICHTE Herausgegeben von Professor Dr. Dr. FRIEDRICH München Professor Dr. GÜNTHER FRANZ Stuttgart-Hohenheim
LÜTGE
Professor Dr. WILHELM Göttingen BAND XVII
ABEL
Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum vornehmlich in der Karolingerzeit
Von
FRIEDRICH LÜTGE Zweite, unveränderte Auflage
GUSTAV FISCHER VERLAG • STUTTGART 1966
© Gustav Fischer Verlag Stuttgart 1966 Alle Rechte vorbehalten Druck: Grammlich, Pliezhausen Einband: Sigloch, Künzelsau/Wurtt. Printed in Germany
Georg von Below zum Gedächtnis
Vorwort.
S
eit einer ganzen Reihe von Jahren beschäftigen mich die Probleme der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte speziell der Agrargeschichte des mitteldeutschen Raumes. Teilstudien, die inzwischen z. T. auch veröffentlicht sind, im besonderen mein 1934 erschienenes Buch „Die mitteldeutsche Grundherrschaft", ließen es immer deutlicher werden, welch eine eigenartige Sonderentwicklung dieser mitteldeutsche Raum mit Thüringen als Kern genommen hat. So wurde die Notwendigkeit immer zwingender, den Ursprüngen nachzugehen, d. h. also diese Erscheinung soweit nach rückwärts zu verfolgen, wie es nur irgend anging, im besonderen das Material es zuließ. Es war dabei nun keineswegs allein das wissenschaftliche Interesse an dieser höchst bedeutsamen, bisher ganz übersehenen Sonderentwicklung, das dabei den Ausschlag und den immer erneuten Antrieb gab, so wertvoll eine fundierte Untersuchung der Entwicklung eines Teilgebietes, im besonderen, wenn sie versucht, sich über das Niveau der Lokalgeschichtsforschung zu erheben, auch sein mag. Im Vordergrund stand immer das Interesse an der gesamtdeutschen Geschichte, und gerade die sich ständig mehr verstärkende Überzeugung, daß von hier, von der Mitte aus, die in der Karolingerzeit ja der Osten war, entscheidende neue Gesichtspunkte für deren Erforschung gewonnen werden könnten, und daß deren gründliche Untersuchung auch notwendig sei, wenn anders die deutsche sozialgeschichtliche, speziell agrargeschichtliche Erkenntnis — beides deckt sich um diese Zeit ja noch weitgehend — ein Stück vorangetrieben werden sollte, trieb mich immer wieder an, diesen Fragen nachzugehen. Alle agrarhistorischen Gesamtdarstellungen sind bisher eigentlich regelmäßig vom deutschen Westen ausgegangen, namentlich vom Rheingebiet und seinen Quellen aus (Prüm, Weißenburg, Lorch, St. Gallen usw.). Und von hier aus hat man dann meist verallgemeinernde Schlüsse für
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ganz Deutschland gezogen. Mir schien es dagegen notwendig zu sein, einmal vom Osten auszugehen, vom Osten, bei dem zwei entscheidende Erlebnisse des Westens fehlen, die enge Berührung mit dem Römertum und die große Völkerwanderung mit ihren den Volkskörper und die Sozialverfassung so weitgehend umbildenden Auswirkungen. Denn gerade auch über die westdeutschen Stämme wissen wir ja Genaueres gleichfalls erst seit der Zeit nach dieser großen Völkerbewegung; aber was wissen wir wirklich zuverlässig über die Umwälzungen, die diese selbst für die davon ergriffenen Stämme, namentlich die Franken und Alemannen als die wichtigsten, im Gefolge gehabt hat? Hier ist noch vieles unklar und umstritten, ja manches vielleicht noch nicht einmal gesehen. Die Tatsache allein, daß die schriftlichen Quellen im Westen früher zu fließen beginnen, ist es ja gewesen, die zu dieser „Uberbewertung" des Westens geführt hat. Aber kann das noch länger ausschlaggebend sein, nachdem die Vor- und Frühgeschichtsforschung dem Historiker brauchbare neue Hilfsmittel an die Hand gibt ? Die Geschichte des Ostens ist ja keineswegs ärmer als die des Westens, und das Ausgehen von ihr bringt vielleicht neue Erkenntnisse. Aus diesen Gedankengängen heraus ging ich an die Untersuchung der Sozialgeschichte speziell Agrargeschichte Mitteldeutschlands heran, in dem Wunsche also, von hier aus die Probleme der deutschen Volksgeschichte dieser Zeit erneut aufzurollen, unter fester Begründung auf das Material eines engeren Gebietes, aber doch mit ständigem Blick auf die gesamtdeutsche Entwicklung. In der Darstellung hieß es immer wieder der Versuchung zu widerstehen, diese gesamtdeutsche Entwicklung ausgiebig mit hereinzuziehen und etwa eine gesamtdeutsche Geschichte unter Hervorhebung der Eigenarten und Besonderheiten Mitteldeutschlands zu schreiben. Dieser Versuchung konnte aus mehreren Gründen nicht nachgegeben werden, so verlockend sie war. Einmal hätte rein äußerlich das Buch damit notwendig einen Umfang erreicht, der nicht tragbar gewesen wäre. Dann aber scheint es, als wenn erst noch in einigen anderen Gegenden Deutschlands ähnliche räumlich begrenzte, auf das Urmaterial zurückgehende Untersuchungen durchgeführt werden müssen, ehe man an eine Gesamtdarstellung herangehen kann; und schließlich wäre anderenfalls womöglich die Eigenartigkeit des hier untersuchten Sondergebietes nicht geschlossen genug herauszustellen gewesen. So war es vorzuziehen, sich mit zahlreichen Hinweisen zu begnügen, die den lebendigen Zusammenhang mit dem gesamtdeutschen Gebiet herstellen, und damit eine Be-
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IX
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handlung der Sonderprobleme dieses eigenartigen Teilgebietes zu verbinden. Wie weit es gelungen ist, dieser doppelten Aufgabe gerecht zu werden, muß der Leser entscheiden. Die Abgrenzung dieses Gebietes ist anders als die, die ich meiner „Mitteldeutschen Grundherrschaft" zugrunde legte. Es fehlt nicht nur das Land rechts der Saale, das ja in der hier behandelten Zeit von den Slaven besiedelt war, sondern auch der Landstrich im Norden, von der Grafschaft Wernigerode, also der Grenze nach Nordwestdeutschland zu, bis hin nach Bernburg, während im Süden die Gebiete südlich und westlich des Thüringer Waldes mit behandelt sind, die damals ausgeschaltet werden mußten, weil sie im späteren Mittelalter und in der neueren Zeit einem anderen Typ der Agrarverfassung angehörten. Ich versuchte daher zunächst den Ausdruck „Mitteldeutschland" zu vermeiden, stellte dann aber die Bedenken .zurück, um den kurzen und bezeichnenden Ausdruck nicht entbehren zu müssen. Außerdem hat Mitteldeutschland in fast jeder Darstellung eine andere Abgrenzung, so daß kein Schaden angerichtet wird, wenn dies auch in diesem Buch der Fall ist. Und im übrigen gehört es mit zu den hier untersuchten Problemen, wie das ursprünglich einheitliche Mitteldeutschland im Sinne dieses Buches nach und nach in zwei Teile zerfiel und sich dann das mitteldeutsche Gebiet im Sinne meiner „Mitteldeutschen Grundherrschaft" herauskristallisierte. Auch die Abgrenzung des behandelten Zeitraumes konnte nicht engherzig erfolgen. Die Karolingerzeit steht im Mittelpunkt. Wo es, um die Entwicklung klarzustellen, notwendig war, wurde aber ohne Zögern in die frühere, auch in die vorgeschichtliche Zeit zurückgegriffen, in anderen Fällen eine in der Karolingerzeit nicht abgeschlossene Entwicklung auch in die Zeit der Sachsenkaiser hinein verfolgt. Besonderen Dank schulde ich dem Jenaer Vorgeschichtler, Herrn Professor NEUMANN, der mich, voll Interesse für meine Arbeit, bei der Formulierung der vorgeschichtlichen Abschnitte durch Literaturnachweise und Auskünfte in der freundlichsten Form unterstützt hat. Die Widmung dieses Buches der Erinnerung an GEORG VON BELOW bedarf keiner näheren Begründung. Sie ist ein kleines Zeichen des Dankes, den wir alle ihm schulden. J e n a , 4. Juli 1937. Friedrich Lütge.
Vorwort zur zweiten Auflage Nach rund 30 Jahren soll eine neue Auflage dieses meines Frühwerkes veranstaltet werden. Mir stellte sich damit die Frage, ob ich den Versuch machen sollte, eine gründliche Neubearbeitung vorzunehmen oder aber den damaligen Text unverändert vervielfältigen zu lassen. Nach reiflicher Überlegung und auch nach Rücksprache mit einigen Fach- und Weggenossen habe ich mich für den unveränderten Abdruck entschieden. Und dies — abgesehen von der größeren Preiswürdigkeit der photomechanischen Vervielfältigung — aus zweierlei Gründen. Einmal fehlt es mir vor der Hand an der zu einer solchen Uberarbeitung und Ergänzung erforderlichen Zeit, und so hätte die immer noch rege Nachfrage nach diesem Buche nicht so bald gedeckt werden können. Aber das hätte ich in Kauf genommen, wenn mir eine Neubearbeitung sinnvoll erschienen wäre. Doch zu dieser Auffassung konnte ich mich nicht entschließen. Das Buch war in einer ganz bestimmten Situation nicht nur meiner eigenen wissenschaftlichen Entwicklung, sondern auch der Entwicklung der Wissenschaft geschrieben worden, und es hat darin — wie ich aus den zahlreichen, recht positiven Besprechungen entnehmen zu können glaube — seinen Platz gefunden. Jetzt, nach 3 Jahrzehnten, würde ich sicher manches anders formulieren und auch die Ergebnisse nicht nur der eigenen, sondern namentlich auch die zahlreicher namhafter Kollegen weiterführenden Forschungen berücksichtigen müssen. Dann aber würde es ein weitgehend neues Buch werden. Das aber erschien mir nicht der Zweck einer solchen Neuausgabe. Die in meinem Sammelband „Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte" (Stuttgart 1963) zusammengetragenen, neu überarbeiteten Spezialstudien geben von meinen Bemühungen um die neuesten Forschungsergebnisse Zeugnis, wobei im besonderen an die an erster Stelle abgedruckte Abhandlung „Das Problem der Freiheit in der früheren deutschen Agrarverfassung" zu denken wäre. Denn in ihr habe ich meine Auffassung zu jener neuen Forschungsrichtung und deren Ergebnissen dargelegt, die durch die Namen Theodor Mayer, Heinrich Dannenbauer, Karl Bosl, Walter Schlesinger, O t t o Brunner — um nur einige der wichtigsten Namen zu nennen — gekennzeichnet ist. Jeder Historiker kennt diese Werke, und so ist es auch überflüssig, sie im einzelnen aufzuzählen und bibliographisch exakt aufzuführen. Wie bekannt, stehen dabei Fragen wie die nach der besonderen „Königsfreiheit" und „Rodungsfreiheit", nach deren Stellung des Adels, nach Ausmaß und Bedeutung der Altfreien, nach dem Untergang wie nach dem Aufstieg der alten Unfreien im Vordergrunde. Es ist erfreulich, wieviel neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Weitere Arbeiten dieser Art anzuregen ist mit ein Wunsch, den ich dieser Neuausgabe auf den Weg geben möchte. München/Gräfelfing, 10. 6. 1966.
Friedrich Lütge
Inhalt. Vorwort Verzeichnis der wichtigsten Literatur
Seite V XIII
Erster Hauptteil:
Das Land und seine Besiedlung. A. Das Gebiet B. Die Besiedlung des Landes Vorbemerkung I. Vorgeschichtlicher Rückblick I I . Die historischen Siedlungsperioden 1. Die 1. Periode (bis rund 200 n. Chr.) 2. Die 2. Periode (rund 200 bis 531) 3. Die 3. Periode (531 bis rund 750) 4. Die 4. Periode: Die Slaven 5. Die 5. Periode (rund 750 bis 1300)
1 5 5 8 12 12 16 24 32 71
Zweiter Hauptteil:
Die soziale Gliederung des Volkes in der Karolingerzeit und die in ihr liegenden Entwicklungstendenzen. A. Allgemeine Fragen 1. Die Gliederung im allgemeinen 2. Das Fehlen der Liten 3. Slaven B. Die drei Stände im einzelnen I. Der Adel 1. Die rechtliche Stellung des Adels 2. Der Umfang des Adels und seine soziale Bedeutung II. Die Freien 1. Die rechtliche und soziale Lage der Freien 2. Zur Frage des Unterganges der Freien in der Karolingerzeit. . a) Selbsttraditionen b) Steigerung der Heereslast c) Die Umwandlung des Begriffes „frei" im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Grundherrschaft d) Veränderungen des Anteilverhältnisses e) Ergebnis 3. Anhang: Freigelassene I I I . Die Unfreien 1. Die rechtliche und soziale Lage der Unfreien 2. Der Umfang des Vorkommens der Unfreiheit 3. Die Bedeutung der Unfreiheit für die Agrarverfassung der Karolingerzeit
81 81 82 85 86 86 86 86 94 94 97 97 102 106 110 111 112 114 114 117 123
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C. Die Vererbung von Landbesitz I. Geltungsbereich des Thüringer Rechtes II. Die Vererbung von Land im Volksrecht III. Gegenüberstellung von gesetzlicher Regelung und urkundlichem Material IV. Gründe für die Abweichung
130 130 134 137 138
Dritter Hauptteil:
Die Grundherrschaft. A. Historischer Rückblick: Das Alter der Grundherrschaft
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B. Die grundherrlichen Gewalten; der große grundherrliche Besitz Vorbemerkung I. Der König als Grundherr II. Die weltlichen Grundherren III. Die geistlichen Grundherrschaften Vorbemerkung 1. Die Reichsabtei Hersfeld 2. Die Reichsabtei Fulda 3. Das Kloster Ohrdruf 4. Das Bistum Erfurt 5. Weitere alte Klöster 6. Grundbesitz auswärtiger Kirchen und Klöster
155 155 157 163 171 171 172 176 179 180 183 184
C. Die verschiedenen Gruppen der grundherrlichen Bauern
189
D. Zur Frage der Entstehung der bäuerlichen Lasten und deren Bedeutung Vorbemerkung I. Die Entstehung der Belastung bei den alten Unfreien 1. Reallasten 2. Personallasten a) Mortuariüm .• b) Heiratsabgabe (Beithemunt) c) Wachszinsigkeit (Altarzinsigkeit) II. Die Entstehung der Belastung bei ursprünglich Freien A. Nicht-grundherrliche Entstehunggründe 1. Umwandlung einst freiwilliger Abgaben in pflichtmäßige . . . 2. Politisch begründete Abgaben B. Entstehung auf rein grundherrlicher Basis III. Der Zehnte IV. Gerichtsherrliche Lasten
199 199 200 200 202 203 205 207 208 208 208 209 211 216 217
E. Verschiebungen in den Besitzverhältnissen durch die Ausweitung der Grundherrschaft in der Karolingerzeit I. Der Rückgang des freien Besitzes. Prekarie II. Der Rechtsstand des Prekarielandes III. Veränderungen des Anteiles des freien Bauerntums am Boden durch die Schenkungen
218 219 227 229
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XIII
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Vierter Hauptteil:
Hufen, Marken, Markgenossenschaften.
gejte
A. Hufe I. IX. III. IV. V. VI.
und Manse, Hufenordnung Das Problem Begriff der Hufe und der Hufenordnung Das Büd der Quellen Grundherrliche oder freie Hufe ? Hufe und Manse Die Größe der Hufen; Größe des Hufenbesitzes (Normalmaß); Bedeutung der Hufenordnung VII. Ausbreitung der Hufenordnung auf die freien Bauern
237 237 240 250 252 259
B. Marken, Markgenossenschaften Vorbemerkung I. Marken, Fluren, Dörfer 1. Kritik der RüBELschen Auffassung 2. Der Inhalt der Bezeichnung „Mark" 3. Die Bedeutung des Wortes „villa" II. Markgenossenschaften X. Vorbemerkung 2. Quellenbefund der Karolingerzeit: Nutzungsrechte oder Eigentum ? a) Quellenzeugnisse bei Schenkungen von Hufenland und NichtHufenland a) Hufenland ß) Nicht-Hufenland b) Quellenzeugnisse bei Schenkungen vonCapturen und Rodungen 3. Die Entstehung der Markgenossenschaft: Vom freien Nutzungsrecht zum Gemeinland a) Vorbedingungen b) Markgenossenschaft und Dorfflur 4. Zusammenfassung und kritische Sichtung 5. Nachrichten über Markgenossenschaften in unserem Gebiet . . a) Zusammenstellung b) Wertung 6. Anhang: Die Hundertschaft
279 279 280 280 286 291 294 294 298
265 275
300 300 304 306 308 308 316 320 324 324 328 330
Fünfter Hauptteil:
Zur Frage der Struktur der ältesten Siedlungen. Personen-, Orts- und Sachregister
. . .
333 352
Verzeichnis der wichtigsten Literatur. (Eine ganze Reihe weiterer Spezialschriften ist im Text vermerkt) ABEL,
Bd. I.
SIGURD,
Jahrbücher des Fränkischen Reiches unter Karl d. Gr.,
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Erster Hauptteil:
Das Land und seine Besiedlung. A. Das Gebiet.
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räger allen geschichtlichen Lebens ist der Mensch. Aber zu diesem Menschen gehört untrennbar verbunden der Boden, auf dem er lebt, aus dem er seine Nahrung zieht und von dem ihm die Güter kommen, mit denen er sein Leben erhält, oder auch die Rohstoffe für die Güter, die er sich mit den ihm verliehenen geistigen Kräften schafft. So ist es auch unsere erste Aufgabe, zunächst ein Bild von den Menschen und ihrem Lebensraum zu gewinnen, mit denen sich unsere ganze folgende Untersuchung zu befassen haben wird, wobei als allzu weitgehend das ausgeschaltet werden kann, was der Boden für sich allein ist, auch ohne Menschen, das heißt das Geologische, Mineralogische, Erdgeschichtliche und Klimatologische, so daß also allein die Verbindung des Menschen mit dem Boden, seine Seßhaftwerdung auf diesem Boden und seine Nutzung von diesem Boden berücksichtigt werden soll. Das Gebiet, das hier behandelt werden soll — oft kurz „Mitteldeutschland" genannt — umfaßt Thüringen als Kernland und dazu im Norden das Land zwischen Harz und Saale, etwa bis Halle hinauf, im Süden das Land bis etwa an den Main und im Westen das Eichsfeld und das Werragebiet und das Rhönland; es erstreckt sich also über die thüringischen Gaue, den Schwaben- und Hochseegau im Norden, den Saalgau, Grabfeld und zum größten Teil auch Volkfeld, Werragau und Radenzgau im Süden, Tullifeld, Ringgau, Ohmfeldgau, Eichsfeld und Germaramarka im Westen, wobei eine peinlich genaue Grenzfestlegung und ein ebenso peinliches DaranFesthalten vermieden werden konnte und vermieden wurde. Dieses Gebiet hat eine eigenartige Sonderentwicklung durchgemacht, das es von allen anderen deutschen Landschaften unterscheidet: es ist in seiner alten Besiedlungsform weitgehend ungestört geblieben, d. h. im besonderen fehlen hier die störenden Auswirkungen der späteren großen Völkerwanderungszeit, in der doch L ü t g e , Agrarverfassung.
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viel altes Kulturgut untergegangen oder umgewandelt ist, und überdies fehlt hier jeder römische Einfluß, wie er für den deutschen Süden und Westen so bedeutsam geworden ist. So hat dieses Mitteldeutschland seinen ganz besonderen Wert für die Erforschung der früheren deutschen Sozialgeschichte, ein Wert, der bisher nicht recht erkannt worden ist. Man ist neuerdings in vielen Forschungen von Nordwestdeutschland ausgegangen; man erinnere sich nur an die Arbeiten von WITTICH bis PH. HECK. Und gewißlich ist hier viel Altes erhalten geblieben, weil ja auch hierher der römische Einfluß nicht vorgedrungen ist. Doch: „auch die Siedlung des altgermanischen Gebiets im nordwestlichen Deutschland ist aber als Eroberungssiedlung aufzufassen, da auch hier, trotz stärkerer Stetigkeit der Stämme, die Kämpfe um das Land und die Ausbreitung durch Vertreibung anderer nicht gefehlt haben" 1 ). Derartiges hat auch in Mitteldeutschland nicht gefehlt, wohl aber hat die Sozialverfassung des Nordwestens eine einschneidende Umbildung erfahren durch die Gewohnheit der Sachsen, die Angehörigen der unterworfenen Stämme zu Liten herabzudrücken, während der gleiche Vorgang in Mitteldeutschland ausgeblieben ist. Und das macht gerade den eigenartigen Wert unseres Gebietes aus; es ist wohl nicht länger berechtigt, Mitteldeutschland hinter Nordwestdeutschland zurücktreten zu lassen. Aber noch aus einem anderen Grunde erscheint dieses Mitteldeutschland unter siedlungsgeschichtlichem Standpunkt ganz besonders interessant. Es gibt kaum in einem anderen Landstrich allerälteste Siedlungsflächen2), die unvermittelt mit siedlungsgeschichtlich ganz jungen, erst vor rund einem Jahrtausend erschlossenen Gebieten zusammenfallen, wobei es doch dazu gekommen ist, daß diese so ganz verschieden alten und unter so gänzlich verschiedenen Voraussetzungen besiedelten Gebiete sehr bald zu einer völligen Einheit verschmolzen sind. Betrachten wir die von O. SCHLÜTER, also wohl dem besten Fachkenner auf diesem Wissenschaftszweige, entworfene Karte 1) RUD. MARTINY, Die Grundrißgestaltung der deutschen Siedlungen, S. 16. 2) Wenn es vielleicht auch nicht zutrifft, daß wir in Thüringen „die ältesten Spuren menschlicher Tätigkeit innerhalb Deutschlands" überhaupt feststellen können, wie MARTIN WÄHLER, Die Thüringer Bevölkerung, S. 5, sagt, so ist es doch richtig, daß wir hier in Thüringen eines der ältesten Siedlungsgebiete des Menschen vor uns haben, zurückgehend bis in das Diluvium, also die entlegenste Zeit, in der Menschen überhaupt nachweisbar sind.
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„Die frühgeschichtlichen Wohnflächen"1), so sehen wir folgendes Bild: Von einer Linie, die etwa durch die Punkte Wolfenbüttel, Helmstedt, Wolmirstedt bezeichnet werden kann, streckt sich ein breiter Streifen auch in der Frühzeit nicht bewaldeten (wenn natürlich auch nicht ganz baumlosen) Landes südwärts bis an den Harz heran, greift dann, bis an die Elbe und Mulde reichend2), ostwärts um den Harz herum und zieht sich südwärts bis in die Linie Altenburg—Zeitz—Naumburg—Querfurt. Der Höhenzug der Finne und der Hainleite trennt dieses große Gebiet von dem binnenthüringischen Becken, das den gleichen Charakter trägt, im Südwesten begrenzt durch die Linie Mühlhausen—Langensalza—Gotha—Arnstadt, von dort nordwärts nach Erfurt führend und von hier aus wieder westlich nach Weimar—Apolda. Alles andere ist in dieser frühgeschichtlichen Zeit überwiegend als dichter Wald anzunehmen, oder auch in den Flußtälern (besonders Unstrut- und Helmetal) als Sumpfland. Aber immerhin: derartig große zusammenhängende waldarme Flächen, die den frühzeitlichen Menschen direkt zur Besiedlung einluden, gibt es sonst in Deutschland nicht. „In der Größe dieser alten , Gefilde' steht Mitteldeutschland allen übrigen deutschen Landschaften weit voran: eine Tatsache von entscheidender Bedeutung für die gesamte Kulturentwicklung"3)4). Es handelt sich hierbei um Steppen oder steppenartige Böden, wie er nirgends sonst in Deutschland in einem ähnlichen großen 1) Karte 3 des „Mitteldeutschen Heimatatlas". Grundlegend hierfür im besonderen auch die Arbeiten von R O B E R T GRADMANN, Das mitteleuropäische Landschaftsbild in seiner geschichtlichen Entwicklung, „Geographische Zeitschrift", Bd. VII, 1901; Derselbe, Beziehungen zwischen Pflanzengeographie und Siedlungsgeschichte, ebenda, Bd. XII, 1 9 0 6 . Vgl. auch den Artikel von O . S C H L Ü T E R , Deutsches Siedlungswesen, in: Hoops Reallexikon, Bd. I, 1911, S. 403ff. 2) Das Erzgebirge und sein ganzes Vorland waren von Wald bedeckt und unbesiedelt; das gilt schon für die Jungsteinzeit und Bronzezeit. Vgl. dazu die Karten auf S. 125 und 3. 141 des Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, hrsg. von F R E N Z E L , R A D I G , R E C H E , Leipzig 1934. Vgl. auch KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR, Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 5 ff. 3 ) S C H L Ü T E R in der Erklärung zu der genannten Karte. 4) Neuerdings hat K A R L W Ü H R E R (Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, Jena 1935, S. 14ff.) nachgewiesen, daß auch in dem von ihm untersuchten Gebiet (d. h. also speziell Dänemark, Schweden und Norwegen) diese „Parklandschaften" zuerst besiedelt worden sind. Er nennt sie nicht „Gefilde", sondern weniger glücklich „Hainwälder" als Übersetzung des schwedischen „löfängar". Hinsichtlich der mitteldeutschen Verhältnisse vgl. auch noch R. GRADMANN in: Verhandlungen und wissenschaftl. Abhandlungen des 23. deutschen Geographentages zu Magdeburg 1929, Breslau 1930, S. 172 f. Vgl. auch E. W A H L E , Ostdeutschland in jungneolithischer Zeit (Mannus-Bibliothek. 15). Würzburg 1918, bes. S. 94ff. 1*
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zusammenhängenden Komplex angetroffen wird und ungefähr den besten Boden darstellt, den wir in Deutschland überhaupt haben1). Man darf sich nur nicht vorstellen, daß diese Gefilde ohne jeden Baumbestand waren; das nicht. Beherrschend waren hier aber größere und kleinere Lichtungen, zwischen denen es natürlich Haine usw. gab. Nun ist allerdings wohl nicht anzunehmen, daß diese „Gefilde" immer gleich ausgedehnt gewesen sind; und die erwähnte Karte des „Mitteldeutschen Heimatatlas", die von OTTO SCHLÜTER gezeichnet ist, gibt ja lediglich die Verhältnisse um 500 n. Chr. wieder. Nach den neueren Forschungen darf man es als ganz sicher betrachten, daß in der jüngeren Steinzeit und in der Bronzezeit ein besonders günstiges, d. h. trocken-warmes Klima geherrscht hat (Klimaoptimum), wodurch die Ausdehnung des Waldes eingeschränkt war; erst mit der Eisenzeit wurde es kühler und feuchter, und damals fand dann der Wald die Dichte und die Ausdehnung, die er in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung hatte, um dann wieder später durch die Neurodungen zurückgedrängt zu werden2). Mit diesem Gebiete haben wir es also bei unserer Untersuchung zu tun 8 ). 1 ) Vgl. dazu die von dem bekannten Bodenkundler H E R M A N N S T R E M M E entworfene „Bodenkarte Deutschlands", Verlag Justus Perthes, Gotha, die dies ganz deutlich zeigt. Vgl. H. S T R E M M E , Die Böden des Deutschen Reiches u. der Freien Stadt Danzig ( P E T E R M A N N S Mitteilungen, Erg.-Heft Nr. 2 2 6 ) , Gotha 1 9 3 6 . Die Übereinstimmung zwischen diesem Komplex besten Bodens und den mitteldeutschen „Gefilden" ist erstaunlich. Ähnliche Stellen bester Böden gibt es sonst in Deutschland nur im Rheingau und nördlich des Untermains, südöstlich von Stettin, Insel Fehmarn und gegenüberliegender Teil der Halbinsel (Wagriens), sowie einige noch kleinere Gebiete in Mittelschlesien, Westpreußen und Bayern. Aber alle sind erheblich geringeren Ausmaßes. 2 ) K Ö T Z S C H K E - K R E T Z S C H M A R , Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 1 9 ; PAUL GRIMM, Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung des Unterharzes, S. 127. Auf S. 128f. sagt er zusammenfassend: „In der jüngeren Steinzeit und der Bronzezeit ist der Harz bis zu einer gewissen Linie (etwa Grenze der Vereisung) besiedelt, im übrigen Teil leicht betretbar, also nur dünn bewaldet. Seit dem Klimasturz fehlen bis zur inneren Kolonisation jegliche Funde", — was beweist, wie sehr der Wald (Urwald) damals doch das menschliche Leben verdrängte.
3) Es soll damit nicht in Abrede gestellt werden, daß durch speziellere Untersuchungen, als sie hier möglich sind, die Grenzen dieses Gebietes da und dort eine Abänderung erfahren können; so halte ich es nicht für ausgeschlossen, daß die Gebiete westlich des Harzes oder auch noch einige weitere hessische Gebiete dazugerechnet werden können. Hier müßten Spezialarbeiten einsetzen. Zunächst mußte es einmal übernommen werden, das Kernland herauszuschälen und das ihm Typische herauszustellen; das ist j a auch die Vorbedingung für jede Spezialarbeit.
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B. Die Besiedlung des Landes. Vorbemerkung. Die Besiedlung unseres Gebietes erfolgte im Verlaufe einer Zeitspanne von rund 1 ]/2 Jahrtausenden, wenn wir von dem Zeitpunkt an rechnen, seitdem rein germanische Stämme dieses Gebiet betreten und es nach und nach in Besitz nehmen. Es ist nun nicht so, daß edle, die hier zuwanderten, in ihren Nachkommen ständig im Lande geblieben sind; ein Teil ist nach längerem oder kürzerem Aufenthalt wieder abgewandert, aber von allen Volksgruppen, die hier auftauchen, sind doch Anteile zurückgeblieben, die einen mehr oder weniger großen Prozentsatz der Gruppe ausmachten. Einzelne Volksgruppen sind in ihrer überwiegenden Mehrzahl hier sitzengeblieben und haben dann gemeinsam das thüringische Volk gebildet. Auf diese werden wir in erster Linie zu achten haben. W. ARNOLD1), dem die Ortsnamen-und Siedlungsgeschichte so viel zu danken hat, unterschied drei Perioden, allerdings unter dem Eindruck der historischen Bedingungen, die in Hessen gegeben waren. Die 1. Periode läßt er bis rund 400 n. Chr. reichen, d. h. bis zum Einbruch der Strömungen der großen Völkerwanderung2) in sein Gebiet. Die 2. Periode von dort bis ca. 800, also gerechnet bis zu den großen Siedlungsmaßnahmen unter KARL D. GR. Die 3. Periode umfaßt dann das 9.—12. Jahrhundert, also die Zeit des inneren Ausbaus. Diese Einteilung ist für unser Gebiet nicht ohne weiteres brauchbar. Einmal deswegen nicht, weil für seinen größten Teil die Völkerwanderung nicht von dieser einschneidenden Bedeutung war, da zwar Zuwanderungen stattfanden, aber ohne daß die ältere Bevölkerung vorher das Land geräumt hätte. Dafür 1) W I L H E L M A R N O L D , Ansiedlungen und Wanderungen deutscher Stämme, zumeist nach hessischen Ortsnamen, 2. Aufl., Marburg 1881. Dieser Einteilung haben sich dann W E R N E B U R G (Die Namen der Ortschaften und Wüstungen Thüringens, „Jahrbücher der kgl. Akademie gemeinnütziger Wissenschaften, Erfurt", N. F., Heft XII, 1884) und G. R E I S C H E L (Beiträge zur Ansiedlungskunde von Mittelthüringen, phil. Diss. Halle 1885) und viele andere angeschlossen. 2) Der Begriff der „Völkerwanderung", den A R N O L D verwendet, ist an sich durchaus veraltet. Das rein historische Ereignis von 375 hat durchaus nicht eine solche Bedeutung gehabt, wie man früher glaubte. Gerade unter der so notwendigen Berücksichtigung der prähistorischen Forschung müssen wir den Beginn der germanischen Völkerwanderung mit rd. 800 ansetzen, also mit dem Zeitpunkt, an dem die Germanen ihren Vormarsch nach Süden zu antraten; seitdem sind sie bis zum Ende der großen Ostsiedlung, und wenn man die Übersee-Siedlungen hinzurechnen will eigentlich bis zur Gegenwart, nicht völlig zur Ruhe gekommen.
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fällt aber als besonderes, einen Einschnitt bildendes Ereignis in das Jahr 531 der Untergang des alten Thüringerreiches und seine — zunächst allerdings nur lose — Eingliederung in das Frankenreich. Als weitere Besonderheit, die Berücksichtigung heischt, kommt hinzu das Eindringen von Slaven vom 7. Jahrhundert ab, das ein ganz anderes Volkstum hinzuführte und (auch im Zuge der deutschen Gegenbewegung) neue Probleme aufwarf. Diese beiden Momente veranlaßten O. SCHLÜTER 1 ), den wichtigsten Vertreter der speziell thüringischen Siedlungsforschung, eine andere Gliederung aufzustellen, in der er die 1. Periode mit dem Jahr 300, die 2. Periode mit dem Jahr 531 und die 3. Periode mit dem Jahr 800 endigen läßt; dann folgt die Periode der slavischen Zuwanderung (ab Mitte des 7. Jahrhunderts); die 5. Periode läßt er mit dem Jahr 1300 endigen, da in Thüringen der innere Ausbau erst ungefähr um diese Zeit endigte. Eine 6. Periode reicht von 1300 bis zur Gegenwart. Die Einteilung können wir im großen ganzen, aber doch mit einigen Abweichungen, übernehmen. Ein kurzer vorgeschichtlicher Rückblick wird angebracht sein, um das Bild abzurunden. Die 1. historische Periode beginnt dann mit der rein germanischen Zeit, also ca. 800—500 v. Chr. und endet etwa mit 200 n. Chr.2), d. h. vor der Zuwanderung der Angeln und Warnen. Die 2. Periode reicht von diesem Ereignis bis zum Untergang des alten Thüringerreiches (531). Ihr schließt sich die 3. Periode an, in deren Beendigung wir allerdings von SCHLÜTER abweichen müssen (s. unten). Die 4. Periode stellt keinen Zeitabschnitt dar, der sich zwischen die 3. und 5. Periode einschiebt, sondern wir fassen unter dieser Bezeichnung lediglich die Zuwanderungen dieses fremden (slavischen) Volkes auf den alten Volksboden zusammen, die neben den germanischen Siedlungen der 3. und 5. Periode stattfanden. Sicherlich lassen sich Bedenken gegen eine derartige Bezeichnung anmelden, aber sie hat sich nun einmal eingebürgert, und so mag es dabei bleiben. Man muß sich nur klar über den Inhalt dieser Bezeichnung sein. Die Gründe, die SCHLÜTER bewogen haben, die 5. Periode erst mit dem Jahre 1300 endigen zu lassen, statt mit 1200 wie ARNOLD, gelten auch für das gesamte hier untersuchte Gebiet, und so können wir diese Abgrenzung übernehmen. Dagegen müssen wir — und das ist die obenerwähnte Abweichung — den Beginn dieser 5. Periode auf einen früheren Zeitpunkt verlegen, etwa 750. Der Grund dafür ist einmal darin zu suchen, daß mit der Mitte des 1) O. SCHLÜTER, Die Siedelungen im nordöstlichen Thüringen, S. 144. 2) Nach den neuesten Fundergebnissen richtiger als 300.
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8. Jahrhunderts der innere Ausbau des Landes schon voll einsetzt, womit die Siedlungsmaßnahmen einen ganz anderen Charakter bekommen (s. unten S. 71 ff.), und darin liegt ja auch das Merkmal, das SCHLÜTER aufstellt1). Weiterhin beginnt schon um die gleiche Zeit ein strafferes Regiment des fränkischen Königs in Thüringen. Nach Herzog H E D E N S I I . Tod (717)2) ist der Herzogsstuhl verwaist geblieben; die Grafenverfassung dürfte jetzt eingeführt sein, wenn zunächst auch wohl noch in wenig straffer Form 8 ). Ferner fällt in diese Zeit der Beginn der Christianisierung; 741 wird (wenn auch nur für vorübergehend) durch BONIFATIUS das Bistum Erfurt errichtet4), 736 bzw. ca. 768 wird Hersfeld5), 744 Fulda 6 ) gegründet, die bald in Thüringen reichen Besitz erwarben und hier roden und siedeln ließen. Erst P I P P I N und dann K A R L haben wieder eine stärkere Herrschergewalt ausgeübt, was gleichfalls einen Einschnitt in der Mitte des 8. Jahrhunderts bedeutet7), zumal dadurch der Höhepunkt der Slavengefahr überwunden wurde und es daher hier im Grenzgebiet, einiger Rückschläge ungeachtet, wieder voranging. So nehmen wir also die Mitte des 8. Jahrhunderts als Einschnitt an, müssen uns nur darüber klar sein, daß jahrzehntelang die 3. und 5. Periode ineinander übergehen und die 4. Periode sich mit der 3. und 5. Periode überschneidet. Erst diese 5. Periode stellt die Einheit zwischen den alten „Gefilden" und den gewaltigen Waldflächen her, eben durch die Rodung der letzteren, soweit sie dafür überhaupt in Frage kamen. Die 6. Periode bildet „lediglich ein kleines Anhängsel ohne Bedeutung" 8 ), auf die wir hier gar nicht eingehen werden. Diese ganzen Einteilungen gehen vorwiegend von den Namensformen aus, d. h. es wird festgestellt, welche Namensbildungen einer bestimmten Zeit vorwiegend eigentümlich sind, und danach wird dann die Gesamtheit der Siedlungen gruppiert, sofern nicht bestimmte spezielle Gründe gegen eine solche Einordnung eines bestimmten Ortes sprechen. Wir müssen uns über das Bedingte einer 1) S C H L Ü T E R ist sich Übrigens über diesen Tatbestand auch klar (a. a. O . , S. 200). 2) E r fiel samt seinem Sohn Thüring (Tiring) in der Schlacht bei Vincy. 3) Vgl. dazu unten S. 88 f. — 4) Vgl. unten S. 180ff. 5 ) P H I L I P P H A F N E R , Die Reichsabtei Hersfeld bis zur Mitte des 1 3 . Jahrhunderts, 2. Aufl. (Veröff. d. Hersfelder Geschichtsvereins, Heft 2.) Hersfeld 1936. (Vgl. unten S. 172 ff.) 6) G E G E N B A U R , Das Kloster Fulda, 2 Bde., 1871-1874. (Vgl. unten S. 176 ff.) 7) Womit die Tatkraft, die schon K A R L M A R T E L L entfaltete, in keiner Weise übersehen sein soll. 8)
O.
SCHLÜTER,
a.
a.
O.,
S.
145.
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solchen Methode — allerdings der einzigen, die wir bisher haben — klar sein. Man kann von hier aus natürlich nur zu allgemeinen Entscheidungen kommen. Es ist nie gesagt, daß ein Ort, der beispielsweise nach seiner Namensform der 3. Periode angehört, auch tatsächlich in dieser gegründet worden ist; er kann etwa auch in die 5. Periode fallen. Gerade zwischen diesen beiden Perioden bestehen manche Gemeinsamkeiten und Übergänge1). Aber es kann uns hier ja auch nur auf die große Linie ankommen. Mit der Datierung der Begründung eines bestimmten Ortes kann sich nur die heimatgeschichtliche Spezialforschung befassen.
I. Vorgeschichtlicher Rückblick. Ehe wir uns diesen historischen Siedlungsperioden zuwenden, mag ein ganz kurzer vorgeschichtlicher Rückblick das Bild abrunden. Schon vor dem Ausgang des Eiszeitalters sind die Spuren der menschlichen Besiedlung in unserem Gebiet nachweisbar, also in der Altsteinzeit (Paläolithikum). Im Orlagau usw. sowie im späteren Sachsen (bes. Markkleeberg) hat man wichtige Funde gemacht, aber alle diese werden übertroffen durch die berühmten Funde im mittelthüringischen Becken: Taubach und namentlich Ehringsdorf bei Weimar. Da der bei Ehringsdorf gefundene Mensch älter ist als sogar der Neandertaler (höchstens mit Ausnahme des in der Datierung umstrittenen homo mousteriensis), aber nach der Schädelform und den gemachten Werkzeugfunden eine höhere Kultur aufweist, als die späteren Menschen, hat man den Schluß gezogen, daß der klassische homo primigenius der letzten Eiszeit eine primitive Reliktform darstellt (WIEGERS, WEIDENREICH, SCHUSTER)2). Für unsere Zwecke genügt hier der Nachweis, daß in dem Kerngebiet Mitteldeutschlands vielleicht der älteste Mensch auf deutschem Boden überhaupt, und zwar mit verhältnismäßig hoher Kultur, nachzuweisen ist. In der jüngeren Steinzeit nehmen dann die Funde zu; durch unser ganzes Gebiet hin, soweit der Wald eine Besiedlung erlaubte, treffen wir sie an. Die von W. SCHULZ gezeichnete Karte 5 des 1) Vgl. auch ebenda, S. 149. KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR, Sächsische Geschichte, Bd. I , S . 1 3 ; H . V I R CHOW, Die menschlichen Skelettreste aus dem Kämpfeschen Bruch im Travertin von Ehringsdorf bei Weimar, Jena 1 9 2 0 ; F . W I E G E R S , F . W E I D E N R E I C H , E. SCHUSTER, Der Schädelfund von Weimar-Ehringsdorf, die Geologie der Kalktuffe von Weimar, die Morphologie des Schädels, die altsteinzeitliche Kultur des Ehringsdorfer Menschen. Jena 1924. 2)
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„Mitteldeutschen Heimatatlas" gibt alle wichtigen Funde wieder. Sie zeigt eine recht starke Besiedlungsdichte. Da das damals herrschende „Klimaoptimum" günstigere Möglichkeiten bot, greifen diese Besiedlungen da und dort über die Grenzen der alten „Gefilde" hinüber, aber in auffallend großem Ausmaße liegen sie innerhalb dieser Grenzen 1 ). Die Nordische Kultur mit ihrem Walternienburg-Bernburger Zweig dringt von ihrem nördlich und östlich des Harzes gelegenen Hauptverbreitungsgebiet mit vereinzelten Fundstätten bis in das innerthüringische Becken vor, wenn diese Verbreitung im allgemeinen auch zwischen Harz und Saale seinen Abschluß findet 2 ), und von Nordwesten her stoßen die Ausläufer der Steinzeitkultur nach hier vor. Beherrscht wird Thüringen jedoch in dieser Periode weitgehend von der sächsisch-thüringischen Kultur der Schnurkeramik. Aber daneben sind andere Kulturen von großer Wichtigkeit, die im besonderen für Thüringen ein äußerst kompliziertes Gemisch mit allen erdenklichen Übergangs- und Mischformen erzeugten. Die sonst mehr im Osten beheimatete, von den meisten Forschern als nichtindogermanisch angesehene, in Sachsen vorherrschende Kultur der Bandkeramik hat auch in Thüringen eine große Bedeutung erlangt 3 ); in seinem Ostteil treffen wir ferner auf die mit ihr in noch nicht näher geklärtem Zusammenhange stehende, durch bemalte Keramik gekennzeichnete östliche neolithische Kultur. Vom Süden her kommen Vertreter der Glockenbecherkultur (gekennzeichnet durch 1 ) Vgl. auch die Fundkarte bei F. K . R . H O L T E R , Das Gräberfeld bei Obermöllern aus der Zeit des alten Thüringen, in: ,,Jahresschr. f. d. Vorgeschichte d. sächsisch-thüring. Länder", Bd. XII, Heft 1, Halle 1925, S. 3. Vgl. für diese Funde neben der Spezialliteratur das s. Zt. grundlegende, heute natürlich in allen Einzelheiten überholte Werk von G O E T Z E - H Ö F E R - Z S C H I E C H E , Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens, Würzburg 1909, ebenso die „Bau- und Kunstdenkmäler" in ihren historischen Abschnitten. Ferner: G U S T A V E I C H H O R N , Tafeln zur Vor- und Frühgeschichte Thüringens, Jena 1910; F R E N Z E L - R A D I G - R E C H E , Grundriß der Urgeschichte Sachsens, Leipzig 1934; H E R M A N N M U C H A U , Das 4000jährige Alter des Volkes der Hermunduringer (Thüringer). Prähistorische und sprachwissenschaftliche Forschungen über die Urzeit Thüringens, Jena 1910 (mit Kritik zu benutzen); J O H . L E I P O L D T , a. a. O., S. 70f.; die einschlägigen Kapitel bei C A R L S C H U C H H A R D T , Vorgeschichte von Deutschland, 3. Aufl., München 1935, und von E B E R T S Reallexikon.
2) Vgl. hierzu auch P A U L G R I M M , a. a. O., S. 14ff. 3 ) Vgl. auch A L F R E D H E N N I G , Boden und Siedelungen im Königreich Sachsen (Bibliothek der sächsichen Geschichte und Landeskunde, III. Bd., 2. Heft), Leipzig 1 9 1 2 , S. 6 1 f. H E I N R I C H B Ü T S C H K O W , Die bandkeramischen Stilarten Mitteldeutschlands (Jahresschr. f. d. Vorgeschichte der sächs.-thür. Länder, Bd. XXIII), Halle 1935.
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ihre Kunstfertigkeit in der Metallverarbeitung) über den Thüringer Wald hinüber und hinterlassen gleichfalls ihre Spuren, so das Bild noch mannigfaltiger gestaltend. Nach den Funden bestand das Bandkeramikvolk aus Bodenbauern, das Schnurkeramikvolk aus Jägern, Viehzüchtern und Fischern1). Darauf näher einzugehen würde hier zu weit führen2). Es kam nur darauf an, zu zeigen, daß hier — neben weiten, kaum bewohnten Wäldern — schon in dieser Zeit (3. vorchristliches Jahrtausend) eine relativ dichte und wechselnde Bevölkerung nachzuweisen ist, die aber mit der heutigen in keiner Weise im direkten Zusammenhang steht. Mit Ausgang der jüngeren Steinzeit verschwindet das Volk der Bandkeramik spurlos, „wobei wir nicht wissen, ob es seine Eigenkultur verloren hat oder abwanderte"3). Die Walternienburg-Bernburger Kultur fand besonders noch im Unstrutgebiet Verbreitung, verliert dann aber mit Ausgang der älteren Bronzezeit ihre einstige Bedeutung. Es folgt eine längere Periode geringerer Entwicklung, wahrscheinlich bei niedrigerem Bevölkerungsstand und wechselnden Beeinflussungen und Zuwanderungen von fast allen Seiten her, bis sich eine neue Kultur herausbildet, die Kultur der Bronzezeit in ihrem Aunjetitzer Zweig. Die alten Kulturen haben sich aufgelöst, aber ,,in demselben Maße, wie die wesentlichen Formen der einzelnen Kulturkreise verblassen, rücken diese selbst einander näher, überschneiden und verflechten sich. Dann fallen sie in einem wenig ausgeprägten Mischkomplex zusammen und verschmelzen endlich zur Aunjetitzer Kultur" 4 ). Parallel zu dieser Vermischung der Kulturelemente, oder vielleicht auch diese bedingend, müssen wir eine Vermischung der so verschiedenfachen Bevölkerungselemente annehmen5). Die Bevölkerungsentwicklung der Bronzezeit wird dadurch charakterisiert, daß wir neben den Illyriern, die wir vornehmlich im 1)
FRENZEL-RADIG-RECHE,
Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 130f.;
KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR, a . a . O., B d . I, S . 1 5 ; A L F R E D HENNIG, a . a . O . ,
S . 6 1 ff.
u. S. 79f. 2 ) Vgl. darüber W A L T H E R SCHULZ, Geschichte der Bevölkerung Mitteldeutschlands, a. a. O., S. 19ff. 3) Ebenda, S. 20; ähnlich P A U L GRIMM, a. a. O., S. 40. 4) G . N E U M A N N , Weimer in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, in: „Das Thüringer Fähnlein", 3. Jahrg., 1934, Heft 2, S. 12. Der Name ist von dem Dorfe Aunjetitz in Böhmen abgeleitet. 5) Interessant sind besonders die Glockenbecherleute, nicht nur, weil sie im Gegensatz zu dem sonstigen Hauptstrom von Süden nach Norden vorgedrungen sind und wohl die ersten Metallverarbeiter waren, sondern auch infolge ihres ausgesprochen dinarischen Rassetyps, wie im Jenaer Germanischen Museum aufbewahrte Skelettfunde ganz deutlich zeigen.
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Osten finden, die aber auch über die Saale hinüber in das thüringische Zentralbecken eingedrungen sind, die Kelten antreffen, die von Süden her, ohne die Reste der Illyrier zu verdrängen, nach Thüringen vorrücken, ostwärts zu aber nicht über den Orlagau hinaus vordringen 1 ). Auf diese keltisch-illyrische Bevölkerung stießen die Germanen 2 ), als sie von Norden her sowohl im Elbtal wie im Gebiet der Mulde sowie (wohl weniger dicht) in dem der Saale, dann aber auch östlich des Harzes vorbei nach Innerthüringen vordrangen 8 ). Das heutige Ostthüringen lag gewissermaßen im toten Winkel und blieb längere Zeit noch recht dünn bevölkert. Die illyrische Bevölkerung im Osten wurde, den Funden nach zu schließen, ziemlich schnell überwältigt, während die Kelten in Thüringen sich länger hielten 4 ). Im besonderen die Unstrutlinie (oder vielmehr der Bergkette der Finne, Schmücke usw.) bildete wohl längere Zeit hindurch ein verhältnismäßig zähe verteidigtes Hindernis. Aber gegen 500 n. Chr. sind Germanen eindeutig an der Unstrut und gegen 400 ebenso an der Finne nachzuweisen 6 ). Im südlichen Thüringen verschwindet die keltische Eigenkultur um Christi Geburt herum 6 ). War dieser Streifen doch insofern besonders geschützt, als die Vorstöße der Germanen von Mitteldeutschland aus zunächst in südwestlicher und nicht in direkt südlicher Richtung erfolgten. In unserem ganzen Gebiet lassen sich noch lange keltische Einflüsse nachweisen, wenn auch in unterschiedlicher Stärke 7 ). Man muß dabei an eine Volksvermischung 1) A L F R E D M I R T S C H I N , Germanen in Sachsen, im besonderen im nordsächsischen Elbgebiet während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, Riesa 1933, S. 189 f. 2) Als germanisch anzusprechende Bevölkerungsgruppen sind schon vorher möglicherweise in unserem Gebiet vertreten gewesen, aber erst jetzt ist dies sicher; auf die Vermutungen über die etwaige Zugehörigkeit früherer Volksgruppen zu den Germanen können wir hier nicht eingehen (vgl. P . GRIMM, a. a. O . , S . 92f.). Als indogermanisch darf man aber jedenfalls schon die Träger der steinzeitlichen Kultur betrachten, ebenso alle ihre Nachfolger, vielleicht mit Ausnahme der Bandkeramiker. 3) R . KÖTZSCHKE in: K Ö T Z S C H K E - K R E T Z S C H M A R , Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 19; F R E N Z E L - R A D I G - R E C H E , Grundriß, S. 146f.; P A U L GRIMM, a. a. O., S. 93 u. S. 99 f. 4 ) Auch im Eichsfeld saßen Kelten; vgl. K. H E N T R I C H , a. a. O . , S . 106ff. 5)
L . NAUMANN,
a. a. O.,
S. 54.
6) P A U L R E I N E C K E , Die kaiserzeitlichen Germanenfunde, aus dem bayrischen Anteil an der Germania Magna. 23. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission, 1934, S. 150. 7) W .
a. a. O.,
S.
SCHULZ, a . a . O . ,
18.
S. 2 3 ; P .
GRIMM, a . a . O . ,
S. 100;
P.
REINECKE,
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12
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denken. Besonders stark war die Position der Kelten im Obermaingebiet1). Hier knüpfen wir nunmehr mit der Schilderung der 1. Periode an.
II. Die historischen Siedlungsperioden. 1. Die 1. Periode (bis rund 200 n. Chr.). Wenn die 1. Siedlungsperiode hier mit rd. 200 begrenzt wird, so ist diese Zahl als solche ziemlich willkürlich; sie soll lediglich besagen: vor Einwanderung der Angeln und Warnen, von denen die ersten wohl schon im 3. Jahrhundert, die letzteren im 4. Jahrhundert gekommen sind. Diese ganze Zeit ist noch wenig klar; es liegt „noch ein schwer aufhellbares Dunkel über dem Lande; allzufern war es dem Gesichtskreis der Wissenden, die damals über Geschichte und Völkerkunde Aufzeichnungen hinterließen"2). Versuchen wir, wenigstens einige Umrisse aufzuzeichnen. Die germanische Völkerschaft, die wir nun in unserem Gebiet und dort in den ja vorwiegend noch allein besiedelten „Gefilden" antreffen, gehören der der suebisch-herminonischen Gruppe an. Näheres steht nicht eindeutig fest. Es wäre denkbar, daß es die später als „Markomannen" bezeichneten Teile dieses weitverzweigten Stammes waren, wie z. B. STUHLFAUTH annimmt, die sich dann von Südthüringen (Maingebiet), das sie im 1. vorchristlichen Jahrhundert erreichten, aus, um der Bedrohung durch DRUSUS ZU entgehen, in das von den keltischen Boiern verlassene Böhmen zogen (8 und 9 v. Chr.)8). Es könnte so sein, sicher ist es nicht. Nach den archäologischen Funden zu urteilen, gehen in diesem ersten vorchristlichen Jahrhundert in Thüringen noch mehrere Strömungen durcheinander und nebeneinander her, die dem Lande immer neue Herrenschichten zuführen: Sueben — eben vielleicht Markomannen— lassen sich nachweisen, ebenso Vandalen4). Unter diesen Herrenschichten „ist die Kultur der älteren Bevölkerung nicht mehr festzustellen"5). Nach der Ansicht, die STUHLFAUTH vertritt, sind die 1) So S T U H L F A U T H , a. a. O., S. 5f. E r gibt S. 6f. eine Aufstellung von keltischen Fluß-, Wald-, Orts- usw. -Namen, die sich bis in die Gegenwart hinein behauptet haben. 2 ) R U D O L F K Ö T Z S C H K E , Thüringen in der deutschen Siedlungsgeschichte, in der Festschrift Armin Tille zum 60. Geburtstag, Weimar 1930, S. 4. Eine ziemlich ausführliche Anführung aller Quellen findet sich bei H. W. L I P P E R T , Beiträge zur ältesten Geschichte der Thüringer, „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", Bd. X I und Bd. XII, 1883, 1884. 3)
STUHLFAUTH,
a. a.
O.,
S. 5 .
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4)
W.
SCHULZ, a . a . O . ,
S. 2 3 f.
5) Ebenda, S. 24; jedenfalls lassen sich nur ungewisse Spuren nachweisen.
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Hermunduren erst kurz nach Christi Geburt (20), als die suebischen Markomannen nach Böhmen abgewandert waren, in die Lande zwischen Elbe, Saale und Obermain eingedrungen1). Das würde sich mit der Nachricht des STRABO decken, die dahin geht, daß die Langobarden und Hermunduren sich um das Jahr 5. n Chr. in die Länder jenseits der Saale (also ostwärts) zurückgezogen hätten 2 ). Auch die archäologischen Funde zeigen, daß in dem 1. und 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung die thüringischen Gebiete erheblich weniger dicht bevölkert gewesen sein müssen8), während sich im Osten das große Hermundurenreich ausbreitete, besonders machtvoll nach dem Kampfe zwischen HERMANN dem Cherusker und MARBOD, der, so traurig das Ende dieser beiden Führer und der von ihnen begründeten Staatsgebilde war, den Hermunduren die Befreiung von der Oberherrschaft des MARBOD brachte. „Nach dem Ausgang dieser Kämpfe stieg die Macht der Hermunduren zu großer Höhe empor; es war eine der seltenen Zeiten, in der einmal von diesem Raum der germanischen Mitte aus handelnd in die große Geschichte eingegriffen worden ist"; weit nach Böhmen und Mähren hinein reichte der Einfluß der Hermunduren, im besonderen unter ihrem König WIBILO(VIBELIUS)4). Etwa von der Mitte des 2. Jahrhunderts ab tritt uns dann das Gebiet westlich der Saale wieder als besonders fundreich entgegen; hier muß jetzt die Bevölkerung offensichtlich wieder erstarkt sein, während das Gebiet südlich des Waldes eine irgendwie in Betracht kommende stärkere hermundurische Besiedlung nicht erkennen läßt. Hier entspinnt sich nun der alte, fast „berühmt" gewordene Streit, welcher Volksstamm in Thüringen nördlich des Waldes vorgeherrscht habe, ob auch die Hermunduren oder die Cherusker. Wir können hier nicht darauf eingehen; es sei lediglich gesagt, daß die Mehrzahl der Forscher sich heute für die Hermunduren entschieden hat 5 ) (wohl nicht zuletzt auch auf Grund der Bodenfunde). Sie mögen nicht sehr dicht gesessen haben, so daß später die Angeln und Warnen bei ihrer Zuwanderung Raum fanden, ohne die angetroffene Urbevölkerung verdrängen zu müssen. 1) STUHLFAUTH, a. a. O., S. 8, unter Berufung auf VELBJIUSPATERCULUS, II, 106. 2 ) P A U L GRIMM, a . a . O . , S . 1 0 2 . — 3 )
Ebenda.
4) KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR, Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 21. 5) Eine zusammenfassende, ganz gute Darstellung bei MARTIN WÄHLER, a. a. O., S. 13ff. E r entscheidet sich für Cherusker; die Hermunduren saßen nach ihm nur im Süden und Osten. Auch ROTTSTÄDT spricht sich a. a. O., S. 6, für Cherusker aus. W . SCHULZ läßt die Hermunduren in ganz Thüringen siedeln, ebenso RUD. KÖTZSCHKS, Thüringen in der deutschen Siedlungsgeschichte, a. a. O., S. 4.
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Bekannt ist ja die Schilderung, die TACITUS im 41. Kapitel seiner „Germania" von den Hermunduren und ihrem Handelsverkehr in den Grenzstädten an der Donau gibt, frei von aller Aufsicht und in vollem Frieden. Und die große Zahl der römischen Funde in Thüringen beweist die Lebhaftigkeit dieses Austausches. Daraus wird man aber nicht ableiten dürfen, wie das geschehen ist, daß das Hermundurenreich bis an dife Donau reichte. Das Maingebiet gehörte wohl unbestritten zu ihrem Reich; südlich von ihnen wohnten die Varisten (Naristen)1). Aber nach deren Abzug scheint sich ihr Herrschaftsgebiet bis an den rätischen Limes (Teufelsmauer) erstreckt zu haben2), wenn wir wohl auch dieses südliche Gebiet, in das dann später die nordbayrische Kolonisation sich erstreckte (Oberpfalz), uns bei dem Fehlen germanischer Funde nur sehr spärlich besiedelt vorzustellen haben. Nach den Markomannenkriegen (Mitte des 2. Jahrhunderts) drangen die stammverwandten Alemannen hier ein, von wo aus sie nach Südwesten in ihre endgültigen Wohnsitze abzogen. Aber bis zum Main hin werden die Hermunduren sich wohl behauptet haben3). Allerdings nicht ungestört. So saßen hier von der Mitte des 3. Jahrhunderts bis gegen 400 die Burgunder, bevor sie nach Westen zogen, um ihr durch die Sage berühmt gewordenes Reich am Rhein zu gründen. Die Verteilung zwischen Waldland (Urwald) und bewohnter Flur hat sich in diesem ganzen Zeitraum nicht geändert. Betrachten wir die von W. SCHULZ gezeichnete Karte des „Mitteldeutschen Heimatatlas", die die germanischen Funde der vier ersten christlichen Jahrhunderte aufzeigt so tritt das ganz deutlich in Erscheinung. Die Siedlungen liegen im großen ganzen immer noch in den alten „Gefilden". Als so gut wie unbesiedelt sind anzunehmen insonderheit die Waldgebiete: Harz, Hainleite, Finne, Thüringer Wald mit seinem Vorland im Norden wie im Süden, ferner der Frankenwald und die großen Waldungen im Obermaingebiet. Als praktisch unbesiedelt — ausgenommen die Flußtäler — haben zu gelten die Waldgebiete westlich und südwestlich des Thüringer Waldes, namentlich der große Buchenwald bis zur Rhön hin, Eichsfeld, Hainich usw. 1)
TACITUS,
Germania, Kap. 42.
2) P . R E I N E C K E , a . a . O . , S . 1 7 f . ; STUHLFAUTH, a . a . O . , S . 9 .
3) S T U H L F A U T H , a. a. O., S. 14. Die Unklarheit über diese Zustände ist neben dem Mangel schriftlicher Überlieferungen auch auf die Dürftigkeit der Bodenfunde zurückzuführen. Erst 1931 gelang es, bei Baldersheim (Bezirksamt Ochsenfurth) eine größere Siedlung aus der Zeit um 200 aufzudecken. Vgl. ebenda, S. 10, mit näheren Literaturangaben.
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SCHLÜTER unterscheidet in dieser ersten Periode zwei Gruppen von Siedlungen, und man wird ihm hierin unbedenklich folgen können1). Zu der ersteren gehören die ganz alten Ortsnamen mit den Grundwörtern affa, aha, lar, loh, mar und tar. „Alle diese Wörter sind in der sonstigen Sprache längst ausgestorben; . . . sie bezeichnen fast immer einen Gegenstand der Natur (Baum usw.) oder, was häufiger ist, irgendeine örtlichkeit; sehr selten deuten sie durch Verwendung eines Personennamens ein Besitzverhältnis an. Die Orte liegen meistens auf gutem Ackerboden" 2 ). Hierher gehören Ortschaften wie Tilleda, Artern, Kelbra, Wiehe, Roßla, Bucha, Bachra, Großmonra, Badra, Gonna, vielleicht auch Bibra und Burgheßler, Sulza usw. in den nordöstlichen Gebieten Thüringens, ferner Orte wie Gotha, Kölleda, Sömmerda usw. in dem binnenthüringischen Becken, Buchholz und Hasel im Schwarzburgischen3), Vacha und Geisa im Werragebiet, Frohnlach im Koburgischen4), um einige Beispiele zu nennen. Die zweite von SCHLÜTER unterschiedene Gruppe sind die Namen auf -stedt, denen er — im Gegensatz zu anderen Forschern — weitgehend auch ein so hohes Alter zubilligen möchte. Es ist aus historisch geklärterer Zeit, nach der Zuwanderung der Angeln und Warnen, nichts bekannt von einem so beträchtlichen Zuzug von Volksgruppen, die mit dieser Endung in Zusammenhang gebracht werden könnten. Und dem Ausmaße dieser über das ganze sächsischthüringische Gebiet verbreiteten Endung entsprechend müßte diese weitaus bedeutender gewesen sein, als jede Zuwanderung vor- und nachher, wenn man nicht, wofür vieles spricht, die Endung -stedt für gemeingermanisch ansehen will. Es bleibt aber kaum etwas anderes übrig, als diese Endung schon auf die Siedlungen dieser frühen Bevölkerung zu beziehen5). Diese Endung, die einfach Stätte bezeichnet (im Sinne von Wohnstatt), kommt vor in Verbindung mit Personennamen, Lokalbezeichnungen usw.6). Allstedt, Auerstedt, Wolferstedt, Voigstedt, Eichstedt, Gebstedt, Städten, Gernstedt im nordöstlichen Teil, Arnstadt, Tennstedt, Buttelstedt, Buttstädt, Umpferstedt im binnenthüringischen Becken sind Beispiele dafür. 1) O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 145ff u. S. 168ff. — 2) Ebenda, S. 142. 3) JOSEPH SEMPERT, Die Siedelungen in der Oberherrschaft von Schwarzburg-Rudolstadt, S. 53. 4) F. RIEMANN, Koburger Ortsnamen und ihre Bedeutung für die Geschichte der Landeskultur, in „Heimatblätter aus den Koburg-Gothaischen Landen", zitiert bei H . MUCHAU, a. a. O.,
S . 168, 170.
5) O . SCHLÜTER, a . a . O . , S . 182. —
6)
Ebenda,
S.
147.
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Diese der ältesten Siedlungsperiode zuzurechnenden Siedlungen beider Untergruppen liegen in den alten „Gefilden", dann aber auch in den ähnlich günstigen Tälern der Werra und ihrer Nebenflüsse, der Leine, der fränkischen Saale und der Milz und natürlich auch an der thüringischen Saale, der Wipper und Helme1). Orte aus dieser Periode befinden sich daneben auch in gewisser Anzahl in den Waldgebieten des Eichsfeldsa). Diese ältesten Siedlungen alle sind also einigermaßen über das ganze Gebiet hin verstreut, einschließlich des Südens und Westens8). Auffallend ist, worauf schon öfter hingewiesen wurde4), daß von den ältesten Siedlungen nur ein relativ geringer Prozentsatz wieder wüst geworden ist, was man wohl damit erklären kann, daß sie die günstigsten Plätze besetzten. Bei einer großen Anzahl von Orten gewinnt man den Eindruck, daß sie doch wohl vorbedacht in die Nähe der großen Waldungen gerückt sind. Wald und Wasser sind damals ja besonders dringend erforderliche Lebensnotwendigkeiten gewesen. Auffallend ist im besonderen die Leere der weiten Gebiete nördlich des Ettersberges, was sich übrigens mit der geringen Anzahl der Funde in dieser Gegend und zu dieser Zeit deckt5). 2. Die 2. Periode (rund 200 bis 531). Die entscheidende Tatsache, die dieser Periode geradezu ihr Gepräge gibt, ist die Zuwanderung der Angeln und Warnen, — wenn es tatsächlich Angeln und Warnen waren, die damals in unser Gebiet zuwanderten! Mit diesem Zusatz ist der Zweifel zum Ausdruck gebracht, der zum mindesten hinsichtlich der Angeln nicht ganz von 1) Vgl. dazu die Karte 9 des „Mitteldeutschen Heimatatlas", bearbeitet von J. W Ü T S C H K E . Eine solche, mit aller Sorgfalt und unter Berücksichtigung der neuesten Forschungen bearbeitete Karte vermag einen deutlicheren Überblick zu geben, als jede Beschreibung das vermag. Daß in dieser Zeit schon auf die Waldgebiete übergegriffen wird (sicher dort, wo sie relativ leicht zugänglich waren), ist kein überraschender Einzelfall; auch K. W Ü H R E R hat a. a. O., S. 130, feststellen können, daß „am Ende der Bronzezeit und während der Eisenzeit ein Übergreifen der Besiedlung auf die Wälder" stattfand, „die man jetzt zu roden begann" (gültig für den germanischen Norden). 2 ) J O H . M Ü L L E R , a. a. O., S. 7 . Er nimmt mit triftigen Gründen an, daß die Waldungen des Eichsfeldes auch in älterer Zeit durch Lichtungen usw. aufgelockert waren, also nicht den Charakter eines undurchdringlichen Urwaldes trugen (a. a. O., S. 10 f.). 3)
O.
SCHLÜTER, a. a. O . ,
S.
199.
4) Zum Beispiel G. R E I S C H E L , a. a. O., S. 16. 5) Karte 8 des „Mitteldeutschen Heimatatlas".
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der Hand zu weisen ist. Die Ansicht, daß es sich um diese beiden Völkerschaften oder jedenfalls Teilgruppen dieser Stämme gehandelt hat, beruht in erster Linie auf Ergebnissen der Ortsnamenforschung, jedenfalls was die Angeln anbelangt. Für die Warnen kommt die spätere Erwähnung in historischen Quellen ergänzend hinzu, so daß wir zum mindesten für den Nordosten unseres Gebietes und das daran angrenzende Gebiet östlich der Saale wohl sicher mit dem Vorhandensein dieses Volksstammes rechnen können (Werinofeld; vgl. auch sonst unten S. 22). Hinsichtlich der Angeln sehen wir nicht so klar, und Ortsnamen allein sind kein hinreichender Beweis für das Volkstum derer, die dort siedeln, wo diese Namen gehäuft vorkommen, denn die Wahl dieser Namen kann oft auch mit von außen her wirkenden, rein kulturellen oder verkehrsmäßigen Momenten zusammenhängen. Eines nur steht unbedingt fest: Auf Grund der archäologischen Forschungen haben wir mit der Tatsache einer zweifachen Zuwanderung aus dem Norden oder Nordosten zu rechnen. Die herrschende Ansicht sieht aber in diesen beiden Völkern die Angeln und die Warnen, und wir schließen uns ihr, wenn auch hinsichtlich der ersteren mit einem leisen Vorbehalt, an, der da und dort noch zum Ausdruck kommen wird. SCHLÜTER1) hat noch gemeint, daß die Zuwanderung dieser beiden Völker ungefähr gleichzeitig erfolgt sei. Das stimmt, wie gesagt, nicht mit den Ergebnissen zusammen, zu der die „Spatenwissenschaft" in den letzten Jahren gekommen ist, und ebenso sprechen siedlungskundliche Feststellungen dagegen. Ein so guter Kenner der mitteldeutschen Frühgeschichte wie W. SCHULZ sagt: „Im Saalegebiet tritt am Ende des 3. Jahrhunderts eine neue Germanengruppe mit ostgermanischen Beziehungen auf, die gegenüber der altüberlieferten Brandbestattung ihre Toten, z. T. mit reicher Geschirr- und Schmuckausstattung, beerdigten"2). Im Laufe des 4. Jahrhunderts ist ein Großteil dieser Gruppe wieder abgewandert und nach dem deutschen Südwesten gelangt, wo er in dem Volkstum der Alemannen, die inzwischen hierher gezogen waren, aufging. Mit dem Ende des 4. Jahrhunderts folgte dann eine neue nord1) O T T O
SCHLÜTER, a . a. O . ,
S. 147f.,
180.
2) W . SCHULZ in der Texterklärung zu der Karte 8 des „Mitteldeutschen Heimatatlas". An anderer Stelle sagt er ähnlich, daß die Bodenfunde reich ausgestattete Gräber zeigen, in denen den Toten Luxusgegenstände mitgegeben waren (keine Waffen), die von einer reichen, mehr höfischen als kriegerischen Herrenschicht zeugen ( W . SCHULZ, Geschichte der Bevölkerung Mitteldeutschlands, a. a. O., S. 25). L ü t g e, Agrarverfassung.
2
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deutsche Einwanderungswelle von der Altmark her 1 ). „Es bildet sich nun im 5. Jahrhundert eine einheitliche Herrenkultur heraus, die von Thüringen bis zum Ohregebiet reicht, die Kultur der Thüringer" 2). Mit jenem ersteren suebischen Stamm wurde früher üblicherweise die Gruppe der Siedlungen auf -ingen (-ing, -ungen) in Verbindung gebracht 3 ). O. S C H L Ü T E R hat gewisse Bedenken dagegen angemeldet, hält aber doch an dieser Auslegung als der mit „hoher Wahrscheinlichkeit" richtigen fest 4 ). Gehören den Angeln die Orte auf -ingen, so gehören die auf -leben — denn das sind die beiden Endungen, die für diese Periode charakteristisch sind—den Warnen 5 ). 6 D E V R I E N T dagegen mißt den Angeln die Siedlungen auf -leben zu ) 8 undRoTTSTÄDT') sowie M. W Ä H L E R ) sind ihm darin gefolgt. „Diese Endung -leben wird auf das ahd. leiba = Überbleibsel, Hinterlassenschaft zurückgeführt, bezeichnet also ursprünglich das Erbe der Väter" 9 ). „Der Gau Engelin . . . , der an beiden Seiten der mittleren Unstrut am Südabhange der Hainleite, Schmücke und Finne liegt, mit den Dörfern Kirch-, Holz-, Feld- und Westengel erinnert hier ebenfalls an die neuen Siedler, ebenso im Geratale Angelhausen bei Arnstadt und Angelrode bei Plaue" 10 ). Von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, die Gebiete östlich und westlich des Harzes, Thüringen und das Werratal ließe sich so, wenn diese Deutung stimmt, der Zug dieses Angel-Volkes verfolgen, bis hin in die endgültigen Sitze, im Schwabenland und Donautal bis östlich 1) W. SCHULZ, in der gleichen Texterklärung. Daß die Warnen ihr altes Gebiet in Nord-Schleswig im 2-/3. Jahrhundert verlassen haben, beweist das auffällige Fehlen von Funden in dieser Zeit in dem Bereich ihrer alten Wohnsitze. V g l . A L F R . P L E T T K E , a . -a. O . ,
2) W.
S. 60.
Geschichte der Bevölkerung Mitteldeutschlands, a. a. O., S . 25. P A U L G R I M M E nahm s. Zt. diese ganze Entwicklung um y 2 —1 Jahrhundert später an, was aber wohl ein Irrtum sein dürfte (a. a. O., S. 107). 3) Vgl. W I L H E L M S E E L M A N N , Zur Geschichte der deutschen Volksstämme Norddeutschlands und Dänemarks, „Jahrbuch d. Ver. f. niederdeutsche Sprachforschung", 1 8 8 7 ; M A R T I N W Ä H L E R , a. a. O . , S. 2 3 f f . — Darauf, daß -ingen durchaus nicht immer patronymisch verwendet ist, hat schon F Ö R S T E M A N N , Die deutschen Ortsnamen, Nordhausen 1863, S. 178, 200, 243, hingewiesen, und nach ihm W. ARSCHULZ,
NOLD, a . a . O . ,
S.
296.
4) O. S C H L Ü T E R , a . a . O . , S. 180. — 5) So auch S E E L M A N N , a . a . O . , S . 7 ff. 6 ) E. D E V R I E N T , a. a. O., S . 9 . Wohl im Anschluß an P . C A S S E L , Über thüringische Ortsnamen, Erfurt 1856, der diese These auch schon vertreten hat. 7)
ROTTSTÄDT, a . a . O . ,
9) M . WÄHLER, a. a. O . ,
S. 6. S.
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8) M . W Ä H L E R ,
a. a. O.,
S.
25.
25.
1 0 ) Ebenda, S . 2 4 ; ebenso S C H N E I D E R - T I L L E , a. a. O., S . 2 ; diese beiden letztgenannten Orte dürften der Endung nach aber erst später gegründet sein!
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Regensburg. Wir betonen ausdrücklich: wenn diese Deutung stimmt! Es sind neuerdings gerade aus Schleswig-Holstein Zweifel gegen diese Deutung der Endung -ingen erhoben worden; man erklärt sie für allgemein germanisch, so daß ihr Vorkommen nichts für das Vorkommen einer bestimmten Völkerschaft aussagt1). Und überdies sind die alemannischen Stämme (d. h. die Völker, die sich später in diesem Bunde zusammenfanden) nach anderen Zeugnissen mehr aus dem Osten gekommen, und nicht von der jütischen Halbinsel, weswegen A. T I L L E auch ausdrücklich betont, daß unsere Angeln nicht mit den auf der kimbrischen Halbinsel sitzenden Angeln verwechselt werden dürften2). Den Warnen dagegen wird logischerweise von den meisten Forschern nach dem Vorbilde SEELMANNS, da sie -ingen für die Angeln mit Beschlag belegen, die Endung -leben zugesprochen, während D E V R I E N T , W Ä H L E R usw. sie ebenso zwangsweise den Angeln zusprechen müssen. Diese Orte auf -leben finden sich auf den dänischen Inseln, in Schleswig, dann besonders zahlreich in der Altmark, zwischen Magdeburg und dem Harz und über das Mansfeldische hinweg bis nach Thüringen hinein, in einigen Ausläufern bis in die Würzburger Gegend. Im wesentlichen liegen die Orte auf -leben mehr nach Osten zu, während die auf -ingen mehr westlich von ihnen liegen. Das Hauptverbreitungsgebiet der Orte auf -leben deckt sich auffallend mit den Grenzen des alten großen Thüringerreiches; dabei ist besonders zahlreich das Gebiet im Norden bedacht, Mansfeld, Saalkreis, Nordthüringgau und das östlich der Saale gelegene Werinofeld, also die Lande, in denen von manchen Forschern der Hauptsitz der Warnen, und zwar mit einer gewissen Selbständigkeit ihres eigenen Reiches, angenommen wird3). Die Altertumskunde hat, wie gesagt, mit ihren oben mitgeteilten Ergebnissen die bisherige Annahme einer gleichzeitigen Zuwanderung dieser beiden Völker widerlegt; wir müssen uns mit einem Nacheinander abfinden. Dabei halten wir mangels anderer 1) Vgl. die vom Schleswig-Holsteiner Bund hrsg. Schrift „Schleswig urdänisches Land" ? (Schriftenreihe zur Volkstumsarbeit, Heft 1), Kiel 1937, S. 19. Nur die Orte auf -leben sind nach der von dem nicht genannten Verfasser vertretenen Ansicht auf Zuwanderung von Norden her zurückzuführen (ebenda, S. 41 f.), aber als warnisch will der Verfasser sie auch nicht gelten lassen (S. 39). 2 ) S C H N E I D E R - T I L L E , a. a. O., S . 1 . Darauf, daß diese Angeln eng mit den Sachsen verwandt sind, wies auch A. P L E T T K E , a. a. O., S. 56, hin. 3 ) M . W Ä H L E R , a. a. O . , S. 3 5 . Auch daß König T H E O D O R I C H D . G R . einen besonderen Brief an den König der Warnen neben dem an den König der Thüringer richtet, spricht für diese gewisse Selbständigkeit.
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Deutungen, jedenfalls bei dem jetzigen Stand der Forschung, daran fest, daß es Angeln und Warnen sind, die hier in Frage kommen, müssen uns nur darüber klar sein, daß dies in keiner Weise bewiesen ist. Vielleicht kommt die Wissenschaft eines Tages zu dem Ergebnis, daß die Orte auf -leben den Angeln und Warnen gemeinsam zuzumessen sind [ein Gedanke, der bei KIRCHHOFF1) schon einmal auftaucht] oder daß die Angeln gar nicht die ihnen bisher zugemessene Rolle gespielt haben, und die Orte auf -ingen einem anderen, bisher nicht erkannten Volkszuge zuerkannt werden müssen, daß also die Endung auf -ingen gar nicht notwendig mit den Angeln verbunden ist, worauf die Beobachtung hindeuten könnte, daß -leben und -ingen teilweise als gleichwertig behandelt und ausgetauscht werden2). Das ist in der Tat in einzelnen Fällen nachzuweisen, aber eben doch nur für Ausnahmefälle, und diese ließen sich vielleicht im Rahmen der nachfolgend entwickelten Überlegung erklären. Die Frage lautet für uns: Welche Orte sind die älteren, welche die jüngeren? Sehen wir uns auf der Karte die Verteilung der Orte auf -leben und -ingen (-ungen) im Verhältnis zu den dem ganzen Landschaftsbild in Thüringen an, so fällt eines deutlich auf: Die Orte auf - l e b e n l i e g e n überall im Rahmen der alten G e f i l d e 3 ! ) Allenfalls berühren sie das diese begrenzende Urwaldgebiet. Auf der ganzen Karte 4 ) findet sich eigentlich nur eine einzige Ausnahme, und diese ganz oben im Norden, außerhalb des hier betrachteten Gebietes, am Oberlauf der Aller! D i e Orte auf -ingen (-ungen) l i e g e n dagegen nur zum kleineren Teil in der alten Kultursteppe der „Gefilde", zum größeren Teil, und das gilt besonders für Thü1) A. KIRCHHOFF, Thüringen doch Hermundurenland, Leipzig 1882, S. 51. 2)
S o s c h o n O . SCHLÜTER, a . a . O . , S . 178, W . SCHATTE, a . a . O . , S . 8.
Vgl.
auch die Bemerkung von WÜTSCHKE, Karte 9 des „Mitteldeutschen Heimatatlas", Nebenkarte II. Auch wenn, worauf schon hingewiesen wurde, diese Angeln von denen auf der kimbrischen Halbinsel sitzenden Angeln unterschieden werden müssen, erscheint es wenig berechtigt, an einer anglischen Einwanderung festzuhalten, da es sich dann eben doch um ein ganz anderes Volk handeln würde. 3) Hier kann man dem Verfasser der obengenannten Schrift „Schleswig urdänisches Land ?" wirklich nicht recht geben, wenn er die Siedler der Orte auf -leben als „Siedler ohne eigene, in einem Herrschaftsraum wirksam werdende politische Macht, und viel zu schwach an Zahl, um eine große Landschaft kolonisatorisch zu durchdringen", sowie als „verlorene Posten des Nordens auf südgermanischem Boden" bezeichnet! (a. a. O., S. 42).
Die Orte auf -leben liegen alle dicht-
gedrängt und breithingelagert über das ganze damals der Besiedlung leicht zugängliche Land hin. 4) Vorstehend erwähnte Karte von WÜTSCHKE.
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ringen, liegen sie abgedrängt in den Waldgebieten, so im Eichsfeld, Hainich, im ganzen Werragebiet, im Quellgebiet der Helme in dem damals noch ganz dicht bewaldeten Gebiet zwischen Eichsfeld und Harz, aber auch bis weit nach Hessen hinein. Wir finden sie ferner im Helmetal (Goldene Aue), das damals noch weitgehend Sumpfland war, und dann südlich von Stadtilm in den Vorwaldungen des Thüringer Waldes. Relativ wenige Orte auf -ungen sind zwischen denen auf -leben hineingestreut (Nordthüringen, Mansfeld, Helbetal). Das war auch schon SCHLÜTER aufgefallen1). Ebenso war ihm aufgefallen, daß die Orte auf -leben sich wie „überall", so auch hier „nur auf den besseren und besten Bodenarten" finden2). Die Orte auf -leben liegen also in der Mehrzahl auf besserem und bestem Boden in den alten bequem zu besiedelnden und zu bebauenden „Gefilden", die auf -ingen zum großen Teile abseits! Da liegt die Folgerung auf der Hand, daß diese beiden Siedlungsgruppen nicht von zwei Völkern friedlich nebeneinander angelegt sein können. Die Orte auf -leben haben unbedingt den anderen gegenüber etwas wie eine Herrenstellung, ein Übergewicht. Zwei Möglichkeiten kommen hier zunächst in Betracht: entweder sind die Träger der Namen auf -leben als erste dagewesen und haben den anderen nur die zweitrangigen Siedlungsflächen überlassen, oder aber die ersteren haben die letzteren aus den guten Plätzen siegreich verdrängt und sie nur im den entlegeneren sitzen lassen. Gegen die letztere Erklärung müßte sofort eingewandt werden, daß es dann doch sicher zu verstehen wäre, warum dann nicht auch die Bewohner der 1. Siedlungsperiode verdrängt wurden. Diese finden wir aber nach wie vor gleichmäßig über das ganze Gebiet hin verstreut, auch unter gewisser Berücksichtigung der westlichen und südlichen Waldgebiete, soweit man überhaupt derartiges aus Ortsnamen folgern kann. Also sind die Männer, die die Dörfer auf -leben anlegten, vor den anderen dagewesen und haben die besten Gebiete für sich vorweg in Anspruch genommen? Auch hier steht eine Schwierigkeit im Wege, die nicht zu umgehen ist. Wir hatten oben als Ergebnis der vorgeschichtlichen Forschung gehört, daß die zuerst zugewanderte Volksgruppe im 4. Jahrhundert zum „Großteil" nach dem Südwesten abwanderte, also das Land (freiwillig?) räumte, denn die andere Volksgruppe, die ihr in Thüringen folgte, wanderte erst Ende des 4. Jahrhunderts ein. Es hat also ein Nach1) O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 174ff. Ihre Häufung an der hessisch-thüringischen Grenze (Waldgebiete!) war auch schon von W. SCHATTE, a. a. O., S. 12, bemerkt. 2) Ebenda, S. 174.
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einander zweier Völkerzüge gegeben, das steht fest, ebenso, daß der erstere nach Schwaben weitergezogen ist. Und nun kombiniere man damit, daß hier in Schwaben die Ortsnamen auf -ingen allgemein vorherrschen, während sie in Thüringen in einer großen Mehrzahl nur in den ungünstigeren, abgelegeneren Siedlungsgebieten anzutreffen sind. Das führt uns wieder zu der Schlußfolgerung, daß diese nach dem Südwesten abgezogene Völkergruppe es war, der die Siedlungen auf -ingen zuzuzählen sind. Nach allem, was wir wissen, wird man annehmen müssen, daß dies die sog. Angeln waren (oder etwa noch ein dritter Stamm, den wir bisher nicht kennen?). Es spricht auch für die Angeln, daß diese später nicht mehr erwähnt werden (abgesehen von der Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum), während die Warnen uns später noch in Mitteldeutschland mit aller Deutlichkeit bezeugt sind. Zu den Warnen nach Norden zog 494 ein Haufe Heruler, nachdem sie an der unteren Donau von den Langobarden besiegt waren1). An den König der Warnen richtete ferner THEODORICH D. GR. neben dem Könige der Thüringer und der Heruler, um sie gegen die Franken zu einigen 2 ); Trifft dies zu, so wäre beim Abzug nach Schwaben der größere Teil des Volkes mitgezogen, der mehr geschlossen in den übersichtlicheren „Gefilden" gesiedelt hatte (denn das man diese völlig umgangen hätte, trotzdem sie noch reichlich Platz boten, ist nicht anzunehmen), während diejenigen zurückblieben, die sich mehr abgesondert in den Waldungen und Tälern festgesetzt hatten. So waren gerade die günstigsten Siedlungsgebiete für die bald darauf nachrückenden Warnen, die inzwischen bis in die Altmark gelangt waren, freigemacht, die sie denn auch weitgehend in Besitz nahmen. Diese Flächen haben vollkommen für sie ausgereicht, was daraus hervorgeht, daß zwischen ihren Siedlungen in den späteren Jahrhunderten noch zahlreiche andere Dörfer Platz fanden, und so hatten sie keinen Anlaß, andere zu verdrängen, auch nicht die in den abgelegenen Tälern und Wäldern zurückgebliebenen Angeln. Wenn dann zuweilen später -ingen und -leben bei demselben Orte nebeneinander vorkommt, könnte das so zu verstehen sein, daß die Warnen alte geräumte Siedlungen der abgewanderten Angeln auf -ingen übernahmen und sie ihrer Gewohnheit entsprechend auf -leben umtauften3), wobei dann ab und 1) M . W Ä H L E R , a. a. O., S. 26; nach PROKOPIUS, De bello goth., I I , 15. 2) W o r t l a u t
des
wesentlichen
Inhaltes
abgedruckt
bei
DOBENECKER,
Regesten, B d . I , N r . 1. 3) A u c h
sonst
treffen w i r ja auf U m b e n e n n u n g e n
S. 87, A n m . 1 und S. 350).
von Orten (vgl. unten
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23
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zu auch später noch Reminiszenzen an den ursprünglichen Namen durchbrachen. Auch eine Anpassung an die rings herum so häufige Form mag eine gewisse Rolle gespielt haben. So ist z. B. Bretalaho zu Bretleben und Riethesla zu Riesleben umgebildet (eigentlich -aha), und aus Holz-, Stein- und Wasserthalheim ist Holz-, Stein- und Wasserthal leben geworden1). Doch fehlt es hier überall noch an genaueren Forschungsergebnissen; vieles kann nur Vermutung bleiben. Seit dem Anfang des 5. Jahrhunderts begegnet uns d e r Name Thüringen. Seine Entstehung ist gleichfalls nicht völlig geklärt. Oft wird er mit Hermunduren — welcher Name zwischen 8 und 3 v. Chr. zum erstenmal auftaucht und mit dem 2. Jahrhundert aus den Quellen verschwindet2) — in Zusammenhang gebracht, gegen welche Ableitung schon J. GRIMM sprachwissenschaftliche Bedenken erhoben hatte und die auch von neueren Forschern abgelehnt wird3), während andere nach wie vor daran festhalten4). Eine Deutung, der von vielen der Vorzug gegeben wird, ist die Ableitung von dem Namen des alten germanischen Gottes Thor (Donar), verbunden mit der patronymischen Endung -ingen, also „Söhne des Thor" 5 ). Die wichtigsten Schriftsteller der Zeit gebrauchen auch die Form „Thoringi" oder „Toringi" (und nicht eine Form, die an Hermunduren anklingt). So PROKOPIUS, GREGOR VON TOURS, VEGETIUS und APOLLINARIS U. a.; auch THEODORICH D. G R . schreibt in dem schon mehrfach erwähnten, von CASSIODORUS abgefaßten Brief „Thoringi". Auch als Gauname kommt Thoringia, Thorine im 5. Jahrhundert vor, und zwar in einer ganz entfernten Gegend (am Niederrhein)6). Es handelt sich um einen neuen Gruppennamen, der selbständig entstanden ist, so wie in ungefähr der gleichen Zeit auch die Namen der Franken, Sachsen und Schwaben gebildet worden ist, gleichfalls ohne Ableitung von einem der alten Stammesnamen und gleichfalls gebildet für eine neue Volksgruppe, die sich durch Vereinigung verschiedener alter Stämme (oder Teile von ihnen) herausgeformt hat. Die Ableitung von dem nordthüringischen 1) W .
SCHATTE, a . a . O . ,
S.
18f.
Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung, II. Abtg., 1. Buch (Quellen und Forschungen zur alten Geschichte u. Geographie, 24. Heft), Berlin 1911, S. 311. 2 ) L U D W I G SCHMIDT,
3) M. WÄHLER, a. a. O., S.
1.
4) Zum Beispiel S C H N E I D E R - T I L L E , a. a. O., S. 1. 5) Ausführlicher entwickelt bei M . W Ä H L E R , a. a. O., S. 30f. u. S. 53, Anm. 1 ; ebenso E. D E V R I E N T , a. a. O., S. 10; ROTTSTÄDT, a. a. O., S. 6. 6) E. D E V R I E N T , ebendort.
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24
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Flüßchen Thyra, die FÖRSTEMANN einmal zur Diskussion stellte, kommt wohl auf keinen Fall in Frage1). Der erste uns bekannte König dieses Thüringerreiches ist B I S I N U S ( B A S I N , P I S I N ) 2 ) . E S erstreckte sich nach DEVRIENT von der Ohre im Norden bis zum Thüringer Wald im Süden, war im Westen durch die Linie Salzungen—Vacha—Meißner begrenzt und reichte im Osten bis an die Havel und das Erzgebirge heran, bevor dann später die Saale die Grenze wurde3). Wahrscheinlich reichte es aber über den Thüringer Wald hinaus bis an die Mainlinie, aber natürlich nicht bis an die Donau, wie manche meinen4). Die Zeit des Bestehens dieses Reiches umfaßt eine Periode höchster kultureller Blüte, wie die reichen Grabfunde beweisen, eine Blüte, wie sie erst nach mehreren Jahrhunderten wieder erreicht wurde. Das Ergebnis der 2. Periode ist eine Verdichtung der Besiedlung der alten Gefilde, denn die Neuanlagen fallen noch so gut wie ausschließlich in diesen Raum; allenfalls drang man da und dort in die Randgebiete ein und in den Flußtälern aufwärts. „Im wesentlichen indessen stand die Waldmasse der Siedlungsausbreitung" noch „als feste Mauer entgegen"8). Die Tatsache, daß die alten „Gefilde" diese Siedlungen der 2. Periode noch aufnehmen konnten, läßt Rückschlüsse auf die geringe Dichte der bisherigen Bevölkerung zu.
3. Die 3. Periode (531 bis rund 750). Dieses große Thüringerreich fand seinen Untergang i. J. 531, womit auch für die Siedlungsgeschichte ein neuer Abschnitt anhebt. „Der Sturz des Thüringerreiches", sagt R U D . KÖTZSCHKE mit Recht, 1) F Ö R S T E M A N N , Die deutschen Ortsnamen, 1863, S.245f. Vgl.dazuW.SCHATTE, a. a. O., S . 6f. 2) Als seinen Sitz betrachtet man Beesenstadt (Binsinstidi) und das 5 km davon entfernt liegende Bösenburg (Bisiniburg) imMansfelder Seekreis; S C H N E I D E R T I L L E , a. a. O . , S . 2 ; W . SCHULZ, ZurMerovingerzeit Mitteldeutschlands,, .Mannus", Bd. 18, 1926, S. 293. Ob das stimmt, sei dahingestellt; es könnte sich ja auch um Gründungen von ihm handeln. Aber immerhin wären die Orte zentral gelegen. Den Sitz seines Sohnes, des letzten Thüringerkönigs, Herminafried (Irminfried) vermutet man bei Weimar (vgl. dazu unten S. 151 f.). 3) O. D E V R I E N T , Thüringische Geschichte, S. 11; R U D . KÖTZSCHKE meint, daß es die gleiche Ausdehnung besessen habe wie das alte Hermundurenreich ( K Ö T Z S C H K E - K R E T Z S C H M A R , Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 24). 4) Dagegen spricht allein schon die erstaunliche Fundarmut dieser ganzen südlichen Gebiete für diese Zeit. Vgl. darüber P A U L R E I N E C K E , Die kaiserzeitlichen Germanenfunde aus dem bayerischen Anteil an der Germania Magna, 23. Bericht der Römisch-Germanischen Kommission, 1934, bes. S. 152ff. 5)
R U D . MARTINV, a. a. O.,
S.
16.
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25
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„wirkte sich verhängnisvoll aus. Eine starke Macht, die gegen Osten hin die Grenzwacht halten konnte, war zusammengebrochen. Im Frankenreiche aber . . . lag Thüringen im Saume eines fernen Außenbereiches, als eine Mark der Franken" 1 ). Die volle Tragweite dieses Zusammenbruches des großen Reiches sollte sich erst zeigen, als von Osten her die Slaven andrängten (unten S. 32ff.). Das Land nördlich der Unstrut bis hinauf zur Ohre (Nordthüringgau, Lisgau, Mark Duderstedt usw.) fiel den Sachsen als Lohn für ihre Waffenhilfe zu, ohne daß die Franken wahrscheinlich allen Einfluß darauf aufgaben2). Mittel-, Süd- und Westthüringen wurde dem Frankenreiche eingegliedert. Jetzt trennt sich also das Geschick dieser nördlichen Landstriche von dem der südlichen. Das Los der Bevölkerung der ersteren scheint härter gewesen zu sein. Gingen doch die Sachsen rücksichtsloser gegen die Besiegten vor, als das die Franken ihrerseits taten. Gewohnheit der Sachsen war es ja, die Besiegten, die in den eroberten Gebieten lebten, persönlich, individuell, in den Hörigen- (Liten-) Stand herabzudrücken; die ganze Agrarverfassung in den sächsischen Gebieten beruht weitgehend auf dieser Tatsache. Noch im Sachsenspiegel ist davon die Rede, daß die Sachsen die vorgefundenen Thüringer (meist wohl: Warnen) zu Liten gemacht hätten 3 ). Die Franken dagegen begnügten sich mit der politischen Eingliederung und der Auferlegung eines allgemeinen Landestributes, der die persönliche Rechtsstellung des einzelnen unberührt ließ. Ihr Einfluß in politischer wie auch in kultureller Hinsicht ist aber sonst „zunächst nur gering gewesen"4). Doch auf alle diese 1) KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR, Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 24. 2) Ganz positiv meint dies RUD. KÖTZSCHKE in: KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR. Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 24. 3) Buch III, 44, 3, S. 121 der Ausgabe des Sachsenspiegels (Landrecht) von CL. FRHR. v . SCHWERIN, Leipzig 1 9 3 4 .
Die Quelle ist RUD. V. FULDA (Mon. G e r m .
Hist., Script., II, S. 6 7 5 : „pro raritate ab eis (tota terra) occupari non potuit; partem illius et eam quam maxime, quae respicit orientem, colonis tradebant singulis pro sorte sua sub tributo exercendam"). Vgl. dazu auch G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, I . B d . , 3. Aufl., S. 1 5 7 , und E D . O. SCHULZE, a . a . O., S. 3. MAX W E B E R
(Zum Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung, „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", Bd. 83, 1904, S. 458) nennt dies Geschehnis „die erste Nachricht massenhafter Begründung individueller grundherrlicher Abhängigkeit der Besiegten auf rein deutschem Boden." 4) HANS EBERHARDT, Die Anfänge des Territorialfürstentums in Nordthüringen (Beiträge zur mittelalterlichen und neueren Geschichte. Hrsg. von FRIEDRICH SCHNEIDER, Bd. 2), Jena 1932, S. 2. Über diese Tatsache sind sich alle Forscher einig. Vgl. z. B. auch die maßgeblichen Prähistoriker FR. K. R . HOLTER, Das Gräberfeld Obermöllern aus der Zeit des alten Thüringen, „Jahresschrift f. d. Vorgeschichte d. sächs.-thür. Länder", X I I . Bd., Heft 1, Halle 1925, S. 15; A. GÖTZE,
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26
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Fragen können wir hier nicht näher eingehen, es interessieren uns hier lediglich die siedlungsgeschichtlichen Momente. Diese werden beleuchtet durch die Tatsache, daß durch diese Kämpfe gerade das nordthüringische Gebiet weitgehend entvölkert wurde (wobei wohl an das Unstrutgebiet und das Mansfeidische zu denken ist). „Totamque regionem illam vastantes atque captivantes depopulant" heißt es — wenn wohl auch übertreibend — in den Schilderungen RADEGUNDENS b e i VENANTIUS FORTUNATOS 1 ).
Das Unstrutgebiet
ist
von den Sachsen wohl nicht besiedelt worden, sonst wären die oft wiederholten Plünderungszüge, die sie in dieses Gebiet und darüber hinaus unternahmen2), nicht recht zu verstehen; hier spielten sich darum oft Kämpfe zwischen Franken und Sachsen ab, die die spätere endgültige Auseinandersetzung (d. h. Sieg der Franken) unter KARL D. GR. einleiteten. Ein großer Trupp Sachsen aus den nördlich der Unstrut gelegenen Landstrichen (man spricht von 26000), wohl der dauernd wieder erneuerten Herrschaftsansprüche der Franken müde, zog ca. 568 mit den Langobarden unter deren König ALBOIN nach Italien. In die verlassenen Gebiete setzten die Frankenkönige Angehörige anderer Stämme als Ansiedler, so insbesondere i. J. 568 Schwaben zwischen Bode, Saale, Schlenze und Unterharz, wo auch der Name Schwabengau haften geblieben ist3). Auch die drei Schwabhausen im Innern Thüringens (Groß- und Kleinschwabhausen zwischen Weimar und Jena, Schwabhausen bei Gotha) dürften mit dieser Kolonisation zusammenhängen. Wurde doch ganz Thüringen nach dem mißglückten Aufstand gegen die Frankenherrschaft von 555/57 zur Strafe verwüstet4), so daß es an Raum, ungeachtet der Rodungsmöglichkeiten, nicht fehlen konnte. Die
altthüringischen
Funde
von W e i m a r
(5.—71.
Jahrhundert
n. Chr.),
Berlin
1912, S. 24 f. u. S. 31; JOH. MÜLLER, a . a. O., S. 13. Ferner ROBERT MIELKE, Siedlungskunde des deutschen Volkes, 2. Aufl.,
München 1936,
S. 139 (weist sonst
mancherlei Irrtümer im Historischen auf). 1) Zitiert bei M. WÄHLER, a. a. O., S. 54, A n m . 26. D i e Klagelieder über den Sturz des thüringischen Reiches, die m a n der gefangenen Königstochter RADEGUNDIS zuschreibt,
und die VENANTIUS FORTUNATUS gesammelt und aufgezeichnet hat,
finden sich in deutscher Übersetzung v o n H . GRÖSSLER in den „Mansfelder B l ä t t e r n " , B d . V I I I , 1894, S. 107ff.
Auszüge bei HOLTER, a. a. O., S. 113f.
2) H . B . WENCK, Hessische Landesgeschichte, I I . Bd., S. 311 f.; RUD. HERRMANN, a. a . O., S. 22, 27. 3) V g l . die G a u e und Burgwardbezirke auf der von ROB. HOLTZMANN b e arbeiteten K a r t e 12 des „Mitteldeutschen H e i m a t a t l a s " ; M . W Ä H L E R , a. a. O., S. 34f. DEVRIENT (a. a. O., S. 13) will in diesen N o r d s c h w a b e n W a r n e n sehen.
E r folgt
darin o f f e n b a r ED. O. SCHULZE, a. a. O., S. 2 f . Ebenso STUHLFAUTH, a. a. O., S. 191. 4) H . B . W E N C K , a. a. O., S. 198.
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Dazu kamen wieder Sachsen, denn die Angehörigen dieses Volkstums, die mit nach Italien gezogen waren, entzweiten sich mit den Langobarden und kehrten wieder um; sie konnten sich wegen der hohen Forderungen, die sie gegen die Schwaben stellten, mit diesen trotz deren Entgegenkommen nicht einigen; es kam zum Kampf, sie wurden geschlagen und dann der Rest ansässig gemacht (i. J. 572)1). Diese Ansiedlung fand nach W Ü S T E N H A G E N S ansprechender Vermutung in neugerodeten Dörfern im Ostharzgebiet statt; es sind die Rodungen auf -bach und -dorf, von denen wir später zu sprechen haben2). Im großen gesehen müssen diese Ansiedlungen der Nordschwaben und Sachsen einen nicht unbeträchtlichen Bevölkerungszuwachs gebracht haben3), woraus zugleich hervorgeht, wie dünn die Bevölkerung dieser Gebiete vorher gewesen ist. „Es war ein Akt fränkischer Ansiedlungspolitik an der Schwelle von zwei Zeitaltern: Aufnahme germanischen Volkes, wie dies in der Völkerwanderung auf Reichsboden geschehen war, aber schon ein Auftakt zu der künftigen ostdeutschen Kolonisation"4). Die meisten Forscher sprechen auch noch von „andern Völkerschaften", die hier mit angesiedelt wurden5). Daß der Hosgau als Hassegau zu deuten ist und seinen Namen von hier angesiedelten Hessen trägt, ist mehr als unwahrscheinlich6); auch der Versuch, diesen Gaunamen mit dem Stamm der Osi oder Hosi des T A C I T U S 7 ) in Verbindung zu bringen, ist wohl als gescheitert anzusehen. Einen weiteren Volksnamen finden wir aber in dem Friesenfeld vertreten, wie der südliche Teil des Hosgaues in Hersfelder Quellen und in Kaiserurkunden für Hersfeld genannt wird. Auch hier ist nicht mehr 1) D E V R I E N T , a. a. O . , S . 13f. H. G R Ö S S L E R , Die Besiedelung der Gaue Friesenfeld u. Hassegau, „Zeitschrift d. Harzver. f. Gesch. u. Altertumsk.", Bd. VIII, S.335ff 2) H. W Ü S T E N H A G E N , a. a. O., S. 12f. Vgl. unten S. 30f. 3) Ähnlich E D . O. S C H U L Z E , a. a. O., S . 3, Anm. 1. Er verweist darauf, daß die Schwaben immerhin so zahlreich gewesen sein müssen, daß sie die Sachsen schlagen konnten und daß die Niederschlagung ihres Aufstandes dem Frankenkönig durchaus nicht leicht fiel (594). (Letzteres steht unter der Voraussetzung, daß die Nordschwaben auch Warnen waren, was manches für sich hat, aber nicht sicher ist, denn der besagte Aufstand ist uns als Warnenaufstand bekannt.) 4)
KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR,
5)
RUD.
KÖTZSCHKE,
a. a. O.,
S.
25.
Thüringen in der deutschen
a. a. O., S. 5 ; E . DEVRIENT, a. a. O., S.
Siedlungsgeschichte,
13.
6) R. H O L T Z M A N N deutet diesen rätselhaften Gaunamen als „Hochseegau" (vgl. „Sachsen und Anhalt", 1927, S. 47ff.; hier ist Näheres nachzulesen); ihm hat sich E R W I N H Ö L K , Zehnten und Zehntkämpfe der Reichsabtei Hersfeld im frühen Mittelalter, Marburg a. L., 1933, S. 13, angeschlossen, trotz der Einwendungen von A D . W E B E R , in „Zeitschrift d. Harzver. f. Gesch. u. Altertumsk.", Bd. 61, 1928, Heft 2, S. 190 ff. — 7) Germania, Kap. 43.
—
28
—
festzustellen, ob und inwieweit dies berechtigt ist. Möglicherweise beruht die Bezeichnung „Friesenfeld" in den genannten Quellen auf einem Mißverständnis oder einer Falschdeutung. Philologische Untersuchungen haben jedenfalls ergeben, daß „sprachliche Spuren des Friesischen" sich ,,nicht nachweisen" lassen1). Die Warnen, die 595 nach einem mißglückten Aufstand niedergeworfen wurden, dürften jetzt auch links der Saale angesiedelt worden sein, denn das Werinofeld geht an die Sorben verloren2). Dem zu Franken gefallenen thüringischen Lande war 531 ein Zins (Schweinezins, erst 1002 aufgehoben) auferlegt worden, „aber im ganzen kann von Bedrückung und starkem fränkischen Einfluß nicht die Rede sein" 3 ). Am stärksten war der fränkische Einfluß südlich und westlich des Waldes4), wo ja auch später eine umfassende innere Kolonisation durch fränkische Siedler stattfand und so den Namen „Ostfranken" wach werden ließ, spürbar auch im Eichsfeld5), am wenigsten in den Gebieten nördlich des Waldes. „Dazu stimmt auch, daß die Gräberfunde in Weimar und Umgebung, die bis in das 7. Jahrhundert hineinreichen, keine wesentlichen Spuren fränkischer Kultur zeigen und also beweisen, daß hier die thüringische Bevölkerung einschließlich der Oberschicht auch nach der fränkischen Eroberung ungestört sitzen blieb" •). Bis 717 stand Thüringen unter einheimischen Herzögen, dann führte, jedenfalls nach der Ansicht von D E V R I E N T , K A R L MARTELL auch hier die fränkische Grafenverfassung ein 7 ). Als Siedlungen, die die Franken in diesen Gegenden anlegten, werden im allgemeinen die auf -hausen, -heim, -bach, -dorf, -au, -feld, -berg angesehen, daneben aber auch solche Orte, die die Franken von Westen her mitbrachten, wie etwa Trebra (von Tribur) 8) 1) FRIEDRICH SCHMIDT, a . a. O., S. 2 9 . — 2) D a r ü b e r u n t e n S. 3 5 . 3)
SCHNEIDER-TILLE,
4)
STUHLFAUTH, a . a . O . , S. 1 5 ; O . B E T H G E , a . a . O . , S .
a.
a . O.,
5)
JOH. M Ü L L E R
a. a. O.,
S.
S.
3. 58ff.
13.
6) RUDOLF HERRMANN, Thüringische
Kirchengeschichte,
Bd.
I, S. 5,
ge-
stützt auf G. NEUMANN, Vorgeschichte von Weimar, „Thüringer Fähnlein", Jahrg. 1936, S. 76ff. Näheres auch bei GÖTZE, a. a. O., S. 31 u. S. 34 f. Auch HOLTER hatte a. a. O-, S. 15 schon darauf hingewiesen; es zeigt sich nur eine Verarmung, aber keine Störung des einheimischen Grundcharakters. Das Grabfeld von Obermöllern war seit dem Zusammenbruch des Reiches 531 verlassen. 7) E . DEVRIENT, a. a. O., S. 16. Über die Grafenverfassung vgl. unten S. 88 f. 8) Darauf wies besonders O. BETHGE, a. a. O., S. 61 hin. Vgl. seine Namensliste, S. 75ff.; O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 148f.; Karte 10 des „Mitteldeutschen Heimatatlas" von WÜTSCHKE; A. WERNEBURG, Die Namen der Ortschaften und Wüstungen Thüringens, in „Jahrbuch d. königl. Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu E r f u r t " , N. F., B d . X I I ,
1 8 8 4 ; HANS EBERHARDT, a. a . O.,
S.
3f.
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Es würde aber ganz falsch sein, annehmen zu wollen, daß in allen diesen Orten, die wir auch im Innern und Osten Thüringens finden, Angehörige des fränkischen Volksstammes angesiedelt worden wären. Eine solche Auslegung würde nicht nur im Widerspruch mit den Bodenfunden stehen, sondern auch den Zusammenhang von Ortsname und Volk weit überschätzen. Man kann obiges nur in dem Sinne sagen, daß diese Siedlungen in ungefähr dieser Zeit angelegt worden sind, wobei die verschiedensten Momente dahin gewirkt haben, daß gerade diese Endungen in den Vordergrund traten, die übrigens z. T. gemeingermanisch sind und weitgehend auch noch in der 5. Siedlungsperiode verwendet werden. Von diesen Orten haben die auf -hausen vermutlich eine besondere Bedeutung; sie scheinen z. T. wohlüberlegt an wichtigen Verkehrspunkten angelegt zu sein, so Mühlhausen, wohl der erste starke Stützpunkt der Franken südlich des Harzes, vielleicht sogar in merovingische Zeit zurückgehend, dann Frankenhausen, Nordhausen, Sondershausen, Wolkramshausen, Wallhausen, Waltershausen, Ichtershausen, Witzenhausen, Hildburghausen, Sangerhausen und Oster-, Mittel-, Wester- und Sotterhausen in der Bornstedter Mulde usw.1). Vielleicht sind es auch weniger verkehrspolitische als militärische Gesichtspunkte gewesen, wie sie von R Ü B E L —wenn auch oft nicht ganz glücklich — in den Vordergrund gestellt werden. SCHLÜTER vermutet, daß gerade diese Orte auf -hausen Sitze von Edelen und damit Stützpunkte der fränkischen Herrschaft waren2). HOLTZMANN meinte, daß sie womöglich als Operationsbasis für die Kämpfe mit den Sachsen gedient haben3), beides ist wahrscheinlich, wenn auch nicht beweisbar und wohl auch nicht erschöpfend (s. unten S. 162). Jedenfalls darf man in ihnen nicht speziell Anlagen sehen, die auf Königsgut erfolgten, denn die Königshöfe, die uns später begegnen, gehören zumeist einer anderen Namensgattung an4). 1) Vgl. dazu auch O. SCHLÜTER, a. a. O., S . 185. a. a. O . , S . 2 0 0 . Gemeint sind damit wohl fränkische Edele; denn die thüringischen Edelen waren alles andere als Stützen der fränkischen Herrschaft, wie z. B. der Widerstand R A D U L F S gegen die Merovingerkönige und der Aufstand der thüringischen Edelen gegen K A R L D. G R . deutlich beweist. 3) R. HOLTZMANN, Hochseeburg und Hochseegau, „Sachsen und Anhalt", III. Bd., 1927, S. 62f. L. N A U M A N N weist a. a. O., S. 58 darauf hin, daß wohl auch an eine Art Ernährungsbasis für die Besatzungstruppen gedacht sei (was R Ü B E L auch schon gesagt hatte). „ Neben den eigentlichen Volksgenossen führten die Franken auch Kolonnen aus dem Westen nach Thüringen." 4) Vgl. die Namenaufzählungen bei ADOLF EGGERS, Der königliche Grundbesitz im 10. und beginnenden 11. Jahrhundert, Weimar 1909, S. 28ff. und S. 37ff., ebenso unten S. 157 ff. 2 ) O . SCHLÜTER,
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Auch hat ja schon B E T H G E mit Recht darauf hingewiesen, daß Orte auf -hausen öfter gerade Einzelhofsiedlungen in einer Captur bezeichnen, wobei eine patronymische Bildung verwendet wird1); das wird auch durch unsere Beobachtungen bestätigt 2 ). An sich ist aber die Zahl der in dieser Siedlungsperiode entstandenen Ortschaften geringer als die der vorhergehenden. Sie liegen verstreut über das ganze Gebiet hin und halten sich zu einem großen Teil noch an die alten „Gefilde", im besonderen in direkt auffälliger Weise die auf -heim. Daneben finden wir aber eine weitgehende Berücksichtigung (bes. von -bach und -hausen) der westlichen und südlichen Waldgebiete sowohl im Norden (Eichsfeld) als auch im Werragebiet3), wofür wohl das nachstehend hervorgehobene Moment der bewußten staatlichen oder auch grundherrlichen Planung bestimmend gewesen sein mag, das auch diese Gebiete auszunutzen bestrebt war. Bemerkenswert ist dabei, daß die Siedlungen auf -dorf sich vor der Saalelinie gleichsam aufstauen, doch stammen diese zum großen Teil aus der späteren Periode, also nach 750 (ja nach 800)4). Wohl mit Recht hat SCHLÜTER5) diesen Siedlungen auf -dorf eine gewisse Mittelstellung zugeschrieben. Sie liegen oft schon in weniger günstigen Böden, dringen allgemein bereits in Waldgegenden und manchmal auch schon in Sumpfgebiete vor. Wenn sie sich, wie gesagt, vor der Saalelinie stauen, dann deckt sich das mit Erscheinungen in den Gebieten südlich des Thüringer Waldes6) und ebenso auch mit den nördlich gelegenen Landstrichen bis in die Altmark, ja bis Ostholstein hin. Das sind aber alles Gebiete, bis in die hinein Slaven vorgedrungen waren, wie wir noch sehen werden, und man bekommt direkt den Eindruck, daß man diese Bezeichnung auf -dorf gerade dort mit Vorliebe anwandte, wo es sich um Siedlungen handelte, die gleichsam agressiv in mehr oder weniger dicht von Slaven bevölkertes Gebiet vordrangen7), womit auch die 1) O. BETHGE, a. a. O., S. 62. — 2) Vgl. die Ausführungen unten S. 348 f. 3) Vgl. dazu auch W. SCHATTE, a. a. O., S. 28ff. 4) WÜTSCHKE in dem Text zu Karte 10 des „Mitteldeutschen Heimatatlas". Vgl. auch REISCHEL, a. a. O., S. 25. 5) O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 189ff. Vgl. auch Karte 10 des „Mitteldeutschen Heimatatlas".
V g l . a u c h MARGARETE BACHMANN, a . a . O . , S . 2 9 ; H .
EBERHARDT,
a . a . O . , S . 3 ; E R I C H F R H R . V. GUTTENBERG, D i e T e r r i t o r i e n b i l d u n g a m
Obermain.
79. Bericht und Jahrbuch 1925/1927 des Histor. Vereins zu Bamberg, Bamberg 1927, S. 8 f . —
6 ) STUHLFAUTH, a . a. O., S. 89ff.
7) O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 193, weist darauf hin, daß auch bei der fränkischen Kolonisation im östlichen Nieder-Österreich diese Namensform zahlreich vorkommt. Den kolonisatorischen Charakter der -dorf-Siedlungen hatte schon HERMANN
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Tatsache übereinstimmt, daß diese Endung auf -dorf rechts der Saale nachher geradezu die beherrschende wird, und ebenso, daß diese Siedlungen auf -dorf sehr oft auch in die spätere Periode fallen1). Auch sonst hat man die Ansicht geäußert, daß diese Siedlungen auf -dorf (aber auch auf -bach) unter starker Leitung von oben her (König usw.) angelegt worden sind2). Es kommt dabei nicht darauf an, daß Slaven gegenübersitzen, sondern auf die Tatsache, daß es sich um gefährdetes Gebiet, gefährdete Menschen handelt und daß von oben her eingegriffen wird. Man könnte auch direkt von militärischen Gründen sprechen, die eine Einzelhof- oder Weilersiedlung unratsam erscheinen lassen und dem festen geschlossenen Dorf den Vorzug geben, wobei dann ja nicht immer ein Befehl oder dgl. von oben her vorgelegen zu haben braucht, sondern die Neusiedler freiwillig das Bewährte nachmachten. Das führt uns zu den sehr wohl durchdachten Ausführungen über die Siedlung speziell dieser 3. Periode, die O. BETHKE bietet. Er zeigt; wie gerade bei den hier in Frage kommenden Ortschaften in großer Zahl Ansiedlungen des fränkischen Königs und seiner Großen vorliegen. Darüber wird des Näheren unten in anderem Zusammenhange zu sprechen sein. Hier ist aber festzuhalten, das von dieser 3. Periode ab ein ganz anderes Element hineinkommt, die staatliche und grundherrliche Siedlungstätigkeit in bewußter Planung, ausgerichtet an dem Bestreben einer militärischen Beherrschung und wirtschaftlichen Ausnutzung des Landes, und das alles vom S t a a t e oder einem Herren aus geleitet, während bisher das V o l k im Vordergrund stand, d. h. also die Siedlungen der früheren Zeiten volksmäßig geworden sind. Festzuhalten ist ferner in diesem Zusammenhange, daß auch diese Ansiedlungen eine weitere Verstärkung der Mischung innerhalb unseres Raumes bedeuten. Die westlichen und südlichen Siedlungen bringen eine solche Vermischung verschiedener Volkselemente in geringerem Ausmaße mit sich, weil hier ja bisher nur wenige Siedlungen vorlagen und die einwandernden Franken dominierten. Anders liegen dagegen die Verhältnisse im nördlichen und mittleren Thüringen, wo diese fränkischen Siedlungen einen neuen Zuschuß anderen Volkstums in eine an sich schon aus verschiedenen Stämmen gemischte ,,Ur"GRÖSSLER, Die Besiedelung der Gaue Friesenfeld und Hassegau (,,Zeitschrift d. Harzver. f. Gesch. u. Altertumsk.", Bd. V I I I , 1875) erkannt. Eben damit im Zusammenhang steht die Beobachtung von v. HAMMERSTEIN-LOXTEN, Der Bardengau, Hannover 1869, S. 538, daß die Siedlungen auf -dorf selten einen Gutsbezirk neben sich haben, was ebenfalls für kolonisatorisch angesetzte Bauernsiedlungen spricht. 1) s. u n t e n S . 70 u. 80. —
2) H .
WÜSTENHAGEN,
a. a. O.,
S. 13.
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Einwohnerschaft bedeuten. Das gilt um so mehr, als ja die von den Franken herbeigeführten Siedler selbst keineswegs immer Franken waren im eigentlichen Sinne des Wortes, sondern selbst von verschiedenen alten Stämmen abstammten1). Darin liegt der besondere Charakter dieser 3. Siedlungsperiode. Er reicht hinein in die 5. Periode, also in die Zeit nach 750, denn auch hier kommen noch derartige staatliche Siedlungen vor. Aber es tritt hier doch bald ein anderes Moment entscheidend neben jenen anderen: das Neusiedeln der Ansässigen, hervorgerufen durch den Geburtenüberschuß bei den seit längerer oder kürzerer Zeit seßhaft gewordenen Bauern. In diesem Nebeneinander starker volksmäßiger und starker grundherrlicher Siedlung, verbunden mit entscheidender Eindämmung des Waldbestandes, liegt die Bedeutung dieser 5. Periode. Mit ihr haben wir uns dann genauer zu befassen. Vorher aber ist es notwendig, der slavischen Siedlungen zu gedenken, die unter der Überschrift „4. Siedlungsperiode" zusammengefaßt sind und die unter dem eben behandelten Gesichtspunkt eine weitere Beimischung fremden Blutes (diesmal sogar einer anderen Rasse angehörigen Blutes, das seinerseits wieder mit dem ihm fremden avarischen Blut gemischt war) bedeuten. 4. Die 4. Periode: Die Slaven. Schon i. J. 562 hatte SIGIBERT I., der erste Herrscher des Teilreiches Austrasien, die Waffen mit den mongolischen Avaren gekreuzt und sie an der Elbe zurückgeschlagen2). Noch gehörte ja dieses ganze Land rechts der Saale zu dem Siedlungsgebiet der Hermunduren und Warnen, wenn man sich auch die Eingliederung ins Frankenreich wohl nur sehr locker vorzustellen hat3). Aber dieser Kampf war nur das erste Sturmzeichen gewesen4). Bald drängten die Slaven5) und die sie beherrschenden und vor sich 1)
BETHGE, a . a . O.,
S . 6 7 u. S .
73.
2) E. D E V R I E N T , Thüringische Geschichte, S. 13. 3) Vgl. die Bemerkung in F R E D E G A R S Chronik, I, IV, C . 68 (Mon. Germ. Hist. Script, rer. Merov. II, S. 155). Vgl. ferner Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, hrsg. von F R E N Z E L , R A D I G und R E C H E , Leipzig 1934, S. 160f. 4) Hinsichtlich der wechselvollen Politik der Merovinger (und deren Hausmeier) den Slaven gegenüber vgl. W E R N E R C A R M E S I N , Thüringen in der Slavenpolitik der Merovinger, phil. Diss. Jena 1925 (als Maschinenschrift in der Universitätsbibliothek Jena). (Eine interessante Schrift, wenn auch den kühnen Konstruktionen gegenüber öfter Kritik am Platze ist.) 5) Die erste Erwähnung der Sorben (Slaven) in deutschen Urkunden ist die in vorstehender Anmerkung 1 angegebenen Stelle. Es heißt dort: „ D E R V A N U S dux .gente Surbium, que ex genere Sclavinorum erant et ad regnum Frankorum iam
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herschiebenden Avaren in erneuten Vorstößen in dieses Gebiet ein, ohne sich wohl zunächst gegen die dort siedelnden Germanen besonders feindselig zu verhalten, wie man aus der unvermindert anhaltenden Besiedlung schließen darf 1 ); oder vielleicht auch fehlte es ihnen an Kraft für ein schrofferes Vorgehen 2 ). Im Jahre 566 kam es zu jenem außerordentlich bedeutsamen Vertrag zwischen dem schon genannten König SIGIBERT, dem Lombardenkönig ALBOIN und den Avaren, demzufolge der erstgenannte die rechts der Saale sitzenden Reste der Nordschwaben über den Fluß zurückzog (Schwabengau westlich der Saale und nördlich der Unstrut) und die Langobarden nach Italien abzogen. Ihnen schlössen sich die Sachsen an, die in Nordthüringen saßen, wodurch eben jener Landstrich für die Schwabengruppe frei wurde (s. oben S. 26). Die Gepiden, die gleichfalls östlich der Saale saßen, überließ man ihrem Schicksal, d. h. der Vernichtung durch die Avaren 3 ). Das Ergebnis jenes Abkommens war also eine außerordentliche Schwächung des Germanentums jenseits der Saale. Thüringen samt dem nordöstlich seines Kerngebietes über die Saale hinüberragenden Warnengebiet wurde damit auf einen Schlag Grenzland 4 ). Noch war die Grenze aber nicht ernstlich gefährdet, denn die Avaren und Slaven drängten noch keineswegs in diese Gebiete mit Macht ein, und eine dünne germanische Restbevölkerung blieb über die damals der Besiedlung erschlossenen Gaue ganz Sachsens hin verbreitet, während Slaven eigentlich noch ganz fehlen. Das zeigen uns die Ergebnisse der Spatenwissenschaft ganz deutlich. Aus dem 6. Jahrhundert liegen noch keinerlei Funde vor, „und für olim aspecserant, se ad regnum S A M O N E M cum suis tradebit." Vgl. dazu auch Die Quellen der slavischen Namenforschung in Thüringen und Sachsen, „Zeitschrift f. slavische Philologie", Bd. III, 1926, S. 438; D e r s e l b e , Allgem. Wirtschaftsgeschichte, S. 112f. 1) K Ö T Z S O H K E - K R E T Z S C H M A R , Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 25. 2 ) Keineswegs haben die Slaven, wie der slavische Forscher L U B O R N I E D E R L E behauptet, bereits im 3 . und 4 . Jahrhundert die Elbe erreicht. Vgl. dazu H A N S W I T T E , Urheimat und Westausbreitung der Slaven, „Volk und Rasse", 3 . Jahrg., 1 9 2 8 , S. 1 5 , sowie überhaupt diese Arbeit W I T T E S . Erst Mitte des 6 . Jahrhunderts kamen die Slaven in ihrem Gros durch den Stoß der Avaren in Bewegung und begannen aus ihrer Urheimat östlich der Weichsel westwärts zu wandern. Vgl. ferner dazu R A D I G , in F R E N Z E L - R A D I G - R E C H E , Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 1 6 0 . 3 ) Im besonderen R U D O L F M U C H hat darauf hingewiesen, daß erst durch den Abzug der Langobarden aus ihren Sitzen in Böhmen-Schlesien und der schon von ihnen geführte Vernichtungskampf gegen die Gepiden den Slaven der Weg nach dem Westen freigemacht worden war (WITTE, a. a. O., S. 17). 4 ) Vgl. dazu auch C A R M E S I N , a. a. O . , S . 3 9 . Lütge, Agrarverfassung. 3 R U D O L F KÖTZSCHKE,
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das 7. Jahrhundert sind das Brandgrab von Dresden-Stetzsch sowie eine zweite Pfeilspitze aus Groß-Dresden bisher die einzigen Zeugen der Anwesenheit avarisch-slavischer Bevölkerung, die aus einigen avarischen Herren und slavischen Hörigenfamilien bestanden haben muß. Die sog. frühslavische Tonware, die nach alter Lesung von 600—800 vorhanden gewesen sein müßte, fehlt vollständig; es fehlen jegliche andere Relikte, somit auch Brandgräber und Burgwälle dieser Zeit" 1 ). Kann man für diese Zeit also auch noch kerne dichte slavische Besiedlung in den Gebieten rechts der Saale annehmen, so stellten die Slaven doch immerhin schon eine beträchtliche militärische Kraft dar, wobei allerdings zunächst an die in Böhmen ansässigen Stämme zu denken ist. Unter Führung eines Franken namens SAMO warfen sie das Avarenjoch ab 2 ), und SAMO schwang sich zum König auf (623)3). Bald darauf kam es auch zum Konflikt mit König DAGOBERT, und es geschah 631/32, daß das Frankenheer geschlagen wurde4). Jetzt ging auch der nördlich des Erzgebirgskammes gebietende, noch unter fränkischer Oberhoheit stehende Sorbenfürst DERVANUS ZU SAMO über 5 ); das bedeutete den endgültigen Verlust dieser Landstriche, die die Franken als Erben des Thüringerreiches übernommen hatten. Damit brach eine Zeit an, 1) RADIG, im Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 161. W i r schließen uns dieser Ansicht an, weil sie auch mit den sonstigen Ergebnissen der Forschung übereinstimmt, weisen aber darauf hin, daß die genauere Datierung und Identifizierung slavischer Funde z.Z. noch unsicher ist. Vgl. dazu die Bemerkungen von PAUL REINECKE, Die Slaven in Nordostbayern, „Der Bayerische Vorgeschichtsfreund", Heft V I I , 1927/28, S. 19f., passim. E s geht aber zu weit, wenn er S . 21 sagt, daß sich mit den Bodenfunden nicht viel anfangen ließe. 2) Quelle dafür ist FREDEGARS Chronik, K a p . 48. Hier auch Schilderung der Unterdrückungsmethoden der Avaren. Deutsche Übersetzung der maßgebenden Abschnitte neuerdings bei STUHLFAUTH, a. a . O., S. 20. SAMO starb 658. 3) Man darf sich SAMOS Herrschaft und „ R e i c h " nicht allzu ausgedehnt vorstellen; eine Konzentration der politischen Gewalten in Böhmen setzte erst später ein. Man muß ihn als Oberhäuptling eines oder mehrerer miteinander verbundener Stämme im böhmischen Grenzgebiet südlich des Fichtelgebirges ansehen. Vgl. dazu das Näheren OTTOMAR NEMECEK, Das Reich des Slavenfürsten Samo; in: „ X X I I I . Jahresbericht d. deutschen Landes-Oberrealschule in Mährisch-Ostrau für das Schuljahr 1905/06", und A. STUHLFAUTH, a . a. O., S. 23 ff., der ausführlich auf NEMECEKS (auch mir nicht zugängliche) Arbeit eingeht. 4)
FREDEGARS Chronik,
Kap. 68;
E.
DEVRIENT,
a. a. O.,
S.
14.
5) Vgl. den oben S. 32, Anm. 5, wiedergegebenen Urtext dieser Nachricht, die j a ganz unzweideutig von der bisher anerkannten fränkischen Oberhoheit spricht. V g l . d a z u a u c h KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR, a . a . O . , B d . I , S . 2 6 f . STUHLFAUTH, a . a .
O., S. 28, denkt allerdings an oberfränkische Bezirke als Sitz des DERVANUS (doch wohl kaum mit R e c h t ) .
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die für die deutsche Grenzbevölkerung schwere Prüfungen mit sich brachte. Schon 6 3 2 / 3 3 machten die Slaven Einfälle in Thüringen, d. h. wohl in erster Linie Nordthüringen, das den Sachsen zugefallen war. Die hier wohnenden Sachsen verschworen sich zum Schutz der Grenze unter der Bedingung, daß König DAGOBERT ihnen den von LOTHAR I . auferlegten Zins von 5 0 0 Kühen jährlich erließe; das geschah, aber ohne daß die Sachsen ihr Wort hielten1), was zu weiteren Einfällen der Feinde führte. Schon aus dem folgenden Jahre ( 6 3 3 / 3 4 ) berichtet der Chronist von ständigen Plünderungszügen und verheerenden Einfällen nach Thüringen2). DAGOBERT entschloß sich daher, seinen Sohn als S I G I B E R T III. zum König des Teilreiches Austrasien einzusetzen, was wohl als ein kluger Schritt angesehen werden kann. S I G I B E R T ernannte RADULF, Sohn des CHAMAR, zum Herzog der Thüringer, offenbar mit dem besonderen Auftrag, die Grenze zu schützen. R A D U L F griff sofort mit starker Hand zu und schlug die Slaven zurück3). Doch die Saale wurde jetzt nach und nach zur Grenze, denn auch das Werinofeld war inzwischen verlorengegangen, nachdem die Warnen einen Aufstand gegen die Frankenherrschaft versucht hatten, der aber blutig niedergeschlagen wurde ( 5 9 4 / 9 5 ) 4 ) . Die Thüringer hatten dabei ihre Nachbarn im Stich gelassen. Waren auch die Verluste groß, so werden sich doch Reste dieses Volkstums über die Saale hin gerettet haben, nachdem sie — geschwächt wie sie waren — sich den Slaven gegenüber nicht mehr behaupten konnten, als diese dann nach und nach stärker in diese Gebiete eindrangen. Damit war dann das Deutschtum in die Saalelinie zurückgedrängt oder vielmehr hatte sich selbst auf diese Linie zurückgezogen. So fällt dieses östliche Gebiet von jetzt ab aus der hier vorgenommenen Untersuchung und Darstellung heraus. Damit war dem Vordringen der Slaven auf das später als altdeutsches Stammland bezeichnete Gebiet immer noch kein Einhalt geboten. Sie besetzten im Norden die Altmark und z. T. Ostholstein sowie das hannoversche Wendland, die Gebiete des späteren Saal1) F R E D E G A R S Chronik, Kap. 74. 2) Ebenda, Kap. 75. 3) Ebenda, Kap. 74. Rudolstadt wird mit ihm in Verbindung gebracht. 4) Vgl. dazu u. a. L U D W I G SCHMIDT, Die Hermunduren. „Histor. Vierteljahrschrift", III. Jahrg., 1900, S. 318. Er nimmt wohl mit Recht an, daß die Nachricht von F R E D E G A R . . . „et ita Arni trucidati victi sunt, ut parum ex ipsis remansisset" . . . stark übertrieben sei. Ob wohl mit dieser Warnen-Ansiedlung der Weringgau a. d. Werra in Verbindung gebracht werden kann ? S T U H L F A U T H will dies mit der Ansiedlung der von ihm für Warnen gehaltenen Nordschwaben tun (a.a.O., S. 19). 3*
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kreises, der Grafschaft Mansfeld und z. T. Anhalts, und im Süden drangen sie in das spätere Ober- und Mittelfranken bis zur Regnitz und in die Oberpfalz ein1). Wir finden aber auch Slaven links der mittleren Saale, also in Thüringen, und zwar bis in den äußersten Westen unseres Gebietes. Mit diesen Slavenvorkommen und deren Bedeutung für die Bevölkerungsverhältnisse und Siedlungsgeschichte haben wir uns nun hier zu beschäftigen: Zunächst eine Vorbemerkung: Es ist dabei nicht zu umgehen, daß einige Probleme kurz mit erörtert werden, die streng genommen aus dem für dieses Kapitel abgesteckten Rahmen herausfallen, das ja der Aufgabe gewidmet ist, einen Überblick über die verschiedenen Siedlungsperioden zu geben. Bei der Betrachtung der Slavenvorkommen ist es aber nicht zu vermeiden auf Fragen einzugehen, die mehr in das Gebiet der Agrarverfassung fallen, wenn anders die Bedeutung dieses fremden Volkstums für die thüringische Volksgeschichte klargestellt werden soll, und es erscheint daher besser, alle auf die Slavenvorkommen bezüglichen Fragen in einem geschlossenen Zusammenhang zu behandeln als an getrennten Stellen und eine gewisse Sprengung des Rahmens in Kauf zu nehmen. Erforderlich ist es zunächst, sich über den Umfang der Slavenvorkommen in unserem Gebiet Klarheit zu verschaffen. Dann ist es notwendig, der Frage nachzugehen, in welchem politischen Rahmen diese Zuwanderung sich abgespielt hat, und damit steht 1 ) A U G U S T M E I T Z E N , Die Ausbreitung der Deutschen in Deutschland und ihre Besiedlung der Slavengebiete, „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", 32. Bd. 1879, S . 4. E D . O. S C H U L Z E , die Kolonisierung und Germanisierung der Gebiete zwischen Saale und Elbe. Leipzig 1896, S. 7. Seit diesen beiden Arbeiten haben natürlich umfangreiche neue Untersuchungen stattgefunden. Soweit diese das uns hier interessierende Gebiet betreffen, wird darauf in den folgenden Seiten eingegangen. Dagegen ist eine Beschäftigung mit den die anderen Gebiete betreffenden Slavensiedlungen in diesem Rahmen nicht möglich. Vgl. wegen der diesbezüglichen neuesten Literatur den bereits erwähnten Aufsatz von W I T T E sowie die unten S. 41, Anm. 2 angeführte Arbeit von H. F . S C H M I D . Über das Eindringen der Slaven in Franken (Nordostbayern) vgl. neuerdings speziell: M A R G A R E T E BACHMANN, Die Verbreitung der slavischen Siedlungen in Nordbayern, phil. DLss. Erlangen 1911; P A U L R E I N E C K E , Die Slaven in Nordostbayern, „Der Bayerische Vorgeschichtsfreund", Heft VII, 1927/28, S. 17ff.; E . F R H R . v. G U T T E N B E R G , Die Territorienbildung am Obermain, in „Bericht des Hist. Ver. zu Bamberg", 1928, bes. Kap. 1 (enthält einige Irrtümer). A. S T U H L F A U T H , Die bairisch-fränkische Kolonisation gegen die Slaven auf dem Nord- und Radenzgau, in „Archiv f. Geschichte u. Altertumsk. von Oberfranken", 31. Bd., Heft 3, 1932. In Heft V I I I des „Bayerischen Vorgeschichtsfreund", 1929, S.42f. weist P A U L R E I N E C K E einige irrtümliche Angaben von C A R L S C H U C H H A R D T in dessen Buch „Vorgeschichte von Deutschland", 1928, über die Slavensiedlungen in diesen Gegenden zurück.
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im Zusammenhang das andere Problem, in welcher wirtschaftlichen und sozialen Lage sich diese Slaven befunden haben, d. h. auch, inwieweit sie sich in dieser Hinsicht von der deutschen Bevölkerung unterschieden haben. Verschaffen wir uns also zunächst einen Überblick über ihre Verbreitung in dem hier behandelten Gebiete. Auf unbedingte Vollständigkeit aller Orte, in denen je Slaven nachgewiesen sind, kann es dabei nicht ankommen, wohl aber dürfte kein wesentliches Vorkommen übersehen sein. Dabei lassen wir es zunächst im einzelnen dahingestellt, ob die jeweils nachgewiesenen Slaven freiwillig oder gezwungen dort ansässig geworden sind, d. h. ob sie als Sieger nach Westen vordrangen (nach 632) oder als freiwillige Kolonisten oder als Kriegsgefangene oder schließlich als gekaufte Sklaven. Eines steht fest: die Zuwanderung von Slaven war kein einmaliger Akt, sondern eine Angelegenheit von 4 Jahrhunderten; sie erfolgte bis in das 10. Jahrhundert hinein. Der Gedanke, damit im Endergebnis rassisch fremde Elemente in das eigene Volkstum hereinzuziehen, tauchte wohl überhaupt gar nicht auf, und wenn er auftauchte, so trat er zumindesten im 9. und 10. Jahrhundert zurück gegenüber dem Wunsche, Kolonisten und Arbeitskräfte zu gewinnen, ein Verlangen, das besonders bei den Herrschern im Hinblick auf die großen Königsgüter in Nordthüringen, und bei den Klöstern, besonders Fulda, rege werden mußte in einer Zeit, in der es noch ungeheuer große Waldstrecken zu roden galt und ein ausgedehntes Salland der Bebauung harrte. Die relative Seltenheit des Menschen gerade in den westlichen und südwestlichen Waldgebieten unseres Bereiches ließ den deutschen freien Bauern so viele günstigere Möglichkeiten, daß sie zur Übernahme größerer Verpflichtungen kaum oder gar nicht zu bewegen waren, solange sie sich durch Rodung überall ein freies Erbe schaffen konnte. Wir haben hier ganz den gleichen Vorgang vor uns, wie er in den folgenden Jahrhunderten bei den slavischen Großen einsetzt, die deutsche Kolonisten heranziehen, ohne sich dabei darüber klar zu werden, daß sie sich selbst und ihrem Volkstum damit das Grab schaufelten. Nur hat in Thüringen das eigene — d. d. deutsche — Volkstum schließlich doch gesiegt, und ist nicht, wie im Osten das slavische, dem fremden politisch und kulturell erlegen. Wie hat nun die Verbreitung der Slaven in dem von uns untersuchten Gebiete im einzelnen ausgesehen ? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Die Slaven haben ja auf alle Fälle nicht nur dort gesessen, wo dies urkundlich
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oder sonst in einwandfreier Weise positiv bezeugt ist. Namenforschung und Ergebnisse der Spatenwissenschaft weisen darauf hin, daß sie in ausgedehnterem Maße auch sonst westlich der Saale und des Fichtelgebirges gesessen haben. Aber in welchem Maße, das ist eben die Frage. Es sei hier so vorgegangen, daß zunächst einmal unkritisch alle Siedlungen zusammengestellt werden, die in der maßgeblichen Literatur überhaupt als slavisch angesprochen worden sind. Erst daran anschließend kann dann kritisch dazu Stellung genommen und erörtert werden, ob man tatsächlich eine solche Ausdehnung der Slavensiedlungen anzunehmen hat. Wir gehen bei diesem Überblick von dem Unstrutgebiet aus, für das wir die ausgezeichnete Untersuchung von S C H L Ü T E R haben, greifen dann zur Abrundung nach Norden aus, bis etwa an den Breitengrad von Halle, und gehen dann süd- und westwärts. Das von O. S C H L Ü T E R 1 ) besonders sorgfältig untersuchte n o r d ö s t l i c h e T h ü r i n g e n — vom Kyffhäuser bis zur Saale2), vom Südrand des Harzes bis zum Südabfall der Finne, Schmücke und Hainleite — weist besonders zahlreiche slavische Siedlungen auf; es handelt sich dabei um das Mündungsgebiet und den Unterlauf der Unstrut und die Umgebung von Querfurt. Wenn auch bei einigen Orten gewisse Zweifel hinsichtlich der Herkunft erlaubt erscheinen, so kommt S C H L Ü T E R nach Erwägung alles Für und Wider doch dazu, die folgenden 45 Ortschaften dieses Gebietes für ursprünglich slavisch anzusehen: 1. N ö r d l i c h d e r U n s t r u t : Boblas, Dobichau, Eulau, Gleina, Göhritz, Gölbitz, Goseck, Grochlitz, Groß-Jena, Kaatschen, Kreipitzsch, Krölpa, Laucha, Löbschütz, Markröhlitz, Nebra, Neidschütz, Pödelist, Poppel, Pretitz, Prießnitz, Punkewitz, Punschrau, Schellsitz, Schieben, Schimmel, Ober-Schmon, NiederSchmon, Tultewitz, Zeckwar, Zeuchfeld, Zingst, Zscheiplitz 3 ). 2. S ü d l i c h d e r U n s t r u t liegen die folgenden Ortschaften: Gößnitz, Klein-Jena, Golzen, Größnitz, Kalbitz, Nißmitz, Plcißmar, Plößnitz, Pomnitz, Seena, Taugwitz, Weischütz. 1) O. S C H L Ü T E R , Die Siedelungen im nordöstlichen Thüringen, Berlin 1903. Vgl. dazu ferner: H E R M A N N G R Ö S S L E R U. B R Ü C K N E R , Die slavischen Ansiedelungen im Hassegau, „Archiv f. slavische Philologie", Bd. V, 1881; H. G R Ö S S L E R , Die Besiedelung der Gaue Friesenfeld und Hassengau, „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", Jahrg. 8, 1875; D e r s e l b e , Die Wüstungen des Friesenfeldes u. Hassegaues, ebenda, 11. Jahrg., 1878; L . N A U M A N N , Skizzen und Bilder zu einer Heimatskunde der Stadt und des Kreises Eckartsberga, Heft 1, 2, 3, Eckartsberga 1898, 1900, 1902. 2) Einschließlich des rechten Uferstreifens zwischen Naumburg und Bad Kösen. 3)
O.
SCHLÜTER,
a. a.
O.,
S. 4 0 1 f.
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Das sind nur die heute noch bestehenden Siedlungen; zu ihnen treten noch 41 Wüstungen, nämlich: Böllnitz, Böthen, Cranewitz 1 ), Damsla, Groß-Döben, Klein-Döben, Döcklitz, Dölitz, Droißig, Ehrau, Gestewitz, Gostilitz, Kriebitsch, Kröppen, Kunisch, Kymen, Lasan, Lindeschu, Lönitz, Löpnitz, Loisch, Müchel, Alt-Nebra, Oeblitz, Orlas, Orlitz, Pönitz, Pottlau, Prößig, Reußen, Scherwitz, Schlagwitz, Seebitzsch, Storchwitz, Theiditz, Tauschwitz, Thesnitz, Wölbitz, Zaglitz, Zedemich, Zieritz'). Vergleichen wir die Lage dieser Wüstungen 3 ), so ergibt sich, daß sie fast alle in den oben angegebenen Gebieten anzutreffen sind, in denen auch die heute noch bestehenden Ortschaften slavischen Ursprunges gelegen sind, also Mündungsgebiet und Unterlauf der Unstrut und die Umgebung von Querfurt. Nur drei einzelne verstreute Wüstungen finden wir weiter westwärts gelegen. Daraus geht hervor, daß die Slaven nicht etwa aus einem von ihnen ursprünglich dichter besetzt gewesenen Gebiet verdrängt worden sind und so diese Siedlungen zu Wüstungen wurden, sondern daß die Zahl der slavischen Orte aus den normalen uns aus der Wüstungskunde bekannten Gründen in jenem Gebiete zusammengeschmolzen ist, in dem sie offenbar ziemlich dicht saßen. Außer den genannten Orten findet sich noch 1219 Gostnitz (bei Eckartsberga) als Ort mit Slaven urkundlich bezeugt 4 ). Doch sind damit in keiner Weise die Slavenvorkommnisse in diesem Gebiete erschöpft. Es sind vorstehend ja nur solche Ortschaften genannt, die aus diesen und jenen Gründen (vor allem auf Grund der Ortsnamen) als slavische Gründungen angesehen werden. Nun wissen wir aber, daß Slaven als Unfreie weithin über Thüringen verbreitet waren, und zwar nicht selten auch in Dörfern, die rein deutsche Namen tragen und nachweislich auch in einer Zeit gegründet sind, in der dem slavischen Vordringen längst ein „ H a l t " geboten war. Das läßt sich auch in einigen Fällen in diesem engeren Teilgebiet nachweisen. Das berühmte Brevarium St. Lulli — zusammengestellt um 900 s ) — nennt Slavenvorkommen aus mehreren Orten dieses Gebietes, nämlich in Emsen und Ramuchesdorf (beide wüst bei Buttstädt), Butts t ä d t selbst, Balgstädt bei Laucha'), Wennungen (südöstlich Nebra a. Unstrut)'), Rudersdorf (wüst im Amte Allstedt), Lißdorf (bei Eckartsberga) und Zatesdorf 8 ). Ferner finden wir z. B. 1124 in Bibra, das S C H L Ü T E R mit Recht zu den Siedlungen der 1. Periode zählt'), urkundlich eine Sorbensiedlung bezeugt, die wohl auch auf die sächsischen Könige zurückgeht 10 ). Wahrscheinlich trifft das gleiche f ü r Beichlingen und Caanawurf zu, deren Kirchen (wie die alte in Bibra) dem Heiligen Aegidius 1) Noch 1217 bezeugt (DOBENECKER, Regesten, II, Nr. 1746). 2) O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 409f. Daselbst ist auch stets die Gemarkung der Ortschaft, in der die Wüstung jetzt liegt, angegeben. 3) Ebenda, Karte 5. 4) DOBENECKER, R e g e s t e n , I I , N r . 1859.
5) Neueste und beste (wenn auch gekürzte) Wiedergabe bei D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 50. Wörtlicher Abdruck durch G. L A N D A U in „Zeitschrift d. Ver. f. hessische Geschichte u. Landeskunde", Bd. X, 1865, S. 184ff. 6) Nicht bei Gotha, wie L A N D A U will. 7) So DOBENECKER, wohl richtiger als LANDAU, der an Winningen bei Aschersleben denkt (urkundliche Form ist: Wenninge). 8) Nicht festzustellen. Es ist daher auch nicht unbedingt gesagt, daß der Ort hier zu suchen ist, wenn auch der geographische Zusammenhang dafür spricht. 9) O . SCHLÜTER, a . a . O . , S . 3 9 6 .
10) L. NAUMANN, Geschichte des Kreises Eckartsberga, S.61.
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gewidmet waren, einem bei den Slaven sehr beliebten Schutzpatron (neben St. Veit) 1 ). Unter den Pfarräckern von Auerstedt kommt noch 1575 zweimal der Name „der deutsche Acker" vor, was einen sla vischen Acker als Gegensatz voraussetzt, und in dem benachbarten Reisdorf kommen mehrere rein slavische Flurnamen vor; und da überdies die Kirchen dieser Orte dem Heiligen Veit gewidmet sind, kann es als sicher angenommen werden, daß hier auch slavische Elemente vorhanden gewesen sind1). Von jedem slavischen Flurnamen auf slavische Beimischung zu schließen, wie NAUMANN das zu tun in der Gefahr ist3), würde allerdings zu weitgehen. Auch die Slavenvorkommen bei Q u e r f u r t 4 ) kommen noch mehrfach in den urkundlichen Nachrichten vor, wobei auch noch andere Ortsnamen auftauchen. So schenkt z. B . Kaiser O T T O D . G R . auf Bitten seiner Mutter M A T H I L D E dem Nonnenkloster zu Quedlinburg in Oberschmon, wo es bereits begütert war, noch 12 Slavenfamilien samt deren Grundbesitz6). Und als F R I E D R I C H B A R B A R O S S A 1179 Einkünfte aus dem Königshofe Allstedt gegen andere eintauschte, wird in dem Orte Farnstedt bei Querfurt ausdrücklich eine Slaven-Manse (,,Mansus slavicus") erwähnt'). Das gleiche gilt für Deltz bei Lauchstädt 7 ). Wie schon erwähnt, weist auch das weiter nördlich gelegene M a n s f e l d i s c h e Gebiet eine nicht unwesentliche slavische Beimischung auf, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden mag, auch wenn dieser Landstrich, wie überhaupt alles nördlich der Unstrut, in den Quellen nicht mehr zu Thüringen, sondern zu Sachsen gerechnet wird8). In der alten Grafschaft Mansfeld gelten als slavische Siedlungen Elbitz, Gödewitz, Trebitz, Zörnitz, Möschwitz"), Rumpin, Lochwitz, Zickeritz, Ihlewitz, Hübitz, Volkmaritz, Wilz, Schochwitz, Zellewitz, Freist, Oeste, Zabitz, Quillschina und das jetzt wüste Gerkwitz10). Aber auch hier treffen wir auf die schon berührte Erscheinung, daß uns auch in anderen Dörfern mit rein deutschen Namen slavische Bauern nachgewiesen werden. So erwähnt der Tauschvertrag zwischen Erzbischof A D A L B E R T von Magdeburg und Abt W E R N I H A R von Fulda vom Jahre 973") Slaven in den folgenden Orten, die 1) L. N A U M A N N , Geschichte des Kreises Eckartsberga, S. 61. 2) Ebenda, S. 62. - 3) Ebenda, S. 61 ff. - 4) S. oben S. 38 f. 5) Mon. Germ. Hist. Dipl. Otto I, Nr. 18; D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 354. 6) D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 555 (vgl. auch Nr. 571). G. S C H M I D T , Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt, Bd. I, S. 252, Anm. 1. Vgl. auch meinen Aufsatz, Die Unfreiheit in der ältesten Agrarverfassung Thüringens, a. a. O., S. 165, Anm. 3. Ebenda, S. 288f., über das weitere Schicksal dieser 12 Familien. 7) G. S C H M I D T , Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt, Bd. I, Nr. 281 ( D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 522). Die Bezeichnung „Mansus slavicus" bedeutet keineswegs, daß der Inhaber dieser Hufe noch Slave war; es kann sich dabei durchaus um die Beibehaltung einer alten, einst auch sachlich gerechtfertigten Bezeichnung handeln. Vgl. dazu auch, was E D . O . S C H U L Z E , a. a. O . , S . 113, parallel dazu über Smurdenhufen sagt. 8) U. S T E C H E L E , Die von 700—900 vorkommenden thüringischen Ortsnamen, a. a. O., S. 120f. 9) Noch 1215 bezeugt ( D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 1624). 1 0 ) K . H E I N E , in „Mansfelder Blätter", 5 . Jahrg., 1 8 9 1 , S. 5 (in Übereinstimmung mit K R U M H A A R , Die Grafen von Mansfeld, S. 3f.). 11) Erhalten in der Bestätigungsurkunde O T T O S II. vom 22. X. 973. Mon. Germ. Hist. Diplomata Otto II, Nr. 64a. D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 455. D R O N K E , Über die Slaven auf den ehemaligen Gütern des Klosters Fulda, „Zeitschrift d. Ver. f. hess. Geschichte u. Landesk.", N. F., Bd. I, S. 67.
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jetzt aus Magdeburger in Fuldaer Besitz übergehen: Freckleben, Schackstedt, O m e r , Leinibach, Vatterode, Harkerode, Mansfeld, Dodendorf, Rodonwalli (Wüstung bei Sandersleben), Nienstedt, Purtin (Wüstung bei Freckleben), Eisleben „aliisque uillis uillarumque partibus quas sclouuanicae familiae i n h a b i t a n t " (leider sind diese anderen Orte nicht genannt). Die Ansiedlung durch Grundherren (Erzbischof, König, Grafen) dürfte auch hier eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Um eine Abrundung zu bieten, seien nachstehend noch die Namen derjenigen Ortschaften genannt, die C H R . A L B R E C H T in seiner allerdings durchaus nicht vollständigen Liste (die durch einen großen Teil der vorstehend genannten Namen bereits ergänzt werden konnte) aufführt 1 ), soweit sie in dem linkssaalischen Gebiet zwischen dem Breitengrad von Halle und der Unstrut liegen. Wir bekommen dadurch eine Vorstellung von der Dichte dieser slavischen Besiedlung dieser Gegenden östlich des Harzes. Hier wären also zusätzlich noch zu nennen (von Norden aus nach Süden gehend): Cröllwitz, Zscherben, Grimnitz, Teutschental, Beulitz, Schlettau, Röpzig, Delitz, Corbetha, Dörstewitz, Milzau, Netzschkau, Storchwitz, Zaglitz, Ponitz, Drossig, Schomlitz, Oechlitz, Krakau, Raschwitz, Globikau, Göhlitzsch, Daspig, Zurbewitz, Reipisch, Kötzschen, Beuna, Nausitz, Zorbau, Stöbnitz, Geißelröhlitz, Zöbigker, Kämmeritz, Krumpa, Groß- und Klein-Kayna, Spergau, Rössen, Leuna, Kröllwitz, Borau, Kraßlau, Groß-Corbetha, Kriechau, Beuditz, Obschütz, Storkau, Uichteritz, Lobitzsch, Pettstedt, Schlackwitz und L a u t a m a ; und dazu kommen noch die folgenden Wüstungen in dem gleichen Gebiet: Krewitz, Oßnitz, Barau I und Barau II, Schwötzdorf, Peutnitz, Granau, Podelwitz, Görbitz, Horke, Zeitze, Beizig, Brustwitz, Zwokau, Möckern, Zimnitz, Rani, Zwanzig, Wellwitz, Doppudel, Zurbewitz, Borau, Gerstnitz, Kobolani und Lietschke. Südlich der Unstrut (bis zur Ilm) liegen außer den bereits genannten Orten nach A L B R E C H T noch: Borgau, Ködderitzsch und die beiden Wüstungen Mocks und Nertzsch. Im besonderen ist die Heranholung fremdrassiger Ansiedler auf den großen K ö n i g s h ö f e n N o r d t h ü r i n g e n s ein Faktor gewesen, ohne den die politische und wirtschaftliche Vorrangstellung dieser wichtigen Stützpunkte sächsischer Königsmacht gar nicht zu denken gewesen wäre. I n Nordhausen, Tilleda, Wallhausen, Allstedt und Memleben finden wir Slaven angesetzt, wenn sie auch z. T. im 12. Jahrhundert wieder weichen mußten, soweit sie sich weigerten, das Christentum anzunehmen'). Besonders Nordhausen, damals noch der Vorort dieses ganzen Gebietes, ist mit einem ganzen Kranz von Dörfern umgeben, in denen sich Slaven nachweisen lassen. ,,So erscheinen die Nachbardörfer Steinbrücken, Ascherswenden, Nenzelsrode, Bielen, Windehausen, Othstedt, Bechersdorf, Libez und Tütschewenden als rein wendische, Leimbach, Buchholz und Urbach als teilweise mit Wenden besetzte 1) C H R . A L B R E C H T , Die Slaven in Thüringen, in „Jahresschrift f. d. Vorgeschichte der sächs.-thür. Länder", X I I . Bd., 1925, S. 68ff. Die Schrift von C H R . A L B R E C H T ist da und dort nicht fehlerfrei. 2) K. M E Y E R , Beiträge zur urkundlichen Geschichte der Goldenen Aue, 2. Aufl., Nordhausen 1876, S. 2. Auch sonst finden wir die Erscheinung, daß im 12. Jahrhundert heidnisch gebliebene Slaven vertrieben werden, so in größerem Umfange in den zu der Erzdiözese Magdeburg gehörigen Sorbengauen (vgl. dazu H. F. S C H M I D T , Die slavische Altertumskunde und die Erforschung der Germanisation usw., „Zeitschrift f. slav. Philologie", Bd. I, 1924, S. 410f.). Sollte hier nicht letztlich ein Umschwung in dem Wesen der herrschenden Frömmigkeit als innere Triebkraft vorliegen ?
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Orte" 1 ); ihre Anlage ist in das 10. Jahrhundert zu verlegen. (Nordhausen wurde 929 gegründet.) Die beiden (jetzt wüsten) Dörfer Ascherswenden und Nenzelsrode werden noch 1133 als Slavenorte (,,duos vicos Slavonicorum") bezeichnet und mit allen Pertinenzien, unter denen auch „sclavi" genannt sind, vom Erzbischof ADALBERT von Mainz a n das Stift Jechaburg geschenkt'). B e i Sondershausen liegt Bessingen mit 28 dort bezeugten Slaven, die an Fulda Zinsen3). Noch 1128 werden außer dem oben bereits genannten Steinbrücken die Dörfer Otterstedt und Sittendorf und die (jetzigen) Wüstungen Bethersdorph (wahrscheinlich Bersdorf zwischen Weißensee und Sömmerda), Lindescum (Lindeschu östlich Kelbra) als Slavenorte genannt und von Steinbrücken, Klein-Ballhausen und Abtswenden wie von der (jetzigen) Wüstung Martbeche (bei Niederspier) ein „Slavenzehnt" (decima sclavorum) erhoben 4 ). Unter den Fuldaer Besitzungen erscheint ein „Salzaha" mit tributpflichtigen Slaven, welcher Ort wohl als einer der Salz-Dörfer bei Nordhausen anzusprechen ist 5 ). Fernerhin sind als slavische Orte oder Orte, in denen Slaven nachgewiesen werden können, in diesem Gebiete der Helme und der oberen Unstrut einschließlich des Gebietes westlich ihrer Quelle (d. h. namentlich im Eichsfeld) noch anzusehen: Rosperswenden, Heiligenstadt'), Lutter (urkundlich Wyndischen Luttera), Rustenfelde'), Windeberg, Wenningshausen und Wenigensömmern, dazu die Wüstungen Wenigen-Seebach, Wendisch-Heilingen, Thalwenden, Alkoveswenden, Alt-Wenden und ein zweites Windehausen östlich Mühlhausen 8 ). MEYER und RACKWITZ fügen zu anderen vorstehend bereits aufgeführten Orten noch Schwiederswende hinzu"). Das leitet uns über zu den Slavenvorkommen in dem m i t t e l t h ü r i n g i s c h e n B e c k e n . Hier liegt, durch seinen Namen gekennzeichnet, das wüste WindischHolzhausen, das an sich also, wie eigentlich fast alle Orte in Mittelthüringen, selbst nicht slavischen Namenscharakter trägt, sondern nur durch den Zusatz „Windisch" verrät, daß hier Menschen dieses fremden Volksstammes ansässig waren. An der Unstrut selbst liegen noch Vargula und Sömmerda, mit ihren mehrfach bezeugten Slavenvorkommen (8.—12. Jahrhundert) 1 0 ). Südlich finden wir Tüngeda 11 ) und dann die Orte um Erfurt herum. So ist Schwabhausen bereits im Brevarium St. Lulli 1) K . MEYER, Entwicklungsgeschichte der Stadt Nordhausen, „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", 20. Jahrg., 1887, S. 532. Mehrere dieser Orte sind schon im 16. Jahrhundert wüst. Wir sehen hier Slaven in (zum größten Teil) rein deutschen (dem Namen nach) Orten, ein weiterer Beweis dafür, wie wenig man sich allein nach dem Namen richten darf! 2) K . F . STUMPF, Acta Maguntina Seculi X I I , Innsbruck 1863, Nr. 17; DOBENECKER, R e g e s t e n , I , N r .
1276.
3) DRONKE, Trad. et Ant. Fuld., Kap. 43, Nr. 14. 4) DOBENECKER, R e g e s t e n , I, N r . 1 2 1 8 ;
STUMPF, e b e n d a , N r . 1 3 .
5) DRONKE, ebenda, Nr. 18. Auch P. HÖFER, Die Frankenherrschaft in den Harzlandschaften, a. a. O., spricht S. 165 von der Urbarmachung der Landstriche um Nordhausen durch angesetzte Slaven. 6) Jedenfalls hat es eine „Windische Gasse". 7) Mit dem Dorfteil „Die Kalitzsche". 8) CHR. ALBRECHT, ebenda. Vgl. auch die beiden hier beigefügten Karten. 9) K . MEYER u. R . RACKWITZ, Der Helmegau, ,,Mitt. d. Ver. f. Erdk. zu Halle a. S . " , 1888, S. 74 u. S. 118. 10)
STECHELE, a. a. O., S. 1 2 5 ; DOBENECKER, R e g e s t e n , I I , Nr. 3 1 7 ;
DRONKE,
Trad. et Ant. fuld., Kap. 43, Nr. 13 u. Nr. 16. 11) bei Gotha; nachgewiesen im Brevarium St. Lulli (s. oben S. 39, Anm. 5).
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genannt1). Die älteste Urkunde, die von den Slavenvorkommen bei Erfurt spricht — die Schenkung des Königs D A G O B E R T von 706') —stellt zwar eine Fälschung dar. Doch ist damit ja keineswegs bewiesen, daß, wenn das Dokument nicht echt ist, auch die darin enthaltenen Angaben nicht stimmen ; wir werden sogar S. 181 in einem ganz anderen Zusammenhange sehen, daß man die in der Urkunde mitgeteilten Tatsachen wohl als zutreffend bezeichnen muß. Und das gilt wohl auch für diese Nachrichten über Slaven in den im Walde um Erfurt angelegten Dörfern Tonndorf, Daberstedt, Töttelstedt, Neckerode, Hochdorf. Wahrscheinlich sind damals auch noch Slaven in anderen Dörfern angesiedelt worden (wobei ja nicht gesagt ist, daß sie nicht neben Deutschen gesessen haben). Auf alle Fälle steht fest, daß noch 1157 in einer erzbischöflichen Urkunde den erzbischöflichen Slaven in Dittelstedt, Melchendorf und Daberstedt Zollfreiheit gewährt wird für allen zu ihrem Bedarf erforderlichen Ein- und Verkauf3). Und wenn in einer anderen Urkunde des gleichen Jahres die Rede ist von „homines familie nostre qui episcopali mense nostre deserviunt", und zwar in bezug auf die erzbischöflichen Küchendörfer, dann sind möglicherweise auch diese Slaven gemeint. Auch in Großsömmern sind uns 13 Slaven bezeugt1), und vielleicht muß man auch Stotternheim hier nennen6). Schließlich bezieht die Abtei Fulda Webearbeiten als Zins von 13 Slaven, die in Schönstedt (Amtsgericht Langensalza) ansässig sind"). Über Slavenvorkommen in Frienstedt bei Erfurt sind wir durch einen Vertrag zwischen dem Peterskloster und diesen Slaven betr. Zahlung der Zehnten aus dem Jahre 1227 unterrichtet') (wohl mit die letzte Erwähnung von Slaven in Thüringen überhaupt, die im allgemeinen in dieser Zeit schon in dem sie umgebenden deutschen Volkstum aufgegangen waren). Nach Süden zu schließen sich die Slavenvorkommen in der Gegend von Arnstadt an: Branchewinda, Nahwinden, Wenigen-Dornheim, Wenigen-Haarhausen und Wenigen-Dosdorf sind ihrer Namensbildung nach immerhin „verdächtig", zumal in dieser Gegend auch slavische Funde gemacht worden sind8). In Bachstedt bei Großruderstedt werden i. J . 1136 vier Slaven, die als ,,hospites" des Landgrafen bezeichnet sind, je eine Hufe übertragen (durch den Abt des Peterklosters in Erfurt)'). Es läßt sich schwer sagen, ob diese Slaven damals 1) Nach D O B E N E C K E R , Groß- oder Kleinschwabhausen zwischen Weimar und Jena. Ich möchte das letztere annehmen, da die Vorsatzsilbe Klein- dies eher vermuten läßt (im Gegensatz zum deutschen Groß . . . ) . L A N D A U denkt m. D . zu Unrecht an Schwabhausen bei Gotha, was unwahrscheinlicher, allerdings auch nicht ausgeschlossen ist. — 2 ) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 6 . 3) B E Y E R , Urkundenbuch der Stadt Erfurt, I, Nr. 42; K. F . S T U M P F , a. a. O., Nr. 147; D O B E N E C K E R , Regesten, I I , Nr. 155. 4) M . J A K O B D O M I N I K U S , Erfurt nach seinen geographischen usw. Verhältnissen, I. Teil, 2. Buch, Gotha 1793, S. 242. 5) Ebendort. — 6) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 43, Nr. 17. 7 ) B E Y E R , Urkundenbuch der Stadt Erfurt, I , Nr. 9 8 ( D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 2464). 8) E . C A E M M E R E R , Vor- und Frühgeschichte der Stadt Arnstadt und ihrer Umgebung, Arnstadt 1930, S. 34. 9) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 1324. Diese vier Slaven haben deutsche Namen. Wir können darin eine weitere Bestätigung der schon von J E G O R O V und W I T T E gemachten Feststellungen sehen, daß Träger deutscher Namen nicht auch ohne weiteres als Angehörige deutschen Volkstums angesehen werden können. (Nachweis bei H. F. S C H M I D , a. a. O., S . 142.)
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erst vom Osten oder sonstwoher hier zugewandert sind, oder ob es sich um die Reste eines alten Vorkommens handelt; das erste erscheint wahrscheinlicher, schon wegen der auffälligen Bezeichnung „hospites". Schließlich wären hier die Slavenvorkommen in Sulzbach, Römstedt (bei Apolda), Rottdorf und Dörnfeld (bei Blankenhain) und Nordfahner (bei Gotha) einzureihen, die S. 62, Anm. 6 noch in anderem Zusammenhange erwähnt werden. In Teutleben (gleichfalls bei Gotha) gibt es in der Dorfflur eine Wiese, die die „Deutsche Wiese" genannt ist, was dazu zwingt, als Gegensatz dazu slavische Flurstücke anzunehmen1). Immerhin erscheint ein solcher, rein auf Flurnamen aufgebauter Beweis nicht unbedingt sicher. Verfolgen wir nun den weitgehend von Slavenorten bedeckten Streifen auf der l i n k e n S e i t e der S a a l e ' ) von dem Unstrutgebiet ab südwärts'). Das Brevarium des Lullus nennt aus diesem Gebiete Rothenstein (südlich Jena), sowie Rudolstadt, Remda und Mulnhusun4). Das Vordringen der Slaven vom Orlagau aus in diese Gegend (Gau Husitin) 6 ) hat aber noch mehr Spuren hinterlassen. Wie unten S. 62 näher erwähnt, erhält das Kloster Fulda von Slaven aus Kahla und Engerde bei Kahla Landstücke geschenkt, so daß es auch hier Fuß faßte*). CHR. ALBRECHT7) nennt auch für dieses Gebiet noch eine größere Anzahl weiterer Orte, nämlich Stöben, Trebra, München-Gosserstedt, Kösnitz, Stiebritz, Nerkwitz, Stobra, Schöten, Rödigen, Altengönna, Lehesten, Closewitz, Kötschau, NeuenGönna, Döbritschen, Kospeda, Bucha, Koppanz, Wöllnitz, Maina, Göttern, DürrenGleina, Oßmaritz, Göschwitz, Zimmritz, Schirnewitz, Maua, Schöps, Greuda, Zwabitz, Treppnitz, Kräbitz, Groß- und Klein-Lohma, Tromlitz, Schorba, Söllnitz, Loßnitz, Lötschen, Döschnitz, Geunitz, Rettwitz, Milbitz (nordöstlich Stadtremda), Neusitz, Rödelwitz8), Robschütz8), Zeutzsch, Vorwerk Klosewitz, Vorwerk Groschwitz, Mörla, Gohritz, Schalla, Milbitz, Lossa und die Wüstung Treppnitz. An der oberen Ilm (Westufer) liegt etwas isoliert Ober- und Unter-Pörlitz und flußabwärts die Wüstung Maichlitz"). Das vorstehend mitgenannte Zwabitz bei Kahla ist uns i. J . 1221 auch urkundlich als Slavenort bezeugt10) und ebenso i. J . 1219 Beutnitz bei 1) L. NAUMANN, Geschichte des Kreises Eckartsberga, S. 62. 2) Einige wenige hart rechts an der Saale gelegene Orte sind, wo es zur Abrundung erwünscht erschien, mit aufgeführt. 3) Einige dicht südlich dieses Flusses gelegene Siedelungen sind schon oben S. 38 genannt. 4 ) Dieser Ort ist nicht zu deuten. D O B E N E C K E R , Regesten, I , S . 2 2 , will in ihmMölsen bei Erfurtsehen; auch LANDAU möchte es in dieser Gegend suchen (a.a. O., S . 185). S T E C H E L E hatte aber, was D O B E N E C K E R keineswegs übersieht, darauf hingewiesen, daß die Zusammenstellung mit Rudolstadt und Remda dafür spricht, es in deren Nachbarschaft suchen zu müssen. Das dürfte stichhaltig genug erscheinen, um es an dieser Stelle aufzuführen, ohne es als gänzlich unmöglich zu bezeichnen, daß die Forschung sich doch eines Tages für die Erfurter Gegend entscheidet. 5) Von W. C A R M E S I N , a. a. O., S. 93f., in das 7. Jahrhundert verlegt, wahrscheinlich aber erst später anzusetzen. 6 ) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 8 , Nr. 3 6 . 7 ) C H R . A L B R E C H T , a. a. O . Auch hier erfolgt die Aufzählung in nordsüdlicher Richtung. 8) Vgl. dazu H. LEO, a. a. O., S. 8f. (Einige Schreibfehler, die sich bei ALB R E C H T finden, sind hier verbessert.) 9) Über diesen Ort s. unten S. 51, Anm. 1. 1 0 ) D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 1 9 8 6 .
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Jena 1 ). Im äußersten Süden des linken Saaleufers, in der Oberherrschaft des ehemaligen Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt, treffen wir nach S E M P E R T außer den schon vorstehend genannten Döschnitz und Milbitz noch auf folgende Slavenorte: Barigau, Böhlen, Dröbischau, Fröbitz, Groß- und Klein-Gölitz, Goldisthai, Horba, Ober- und Unter-Köditz, Leibis, Leutnitz, Nahwinden, Meura, ein zweites Milbitz (östlich Paulinzella), Schüblingen und Scheibe'). Dazu kommen die folgenden Wüstungen: Dissau, Ebukowe, Redwitz8) und einige Flurnamen, die S E M P E R T ihrer ganzen Bildung nach gleichfalls glaubt auf Wüstungen zurückführen zu müssen, nämlich: Bochwitz, Gillwitz, Großwitz, Lockwitz, WUlnitz4). Das Land südlich der Saale, d. h. also südwärts von dem Knie, das die Saale bei Saalfeld bildet, ist bis ins 9. Jahrhundert hinein und z. T. noch länger ungemischt slavisch besiedelt gewesen, wie ja auch der ganze Orlagau. Wenn diese Gegend streng genommen auch links der Saale liegt, so lassen wir sie hier doch außer Betrachtung; sie gehört geschlossen zum ostdeutschen Kolonialgebiet5). Daß in Saalfeld, dem einstigen bedeutenden Königshof, auch slavische Unfreie vorkommen, ist nur selbstverständlich«). Auf alle Fälle sind — wie man auch über die vorstehende Aufstellung im einzelnen denken mag (s. unten S.49ff.) — die Slaven auch in der ganzen Länge ihres Mittellaufes links der Saale anzutreffen; auch nördlich von Rudolstadt hat die Saale nicht die Siedlungsgrenze gebildet7). Am dichtesten sind die Slaven in der Gegend von Kahla und Jena nach Westen zu vorgedrungen, und zwar nicht nur etwa 15 km, wie LEO meinte8), sondern in erheblich größerer Tiefe'). Es wird hier über Kleinschwabhausen und Weimar die Verbindung zu den Slavenvorkommen im Erfurter Becken hergestellt, von dem man wohl annehmen kann, daß die Slaven nach hier von Nordosten her gekommen sind. Hier hätten sich dann die beiden Strömungen getroffen. Aber auch der äußerste W e s t e n und der S ü d e n unseres G e b i e t e s ist, wie schon gesagt, nicht frei von Slaven. Südlich des Thüringer Waldes10) treffen wir sie an in ziemlich zusammenhängender Besiedlung und ebenso in Ausläufern nach 1) D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 1830. 2) J O S E P H S E M P E R T , Die Siedelungen in der Oberherrschaft von Schwarzburg-Rudolstadt, S. 73ff. (hier meist genauere sprachliche Ableitungen). 3) Ebenda, S. 83 ff. - 4) Ebenda, S. 95. 5) A L F R E D W A N D S L E B , Die deutsche Kolonisation des Orlagaues, a. a. O., S. 9f. und die Karte auf S. 72. 6 ) D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 9 1 1 , Anm. 2 , und ebenda, Nr. 8 1 1 . 7) Das behauptet noch A L F R E D W A N D S L E B , a. a. O., S. 8. 8) H. LEO, Untersuchungen zur Besiedelungs- und Wirtschaftsgeschichte des thüringischen Osterlandes usw. (Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte, Nr. V I , Heft 3), Leipzig 1900, S. 5. 9 ) Auch W. C A R M E S I N nimmt ein Vordringen vom Orlagau aus nach Mittelthüringen an (a. a. O., S. 9 4 ) . Es stimmt also auch nicht, wenn E. D E V R I E N T , Thüringische Geschichte, 2. Aufl., Leipzig 1921, S. 18, sagt, daß die Sorben von Kahla aufwärts auch links der Saale sich behauptet hätten. 10) Er wird gelegentlich „Saltus Sclavorum" genannt ( D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 635) (Anfang des 11. Jahrhunderts), aber diese Bezeichnung ist sachlich keineswegs gerechtfertigt. Vgl. dazu auch M A R G A R E T E BACHMANN, a. a. O., S. 14.
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Mittelfranken und bis in den Grabfeldgau hin1). Nur bis zur Hegnitz hin wird man dabei freiwillige (selbständige) Ansiedlung annehmen können'), weiter westlich Ansetzung durch deutsche Grundherren. Aber natürlich darf daraus nun wieder nicht geschlossen werden, daß alle slavischen Orte östlich dieser Grenzlinie derartige freiwillige Ansiedlungen seien; zahlreiche Gründungen gehen auf die spätere kolonisatorische Tätigkeit der Franken, namentlich auch von Grundherren, zurück. Die herrschende Ansicht geht heute dahin, daß die Einwanderung der Slaven in Oberfranken von Norden her, also vom Vogtland aus über den Frankenwald hin, stattgefunden, der selbst allerdings unbesiedelt geblieben ist, während die uns hier nicht mehr interessierende Oberpfalz, der alte bayerische Nordgau, von Böhmen her erreicht wurde3). Der Zeitpunkt dieser Zuwanderung läßt sich für Franken ebensowenig wie für Böhmen und die mittel- und norddeutschen slavischen Gebiete nachweisen; noch für das 7. und 8. Jahrhundert fehlt es uns an Funden4). Man wird wohl nicht sehr fehl gehen, wenn man annimmt, daß dieser Einbruch im 7. Jahrhundert erfolgte, als S A M O mächtig war und den Frankenkönig schlug und sich dann Herzog R A D U L F um seines Gegensatzes zu dem Frankenkönig willen freundschaftlich mit ihnen stellte. Die Einwanderung erfolgte in ein Gebiet, das von den Germanen wohl fast ganz geräumt war, aber eben doch nicht völlig, wenn man berücksichtigt, daß sich durch die Zeit der slavischen Zuwanderung hin germanische Orts-, Flur-, Bachusw. Namen erhalten haben®). In welchem Ausmaße haben Slaven sich nun in O b e r f r a n k e n festgesetzt ?•) Wir finden hier in einer Reihe älterer Urkunden die Bezeichnung „terra" oder „regio Slavorum" und ähnlich, auch ein Beweis dafür, daß es sich nicht um vereinzelte Vorkommen, sondern ein umfangreicheres Auftreten in einem größeren Gebiet gehandelt haben muß'). Dabei treten uns einige Orte entgegen, so am Main eine villa Thurpfilin, die nicht näher bestimmt werden kann8), Trostadt (Amt Themar) und Heid (Amt Eisfeld)'), Viereth am Main (westlich Bamberg) 10 ). Aber das
FAUTH,
1) Vgl. dazu die Karten bei P. R E I N E C K E , a. a. O., S. 24/25, und bei S T U H L a. a. O., S. 63 und dessen Ausführungen S. 34ff. 2 ) Hier ist S T U H L F A U T H gegenüber G U T T E N B E R G recht zu geben (a.a.O., S. 6 0 ) . 3)
P . R E I N E C K E , a . a . O . , S . 1 8 u . 2 9 ; STUHLFAUTH, a . a . O . , S . 3 5 , 5 2 u. 5 9 .
Man glaubt heute, die Grenze zwischen Sorben und Tschechen (auch in Böhmen) klar erkennen zu können. 4)
P . R E I N E C K E , a. a. O., S. 3 0 — 3 2 ;
STUHLFAUTH, a . a . O . , S . 6 1 .
5) So jedenfalls S T U H L F A U T H , a. a. O., S. 16ff. u. 35. 6) Auf die anderen heute zu Bayern gehörenden Gebiete, also Mittelfranken und Oberpfalz, können wir hier natürlich nicht eingehen. 7) Die betreffenden Urkundenstellen sind bei S T U H L F A U T H , a. a. O . , S . 6 0 , Anm. 64, zusammengestellt; einigen davon werden wir nachstehend noch begegnen. Über die Abgrenzung dieses Gebietes vgl. S T U H L F A U T H , a. a. O . , S . 6 0 , und M A R GARETE BACHMANN,
a. a. O.,
S.
11 ff.
8) D R O N K E , Codex, Nr. 430. 9) Ebenda, Nr. 124. S T U H L F A U T H deutet a. a. O., S . 70, die urkundlichen Formen „in Heidu" als Haid (gemeint wohl der im oberfränkischen Bezirksamt Wunsiedel gelegene Ort dieses Namens) und „in Truosnasteti" als Trunstadt (im Bezirksamt Bamberg I I gelegen). Das ist wohl nicht aufrechtzuerhalten; es handelt sich um Heid im Amt Eisfeld und Trostadt im Amt Themar, also um weiter westlich gelegene Orte (vgl. D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 59). 10) „In Loco Fihuriod una cum caeteris slavienis oppidis", zitiert bei MARG A R E T E B A C H M A N N , a. a. O., S . 1 1 , Anm., 1, nach Monumenta Boica 28a, 1 4 5 . Auch hier ist wieder von weiteren Orten die Rede.
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alles sind Orte mit deutschen Namen 1 ), woraus hervorgeht, daß die dort wohnenden Slaven sich nicht selbständig angesiedelt haben. Aber gehen wir zu dem Gebiet über, in dem das der Fall ist. Im ganzen sind es 211 Ortsnamen in Oberfranken, die man als rein slavisch festgestellt hat 8 ); dazu kommen solche mit gemischtem Namen, und schließlich 24 Namen, die mit Windisch- oder Winden oder ähnlich gebildet sind®) (Wüstungen eingerechnet). Wir sehen hier davon ab, sie alle namentlich aufzuführen, da die unten S. 49 ff. vorgenommene Gegenüberstellung der Ortsnamen mit den archäologischen Funden und die sich daran anknüpfende Überlegung sich auf die Saalelinie beschränkt; auch hier liegt j a der größte Teil Oberfrankens, das dann erst seit KARL D. GR. weitgehend durch die fränkische Kolonisation dem Germanentum zurückgewonnen wurde, allzusehr abseits von dem hier behandelten Gebiet. E s genügt die Feststellung, daß ganz Oberfranken eine gar nicht so dünne slavische Besiedlung aufwies, was auch durch die große Zahl der erhaltenen Fluß-, Flur-, Berg-, Wald- usw. Namen bewiesen wird 4 ). Weiter nach Westen zu kommen wir in das Gebiet des G r a b f e l d g a u e s , in dem das Kloster Fulda besonders reich vertreten war, und damit in den Westteil des hier näher untersuchten Gebietes überhaupt. Es ist schwer zu sagen, ob die hier ansässig gemachten Slaven — denn um selbständige Ansiedlungen handelt es sich hier j a nicht mehr — von Norden her, also aus Mittel- und Nordthüringen, entnommen sind, oder aus den südlichen fränkischen Gebieten. Wahrscheinlich kamen sie aus beiden Richtungen und trafen hier aufeinander. Aber da man sowohl für die Slaven nördlich wie die südlich des Thüringer Waldes Zugehörigkeit zu den Sorben annehmen muß, ist diese Frage j a auch von untergeordneter Bedeutung. In dem Brevarium des Heiligen Lullus ist ein Bischhausen mit Slaven genannt. Es bleibt ungewiß, ob es sich um den Ort dieses Namens bei Waldkappel, Witzenhausen oder Heiligenstadt handelt, aber auf jeden Fall liegt er weit imWesten. Hier knüpfen wir an (d. h. an die schon erwähnten Vorkommen im Eichsfeld) und gehen weiter südwärts, bis in das Oberfränkische hinein, womit dann der Kreis geschlossen wäre. Ob Jestädt als slavisch besiedelter Ort zu betrachten ist, scheint nicht sicher; es wird auf Grund seiner Ortsanlage und des Namens vermutet1"). Sicheren Boden unter den Füßen haben wir mit den Nachweisen aus den Fuldaer Urkunden; hier werden uns genannt: 1) Das ist auch bei den in Mittelfranken liegenden Orten der Fall (vgl. STUHLFAUTH, a . a . O . , S .
60).
2) Z u s a m m e n s t e l l u n g e n f i n d e n w i r im besonderen bei MARGARETE BACH-
MANN, a. a. O., S. 35ff., und bei STUHLFAUTH, a. a. O., S. 36ff. Letzterer bringt aber nur die r e i n slavischen Namen. Beide gehen im wesentlichen zurück auf die Arbeiten von A. ZIEGELHÖFER u. G. HEY, Die Ortsnamen des ehemaligen Hochstifts Bamberg (Bamberg 1911), u. D i e s e l b e n , Die Ortsnamen des ehemaligen Fürstentums Bayreuth („Archiv f. d. Geschichte u. Altertumsk. von Oberfranken", Bd. 27, Heft 3, 1920), ergänzt durch weitere Forschungen. 3 ) M A R G . BACHMANN, a . a . O . , S .
50f.
4) Zusammengestellt bei STUHLFAUTH, a. a. O., S. 45ff. Daselbst auch überall Erklärungen der Namen, bes. S. 54 ff. (nach Geländeeigenheiten, Siedlungstätigkeit, Personen, Charaktereigenschaften, Tieren usw.). 5) SCHMINCKE, Das ehemalige Gericht Jestädt, in „Zeitschr. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landesk.", X . Bd., 1865, S. 16.
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Salzungen a. Werra1) (24)"), Westera (2)a), Creutzburg a. Werra (5)*), Gerstungen (95)5), Heringen a. Werra (73)«), Agezella (37)'), Lauterbach (21)»), Spahl bei Geisa (76)»), Geisa selbst (55) 10 ), Lupnitz (wohl Wenigen-Lupnitz) (50) 11 ), Haina (120)12), Stedtfeld (7)18), Goldbach (5) „et circumiacentibus locis""), Abterode bei Eschwege (23)"), Richenbahc (30)1«), Hünfelt (35)"), Neithartshausen a. d. Rhön (5)18), Weyd (13)1»), Rohr bei Meiningen (55)»°), Bibra (36)S1), Henfstädt bei Themar (31)"), Windisch-Reurieth"), Aschenbach (2)"); im Westen bei Fulda werden erwähnt Läder (15)"), Ugesberg (jetzt Petersberg) (B)1') und ein Engelmarestat (7), das wohl auch in dieser Gegend zu suchen ist"). Weiter westlich ist wohl das nicht eindeutig zu klärende Nuenburc (4) gelegen*8); nördlich Hünfelt liegen Kirchhasel, Rasdorf und das unklare Folmaresdorf (mit zusammen 20)2*). Im Saalgau liegt Steinbach (33) 80 ), Leibolfes und Willimundesheim81). Von Fulda aus dem Main zu wird Uttrichshausen (11) genannt82.) Auchaus Suhl, Marksuhl, Ober- und Untersuhl sind unsSlaven nachgewiesen88). Ein Engelmarestat (7) wird noch einmal erwähnt (wohl ein anderes ?), das dem Zusammenhange nach bei Hünfelt gesucht werden muß 84 ). Schließlich wären 1 ) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 4 3 , Nr. 1 0 . 2) Die hier und nachstehend in Klammern beigefügten Zahlen beziehen sich auf die Anzahl der von den einzelnen Orten berichteten Slaven, wobei es sich wohl um die Männer handelt, ungerechnet die Zahl ihrer Angehörigen (Frauen und Kinder). Vgl. auch D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 317. 3 ) D R O N K E , ebenda, Nr. 2 1 . Der Ort, dessen urkundliche Form oben wiedergegeben ist, ist nicht eindeutig bestimmt. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Wüstung bei Sooden a. Werra. 4) Ebenda, a. a. O., Nr. 22. — 5) Ebenda, Nr. 23. - 6) Ebenda, Nr. 24. 7) Ebenda, Nr. 27; nicht ganz klar. Wohl Arzell bei Eiterfeld. 8) Ebenda, Nr. 33. - 9) Ebenda, Nr. 34. — 10) Ebenda, Nr. 8. 11) Ebenda, Nr. 11. — 12) Ebenda, Nr. 12. — 13) Ebenda, Nr. 12. 14) Ebenda, Nr. 58. Entweder Goldbach bei Gotha oder Wüstung östlich Germerode. Leider sind die anderen Orte in der Quelle nicht genannt. 15) Ebenda, Nr. 62. 16) Ebenda, Nr. 59; ob Reichenbach westlich Waldkappel ? 17) Ebenda, Nr. 51. — 18) Ebenda, Nr. 57. — 19) Ebenda, Nr. 49. 20) Ebenda, Nr. 50. — 21) Ebenda, Nr. 47. Auch bei Meiningen gelegen. 22) Ebenda, Nr. 51. 23) Jetzt mit Reurieth verschmolzen. D O B E N E C K E R , Regesten, II, Nr. 735. 24) Ebenda, Nr. 5. — 25) D R O N K E , a. a. O., Nr. 69. — 26) Ebenda, Nr. 63. 27) Ebenda, Nr. 70. — 28) Ebenda, Nr. 48. — 29) Ebenda, Nr. 1. 30) Ebenda, Nr. 29. 3 1 ) Mon. Germ. Hist. Dipl. Otto II, Nr. 1 6 0 ; D O B E N E C K E R , Regesten, I. Nr. 3 8 6 . In dieser Urkunde ist auch Steinbach mit verzeichnet. Für die beiden anderen Namen weiß auch D O B E N E C K E R keine Erklärung. 32) D R O N K E , ebenda, Nr. 76. 3 3 ) D R O N K E , ebenda, Kap. 43, Nr. 2, 4, 19 u. 71. 34) Ebenda, Nr. 1. Natürlich ist die Möglichkeit nicht ganz von der Hand zu weisen, daß es sich bei dieser Aufstellung des Mönches E B E R H A R D , auf die wir uns stützen, um eine Doppelzählung gehandelt hat. Handelt es sich dabei doch um eine aus dem 12. Jahrhundert stammende Abschrift älterer Vorlagen.
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noch Breitenbach 1 ) und das schon 791 erwähnte Franken-Winheim (Winidoheim») zu nennen.
Die vorstehenden Zusammenstellungen hatten und haben den Wert, daß sie uns über alle Siedlungen, die irgendwie für Slaven in A n s p r u c h g e n o m m e n s i n d , unterrichten. Natürlich kann und soll diese Aufstellung keine absolute Vollständigkeit für sich in Anspruch nehmen; weitere Forschungen mögen zu einer Erweiterung der Liste führen oder aber auch diese oder jene Angabe berichtigen. Aber sie soll ja auch nicht mehr als einen Begriff davon zu geben, welche Verbreitung man auf Grund der Ortsnamenforschung und der urkundlichen (ja nur sehr lückenhaften) Nachweise nach dem heutigen Stande des Wissens den Slaven zuerkannt hat. Urkundlicher Nachweis und lediglich sprachliche Ableitung sind also auseinander zu halten. Sehr schwer zu beantworten ist nun aber die Frage, ob tatsächlich die Slaven in allen diesen Orten fest gesessen haben. Das wäre das erste Problem, das sich uns aufdrängt. Vor allem entsteht die Frage, ob man wirklich jeden Ort, dessen Name aus der slavischen Sprache abzuleiten ist, als von Slaven besiedelt annehmen muß, auch mit der Einschränkung, daß er gelegentlich nur zum Teil von Slaven, zum andern Teil aber von Deutschen bewohnt gewesen ist. Mit anderen Worten: Genügen die Ergebnisse der als Hilfswissenschaft herangezogenen slavischen Philologie, um die hier zur Debatte stehenden bevölkerungsgeschichtlichen Fragen zu beantworten ? Daß umgekehrt in rein deutschnamigen Orten auch Slaven gesessen haben, ist uns in den vorstehend zusammengetragenen Angaben ja immer und immer wieder bezeugt. Eine Trennung und Bestimmung der Siedlungen von der deutschsprachigen Benennung allein aus ist also grundsätzlich nicht möglich. Ist das nun aber — und das ist das Problem — von der Annahme aus zulässig, daß alle Siedlungen mit slavischen Namen auch von Slaven besiedelt gewesen sind? Hier wäre zunächst darauf hinzuweisen, daß aus den Reihen der Sprachwissenschaftler selbst Warnungen gekommen sind, aus dem Vorkommen slavischer Orts- und ebenso Flur-, Fluß-, Bergu. ä. Namen allzu weitgehende Schlüsse zu ziehen. Es sei nur an 1) D R O N K E , Die Slaven usw., a. a. O., S. 79. Unklar, ob Breitenbach im Amt Brückenau oder im Landgerichtsbezirk Schmalkalden gemeint ist. 2 ) D R O N K E , Codex, Nr. 1 0 0 (hier die Form „in Uuinido marcu"). Es liegt im Bezirksamt Gerolzhausen (also bereits in Unterfranken). Lütge, Agrarverfassung. 4
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erinnert1), dem sich andere angeschlossen haben ). Ein solcher Name, wenn er vorkommt, beweist uns ja zunächst nichts weiter, als daß die Slaven sich irgendwie genötigt gefühlt haben, diesen Ort, Berg, Fluß usw. zu b e n e n n e n , und das ist ja noch nicht mit besiedeln gleichzusetzen. Man kann also keineswegs, wie NAUMANN es tut, sagen: „Den schriftlichen Urkunden treten vollgültig zur Seite Orts- und Flurnamen"3). Eine Siedlung kann dort entstehen, wo das Land bereits durch einen Flurnamen bezeichnet war, und dann dient der Flurname als Basis für den Ortsnamen. Aus diesem Gedanken heraus sagt S E M P E R T mit Recht: „Häufig wird der slavische Ortsname viel älter sein als die von ihm bezeichnete Siedlung selbst und mag als einstiger Flurname auf diese später erst übertragen worden sein"4). Es ist ferner nachweisbar vorgekommen, daß deutsche Orte nach alten slavischen Siedlungen genannt worden sind, die in deren Umgebung einst gelegen hatten, deren Stätte man aber absichtlich nicht übernehmen mochte5). Eine gewisse, in ihrer Bedeutung noch durchaus nicht genügend erforschte Rolle mag auch das Vorgehen gespielt haben, für deutsche Gründungen slavische Namen zu wählen6), wie das, um ein markantes Beispiel zu nehmen, etwa für Meißen zutrifft. Wir brauchen uns ja nur der Praxis zu erinnern, nach der in den letzten Jahrhunderten in den überseeischen Kolonialgebieten sich die Benennung von Siedlungen durch die Europäer vollzogen hat: in allen Kontinenten spielen dabei Bezeichnungen oder Wortstämme aus der Sprache der Eingeborenen eine bedeutsame Rolle. Auch ist schließlich ein unbezweifelbar echt slavischer Name noch kein Beweis dafür, daß der betreffende Ort auch von Slaven begründet worden ist. Er kann auch germanischen Ursprungs sein und wurde dann von später hier einrückenden Slaven umbenannt7), ALEXANDER BRÜCKNER 2
1 ) A. B R Ü C K N E R , Die slavischen Ansiedelungen in der Altmark und im Magdeburgischen. (Preisschriften der Fürstl. Jablonowskischen Gesellschaft, Bd. XXII), Leipzig 1879, S. 22. 2) Vgl. z. B. H. F. SCHMID, a. a. O., S. 403, Anm. 3, und ebenso die von SCHMID, a. a. O., Bd. II, 1925, S. 142ff. angeführten Gedanken des slavischen Forschers J E G O R O V . Vgl. auch die Ausführungen von P A U L R E I N E C K E , a . A . O . , S . 21 f. Ferner: R U D . KÖTZSCHKE, Quellen und Grundbegriffe der historischen Geographie Deutschlands, 1906, S. 2 4 f f . ; H . W I T T E , Zur Erforschung der Germanisation unseres Ostens, „Hanseatische Geschichtsblätter", Bd. 14, 1908, S. 282ff. 3)
L . NAUMANN, a . a . O . ,
S. 6 1 . —
4)
J . SEMPERT, a . a . O . , S .
177.
5) O. S C H L Ü T E R , a. a. O., S . 197f. Vgl. darüber auch unten S. 55 f. 6) Vgl. darüber auch E D . O. SCHULZE, a. a. O., S . 20f. 7 ) Das nimmt z. B. L . NAUMANN, a. a. O., S . 6 2 u. 3 7 9 für den Ort Gößnitz an, den O. S C H L Ü T E R der slavischen Siedlungsperiode zugerechnet hatte. H. L E O , a. a. O., S. 8f., bringt auch zwei Beispiele dieser Art (Engerda und Heilingen).
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womit allerdings die Tatsache, daß im Laufe der Geschichte hier doch ein Slavenort entstanden wäre, nicht aus der Welt geschafft ist. Das alles genügt zwar, um einen Zweifel darein zu setzen, daß wirklich alle die Orte slavischen Namens, die vorstehend genannt sind, auch wirklich Slaven zu Bewohnern gehabt haben. Deswegen können wir aber nicht auf die Heranziehung der Namenforschung verzichten und uns etwa auf die schriftlichen Quellen zurückziehen, denn das wäre eine erst recht unzuverlässige Methode. Doch mit diesen negativen Feststellungen kommen wir nicht weiter, gelangen über entgegenstehende Vermutungen nicht hinaus. Oder es gelingt allenfalls, durch Einzeluntersuchungen nachzuweisen, daß ein der sprachlichen Form nach slavischer Ort bei näherem Zusehen doch anders zu erklären ist1). Um weiter voranzukommen, ziehen wir die Altertumskunde heran und vergleichen zunächst einmal deren Ergebnisse mit denen der sprachwissenschaftlichen Methode. Da bieten sich für das Gebiet links der Saale, also das in dieser Hinsicht wichtigste Teilgebiet Mitteldeutschlands, als Ausgangspunkt die beiden Karten an, die C H R . A L B R E C H T gezeichnet hat; die erste Karte enthält die Slavenorte und die zweite Karte die slavischen Bodenfunde. Als Slavenorte sieht er neben denen, für die wir urkundliche Nachweise haben, alle die an, deren Namen slavisch ist. Und da auch sonst — namentlich in Oberfranken2) — die Bezeichnung als Slavenorte vorwiegend von der Namensform ausgeht und sich auf die Ergebnisse der Philologie stützt, hat die hier versuchte, sich auf das Saalegebiet beschränkende Untersuchung zugleich symptomatische oder gar prinzipielle Bedeutung auch für sonstige Slavengebiete. Vielleicht gelingt es, sich mit dieser Untersuchung von der immer wieder zu beobachtenden Einstellung zu entfernen, daß man in der Theorie die Mangelhaftigkeit der rein philologischen Methode anerkennt, sich aber in der Praxis dann doch immer wieder allzusehr daran hält. Aus einem Vergleich dieser beiden Karten bei C H R . A L B R E C H T ergibt sich: Die Fundstellen sind — wie zu erwarten — sehr häufig in den Gegenden längs der Saale, die auch ein dichtes Netz von slavischen Orten aufweisen. Sie reichen aber durchgehend sehr viel weiter 1) So z. B. SEMPERT, a. a. O., H. L E O , a. a. O., S. 6, Anm. 2.
S. 89, hinsichtlich des Dorfes Maichlitz.
2) Die Funde in Oberfranken sind außerordentlich dürftig und vielfach a u c h umstritten; vgl. d a z u P A U L REINECKE, a. a. O., S. 32ff., u n d A .
a. a. O., S. 61.
4*
STUHLFAUTH,
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westwärts als jene. Das spricht dafür, daß die Slaven weiter westlich dann überwiegend in deutschenOrtenansässiggemacht worden sind, was wir vorstehend ja ausgiebig nachweisen konnten. Der Karte I ALBRECHTS, die die Slavenorte aufzeigt, kann man allerdings keinen abschließenden Wert beimessen, weil sie allzu lückenhaft ist. Wir haben ja in obiger Aufstellung Dutzende von Orten aufführen können, die ALBRECHT nicht mit berücksichtigt hat, einfach weil sie ihm mangels ausreichender Quellenkenntnisse nicht bekannt waren. Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich der Wert der vorstehend gebotenen Zusammenstellungen. Nach ALBRECHTS Karte I weist das ganze b i n n e n thüringische Becken nur einen einzigen Slavenort auf (Windisch-Holzhausen), während er auf Karte II gerade in diesem Räume eine ganze Reihe von Siedlungs- und Gräberfunden nachweisen kann, die sich seit Abschluß seiner Arbeit wohl noch vermehrt haben. Geht man von den Tatsachen aus, die seine Karte I verzeichnet, so stünde der Historiker vor der schwierigen Frage, wie er sich dieses Auseinanderklaffen erklären soll. Die Lösung, daß Slaven als solche nicht benannt werden, weil sie unter der allgemeinen Bezeichnung als Unfreie (Mancipia usw.) mit inbegriffen sind, kommt nicht in Frage, da nach dem Inhalte der Quellen ein solches Vorgehen nicht angenommen werden kann 1 ). Die Erklärung, daß es sich bei den Funden nur um solche handelt, die durch schweifende Horden, reisende Händler usw. verlorengegangen sind, oder aber um von den Deutschen heimgeführte Beutestücke, könnte nur für einige Ausnahmen gelten; der Charakter der meisten Funde steht dem entgegen, vor allem aber die Tatsache, daß es sich nicht selten um S i e d l u n g s f u n d e (nicht um Gräberfunde) handelt, was also beweist, daß Slaven hier a n s ä s s i g waren. Diese ganzen Schwierigkeiten beheben sich aber angesichts der Feststellung, daß ALBRECHT eine nicht geringe Zahl von nachweisbaren Slavensiedlungen deutscher Benennung unberücksichtigt gelassen hat. Slaven waren eben in Mittelthüringen — und genau das gleiche gilt für Nordthüringen und Westthüringen — sehr viel häufiger in geschlossenen Gruppen (von Grundherren) angesiedelt, als das aus ALBRECHTS Karte hervorgeht: Dabei dürfen wir annehmen, daß auch die vorstehend gebotenen Aufzählungen der Slavenorte noch nicht vollständig sind; einmal bringen zukünftige Forschungen vielleicht noch weitere Nachweise zutage, und dann ist ja nicht abzusehen, von wieviel Ansetzungen jede urkundliche Nachricht verlorengegangen 1) Vgl. meinen Aufsatz, Die Unfreiheit usw., a. a. O., S. 154f.
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ist. Auch hier dürfte der Verlust fast aller alten Hersfelder Urkunden schwer ins Gewicht fallen, da dieses Kloster ja gerade in diesen Gebieten besonders begütert war. Die Slaven saßen hier also überall dichter, als man annehmen muß, wenn man sich rein an den Ortsnamen hält, eben weil Slaven auch in deutschbenannten Orten angesetzt worden waren. Man kann also unmöglich, wie ALBRECHT es tut, von den Ortsnamen ausgehen. Für das Auseinanderklaffen der Ergebnisse der beiden ALBRECHT sehen Karten hinsichtlich der mittleren, westlichen und nördlichen Teile Thüringens hätten wir somit eine befriedigende Erklärung gefunden. Aber damit ist wenig erreicht, denn das ganze Schwergewicht liegt ja auf den slavisch benannten Orten innerhalb des etwa 15—20 km breiten Streifens links der Saale. Und hier stehen wir vor der Tatsache, daß im V e r h ä l t n i s zu der F ü l l e dieser „ S l a v e n o r t e " r e l a t i v wenig v o r g e s c h i c h t l i c h e F u n d e slavischen Charakters gemacht w o r d e n sind. Gewiß mag die Spatenwissenschaft noch manches zutage fördern, was bisher noch verborgen liegt, aber das ist ja wohl auch weiter westlich zu erwarten. Wir dürfen aber schon heute mit der Tatsache rechnen, daß die Funde in dem Streifen längs der Saale im V e r h ä l t n i s zu den S l a v e n o r t e n ganz erheblich hinter dem gleichen Verhältnis in Mittel- und Nordthüringen zurückstehen. Und dabei hätte man erwarten müssen, daß dieses Verhältnis genau umgekehrt sein müßte, aus doppeltem Grunde: einmal, weil sie im Saalegebiet sehr viel (z. T. Jahrhunderte) länger gesessen haben als in den anderen Gegenden (Ansetzung auf den Königshöfen meist erst im 10. Jahrhundert), und dann sind sie weiter im Westen zu einem großen Teil von Grundherren angesetzt worden als abhängige Leute (Umgesiedelte, Kriegsgefangene, Sklaven usw.) und nicht selbständig eingewandert im vollen Besitz ihrer eigenen Kulturgüter; der Gefangene oder Gekaufte bringt ja in der Regel wenig oder gar nichts Eigenes mit. Nun stehen wir, wie schon in anderem Zusammenhange erwähnt, vor der bisher nicht zu erklärenden Tatsache, daß uns Funde aus den ersten beiden slavischen Jahrhunderten eigentlich ganz fehlen. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß dies mit der Primitivität der in ihnen verwendeten Geräte1) und einer noch wenig boden1) Ich vermute: Seltenheit von metallenen Geräten, das Verwenden von verderblichen Stoffen (etwa Häute und Felle) zur Aufbewahrung von Vorräten an Stelle von Keramik. Auch STUHLFAUTH betont die Dürftigkeit der damaligen slavischen Kultur (a. a. O., S. 103). Ob sich in diesem Fehlen jedes qualitativ höherstehenden Gerätes, das sich zu halten in der Lage war, womöglich die Ausplünderung durch die Avaren noch langandauernd bemerkbar macht?
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verwurzelten, kulturell höherstehenden Siedlungsweise zusammenhängt. In Oberfranken, wo doch besonders zahlreich Slaven gesessen haben, bis zur Regnitz hin, sind die Funde ganz besonders dürftig, ja fehlen so gut wie überhaupt (nicht nur für die früheren Jahrhunderte)1); außer einigen Pfostenlöchergrundrissen sind bis heute keinerlei Überreste von Siedlungen und Grabfeldern in diesem Gebiete festgestellt!2). Das ist auffallend, und weitere Forschungen müssen hier einsetzen und auch die Frage klären, ob hier irgendwie bisher Datierungsfehler vorliegen. Aber wie sich diese Frage auch einst lösen wird: für das hier behandelte Teilproblem ist das unwichtig. Die Tatsache, daß die Funde und die Slavenorte im Saalegebiet — hier kommen aus der späteren slavischen Zeit ja reichlich Funde vor — in einem auffallenden Mißverhältnis stehen, wird nur noch verwunderlicher, da ja gerade in diesem Gebiet eine besonders lange Slavenzeit angenommen werden muß. Wir dürfen die Erklärung in einer ganz anderen Richtimg suchen, indem wir von unserem grundsätzlichen Zweifel in die Methoden ausgehen, mit denen die „Slavenorte" von ALBRECHT und seinen Gewährsmännern (GÖSSLER, NAUMANN USW.) als solche bestimmt sind, d. h. also in die rein sprachwissenschaftliche Methode3), mit anderen Worten: die Gleichsetzung von slavischer Benennung und slavischer Besiedlung. Das Gebiet an der Saale gehörte zeitweilig zu den völkisch gemischten Gebieten4). Vorübergehend mögen die 1)
STUHLFAUTH, a . a . O . ,
S. 61,
101,
106.
2) Die früher für slavisch gehaltenen Grabfelder sind inzwischen als deutsche, der Karolingerzeit zuzurechnende Friedhöfe klargestellt. Vgl. dazu P . R E I N E C K E , a. a. O.,
S. 2 7 ;
STUHLFAUTH, a . a . O . , S .
100.
3) Selbstverständlich soll damit nichts gegen die Sprachwissenschaft und deren Herbeiziehung an sich gesagt sein, sondern nur gegen eine unrichtige und unkritische Anwendung ihrer Ergebnisse. Es erscheint gerade besonders erwünscht, daß die Ortsnamenforschung, die speziell für die alten polnischen Gebiete so viel geleistet hat, einmal unter diesem neuen Gesichtspunkt an eine neue Untersuchung dieser linkssaalischen slavischen Namen herangeht, so wie das R U D . K Ö T Z S C H K E schon vor einem Jahrzehnt gefordert hat. ( R U D . K Ö T Z S C H K E , Die Quellen der slavischen Namenforschung usw., a. a. O.; vgl. auch H. F . S C H M I D , Die sozialgeschichtliche Auswertung der westslavischen Ortsnamen in ihrer Bedeutung für die Geschichte des nordostdeutschen Koloniallandes. (Deutsche Siedlungsforschungen. RUD. K Ö T Z S C H K E zum 60. Geburtstage.) Leipzig/Berlin 1927, S. 161 f. Hier findet sich ein guter Überblick über die Leistungen der polnischen Wissenschaft. 4) Ebenso wie Oberfranken, im besonderen der Radenzgau; S T U H L F A U T H betont immer wieder, daß sich hier auch in der Slavenzeit dünne germanische Besiedlung erhalten hat, und stützt sich dabei darauf, daß sich eine Menge von Orts-, Flur-, Fluß-, Berg- u. a. Namen hin über diese Zeit hinweg erhalten haben (vgl. die Liste, S. 16f., 29, passim; s. auch die seiner Arbeit beigefügte Karte).
Deutschen in der Minderheit gewesen sein, so insbesondere nach dem Sieg SAMOS und seinen verheerenden Einfällen; die deutsche Grenzbevölkerung mag damals zum größten Teil vertrieben, fortgeschleppt, erschlagen oder gewichen sein. Die oben S. 26 f. erwähnte Tatsache, daß umfangreiche Ansiedlungen anderer deutscher Staxnmesgruppen in den nordthüringischen Grenzlanden stattgefunden haben, beweist ja auch, wie dünn die germanische Bevölkerung eben doch geworden war, sonst hätten diese nicht neben den noch Ansässigen mühelos Platz gefunden. Den eingedrungenen Slaven wird aber jeder Bach, jeder Berg, jeder Waldbezirk irgendwie bekannt geworden sein, und sie haben diese dann demzufolge auch benannt 1 ). Es ist nun wohl nicht so sehr verwunderlich, daß die Deutschen bei ihrem erneuten Eindringen in dieses Gebiet — etwa von K A R L D . G R . ab — an diese neuen Namen anknüpften! Die alten germanischen Bezeichnungen mögen weitgehend vergessen oder angesichts der stärkeren slavischen Besiedlung völlig in den Hintergrund getreten sein. So übernahm man denn ohne weiteres bei der Neubesiedlung vorgefundene Namen oder knüpfte an die landläufigen (slavischen) Flur-, Bach-, Bergnamen an. Hier greifen die allgemeinen Überlegungen Platz, die oben S. 49f. angestellt wurden. Auf den hier vorliegenden Fall gesehen wäre durchaus denkbar, daß die Neuankommenden, hier nicht heimatlich verwurzelten Deutschen sich nicht bewogen fühlten, den seltener an ihr Ohr klingenden altgermanischen Namen den viel häufiger ertönenden slavischen gegenüber den Vorzug zu geben, zumal sich diese Zuwanderung ganz allmählich und in vollem Frieden vollzog, also ohne gewaltsame Unterwerfung der hier ansässigen Slaven. Dazu kommt noch, daß die Ansiedlung zu einem großen Teil von deutschen Grundherren mit teilweiser Verwendung von Slaven stattfand; die ersteren und ihre mitgebrachten Vasallen und Mancipia waren ortsfremd, die letzteren stammten aus der Gegend; sie wird man also nach den Namen für den Bach, an dem man siedelte, das Waldstück, das man rodete, die Flur, auf der man das Gehöft oder das Dorf anlegte, gefragt haben, und diese gaben natürlich den Namen in ihrer Sprache 2 ). Und stammte der Grundherr gar noch aus Franken, war womöglich ein alter königlicher Dienstmann, so kam noch der alte Gegensatz gegen die hier siedelnden, als Unterworfene betrachteten Thüringer hinzu, und das führte praktisch dazu, daß er sich gegen die von diesen geprägten oder an ihn herangetragenen Namen ablehnend verhielt. 1)
Ähnlich STUHLFAUTH, a. a. O . , S . 3 5 .
2) V g l . STUHLFAUTH, a . a . O., S. 3 6 f f .
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Von dieser Seite her scheint mir eine Erklärung notwendig, aber auch möglich zu sein. Leider verfügen wir für das Saalegebiet nicht über eine so eingehende und zuverlässige Deutung aller slavischen Ortsnamen wie für Oberfranken1). Diese letzteren deuten zu einem wesentlichen Prozentsatz auf die Siedlungstätigkeit, Geländeeigenheiten, Tiernamen und dergleichen hin, nur zu einem Teil auf Bewohner oder deren Eigenschaften. Walddorf, Heidedorf, Sumpfdorf, Regenstätte, Lehmfeld, Waldhau, kleines Eichicht und dergleichen mehr besagen diese Ortsnamen zu einem erheblichen Prozentsatz. Dies ist doch wohl in dem Saalegebiet in gleicher Weise der Fall, und diese Beobachtung deckt sich durchaus mit dem, was wir als Vermutung ausgesprochen haben. Zur Gewißheit wird diese Annahme aber, wenn wir die Verhältnisse im Frankenwald heranziehen, die wir dank der Arbeit von G. v. GELDERN-CRISPENDORF gut überschauen. Es wird uns da z. B. in diesem Waldbezirk (als „Nordwald" bezeichnet) i. J. 1007 ein Gebiet genannt, das damals noch unbesiedelt war, dessen Grenzen daher durch Flußläufe und eine Reihe von Örtlichkeiten bezeichnet werden, die alle Namen haben, „darunter solche, die heute auch als Siedelungsnamen vorkommen"2). Die Namen sind also viel älter als die Besiedlung, und von den „Slavenorten" (vom Namen her bestimmt), die hier liegen, ist eine ganze Reihe nachweislich erst n a c h der Slavenzeit begründet worden, wie z. B. Oelze im 16. Jahrhundert, und im 16. und 17. Jahrhundert erst die nach slavischen Flurbezeichnungen benannten Orte Goldisthai, Scheibe und Lauscha! 8 ) Slavische Ortsnamen, die an alte slavische Fluß-, Flur- und Forstbezeichnungen usw. anknüpfen, können also keineswegs ohne weiteres als slavisch besiedelt gelten, auch nicht als von slavischen Unfreien auf Befehl deutscher Grundherren angelegt! Sie können rein deutscher Entstehung sein. Und daran müssen wir festhalten. Darüber hinaus sind wir auch berechtigt, das, was wir für das 16.—17. Jahrhundert und früher direkt nachweisen können, auch schon für die ältere Zeit anzunehmen4). Dieses Moment verdient die größte Beachtung. Alles in allem kommt man also zu der Überzeugung, d a ß d i e Slaven durchaus nicht so d i c h t gesessen haben, wie aus 1 ) Vgl. S T U H L F A U T H , a. a. a. a. O., S. 2 4 . 3) Ebenda, S. 32—35.
O.,
S.
36ff. —
2)
G.
v.
GELDERN-CRISPENDORF,
4) Auch G . v. G E L D E R N - C R I S P E N D O R F warnt auf Grund der Ergebnisse seiner Forschungen, a. a. O., S. 36, prinzipiell vor der auch heute noch weithin üblichen Überschätzung der philologischen Hilfswissenschaft.
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der D i c h t e der slavischen Ortsnamen h e r v o r g e h t ! Die Folgerungen, zu denen der durchgeführte Vergleich zwischen der Fundkarte und der Ortskarte von ALBRECHT führte, findet seine Bestätigung durch die weiteren Überlegungen. Sie zwingen uns, mit der bisher allen theoretischen Bedenken zum Trotz beibehaltenen Abhängigkeit von den Ergebnissen der als Hilfswissenschaft herangezogenen Philologie zu brechen. Die slavische Benennung beweist durchaus nicht ohne weiteres auch eine slavische Besiedlung1). CHRISTOPH ALBRECHT hat nun behauptet, daß die Slaven, die links der Saale auf Grund der Funde festgestellt werden können, nicht Ackerbauer, sondern Fischer gewesen wären. „Unter den slavischen Funden selbst sind auch keine Gegenstände, die auf Ackerbau schließen lassen"2). Nach neueren Feststellungen sind diese Behauptungen nicht aufrechtzuhalten. Es finden sich durchaus auch Hinweise auf bäuerliche und handwerkerliche Tätigkeit (Schmiede)3). Allerdings leiden diese Nachweise unter der Tatsache, daß alle Funde, die wir gemacht haben, aus späterer Zeit, dem 8.—9. Jahrhundert und der darauffolgenden Zeit, stammen, während wir wissen, daß die Slaven schon im 7. Jahrhundert bis zur Saale vorgedrungen sind4). Wenn wir slavische Siedlungen — wenigstens in Nordostthüringen, wo sie ja besonders dicht gesessen haben — vielfach im Hochwasser- und Sumpfgebiet antreffen oder aber sie sich deutschen Siedlungen anschließen, so wird man allerdings kaum annehmen dürfen, daß die Slaven hier von deutschen Grundherren angesetzt worden seien mit der Aufgabe, diese sumpfigen Gebiete urbar zu machen6). Man wird sich wohl schwer vorstellen können, daß die deutschen Herren den Slaven das zugetraut hätten, was ihnen selbst und den deutschen Bauern damals noch nicht gelang, sondern erst einige Jahrhunderte später flämischen Kolonisten und Zisterzienser Mönchen, und was sie ja wohl auch selbst einsahen, wenn sie ihre Siedlungen weiter ab auf höher gelegenerem, trockenerem 1) Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt die S. 51 erwähnte auffallende Fundarmut in den Gegenden südlich des Thüringer Waldes (Radenzgau usw.) auch eine andere Beleuchtung. Es wäre notwendig, unter diesen neuen Gesichtspunkten noch einmal an die Sichtung des Materials zu gehen. 2) CHR. ALBRECHT, a . a . O . ,
S.
31.
3) Dank einer mündlichen Auskunft des Jenaer Prähistorikers G. NEUMANN. Vgl. auch R A D I G , in F R E N Z E L - R A D I G - R E C H E , Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 163. — 4) Vgl. oben S. 32ff. 5) O. S C H L Ü T E R , a. a. O., S. 197f. Auch P. G R I M M , a. a. O., S. 115, fand die meisten Siedlungen dicht am Wasser.
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Boden anlegten1). Man könnte hier daran denken, daß es sich eben um Fischer handelte, die ja sicher, auch wenn wir ALBRECHT nicht zustimmen können, einen gewissen Prozentsatz der slavischen Bevölkerung ausmachten, soweit damals überhaupt schon von einer strengen Berufsteilung die Rede sein kann. Haben die Slaven auch nicht so dicht links der Saale gesessen, wie es den slavischen Ortsnamen nach angenommen werden muß, so ist damit noch in keiner Weise etwas für die Beantwortung jener anderen Frage gewonnen, die dahin geht, in welchem politischen und sozialen R a h m e n ihre Zuwanderung und Seßhaftwerdung sich vollzogen hat. Die Beantwortung dieser Frage kreiste und kreist eigentlich noch heute um die These: siegreiches Vordringen oder grundherrliche Ansiedlung als Unfreie unter deutscher Herrschaft. EDUARD OTTO SCHULZE, dem die Forschung so viel verdankt, hat sich dahin ausgesprochen, daß die Slaven als Sieger in die Gebiete links der Saale eingedrungen seien, als das Frankenreich schwach war, und sich dort selbständig niedergelassen hätten. Als dann K A R L D. GR. seine Herrschaft bis zur Saale hin mit bisher nicht gekannter Kraft ausdehnte (ebenso nach Bayern und Sachsen), „da fielen die volksfremden Eindringlinge, durch kein Stammesrecht geschützt, in die Gewalt des Königs, der sie teils an Stifter und Herren vergabte, teils als Kronbauern (coloni fiscali) in seiner Hand behielt"2). Die umgekehrte Auffassung vertritt u. a. OTTO SCHLÜTER. E r sagt: Das Vordringen der Slaven ist „anscheinend immer nur bis zur Saale freiwillig gewesen. Die slavischen Orte westlich von diesem Fluß, deren Zahl nicht gering ist, werden auf Veranlassung der fränkischen Könige oder anderer, kleinerer Grundherren angelegt worden sein"8). In einem sind sich diese beiden Parteien jedoch einig: daß nämlich die Slaven in späterer Zeit, in der wir mit Hilfe der erhaltenen Urkunden klar sehen (im wesentlichen von KARL D. GR. ab), nicht mehr frei seien. Die Frage ist nur, ob sie es einst waren oder nie gewesen sind, seit sie links der Saale sitzen. Es sei daran erinnert, daß die Slaven in den deutschen Urkunden unter der Bezeichnung „Sclavi" auftauchen und diese Bezeichnung Jahr1) So z. B. Nebra. Hier lag der alte Ort nördlich der heutigen Stadt in den Wiesen (O. SCHLÜTER, a. a . O., S. 197). 2 ) E D . O . SCHULZE, a . a . O., S . 1 0 .
3) O. SCHLÜTER, a. a. O., S. 200. So auch schon A. MBITZEN, Siedelung und Agrarwesen der Germanen usw., Bd. I I , S. 295; H. LEO, a. a. O., S. 6F.
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hunderte beibehalten, bis sie zu „Slavi" wird1). „Sclavi" ist also ursprünglich ein Volksname, aber daß dieser Volksname zur generellen Bezeichnung für die unterste Stufe persönlicher Unfreiheit wird — und nicht nur in deutscher Sprache —, kann natürlich zu denken geben. Es fragt sich aber, wann dieses Wort mit jener Bedeutung erfüllt wurde. Hier sind etwas ausgedehntere Überlegungen nicht zu vermeiden. Tatsache ist, daß die Slaven erst im 7. Jahrhundert an der Saale auftauchen. Ein früheres Eindringen kommt also nicht in Frage. Bis zu dem Zusammenstoß zwischen DAGOBERT und SAMO 630 herrschte friedliches Einvernehmen, auch hatte bis dahin der slavische Expansionsdrang noch nicht eingesetzt. Es kämen also frühestens die Jahre in Frage zwischen dem Sieg SAMOS über das Frankenheer und dem Gegenstoß RADULFS, also etwa 632—634, d. h. 2 Jahre. Und in der Tat haben Forscher angenommen, daß sie in dieser Zeit weit nach Thüringen eingedrungen wären2). Dazu wäre zu sagen, daß diese 2 Jahre für eine auch nur etwas dichte Öesiedlung eines so umfangreichen Gebietes unmöglich ausgereicht haben können. Hält man an dieser Ansicht fest, so muß man folgern, daß der Sieg RADULFS nur sehr unvollständig gewesen sein kann, daß er also nicht vermocht hätte, dem weiteren Nachdrängen slavischer Haufen einen Damm vorzuschieben. Oder aber die andere Folgerung wäre die: Sein Sieg ist so ungemein groß gewesen, daß er riesige Mengen von Unfreien (Kriegsgefangenen, erbeuteten Weibern und Kindern usw.) mit sich führen konnte. Dem stehen aber die historischen Überlieferungen im Wege. Als Ort seines Sieges wird Rudolstadt angenommen, und das liegt ja keineswegs tief in Feindesland. Darüber hinaus aber — was noch wichtiger ist — wissen wir, daß er, der eine königliche Stellung einnahm, mit seinem Oberlehnsherren, dem Frankenkönig, verfeindet war, dagegen zu den Slaven freundschaftliche Beziehungen unterhielt3). Und schließlich sprechen gewisse Gründe (Nicht-Ausplünderung von damals noch benutzten Begräbnisplätzen bei Weimar usw.) dafür, daß die 1) Vgl. dazu oben S. 32, Aim. 5, die erste Erwähnung der Slaven in deutschen Urkunden überhaupt. Vgl. auch BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II, S. 3 6 8 F . ; E D . O. SCHULZE, a . a . O., S. 3 8 u. 1 1 5 .
2) Zum Beispiel ED. O. SCHULZE, a. a. O., S. 7. 3) Die Chronik FREDEGARS, Kap. 87, sagt in bezug hierauf: „regem se in Toringia esse cinsebat; amicicias cum Winidis firmans, ceterasque gentes, quas vicinas habebat, cultum amicicae oblegebat". Vgl. dazu auch CARMESIN, a. a. O., S. 89F.; vgl. auch E. DEVRIENT, a. a. O.. S. 15.
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Slaven auch nach ihrem Sieg über das Frankenheer bei ihren Einfällen nicht oder zumindest nicht tief in Thüringen eingedrungen sind1). Aber hat nicht etwa später ein solches siegreiches Eindringen stattgefunden, etwa nach dem Tode RADULFS (ca. 660) ? Das ist in der Tat vermutet worden2). Aber auch hiergegen sprechen Umstände, die uns zwingen, diese Vorstellung aufzugeben. Und zwar kommt uns hier wieder die Spatenwissenschaft zu Hilfe. Diese hat nämlich festgestellt, daß eine Art von Anlagen links der Saale und ebenso in Oberfranken fehlt, die sonst überall anzutreffen ist, wo Slaven gesiedelt haben, nämlich die Burganlagen! Und dabei finden sie sich auf dem rechten Saaleufer überall, und zwar in recht geräumigen Ausmaßen. Sie sind dort, wie man aus den Funden schließen kann, um 600 entstanden und bis ins 9. Jahrhundert hinein benutzt gewesen8). Diese Tatsache ist außerordentlich aufschlußreich. Sie zeigt uns, daß dort, wo die Slaven politisch selbständig waren, nämlich rechts der Saale, sie ihre Burganlagen angelegt haben und die ganze Zeit in Benutzung hielten, in der sie ihre politische Unabhängigkeit behaupteten. Daß sie diese Burganlagen links der Saale nirgends gebaut haben, kann nur so ausgelegt werden, daß die politischen Zustände ihnen dies nicht gestatteten, mit anderen Worten: sie können nicht als Sieger und kraft eigenen Rechtes hier eingedrungen sein4). Gerade wenn sie, auf ihre kriegerische Überlegenheit gestützt, hier Fuß gefaßt hätten, würden sie es wohl schwerlich versäumt haben, ihre Eroberungen gegen den ja keineswegs zu Boden geworfenen deutschen Gegner durch derartige Anlagen zu sichern. Aus alledem ergibt sich, daß wir den Gedanken, die Slaven wären als Sieger eingedrungen, hätten ihr „Reich" über die Saale hin ausgedehnt, nicht annehmen können. Ist damit aber die alte Streitfrage im Sinne von MEITZEN, L E O und SCHLÜTER entschieden, dahingehend also, daß die Slaven 1) CARMESIN,
3)
a.
a.
O.,
S. 86.
—
2) CARMESIN, a . a . O . ,
S.
93f.
Die Slaven in Thüringen usw., S. 30f. Vgl. auch C H R . A L B R E C H T , Die westliche Grenzlinie der slavischen Burgwälle in Nord- und Mitteldeutschland, „Mannus", „Zeitschr. f. Vorgeschichte", V. Erg.-Bd., 1927, S. 137f.; CHR. ALBRECHT,
STUHLFAUTH, a . a . O . ,
S.
100.
4) Auch C H R . A L B R E C H T hat daraus schon ähnliche Folgerungen gezogen. Vgl. dazu auch P. G R I M M , a. a. O., S. 114, ebenso K Ö T Z S C H K E - K R E T Z S C H M A R , a. a. O., Bd. I, S. 29f; hier findet sich ein guter Überblick über die Art dieser Befestigungsanlagen; „es gab geradezu Burgwallsysteme, die einen Großgau ringsum zu schützen bestimmt waren. . . . Andere Burgwälle lagen kettenweise aufgereiht an größeren und kleineren F l ü s s e n . . . " (S. 29).
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überall von deutschen Grundherren (einschließlich des Königs) als Unfreie angesetzt worden seien ? Wie wir noch näher sehen werden: nein. Der Ton der Frage liegt auf dem überall. Denn daß grundherrliche Absetzungen zu einem erheblichen Ausmaße stattgefunden haben, ist ja nie strittig gewesen, so namentlich auf den Königshöfen im Norden und den Klostergütern im Westen und Süden unseres Gebietes; überall, wo in deutschen Dörfern Slaven nachgewiesen sind, ist dies anzunehmen, und ebenso in den Orten auf -winden usw., der deutschen Bezeichnung für die Slaven1). Wie aber steht es mit den Slaven, die in dem Grenzgebiet links der Saale ansässig waren (einschließlich das untere Unstrutgebiet) ? Zunächst die Tatsache, von denen wir auszugehen haben: Da haben wir unter anderem einen Brief des BONIFATIUS an den Papst ZACHARIAS, in dem er anfragt, wie es hinsichtlich des Zinses mit den (heidnischen) Slaven gehalten werden solle, die neben den Christen wohnen. Der Papst erwidert (751), daß auch von ihnen Zins zu erheben sei, denn wenn sie ohne Tribut dort lebten, würden sie das Land als ihr Eigentum ansehen, während die Verpflichtung zur Tributzahlung ihnen zu erkennen geben würde, daß sie einen Herrn über sich hätten 2 ). Wie wir aus anderen Quellen wissen, haben die Slaven diesen Tribut auch tatsächlich bezahlt; i. J. 889 bestätigt z. B. König ARNULF der Würzburger Kirche eine von dem Bischof ARN durch Vorlage (leider verlorenen) Dokumente nachgewiesene Schenkung von PIPPIN, KARLMANN und Kaiser LUDWIG, der zufolge die Würzburger Kirche den zehnten Teil des von den Slaven (und Ostfranken) jährlich an den Fiskus zu entrichtenden und in ihrer Sprache „Steora" oder „Ostarstuopha"3) genannten, in Honig, Gewändern und dergleichen bestehenden 1) Vgl. 2)
M A R G . BACHMANN,
DRCNKE,
a. a.
O., S.
30ff.;
STUHLFAUTH,
a. a.
O . , S.
66ff.
Über die Slaven auf den ehemaligen Gütern des Klosters Fulda,
a . a . O . , S . 6 6 ; CARMESIN, a . a . O . , S . 9 4 ; STUHLFAUTH, a . a . O . , S .
64.
Hier finden wir also einen Beweis dafür, daß man die Slaven durchaus zunächst noch beim Heidentum ließ, was P. R E I N E C K E , a. a. O., S. 20 als „haltlose Voraussetzung" ablehnt. So sind die diesbezüglichen Schlußfolgerungen R E I N E C K E S hinfällig, zumal wir Nachrichten haben, daß auf den Königsgütern bei Nordhausen noch bis ins 12. Jahrhundert hinein heidnische Slaven sitzen ließ (oben S. 41 Asm. 2). So erscheint es auch möglich, daß man diese heidnischen Slaven ihre Toten auf besonderen, vpn den christlichen getrennten Friedhöfen bestatten ließ, was R E I N E C K E ebenfalls ablehnt. 3) Diese Ausdrücke sind deutsch, nicht slavischl Dem Volksmund sind sie geläufig gewesen, wohl nur die entfernt wohnenden gelehrten Kanzlisten kannten ihn nicht mehr. Vgl. dazu auch M A R G . BACHMANN, a. a. O . , S . 1 5 .
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Tributes erhält1). Man geht wohl nicht fehl, wenn man vermutet, daß die Anfrage des BONIFATIUS nicht nur im Interesse des Klosters Fulda, sondern wohl auch in dem PIPPINS, wenn nicht sogar von ihm veranlaßt, abgegangen ist. Das beweist eigentlich schon, daß es sich um Slaven gehandelt haben muß, die als persönlich freie Menschen eingewandert sind und dies z. Zt. der Anfrage auch noch waren. Wären es unfreie, besser: grundherrliche Kolonisten oder gar Kriegsgefangene usw. gewesen, so hätte deren Zinspflichtigkeit überhaupt kein Problem gebildet, dessentwegen der Papst hätte besonders bemüht werden müssen2). Auch etwa bestehende Unklarheiten über einen solchen grundherrlichen Zins wären kein Thema für eine solche Korrespondenz gewesen, sondern wären von dem Herrn autoritativ entschieden worden. Es dreht sich ja auch nicht um den kirchlichen Zehnt, sondern um einen Tribut, den man als einen politischen bezeichnen muß, und der ausgesprochen den Zweck hatte, den Slaven zu erkennen zu geben, daß sie nicht Herren im eigenen Lande seien8). Aber das ist noch nicht alles: Wir finden Slaven gelegentlich ausdrücklich als Freie (liberi) bezeichnet, wie z. B. in Engelmarestat (nicht zu bestimmen) 17 Mann, die auch geringe Abgaben zu entrichten haben4), oder sie sind in Groß-Lüder im Besitz von Beneficia, die von den Hufen und Mansen durchaus unterschieden werden und eine höhere Leiheform darstellen8). Auch wenn Slaven an das Kloster Fulda Land verschenken, spricht das für Freiheit, zum mindesten im Sinne freier Verfügungsgewalt über ihren Grund und Boden. Derartige Schenkungen kommen aber an einer ganzen Reihe von Orten vor 6 ). Und schließlich sprechen auch gewisse Ausgrabungsbefunde für die gleiche Annahme. So meinte schon CARMESIN, daß die Funde bei Daberstedt für freie Slaven zeugten, 1) DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 276; das gleiche Privileg bestätigt HEINRICH I . i. J. 923 ( e b e n d a , N r . 330) u n d OTTO I I I . i. J . 992 ( e b e n d a , N r . 5 5 4 ) . V g l . a u c h
die Urkunde DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 875. 2) Einen ähnlichen Gedanken spricht auch STUHLFAUTH, a. a. O., S. 64, aus. 3) Durch die Weiterverleihung an die Würzburger Kirche mußte sich dieser ursprüngliche Charakter natürlich nach und nach verwischen. 4) DRONKE, Trad. et Ant. fuld., Kap. 43, Nr. 70; auch südlich des Thüringer Waldes und im Bayrischen kommt das vor, vgl. die bei STUHLFAUTH, a. a. O., S. 81 u. 85 angeführten Quellen. 5) Ebenda, Nr. 69. 6) In Sulzbach 18 Joch, in Römstedt (bei Apolda) 7 Joch, in Rottdorf und Dörnfeld (bei Blankenhain) gleichfalls je 7 Joch, in Engerde (bei Kahla) 27 Joch, in Kahla selbst 9 Joch und in Nordfahner bei Gotha 40 Joch (um das Jahr 860 herum). DRONKE, Trad. et Ant. fuld., Kap. 8, Nr. 36 (DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 227).
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weil diese auf einen so großen Wohlstand schließen ließen, wie er für unfreie Kolonisten keinesfalls angenommen werden könne1). Sind also die Slaven doch siegreich eingedrungen und dann erst nach und nach in Abhängigkeit und Tributpflicht gekommen ? Diese Frage drängt sich auf, nachdem wir gesehen haben, daß es — neben den zahlreichen von Grundherren zwangsweise angesetzten Slaven — auch solche gegeben hat, die frei waren, ja, daß die persönliche Freiheit als der Ausgangszustand angesehen werden muß. Aber das Ergebnis der obigen Untersuchungen (Fehlen der Burganlagen usw.) stand der Annahme eines siegreichen Eindringens entgegen. Nach welcher Richtung ist also die Lösung zu suchen? Stellen wir erst einmal die Gegenfrage: Was heißt denn „siegreich eindringen" ? Zweifellos bestand an der Grenze lange Zeit hindurch ein mehr als labiler Zustand, bei dem die militärische Lage der Deutschen alles andere als glänzend war, es zum mindesten unmöglich ist, sie als siegreich anzusprechen. Mehrfach wurden sie besiegt. Die Grenzbezirke waren nur noch von einer ganz dünnen germanischen Schicht besiedelt. Es gibt ja aber noch etwas anderes als ein Entweder—Oder, und in dieser Richtung müssen wir die Lösung des Problems suchen : Die Slaven kamen nicht gerade als siegreiche Eindringlinge über die Grenze — denn die Saalelinie wurde stets militärisch behauptet, trotz einzelner Rückschläge —, aber auch (ursprünglich) nicht als Unterworfene, zwangsweise Herübergeführte und Angesiedelte. Sie drangen friedlich ein, nicht gerufen, möglicherweise nicht sehr gern gesehen, aber doch immerhin geduldet. Besonders zahlreich ist diese Zuwanderung vielleicht in der Zeit des Herzogs R A D U L F erfolgt, der sich, auch wenn er sie zunächst zurückschlug, gut mit ihnen stellte, ja sich zeitweilig mit ihnen verbündete, als es ihm darum ging, sich gegen den König S I G I B E R T ZU behaupten2). Zwischen den 1 ) CARMESIN, a . a . O . ,
S.
76.
2) Vgl. dazu E. C A E M M E R E R , a. a. O., S. 33, und C H R . A L B R E C H T , Die Slaven in Thüringen, S. 32. Wenn er dort sagt, daß die Slaven nördlich der Unstrut hätten eindringen können, als K A R L D. G R . die dort sitzende aufsässige Sachsenbevölkerung abgeführt (umgesiedelt) habe, sind Zweifel berechtigt; sicher sind auch hier schon früher Übersiedlungen in dem im Text gekennzeichneten Sinne vorgekommen; die genannten Maßnahmen K A R L S D. G R . können eventuell fördernd gewirkt haben, aber auch das erscheint unsicher, weil ja K A R L D. G R . gegenüber den Slaven eine sehr viel festere Haltung einnahm als seine Vorgänger 100 Jahre früher. Hier sind dann wohl schon eher grundherrliche Ansiedlungen anzunehmen. Daß die Ansiedlungen im Westen n i c h t von deutschen Grundherren mit slavischen Unfreien gebildet worden sind, wie A L B R E C H T , a. a. O., S. 32 sagt, trifft, wie wir sahen, nicht zu, wenigstens nicht durchgehend.
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wenigen germanischen Restsiedlungen fanden sie leicht Platz, friedlich hausten beide nebeneinander. Die Deutschen konnten oder wollten ihnen das Sich-Festsetzen nicht verweigern, und die Slaven brauchten es sich nicht zu ertrotzen. Beide handelten, von der damaligen Lage aus gesehen, klug daran, denn zum Verweigern waren die Kräfte der Deutschen an der Grenze damals zu schwach, und zum Ertrotzen hätte die Stärke der Slaven wiederum wohl kaum ausgereicht. So gab es ein friedliches Nebeneinander, an der Saale sowohl wie in Oberfranken1). Niemals hören wir etwas von Kämpfen zwischen den beiden Völkern auf diesem Gebiet. Dazu stimmt die Feststellung verschiedener Forscher, daß es für diese Zeit noch ganz unberechtigt wäre, von einem Nationalhaß zwischen Germanen und Slaven auszugehen und demzufolge anzunehmen, daß es nur Sieg oder Vernichtung, Herrentum und Unfreiheit hätte geben können; das wäre eine Übertragung von Wertakzenten, die einer späteren Zeit angehören, auf diese frühere, die sie noch nicht kannte2). Daß es auch sonst Gewohnheit der Franken war, sich mit der politischen Herrschaft zu begnügen und die persönliche Stellung des Einzelnen unangetastet zu lassen, kann die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung nur bestätigen. Nach dieser Richtung ist also die Lösung der Frage, in welcher Verfassung die Slaven über die Saale und den Frankenwald in das deutsche Stammland eingedrungen sind (was später aus ihnen geworden ist, steht ja fest und ist nicht umstritten), zu suchen. Man hat zu unterscheiden zwischen dem politischen und dem sozialen Zustand, zwischen der öffentlichen und der privaten Sphäre. Politisch gesehen waren sie vom Tage ihres Einwanderns an Untertanen des deutschen (fränkischen) Königs, in sozialer Hinsicht waren sie frei. Dieser Zustand war zunächst unbestritten und von beiden Seiten anerkannt. Er änderte sich dann aber bald, 1) Vgl. dazu die Hinweise bei S T U H L F A U T H , a. a. O., S. 73f., 77, 83. 2) Im Hinblick auf diesbetreffende Feststellungen des russischen Forschers J E G O R O V sagt z. B. H. F. SCHMID, a. a. O., Bd. II, 1925, S. 147: „die nicht neue, aber nicht oft genug zu wiederholende Feststellung, daß für die Kolonisationszeit wohl von einem differenzierenden Stammesgefühl, nicht aber von einem Nationalhaß zwischen Deutschen und Slaven die Rede sein kann. . . . " Das gilt auch schon für diese Zeit. Differenzierendes Stammesgefühl, das nicht selten zu tödlichem Haß wurde, gab es aber auch zwischen rein germanischen Stämmen in nicht geringem Ausmaß. Das Schicksal der Gepiden ist dafür wohl der traurigste Beweis. Die Hinweise für die gering geachtete Stellung der Slaven, die E D . O . S C H U L Z E , a. a. O., S. 131 f. beibringt, beziehen sich auf eine sehr viel spätere Zeit. Daß der alte Stammesname Sclavi zu der Bedeutung von Sklave kommt, ist noch nicht in dieser Zeit begründet (vgl. dazu unten S. 66, Anm. 3).
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indem die erstarkende Macht der Karolinger sich mit dieser Lösung nicht begnügte, sondern ihnen, dem fremden Volk auf deutschem Boden, einen Zins auferlegte. Wir sahen ja, wie BONIFATIUS deswegen bei dem Papste anfragte. Schon vorher aber, nämlich aus dem Jahre 741 haben wir eine Urkunde, die von tributpflichtigen Slaven in Oberfranken spricht (zum ersten Male!)1). Sie wurden damit nicht persönlich unfrei, der Tribut war vielmehr ein solcher politischer Art, aber es war nicht verwunderlich, wenn dieser Ursprung nach und nach in Vergessenheit geriet und zum grundherrlichen wurde, nachdem ringsherum überall im Lande auch Slaven saßen, die zwangsweise angesiedelt worden waren. Daß aber immerhin weithin Slaven auch bei bestehender Abgabeverpflichtung ihre persönliche Freiheit zu wahren verstanden, zeigt die Tatsache, daß sie noch später da und dort als „liberi" bezeichnet werden und Verfügungsfreiheit über ihren Grundbesitz haben. Es darf auch angenommen werden, daß manche Slaven sich freiwillig in die Schutzherrschaft des Königs oder eines Großen begaben. Im weiteren Verlauf sind sie mehr oder weniger gezwungen weiter nach dem Binnenlande gekommen und dort angesetzt worden, z. B. auf den fuldaischen Klosterbesitzungen im Grabfeldgau und den Königsgütern bei Nordhausen usw. Mit Recht nimmt wohl STUHLFAUTH an, daß absichtlich bei Einsetzen der deutschen Kolonisation aus den Slavengebieten im Osten des Reiches Slaven von dort weggeführt und weiter im Binnenlande angesetzt worden seien, um so das fremde Element in den mehr oder weniger dicht besetzten und völkisch noch umstrittenen Grenzstrichen zu schwächen2). Später kamen dann vielleicht auch Slaven von jenseits der Saale herüber und verstärkten damit das slavische Element, wenn auch angesichts der notwendigen Ablehnung der sog. Ausrottungstheorie3) wohl kaum mit einer massenhaften Umsiedlung zu rechnen ist, für die uns auch jede Nachricht fehlt. Man könnte auch daran denken, daß manche Slaven von dort aus sich freiwillig in die Grund- oder Schutzherrschaft des Königs oder eines Großen begeben haben, namentlich später, um Schutz vor den Raubzügen der Avaren, Ungarn, Cechen und Polen zu gewinnen, die besonders im 9. und 10. Jahrhundert immer wieder über die Sorben zwischen Saale und Elbe herfielen und die Menschen 1)
STUHLFAUTH,
a. a. O., S. 32. — 2) Ebenda, S. 66f.
Statt vieler Belege sei verwiesen auf G. v. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters in ihren Grundzügen, S. 64. 3)
L ü t g e , Agrarverfassung.
5
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fortschleppten1). Demgegenüber mußte die Sicherheit, in der die Slaven links der Saale saßen, begehrenswert erscheinen, und ein Vergleich zwischen dem Los eines Sklaven in ungarischer oder polnischer Hand gegenüber dem eines grundherrlichen Bauern in Nord- oder Westthüringen dürfte nicht zuungunsten des letzteren ausgefallen sein. Bei dem großen Aufstand von 880 galt der Haß der östlichen Sorben und Cechen z. B. ja ganz besonders den Slaven, die links der Saale wohnten und sich dem Aufstande nicht angeschlossen hatten und daher von jenen als Verräter angesehen wurden2). Auch Erwerb durch Kauf hat zweifellos eine Rolle gespielt. „Der Sklavenhandel selbst mit eigenen Volksgenossen, eigenen Angehörigen spielte schon im 10. Jahrhundert eine bedeutsame Rolle im Erwerbsleben der Slaven", sagt ED. O. SCHULZE8). Und dieser Handel hat an den deutschen Grenzen wohl nicht haltgemacht, zumal seine Vermittler vielfach spanische Juden waren4). Auch von GUNZELIN, dem Nachfolger „des kriegsgewaltigen Markgrafen EKKEHARD, wird bezeugt, wie er das Verhandeln sorbischer Familien an Juden als lukratives Geschäft betrieb" 5 ). — Und schließlich kommt dazu — zahlenmäßig sicher nicht zuletzt — das Los der Kriegsgefangenschaft. Dieses Los ist im großen wohl immer das gleiche gewesen, aber man gewinnt aus den verschiedenen Nachrichten den Eindruck, als wenn die Feindschaft seit dem 9. Jahrhundert unerbittlicher und somit das Schicksal der Gefangenen auch vielleicht härter geworden sei. Das dürfte damit zusammenhängen, daß mit KARL D. GR. eine festere Politik den Slaven gegenüber einsetzte. Solche labilen Verhältnisse, wie sie noch zur Zeit RADULFS bestanden hatten, sind jetzt nicht mehr denkbar. Und doch wird schon aus dem Jahre 630/31, als Alemannen und Bayern einen Einfall nach Böhmen machten, ausdrücklich berichtet, daß sie eine gewaltige Menge von Gefangenen (Slaven) mit sich geführt hätten6). Das Gleiche gilt zweifellos, auch wenn nichts Näheres darüber gesagt ist, bei den zahlreichen späteren Feldzügen in Feindesland. Schon die Kriegszüge KARLS D. GR. 1) E D . O . SCHULZE, a . a. O., S . 115 f . 2) E D . O . SCHULZE, a . a. O., S. 18; STUHLFAUTH, a. a. O., S. 83.
3) Ebenda, S. 38 u. 115. Damals hat wohl, wie SCHULZE mit Recht meint, das Wort „sclavus" jenen Sinn bekommen, der den alten als Volksname verdrängte. 4 ) M A R G . BACHMANN, a. a. O., S. 6 4 ; W I L H . H E Y D , G e s c h i c h t e des L e v a n t e -
handels im Mittelalter, Stuttgart 1879, S. 88 u. S. 106ff.; G. JACOB, Der nordischbaltische Handel der Araber im Mittelalter, Leipzig 1887, S. 127; RUD. KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 288. 5 ) E D . O . SCHULZE, a. a. O., S. 115. —
6 ) FREDEGARS C h r o n i k ,
K a p . 68.
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805 und 806 brachten wohl viel Gefangene, dann auch die Kriege, die nach seinem Tode ausbrachen, als die Slaven die Gelegenheit gekommen glaubten, sich befreien zu können1). Lange Zeit lag die Aufgabe der Abwehr zum wesentlichen Teil bei der thüringischen Grenzbevölkerung selbst, kein Name tritt uns hier entgegen, wohl ein Zeichen dafür, daß das Land weitgehend auf sich selbst gestellt war. Erst mit der Mitte des 9. Jahrhunderts begegnen wir dem Markgrafen THAKULF, der auch weit in das oberfränkische Sorbenland vordringt und selbst dort Besitz erwirbt2). Auch hier gab es sicher zahlreiche Kriegsgefangene. Eine Steigerung erfuhren diese Kämpfe dann unter HEINRICH I.; bekannt ist ja die Merseburger Legion, d. h. eine Kriegsknechtstruppe, die er in diese wichtige Grenzfeste legte und die von hier aus weite Plünderungszüge in das Slavenland unternahm3). Kurzum, Kriegsgefangene gab es fast zu allen Zeiten, und ein nicht geringer Teil von ihnen wird diesseits der Saale angesetzt worden sein. Hier muß man natürlich von zwangsweiser Ansetzung sprechen. Falsch dürfte es aber sein, wie SEMPERT das im Hinblick auf das von ihm untersuchte Gebiet (Schwarzburg-Rudolstadt) tut, generell eine zwangsweise grundherrliche Ansiedlung der Slaven annehmen zu wollen, derart, daß sie in ihrer Gesamtheit von deutschen Herren zwangsweise über die Saale herübergeholt und angesetzt worden wären, wobei die slavischen Namen sich dann so erklären, daß die Grundherren den slavischen Hintersassen die Benennung des Ortes überlassen hätten4). Diese Art der Ansetzung kann nach allem Vorhergehenden nur einen Teil betroffen haben, ein Teil, der m ö g l i c h e r w e i s e in der Schwarzburgischen Oberherrschaft größer gewesen ist als anderswo, aber eben doch nur einen Teil. Und daß ein Grundherr die Benennung seiner Gründung seinen Hörigen überlassen hätte, ist schwer denkbar. Die Wahl von slavischen Namen durch Deutsche, die zweifellos vorgelegen hat, ist von diesen selbst ausgegangen. Aus diesen verschiedenen Herkommen ergibt sich im Verlauf der Entwicklung ein Nebeneinander: Grundherrlich abhängige, aber persönlich freie Slaven stehen neben solchen, die dem harten Zwang des Kriegsrechtes oder der Gewinnsucht des Sklavenhändlers ihre 1) TH. KNOCHENHAUER, Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit, S. 15. 2) Ebenda, S. 23 f., d. h. noch diesseits der politischen Grenze, südlich des F r a n k e n w a l d e s (STUHLFAUTH, a. a. O., S. 71). 3) E D . O . SCHULZE, a . a . O . , S. 115. —
4)
SEMPERT, a . a .
O., 5*
S.
179.
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Ansetzung auf deutschem Boden verdankten. Im Einzelfall wird man selten entscheiden können, ob dieser oder jener Grund ausschlaggebend gewesen war — es gab ja auch zahlreiche Übergangsund Mischformen —, aber bis zu einem gewissen Grad verhelfen uns urkundliche Nachrichten über Axt und Höhe ihrer Lasten zu einem klareren Bild. Grundherrliche, im Ursprung auf politische Momente zurückgehende Abhängigkeit unter zunächst wohl in der Regel behaupteter, nach und nach zum großen Teil in der Grundherrschaft untergehender persönlicher Freiheit liegt wohl dort vor, wo sie Abgaben zu entrichten haben, die man als gering bezeichnen muß1). Insofern können wir vom Wirtschaftlichen auf das Soziale schließen. Charakteristisch für die wirtschaftliche Lage der Slaven sind z. B. die Angaben in dem schon mehrfach erwähnten Codex des EBERHARD2), die wir unten S. 190ff. ausgewertet haben. Hier sind weitgehend3) die Belastungen aufgeführt. Sie sind allgemein gering, namentlich auch geringer als die Belastungen der Liten, die ja doch schon den ganz Unfreien (Mancipia) gegenüber eine gehobenere Stufe darstellten. Genau bezeichnete Dienstleistungen werden bemerkenswerterweise von ihnen nur in drei Orten (Rasdorf, Kirchhasel und Folmaresdorf) erwähnt, in all den vielen anderen Orten haben sie nur Abgaben zu leisten, bei denen Gewebe in den Vordergrund treten und landwirtschaftliche Produkte eine geringere Rolle spielen, was mit der These, sie seien allgemein als unfreie Kolonisten angesetzt, im Widerspruch steht, denn dann müßten ja wohl Getreideund dergleichen Abgaben ihre Hauptlast bilden. Man darf wohl annehmen, daß die Slaven im Weben (das Rohmaterial konnten sie j a auch eintauschen, brauchten es also nicht selbst angebaut zu haben) eine besondere Geschicklichkeit aufwiesen. Der Zins (Tribut), dessentwegen BONIFATIUS beim Papst angefragt hatte, hat vielleicht in diesen Abgaben bestanden. Auch sonst finden wir Produkte hand1) So sagte z. B. auch schon FRITZ REGEL, Thüringen, ein geographisches Handbuch, Bd. II, Jena 1895, S. 519, von den Slaven: „Hinsichtlich der Besteuerung erfreuten sie sich einer günstigeren Lage als die übrigen Bauern, wofür R . SCHOTTIN viele Beispiele aufführt". Die hier angeführte Schrift von R. SCHOTTIN, Die Slaven in Thüringen, Wissenschaftl. Beiträge zu dem Programm des Gymnasiums zu Bautzen, Ostern 1884, war mir leider nicht zugänglich. Vgl. dazu auch die Aus-
f ü h r u n g e n bei WANDSLEB, a. a. O., S. 47 f.
2) DRONKE, Trad. et Ant. fuld., Kap. 43, ebenso J. F. SCHANNAT, Historia fuldensis, Frankfurt a. M. 1729, Teil I, S. 31. (Vgl. auch DOBENECKER, Regesten, II, Nr. 317.) Hier wohnen sie überall mit anderen (deutschen) Landbewohnern zusammen, Freien, Halbfreien und Unfreien verschiedener Art. 3) Zuweilen heißt es nur summarisch „cum suo debito" oder ähnlich.
— 69 — werkerlicher Fertigkeit als Abgaben angeführt. So zahlen z. B. die (dem Zusammenhang nach slavischen) „scutatores" in Haina 12 Schilde (scuta) „et una fabrica"( P)1). Wenn sie dagegen als unfreie Leute auf Hofgütern zu arbeiten haben, wie das an den drei obengenannten Orten bezeugt ist, sind ihre Leistungen auch ganz natürlicherweise höher als die der anderen. Hier müssen die Voll-Liten z. B. jährlich je 36 Acker schneiden (secare), die Halb-Liten je 28 Acker pflügen, von den Slaven aber jeder diese Arbeit auf 40 Acker übernehmen. In Sulaho (eines der drei in Frage kommenden Suhl) werden außerdem die Slaven als „servientens sclavi" bezeichnet, was wahrscheinlich nicht ihren unfreien Stand, sondern die Tatsache, daß sie zu Diensten verpflichtet sind, ausdrücken soll. Dann wären es also vier Dörfer, in denen sie Fronarbeiten zu leisten haben. Auch die Tatsache, daß wir Slaven in der älteren Zeit nur ganz selten auf Mansen sitzend vorfinden, spricht für ein weniger strenges Abhängigkeitsverhältnis, da, wie wir noch sehen werden, die Manse gegenüber der Hufe in unseren Quellen sehr oft ein strengeres Abhängigkeitsverhältnis anzeigt 2 ). Abwegig würde es sein, die zahlreich vorkommenden Ortsnamen patronymischer Bildung auf -ice oder -ino als Gründungen slavischer Großer anzusehen, denn diese Endungen beleuchten in keiner Weise die soziale Stellung des Namenträgers; „er kann ebensogut ein unfreier Bauer wie ein Magnat sein" 3 ). Wir müssen also wohl im wesentlichen zwei S c h i c h t e n v o n s l a v i s c h e r Z u w a n d e r u n g unterscheiden. Die erste im 7. Jahrhundert erfolgte freiwillig und unter Wahrung der persönlichen, wenn auch nicht der politischen Freiheit. Im Laufe der späteren Entwicklung sind diese Slaven dann in schütz- und grundherrliche Abhängigkeit geraten, wobei ihre Lasten gering waren. Die zweite Schicht ist in späterer Zeit (namentlich 9. und 10. Jahrhundert) auf dem Wege grundherrlicher Ansiedlung in das Land gekommen (Königshöfe, Gutswirtschaften). Eine gewisse Verbindung zwischen beiden würden diejenigen Slaven darstellen, die sich — wie wir glauben vermuten zu dürfen — freiwillig in die Schutzherrschaft und damit wohl auch meist grundherrliche Abhängigkeit begaben, 1) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 43, Nr. 12. 2) Dies z. B. D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 4, Nr. 133. Vgl. auch meinen Aufsatz „Hufe und Mansus" usw. in der „Vierteljahrsschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte", 30. Bd., 1937, Heft 2. 3) A. B R Ü C K N E R , Zur slavischen Namenkunde, „Zeitschrift f. slavische Philologie", Bd. III, 1926, S. 17.
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um sich von ihren räuberischen Nachbarn im Süden und Osten zu retten. Daneben hat es natürlich von Anfang an Kriegsgefangene und gekaufte Sklaven gegeben, deren Schicksal dem damals üblichen entsprach. Daß die Unfreien, die in den Händen slavischer Großer waren, unfrei blieben, versteht sich von selbst. Keinesfalls wird man, wie wir sahen, annehmen dürfen, daß die Slaven westlich der Saale und des Fichtelgebirges so dicht gesessen haben, wie die obige Aufführung von Ortsnamen zunächst vermuten läßt1). Die oben S. 49ff. angeführten Gründe und nicht zuletzt die Ergebnisse der Spatenwissenschaft zwingen zu diesem Schluß. Nachdem man sich neuerdings auch genötigt gesehen hat, die Ansicht fallen zu lassen, daß der Rundling eine typisch slavische Siedlungsform sei und sein Vorkommen daher auch als Beweis für den slavischen Ursprung des betreffenden Ortes angesehen werden müsse2), ist das Argument, das von den älteren Autoren zur Kennzeichnung einer ganzen Anzahl der obengenannten Ortschaften als Slavensiedlungen geführt hat, nicht mehr stichhaltig. Das gleiche gilt für den Blocktypus in der Fluraufteilung; auch er ist nicht spezifisch slavisch 3). Auch für die Siedlungen links der Saale wird man — soweit sie noch als wirklich slavisch angesehen werden können, was im einzelnen nur durch Spezialuntersuchung (wenn überhaupt) nachgewiesen werden kann — daran festhalten müssen, daß sie durchaus nicht alle in die Zeit der ersten friedlichen Zuwanderung fallen, sondern in nicht geringer Anzahl erst später auf grundherrlicher Basis begründet worden sind4). So erhält es auch seine Erklärung, daß die slavischen Orte links des oberen Mittellaufes der Saale erst vom 12. Jahrhundert ab in den urkundlichen Quellen aufzutauchen 1) Immerhin ist es aber kaum möglich, summarisch zu sagen: „Die wenigen Slaven wurden rasch eingedeutscht, nachdem sie vorher christianisiert worden waren" (E. SCHWARZ, Bairische und ostfränkische Ostsiedlung im Mittelalter im Licht der Sprachforschung, a. a. O., S. 667). Das läßt die Dinge zu einfach erscheinen. 2) CHR. ALBRECHT, a. a . O., S. 20; W .
EBERT, L ä n d l i c h e
Siedelformen im
deutschen Osten, Berlin 1937, S. 26f. u. S. 63f. Damit sind die Ausführungen von SEMPERT, a. a. O., S. 181, auch in dieser Form nicht aufrechtzuerhalten; ebenso auch H. LEO, a. a. O., S. 9. Auf das Problem des Rundlings im allgemeinen kann hier natürlich nicht weiter eingegangen werden.
Vgl. dazu W . EBERT, a. a. O.
3) SEMPERT, a . a . O . , S. 180f. (im G e g e n s a t z z u LEIPOLDT, a . a. O . , S. 3 0 f f . ) ;
EBERT, a. a. O.,
S. 32 ff., weist auch darauf hin, daß die Blockflur nicht als
slavisch bezeichnet werden kann, wohl aber scheint sie besonders häufig in den alten Grenzgebieten bzw. frühesten Kolonisationsgebieten vorzukommen und ein besonders hohes Alter zu beweisen; er möchte ihr einen gewissen Übergangscharakter zuerkennen. 4) Darüber vgl. Näheres im nächsten Kapitel.
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beginnen. Allerdings ist dieses ganze Gebiet ja — wie überhaupt das Vorland des Thüringer Waldes — erst besonders spät besiedelt worden1) 2 ). Diese ganze 4. Siedlungsperiode, die in ihrem Entwicklungsverlauf zu klären auf den vorstehenden Seiten versucht worden ist, zieht sich also über 6 Jahrhunderte hin und überscheidet sich überall mit der 3. und 5. Periode. In ihrer inneren siedlungspolitischen Struktur fällt sie im wesentlichen in die 5. Periode. Die Entnationalisierung machte — vor allem nach Aufhören der Kämpfe in der Saalegegend, d. h. der Hinausschiebung der Grenze nach Osten zu, und dann nicht zuletzt durch die allgemeine Christianisierung 3) — vom Ausgang des 9. Jahrhunderts an rasche Fortschritte, aber immerhin bildet der Streifen links der Saale noch längere Zeit so etwas wie ein ,,Zwischenland" mit starken Anklängen an das Kolonialland im Osten. Die relativ günstige Lage, in der sich die Slaven zu einem großen Teil befunden hatten, erleichterte ohne Zweifel diesen ganzen Entwicklungsprozeß4).
5. Die 5. Periode (rund 750 bis 1300). Wie wir oben S. 31 f. sahen, liegt ein nicht unwesentlicher Unterschied der 3. Siedlungsperiode gegenüber der 1. und 2. Periode nicht zuletzt darin, daß in dieser die Kolonisation zu einem erheblichen Teile von der Staatsgewalt oder grundherrlichen Mächten betrieben oder zum mindesten geleitet wurde, während in den älteren Perioden die Siedlung in der Hauptsache vom Volke getragen war. In diesem Sinne hatte es ja auch seine Berechtigung, die 1) Vgl. dazu die treffenden Bemerkungen von SEMPERT, a. a. O., S. 178 passim. Für den Orlaugau vgl. WANDSLEB, a. a. O., S. 11 u. 61 f. 2) Auch die Jahreszahlen, die oben S. 39 ff. bei der Aufstellung der Slavenorte überall eingefügt worden sind, wo sie bekannt waren, stammen ja zu einem erstaunlich großen Teil aus dieser späteren Zeit. Stellt man dann in Rechnung, von wievielen Orten derartige urkundliche Nachweise nicht beizubringen sind, so sieht man erst so richtig, wie sehr der Nachweis der ,,Slavenorte" rein auf der philologischen Methode beruht. 3) Das arianische Christentum hatte schon Anfang des 6. Jahrhunderts Eingang gefunden, etwas mehr als 200 Jahre später kam BONIFATIUS nach Thüringen, 723 werden die ersten Kirchen erbaut, nachdem schon im 7. Jahrhundert KILIAN in Franken gewirkt hatte und 706 Herzog HEDEN die erste Kirche in Würzburg errichtet hatte. Im Jahre 793 befahl KARL D. GR. im besonderen die Errichtung von Kirchen für die Radenz- und Mainwenden (14 Kirchen). Über die Orte, die damals wohl mit einer Kirche versehen sind, vgl. J . SCHLUND, Besiedlung und Christianisierung Oberfrankens, Bamberg 1931, S. 143 f. 4) Vgl. darüber meinen Aufsatz „Die Unfreiheit usw.", a. a. O., S. 286ff.
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3. Periode als die „fränkische" zu bezeichnen, denn diese Staatsgewalt war ja das fränkische Königtum. Zum Frankenreich gehörte unser Gebiet auch unter K A R L D. G R . und seinen Nachfolgern, und wahrlich nicht weniger als zuvor, ja gerade diese Zeit bringt eine Intensivierung der Herrschaftsausübung durch die Frankenkönige und -kaiser, die über das bisher gewohnte Maß hinausging. Daß wir aber diese 5. Periode nicht mehr als fränkisch bezeichnen, ist allein darin begründet, daß es jetzt eben nicht mehr zu einem maßgeblichen Teil die Königsgewalt, „der Staat" ist, bei denen Antrieb und Leitung der Siedlung lag; die Antriebe und Kräfte kommen vielmehr jetzt wieder, wie in den ersten beiden Perioden, zumindest weitgehend, aus dem ansässigen Volkstum. Wir dürfen dabei das Wort „Volk" nur nicht zu eng fassen. Unter die einheimischen Kräfte rechnen wir dabei auch die herzogliche Gewalt, die im besonderen seit den Tagen LUDWIG DES K I N D E S zu einer früher nicht gekannten selbständigen, im einheimischen Stamme wurzelnden Macht geworden war, etwas ganz anderes als ein Beamter des Königs. Und hier waren es gerade die beiden Herzöge, die an der Ostgrenze geboten, deren Stellung sich besonders gehoben hatte: Herzog ARNULF von Bayern und Herzog OTTO von Sachsen und Thüringen, der Vater HEINRICHS I . Diese Herzöge waren nicht ohne Vorläufer gewesen; als solche sind die Markgrafen und Markherzöge zu betrachten, die uns an der Thüringer Grenze unter LUDWIG DEM DEUTSCHEN 8 3 9 zum ersten Male begegnen1); als hervorragendster unter ihnen THAKULF als Herr der Sorbenmark (limes sorabicus) von der mittleren Saale bis zum Fichtelgebirge2) ( 8 4 9 — 8 7 3 ) und seine Nachfolger RATOLF und POPPO. Auch diese Markherzöge verfügten über große Besitzungen, die zu einem nicht geringen Teil aus Neurodungen stammten. So schenkte THAKULF dem Kloster Fulda die „provinciolam" Saröwe, wohl südlich des Frankenwaldes an der böhmischen Grenze gelegen, „cum omnibus villulis et compertinentiis suis"3). —Zu diesen hei1) Mon. Germ. Hist., Scriptores, I, S. 435. 2) Vgl. über ihn T H . KNOCHENHAUER, a. a. O., S. 23ff. Es ist auffallend, daß auch hier der Frankenwald keine Scheide bildete, wie auch nicht bei der Zuwanderung der Sorben und später bei der Ostkolonisation. 3) D R O N K E , Codex, Nr. 578; die hier angegebene Jahreszahl 861 stimmt nicht; vgl. dazu D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 85. Vielfach ist dieses Saröwe schon weit im slavischen Land drin gesucht worden, dann wieder an der Werra, was aber nicht stimmt. Manche Forscher wollen darin einen alten Sorbengaunamen erblicken. Vgl. dazu T H . KNOCHENHAUER, a. a. O . , S. 25, Anm. 1 ( K . sucht es nördlich des Erzgebirges); STUHLFAUTH, a. a. O . , S. 71, Anm. 4 .
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mischen Gewalten sind neben den weltlichen Großen — Herzögen, Grafen, Edlen — auch die kirchlichen Stiftungen zu nennen, im Norden des Thüringer Waldes Hersfeld und Fulda und südlich des Waldes Fulda und das Bistum Würzburg (gegr. 741), neben das dann 1007 Bamberg trat 1 ). Alle diese Gewalten haben sich kolonisierend betätigt. Gewaltig ist oft der Umfang ihrer Besitzungen, die zum großen, wenn nicht größten Teil durch Neurodungen gewonnen sind2). Diese heimischen Gewalten waren es also, die neben den freien Bauern, deren Tatkraft und Leistungen auf keinen Fall unterschätzt werden darf, weil wir hier keine Namen und Zahlen haben, die Ausbreitung des Siedlungsbereiches betrieben und nicht mehr in erster Linie die „Franken", d. h. praktisch: der Frankenkönig und seine Beamten. Sicherlich stammte ein Teil der Großen aus Franken oder verdankte wenigstens den fränkischen Herrschern seine Machtstellung, aber sie waren inzwischen hier fest verwurzelt und in dem sie umgebenden Volkstum aufgegangen. Die 5. Periode kehrt also in gewisser Hinsicht wieder zu älteren Formen zurück, nur daß jetzt neben dem freien Bauer die lokalen und grundherrlichen Gewalten eine hervorragende Rolle spielten. Insofern besteht natürlich gegenüber der 1. und 2. Periode ein beträchtlicher Unterschied. Aber in dem Negativen sind sie sich einig: es ist nicht die Staatsgewalt, das Königtum, das die ausschlaggebende Rolle spielt. Natürlich gilt dies nicht ohne Ausnahmen. Es wurde schon mehrfach erwähnt, daß die Frankenkönige im besonderen in Nordthüringen reiche Güter und Höfe besaßen, auf denen sie eifrig kolonisierten. Eine Ausnahme machten auch die Maßnahmen zur Sicherung der Ostgrenze, wie sie dann im besonderen von HEINRICH I., also kurz nach der hier in der Hauptsache behandelten Zeit, durchgeführt wurden — allerdings nicht ohne Vorläufer. Hatte doch schon z. B. 898 König ARNULF eine Anordnung erlassen, dahingehend, daß die Insassen eines Distrikts einen festen Platz (urbs) zu erbauen hätten, um nötigenfalls sich dort samt ihrer Habe gegen feindliche Angriffe selbst verteidigen zu können3). Wie HEINRICH I. dann dieses System ausbaute, wie er auch gerade in unserem Gebiete, d. h. im besonderen in Nordthüringen und östlich des Harzes, solche befestigten Plätze bauen ließ, an Dienstmannen Land verlieh 1) Als Bistum; die Stadt selbst ist älter. 2) Vgl. die unten S. 167 ff. genannten Beispiele, so im besonderen hier interessierend E M H I L T und Graf P O P P O . 3)
E D . O . SCHULZE, a . a . O . , S . 8 5 ; STUHLFAUTH, a . a . O . , S .
49.
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gegen die Verpflichtung zu Heeresdienst 1 ), all das ist bekannt und braucht hier nicht näher behandelt zu werden. Hier wurde das wirtschaftliche, soziale und militärische System ausgebildet und erprobt, daß dann nachher bei der Rückgewinnung des deutschen Ostens 2 ) eine so hervorragende Rolle spielen sollte (Burgwardsystem). Solche Ausnahmen lassen sich also nachweisen; sie sind außerordentlich wichtig für ihre Zeit und aus der Gesamtentwicklung gar nicht wegzudenken, aber es bleiben im großen gesehen im Rahmen dieser gewaltigen Kolonisationsepoche, die dann hier von Thüringen aus in die Elbgebiete weitergetragen wird, eben doch Ausnahmen. Auch von einer Heranziehung auswärtiger Kräfte als Siedler, wie das in der „fränkischen" 3. Periode immerhin vorgekommen ist, hören wir in der 5. Periode zunächst nichts. Dieses Vorgehen setzt erst später wieder ein, nämlich im 12. Jahrhundert, als das kurmainzische Stift Erfurt vom Nordwesten her Friesen und Flamen (Holländer) heranzog, um sie in der Umgebung Erfurts anzusetzen, und als, um noch ein Beispiel zu nennen, das Kloster Walkenried mit Hilfe gleichfalls herangeholter „Flamen" die Sumpfstrecken im Norden Thüringens in eine „Goldene Aue" verwandelte 3 ). Darauf, daß die heimischen Kräfte bei dieser ganzen Siedlungsperiode im Vordergrunde standen, ist es auch mit zurückzuführen, daß jetzt ein endgültiges Auseinanderfallen unseres Gebietes in zwei Teilgebiete mit ziemlich streng getrenntem, verschiedenem 1) In diesem Zusammenhang entstanden auch die hier stark verbreiteten „Sattelhöfe" („Siedelhöfe"); vgl. meine „Mitteldeutsche Grundherrschaft", S. 35. 2) Schon im 10. Jahrhundert ist die Saale allerdings da und dort überschritten worden, wenn auch die eigentliche Kolonisationsbewegung erst später einsetzt. Erst kürzlich hat G. N E U M A N N in der wüsten Mark Oberlöbnitz bei Jenalöbnitz, nordöstlich Jena rechts der Saale, Spuren deutscher Besiedlung aus dem 10. Jahrhundert zwischen Zeugnissen slavischer, auf das 8.—9. Jahrhundert zurückgehender Besiedlung aufgedeckt. Vgl. dazu G. N E U M A N N , in „Thüringer Fähnlein", 4. Jahrg., 1935, Heft 4, S. 140ff. 3 ) Vgl. A U G U S T V. W E R S E B E , Über die niederländischen Kolonien usw., Bd. II, Hannover 1 8 1 6 , S . 8 5 4 ff.; S E L B I C H T , Die Cistercienser und die niederländischen Kolonien der Goldenen Aue, in „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", 1 8 8 2 ; M I C H E L S E N , Rechtsdenkmale aus Thüringen, 2 . Lief., Jena 1 8 5 3 ; I G N A Z F A B E R , Historisch-Juristische Abhandlungen von den Freygütern und Freyzinsen im Erfurtischen, Erfurt 1 7 9 3 ; M I C H E L S E N , Rechtsdenkmale aus Thüringen, 4 . Lief., S. 2 9 4 f . ; L E N T Z , Die Melioration des Unstruttals von Heldrungen bis Nebra, Halle 1 8 6 7 ; C . W . A. H E I N E M A N N , Die statutarischen Rechte für Erfurt usw., Erfurt 1 8 2 2 ; L E M C K E , Geschichte des freien Reichsstifts Walkenried, Leipzig 1 8 9 5 ; S. R I E T S C H E L , Die Entstehung der freien Erbleihe, in „Zeitschrift d. Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte", 22. Bd., Germ. Abtlg., 1 9 0 1 , S. 2 3 0 ff.
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Volkstum eintrat: nördlich des Waldes die Thüringer und südlich des Waldes die Franken1). Es ist die gleiche Grenze, wie sie sich jetzt auch hinsichtlich der Agrarverfassung auszubilden begann2). Die wenigen Franken, die innerhalb der 3. Siedlungsperiode in das eigentliche Thüringen gekommen waren, gingen in dem sie umgebenden Volkstum auf, und das gleiche erfolgte umgekehrt im fränkischen Süden, auch hinsichtlich der aus früherer Zeit hier noch sitzengebliebenen Hermunduren und Burgunder usw. Breiteten sich doch hier südlich und westlich des Waldes die Franken Schritt für Schritt weiter aus, nicht durch Verdrängung der anderen, sondern durch Kultivierung und Besiedelung der großen Waldgebiete, aber in einem solchen Ausmaß, daß sie schlechthin bestimmend waren. Auch dieses Endergebnis der 5. Periode ist nicht gering anzuschlagen. Wenn später noch, bis zur Gegenwart hin, der Name Thüringen auf diesen fränkischen Gebieten haftengeblieben ist, so rein auf Grund politisch-dynastischer Faktoren (namentlich Hennebergsche Erbschaft) 3 ). Aber nicht nur hier die Franken und dort die Hermunduren usw. als Stammesfremde gingen in dem sie umgebenden Volkstum auf, sondern auch die Slaven, sowohl dort wie hier. Schon mit Ausgang der Karolingerzeit setzt diese Bewegung ein und ist bis zum 12. Jahrhundert mit wenigen Ausnahmen abgeschlossen4). Von den verstreuten Sachsen-Ansiedlungen gilt das natürlich erst recht. Im Westen unseres Gebietes drängt hessisches neben fränkisch-salischem Volkstum durch den großen Buchenwald, der einst Thüringer und Hessen (Chatten) trennte, vor und trifft im Werragebiet mit dem Thüringischen zusammen. Wie wir sahen, tendiert dieses hessische Gebiet in seiner agrarverfassungsmäßigen Entwicklung jedoch durchaus nach den auch volkstumsmäßig näher verwandten Franken hin. — Charakteristisch für diese 5. Siedlungsperiode sind die Ortsnamen auf -hain, -hardt, -rode (im Süden -reuth) usw., die auf die Beseitigung von Wald deuten5); auch -feld gehört z. T. hierher, 1) B E T H G E , a . a . O . ,
und
STUHLFAUTH,
a. a.
O.
2) Darüber s. unten S. 124ff. 3) Einen kurzen Überblick über die Entwicklung dieses bis auf das Jahr 1037 zurückverfolgenden Territoriums findet sich bei SCHNEIDER-TILLE, a. a. O., S. 21 ff. 4) Näheres darüber in meinem Aufsatz „Die Unfreiheit usw.", a. a. O., S. 286ff. 5)
O . SCHLÜTER, a. a . O., S. 149.
J O H . L E I P O L D T w i d e r s p r i c h t a . a . O . , S . 6 1 f.
der Ansicht, daß ,,-reuth" lediglich bayrisch-oberpfälzisch sei; er hält es auch für ostfränkisch.
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und auch an sich der früheren Periode zuzurechnende Endungen, wie z. B. -hausen, werden auch jetzt noch viel bei Neugründungen verwandt. Eine strenge Trennung der Namen nach Siedlungsperioden ist keinesfalls durchführbar. Das ist eine Erscheinung, die für diese innerdeutsche Kolonisationsperiode allgemein zu beobachten ist. In dem Landstreifen westlich von Saale und Fichtelgebirge treten dazu die Orte auf -dorf1). Was die geographische Lage anbelangt, so ist zu sagen, daß Ortschaften dieser Art in den alten „Gefilden" nur ausnahmsweise anzutreffen sind. Hier gab es nicht nur keine großen Waldungen mehr, die zu roden gewesen wären, sondern sie waren auch durch die Siedlungen der vorhergehenden Perioden im großen ganzen besetzt2). Die jetzt der Kultur erschlossenen Gebiete liegen außerhalb dieser Gefilde: Harz3), Eichsfeld4) und die Landstriche dazwischen, Hainlaite, Finne6), Hainich, Thüringer Wald, Frankenwald, Rhön und die Waldgebiete südlich Weimar-Jena bis zum Thüringer Wald; im Südwesten lag der große Buchenwald, die Rhön mit umfassend, und östlich davon gab es zu beiden Seiten des Main6) und der Werra gewaltige Waldgebiete, in die jetzt von allen Seiten eingedrungen wurde, neuen Lebensraum schaffend für das stark anwachsende Volk. Diese Siedlungsepoche trägt noch allgemein einen agrarischen Charakter, jedoch mit einer wichtigen Ausnahme: dem Hauptteil des Thüringer Waldes, bei dem gewerbliche Produktion der verschiedenfachsten Art die Grundlage bildete7). Wahrlich, die gewaltige Lebenskraft, die das deutsche Volk — nach bitteren Kämpfen endüch geeint — damals entfaltete und der wir auf allen Gebieten der Kultur begegnen: in 1) Vgl. oben S. 30f. 2) Einen guten Überblick gewährt die Karte 10 des „Mitteldeutschen Heimata t l a s " v o n WÜTSCHKE.
3) Vgl. hierzu im besonderen die Arbeit von P. HÖFER, Die Frankenherrschaft in den Harzlandschaften, „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", 40. Bd., 1907 (interessant, trotz vieler Schwächen, die zumeist auf eine zu enge Abhängigkeit von R Ü B E L zurückzuführen sind). Auf S. 165f. weist er mit Recht darauf hin, daß die ersten Ansiedlungen im Harz königliche Jagdhöfe waren, wie Hasselfeld, Bodfeld, Siptenfeld, Ichtenfeld, Ilfeld usw. Vgl. auch P. GRIMM, a. a. O. 4) K. HENTRICH, Die Besiedelung des Eichsfeldes, a. a. O. 5) Vgl. für die Finne im besonderen die Arbeit von L . N A U M A N N in der „Thür.-sächs. Zeitschrift f. Geschichte u. Kunst", Bd. I, S. 171 ff. 6) Für Oberfranken vgl. die treffliche Karte, die STUHLFAUTH seiner Arbeit beigegeben hat. 7) ROTTSTÄDT, a. a. O., S. 16. Diese Besiedlung erfolgte im wesentlichen erst im 1 3 . — 1 6 . Jahrhundert (a. a. O., S. 2 9 ) . Diese auf gewerblicher Basis erfolgte Besiedlung ist so dicht, daß auf dem Wald pro qkm mehr Menschen kommen als im thüringischen Becken (a. a. O., S. 5; Zahlen von 1 9 1 0 ) .
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diesem Ausbau des Landes Hand in Hand mit der Ausbildung einer ganz neuen politischen, sozialen und militärischen Lebensordnung, in diesem stürmisch und bedächtig zugleich anmutenden Roden und Siedeln offenbarte sie sich nicht zuletzt. Wenn wir die Zeitspanne von 5% Jahrhunderten, die diese 5. Periode umfaßt, auf die Intensität der Siedlungstätigkeit hin untersuchen, so können wir drei Unterabschnitte unterscheiden. Der erste umfaßt die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts, das 9. Jahrhundert und — in den einzelnen Landesteilen verschieden — einen mehr oder minder großen Teil des 10. Jahrhunderts; der zweite schließt hier an und geht bis etwa 1100, und der letzte umfaßt das 12. und 13. Jahrhundert. Und zwar trifft dies auch für die oberfränkischen Gebiete zu; auch hier ist um 1000 eine gewisse Sättigung, Stockung zu beobachten, die erst ungefähr um 1100 weicht1). Der Wert dieser Unterabschnitte ist sehr ungleich. Den Höhepunkt bildet unstreitig der erste, die Zeit des großen Landausbaus in der karolingischen Epoche mit Einschluß eines Teiles der Zeit der Sachsenkaiser. Die Fülle der Zeugnisse für den Landausbau in dieser Zeit in unserem Gebiet ist überwältigend. Der zweite Unterabschnitt bringt nicht viel Neues; da und dort wird der Ausbau fortgesetzt 2 ), aber im allgemeinen in viel ruhigerem Ausmaß. Die zunehmende Bevölkerung scheint sich mehr durch eine Vergrößerung der Ortschaften als durch Neuanlage solcher Raum zu schaffen. Die 3. Unterperiode bedeutet dann einen neuen Aufschwung. Die Siedlungen gehen weiter in die Gebirge hinein, z. B. im Thüringer- und Frankenwald8), Fichtelgebirge usw. Und dazu kommt es später zu umfangreichen Urbarmachungen durch herbeigerufene Flamen. So bildet dieser Unterabschnitt gleichsam den Auftakt zu der großen Ostwanderung des 12. Jahrhunderts, ja läuft mit ihr teilweise schon parallel4). Hat doch an diesem Übergreifen auf die Landstriche öst1)
STUHLFAUTH, a . a . O . , S .
154.
2) Etwa im Saalfelder Gebiet; vgl. WANDSLEB, a. a. O., S. 52. 3) Im Frankenwald und nordöstlichen Thüringer Wald setzt die erhöhte Rode- und Siedlungstätigkeit (besonders von Saalfeld aus) mit dem letzten Viertel des 11. Jahrhunderts ein, um dann im folgenden Jahrhundert weitere Fortschritte zu m a c h e n (G. v . GELDERN-CRISPENDORF, a. a. O., S. 28).
Der Name Frankenwald stammt erst aus dem 15. Jahrhundert; vorher sprach man meist von dem „Nordwald" (von Bayern aus gesehen) (ebenda, S. 47). 4 ) Neueste und vollständigste Darstellung: R U D . KÖTZSCHKE und W . E B E R T , Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, Leipzig 1937. Vgl. neuerdings auch H. AUBIN, Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung, „Deutsches Archiv für Landes- und Volksforschung", I. Jahrg., 1937, Heft 1 u. 2 (weitere Fortsetzungen sind angekündigt).
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lieh der Saale das thüringische und auch das oberfränkische Volkstum einen beträchtlichen Anteil1). Als Ausklang des ganzen Siedlungswerkes, wenn man will auch als 4. Unterperiode, kann man die Besiedlung des eigentlichen Thüringer- und Frankenwaldes auffassen, die erst im 14.—16. Jahrhundert vor sich geht und z. T. auch darüber hinausreicht, wobei allerdings das landwirtschaftliche Moment hinter dem gewerblichen stark zurücktritt, besonders bei ersterem 2 ). Der hier gestellten Aufgabe entsprechend können wir uns im Rahmen dieses Buches nur mit dem ersten Unterabschnitt befassen, was insofern ja auch genügt, als er der unstreitig wichtigste ist und in ihm alle Methoden usw. ausgebildet sind. Die späteren Unterabschnitte bringen, wenn man von den Flamenkolonisationen absieht, nichts wesentlich Neues. Aber noch eine andere Untergliederung neben dieser in Zeitabschnitte führt zur Aufdeckung nicht unwichtiger charakteristischer Züge. Wenn wir diese 5. Siedlungsperiode nämlich unter einem ganz anderen Blickwinkel betrachten, stellt sie sich uns dar in ihrem einen Teil als gradlinige Fortsetzung der 3. Periode, d. h. als weitere Ausdehnung der von den deutschen Bewohnern des Landes in Besitz genommenen Kulturfläche, jetzt nur noch energischer als früher der Waldrodung zugewandt, zum andern Teil aber gleichsam als Streichung der 4. Periode, will sagen als eine Wiederbeseitigung der Ergebnisse der Slavenzuwanderungen. Dieses letztere nun nicht in dem Sinne, daß man die eingedrungenen Glieder dieses fremden Volkes nach Erstarken der eigenen Kraft wieder hinauswies, sondern indem man sie nach und nach aus ihrem eigenen Volkstum, zuweilen auch, wie wir sahen, durch Umsiedlung von der innegehabten Scholle loslöste, sich überall neben und über sie setzte und sie dann nach und nach in das eigene Volkstum hinüberführte, wozu die Christianisierung nicht unwesentlich beitrug. Und auch hierin ist die 5. Periode der Wegbereiter für die große Ostkolonisation, wo man dann ganz die gleichen Maßnahmen mit dem gleichen Erfolg anwandte, und zwar, zeitlich gesehen, genau von dem Zeitpunkt ab, in dem dieses Werk 1) E D . O . SCHULZE, a . a . O . , S . 1 2 7 f f . ; H . LEO, a . a . O . ,
S . 2 1 ff.; TH. FRINGS,
Sprache und Siedlung im mitteldeutschen Osten, in „Berichte über die Verhandlungen der Sächs. Akademie d. Wissenschaften in Leipzig", Phil.-Hist. Klasse, 84. Bd., 1932, Heft 6 ; ERNST SCHWARZ, Bairische und ostfränkische Ostsiedlung im Mittelalter im Lichte der Sprachforschung, in ,,Mitteilungen d. Akademie z. wiss. Erforschung und zur Pflege d. Deutschtums", Jahrg. 1935, 4. Heft, S. 667ff. 2)
G. v.
GELDERN-CRISPENDORF,
a. a. O . , S . 16ff.
a. a.
O.,
S. 29 passim;
U.
ROTTSTÄDT,
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westlich von Saale und Fichtelgebirge vollbracht war, in diesem Landstreifen, den wir in diesem Sinne als „Zwischenland" bezeichnen können, als jenen schmalen Streifen, in dem Dienstmannen und Landadel (Gemeinfreie) jene kleinen Herrensitze erbauten und die dazugehörige Grundherrschaft schufen, die bei der Ostwanderung dann eine so entscheidende Rolle spielten1). Friedlich waren die Slaven in die zu Altdeutschland gehörigen Gebiete eingedrungen und hatten sich von vornherein der politischen Gewalt (Herrschaft) des fränkischen Königs und der von ihm eingesetzten Gewalten gefügt 2 ). In vollem Frieden erfolgte die deutsche Zurückgewinnung (im Gegensatz zu den Ländern östlich der Saale). Deutsche Dörfer lösten die slavischen ab oder setzten sich zwischen diese, in manchen Dörfern waren beide Völker gemischt vertreten. Die deutschen Neugründungen wählten nicht nur zur Benennung deutschsprachige Namen, sondern oft genug auch solche slavischer Zunge, was in diesem Umfange wohl auch nur durch die friedliche Art des Vorgehens verständlich ist3). Diese Benennung mit slavischen Namen erfolgte noch weit nach der Karolingerzeit. Wir haben oben S. 38ff. bei unseren Zusammenstellungen der Slavenorte ja gesehen, wie wenige gerade der slavisch benannten Orte in unseren älteren Urkunden vorkommen, und auch J. SEMPERT hat mit Recht auf diese Tatsache verwiesen; er konnte im Hinblick auf die von ihm untersuchte SchwarzburgRudolstädtische Oberherrschaft feststellen: „ I n den Urkunden erscheinen unsere slavischen Ortsnamen verhältnismäßig spät; keiner von ihnen wird vor Mitte des 12. Jahrhunderts erwähnt, und erst seit dem 14. Jahrhundert begegnen sie in den Quellen häufiger. Es ist daher wohl anzunehmen, daß die Orte sämtlich späteren Ursprungs sind, da sie sonst nicht Jahrhunderte hindurch hätten un1) Vgl. hierzu auch den (im Titel irreführenden) Aufsatz von W. WITTICH, Der religiöse Gehalt der Kolonisation des ostelbischen Deutschlands, in „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", Bd. 144, 1836, S. 641 ff. 2) Vgl. hierzu auch STUHLFAUTH, a. a. O., S. 73. Ich halte es daher auch nicht für ganz richtig, wenn man von bereitwilliger Unterwerfung der Slaven links der Saale spricht, wie STUHLFAUTH das a. a. O., S. 65 tut; sie waren von jeher fränkische Reichsuntertanen, die nicht erst im 8./9. Jahrhundert zur Unterwerfung gebracht zu werden brauchten. 3) Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt STUHLFAUTH, a. a. O., S. 89: ,,Die die Christianisierung vortragenden Franken und Bayern übernahmen in der Frühzeit die slavischen Orts- und Flurnamen unverändert. Späterhin in der Karolingerzeit wurde das Anfügen eines Grundwortes als Suffix beliebt, das bei den Baiern als -reuth, bei den Franken -dorf, -bach-, brunn usw. lautete." Bei den Thüringern und Bewohnern der Abhänge des Harzes war besonders -rode beliebt.
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beachtet bleiben können und in den Urkunden aus früherer Zeit sicher einmal Erwähnung gefunden haben müßten" 1 ). Aus alledem ergibt sich, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der slavisch benannten Orte in dem Gebiete westlich von Saale und Fichtelgebirge aus dieser 5. Siedlungsperiode stammt und daß man nicht ohne weiteres aus der Benennung auf die Volkszugehörigkeit der Bewohner schließen kann. Gewiß sind manche dieser Orte von deutschen Grundherren mit Verwendung slavischer abhängiger Bauern gegründet worden, aber daneben zweifellos auch von deutschen Bauern unter Anknüpfung an vorgefundene slavische Bach-, Wald-, Flur- usw. Namen. Neben diesen slavisch benannten Orten spielt in diesem ,,Zwischenland" die Endung auf -dorf eine besonders bedeutsame Rolle. Es war schon oben S. 30f. einiges Grundsätzliche über diese Siedlungen gesagt, daß sie sich ganz auffallend an der Saale stauen und ebenso im oberfränkischen Kolonisationsgebiet außerordentlich häufig sind, hier auch nicht selten als Suffix an einen slavischen Stamm angehängt2). Nähere Einzelheiten über die Siedlungstätigkeit in dieser 5. Periode brauchen hier nicht gegeben zu werden. Alle die Ausführungen in den folgenden Kapiteln über den Fortgang der Siedlungen und die dabei befolgte Methode, die Ausdehnung der Grundherrschaft, die Leiheformen usw., beziehen sich ja zu einem erheblichen Teil von vornherein auf diese Zeit, so daß da alles gesagt ist, was gesagt werden muß. Ebenso können wir hier auch noch nicht auf die Frage eingehen, in welcher sozialen Gestalt die Ansiedlung, nicht nur in der 5. Periode, sondern auch gerade in der älteren Zeit, vor sich gegangen ist. Das ist erst möglich, nachdem wir in den Fragen wie Grundherrschaft, Hufe, Mark und Markgenossenschaft klar sehen, muß also ganz an den Schluß verlegt werden. 1) J. S E M P K R T , a. a. O., S. 177f. (bei ihm teilweise gesperrt). Einen kritischen Einwand gegen die Deutung, die S E M P E R T für diese Tatsache gibt, s. oben S. 67. 2)
STUHLFAUTH, a . a . O . , S.
89—92.
Zweiter Hauptteil:
Die soziale Gliederung des Volkes in der Karolingerzeit und die in ihr liegenden Entwicklungstendenzen. A. Allgemeine Fragen. 1. Die Gliederung im allgemeinen.
D
as Volk, wie es uns in den ersten historischen Quellen — vorgeschichtlichen und geschichtlichen i. e. S. — entgegentritt, ist keineswegs eine homogene Masse, sondern im Gegenteil durchaus gegliedert. Und zwar gegliedert nach wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten (wenn man von der Unterscheidung absieht, die durch rein an der Persönlichkeit haftende Momente gegeben sind, wie Führerfähigkeiten und dergleichen). Die r e c h t l i c h e Gliederung, die wir vorfinden, pflegt man im allgemeinen als Unterscheidung verschiedener S t ä n d e zu bezeichnen. Sie tritt klar und unzweideutig in den Volksrechten, die um 800 herum niedergeschrieben wurden, in Erscheinung. Und zwar handelt es sich um Geburtsstände. Die w i r t s c h a f t l i c h e n Abstufungen sind dagegen außerordentlich schwer in konkreter Weise zu erfassen. Die Tatsache, daß man seitens der Vertreter der historischen Wissenschaft diese Fragen der Gliederung des Volkes weitgehend den Rechtshistorikern überlassen hat 1 ), dürfte Schuld daran sein, daß die Forschung sich vorwiegend nur mit den Ständen im Rechtssinne befaßt hat, da diese auch für das vom Formalen ausgehende juristische Denken leichter erfaßbar waren. Wenn wir uns hier mit der Gliederung des Volkes, das in dem unserer Untersuchung zugrunde liegenden Gebiete seßhaft war, befassen, so ist das natürlich nicht möglich unter Umgehung oder Negierung dieser rechtlichen Gliederung in Stände. Aber es soll hier yersucht werden, von der Überbewertung des rein Rechtlichen freizukommen und die sozial-wirtschaftlichen Gesichtspunkte gebührend 1 ) Ähnlich M A R T I N 1933, Vorwort, S. V. L ü t g e , Agrarverfassung.
LINTZEL,
Die Stände der deutschen Volksrechte, Halle 6
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zu berücksichtigen. So kann hier namentlich auch von einem erneuten Aufrollen der ganzen Problematik, die sich hinsichtlich der Ständeforschung an den Namen PHILIPP H E C K knüpfen, abgesehen werden1). In dem für die Zwecke dieses Buches erforderlichen Umfange muß natürlich auf das Problem der (rechtlichen) Stände eingegangen werden. Besonderer Wert soll darauf gelegt werden, die Stellung der einzelnen Stände in der Agrarverfassung dieser Zeit klarzulegen und ebenso zu zeigen, welche Antriebskräfte sich von hier aus für die Weiterentwicklung ergeben. In der Bevölkerung des hier behandelten Gebietes finden wir im ganzen gesehen die drei großen Stände der Edlen, der Freien und der Unfreien vertreten2). Erstere beide zusammen sind die Freigeborenen, die in jeder Hinsicht im Vollbesitz der Rechte eines freien Volksgenossen stehen. Sie sind in der Volksversammlung vollberechtigt, haben Pflicht und Recht zum Heeresdienst; sie bilden das Volk im politischen Sinne des Wortes. Das was die beiden Gruppen scheidet, ist neben dem höheren Ansehen des Edlen sein größerer Reichtum und das höhere Wergeid, das ihn schützt. Dieser in die zwei Untergruppen zerfallenden Gruppe stehen die Unfreien gegenüber, die nicht zum Volke gehören, sondern unter ihm stehen.
2. Das Fehlen der Liten.
Nun gibt es bei einem Teil der germanischen Stämme einen in seiner Rechtslage sehr ungleich gestellten Stand, den Stand der L i t e n , Laten oder Leten, bei den Langobarden: Aldionen, 1) Vgl. ab neueste Arbeiten: PH. HECK, Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, insbesondere über die ständische Bedeutung des Handgemais, 1936; H. MEYER, Das Handgemal als Geschichtswahrzeichen des freien Geschlechts usw. (Schriften der Akademie für deutsches Recht, Gruppe V: Rechtsgeschichte, Bd. I, Heft 1), Weimar 1934. 2) Ich halte es gleichwohl für zulässig, auch die Unfreien als „Stand" zu bezeichnen, trotzdem z. B. G. W A I T Z das ablehnt (Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd.I, 3. Aufl., S. 150), da „deren Stellung eine solche war, daß sie nicht sowohl als ein Stand, sondern mehr als Gegensatz der wahren Stände erscheinen." Das ist sachlich für diese Zeit zutreffend, aber späterhin verliert sich ja diese Form der Unfreiheit. Aber darüber hinaus wird ja jeder, auch der Freien-Stand, nur durch den Gegensatz zu anderen Ständen (mindestens zu einem anderen Stand) denkbar. Wesentlich ist, daß man sich darüber klar ist, daß der Unfreie dieser Zeit rechtlich außerhalb des Volkes steht. Aber das Rechtliche ist ja nicht das Ausschlaggebende, wie schon die Berichte beweisen, die TACITUS von der Stellung der Unfreien gibt. Das erlaubt uns wohl, in diesem Sinne auch die Unfreien als Stand zu bezeichnen, einen Vorgang, den wir übrigens schon bei dem Chronisten R U D O L F VON F U L D A begegnen. Auch die nordische Rigsjmla kennt nur die drei Stände der Edlen, Freien und Knechte (R. MUCH, Die Germania des Tacitus, Heidelberg 1937, S. 232).
— 83 — der als eine Art „Mittelstand" bezeichnet werden kann, als Halbfreie, wenn man diesen nicht ganz richtigen Ausdruck verwenden will. Darauf braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Wir finden diese Liten im besonderen bei den benachbarten salischen und den ripuarischen Franken und ebenso bei den Sachsen. Dagegen weiß die „Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum", die sonst so viel Übereinstimmung mit dem fränkischen Recht, besonders mit dem Rechte der Ripuarier, aufzeigt, nichts von diesem Litenstande1). Darin haben wir eine nicht unwesentliche Besonderheit dieses Stammesrechtes zu sehen (die sich ähnlich z. B. auch in dem Rechte der Schwaben, Goten und Skandinavier wiederfindet2)). Im besonderen für Thüringen im engeren Sinne ist diese Rechtslage von beträchtlicher Bedeutung gewesen, insofern als das Fehlen dieser Zwischenstufe es den aufsteigenden Unfreien ermöglichte, zur vollen persönlichen Freiheit (wenn auch abgabenbelastet) aufzusteigen3). An diesem Fehlen des Litenstandes müssen wir auch M A R T I N LINTZEL 4 ) gegenüber festhalten, der die Freigelassenen, die in dem Thüringer-Recht einmal erwähnt werden, in eine Reihe mit den Liten der anderen Stämme 1) H .
Deutsche Rechtsgeschichte, B d . I, 2. Aufl., S. 469ff. E R N S T Das alte Gesetz d e r Thüringer USW., Breslau 1834, S . 144 ff. Neuere Ausgaben dieser Lex von K. F. v. R I C H T H O F E N , in den Mon. Germ. Hist., Leges, Bd. V, 1875, S. 103ff., und von CL. F R H R . V . S C H W E R I N , in Fontes jur. Germ., Bd. VI, Hannover/Leipzig 1918, S. 51 ff. Neueste Textausgabe mit deutscher Übersetzung in der Sammlung „ G e r m a n e n r e c h t e " , B d . I I : Die Gesetze des Karolingerreiches, Teil I I I , hrsg. von K. A. E C K H A R D T (Schriften der Akademie f. Deutsches Recht, Gruppe V : Rechtsgeschichte), Weimar 1934. Hier finden sich auch die e n t sprechenden Ausgaben der anderen Volksrechte. BRUNNER,
THEODOR GAUPP,
2) G. W A I T Z , Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., S. 155. Die Thüringer h a t W A I T Z in seinen Ausführungen übersehen. Auch bei d e n Schwaben sind die L i t e n sehr selten oder k a u m anzutreffen. Mir scheint diese Tatsache als Bestätigung jener oft diskutierten These deutbar, daß die Liten die Überreste unterworfener Volksstämme sind. Die Sachsen und F r a n k e n haben ja auf ihrer W a n d e rung nach d e m Westen und Süden solche anderen Stämme vorgefunden. Bei d e n Skandinaviern u n d Thüringern liegen die Verhältnisse in dieser Hinsicht ganz anders. Auch die Goten haben sich nicht in dieser Weise über andere G e r m a n e n s t ä m m e hinweggeschoben. Die F r a n k e n billigten den R ö m e r n auch nur das Wergeid der Liten zu, ebenso wie die Langobarden in Italien die Römer den Aldien gleichstellten (G. WAITZ, a . a. O.,
S.
160).
3) Natürlich in Kombination mit anderen Momenten. Vgl. d a r ü b e r meinen Aufsatz: „Die Unfreiheit in der ältesten Agrarverfassung Thüringens", a. a. O., S. 274ff., bes. S. 281 ff. 4 ) M A T R I N L I N T Z E L , Die S t ä n d e d e r deutschen Volksrechte, S. gibt keinerlei Begründung f ü r diese Gleichstellung.
6*
1.
LINTZEL
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stellen zu können glaubte, was gänzlich abwegig ist 1 ). Daß es diese Liten nicht gab und auch nicht in der Form der Freigelassenen, geht aus dem Quellenbefund ganz eindeutig hervor: Nirgends in den Urkunden, die sich auf das thüringische Kernland beziehen, finden wir sie nachgewiesen. Nun wurde jedoch der ursprüngliche Geltungsbereich des Thüringer Rechtes im Westen und von Norden her eingeschränkt, im Westen durch die, namentlich vom 8. Jahrhundert ab, in die weiten Waldgebiete einwandernden HessenFranken, und im Norden durch die Sachsen, die ja schon seit dem Sturz des alten thüringischen Königreiches 531 nicht nur den Nordthüringgau (bis Magdeburg hinauf) und die anderen nördlichen Teile des alten Reiches besetzt hatten, sondern ihre Macht bis in das Unstrutgebiet hinein ausdehnten, ohne hier allerdings zu herrschen. Und so ist es denn nicht verwunderlich, daß wir in diesen Gegenden Liten finden. Sie sind uns bezeugt für einige Dörfer in der Umgebung von Allstedt, und zwar schon 835 2 ), ebenso in anderen Orten des Gebietes nördlich der Unstrut 3 ), im Eichsfeld 4 ) und in den Gebieten westlich und südwestlich der Werra, und ostwärts bis in die Gegend von Eisenach, soweit die Höfe der Abtei Fulda reichen5). Jedoch ist bemerkenswert, daß die Nachweise in diesen westlichen Gebieten vorwiegend erst aus dem 11. Jahrhundert stammen, also nicht schon in die Karolingerzeit fallen. Ganz ausnahmsweise nur werden früher schon Liten erwähnt, wie z. B. in einer Urkunde von 815, in der Grenzstreitigkeiten zwischen Fulda und Würzburg geschlichtet werden. Die hier genannten Orte liegen weit südlich, z. T. in Unterfranken, also in unbestritten fränkischem Gebiet, das wohl nie thüringisch war, und hier ist das 1) Näheres über diese Freigelassenen s. unten S. 112 ff. 2) Schenkung der RETUN (WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 35; DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 157); es ist allerdings nicht sicher, ob nicht einige dieser Dörfer weiter nördlich im Quedlingburgischen liegen. 3) Näheres vgl. meinen Aufsatz „Die Unfreiheit usw.", a. a. O., S. 282. WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 80 u. 111. Die Erinnerung daran, daß die Sachsen die Thüringer im Nordthüringgau usw. zu Liten herabgedrückt haben, findet sich noch im Sachsenspiegel, Buch III, 44, 3. MAX WEBER bezeichnet dies Geschehen als die erste Nachricht „massenhafter Begründung i n d i v i d u e l l e r grundherrlicher Abhängigkeit der Besiegten auf rein deutschem Boden." (WEBER, Zum Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung, „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", Bd. 83, 1904, S. 458.) 4) HARTMANN, Das Provinzialrecht des Fürstentums Eichsfeld, Berlin 1935, S.
152.
5) DOBENECKER,
et Ant. fuld., Kap. 43.
Regesten, I, N r . 9 1 6 , 1 6 2 8 ; I I , N r . 3 1 7 ; DRONKE, T r a d .
— 85 — Vorkommen von Liten in dieser Zeit ja nicht verwunderlich, sondern ganz in der Ordnung1). Es scheint so, als wenn in unserm Gebiet diese Institution erst nach und nach Eingang gefunden hat, und zwar vorwiegend derart, daß die Unfreien (Mancipia) allmählich in diesen Rechtsstand, den das eindringende fränkische Recht bot, emporgestiegen sind; fehlt doch in den wichtigsten Urkunden, in denen diese Liten nachgewiesen sind, jede Erwähnung der Mancipia, die doch in früherer Zeit hier besonders zahlreich nachgewiesen sind. Diese Entwicklung wäre leicht erklärlich, da eben hier in dem Gebiete fränkischen Rechtes dieser Stand der Halbfreien von vornherein gesetzlich festgelegt, gleichsam in der Idee vorhanden war und die Unfreien in diesen hineinwachsen konnten, während er in dem Gebiete, in dem das alte Thüringer Recht nicht verdrängt wurde2), gerade das Fehlen dieser Zwischenstufe das Aufsteigen der Unfreien zu persönlich Freien ermöglichte. Doch würde es zu weit führen, darauf hier näher einzugehen. Für diese Zeit können wir im großen ganzen damit rechnen, daß — abgesehen von Ausnahmen in dem sächsisch gewordenen Norden — in dem hier behandelten binnendeutschen Raum nur der Adel, die Freien und die Unfreien vertreten sind. 3. Slaven. Neben diesen Gruppen standen die Slaven, in sich uneinheitlich in ihrem Rechte, teils persönlich frei, aber abgabenbelastet und politisch rechtlos, teils als Unfreie auf Höfen oder auf abhängigem Landbesitz ansässig. Die Slaven sind oben S. 32 ff. eingehend betrachtet worden, so daß sich Wiederholungen hier erübrigen. Es liegt uns lediglich noch ob, den Adel, die Freien und die Unfreien näher zu untersuchen. X) DRONKE, Codex, Nr. 323 (Datierung auf 815 nach DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 94). 2) Vgl. darüber unten S. 130 ff. Erst später wurde Thüringen in den Geltungsbereich sächsischen Rechtes einbezogen, aber erst nachdem die obige Entwicklung im Kern festgelegt war. Die Vereinigung des thüringischen und sächsischen Herzogtums in der Hand der Liudolfinger mag hier von entscheidender Bedeutung geworden sein. Auch die Aldien (der im Langobardischen gebräuchliche Ausdruck für Liten), die in der Schenkungsurkunde OTTOS III. von 998 erwähnt werden, sind hier zu nennen, da dieser Ausdruck wohl lediglich darauf zurückzuführen ist, daß diese Urkunde in Rom ausgestellt worden ist und der Schreiber nachweislich ein Langobarde war. WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, Nr. 74 (vgl. dazu meine Besprechung in „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", 146. Bd., 1937, S. 103).
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B. Die drei Stände im einzelnen. I. Der Adel. 1. Die rechtliche Stellung des Adels. Neben erhöhtem Einfluß und größerem Besitz ist es namentlich das höhere Wergeid1), das den Edlen rechtlich von dem Gemeinfreien abhebt. Die Lex Angliorum et Werinorum erkennt dem Edlen (adalingus) ein Wergeid von 600 Schilling zu, d. h. das Dreifache dessen, was dem Freien gebührt (§ 1 der Lex). Das ist die gleiche Steigerung, wie wir sie auch bei den Chamaven antreffen, und mehr als bei den Friesen2), Bayern 3 ) und Langobarden, die nur das Doppelte fordern, aber doch nicht so viel wie bei den Sachsen, bei denen der Edle mit dem Sechsfachen geschützt war 4 ). Die salischen und ripuarischen Franken hatten z. Zt. der Königsherrschaft keinen alten Volksadel mehr, dafür bildete sich bei ihnen schon früh ein Dienstadel heraus 5 ). Die Frau, zumindest die im gebärfähigen Alter stehende, hatte in den meisten Volksrechten einen besonders hohen Schutz, in der Regel das Dreifache des Wergeides des gleichrangigen Mannes. So war denn die adlige Frau im Thüringer-Recht mit 1800 Schilling geschützt, das adlige Mädchen mit 600 Schilling, die alte, nicht mehr gebärfähige Frau dagegen nur mit 200 Schilling6). Wir sehen also, daß der Adel im Geltungsgebiet des ThüringerRechtes eine hohe Wertschätzung genoß, die nur noch von den Verhältnissen in Sachsen übertroffen wurde. 2. Der Umfang des Adels und seine soziale Bedeutung. So eindeutig diese Bestimmungen sind und so einfach und klar damit der Maßstab gegeben zu sein scheint, nach dem der Adel 1) Auf die verschiedenen Werte, die der Schilling (Solidus), in dem die Wergeldbeträge ausgedrückt sind, in den verschiedenen Stammesgebieten gehabt hat, mit der Wirkung, daß der Wert des Wergeides noch verschiedener war, als er so schon erscheint, und zwar auch nach Abzug des Friedensgeldes, daß bei mehreren Rechten eingeschlossen ist, können wir hier nicht eingehen. Vgl. dazu M . L I N T Z E L , a. a. O., S. 22ff. u. 109f. 2) Jedenfalls die Ost- und Westfriesen; die Mittelfriesen haben nur das Anderthalbfache. H. B R U N N E R , Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. I, S. 343. 3) Hier gab es nur fünf namentlich aufgeführte adlige Familien. 4) Vermutlich jedenfalls; die Lex Saxonum ist in dieser Hinsicht nicht ganz eindeutig. H. B R U N N E R , a. a. O . , S. 3 4 3 . 5 ) H . B R U N N E R , a. a. O., S. 349. — 6 ) Lex Angliorum usw., § 4 6 .
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erkannt werden kann, so schwer ist es praktisch, in unserem Material den Edlen herauszukennen und einen Eindruck davon zu gewinnen, wie das Zahlenverhältnis zwischen dem Stande der Edlen und dem der Liberi ist, welche Rolle also zahlenmäßig der Adel hier in unserem Gebiete spielte. Natürlich treffen wir da und dort auf Bezeichnungen für die Edlen des Volkes. So gebraucht Papst G R E G O R II. einmal den Ausdruck „viri magnifici" 1 ), GREGOR I I I . spricht von „optimates" 2 ), Erzbischof L U L L U S redet von den „nobilissimis viris" 3 ), aber in den Schenkungsurkunden, aus denen wir nun einmal unsere Kenntnisse von den wirtschaftlichen und sozialen Dingen in erster Linie entnehmen müssen, treffen wir einen Ausdruck wie etwa „maiores natu" 4 ) oder „nobilis" 5 ) höchst selten, so daß deren Vorkommen eigentlich wie ein Zufall anmutet. In aller Regel werden in den Urkunden lediglich die Namen der Schenker genannt, ohne irgendeinen Zusatz, d. h. auch die Freien sind als solche nicht gekennzeichnet. Aber es können ja nur Edle oder Gemeinfreie, also Freie (Freigeborene) im weiteren Sinn des Wortes sein, denn nur diese haben das Recht, über ihr Eigentum frei zu verfügen, nicht aber auch die Unfreien. Die Zurückhaltung der Aussteller der Urkunden geht sogar soweit, daß Grafen nicht als solche gekennzeichnet werden. So finden wir unter denen, die der Abtei Fulda reiche Güter schenken, i. J . 7 8 8 einen gewissen M A T T O ; in der bei D R O N K E , Codex, Nr. 8 7 abgedruckten Schenkungsurkunde ist er nur mit diesem Namen genannt, erst auf Grund einer an anderer Stelle gemachten kurzen Bemerkung ersehen wir, daß es sich um einen Grafen (comes) handelt 6 ). Und dieser Fall steht nicht vereinzelt da 7 ). 1) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 10, Brief vom 1. Dez. 722. Es handelt sich um Männer namens A S U L F , G O D O L A V , W I L A R E U S , G U N D H A R E U S und A L V O L D ( A L B O L D ) . D O B E N E C K E R schreibt dazu: Ansprechend die Vermutung K O C H S („Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte", VI, 34f.), daß der Name A S U L F in Asolveroth (ältere Bezeichnung für Georgenthal) und der Name A L B O L D in Albolderode (später Reifenstein) erhalten sei. 2) Ebenda, Nr. 16, Brief ist zu datieren zwischen 737 und 739. 3 ) D R O N K E , Codex, Nr. 5 4 (vom Jahr 7 8 5 ) . 4 ) D R O N K E , Codex, Nr. 4 7 1 . Es handelt sich um 1 3 Männer, die Fulda gegenüber auf ihren Anteil auf eine Captur verzichten und dafür einige Gegengaben erhalten. 5 ) D R O N K E , Trad., Kap. 3 9 , Nr. 3 0 4 . Vgl. ferner W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 9 6 / 9 7 . (Diese Urkunde stammt aber bereits aus der Mitte des 11. Jahrhunderts, also gar nicht aus der hier behandelten Epoche.) 6 ) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 5 , Nr. 1 5 (hier allerdings unter der Namensform M A N T O , aber, wie aus einem Vergleich der sonstigen Angaben hervorgeht, der gleiche Tradent). 7 ) Gräfin C U N I H I L T : D R O N K E , Codex, Nr. 661, u. Trad. et Ant. fuld., Kap. 3 9 , Nr. 218; Graf E N G E L R I H : D R O N K E , Codex, Nr. 269, u. Trad. et Ant. fuld., Kap. 3 9 , Nr. 64. Grundsätzliches über den Wert der „Traditiones" vgl. unten S. 256, Anm. 1.
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Es ist nun die Frage, welche Möglichkeit wir sonst haben, etwas über den Umfang des Standes der Edlen zu erfahren. Denn ihn nur dort als Tatsache anzuerkennen, wo er ausdrücklich bezeugt ist, geht nun einmal nicht an, da diese Fälle ganz selten und willkürlich sind. Man gewinnt den Eindruck, daß auf eine solche Kennzeichnung keinerlei Wert gelegt wurde. Auf alle Fälle war der Adel sehr viel zahlreicher, als die spärlichen dokumentarischen Nachweise erkennen lassen. Das geht übrigens auch aus sonstigen historischen Quellen und Ereignissen hervor, so z. B. den Berichten über die Verschwörung einer größeren Gruppe thüringischer Edler unter Führung des Grafen H A R D R A T i. J . 785, die sich gegen K A R L D. GR. wandte, aber beizeiten entdeckt und mit aller Härte unterdrückt wurde 1 ). Es handelte sich dabei nicht um einige wenige, sondern um eine größere Anzahl. Bis nach Ostfranken griff die Empörung über. Ein umfangreicher Adel muß also vorhanden gewesen sein. Sowohl der Graf MATTO wie der Graf H A R D R A T und andere in den Quellen genannte Grafen 2 ) gehörten wohl dem alten thüringischen Volksadel an. Um Grafen in dem Sinne eines r e i n e n Beamtentums dürfte es sich dabei kaum gehandelt haben, jedenfalls nicht um landfremde fränkische Herren, sonst würde Graf H A R D R A T , der zudem in den Quellen ausdrücklich als Thüringer bezeichnet wird, wohl kaum einen so ausgedehnten Aufstand haben entfachen können. Es dürfte sich vorwiegend um Angehörige heimischen Adels handeln, die der Frankenkönig zu Verwaltungsaufgaben heranzog 3 ). Bis zum 9. Jahrhundert scheint unser Gebiet von einer straffen Zentralverwaltung wenig erfaßt zu sein. Auch K A R L D. G R . hat noch, wie seine Vorgänger, die inneren Angelegenheiten dieses Stammes den heimischen Großen überlassen und Vertretern dieses Volksadels gräfliche Rechte übertragen. Bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts sind auch nördlich des Waldes noch kaum feste Graf1) Die Quellen sind zusammengestellt bei S. ABEL, Jahrbücher des Fränkischen Reiches unter K A R L D . G R . , I . Bd., 2. Aufl., bearbeitet von B. S I M S O N , Leipzig 1888, S. 520; vgl. auch ebenda, S. 521 ff.; T H . K N O C H E N H A U E R , Thüringische Geschichte, S . 3ff.; E . D E V R I E N T , Thüringische Geschichte, S . 16f.; H . E B E R HARDT, a . a . O . ,
S.
4.
Zum Beispiel W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I , Nr. 2 1 ; D R O N K E , Codex, Nr. 60 (vom Jahr 777). 3) Auch S C H N E I D E R - T I L L E , Einführung in die thüringische Geschichte, Jena 1931, S. 5 sagen: „Aus dem Kreise dieser Edelfreien wird der fränkische König geeignete Männer als Grafen ausgewählt haben, und wenn auch im Anfang vielleicht einzelne Franken aus dem Westen zum Grafenamt gelangt sind, so werden sie infolge ihres Besitzes und sonstiger Beziehungen rasch mit den heimischen Standesgenossen verschmolzen sein". 2)
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schaftsbezirke zu erkennen; diese tauchen vielmehr erst nach der Mitte des 9. Jahrhunderts auf, werden zumindest erst von jetzt an als solche (comitatus) bezeichnet, und zwar mit auffallender Regelmäßigkeit etwa von 870 ab 1 ). Südlich des Waldes hat diese Entwicklung wohl früher Platz gegriffen; hier wird schon 827 Graf POPPO mit seiner Grafschaft erwähnt2). Zwischen den Edlen und Gemeinfreien hat offenbar keine hohe Scheidewand bestanden, worauf der Verzicht auf besondere Kennzeichnimg ja schon hindeutet; die Grenzen zwischen ihnen sind vielleicht auch flüssig3). Und auch wenn von ,,liberi" die Rede ist, darf man durchaus nicht etwa lediglich an Gemeinfreie denken, sondern auch die Edlen sind zuweilen damit eingeschlossen, verständlicherweise, weil ja die freie Geburt das beiden Ständen Gemeinsame und das gegenüber den Nichtfreien einigende Moment war. So ist z. B. in dem großen Brevarium St. Lulli4) lediglich (neben dem König) von „liberi" als Schenkern die Rede, und unter diesen sind bestimmt Edle gewesen. Die Folgerungen, die einst P H . H E C K glaubte daraus ziehen zu müssen, daß das Wort „ingenuus" in dem Gesetzbuch der Thüringer nicht vorkommt, hat A. DOPSCH (im Anschluß an andere 1) Zum erstenmal, wenn ich recht sehe, in der Urkunde DRONKE, Codex, Nr. 607 (nach DOBENECKER, Regesten, Nr. 245 ca. 870 zu datieren), dann DRONKE, Codex, Nr. 611, 624, 625, 628 usw., und.zwar nun recht häufig. Eine fast um 1 Jahrhundert frühere Ausnahme stellt die Schenkungsurkunde KARLS D. GR. vom 8. März 780 dar, mit der dem Kloster Hersfeld Zehnten im Hochseegau und Friesenield in den Grafschaften ALBERICHS und MARKWARDS übereignet werden (Mon. Germ. Hist., DD Karl, Nr. 129; WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 14). A. TILLE behauptet zwar, daß die Grafschaftsverfassung unter KARL MARTELL ihren Einzug gehalten habe (SCHNEIDER-TILLE, Einführung in die thüringische Geschichte, Jena 1931, S. 3), aber er bringt dafür keine anderen Beweise, als daß nach HEDENS Tod keine Herzöge aus Volksadel mehr genannt werden. Aber auch er denkt im Hinblick auf diese Grafen wohl an Mitglieder des heimischen Volksadels, wie das obige Zitat anzeigt. Die Erwähnung der beiden Grafschaften i. J . 7 8 0 ist ein ganz vereinzelter Fall, der kaum zu weitgehenden Schlüssen berechtigt. Im Schwabengau sind uns Grafen besonders spät bezeugt, nämlich erst vom 10. Jahrhundert ab (vgl. F . KURZE, Die Grafen des Schwabengaues, „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", 20. Jahrg., 1887, S. l f . ) . 2) DRONKE, Codex, Nr. 471.
Ferner ebenda, Nr. 655, vom Jahre 839.
3) Das wäre also gerade anders als bei den Sachsen, für die jedenfalls ein Forscher wie MARTIN LINTZEL eine fast kastenhafte Abschließung der Stände annimmt (MARTIN LINTZEL, Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, in „Zeitschrift d. Savigny-Stift. f. Rechtsgeschichte", Germ. Abt., Bd. 52, S. 313ff.). 4) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 38.
— 90 — Kritiker HECKS) schon als unhaltbar zurückgewiesen1)2); „über" und „ingenuus" sind ja gleichbedeutend. Es ist nur zu betonen, daß oft, ja meist zwischen Edlen und Freien nicht scharf geschieden wird und man anscheinend im täglichen Leben, auch bei Aufstellung von Traditionsurkunden, im allgemeinen keinen Wert auf eine Bezeichnung legte (weder als „nobilis" noch als „liber"). Man darf vielleicht sogar auch so weit gehen, in der Anwendung der Bezeichnung „nobilis" oder dergleichen auf eine bestimmte Person nicht ohne weiteres einen Beweis dafür zu erblicken, daß der so Benannte zum Adel im Rechtssinne (Wergeidbestimmungen) gehört. Dieser Ausdruck könnte auch nur als schmückendes, ehrengebendes oder schmeichelndes Beiwort verwendet sein3). Der Unterschied im Wergeid war anscheinend ein Faktum, das in der Wertung des Alltaglebens ohne große Bedeutung war. Die einzige Möglichkeit, gewisse Rückschlüsse auf die Verbreitung des Adels zu gewinnen, besteht darin, daß man auf die Größe des Besitzes achtet und von dort auf die Zugehörigkeit zum Adel schließt4). Nun ist das allerdings ein Verfahren, zu dem man ohne Freude greift, weil es zum mindesten auf den einzelnen Fall bezogen völlig unzuverlässig ist. Man kann einmal kaum die Gleichung aufstellen reich begütert = adlig, zum zweiten haben wir keine Grenzlinie, von der ab die Besitzungen so groß sind, daß man bei 1)
Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, 2. Aufl., Bd. I I , S.81. Auf die Kontroverse P H . H E C K — H E R B E R T M E Y E R wollen wir hier nicht näher eingehen. Das mir bekannt gewordene Material scheint die Ansicht H E C K S zu stützen, die ja darauf hinausläuft, daß die Standeszugehörigkeit auf dem Blut aufgebaut war, und nicht auf dem Boden, d. h. auf die Abstammung und nicht auf der Erstgeburtserbfolge majoratsähnlichen Charakters, wie H . M E Y E R das will. Darauf daß letzteres stimmt, weist eigentlich nichts in den Quellen hin, von einem Erbrecht dieser Art kann keine Rede sein (s. unten S. 130 ff.); dagegen sprechen m. E. Bezeichnungen wie ,,maiores n a t u " für Edle dafür, daß die Geburt, die Abstammung das Entscheidende ist (DRONKE, Codex, Nr. 471). Man denkt dabei unwillkürlich an die Worte von G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., 1880, S. 164f., mit der er die Ansicht von M A I E R , der fast das gleiche wie H . M E Y E R beh a u p t e t hatte, zurückweist; auch er ist der Ansicht, daß der Adel sich nicht von dem Grundbesitz (Odal) ableitet, so hoch die Germanen diesen Grundbesitz auch geschätzt haben; nur für Norwegen traf das z. T. zu. A.DOPSCH,
2)
3 ) Vgl. dazu auch die Ausführungen von M A R T I N L I N T Z E L , a.a.O., S . 8 f . u . l 2 f f . 4) So sagt auch G E O R G v. B E L O W (Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters in ihren Grundzügen, S. 3): „Von den Freien lebte ein kleinerer Teil als Grundherren, überwiegend aber als Grundherren bescheidener Art, der weitaus größere Teil als Bauern. Die nicht beträchtliche Zahl der namhafteren Grundherren können wir als Adel bezeichnen, als einen Adel nicht sowohl im rechtlichen als im sozialen Sinn: größerer Besitz (Landbesitz) hob sie aus derMenge heraus".
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dem Inhaber auf Zugehörigkeit zunl Adel schließen muß, und drittens können wir aus Schenkungen — und Schenkungsurkunden sind nun einmal die Hauptquelle — fast nie auf den Gesamtbesitz eines Mannes oder einer Frau schließen, da Traditionen des gesamten Besitzes sehr selten sind und man also in der Regel nicht weiß, welchen Prozentsatz seiner Güter der Schenker zurückbehalten oder vererbt oder anderweitig vergeben hat 1 ). Trotz allem bleibt uns nichts anderes übrig, als, mit allem Vorbehalt, hier anzuknüpfen und daraus zu folgern. Wenn wir auf Schenkungen stoßen, bei denen es sich um Grundbesitz und Mancipien handelt, die über 8, 15, 22 und noch mehr Dörfer verstreut sind und sich sogar über mehrere Gaue erstrecken 2 ), dann ist wohl mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Eigentümer kein Gemeinfreier ist, sondern zum Adel gehörte. Aus der Größe und der Zahl der Schenkungen, die thüringer Große an die kirchlichen Stiftungen machen, geht hervor, daß die hier behandelten Gebiete einen zahlreichen und reich begüterten Adel aufzuweisen gehabt haben, der im Laufe der Karolingerzeit noch durch den königlichen Dienstadel vermehrt wurde. Aber gerade dem alten Volksadel müssen wir eine hohe Bedeutung beimessen, die dem ganzen sozialen Gefüge des Volkes ein ganz anderes Gesicht verliehen hat, als es demgegenüber z. B. die Franken aufzuweisen hatten, die gar keinen alten Volksadel (mehr ?) besaßen, oder die Bayern, bei denen er zahlenmäßig so gering war (nur fünf Familien außer dem Herzogshaus). Diese Besonderheit der sozialen Struktur wurde dadurch noch vermehrt, daß, wie schon erwähnt, kein Litenstand vorhanden war, den wir sonst ringsum antreffen. Dieser Litenstand ist ja in diesen anderen Stammesgebieten direkt eine Ergänzung zu dem Adel, denn diese Liten waren es doch in nicht geringem Ausmaße (neben den Knechten), die dem Adel den Lebensunterhalt lieferten, da ihre wesentliche Pflicht ja dahin ging, ihrem Herrn Abgaben zu leisten, eventuell auch Dienste zu verrichten 3 ). Diese Herren waren aber die weltlichen Großen, neben die dann erst im Zuge der Christianisierung die geistlichen Stifte traten, diese aber auch nur abgeleitet, da sie ja in erster Linie durch Geschenke jener ausgestattet wurden. In Thüringen dagegen finden wir einen 1) Vgl. darüber unten S. 232 ff. 2) Vgl. die unten S. 167 ff. zusammengestellten Beispiele, sowie fernerhin DRONKE, Codex, Nr. 354, 3 8 8 , 4 5 1 , 454, 507, 5 2 0 , 5 7 7 , 6 1 1 usw., WEIRICH, Urkunden-
buch Hersfeld, I. Nr. 35. 3) G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 3. Aufl., S. 154.
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zahlreichen und mächtigen Adel neben dem Stande der Freien1), dagegen als wirtschaftliche Basis nicht Liten mit ihren Gütern, sondern ausschließlich Unfreie. In dieser Kombination dürfen wir eine Besonderheit dieses hier behandelten Gebietes erblicken, die auch für die weitere Entwicklung nicht bedeutungslos sein konnte. Dabei muß dieser Adel alt sein. Das geht einmal daraus hervor, daß derartig umfangreiche, auf zahlreiche Dörfer und durch verschiedene Gaue hin zerstreute Besitzungen, wie wir sie in den Händen der Großen unseres Gebietes vorfinden2), nicht in wenigen Jahrzehnten entstanden sein können. Sie sind das Ergebnis einer langen, sich über zahlreiche Generationen hin erstreckenden Entwicklung mit zahlreichen Erbfällen, Erwerbungen, Teilungen usw. Aber wir sind gar nicht etwa auf diesen indirekten Beweis angewiesen, sondern es stehen uns als weiterer Beweis die Ergebnisse der Vorgeschichtsforschung zur Verfügung, die das gleiche aussagen. Es ergibt sich aus den dies betreffenden, in anderem Rahmen gebrachten Untersuchungen8) die in diesem Zusammenhang interessierende Tatsache, daß wir schon in vorgeschichtlicher Zeit in unserem Gebiet eine reiche Herrenkultur antreffen, und diese ist nicht denkbar ohne eine entsprechende Wirtschafts-, d. h. Agrarverfassung, und das bedeutet für naturalwirtschaftliche Verhältnisse: Grundherrschaft. Anders als durch Leistungen abhängiger Bauern waren die wirtschaftlichen Mittel für eine solche Herrenexistenz nicht zu gewinnen, denn freiwillige Ehrengaben, wie sie nach TACITUS die Germanen ihren Principes darbrachten, dürften dazu nicht ausgereicht haben, auch wenn wir annehmen, daß diese Sitte in Mitteldeutschland besonders gepflegt wurde. Wo die Unfreien zu suchen sind, läßt sich unschwer vermuten: Es handelt sich zweifellos in der Hauptsache um Angehörige der alteingesessenen Bevölkerung, die dieser Herrenschicht unterlegen ist. Ergänzt worden sein kann diese Schicht Unfreier durch Sklaven, die bereits bei der Einwanderung mitgebracht waren. Bei dieser Unfreiheit hat es sich nicht 1 ) Auch W E R N E R C A R M E S I N , Thüringen in der Slavenpolitik der Merovinger, sagt S. 25: „Im Gegensatz zu manchen anderen Völkern hat sich in Thüringen ein bedeutender zahlreicher Adel erhalten." 2) Wenn G. W A I T Z sagt: „Größerer Grundbesitz in einer Hand ist offenbar nur vereinzelt vorgekommen" (ebenda S. 163), so trifft das für die Anglo-WarnenThüringer nicht zu. Es ist aber auffallend (und vielleicht auch bezeichnend für die Nichtbeachtung des hier behandelten Gebietes), daß W A I T Z diesen Stamm bei seinen ganzen diesbetreffenden Ausführungen gar nicht erwähnt, abgesehen von der kurzen Bemerkung (S. 172), daß neben den Angelsachsen und Sachsen auch die Thüringer das Wort „Adaling", „Edeling" gekannt hätten. 3) Vgl. oben S. 16 ff. und unten S. 145 ff.
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um eine bloße, mehr politische Tributpflicht1) ohne tiefergreifende Eingriffe in das individuelle Dasein gehandelt, sondern auch um wirtschaftliche Abhängigkeit, die von den Herren kräftig ausgenutzt wurde. - Aus all dem ergeben sich Rückschlüsse auf die sog. „Urzeit", die auf andere agrarverfassungsmäßige Gestaltungen schließen lassen, als man sie gemeinhin im Anschluß an TACITUS anzunehmen pflegt. Aber das kann nur den in Verwunderung setzen, der der Ansicht huldigt, daß die Verhältnisse bei allen deutschen Stämmen gleich sein müssen, statt sich mit dem Gedanken zu befreunden, daß auch in dieser Zeit schon erhebliche regionale Unterschiede und erhebliche Verschiedenheiten in der späteren Entwicklung bestanden haben 2 ). Wie weit die Grundherrschaft und damit die wirtschaftliche Basis des Adels in die vorgeschichtliche Zeit zurückgeht, werden wir noch in anderem Zusammenhange sehen (unten S. 145ff.). Nun ist bekanntlich zwischen Adel und Principes (Fürsten), wie sie uns von TACITUS berichtet werden, zu unterscheiden3), wenn die Fürsten wohl auch zumeist aus dem Adel stammten. Derartige Principes treffen wir in der urkundlich belegten Zeit nicht mehr an4). Ob sie in der früheren vorhanden gewesen sind und etwa durch die alten Thüringerkönige verdrängt wurden, läßt sich nicht mehr eindeutig feststellen. V i e l l e i c h t sind einige der späteren besonders reich begüterten Familien Nachkommen solcher Principes. Wir verlieren jeden realen Boden unter den Füßen, wenn wir versuchen, hier über Vermutungen hinauszukommen. Sicher ist wohl, daß die Herzöge, denen wir im 7. Jahrhundert begegnen (RADULF, HEDEN) von Haus aus ihre Stellung den Frankenkönigen verdanken, wenn sie auch in der Zeit der Schwäche der Merovingerkönige in eine Machtstellung hineinwuchsen, die ihnen ursprünglich zweifellos nicht zugedacht war (das gilt im besonderen von RADULF, S. oben S. 35), und wenn ihr Ansehen und ihre Machtstellung im Volke wohl der Grund waren, aus dem heraus der Frankenkönig sie heranzog und mit besonderen Aufgaben betraute. Abschließend läßt sich also sagen, daß wir für Thüringen mit einer relativ umfangreichen und wirtschaftlich reich begüterten Gruppe im Rahmen der Freigeborenen rechnen müssen, die sich als Adel von den sonstigen Freien (liberi) abhebt. Daß auch recht1) Etwa dergestalt, wie wir sie bei den Slaven z.T. antrafen (s. oben S. 61 f., 68f.). 2) Diesen Gedanken vertrat ich schon in meinem Buch „Die mitteldeutsche Grundherrschaft". Sehr erfreulich ist auch die Betonung dieses Gedankens bei MARTIN LINTZEL (im besonderen a. a. O., S. 15ff.). 3) G. WAITZ, a. a. O., S. 236ff. 4) In poetischer Form von GUSTAV FREITAG in seinem „Ingo" geschildert.
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lieh eine besondere Behandlung dieses Adels erfolgte, beweist die Lex Thuringorum. Die immer wiederholten geistvoll begründeten Behauptungen von PH. HECK, daß in diesem Rechte ebenso wie in der Lex Saxonum, der Lex Frisionum und der Ewa Chamavorum ein Adel gefehlt habe — entsprechend dem salischen und ripuarischen Rechte —, und daß die hier in den Wergeidbestimmungen herausgehobenen „adhalingi" ^nobiles) nicht als Adel aufzufassen, sondern mit den „ingenui" der beiden fränkischen Rechte gleichzusetzen sein, erscheinen auch gerade unter den hier hervorgehobenen Gesichtspunkten als unhaltbar. Man wird sagen müssen, daß die fränkischen ingenui infolge des Fehlens des Adels in ihrem Gebiete eine Stellung eingenommen haben, die sie in sozialer Hinsicht in eine ähnliche Position gebracht hat, wie sie anderwärts der Volksadel genoß. Aber einen Adel an sich zu leugnen, erscheint mir für das hier untersuchte Gebiet jedenfalls nicht möglich. Dabei steht nicht nur die rechtliche Heraushebung einer besonderen Gruppe der Freigeborenen aus der großen Masse der Freigeborenen fest, sondern, was ja viel wesentlicher ist: die Tatsache, daß es eine ganze Anzahl von Personen (Familien) gab, die wirtschaftlich-sozial über ihre Umgebung herausragten, daß also auch in dieser Hinsicht das Vorhandensein eines Adels unbestreitbar ist, wobei es lediglich unklar bleibt, ob der Adel in rechtlichem Sinne und der Adel im sozial-wirtschaftlichem Sinne sich stets decken. Wirtschaftliche Grundlage des Adels in dem letzteren Sinne war das Vorliegen grundherrlicher Formen. Nur von in irgendeiner Weise abhängigen Bauern konnte der Adel die wirtschaftlichen Werte beziehen, die ihn in den Stand setzten, das Leben eines großen Herren zu führen und zudem seine weitausgedehnten Besitzungen zu nutzen. Dabei ist noch nicht entschieden, ob diese Bauern rechtlich gesehen Unfreie waren (maneipia) oder aber daneben auch persönlich Freie, die nur zu gewissen Leistungen verpflichtet waren. Näheres darüber kann erst im Rahmen des Kapitels gesagt werden, daß von der Grundherrschaft handelt (s. unten S. 189ff.).
II. Die Freien. 1. Die rechtliche und soziale Lage der Freien. Gleichsam unterhalb der Gruppe der Adligen standen die sonstigen Freigeborenen, die „liberi" des Gesetzes, für gewöhnlich in agrarhistorischen Untersuchungen „Gemeinfreie" genannt. Rechtlich waren diese von jenen durch ein minderes Wergeid unterschieden. Diese liberi bildeten die große Masse des Volkes1) schlechthin, 1) So auch generell
RUD.
KÖTZSCHKE,
Allg. Wirtschaftsgeschichte, S. 194.
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kaufen usw. wie er will und ohne der Zustimmung eines Dritten zu bedürfen1). Über die rein rechtliche Lage hinaus interessiert uns im besonderen die Frage, wie die soziale und wirtschaftliche Lage dieser Freien ausgesehen hat. Diese ist charakterisiert durch zwei Momente, nämlich durch die Eigenart der Beziehungen zu den anderen Ständen, zu denen im Gegensatz ja dieser Stand steht. Und hier sind entscheidend nach der einen Seite hin das Fehlen des Litenstandes, so daß eine direkte Berührung der Freien mit den Unfreien (servi) gegeben ist, ohne Einschaltung eines „Zwischenstandes", und auf der anderen Seite das Vorhandensein eines ausgedehnten grundherrlich lebenden Adelstandes. In letzterer Hinsicht besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit den sächsischen Verhältnissen. Im Hinblick darauf muß gesagt werden: Die Heraushebung eines bestimmten Teiles der Freigeborenen als Adel hat naturnotwendig zur Folge, daß die anderen, d. h. die liberi, eine relativ gedrückte Stellung einnehmen; man kann sie z. B. nicht mit den Freien des salischen Rechtes auf eine Stufe stellen, denn diese letzteren sind ja infolge Fehlen des Adels der erste Stand in ihrem Volke gewesen, während die Freien des thüringischen Rechtes nur der zweite Stand waren2). Insoweit ist die Lage der thüringischen Freien dem der sächsischen verwandt, die ja auch einen machtvollen Adel über sich hatten. Aber doch besteht ein wesentlicher Unterschied insofern, als der Stand der sächsischen Freien nach unten zu einen Litenstand zum Nachbarn hatte, der im Vergleich zu der sonst anzutreffenden Rechtslage der Liten als ganz besonders gehoben angesehen werden muß und infolgedessen dahin wirkte, den Stand der Frilinge herabzuziehen, während im Gegensatz dazu die thüringischen liberi nach unten eigentlich keinen Volksstand mehr zu Nachbarn hatten, sondern nur den nicht mehr zum Volke gehörigen Stand der Unfreien, da die Liten hier fehlten3). Daraus ergibt sich dann aber, 1) Das muß gegenüber den Ausführungen von H A N S P L A N I T Z , Germanische Rechtsgeschichte, Berlin 1936, S. 27, betont werden. Es sei übrigens darauf hingewiesen, daß auch G. W A I T Z , Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I , 3. Aufl., S. 65, hierin schon klar gesehen hat: Eine in dieser Zeit bestehende allgemeine Erfordernis der Zustimmung der Verwandten bei Veräußerungen an Dritte, also etwas wie ein Gesamteigentum, hat nicht bestanden. Näheres darüber vgl. unten S. 143 f. 2) Derartige, sich über ein allzu oberflächliches Vergleichen erhebende Überlegungen angestellt zu haben, ist ein besonderes Verdienst von M A R T I N L I N T Z E L (a. a. O., S. 89ff.); er hat von hier aus im besonderen eine Stellung gegenüber der Diskussion zwischen P H . H E C K und seinen Gegnern gefunden, die höchst beachtlich ist und der ich weitgehend zustimmen möchte. 3) Mit den oben S. 82ff. erwähnten wenigen historisch begründeten Ausnahmen.
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daß diese thüringischen liberi gehobener gewesen sind als die Mitglieder des entsprechenden Standes im sächsischen Rechtsgebiet, wenn sie naturgemäß auch nicht auf dieselbe Stufe gestellt werden können wie die fränkischen Freien, denn immer blieben die thüringischen liberi der zweite Stand. Aber doch wirkte für die Lage der thüringischen Freien günstig, daß sie mit dem Adel zusammengehörten, mit ihm allein das Volk (im politischen Sinne) bildeten. Darauf war schon hingewiesen, ebenso darauf, daß die Gemeinfreien im Einzelfall schwer oder meist sogar gar nicht von den Edlen unterschieden werden können, weder rechtlich noch, worauf hier besonders hingewiesen sei, der Größe des Landbesitzes nach. Eine solche scharfe wirtschaftliche Grenze hat es zweifellos nicht gegeben1). Alle Nachrichten lassen übereinstimmend darauf schließen, daß schon im 8. Jahrhundert eine ungemein große Abstufung hinsichtlich der Größe des Besitzes bestanden hat, eine Abstufung, die anderen Gesetzen folgte als der rechtlichen Unterscheidung der Stände. Es bestätigt sich hier durchaus das, was GEORG V. B E L O W wohl weitgehend zu Recht schon für die ältere Zeit annimmt. Er sagt: „Die Linie zwischen den kleineren Grundherren und den einfachen Bauern wird nicht scharf zu ziehen sein. Wenn ein Grundherr der ist, der durch Lieferungen abhängiger Leute einen Zuschuß zu seiner Wirtschaft erhält und auf diesen angewiesen ist, so war der kleinere Grundherr daneben doch auch in eigener Wirtschaft tätig, weil die Abgaben seiner paar Unfreien, oder vielfach der einen unfreien Familie, die er besaß, nicht ausreichten, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. So gehen denn die Verhältnisse dieser bescheidenen Grundherren und der freien Bauern, die ohne Unfreie wirtschafteten, ineinander über''2). 2. Zur Frage des Unterganges der Freien in der Karolingerzeit. a) Selbsttraditionen. Lange Zeit war es ein feststehendes Dogma, daß im Laufe der Karolingerzeit die Zahl der Freien außerordentlich zusammengeschrumpft, ja so gut wie vernichtet sei. Durch Not und Zwang 1) Um einen wehrhaften Großbauern, der zwischen Adel und dem normalen Freien stehen dürfte, mag es sich bei dem Funde von Ottmannshausen am Ettersberg handeln, wo man 1935 auf das Grab eines Mannes stieß, der, mit Schwert und Lanze ausgestattet, für sich allein auf der Burghardshöhe bestattet lag, dort, wo man eine kleine Holzveste aus jener Zeit vermutet. Das Grab gehört dem 8./9. Jahrhundert an. Vgl. dazu A. MÖLLER, Das erste Karolingergrab in Thüringen, in: „Der Spatenforscher", Vorgeschichtliche Beilage zum „Thüringer Fähnlein", Jahrg. 2, Folge 3, 1937, S. 29ff. 2)
GEORG V. BELOW,
Lütge, Agrarverfassung.
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 7
S.
3
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und durch freiwillige Ergebung soll dieser Zustand erreicht worden sein mit dem Endergebnis, daß die Karolingerzeit mit einer völligen Umwandlung der sozialen Struktur des Volkes abschloß. An diesem Problem können wir auch in diesem Zusammenhange nicht vorbeigehen. Schon der Rechtshistoriker C. F . EICHHORN 1 ) hatte diese Ansicht vertreten und sie als völlig gesichert dargestellt. G . L . v. MAURER hatte sich ihm weitgehend angeschlossen2) und ebenso GEORG LANDAU 3 ). Spätere Historiker wie K. LAMPRECHT4) und namentlich v. INAMA-STERNEGG 5 ) waren vollkommen von der Richtigkeit dieser These überzeugt und dachten eigentlich gar nicht daran, daß dieser Sachverhalt anders liegen könne. Auch BRUNNER stand noch auf diesem Standpunkt6). Eine besondere Bedeutung pflegte man dabei den Selbsttraditionen beizumessen, für welches Geschehnis einige Urkunden Eingeführt werden konnten7). Eigentlich erst mit Beginn dieses Jahrhunderts hat eine neue Generation von Forschern diesem Problem wirklich eingehende Untersuchungen gewidmet und ist dabei zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. „Jede beglaubigte Nachricht über ihren (der Freien) Eintritt in den grundherrlichen Verband fehlt", schrieb R U D . KÖTZSCHKE8), und im gleichen Jahr sagte W . WITTICH daran mit anknüpfend: ,,Denn gerade für das sächsische Gebiet wissen wir von solchen Ergebungen nur wenig, und kein einziges sächsisches Traditionsregister weiß von einer sog. Autotradition . . . eines vollfreien sächsischen Bauers an irgendeine Kirche oder ein Kloster zu berichten"9). Bringt W . WITTICH dieses Ergebnis auch in Zusammenhang mit der von ihm vertretenen „grundherrlichen" 1) „Zeitschrift f. gerichtl. Rechtswissenschaft", Bd. I, 1815, S. 162ff. 2) Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- und Stadtverfassung, München 1854, bes. S. 229ff. und dann in seiner Geschichte der Fronhöfe usw.. Erlangen 1862, S. 273 ff. und durch das ganze Werk hindurch. 3) Die Territorien usw., Hamburg/Gotha 1854, S. 104ff. passim. 4) Deutsches Wirtschaftsleben, Bd. I, Leipzig 1885, S. 51 ff. 5) Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1. Aufl., Bd. I, Leipzig 1879, S. 246 ff. 6) Vgl. dessen „Deutsche Rechtsgeschichte", 2 Bde. Leipzig 1887/1892; 2. Aufl., Leipzig 1906/1928. 7) Angaben darüber bei A. DOPSCH, Karolingerzeit, 2. Aufl., Bd. II, S. l f . Dort finden sich ausführlichere dogmenhistorische Angaben, auf die ausdrücklich verwiesen sei, zumal hier kein Raum dafür ist. 8) Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden an der Ruhr, Leipzig 1901, S. 56. 9) Die Frage der Freibauern, a. a. O., S. 267.
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Theorie, die wenigstens in dieser Ausprägung fallengelassen werden muß, so ist an dieser eben zitierten konkreten Angabe deswegen doch nicht zu zweifeln. „Für Bayern aber haben BITTERAUF 1 ), 4 FASTLINGER 2 ) und GUTMANN3) Ähnliches angenommen" ). Ferner 6 ist A. DOPSCH hier zu nennen ). Letzterer hat sich die Mühe gemacht, das Fuldaer, Weißenburger und Mondseer Traditionenmaterial daraufhin durchzusehen, wie oft hier die Selbsttradition vorkommt6). Das Ergebnis ist überraschend: Von den 655 Nummern, die im Codex von DRONKE aus der Karolingerzeit enthalten sind, weisen lediglich 2 diese Autotradition auf. Bei Weißenburg befand sich unter 274 Stück bloß ein einziges, ebenso in dem Mondseer Material (in Karolingerzeit 138 Urkunden). Noch bezeichnender für die Haltlosigkeit der älteren Theorie werden diese Auszählungen aber erst, wenn wir uns diese wenigen Fälle näher ansehen. In dem ersten der beiden Fuldaer Fälle7) handelt es sich um eine Frau, die als „ancilla Christi" bezeichnet wird (der übliche Ausdruck für Nonne), ihren ganzen Besitz an Land, Gebäuden, Unfreien usw. mit dem Zusatz: ,,et me ipsam ancillam Christi perpetuo permansuram ab hac die et deinceps devoveo et promitto" an das Kloster Fulda überträgt. Es ist also eine alleinstehende Frau, bei der, wenn man dies überhaupt als Autotradition in dem eigentlichen Sinne des Wortes annehmen will, dieser Rechtszustand sich nicht weiter fortpflanzt. Der zweite Fuldaer Fall 8 ) betrifft einen Mann, der „omnem elaboratum" und sich selbst dazu und alles, was er noch erwerben wird, dem Kloster übergibt, darunter einige Mancipia9). Die einzige Weißenburger Urkunde betrifft eine Frau, die sich und ihre Habe (darunter zwei Mancipia) dem Kloster „ad muntburgium" tradiert, und in dem einen Mondseer Fall tritt der Tradent ins Kloster ein. Diese Ausbeute ist also recht spärlich, aber nicht überraschend. 1) Die Traditionen des Hochstifts Freising. I. Bd. (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte, N. F., Bd. 4), Einleitung S. LXXX: „Die Commendation . . ., die Ergebung in den Schutz eines Herren, begründete an und für sich noch keine Veränderung des Standesverhältnisses". 2) Die wirtschaftliche Bedeutung der bayerischen Klöster in der Zeit der Agilulfinger, München, Phil. Diss. 1902, S. 39f. 3) Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit der Volksrechte, Straßburg 1906, S. 242 ff. 4) A. DOPSCH, Karolingerzeit, Bd. II, S. 6. 5) Namentlich das 1. Kapitel in Bd. II seiner „Karolingerzeit". 6) Ebenda, S. 7 ff. 7) DRONKE, Codex, Nr. 189 (vom Anfang des 9. Jahrhunderts). 8) Ebenda, Nr. 419 (vom Jahr 823). 9) Von denen zwei Enkelinnen auf Lebenszeit je 1 zur Verfügung haben sollen. 7*
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Hatte doch schon W I T T I C H unter den 3 6 5 0 Lorcher Traditionen bloß 5 Autotraditionen gefunden1). Die Zahl unter den Freisinger Traditionen ist etwas größer (17), aber auch hier handelt es sich überwiegend um Personen, die entweder schon selbst Kleriker waren oder aber sonst in das betreffende kirchliche Institut eintraten; zum wenigsten waren es also nicht freie Bauern, die durch diesen Schritt unfreie Grundholden wurden, also jener Verlauf, der gemäß jener alten Theorie als für die Entwicklung dieser Zeit charakteristisch angesehen wurde, hat dabei gar nicht stattgefunden2). Man darf ja keineswegs übersehen, daß die Übergabe von Land und Rückempfang zur Leihe (precaria oblata) an der persönlichen Rechtsstellung des Betreffenden an sich nichts änderte, sondern lediglich eine Realverpflichtung begründete, so daß alle diese Fälle nicht als ,,Autotradition" in Frage kommen. Wenden wir uns zu unserem Gebiete, so ergibt eine Überprüfung des gesamten Fuldaer Materiales, daß hier überhaupt kein einziger Fall von Selbsttradition im eigentlichen Sinne vorkommt3). Auch wenn wir bedenken, daß natürlich damit nicht gesagt ist, daß dieser Fall außerhalb des uns erhaltenen Materiales nicht doch da und dort vorgekommen ist, so muß man gleichwohl zu der Folgerung kommen, daß unmöglich Vorgänge dieser Art im Rahmen der Sozialgeschichte unseres Gebietes eine auch nur irgendwie maßgebliche Rolle gespielt haben können; es müßten im besonderen bei der Reichhaltigkeit des Fuldaer Materiales und dessen Bedeutung für weite Teile unseres Gebietes doch unbedingt Spuren davon vorhanden sein. Das ist aber in keiner Weise der Fall. Dieses Ergebnis haben wir festzuhalten. Das Hersfelder Urkundenmaterial, das sich ja allerdings mit dem vorstehend erwähnten an Umfang in keiner Weise messen kann, weist einen einzigen Fall auf, in dem sich eine Frau HIMIZA samt ihrer etwaigen Nachkommenschaft als ,,ancilla" dem Altar des Klosters übergibt, und zwar derart, daß sie sich zu einem jährlichen Zins von 3 Denarien verpflichtet und daneben eine Mortuariumverbindlichkeit (bei Mann: Besthaupt, bei Frau: bestes Kleid) begründet wird, also eine rein persönliche Abgabe4). — Aber diese Freie ist 1) W I T T I C H , Die Frage der Freibauern, a. a. O., S. 342. 2) Vgl. dazu A. D O P S C H , a. a. O., S. 8. 3) Die beiden oben erwähnten Fuldaer Fälle liegen ganz außerhalb unseres Gebietes. 4) W E I R I C H , Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld, I, Nr. 5 3 (zwischen 936—959). Der Fall sei angeführt, wenn er auch in die Sachsenzeit gehört.
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ganz arm und bringt der Abtei keinen Landbesitz mit; es wird die äußere Not gewesen sein, die sie zu diesem Schritte trieb. Es handelt sich also gleichsam um eine Versorgung. Da ein Ort nicht angegeben ist, läßt sich nicht sagen, ob diese Übergabe in unser Gebiet fällt. Eigenartig ist die Tradition des Klerikers W I G G E R vom Jahr 1037, weswegen sie hier näher erwähnt sei1). Dieser Kleriker schenkt seine Frau 2 ) mit 5 Kindern und 7 Mancipia. Zugleich übergibt er seinem Sohn RUDOLF 3 Mansen zu eigenem erblichen Besitz8), seiner Frau und den anderen Kindern schenkt er seinen anderen Besitz mit 6 Mancipien4). Allerdings erfolgte die Übergabe seiner Familienangehörigen an das Kloster nicht als Unfreie, sondern ,,ea scilicet ratione, quatenus his legibus servitutis, quo meliores servientes eiusdem monasterii uti decernuntur, quoad viverent, potirentur". Es handelt sich also um Übergabe zu gehobenem Recht, also wohl als Ministeriale6). Wichtig in dem hier gegebenen Zusammenhang ist es aber, daß mit dieser Übergabe von Frau und Kindern seitens des von freien Eltern geborenen Vaters nicht nur eine Familie in die Unfreiheit (wenn auch Ministerialität) eintritt, sondern auch, daß damit die Abtei doch wohl auch gewisse oberherrliche Befugnisse über den Landbesitz erhält. MAX WEBER6) hat, mit vollem Recht, immer wieder darauf hingewiesen, daß derartige Autotraditionen, wenn sie weltlichen Herren gegenüber erfolgten, kaum eine schriftliche Fixierung er1) Ebenda, Nr. 90. 2) Der Zusatz ,,sibi tarnen propriam" scheint so zu deuten zu sein, daß seine Ehefrau von Haus aus eine ihm gehörende Unfreie ist, damit würde dann dies Verschenken auch leichter zu erklären sein. 3) „in propriam et in hereditariam possessionem." 4) „iure hereditario". 5) Schenkungen von Unfreien zu Ministerialenrecht (also mit einem sozialen Aufstieg verbunden) vgl. z. B. D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 1294, 1465, 1490, 1540, 1692. Vielfach führte der Weg von der Unfreiheit über die Ministerialität in den Adel oder jedenfalls zur völligen Freiheit. Nach der Mitte des 12. Jahrhunderts traten sogar vielfach freie H e r r e n in die Ministerialität über.Vgl. darüber R U D O L F HIS, Zur Rechtsgeschichte des thüringischen Adels, „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", 22. Bd., 1903, Heft 1, S. lff. Von Mitte des 13. Jahrhunderts ab erheben sich diese Dienstmannen über die einfachen Ritter (milites) und nennen sich .„Herr" (dominus). Generell dazu W. PLANITZ, Germ. Rechtsgeschichte, S. 141: „In Norddeutschland traten seit Mitte des 12. Jahrhunderts zahlreiche Edelfreie und Freie in die Ministerialität ein." 6) MAX WEBER, Zum Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung, a. a. O., S. 468.
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fahren haben und daher auch nicht überliefert sein können, denn die schriftliche Form war ja für die Gültigkeit völlig nebensächlich; nur bei Klöstern, wo es schreibkundige Mönche gab, hat man in eigenem Interesse darauf Wert gelegt. Das ist richtig. Aber wir haben gerade in unserem Gebiet einen weit ausgedehnten Klosterbesitz und, wenigstens für Fulda, eine stattliche Anzahl erhaltener Traditionsurkunden, und so müßte sich doch, wenn dieser Prozeß sich überhaupt abgewickelt hat, gerade in diesem Material ein Niederschlag finden, und nur dann könnte man mit einem unbestreitbaren Recht schließen, daß solche Selbstergebungen auch weltlichen Großen gegenüber vorgenommen sind. Aber das ist, wie wir sahen, nicht der Fall, und so ist auch ein Rückschluß auf solche Ergebungen an weltliche Herren nicht zulässig. Man muß wohl den Gedanken, daß auf diesem Wege der Stand der Freien in unserem Gebiete in auch nur nennenswertem Ausmaße vermindert worden sei, fallen lassen. b) S t e i g e r u n g d e r H e e r e s l a s t .
Als besonders gewichtiger Faktor, der zu einer Verkümmerung des Freien-Standes geführt hätte, ist vielfach die Steigerung der Heereslast angesehen worden. Man hat dies sogar speziell für Thüringen, also den Kern unseres Gebietes, behauptet. So sagte z. B. U. R O T T S T Ä D T : „Die Grundherrschaft in Thüringen ist eine Begleiterscheinung des fränkischen Regiments, indem die thüringischen Bauern besonders der drückenden Heerespflicht wegen seit 1 K A R L D. GR. in Abhängigkeit von größeren Grundbesitzern geraten" ). Diese Behauptung wird gar nicht näher bewiesen, sondern — das ist aber charakteristisch — sie wird als nicht beweisbedürftige Selbstverständlichkeit angesehen. Ist das aber möglich und verträgt sich das mit den Quellen ? Das ist eine Frage, der näher nachgegangen werden muß. Es wird von keiner Seite bestritten, daß die Kriegsdienstpflicht überall im Reich eine spürbare Belastung bedeutete2), aber sie ist doch generell gewaltig überschätzt worden, da ja (und zwar 1)
U D O ROTTSTÄDT, a . a . O . ,
S. 7, A n m .
1.
2) Die Annahme von H A N S D E L B R Ü C K , Geschichte der Kriegskunst, Bd. I I I , S. 3 ff., daß nämlich schon das Karolingerheer kein eigentliches Volksheer mehr gewesen sei, sondern ein kleineres Aufgebot an Berufskriegern gehobener Qualität (Vasallen), ist von A. DOPSCH mit durchschlagenden Gründen in die richtigen Grenzen verwiesen worden (Karolingerzeit, Bd. II, S. 18ff.).
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schon bis in die Merovingerzeit hinein) kleinere Grundbesitzer (von nur 2—3 Hufen) durchaus geschont und ganz Arme sogar von der Pflicht befreit werden konnten, und ebenso wurden möglichst immer nur die in der Nähe wohnenden Mannschaften aufgeboten, die entfernter Wohnenden nur in vermindertem Ausmaße1). Dies bedeutet also für unseren Fall, daß die Mannschaft zum mindesten im östlichen Teil unseres Gebietes oft aufgeboten wurde, weil ja die Grenzkämpfe mit den Slaven immer und immer wieder aufflammten. Man darf also für dieses Gebiet durchaus davon ausgehen, daß die Belastung durch die Kriegsdienstpflicht besonders schwer gewesen ist. Aber das gilt doch wohl nur, wenn man die Zahl der Aufgebote innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zugrunde legt, sicher aber nicht, wenn man auf das p s y c h o l o g i s c h e Moment achtet. Dieses trägt für eine Grenzlandbevölkerung doch wohl einen ganz anderen Charakter als für die Männer, die weiter entfernt wohnen. Während der letztere innerlich oft an den Zielen des Kampfes — nachdem die Volkskriege alter Art Staatskriegen gewichen waren —, zu dem er aufgeboten wurde, nicht interessiert war, ihm diese gleichgültig erschienen oder zum mindesten weniger wichtig als die ordnungsgemäße Bestellung seines Landes, kämpft der Grenzlandbauer für ein Ziel, das ihm unmittelbar verständlich ist, ja zumeist mit dem Bewußtsein, daß er im ganz wörtlichen Sinne seinen eigenen Besitz, Weib und Kind, die Scholle seiner Väter verteidigt. Er erträgt daher diese Last sehr viel williger, ja es ist in dieser Hinsicht gar keine Last in der üblichen Bedeutung des Wortes, sondern selbstverständlicher Zubehör des Alltaglebens2). So kamen wir schon früher in anderem Rahmen zu dem Ergebnis, daß diese Kämpfe den Bauer dieser Grenzgebiete nicht nur davon abhielten, sich dieser Pflicht durch Begebung in Unfreiheit zu entziehen, sondern daß sogar dieses erwähnte psychologische Moment sich dahin auswirkte, daß der Bauer im Gegenteil Hemmungen dagegen hatte und sich die Freiheit bewahrte (wobei natürlich auch noch andere Faktoren mitsprachen)3). Die gleiche Beobachtung 1) Darüber A. D O P S C H , Karolingerzeit, Bd. II, S. 18ff. 2) Das will natürlich nicht besagen, daß die Thüringer nicht auch zu anderen Kämpfen aufgeboten wurden, die nicht ihre unmittelbare Grenze betraf. So nahmen sie z. B. 787 an dem Feldzug gegen den Bayernherzog T A S S I L O und 791 an dem — sie allerdings unmittelbarer berührenden — Feldzug gegen die Avaren. Vgl. T H . K N O C H E N H A U E R , Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit, S. 9. 3) Vgl. meinen Aufsatz: Die Unfreiheit in der ältesten Agrarverfassung Thüringens, a. a. O., S. 278 f.
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hat man übrigens in anderen Grenzgebieten auch gemacht, so z. B. in Schleswig-Holstein1). Die Grafen, die den Heerbann aufzubieten hatten, mochten sich wohl in diesen Gegenden auch besonders hüten, sich jener Mißbräuche ihrer Amtsgewalt schuldig zu machen, die man ihnen des öfteren zugeschrieben hat 2 ), da sie ja an der Verteidigung der Grenze unmittelbar beteiligt waren und es vermeiden mußten, durch derartige Maßnahmen ihre Mannschaft zu schwächen; ja es wäre nicht ausgeschlossen, daß die umfangreichen Ansiedlungen von freien Bauern auf königlichem und sonstigem grundherrlichen Lande mit aus diesen militärpolitischen Gründen erfolgt sind. Daß die Übernahme von grundherrlichem Land gegen gewisse Abgaben durch einen persönlichen Freien dazu führen könnte, ihn als „Grundhörigen" zu betrachten, der deswegen zum Heeresdienst nicht mehr herangezogen wurde, konnte deswegen schon kein Grund sein, als ja keineswegs bäuerliche Hintersassen vom Heeresdienst befreit waren; nicht z. B. die sächsischen Liten und „die abhängigen Leute der Grafen, Bischöfe und Äbte, ebenso wie die des Königs selbst, . . . insofern sie eben Land besitzen"3). Ganz davon abgesehen, hat es nicht an Maßnahmen gefehlt, die den Erscheinungen, die Heerespflicht möglichst zu umgehen, energisch entgegentraten. „Wir wissen bereits aus einem Capitulare L O T H A R S vom Jahre 825, daß die betrügerischen Umgehungsversuche der Heerespflicht mit Ergebung in den Dienst eines anderen oder Tradition der ver1) Vgl. JENS JESSEN, Die Entwicklung und Entstehung der Gutsherrschaft in Schleswig-Holstein, „Zeitschrift d. Gesellschaft f. Schleswig-Holsteinsche Geschichte", 51. Bd., 1922, S. 10. 2) Beispielsweise I, S.
v.
INAMA-STERNEGG,
Deutsche
Wirtschaftsgeschichte,
249.
3) G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte. 4. Bd., 2. Aufl., S. 569.
„Da-
mit ist dem einreißenden Mißbrauch entgegengetreten, durch Verwandelung des Eigenguts in Beneficium oder durch Begründung von Vasallitätsverhältnissen sich dem Heeresdienst zu entziehen" (ebenda).
Es handelt sich um das Capitulare de
exercitu promovendo KARLS D. GR., das in das 1. Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts fällt (ebendort, S. 556, Anm. 3).
Es erfolgte eine Abstufung nach der Größe des
Besitzes derart, daß die kleineren Grundbesitzer in festgelegten Quoten sich zusammentun mußten, um einen Bewaffneten zu stellen. Es ist also keineswegs richtig, diese ganzen Verhältnisse mit B. LAUM so zu charakterisieren: „Denn nur der Gemeinfreie war zum Heeresdienst verpflichtet, nicht der Hörige.
Begab jemand sich in
Hörigkeit, so war er von dieser drückenden Last frei" (BERNHARD LAUM, Allgemeine Geschichte der Wirtschaft, Berlin/Wien, 1932, S. 100).
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pflichtenden Habe und Rückempfang derselben zu Zins nicht den beabsichtigten Erfolg hatten. Die Grafen wurden vielmehr ermächtigt, in solchen Fällen doch die Ausrückung anzuordnen, so zwar, daß selbst geistliche Immunitätsrechte in diesem Falle wirkungslos sein sollten"1). Für unser Gebiet würde, auch wenn keine diesbetreffenden Nachrichten vorliegen, die große Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, daß hier in der gefährdeten Slavengrenze und dem Aufmarschgebiet gegen die eben erst zwangsweise in das Reich eingegliederten Sachsen im besonderen jeder Verminderung der Wehrkraft durch solche oder ähnliche Mittel entgegengetreten worden wäre, wenn Zwangsmaßregeln überhaupt hier an der Grenze notwendig waren, wo es doch bei jedem Kampfe um das nackte Leben, zumindest aber um die eigene Existenz und Freiheit ging, ganz gleich, ob man gemeinfreier oder grundherrlicher Bauer war. Aber wir brauchen nicht bei dieser Vermutung stehenzubleiben, wir haben in jenem Capitulare sogar eine Sonderbestimmung für die Gebiete an der Sorbengrenze: ,,Si vero circa Surabis patria defendenda necessitas fuerit, tum omnes generaliter veniant"2). Nur die Selbsttradition in völlige Unfreiheit hätte hier also von der Kriegsdienstpflicht entbinden können, und eine solche kommt, wie wir sahen, praktisch nicht in Betracht. Wir dürfen also abschließend sagen: Es ist nicht zutreffend, daß im Laufe der Karolingerzeit im Rahmen unseres Gebietes sich die Freien in auch nur nennenswertem Ausmaße unter dem Druck der Heeresverfassung oder aus sonstigen Gründen sich selbst in Unfreiheit begeben haben. Die Umwälzung in der sozialen Struktur der Bevölkerung, die man dieser Epoche zuzuschreiben pflegte, hat in dieser Form keinesfalls stattgefunden. 1) A. DOPSCH, Wirtschaftsverfassung der Karolingerzeit, II. Bd., 2. Aufl., S. 21 f.; Mon. Germ. Hist., Leges, Sectio II: Capitularía, Bd. I (1883), S. 330 C 2 u. 3. Hier heißt es auch: „Liberi homines qui non propter pauperitatem sed ob vitandam reipublicae utilitatem fraudolenter ac ingeniöse res suas ecclesiis delegant easque denuo sub censu utendas recipiunt etc." Daß solche Übergaben aus Armut stattfanden, wird also nicht verurteilt; einen solchen Fall konnten wir ja auch oben S. lOOf. anführen. 2) G. WAITZ, a. a. O., S. 565. Hier sollen also alle kommen, im Gegensatz zu Feldzügen nach Spanien usw., wo nur ein bestimmter Teil zu kommen brauchte. G. W A I T Z meint wohl mit Recht, daß mit „omnes" tatsächlich alle, d. h. alle Grundbesitzer gemeint seien, das Wort also buchstäblich zu verstehen ist.
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c) Die Umwandlung des Begriffes „frei" im Zusammenhang mit der Ausdehnung der Grundherrschaft. Wir haben es aber auch gar nicht nötig, zu irgendwelchen Hilfskonstruktionen zu greifen. Die Geschehnisse dieser Zeit liegen klar genug zutage und können durchaus auch ohne diese immer wieder herbeigezogenen Annahmen verstanden werden. Denn natürlich ist es schon richtig, daß die soziale Struktur in dieser Zeit in Fortbildung einer schon in frühere Zeiten zurückgehenden Entwicklung eine Umwandlung erfahren hat. Diese Umwandlung besteht n i c h t in dem Einbruch der Grundherrschaft in eine bisher ,,freibäuerliche" Sozialverfassung, in der die weitgehende Gleichmäßigkeit des Besitzes nur durch einige davon abweichende, als Ausnahmen wirkende größere Besitzungen der Edlen unterbrochen wurde. Ein beträchtlicher Stamm an adligen Großgrundherren mit ausgedehnten Besitzungen war schon seit Jahrhunderten vorhanden, auch schon in vormerovingischer Zeit 1 ). Nicht das Aufkommen der G r u n d h e r r s c h a f t ist das Neue, sondern die T a t s a c h e , daß die grundherrlichen F o r m e n der S o z i a l v e r f a s s u n g , die bisher nur Unfreie e r f a ß t h a t t e n , nun auch auf die bisher p e r s ö n l i c h F r e i e n übergriffen und allmählich zu einer V e r s c h i e b u n g des I n h a l t e s der ü b e r k o m m e n e n B e griffe „ f r e i " und „ u n f r e i " f ü h r t e n 2 ) . Es waren große, ausgedehnte Flächen gerodet worden, Flächen, die sich zu einem nicht geringen Teil in den Händen des Königs und sonstiger weltlicher und geistlicher Grundherren befanden. Die zu einem großen Teil freien Bauern, die darauf angesetzt wurden, kamen damit in ein gewisses grundherrliches Abhängigkeitsverhältnis und erscheinen damit nicht mehr als „frei" in dem neuen, sich allmählich herausbildenden Sinne dieses so heiklen Wortes, auch wenn 1) Vgl. dazu das Kapitel über das Alter der Grundherrschaft, unten S. 145 ff. 2) Den Gedanken, daß die Merovingerzeit schon zu einem großen Teil die gleichen Entwicklungstendenzen erkennen läßt, die dann in der Karolingerzeit verstärkt auftreten, hat ja namentlich A. DOPSCH in seinen „Grundlagen" vertreten. E r hat sich damit weitgehend durchgesetzt. So läßt auch RUD. KÖTZSCHKE in seiner „Allgemeinen Wirtschaftsgeschichte", S. 194, diese Umformung „allerdings schon seit merovingischer, nicht erst in karolingischer Zeit" eintreten. Die hier vertretene Ansicht geht dahin, daß diese Züge noch viel älter sind und daß sie vor allem auch ganz unabhängig von römischen Beeinflussungen auftreten wie grade unsere Untersuchungen für Binnendeutschland zeigen.
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ihnen der persönliche Rechtsstand ausdrücklich garantiert war1). Sie trafen sich hier mit den zahlreichen Unfreien, die von ihren Herren auf eine Bauernstelle gesetzt waren oder jetzt auch gerade im Zusammenhang mit den Siedlungen gesetzt wurden. Gewiß fanden auch freibäuerliche Eigenrodungen in großem Ausmaße statt, aber immerhin wurde in dieser ganzen Epoche doch zweifellos das Schwergewicht nach der grundherrlichen Seite hin verschoben, eben durch die Ansetzung alter Unfreier auf solchen neuen Stellen und die Übertragung solcher neuen Stellen an landlose Freie (nachgeborene Söhne usw.) gegen Übernahme von Leistungen. Durch Schenkungen, Kauf, Tausch usw. drangen die grundherrlichen Gewalten, zunächst namentlich die Abteien Hersfeld und Fulda, dann aber auch gerade die sich bei Verfall der Karolingerherrschaft herausbildenden Dynastengeschlechter — deren mächtigstes ja in der Person des sächsischen und thüringischen Herzogs H E I N R I C H I . den Königsthron bestieg — in die freibäuerlichen Dörfer ein und gewannen von dort Zins und Dienste. Wir hören in unserem Material aber immer nur v o n diesen grundherrlichen Bauern, kaum je aber von den Bauern, die ihre Freiheit im alten Sinne bewahrt hatten! Das muß man sich stets vor Augen halten, wenn man nicht den richtigen Maßstab verlieren will. Es ist ja nun einmal fast nur grundherrliches Material, was uns aus dieser Zeit erhalten ist und aus dem wir unsere Kenntnisse über die ländlichen Verhältnisse schöpfen müssen. Wären aber in dieser Zeit massenhaft Übertritte von freien Bauern in ein unfreies Verhältnis vorgekommen, so hätte sich dieser Vorgang doch gerade in dem grundherrlichen Urkundenmaterial niederschlagen müssen. Daß wir darüber aber nur ganz selten etwas finden, beweist ganz klar, daß dieser Vorgang sich eben nicht abgespielt hat. Da aber bei Beginn dieser Zeit ein großer Bestand freier Bauern vorhanden gewesen ist, was ja durch die Landschenkungen dieser Bauern an Klöster und den Inhalt des Volksrechtes bewiesen ist, ein Verschwinden dieses Standes im Laufe der Zeit aber nicht feststellbar oder auch nur annehmbar ist, bleibt nur die Folgerung übrig, daß 1 ) Darüber vgl. G. W A I T Z , Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I V , 2 . Aufl., S. 333 ff. Daß freie Bauern grundherrliches Land übernehmen, ist also keine nur auf unser Gebiet beschränkte Erscheinung, sondern ist allgemein zu beobachten. Auch G E R H A R D S E E L I G E R (Die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1903, S. 3f., 18f. passim) hatte auf den Nachweis dieser Tatsache besonderen Wert gelegt. A. D O P S C H hat schließlich in seiner „Karolingerzeit" zahlreiche weitere Belegstellen dafür zusammengetragen.
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dieser Stand der freien Bauern sich durch die Karolingerzeit hindurch weitgehend erhalten hat. Gewiß ist der Stand der grundherrlichen abhängigen Bauern relativ mehr angewachsen (infolge der erwähnten Gründe), aber nicht durch Selbstergebung der Freien. Wenn wir hören, daß z. B. Fulda aus dem oder jenem Dorf diese und jene Abgaben bezieht, dann dürfen wir nicht folgern, daß dieses Dorf aus unfreien Bauern besteht, denn wir wissen damit ja noch nicht, wieviele dieser Dorfbewohner zu Abgaben verpflichtet, wieviele aber davon frei sind und wie die persönlichen Standesverhältnisse sind. Und dann gibt es noch einen anderen Grund, aus dem heraus die Zahl der freien Bauern kleiner erscheint, als sie gewesen sein kann: In zahlreichen Dörfern wurden den Klöstern nur kleine Stückchen, einzelne Morgen, geschenkt. Die Fuldaer Quellen im besonderen sind voll davon. Wie konnten diese aber genutzt werden ? Doch im allgemeinen nicht, indem ein Verwalter oder abhängiger Bauer darauf gesetzt wurde, sondern nur so, indem das Kloster diese Stücke verpachtete, richtiger: gegen einen Zins auslieh. Wenn nun ein freier Bauer sich auf diese Weise einige Joch hinzuerwarb, hatte er von nun an f ü r dieses S t ü c k einen Zins an das Kloster zu zahlen. Das beeinträchtigte seinen persönlichen Rechtsstand in keiner Weise, aber er taucht nun in den grundherrlichen Quellen als Zinspflichtiger auf, und eine falsche Betrachtungsweise und eine falsche Auslegung des Wortes „frei" und „unfrei" sah dann in diesem Bauern einen „Grundherrnhörigen", also „unfreien Bauern". Ging doch die Entwicklung in Deutschland überall dahin, daß das Wortpaar frei und unfrei einen ganz anderen Sinn bekam, als er ursprünglich gegolten hatte. Wer zu Leistungen einem Herren gegenüber verpflichtet war, wurde nach und nach als unfrei bezeichnet, vor allem dann in der Literatur der Aufklärungszeit. In diese Lage kam im Laufe der Jahrhunderte so gut wie der ganze Bauernstand. Aber das darf uns nicht abhalten, nüchtern zu erkennen, was sich in der Karolingerzeit abspielte. „Frei" und sein Gegensatz „unfrei" sind Worte, die einen sehr stark stimmungsmäßig bedingten, auf Gemütswerte zurückgehenden Inhalt haben, und ausschlaggebend ist dabei wohl das Negativum, also das, was man als „unfrei" empfindet, was das im Menschen lebende Freiheitsgefühl verletzt. In älterer Zeit war unfrei der, der nicht selbst über sich und seinen Besitz verfügen konnte und aus dem politischen Leben ausgeschlossen war. Nachdem sich aus den verschiedensten Gründen die Lage dieser Unfreien so gehoben hatte, daß sie eine gewisse Verfügungsgewalt über ihre Person
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— wenn auch gegen Übernahme fester Leistungen — und ebenso — wenn auch eingeschränkt — Verfügungsfreiheit über ihren Besitz erhielten, die alten Freien auf der anderen Seite aber ohne Beeinträchtigung ihres alten Rechtsstandes gleichfalls zu gewissen Reallasten verpflichtet und bei Übernahme grundherrlichen Landes auch in der freien Verfügungsgewalt über ihren Besitz gemindert wurden, und nachdem ferner durch die Umwandlung der Verfassung [starke Monarchie1), Beamtentum, Aufkommen geistlicher und weltlicher Würdenträger usw.] auch die politische Rolle des alten Freien unterhöhlt und praktisch beendet war, da mußte nicht nur der soziale und der gefühlsmäßige Unterschied zwischen diesen beiden ursprünglich so schroff getrennten Gruppen sich verflüchtigen, sondern in der Vorstellungswelt wandelte sich auch ganz erklärlicherweise das, was man innerlich als Beeinträchtigung der Freiheit empfand — und das waren jetzt die realen Lasten —, und damit bekam auch das Wortpaar „frei" und „unfrei" einen anderen Sinn. Man kann zumindest für das hier behandelte Gebiet etwas zugespitzt sagen: Nicht die alten Freien sind zu Unfreien geworden, sondern der Wandel der gesamten sozialen Struktur brachte einen völligen Wandel in der Bedeutung dieses Wortes und dem, was als Beeinträchtigung der Freiheit angesehen wurde, mit sich. Und in diesem neuen Sinne des Wortes wurde in der Tat in diesen Jahrhunderten der übergroße Teil der alten freien Bauern „unfrei", ohne aber ihre alte persönliche Freiheit zu verlieren. Der Tatsache, daß man zwischen diesen beiden grundverschiedenen Begriffen von frei und unfrei nicht klar unterschieden hat, möchte ich nicht zuletzt die Ergebnislosigkeit der zum großen Teil ja wenig fördernden Debatten über dieses Problem zuschieben. Hier ist Sauberkeit der Begriffe dringend notwendig. Es ist zwar richtig, wenn man nachweist, daß sich überall in Deutschland durch die Karolingerzeit hindurch im Gegensatz zu älteren Annahmen zahlreiche Freie hindurchgerettet haben2), aber es gehört dazu die Erkenntnis, daß diese alte Freiheit immer weniger bedeutet und daß die schon früher vorhandenen grundherrlichen Verhältnisse durch den Wandel in der politischen Verfassung und die Begründung der mittelalterlichen „feudalen" Kultur im Laufe dieser Jahrhunderte eine ungemeine Ausdehnung und Abänderung erfahren haben, letzteres insonderheit nach der 1) „Das germanische Heereskönigtum wandelte sich zum m o n a r c h i s c h e n A b s o l u t i s m u s " , so H A N S P L A N I T Z , Germanische Rechtsgeschichte, S . 56. 2 ) So A . D O P S C H gegenüber v. I N A M A - S T E R N E G G U. a. (Karolingerzeit, II. Bd., 2. Aufl., S. 1—95).
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Richtung, daß sie mit persönlicher Freiheit durchaus Verbindungen eingehen konnte. Die Bedeutung der Karolingerzeit liegt nicht zuletzt darin, daß sie, neben der Verstärkung der Grundherrschaft und damit in gewissem Zusammenhange stehend, die alte Freiheit innerlich unterhöhlte und gegenstandslos machte (nicht zuletzt durch das Ausschalten des Bauern aus dem politischen Leben) und das Begriffspaar „frei" und „unfrei" mit ganz anderem Inhalt füllte. Eine Beseitigung der alten Freiheit als solcher fand aber nicht statt. Das herauszustellen ist besonders wichtig für das hier untersuchte Gebiet, da es wohl kaum ein anderes gibt, in dem sich der alte freie Bauernstand ziemlich geschlossen sein persönliches Recht wahrte, aber damit doch nicht dem Schicksal entging, mit grundherrlichen und — später hinzukommenden, vielleicht materiell noch erheblicheren — gerichtsherrlichen Abgaben und Diensten belastet zu werden, so daß dann von außen gesehen schon vom 12.—13. Jahrhundert ab kein wesentlicher Unterschied zwischen diesen freien Bauern und den einstigen Unfreien bestand, die die persönliche Freiheit erreicht hatten und zu Erbzinsrecht (nur zu kleinem, und dazu immer mehr zusammenschrumpfenden Teile zu Laßrecht) ihr Land besaßen1). Das „schlichte Zinsgut", das in Mitteldeutschland so sehr verbreitet war und teilweise ganz im Vordergrund stand, das also freies Eigentum bedeutete (freies Veräußerungsrecht eingeschlossen), das nur mit Reallasten belegt war2), geht zurück auf diese alten persönlich freien Bauern und deren Güter, während das daneben vorkommende Erbzinsrecht (mit der Teilung von dominium directum und dominium utile) auf jene Höfe und Hufen zurückgeht, die den einstigen Mancipia übertragen worden waren. Daß dabei Verschiebungen und Ausnahmen vorkamen, steht dem Regelmäßigen dieses Vorganges nicht im Wege. d) Veränderungen des A n t e i l v e r h ä l t n i s s e s . Bedeutet das bisherige Ergebnis unserer Untersuchung nun aber, daß der A n t e i l dieser Freien an der Zahl des Gesamtvolkes durch diese ganzen Jahrhunderte hin der gleiche geblieben ist ? Keineswegs! Es wurde schon darauf hingewiesen, daß zweifellos zahlreiche nachgeborene Söhne freier Bauern sich gegen bestimmte Verpflichtungen Land von Grundherren geben ließen, vom König, von Klöstern, von Großen, an denen es ja gerade in Thüringen nicht fehlte. Sie 1) Vgl. dazu unten S. 123 ff. 2) Vgl. dazu meine „Mitteldeutsche Grundherrschaft", S. 66ff.
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gaben damit ihren persönlichen Rechtsstand freilich nicht auf, jedenfalls finden wir keine Spur davon in unserem Material, aber sie saßen nunmehr doch auf grundherrlichem Leihgut, und diese Tatsache wurde ja im Laufe der späteren Jahrhunderte viel bedeutsamer als der der Herkunft aus einem bestimmten Geburtsstand. Zu einer weiteren Minderung des Anteiles der Freien mußten die zahlreichen Fehden und namentlich die räuberischen Einfälle der östlichen Feinde führen. „Gegenden, die dem Anbau schon gewonnen waren, lagen infolge der vielen Raub- und Plünderungszüge der Slaven und Ungarn wieder verödet", so schildert SCHULZE die Lage bei Regierungsantritt HEINRICHS I . im Hinblick speziell auf die Grenzgebiete1). Wie es bei solchen Kriegszügen zuging, ist ja bekannt: Der größte Teil der Männer blieb erschlagen auf dem Felde, Frauen und Kinder wurden fortgeschleppt, das Land verwüstet. Natürlich ging das allen Bewohnern gleich, ob sie frei oder unfrei waren. Aber die letzteren hatten immerhin einen wirtschaftlich durchaus ins Gewicht fallenden Rückhalt an ihrem Herrn, der den anderen fehlte, und dann kam es dahin, daß solche weit und breit verwüsteten Gebiete, die ja nicht so schnell wieder bevölkert waren, als Ödland von dem König eingezogen und entweder von ihm selbst besiedelt wurden oder aber an weltliche und geistliche Grundherren vergeben wurden, die hier grundherrliche Bauern ansetzten, seien dies eigene Unfreie, seien es Freie, die nun hier Land suchten. SCHULZE schildert gerade diese Aufbauarbeit HEINRICHS I . in den nördlichen und östlichen Teilen unseres Gebietes. Schon die Tatsache, daß jeder, der nicht auf Kriegslehen angesetzt war, in diesen Gebieten, in denen die Burgwardverfassung als Schutzdamm gegen die Reichsfeinde eingerichtet wurde, verpflichtet war, bei Bau und Instandhaltung der Burgen Dienste zu leisten2), mußte das ganze Bild mit ändern. Eine spätere Betrachtungsweise sah in solchen Lasten dann den Beweis für „Unfreiheit", eine Ansicht, die mit den tatsächlichen Geschehnissen der Entstehungszeit nicht begründet werden kann, sondern nur aus einer gänzlich veränderten Blickrichtung einer späteren Zeit heraus verständlich wird. e) Ergebnis. Fassen wir das alles zusammen, so ergeben sich zwei Wirkungen: 1. Die Zahl der altfreien Bauern schmolz zwar nicht — Ausnahmen zugegeben — durch Selbstergebung in Unfreiheit oder auch 1) E D . O . SCHULZE, a . a . O., S. 4 9 .
2) Ebenda, S. 50.
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Muntschaft zusammen, wohl aber nahm sie verhältnismäßig — d. h. bezogen auf die Gesamtzahl der Landbewohner — zweifellos ab, weil eben die Grundherren ihre Mancipien mit Landstellen b e g a b t e n . Standen ihnen doch große Gebiete zur Rodimg und Siedlung zur Verfügung. Diese Entwicklung reichte noch wesentlich über die Karolingerzeit hinaus. 2. Auf der anderen Seite wurde der alte Begriff des „Freien" unterhöhlt und zersetzt durch das Aufkommen von Besitzformen, die den persönlichen Stand zwar unangetastet ließen, aber doch die Verpflichtimg zu regelmäßigen Leistungen an einen Grundherren (Abgaben, da und dort wohl auch Dienste) mit beinhalteten. Die Ausbildung und Entwicklung der privaten Gerichtsherrschaft trat verstärkend daneben. Der alte Begriff „frei" wurde damit von innen her ausgehöhlt. Und das noch mehr durch eine andere Erscheinung, nämlich das Emporsteigen der alten Unfreien — den Zwischenstand der Liten gab es in unserem Gebiete ja nicht — zu einer Lage, die tatsächlich von der der zu grundherrlichen Leistungen verpflichteten Freien nicht oder kaum mehr zu unterscheiden war. Dieses Aufsteigen der Unfreien wird auf den folgenden Blättern zu schildern sein. Vorher nur noch ein kurzes Wort über die Freigelassenen.
3. Anhang: Freigelassene. Die Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum sieht in Titel 43 ein besonderes Wergeid in Höhe von 80 Schilling für den freigelassenen Knecht vor. Wenn man bei der ständischen Gliederung von den Wergeidsätzen ausgeht, müßte man hier von einem besonderen Stande der Freigelassenen reden. Wie schon in anderem Zusammenhange betont (oben S. 83f.), ist es wohl kaum angebracht, dieser Bestimmung eine so weittragende Bedeutung beizulegen. Das gilt im besonderen hier, weil diese Freigelassenen de facto als Sondergruppe eine so geringe Rolle gespielt haben, daß es nicht angängig ist, sie als Stand zu bezeichnen und neben die andern zu stellen. In dem gesamten Urkundenmaterial der Karolingerzeit treffen wir nirgends auf einen Freigelassenen oder eine Freilassung. Letzterer Akt ist uns, soweit ich sehe, zum ersten Male ganz vereinzelt bezeugt aus dem Jahre 9 7 4 , in dem OTTO II. in Memleben eine solche Handlung vornahm 2 ). Sonst finden wir nur einige gleichfalls vereinzelte Fälle von halber Freilassung, wenn dieser 1) Darüber vgl. Näheres unten S. 123 ff. 2) DOBENECKER, R e g e s t e n , I, Nr. 4 6 7 .
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Ausdruck erlaubt ist, nämlich einer Freilassung in Verbindung mit der Begründung einer Zinspflichtigkeit zugunsten einer Kirche (Altarzinsigkeit). So z. B. 825 im Hinblick auf drei Mägde, die dafür jährlich 2 Denare Zins oder einen entsprechenden Wert an Wachs zu entrichten haben und sich verpflichten müssen, alle ihre Errungenschaft („quascunque acquesieritis vel elaboraveritis in toto spatio vitae vestrae") nach ihrem Tode der Kirche zum Seelenheil des Mannes, der sie freigelassen hat, zu überlassen1). Oder — wenn auch ein späterer Fall —: Ein Vater kauft seine Tochter aus der Unfreiheit los und übergibt sie dem Altar des hl. W I G B E R T (Kloster Hersfeld) gegen einen Zins von 3 Denaren2). Auf der anderen Seite wird die Gruppe dieser Halbfreien auch gelegentlich von oben her vermehrt, indem ein Mitglied des Standes der Freien sich zu diesem Recht der Kirche übergibt, wie wir dies aus dem schon oben S. 100 erwähnten Fall der HIMIZA wissen (allerdings ein ganz vereinzelter Fall; die Frau war verarmt und wollte so wohl ihren Lebensunterhalt im Alter sicherstellen). Es ist nicht erforderlich, daß wir uns damit näher befassen, da es sich bei dieser Gruppe um vereinzelte Fälle handelt, auch wenn wir uns darüber klar sind, daß die uns erhaltenen Urkunden ja nur einen Bruchteil bedeuten. Wir wissen, daß der Weg von der Unfreiheit zur persönlichen Freiheit, den die Unfreien unseres Gebietes vom 10. —12. Jahrhundert gegangen sind, nicht über formelle Freilassung führte, auch nicht über die Zwischenstufe der Altarzinsigkeit, sondern daß dieser Weg ohne Umwege im Laufe der Entwicklung dieser Zeit zurückgelegt wurde3)4). Bei dieser „Altarhörigkeit" handelt es sich um ein ganz ähnliches Rechtsverhältnis, wie wir es unter dem Namen „Wachs1) Ebenda, Nr. 137 (DRONKE, Codex, Nr. 466). Vgl. dazu auch unten S. 207. 2)
WEIRICH,
Urkundenbuch Hersfeld, Nr. 114. Solche Fälle treffen wir auch
noch im 12. Jahrhundert an, z. B.
DOBENECKER,
Regesten, Nr. 1534.
3) Vgl. meinen Aufsatz: „Die Unfreiheit in der ältesten Agrarverfassung Thüringens", a. a. O., S. 274ff. 4) Auch sonst sind wirkliche Freilassungen in Deutschland sehr wenig bezeugt.
Auch in dem von
LAMPRECHT
untersuchten Gebiet hören absolute Frei-
lassungen mit der Mitte des 9. Jahrhunderts auf, statt dessen erfolgt die Freilassung zu Wachszinspflicht; „in ihrer Ausdehnung auf Laienkreise ergeben sie sogar den einzig gebräuchlichen Freilassungsmodus der deutschen Kaiserzeit" Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, I, S. 1221). Lütge, Agrarverfassung.
8
(LAMPRECHT,
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zinsigkeit" im deutschen Westen, besonders auch in Westfalen weit verbreitet finden1), das in Mitteldeutschland aber, wie gesagt, sehr selten ist und im besonderen für die spätere Agrarverfassung ohne jede Bedeutung blieb, wohl nicht zuletzt deswegen, weil — nach den wenigen uns bekannten Fällen zu schließen — es sich vorwiegend um Frauen handelte, offenbar Mägde, die der Herr oder die Herrin vor ihrem Tode sicherstellen oder für treue Dienste auf diese Weise belohnen wollte. Inwieweit nun in der älteren Zeit das Wergeid von 80 Schilling auch für solche Altarzinspflichtige gegolten hat, läßt sich nicht sagen. Vielleicht darf man es annehmen.
III. Die Unfreien. 1. Die rechtliche und soziale Lage der Unfreien. Neben den Nobiles und Liberi, die beide die Freigeborenen darstellen, stehen die Unfreien sozusagen als dritter Stand. Sie heißen servus, puer, mancipium, homo; die unfreie Frau heißt ancilla. Sie sind vollkommen im Eigentum ihres Herrn, wenn man die rein rechtliche Regelung in Betracht zieht. Neben dem sächsischen und friesischen Recht ist das thüringische das strengste2). Nach der Lex Thuringorum hat der Servus ein Wergeid in Höhe von 30 Schilling3). Ein höherer Satz für die Frau, wie wir ihn bei den Edlen und Freien antreffen, ist nicht genannt. Das Wergeid ist etwas geringer, als wir es (mit 36 Schilling) imribuarischen Volksrecht festgesetzt finden. Was der Knecht verschuldet, geht auf Kosten des Herrn; letzterer hat für Verfehlungen des Knechtes die Buße zu leisten4). Der Servus ist rechtlich eben Sache, wie das Vieh oder, wenn man will, wie das unmündige Kind gestellt; sein Herr ist für ihn verantwortlich und benutzt dafür seine Arbeitskraft. Auf all diese oft erörterten Fragen brauchen wir hier ja nicht näher einzugehen, sondern nur auf die Besonderheiten, die sich in unserem Material bieten. X) Vgl. statt aller weiteren Literaturhinweise: G. v. BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, Jena 1937, S. 91, und die dort gebotenen Literaturangaben. 2) IGNAZ JASTROW, Über das Eigentum an und von Sklaven nach den deutschen Volksrechten, Forschungen zur Deutschen Geschichte, Bd. 19, 1879, S. 627. 3) Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum, Titel 3. 4) Ebenda, Titel 56 u. 57.
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Die oben angeführten Bezeichnungen werden nun allerdings in dem vorliegenden Material nicht in gleicher Bedeutung gebraucht. Das überrascht insofern, als servus und mancipium dem Wortlaut nach das gleiche bedeuten, nämlich den Unfreien schlechthin1). Aber bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, daß von einer gleichartigen Verwendung dieser Worte keine Rede sein kann. Es werden nämlich mit dem Worte „mancipia" in der überwiegenden Anzahl der Fälle diejenigen Unfreien benannt, die auf unabhängigem Hof und Land angesetzt sind, während die Ausdrücke „servus", „puer", ,,homo" und im weiblichen Geschlecht „ancilla" vorwiegend dort Anwendung finden, wo es sich um unfreies Gesinde auf dem eigenen Hof, im eigenen Haus handelt, oder aber auch um Ministeriale2). Diese Unterscheidung tritt besonders deutlich in Erscheinung, wenn man gewahrt, daß die weiblichen mancipia nicht mit dem Namen „ancillae 1 bedacht werden, sondern gemeinsam mit den Männern regelmäßig unter der Bezeichnung „mancipia" einbegriffen sind, und zwar nicht nur dann, wenn es sich um Ehefrauen solcher Unfreien handelt, sondern auch dann, wenn dies nicht der Fall ist. Dies läßt sich in den Schenkungsurkunden sehr gut nachprüfen, da ja in der Regel die Namen der mitgeschenkten Mancipia in diesen aufgezählt werden3). Es kommt allerdings auch vor, daß Mancipia ohne Landbesitz verschenkt werden4). Dabei ist allerdings nicht zu entscheiden, ob es sich um Unfreie handelt, die als Hausdiener beschäftigt waren, oder aber um Grundsassen, die bei dieser Gelegenheit von ihrem Land abgetrennt wurden, auf das sie ja noch keinerlei Anspruch hatten, wenn sich auch offenbar schon zu Ende der Karolingerzeit 1 ) Vgl. etwa C L A U D I U S F R H R . V. S C H W E R I N , Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, München/Leipzig 1 9 3 4 , S . 4 3 , oder J . B E C K E R - D I L L I N G E N , Quellen und Urkunden zur Geschichte des deutschen Bauern, S. 393.
2) Zum Beispiel D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 74. Die Ministerialen werden überhaupt noch bis in das 12. Jahrhundert hinein vollkommen als Unfreie behandelt, sie werden vertauscht und verschenkt noch in einer Zeit, in der dies mit den ehemals unfreien Bauern losgelöst von ihrem Hofe nicht mehr denkbar war, — ein guter Beweis dafür, wie wenig rechtliche und soziale Stellung miteinander übereinzustimmen brauchen. Vgl. hierüber schon meinen Aufsatz „Die Unfreiheit in der ältesten Agrarverfassung Thüringens", a. a. O., S. 276. Ähnliche Beobachtungen für Westdeutschland (Moselgebiet) verzeichnet K A R L L A M P R E C H T , Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I, S. 1168 und 1177. 3) Wird auf Aufzählung der Namen verzichtet, so heißt es „cum mancipiis utriusque sexus" oder ähnlich (z. B. D R O N K E , Codex, Nr. 554). 4) Beispielsweise
DRONKE,
Codex, Nr. 257, 409, 479, 481.
8*
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116
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so etwas wie eine Sitte herausgebildet hat, die im Begriffe ist, zu Gewohnheitsrecht zu werden. Aus dem Häufigkeitsverhältnis, in dem landgesessene und landlose Unfreie erwähnt werden, läßt sich ohne weiteres folgern, daß die ersteren weitaus in der Mehrzahl gewesen sind. In dieser Hinsicht wären also gegenüber den Zuständen zur Zeit des TACITUS keinerlei wesentliche Veränderungen festzustellen1). Die Tab. S. 1 1 8 f f . lassen deutlich erkennen, wie sehr die „mancipia" im Vordergrund stehen. Für die ganze soziale Situation, in der sich die Unfreien unseres Gebietes befinden, ist es weithin bestimmend, daß es gänzlich an dem Zwischenstand der Liten fehlt, der als solcher eine Verbindungsbrücke darstellt und namentlich auch ein Hinaufsteigen der servi in diesen höheren Stand ermöglicht. Dadurch aber, daß die Mancipia unseres Gebietes im allgemeinen in den gleichen Verhältnissen lebten, wie sonst die Liten, entstand notwendig eine Diskrepanz zwischen der rechtlichen und der sozialen Lage insofern, als die letztere gehobener war, als es der ersteren an sich entsprach. Und es ist von hier aus verständlich, daß dort, wo sächsisches und fränkisches Recht eindrang, ein Teil der Unfreien in diesen Stand aufstieg. So dürfte im allgemeinen der thüringische Unfreie mit den sächsischen und fränkischen Unfreien ebensowenig ohne weiteres verglichen werden können, wie die thüringischen Freien (liberi) mit den gleichbezeichneten Gruppen in Sachsen und Franken. Wir beobachten schon in unserer Zeit eigentlich ausnahmslos, daß der Unfreie de facto, wenn auch nicht de jure, für sich selbst erwerben kann2). Immer wieder finden wir bei den Schenkungen von Mancipia besonders gesagt, daß ihnen der Besitz belassen wird, daß sie mit diesem gemeinsam in andere Hände übergehen („cum omni possessione", „cum suppelectili et sumptu", „cum omni acquisitione" usw.)3). Ja es scheint so, als wenn ihnen auch für gewöhnlich die Häuser praktisch gehörten, in denen sie wohnten, d. h. daß ihnen diese in der Regel belassen werden, denn sonst wäre es nicht verständlich, daß in einzelnen Fällen Häuser ausdrücklich ausgenommen werden, wie z. B. in der Schenkung des SIGIHART und seines Sohnes GOTETHANC, wo es heißt „cum omni eorum supellectili et sumptu a b s q u e aedificiis" 4 ). 1) R. MUCH, Die Germania des Tacitus, Heidelberg 1937, meint allerdings, daß die Zahl der Haussklaven größer gewesen sei, als TACITUS sagte ( S . 2 3 1 ) . 2) Die Lex Thuringorum weiß natürlich noch nichts davon. 3) Vgl. beispielsweise DRONKE, Codex, Nr. 215, 257, 269, 302, 379, 388, 409, 420, 455 usw. — 4) Ebenda, Nr. 292. (Sperrung von mir.)
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Auch kommt es vor, daß Mancipia ihrerseits einen Servus besitzen, wie der eine der Mancipia, die GRIUZING i. J. 796 an Fulda schenkt1). Daß als „servi" bezeichnete Ministeriale ihrerseits über Mancipia verfügen, ist ja nicht überraschend, da diese Ministerialen ja mit einem größeren Landbesitz ausgestattet sind, den sie grundherrlich bewirtschaften müssen2). Bei dem Verschenken von Unfreien wird im übrigen ebenso verfahren, wie bei dem Verschenken von Gütern; neben sofortigen Übergaben kommen Schenkungen vor mit Vorbehalt des lebenslänglichen Nießbrauchs8) oder aber Rückübertragungen „per beneficium" oder „per praestariam"4). Die unfreien Hausdiener (in der Regel „servi") sind für die Weiterentwicklung der Agrarverfassung in dem hier behandelten Gebiete nicht weiter wesentlich, soweit sie in diesem Zustand verbleiben; wichtig sind die „mancipia", d. h. also diejenigen Unfreien, die auf Land angesetzt wurden (wobei wir uns klar darüber sind, daß die Grenzen ursprünglich flüssig sind und daß im besonderen wohl nicht wenige „servi" zu „mancipia" in diesem Sinne geworden sind). 2. Der Umfang des Vorkommens der Unfreiheit. Es ist ganz lehrreich, sich einmal einen genaueren Überblick über die Zahl der Unfreien zu verschaffen, die in unserem Gebiete vorkommen. Dabei ist es aus Gründen, deren Berechtigung sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, angebracht, die thüringischen (i. e. S.) von den hessisch-fränkischen Teilen unseres Gebietes zu trennen. Wir beschränken uns dabei aus praktischen Gründen auf die Urkunden, die sich bei DOBENECKER finden, also im Rahmen des von ihm berücksichtigten, etwas engeren Gebietes. Die betreffenden Zusammenstellungen enthalten die beiden nachstehenden Tabellen5). 1) Ebenda, Nr. 120 („Ruodmunt et servus eius") . 2) So schon der erste Ministeriale, der uns in unseren Quellen begegnet, MAGINFRED (DOBENECKER, Regesten, Nr. 74). Von den Angehörigen der „familia" des Klosters Fulda, die in DRONKE, Trad., Kap. 50, aufgeführt sind, haben einige mancipia, einige auch servi. 3) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 481. 4) Zum Beispiel ebenda, Nr. 409, 423, 424, 452. 5) Durch sie sind die Tabellen auf S. 158f. meines Aufsatzes „Die Unfreiheit usw." überholt. Diese enthalten Lücken, die hier ergänzt werden konnten, und die z. T. darauf zurückzuführen sind, daß bei DOBENECKER öfter das Vorkommen von Unfreien nicht vermerkt ist, während ich damals glaubte, ruhig von diesen Angaben ausgehen zu können. Jetzt sind alle Urquellen noch einmal auch daraufhin nachgeprüft. Die Anführung der betr. Nummer in DOBENECKERS Regesten soll nur das schnellere Auffinden der Quellen erleichtern.
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Tabelle I. U n f r e i e in dem G e b i e t n ö r d l i c h des W a l d e s . Jahr 704 802 ca. 835 vor 900 „ 900 „ 900 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 ., 900 „ 900 „ 900 ,. 900 „ 900 „ 900 „ 900 900 „ 900 „ 900 900 „ 900 „ 900 „ 900
Anzahl — —
301) 38 12 — —
58 10 30 12 42 20 —
27 73 30 24 8 10 10 —
10 10 —
20 10 20 — — — —
24 — —
5 20 70 — —
20
Bezeichnung
Reg.-Nr.
Mancipia u. Casata Mancipia 15 Liten- u. 15 Servi-Familien . . . . Mancipia Mancipia cum prole Mancipia Familiae Mancipia Mancipia cum prole eorum Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Familiam suam Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia cum mancipiis et prolibus eorum.. Mancipia Mancipia Mancipia cum mancipiis cum omni familia sua Mancipia Mancipia Mancipia cum familiis familiam suam Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia
5 74«) 157 288 289 290») 292») 294') 294 294 294 294 294») 294 294 294 294 294 294 294») 294 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294 294») 294») 294») 294») 294») 294») 294»)
1) Familien. — 2) Von D O B E N E C K E R nicht mit aufgeführt. 3) Es handelt sich bei D O B E N E C N E R , Regesten I, Nr. 294, um das große Kapitel 3 8 in D R O N K E , Trad. et Ant. fuld.
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119
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Fortsetzung von Tabelle I. Anzahl
Jahr vor 900 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 900 „ 900 „ 900 ,, 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 1000 1) Von
— —
13 — — — — — — — — —
10 —
¿1
14 4 — — — —
46 8 7 —
DOBENECKER
Bezeichnung cum familiis Mancipia Mancipia Mancipia cum familiis Mancipia Mancipia Mancipia cum mancipiis utriusque sexus Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia cum familia Mancipia cum familiis Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia
Reg.-Nr.
...
2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 294 1 ) 294») 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 2941) 294 2941) 294 591
nicht mit aufgeführt.
Tabelle II. U n f r e i e im W e s t - und S ü d w e s t e n ( f r ä n k i s c h - h e s s i s c h e n Teil). Anzahl
Jahr ca. 744 774 776 777 778 778 7+4—779 776—779 789 1) 2) wie sich davon in
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5 1 — —
9 18 14
Bezeichnung Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia
Reg.-Nr. 251) 31 37 38') 40 b 41 42») 44 58
Von D O B E N E C K E R in den Regesten nicht aufgeführt. Ein Teil der geschenkten Güter liegt nördlich des Waldes im Helmegau; die Mancipia verteilen, ist unklar; möglicherweise gehören also einige die Tabelle I .
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120
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Fortsetzung von Tabelle II. Jahr
Anzahl
Bezeichnung
Reg.-Nr.
795 795 ca. 796 .. 796 796 800 801 804 810 812 813 814 ca. 817 819 819 819 822 823 823 824 824 824 824 824 824 824 825 825 825 826 827 828 828 829 830 836 836 836 837 838 838 838 838 838 839
2 34 30 2 9
Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia*) Mancipia Mancipia 3 Mancipia u. 1 servus cassatus... Mancipia Mancipia Mancipia Servus Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Ancilla
60 61 63 64 65 66 1 ) 72 77 84 86 88 93 104 105 106 109 114 116 119 120 121 122 126 132 133 135 136 137 140 142 147 149 150 152 154 1591) 160 161 165 169 171 173 167') 174») 1781)
—
11«) 4 u. Kinder 6 11 6 1 23 40 2 48 5 10 21 4 1 1 10 16 2 20 17 3 22 13 2 2 5 4 4 2 9 3 über 3005) 18 8 55«) —
2 —
Mancipia Mancipia Servus Mancipia Mancipia Ancillae Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia cum familiis et prole eorum Mancipia Familiae
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121
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Fortsetzung von Tabelle I I . Jahr 822—840 845 852 855 vor 856 857 (?) 858 863 864 867 ca. 870 874 888 vor 891 „ 891 897 vor 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 „ 900 901 912 912 914 vor 918
Anzahl —
18 3 18 — —
5 22 5 5 8") 78») — —
1 — — —
1 10 — — — — — — —
Bezeichnung Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Mancipia Homo Mancipia Mancipia familiam Servus Mancipia cum familia cum familiis Familiae et Mancipia Mancipia Familiae et Mancipia Mancipia Mancipia
Reg.-Nr. 1871) 193 202 213 2171) 219») 221 229 231 239 2451) 247 2711) 2781) 279 2841) 293') 2951) 2981) 294 1 ') 294") 29414) 302 3171) 3181) 3221) 328
1) Von DOBENECKER in den Regesten nicht aufgeführt. 3) Einer der Mancipia hat einen „servus" (DRONKE, Codex, Nr. 120). 4) 4 davon sind verheiratet und haben Kinder (DRONKE, Codex, Nr. 173). 5) DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 176: „cum mancipiis plusquam trecentis, in his locis substitutis et prolibus eorum"; es handelt sich um die reiche Schenkung, die SIGIBALD als Beauftragter des Grafen Asis macht. 6) Steht mit vorstehender Schenkung des Asis in Zusammenhang; es ist nicht recht klar, ob diese Besitzungen, die z. T. in den gleichen Orten liegen, zu den vorstehend genannten noch hinzukommen oder ob sie einen Teil davon ausmachen. 7) Die Unfreien vermerkt DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 187. 8) Die Unfreien vermerkt DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 188. 9) Die Unfreien vermerkt DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 194. 10) Dazu die Kinder einer darunter befindlichen Ehefrau. 11) und Kinder. 12) Aus DRONKE, Trad., Kap. 38, Nr. 233. 13) Aus DRONKE, Trad., Kap. 38, Nr. 303. 14) Aus DRONKE, Trad., Kap. 38, Nr. 308.
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Aus diesen beiden Übersichten ersehen wir, daß die Zahl der Unfreien, soweit wir aus den erhaltenen Nachrichten schließen können, im Westen und Südwesten größer war als in den Landstrichen nördlich des Waldes: Tabellel hat 76, Tabellen 81 Nummern. Der Unterschied erscheint gering, aber wie wir sehen werden, täuscht dieses Ergebnis zunächst. Wie viel größer die Zahl der Unfreien in den südwestlichen Gebieten war, wird deutlich, wenn wir an Hand der beiden Kapitel 38 und 39 von DRONKES „Traditiones" eine Gegenprobe machen. Von diesen enthält nämlich das erste Schenkungen aus dem mittleren und nördlichen Thüringen (allerdings mit einigen Ausnahmen), das letztere solche aus dem Grabfeld und Tullifeld. Das letztere zählt 225 Nummern, und davon sind bei fast drei Viertel aller Unfreien bezeugt, und bei einigen, wo keine genannt sind, wissen wir aus den Originalurkunden im „Codex", daß welche vorhanden waren1), und bei anderen kann man es vermuten. Das andere Kapitel enthält 310 Nummern aus Thüringen nördlich des Waldes und östlich der Werra, aber hier ist das Verhältnis fast umgekehrt: nur bei etwa ein Fünftel aller Schenkungen sind Mancipia bezeugt, und dieses aufschlußreiche Ergebnis wird auch in seiner Bedeutung nicht dadurch beeinträchtigt, daß man hier ähnliche kleine Fehler annehmen kann wie bei dem andern Kapitel. Überdies ist das in Tabelle I berücksichtigte Gebiet größer als das der Tabelle II zugrundeliegende. Dieses ganze Verhältnis würde ferner in den beiden Tabellen ganz anders zum Ausdruck kommen, wenn sämtliche in den beiden Kapiteln aufgeführten Schenkungen hier hätten hineingearbeitet werden können. Während nämlich Kapitel 38, das fast ganz der I. Tabelle zugute kommt, vollkommen berücksichtigt ist, da hier die Originale verlorengegangen sind und D O B E N E C K E R sie daher sämtlich in Nr. 294 zusammengefaßt hat, sind von den 157 Schenkungen aus Kapitel 39, die Unfreie nennen, nur 52 in die Tabelle II aufgenommen worden, da nur so viel nach den hier an Hand der erhaltenen Originale möglichen Datierungen in den von uns behandelten Zeitraum fallen. So ergibt sich, daß die obigen Zahlen die Zahl der Vorkommen von Unfreien für das Thüringen i. e. S. günstiger erscheinen lassen, und umgekehrt für den Westen und Südwesten ungünstiger, als es den tatsächlichen Verhältnissen entspricht2). 1) Zum Beispiel Nr. 38 u. 81. 2) Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß aus den obigen Tabellen sehr gut hervorgeht, wie sehr das Wort „Mancipia" im Vordergrund steht. Es ist auffallend, daß dort, wo einmal von „servus", „homo" oder „ancilla" die Rede ist, es sich zahlenmäßig nur um wenige handelt, eben doch wohl vorwiegend unfreies Hausgesinde.
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Die stärkere Besetzimg der westlichen und südwestlichen Gegenden mit Unfreien erklärt sich daraus, daß es sich hier weitgehend um neugerodetes Waldland handelt, und diese Rodungen sind, wie aus den Schenkungen hervorgeht, zu einem großen oder vielleicht sogar überwiegenden Teil von Grundherren eben mit Hilfe von Unfreien durchgeführt worden. In Mittel- und Nordthüringen finden wir die sog. „Gefilde", und diese enthalten mehr altes freies Bauernland als die Rodungsgebiete. Insofern besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen geographischer Struktur und Agrarverfassung. 3. Die Bedeutung der Unfreiheit für die Agrarverfassung der Karolingerzeit. Welche Prägung hat nun die Agrarverfassung der Karolingerzeit durch die Institution der Unfreiheit erfahren und welche Entwicklung hat sich für diese Institution in dieser Epoche abgespielt ? Die Zahl der Unfreien in unserem Gebiet ist beträchtlich, ganz besonders in den westlichen und südwestlichen Teilgebieten (HessenFranken). Auf der breiten Schicht der Unfreien ruhte primär die Grundherrschaft in unserem Gebiet, die ja eine recht bedeutende Ausdehnung aufzuweisen hat. Darüber sowie über das Alter dieser Grundherrschaft ist unten S. 145 ff. im Zusammenhang mit der allgemeinen Behandlung des Phänomens Grundherrschaft das Erforderliche gesagt. Dort ist auch als wesentliche Erkenntnis herausgestellt, daß die Basis, auf der die Grundherrschaft beruht, sich in der Karolingerzeit verschiebt: neben der Institution der Unfreiheit, die dem Herren die Möglichkeit zwangsweiser Ansetzung von Menschen auf Boden zwecks landwirtschaftlicher Produktion mit Einbehalt des Reinertrages (praktisch meist nur eines Teiles des Reinertrages) gibt, tritt die Grundherrschaft, die rein auf der Tatsache der Verfügungsgewalt über Land besteht und wovon aus dann auch persönlich Freie veranlaßt, schlimmstenfalls de facto (wenn auch nicht de jure) gezwungen werden, Land oder wenigstens das dominium utile über Land, wie man später sagte, aus den Händen dieser Grundherren anzunehmen, natürlich unter Verpflichtung zu näher bestimmten Gegenleistungen. So verschiebt sich denn die ganze Basis der Grundherrschaft, und diese Verschiebung entfällt zum wesentlichen Teil in die Karolingerzeit und gehört mit zu den bedeutsamsten Ereignissen dieser Epoche, und das ganz besonders, nachdem die Ansicht von dem massenhaften Eintritt in die Unfreiheit fallengelassen werden mußte. Dieser so bedeutungsvolle Schritt läßt sich nun in unserem Gebiete besonders gut verfolgen, weil die „Verwerfungen", um ein
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Bild aus der Geologie zu gebrauchen, die im Westen und Süden Deutschlands das Auftreffen von Franken, Schwaben und Bayern auf provinzialrömisches Gebiet mit sich gebracht hatten 1 ), hier in Binnendeutschland fehlten, und dann aber auch, weil wir in der Zeit, in der die historischen Quellen zu fließen beginnen, eine weit ausgedehnte Grundherrschaft dieses älteren Typs vor uns haben, die eben auf dieser breiten Schicht der Unfreien ruht 2 ). Hier sind nun die verschiedenfachsten Wirkungen zu beobachten. Einmal ermöglichte der Besitz von zahlreichen Unfreien den Grundherren eine umfangreiche Rodetätigkeit; das traf schon für die vorkarolingische Zeit zu, nahm aber in dieser Periode einen neuen großen Aufschwung. Aber ein wesentlicher Unterschied bestand doch: in der Vorkarolingerzeit war die soziale Stellung der Unfreien dadurch nicht wesentlich beeinflußt worden; sie saßen als Unfreie auf dem ihnen vom Herrn zugewiesenen Land, nur zum kleineren Teil auf den herrschaftlichen Höfen, und womöglich schon so seit Jahrhunderten im Kern unverändert. Dies wird in der Karolingerzeit anders, denn in ihr wird der Grund gelegt zu einer Entwicklung, die binnen weniger Jahrhunderte in einem Teil unseres Gebietes, nämlich in Thüringen nördlich des Waldes, zu einem völligen Verschwinden der Unfreiheit führen sollte, während in den fränkischhessischen Teilgebieten diese Entwicklung nicht voll zu dem gleichen Ziel gelangte, sondern auf halbem Wege stecken blieb3), womit die 1) Darunter sind die Demokratisierung der sozialen Ordnung auf Grund der Kriegsverfassung, die Übernahme provinzialrömischer Einrichtungen und die Schaffung neuer, nicht an die alte Tradition anknüpfender Grundherrschaftsverhältnisse nicht die unwesentlichsten. 2 ) Neuerdings meinte R U D O L F M U C H , Die Germania des Tacitus, Heidelberg 1937, S. 231, daß die Zahl der Haussklaven bei den Großen zweifellos größer gewesen wäre, als aus der Schilderung des T A C I T U S hervorgehe; für seine Ansicht führt er auch ein Zeugnis aus den Epistolae des S E N E C A an, das gleichfalls dafür spricht (1. nachchristl. Jahrhundert). Die große Zahl von Unfreien, die wir bei Einsetzen unserer schriftlichen Quellen feststellen können, läßt das wohl glaubhaft erscheinen. 3 ) Hierfür ein ganz charakteristisches Beispiel: Als i. J . 1 1 0 0 S I B O T O und seine Gemahlin dem Peterskloster zu Saalfeld Besitzungen bei Koburg und Hammelburg schenken, wird der Rechtsstand der mitgeschenkten Mancipia folgendermaßen umrissen: ,,hec est autem lex, quam statui mancipiis, ut nullum advocatum habeant nisi ipsum abbatem, et in festivitate s. J A C O B I I I I denarios solvant et liberi sint ab omni servitio; etpostobitum illorum vir cum obierit melius pecus, quod reliquerit, et mulier melius vestimentum, quod habuerit vel texerit, noverit." Also außer Unterstellung unter das herrschaftliche Gericht einen geringen Jahreszins und eine Mortuarium-Abgabe, das sind die Überbleibsel der alten völligen Unfreiheit. ( D O B E N ECKER, Regesten, I, Nr. 991). Über die Mortuarium-Abgabe vgl. sonst unten S. 203 ff.
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Grundlage für die Abtrennung des Gebietes der mitteldeutschen Grundherrschaft von dem fränkisch-hessischen (im Kern südwestdeutschen) Typ der Grundherrschaft gelegt wurde. Für diese Trennung war also die Verschiedenheit in der Entwicklung der Unfreiheit von maßgeblicher Bedeutung. Das zwingt uns dazu, die treibenden Kräfte dieser Entwicklung, die, wie gesagt, in dem einen Teil zum vollen, in dem andern zum halben Ziel führten, näher zu betrachten, und zwar insoweit sie für unser Gesamtgebiet gültig waren, ebenso aber auch insoweit sie dann speziell zu der gekennzeichneten Trennung führten. a) Das Fehlen des „Zwischenstandes" der Liten 1 ) führte dazu, daß die Mancipia de facto in die soziale Stellung einrückten, die anderswo diese Liten einnahmen, wenn auch ihre rechtliche Lage an sich unverändert blieb, zunächst wenigstens. Sie sind schon in der Mitte der Karolingerzeit so etwas wie mit ihrem Hof und Land verbundene, wenn natürlich auch abhängige Bauern, anscheinend auch schon soweit festgewurzelt, daß der abhängige Bauernhof in der Familie blieb. Damit mußte die Bedeutung der Unfreiheit im Rechtssinne im Bewußtsein der Bevölkerung zurücktreten, denn die soziale-tatsächliche Lage gewinnt bei einem Zwiespalt zwischen ihr und dem formalen Recht auf die Dauer doch das Übergewicht und schafft dann, namentlich bei der rechtlichen Struktur des Mittelalters, auf dem Wege über Verjährung, Gewohnheit und Sitte auch neues Recht. Das mußte sich auch gerade dort auswirken, wo die Mancipia besonders zahlreich vertreten waren, nämlich in den hessisch-fränkischen Landstrichen. An sich galt diese Entwicklungstendenz zunächst für das ganze hier behandelte Gebiet. Sie führte nördlich des Waldes im Verlaufe der nächsten Jahrhunderte im Verein mit anderen noch zu erwähnenden Momenten zur völligen persönlichen Freiheit, lediglich unter Beibehalt realer Lasten, und dies auch in den nördlichen Gebieten (Unstrutgebiet, Mansfeld usw.), wo ja, wie wir sahen, auf Grund des hier eindringenden sächsischen Rechtes da und dort die Rechtsinstitution des Liten Eingang fand. Hier ist dann eine eigenartige Wechselwirkung zu beobachten: ganz Mittelthüringen bis zum Karrun des Waldes verfiel zwar dem sächsischen Recht, aber die Entwicklung zur vollen persönlichen Freiheit unter Ausschaltung des grade im sächsischen Recht verankerten Litenstandes setzte sich nach Norden hin über den Saalkreis und das Fürstentum Halberstadt, vielleicht 1) Vgl. darüber oben S. 82ff. und meine Abhandlung „Die Unfreiheit in der ältesten Agrarverfassung Thüringens", a. a. O., S. 281 f.
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sogar mit Einbeziehung des späteren Herzogtums Magdeburg1), durch. Diese Zwischenstufe des Liten wurde gleichsam überrannt. Im Westen dagegen — Grabfeldgau, Tullifeld, Eichsfeld2) — hatte das fränkische Recht Eingang gefunden und mit ihm der Lite, und zwar gleich in größerem Ausmaße als in den nördlichen Landstrichen Thüringens, und so war hier eine Zwischenstufe geschaffen, auf der die Aufwärtsentwicklung von der Unfreiheit zur Freiheit hin Halt machen konnte. Das hatte zur Folge, daß im 10.—12. Jahrhundert diese Gebiete jene Entwicklung Mittel- und Nordthüringens zum Typ der „mitteldeutschen Grundherrschaft"3) nicht mitmachten, sondern sich der Agrarverfassung des Westen (HessenFrankens) anschlössen. b) Nun war es natürlich nicht nur allein das Fehlen dieser Rechtsinstitution des Liten allein, worauf diese Entwicklung zurückgeführt werden kann, was schon daraus hervorgeht, daß ja nach und nach das sächsische Recht hier Eingang fand — wie man wohl annehmen darf: gefördert durch HEINRICH I. und seine Nachfolger, die ja das Herzogtum in Thüringen mit ihrem sächsischen Herzogtum vereinigten —, in dem das Recht der Liten besonders ausgebildet war. Wenn nicht andere Momente hinzugekommen wären, hätte die Entwicklung dahingehen können, daß der Litenstand hier sogar besonders ausgebildet worden wäre, gerade in Anbetracht der großen Zahl von Unfreien, die von unten nach oben strebten. Unter diesen anderen Momenten ist zunächst zu nennen die bereits in anderem Zusammenhange (oben S. 106ff.) erwähnte Umformung des Begriffes „frei" und seines Gegensatzes „unfrei", eine Umbildung von größter Tragweite, die durch ganz Deutschland (und das übrige Europa) hin festzustellen ist und die in ihrem Endergebnis, soweit es uns in diesem Zusammenhange interessiert, dahin führte, daß die Bedeutung der Tatsache persönlicher Freiheit (oder Unfreiheit) versank vor dem Faktum: Verpflichtung zu grundherrlichen Abgaben oder nicht4), — eine Verschiebung, die ja nicht zuletzt auch für das soziale Aufsteigen der an sich persönlich unfreien Ministerialen von Bedeutung geworden ist. 1) Hier stehen noch nähere Untersuchungen aus. 2) Im Eichsfeld setzte sich allerdings auch das sächsische Recht durch, aber hier unter Beibehalt der Institution der Liten, weswegen es in diesen Zusammenhang eingereiht werden darf. Vgl. dazu HARTMANN, Das Provinzialrecht des Fürstentums Eichsfeld, Berlin 1935, S. 152. 3) Vgl. dazu mein Buch „Die mitteldeutsche Grundherrschaft", Jena 1934. 4) Recht zutreffend sagt W. SOMBART gelegentlich im Hinblick auf die wirtschaftliche Seite: „Saß eine Familie auf einer Scholle, so war es für ihr Leben im
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c) Das Aufkommen der Verpflichtung zu Abgaben auch von persönlich freien Bauern ist eine Folge der Ausdehnung der Grundherrschaft mit ihren Leiheformen1), sowie (später) der Gerichtsherrschaft, die eigentlich zumindest teilweise von noch größerer Bedeutung war. Die Tatsache, daß das Land nur „geliehen" war, trat in den Vordergrund mit der Auswirkung, von der eben die Rede war. Nun ist aber an dieser Ausweitung der grundherrlichen Leihe die lebhafte Rodetätigkeit der Karolingerzeit beteiligt, denn die Landreserven, die die Wälder darstellten, waren zu einem nicht geringen Prozentsatz in den Händen des Königs oder weltlicher und geistlicher Grundherren. Und so stehen wir vor der eigenartigen Erscheinung, daß die Größe des grundherrlichen Besitzes gerade die Auflösung der alten Unfreiheit förderte, einmal, weil Freie und Unfreie überall nebeneinander saßen (beide lediglich auf feste Leistungen gestellt), und dann zum andern die große Menge der Unfreien, die sich in den Händen mancher Grundherren (namentlich der Klöster Fulda und Hersfeld) ansammelten, die Aufrechterhaltung der engen persönlichen Bindung erschwerte und sich so hier die ja überall im Mittelalter zu beobachtende Tendenz, persönliche Beziehungen zu „realisieren", d. h. zu erblichen Realbeziehungen zu machen2), leicht durchsetzen konnte. Ist doch in der Regel überall — man denke besonders an die südwestdeutschen Verhältnisse — die persönliche Abhängigkeit um so langlebiger (und drückender), je enger die Verhältnisse sind. Weil nun aber bei der Ausdehnung der Fuldaischen Grundherrschaft im Südwesten unseres Gebietes die Verhältnisse n i c h t so eng waren, ist es auch verständlich, daß in diesem Gebiet die persönliche Abhängigkeit stärker in den HinterGrunde ziemlich gleichgültig, ob sie ingenua oder serva war, ob terrae adscriptae oder ob sie potebat ire ubi voluerit; ob sie das Gut als beneficium, als precarium, als Colonia partiaria, als Erbzinsleihe oder als sonst etwas inne hatte. Wichtig war für sie nur: 1. wieviel sie von der Ernte abgeben; 2. wieviel Tage im Jahre sie auf dem Herrenlande frohnden mußte; 3. ob sie tatsächlich auf der Scholle sitzen blieb, von Geschlecht Geschlechte" (Der moderne 1, München 1928, S.hatte 57). 1) Obzuder Einzelne das Land erhielt,Kapitalismus, das er selbst I,etwa erst geschenkt (precaria oblata), oder aus Eigentum des Grundherrn stammendes Land, ist für die hier geschilderte Entwicklung gleichgültig. 2) Das ist nicht nur z. B. auf dem Gebiete der bäuerlichen Abgaben zu beobachten, sondern an entscheidender Stelle, im Staatsaufbau; hier werden unter allmählicher Umbildung („Realisierung") des Lehnsrechtes aus den zur persönlichen Treue und Dienst verpflichteten Gefolgschaftsleuten nach und nach Landesherren, mit bestimmten, rein real (sachlich) bemessenen Leistungen. Das Lehnrechtswerk von H. M I T T E I S läßt sich diese Entwicklung gut erkennen (H. M I T T E I S , Lehnrecht und Staatsgewalt, Weimar 1933).
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grund trat als in Südwestdeutschland, wozu allerdings noch andere Momente (namentlich die Ausbildung der Leibherrschaft bzw. Leibeigenschaft) beitrugen. d) Man kann zu Beginn der Karolingerzeit von einer relativen Menschenleere in unserem Gebiete sprechen; das beweist die große Zahl von neuen Dörfern und Dorfausbauten, für die sich im Laufe der folgenden Periode des inneren Ausbaues Platz fand. Diese Lage verschaffte den Menschen gegenüber dem Grundherren als Landbesitzer eine bevorzugte Stellung, eine Art Seltenheitswert, und das mußte sich in der gleichen Richtung hin auswirken. Und wo die Unfreiheit weniger ausgebreitet war, wie z. B. in dem engeren Thüringen, da half dies den freien Bauern mit, sich gegen etwaige Versuche einer Herabdrückung zu behaupten. — Wir erfahren allerdings nie etwas von solchen Versuchen, und so wird wohl die Lage, so wie sie an sich war, entscheidend gewesen sein, denn ebensogut wie die Bauern diese überschauten, ebenso waren sich auch die Grundherren darüber im klaren, und dieses bloße Wissen war wohl in der Regel ausreichend, so daß es zu sozialen Machtkämpfen erst gar nicht kam. Den Unfreien wurde durch die gleiche Tatsache das Sich-EmporArbeiten erleichtert. e) Dies kam im besonderen den Bauern in den Gebieten nördlich des Waldes zugute und trug so zur Herausbildung des Typs der mitteldeutschen Grundherrschaft mit bei. Aber das war nicht das einzige Moment dieser Art. Es trat mit gleicher Wirkung hinzu der Charakter des Landes als Grenzgebiet, was übrigens in gleicher Weise für die weiter nördlich gelegenen Gebiete, letztlich bis nach Holstein hinein, gilt, wo wir ja überall eine sehr günstige Lage der Bauern feststellen können1). Die Tatsache der Nähe der Slavengrenze, der Notwendigkeit, dauernd das Schwert neben dem Pfluge zu führen, mußte auf der einen Seite die geistig-seelische Einstellung der Bauern in Richtung einer aufrechten freiheitsliebenden Haltung beeinflussen, auf der anderen Seite aber auch dem König und den Grafen und sonstigen Großen, ja jedermann, den Wert einer wehrhaften Grenzbevölkerung vor Augen führen. Diese Bauern wahrten ihre persönliche Freiheit, auch wenn sie grundherrliches Land nahmen — wir sahen ja, daß Selbsttraditionen vollkommen fehlen. —Darüber war oben S. 103f. im Hinblick auf die Behauptung 1) Das Aufkommen der Leibeigenschaft in Holstein erfolgte ja erst im 16. Jahrhundert nach Ausbildung neuer gutswirtschaftlicher Verhältnisse. Vgl. dazu JENS JESSEN, Die Entstehung und Entwicklung der Gutswirtschaft in Schleswig-Holstein, „Zeitschrift d. Gesellsch. f. Schleswig-Holsteinsche Geschichte", Bd. 51, 1922, bes. S. 84ff.
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der Freien die Rede. Der gleiche Tatbestand hatte aber ebenso wichtige Bedeutung für die Lage des Unfreien, denn diese Auftriebskräfte, die darin steckten, halfen ihnen, nach und nach in den gleichen Rechtsstand aufzusteigen, nachdem sie de facto ja schon früher in die gleiche oder eine annähernd gleiche Lage gekommen waren wie die freien grundherrlichen Bauern. In den Gebietsteilen südlich und westlich des Waldes fehlte dieses Moment und trug zweifellos mit bei, daß hier der Aufstieg zur vollen Freiheit vor Erreichung des Zieles stockte. f ) Daß zahlreiche Unfreie zu Ministerialen aufstiegen1), paßt in diese Entwicklungslinie gut hinein. Sie bleiben damit zwar zunächst auch rechtlich Unfreie, aber eben doch Unfreie zu einem deutlich gehobenen Recht und zu noch deutlicher gehobenem sozialen Ansehen, und damit waren sie auf dem besten Wege zu einem weiteren Aufstiege, der so hoch eingeschätzt wurde, daß sich später sogar nicht selten Freie in das Ministerialenverhältnis ergaben2). Zu dieser ganzen Entwicklung, die in Thüringen nördlich des Waldes bis zum 12. Jahrhundert (zum wesentlichen Teil schon früher) die alte Unfreiheit auch rechtlich verfallen läßt, und sie in den fränkisch-hessischen Gebieten stark zum Zusammenschrumpfen bringt, wurde in der Karolingerzeit der Grund gelegt, und nicht unwesentliche Etappen dieser Entwicklung sind innerhalb dieser Epoche auch schon zurückgelegt worden. Die Frage, von wo die stärkere Zugkraft ausgehen würde: von oben gegen unten oder von unten gegen oben, war eindeutig im ersteren Sinne entschieden worden. Die so eingeleitete Entwicklung führte allerdings nicht zu einer Beseitigung der Grundherrschaft, sondern nur zu einer Veränderung in der tragenden Basis des grundherrlichen Verhältnisses. Diese war ursprünglich die persönliche Unfreiheit vieler Menschen gewesen, und nun waren es rein reale Rechte, beruhend auf der Tatsache, daß Obereigentum an dem Lande bestand und damit Ansprüche auf gewisse Leistungen seitens der Bauern. Eines hatte die Grundherrschaft dabei aber geleistet, was in der älteren Zeit undenkbar gewesen wäre: sie hatte nach und nach den großen Teil des Volkes, der infolge seiner Unfreiheit ganz außerhalb stand, ja eigentlich gar nicht zum Volke gerechnet wurde, mit in das Volk hineingezogen und dessen Zugehörige zu persönlich freien Erbzinsbauern gemacht. 1) Z u m Beispiel DOBENECKER, Regesten, I , N r . 938, 1294, 1465, 1490, 1540, 1541, 1555, 1692. 2) Vgl. dazu RUDOLF HIS, Z u r Rechtsgeschichte des thüringischen
Adels,
„Zeitschrift des Ver. f. thiir. Geschichte u. Altertumsk.", 22. Bd., 1903, H e f t 1. L ü t g e , Agrarverfassung.
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C. Die Vererbung von Landbesitz. In unserem Quellenmaterial ist in nicht wenigen Fällen Grund und Boden, der verschenkt wird, ausdrücklich als ererbt bezeichnet und deutlich getrennt von anderem Besitz, der auf anderem Wege (meist wohl durch Rodung) erworben ist. Darunter sind gar nicht so viele Fälle, in denen die Tradition von Frauen ausgeht. So scheint es nicht ohne Wert zu sein, wenn man der Frage nachgeht, wie das Erbrecht hinsichtlich des Grund und Bodens in dieser Zeit praktisch ausgesehen hat, — eine Frage, die ja keineswegs als ausreichend geklärt angesehen werden kann.
I. Geltungsbereich des Thüringer Rechtes. Da ist es zunächst notwendig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, welches Recht wir hier zugrunde zu legen haben. Man denkt natürlich in erster Linie an das Gesetz der Thüringer (Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum). Es ist aber die Frage, ob man dieses für das ganze hier behandelte Gebiet zugrunde legen darf. CL. F R H R . v. S C H W E R I N hat in seiner Ausgabe dieses Gesetzes, wie vor ihm z. B. auch F E L I X D A H N , die Ansicht vertreten, daß es nur „für die Angeln und Warnen zwischen Saale und Elster" gelte, nicht etwa für ganz Thüringen, geschweige denn den rheinischen Stamm der Warnen 1 ). Dieser letztere Stamm interessiert uns hier nicht, wohl aber müssen wir zu der Ansicht v. S C H W E R I N S hinsichtlich Thüringens Stellung nehmen. Leider begründet er diese nicht näher. Er weist lediglich die entgegengesetzte Ansicht von L U D W I G S C H M I D T 2 ) zurück, der davon ausgeht, daß die Thüringer Bevölkerung im Kern durch die Verbindung der Angeln und Warnen mit den sitzengebliebenen Resten der Hermunduren — der Hauptteil war nach seiner Ansicht Ende des 1. Jahrhunderts in die Gebiete zwischen Donau und Fichtelgebirge abgewandert — entstanden sei und der den Geltungsbereich dieses Gesetzes über ganz Thüringen ausdehnen will, ohne dies anders zu begründen als durch die Ausdehnung dieses neuen Stammes. 1) Ausgabe in Fontes juris germanici antiqui, I. Bd., Hannover/Leipzig 1918, Einleitung, S. 53. Daß die rheinischen Warnen hier nicht gemeint sind, wie man zeitweise behauptet hat (Literaturnachweise vgl. ebenda), ist wohl heute als gesichert anzunehmen. Über den Meinungsstreit betr. Geltungsbereich vgl. auch F. DAHN, a. a. O., S. 96 f. 2) LUDWIG SCHMIDT, Die Hermunduren, „Hist. Vierteljahrschrift", III. Jahrg. 1 9 0 0 , S. 3 0 9 ff.
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Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Lehre von F R H R . v. SCHWERIN (der bereits Vorgänger in v. RICHTHOFEN, R . SCHRÖDER, F . DAHN U. a. gehabt h a t ) n i c h t zu halten, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Das thüringische Recht kennt keine Liten, und wir finden diese in der Karolingerzeit mit ganz wenigen historisch erklärbaren Ausnahmen (Sachsen!) im Norden unseres Gebietes und später im Südwesten (Franken!) auch nicht vor 2 ). Das wäre aber nicht zu erklären, wenn fränkisches oder sächsisches Recht generell geherrscht hätte. 2. Es gab keine getrennten Wohnsitze der Angeln im Unstrutgebiet. Wohl wird in einigen Quellen an der mittleren Unstrut ein Gau Engelin (mit den Dörfern Kirch-, Holz-, Feld- und Westengel) erwähnt3), aber wir haben nachweisbare Spuren von ihnen auch im Geratale (Angelhausen und Angelrode)4). Außerdem sind die Siedlungen der Angeln und Warnen (Orte auf -ingen und -leben), wie wir schon sahen5), nicht nur über das ganze binnenthüringische Becken verstreut, sondern sind in das Eichsfeld, Hainich, und dann namentlich in das mittlere und obere Werratal und das Gebiet der fränkischen Saale, ja bis in die Osthänge der Rhön vorgedrungen, d. h. also, sie haben sich über das ganze hier behandelte Gebiet verbreitet. Wenn dieses Recht überhaupt mit den Angeln und Warnen verbunden war, dann hat es auch Eingang in dieses ganze Gebiet gefunden. 3. Die Warnen speziell saßen um diese Zeit ja auch gar nicht mehr in dem Landstrich zwischen Saale und Elster. Ein Teil von ihnen ist schon früher in das eigentliche Thüringen eingedrungen, und ihre Ansiedlungen sind schon vor 531 hier festzustellen, wie wir eben schon sahen. Der Teil von ihnen, der noch in dem Werinofeld rechts der Saale sitzengeblieben war, hat dieses Gebiet nach der Niederlage von 594/95 räumen müssen; es ging an die Slaven verloren4). Es ist nun ja behauptet worden, daß in diesen östlichen Gebieten noch eine dünne Schicht germanischer Bevölkerung sitzengeblieben sei, die dann die Regermanisierung erleichtert hätte 7 ). 1 ) Ebenda, S . 319, Anm. 1. Allerdings auch bereits einen Gegner in L I P P E R T (in „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", Bd. X I , 1883). 2) Darüber s. oben S. 82 ff. 3 ) M A R T I N W Ä H L E R , a. a. O . , S . 2 4 . — 4 ) Ebenda. 5) oben S. 18 ff. Dazu „Mitteldeutscher Heimatatlas", Karte 9 u. 10. Über die sich an diese Endungen anknüpfende Problematik ist a. a. O. eingegangen. 6) Vgl. oben S. 35. Auch L U D W I G SCHMIDT verweist a. a. O., S. 319 auf diesen Tatbestand. 7) Vgl. darüber G. v. BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 63 f. 9*
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Wenn das wirklich der Fall gewesen sein sollte, was keineswegs als erwiesen angesehen werden kann, dann sind diese Germanen aber zu Unfreien in den Händen der Slaven oder Avaren geworden und haben in diesem Zustande auch nicht ihr altes Recht wahren können, und zum mindesten wird man es nicht 802 (welchen Termin man allgemein annimmt) für diese Verlorenen aufgeschrieben haben1). Diese Gründe, also ein rechtlicher .Grund (Fehlen der Liten) und zwei siedlungshistorische Argumente, scheinen eindeutig darauf hinzuweisen, daß tatsächlich eine Geltung des Thüringer Rechtes für unser ganzes Gebiet angenommen werden muß. Lediglich die Ausdehnung dieses Geltungsbreiches nach Westen und Süden zu erfordert noch einige Klarlegungen. Das Eichsfeld dürfte unbestritten zum Bereich des Thüringer Rechtes gehören. Waren doch die Siedlungen auf -ingen über diesen Waldzug hinweg sogar bis in das Leinetal vorgedrungen, wo sie sich wohl mit den von Norden kommenden Siedlungen dieses gleichen Charakters getroffen haben, deren Träger dem gleichen Stamme zugehören, auch wenn sie dann unter die Herrschaft der Sachsen fielen. Dafür, daß dieses Eichsfeidgebiet nicht von Franken aus maßgelblich besiedelt worden ist, spricht neben anderen Gründen auch die Tatsache, daß das Eichsfeld — gleich dem mittleren und nördlichen Thüringen — später zum Geltungsbereich des sächsischen Rechtes gehörte, und nicht zum fränkischen Rechtskreis. Dieses letztere ist allerdings bei den Landstrichen südlich und westlich des Thüringer Waldes anders; sie fielen später in den Geltungsbereich des fränkischen Rechtes2). Und das, trotzdem hier Angeln und Warnen, wie wir sahen, weit eingedrungen sind. Die Gründe für diesen Übergang zum fränkischen Rechtsbereich sind klar. Sie liegen in der umfangreichen Einwanderung und Kolonisation dieser Waldgebiete von Franken-Hessen aus. Die Würzburger Stadtgemarkung war schon im 8. Jahrhundert fränkisch geworden, und von hier aus drangen die Franken (d. h. die Salier) in den nächsten zwei Jahrhunderten in das ganze Maingebiet bis hin zum Radenzgau und bayrischen Nordgau und zum Kamm 1) Mit Recht weist auch G. v. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, S. 63, darauf hin, daß die Deutschen, als sie dieses Gebiet zurückgewannen, keine Deutschsprechenden dort mehr vorfanden. Wenn also wirklich Warnen hier zurückgeblieben sind, so sind sie nicht nur in Unfreiheit versunken, sondern auch in dem fremden Volkstum untergegangen, soweit man dies nach dem zwar äußerst wichtigen, aber ja nicht allein gültigen Maßstab der Muttersprache messen kann. 2) Vgl. dazu mein Buch „Die mitteldeutsche Grundherrschaft", bes. S. 3.
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des Thüringer Waldes vor, ebenso wie sie die Lande westlich des Waldes, hier dann allerdings teilweise in Konkurrenz mit den ihnen stammverwandten Hessen, besetzten 1 ). Bis 717, d. h. solange die Mainlande und das innere Thüringen unter einer herzoglichen Gewalt vereinigt waren, gibt auch R. S C H R Ö D E R ZU2), daß jene noch einen überwiegend thüringischen Charakter hatten. Aber dann änderte die starke fränkische Zuwanderung bald diesen Zustand und drängte so auch den Geltungsbereich des Thüringer Rechtes immer weiter zurück. Die Zuweisung der Lande nördlich des Thüringer Waldes an den Erfurter Sprengel und der südlicher gelegenen Lande an den Würzburger Bischofssitz mag dazu gleichfalls beigetragen haben. Immerhin darf aber darauf hingewiesen werden, daß noch in den Urkunden der Karolingerzeit für dieses ganze Gebiet keine Liten nachzuweisen sind, die doch in dem fränkischen Recht eine so erhebliche Rolle spielen und die wir dann auch später (in dem Codex des E B E R H A R D und andere Quellen) zahlreich in diesen Gebieten bis Eisenach hin vorfinden. Es soll damit nicht ausgeschlossen werden, daß auch schon in der Karolingerzeit Franken hier nach fränkischem Recht gelebt haben, und man wird insoweit doch vielleicht von einem Mischgebiet sprechen können, aber die Rechtsinstitution des Liten hat sich erst später durchzusetzen vermocht. Das fällt immerhin ins Gewicht, und beweist, daß die Abtrennung von dem östlich gelegenen Thüringen und der sich hier herausbildenden Form der mitteldeutschen Grundherrschaft im wesentlichen erst in die nachkarolingische Zeit fällt, also in die gleiche Zeit, in der sich in diesem östlichen Gebiete die Eigentümlichkeiten der mitteldeutschen Grundherrschaft auch auszubilden begannen. Wir können also sagen, daß ursprünglich das ganze hier behandelte Gebiet in der Karolingerzeit zum Geltungsbereich des thüringischen Rechtes gehörte, das ja als solches natürlich älter ist als der schriftliche Niederschlag in der Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum, — daß aber, nach und nach, dieser Geltungsbereich in den Landen südlich und westlich des Waldes immer mehr zersetzt wurde, um dann nach der Karolingerzeit endgültig und vollständig an das fränkische Rechtsgebiet verloren zu gehen, während (noch später) Thüringen nördlich des Waldes von dem sächsischen Recht okkupiert wurde. 1 ) Vgl. darüber R I C H A R D S C H R Ö D E R , Die Ausbreitung der salischen Franken usw., in „Forschungen zur Deutschen Geschichte", Bd. 19, 1879, S. 140 f. 2) A. a. O., S. 141.
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II. Die Vererbung von Land im Volksrecht. Gehen wir also von der g e s e t z l i c h e n B e s t i m m u n g aus, die uns in dem alten Volksrecht entgegentritt, die ja nicht erst zur Zeit der Abfassung dieses Rechtes (ca. 802) neu geschaffen worden ist, sondern in der nur die alte Sitte ihren Niederschlag gefunden hat. Die diesbetreffenden Sätze der Lex Angliorum et Werinorum (Thuringorum)x) ergeben folgendes Bild: 1. Fall: DerMann (Vater) stirbt. Das Erbe des verstorbenen Hausvaters geht an den Sohn bzw. die Söhne, wenn mehrere vorhanden sind, und dann wohl zu gleichen Teilen2). Und zwar das ganze Erbe, Grundbesitz und Fahrhabe. Erst wenn kein Sohn vorhanden ist, erfolgt die Teilung des Erbes in Grund und Boden (terra) und Fahrhabe (pecunia). Die terra geht dann an den nächsten Blutsverwandten des männlichen Stammes („ad proximam patemae generationis consanguineum"), die pecunia an die Tochter (Töchter). Die Unfreien (mancipia) gehen mit der Fahrhabe, also auch an die Tochter. Ist keine Tochter da, so erhält eine etwa vorhandene Schwester des Verstorbenen pecunia und mancipia3), hat er keine, so tritt die etwa noch lebende Mutter an deren Stelle, und lebt auch die nicht mehr, so gehen auch pecunia und mancipia an den nächsten männlichen Verwandten und kommen jetzt also wieder mit der terra zusammen. Also Grund und Boden erhält nur der Sohn und geht bei Fehlen eines solchen in den Mannesstamm; Fahrhabe und Unfreie gehen bei Fehlen von Söhnen die Reihe: Tochter, Schwester, Mutter, nächster männlicher Verwandter. Dieser ist allerdings nur bis zur 5. Generation erbberechtigt („usque ad quintum generationem paterna generatio succedat"). Gibt es innerhalb dieses Rahmens keinen Mann, so geht auch die terra — wie pecunia und mancipia — an die Tochter, dann vereinigt sie also das ganze Erbe wieder in ihrer Hand. Auffallend ist bei dieser Regelung das völlige Übergehen der Frau (Gattin). Das steht im Widerspruch zu manchen anderen 1) Titel 26—30. 2) „Nach dem Tode des Vaters stehen seine erwachsenen Söhne sich gleichberechtigt gegenüber" (H. B R U N N E R , Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl. S. 104; ähnlich S. 109). Die Frage, ob (nach frühzeitigem Tod des Sohnes) etwa vorhandene E n k e l nicht anderen männlichen Seitenverwandten vorgehen, ist nicht behandelt, aber man darf eine solche Regelung wohl annehmen ( J U L I U S F I C K E R , Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Rechte, 2. Bd., Innsbruck 1895, S. 356). 3) Ein etwa vorhandener Bruder würde Grund und Boden erhalten, nicht aber die Fahrhabe, die auf weibliche Erben zu gehen hat.
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Volksrechten. So kommt z. B. in der Lex Ripuaria (56, 4) die Frau als Erbin in Frage, wenn männliche Erbberechtigte bis zum 5. Grade fehlen, also in dem Falle, in dem im Thüringer-Recht die Tochter erbberechtigt ist. Auch kann jeder Mann, wenn er weder Sohn noch Tochter hat, die Frau oder jeden beliebigen andern zum Erben einsetzen, ebenso die Frau den Mann, allerdings unter Wahrung besonderer, etwas erschwerender Umstände (nämlich im Beisein des Königs)x). Derartige Regeln finden wir in dem Recht der Thüringer nicht; eine Möglichkeit, sie ergänzend anzunehmen, besteht wohl nicht, gerade auch deswegen, weil das Thüringer-Recht bei Fehlen männlicher Erben innerhalb der 5 Grade die Tochter vorzieht und nicht die Ehefrau. Aber man darf wohl annehmen, daß die letztere auf alle Fälle bei der Verwitwung die Ehegabe erhält, so wie es die Lex Ripuaria vorsieht (37). In dieser Bevorzugung der Tochter im Erbrecht kommt das Thüringer-Recht dem Sachsen-Recht entgegen. Hier ist die Stellung der Tochter sogar soweit gehoben, daß sie bereits als Gesamterbin eintritt, wenn keine Söhne oder Enkelsöhne von einem verstorbenen Sohn vorhanden sind 2 )! Auffallen könnte ferner die Tatsache, daß die mancipia nicht mit dem Grund und Boden gehen, sondern mit der pecunia. Das ist aber verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß es sich ja um voll Unfreie, nicht um Grundhörige handelt (darüber s. unten S. 141). Das Eintreten der Eltern des Mannes als Erben bei Fehlen von Söhnen, wie es die Lex Salica kennt (62), finden wir im ThüringerRecht nicht. Unklar ist die Stellung des Vaters bei vorzeitigem Tod des Sohnes. War er dann Erbe der terra, trotzdem das Gesetz keine solche Bestimmung enthält, oder trat er nur als Erbe ein, wenn er der „proximus paternae genitatis" war? Darüber gibt es verschiedene Mutmaßungen, auf die wir hier nicht einzugehen brauchen8). Das 1) „Die volle Gleichberechtigung beider Geschlechter findet sich nur im ripuarischen Recht, das aber hinsichtlich der hereditas aviatica (bereits auf die zweite Geschlechterfolge übergegangene Erbgüter) ebenfalls an dem Vorzuge des virilis sexus festhalt", so RICHARD SCHRÖDER, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 6. Aufl., I. Teil, Leipzig 1909, S. 360, Note 318. Hingewiesen sei allerdings auch noch auf das Sachsen-Recht, das den Töchtern besonders günstig war, während das salische Recht, wie andere auch, an einer starken Bevorzugung des männlichen Geschlechtes bei dem Übergang von Grund und Boden festhielt. 2) Sie steht dann lediglich unter der Vormundschaft (tutela) des nächsten männlichen Verwandten (Lex Saxonum, 46). 3) J U L I U S FICKER, a. a. O., S. 357f.
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Problem, das für uns im Vordergrund steht, ist die Erklärung der Erscheinung, daß Frauen relativ zahlreich im Besitz von Land sind und frei darüber verfügen. 2. F a l l : Die Frau (Mutter) s t i r b t . Dann erhält der Sohn den Grund und Boden, die Fahrhabe und die Mancipien, die Tochter dagegen Schmuck, Kleider und dergleichen (diese Dinge konnten in Fall 1 keine Rolle spielen, weil der Mann derartiges ja nicht besitzt). Hat sie weder Sohn noch Tochter, so geht die terra an den nächsten Verwandten des väterlichen Geschlechts („paterni generis"), pecunia und mancipia gehen an ihre Schwester. Ist kein Sohn, sondern nur eine Tochter vorhanden, so dürfte wohl auch diese die terra bekommen (der Fall ist im Gesetz nicht vorgesehen, aber man darf das wohl folgern). Die herrschende Auffassung geht dahin, daß der Erbe nicht ein neues Vermögen erwarb, das bis dahin dem Erblasser gehört hatte, sondern daß nur die bisher vom Erblasser ausgeübte Verfügung und Vertretung an den Erben übergeht, denn „das gesetzliche Erbrecht hat seinen Ausgang von der Vermögensgemeinschaft der Hausgenossen genommen, deren Träger und alleiniger Vertreter nach außen der Hausvater war" 1 ). Ob diese Auffassung zutrifft oder nicht, ist eine Frage, die wir hier nicht erörtern können. Überblicken wir diese Regelungen, so fällt uns sofort eine weitgehende Zurückstellung der Frau — nicht im Sinne von Ehefrau, sondern allgemein als Vertreterin des einen Geschlechts, aber auch der Ehefrau im besonderen — auf, soweit es den Erwerb von Grund und Boden auf dem Erbwege betrifft. Das ist durchaus nicht gemeingermanische Regelung. Das alemannische, bayerische, angelsächsische Recht und die gotischen Rechte enthalten diese Zurückstellung der Frau gegenüber dem Manne kaum2), und auch die anderen deutschen Rechte, ausgenommen das älteste Recht der Franken und das der Langobarden3), gehen nicht so weit wie das in unserem Gebiet 1 ) So R I C H A R D S C H R Ö D E R , a. a. O . , S. 356f., im Anschluß an H E U S L E R und v. A M I R A . Neuerdings noch mehr zugespitzt bei H A N S P L A N I T Z , Germanische Rechtsgeschichte, S. 26. 2 ) OTTO O P E T , Die erbrechtliche Stellung der Weiber in der Zeit der Volksrechte (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, hrsg. von OTTO G I E R K E . 2 5 ) , Breslau 1 8 8 8 , S. 6 5 f f . Vgl. ausführlich dazu auch J U L I U S F I C K E R , a. a. O., Bd. IV, S. l f f . Er nimmt für das germanische Urrecht eine volle Gleichstellung von Frau und Mann an. Das Gegenteil R U D O L F H Ü B N E R , Grundzüge des Deutschen Privatrechts, 5. Aufl., Leipzig 1930, S. 768. 3) Ebenda, S. 6, S. 11 ff. u. S. 43ff. Auf Einzelheiten, auch auf die reichlich bestehenden Meinungsverschiedenheiten, können wir hier nicht eingehen. Das ist auch überflüssig, da es hier nur auf die Tatsache ankommt, daß in der Lex Angl, et Werin.
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geltende Gesetz. Es ist eben unmöglich, allgemeine Thesen über „die" Regelungen des alten deutschen Erbrechtes aufzustellen, dazu sind die Unterschiede zu groß. Man braucht nur einmal bei OPET den von ihm gebotenen Überblick über die schon vor ihm entwickelten Lehren über die Frau im Erbrecht anzusehen (S. 3ff.), und man wird finden, daß jeder Autor ein Faktum oder einige wenige Fakta herausgegriffen hatte und dann von dort her zu allzu schnellen Verallgemeinerungen kam und sich damit aber Gegeneinwendungen aussetzte, die gleichfalls auf an sich nicht bestreitbaren Fakta beruhten. Auch in dieser Hinsicht war, was immer wieder betont werden muß, das damalige Leben sehr viel mannigfaltiger und vielgestaltiger, als man das oft noch zu sehen pflegt, und die Regelungen bzw. geltenden Rechtszustände waren sehr viel weniger nach rationalen Erwägungen getroffen, als man das heutzutage gewohnt ist und man allzuoft auch für die Vergangenheit annahm. Aufgabe des Historikers kann aber nicht sein, ein solches Schema in die Geschichte hineinzutragen, sondern das geschichtliche Sein und Werden so zu erkennen und zu Worte kommen zu lassen, wie es nun einmal war.
III. Gegenüberstellung von gesetzlicher Regelung und urkundlichem Material. Wir sehen, daß in der gesetzlichen Regelung zwar Fälle vorgesehen sind, daß Frauen in den Besitz von Grund und Boden kommen. Aber alle diese Fälle sind so, daß sie in der Praxis keine große Rolle spielen können (Fehlen männlicher Verwandten bis zu 5 Graden). Wenn nun die praktische Handhabung mit den im Gesetz niedergelegten Richtlinien übereinstimmt, dürften Frauen nur äußerst selten im Besitz von Grund und Boden sein. Auf der anderen Seite müßten sie relativ häufiger im Besitz von Mancipien sein, da dies nach dem Gesetz eintritt, wenn Söhne fehlen und nur Töchter da sind, also eine Möglichkeit, die sehr viel näher liegt als die, daß in 5 Verwandtschaftsgraden kein Mann vorhanden ist. Welches Bild bietet uns nun das urkundliche Material des 8.—9. Jahrhunderts ? Bei Ausscheidung der Schenkungen von Herrschern und anderen nicht geeigneten Nachweisen (so im besonderen der Zusammenfassungen, wie das Brevarium LULLI usw.) bleiben 154 Schenkungen (Thür.) die Frauen ganz besonders stark zurückgesetzt sind und daß zwischen den einzelnen bestehen.
deutschen
(germanischen)
Rechtsgebieten
weitgehende
Unterschiede
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aus dem 8. und 9. Jahrhundert zur engeren Auswahl übrig, eine Zahl, die wohl ausreichen dürfte, um die hier aufgeworfenen Fragen zumindest in etwas zu klären. Wir finden nämlich, daß von diesen 154 Schenkungen nicht weniger als 26 von Frauen stammen1). Dazu kommen noch zwei weitere Schenkungen, in denen die Mutter ausdrücklich neben dem Sohn als Mitschenkende aufgeführt wird2). Auch daß in zahlreichen Fällen Mann und Frau als gemeinsame Besitzer und Schenkende genannt sind, darf nicht übersehen werden. Sehen wir davon ab und stellen nur die Fälle in Rechnung, in denen Frauen frei über Besitz verfügen, so ergibt sich die immerhin überraschende Tatsache, daß reichlich ein Fünftel aller überhaupt untersuchten Fälle hierhin gehören. Die Fälle, in denen nur Unfreie (also ohne Land) tradiert werden, ist, absolut gesehen, bei Männerund Frauenschenkungen gleich, nämlich je fünf3), aber da die Frauenschenkungen nur ein Fünftel der Männerschenkungen ausmachen, ist, relativ gesehen, diese Zahl bei den Frauen naturgemäß entsprechend höher zu bewerten. In einigen Fällen4) wird das von Frauen geschenkte Gut ausdrücklich als ererbt bezeichnet, in den anderen Fällen lediglich als ihr Eigentum. Darauf wird besonders einzugehen sein. Vergleichen wir nun diese Tatsachen, die sich aus dem urkundlichen Material entnehmen lassen, mit den oben wiedergegebenen gesetzlichen Regelungen, so müssen wir zu dem Schluß kommen, daß freier Besitz von Frauen, über den sie frei verfügen, sehr viel größer ist, als man erwarten durfte. Übereinstimmend mit dem, was zu erwarten war, ist lediglich das häufigere Vorkommen von Unfreien ohne Landbesitz, — soweit man allerdings aus diesen wenigen Fällen tragbare Schlüsse ziehen darf.
IV. Gründe für die Abweichung. Worin sind nun die Gründe für dieses offenbare Abweichen von der gesetzlichen Norm zu suchen? Es leuchtet ein, daß die Beantwortung dieser Frage von nicht geringer Bedeutung sein muß. 1) DRONKE, Codex, Nr. 67, 127, 133, 157, 213, 357, 379, 409, 423, 424, 425, 451, 454, 458, 481, 491, 492, 493, 518, 520, 553, 607, 611; DRONKE, Trad., Kap. 40, Nr. 5, und Kap. 42, Nr. 312; WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 35; auch die Prästationsurkunde DRONKE, Codex, Nr. 186 könnte man hier heranziehen. Die summarienhaften Zusammenstellungen, DRONKE, Trad. 38, 39 lassen wir dabei außer Betracht. 2) DRONKE, Codex, Nr. 567 u. 640. 3) Frauen: DRONKE, Codex, Nr. 357, 409, 423, 424, 481; Männer: Nr. 54, 436, 466, 479,
516.
4) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 157, 451, 518, 607.
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Nach der hier vertretenen Ansicht kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage. Zum ersten wird man annehmen dürfen, daß von Sachsen her sich Einflüsse geltend machten, die auf eine Besserstellung der Tochter abzielten. Das tritt aber in unserem Material, das ja fast ausschließlich auf den Fuldaer Urkunden beruht, wenig in Erscheinung, da von allen Frauen-Traditionen alle bis auf drei in die fränkisch-hessischen Gebiete fallen, die nie zum Geltungsbereich sächsischen Rechtes geworden sind. Private Traditionen aus dem Gebiet nördlich des Waldes sind uns aus dem 8.—9. Jahrhundert ja kaum erhalten. Aber wir haben in den „Traditiones" von DRONKE, Kapitel 38, die zu einem größeren Teil in das später sächsisch gewordene Gebiet nördlich des Waldes und westlich des Ringgaues fallen, kurze Notizen über Schenkungen, und von diesen stammen eine ganze Anzahl von Frauen. Es scheint so, daß nicht zuletzt durch das Eindringen sächsischer Edler, von denen das spätere Königshaus das bedeutendste geworden ist, in die Lande südlich des Harzes schon um diese Zeit die Eingliederung Thüringens in den genannten Grenzen in das sächsische Rechtsgebiet eingeleitet worden sei. Und so dürfen wir wohl annehmen, daß ein im einzelnen natürlich nicht mehr zu bestimmender Anteil der von Frauen stammenden Schenkungen aus den Händen von Erbtöchtern an das Kloster gelangt ist, auf alle Fälle in mehr Fällen, als dies ausdrücklich gesagt ist. Aber ist das stets der Fall? Das ist nicht anzunehmen. An besonders markanter Stelle, nämlich in der Schenkung der Äbtissin EMHILT heißt es: „tarn de materno quam de paterno et aliunde requisito"1). Also Erbe von väterlicher wie von mütterlicher Seite stehen nebeneinander und dazu kommt Besitz „aliunde requisito". Diese letztere Erwerbsmöglichkeit bedarf kurzer Betrachtung. Bei einer großen Anzahl von Traditionen ist, wie schon erwähnt (oben S. 130), ausdrücklich gesagt, ob es sich um Erbgut oder um nicht ererbtes Gut (Neuerwerb) handelt; bei dem größeren Teil der Urkunden ist allerdings ein einwandfreies Erkennen dieser Beschaffenheit nicht möglich. Aber immerhin ist soviel deutlich, daß die Unterscheidung von ererbtem oder nicht ererbtem Gute in dem Rechtsempfinden der Zeit von Bedeutung war. Wie wir sahen, ist auch unter den Schenkungen von Frauen ausdrücklich ein Teil als Geschenk von ererbtem Gut bezeichnet. Können wir nun annehmen, daß dort, wo das geschenkte Land nicht als Erbgut bezeichnet ist, diese Qualität generell doch vorhanden war? Diese 1) DRONKE, Codex, Nr. 157.
— 140 — Frage ist unbedingt zu verneinen, wie schon das oben angeführte Beispiel (EMHILT) sagt. Auch für die Frau bestand, wie für den Mann, die Möglichkeit des zusätzlichen Erwerbes, auch in der Ehe. Die Hauptmöglichkeit dazu ist die Rodung von Neuland, demgegenüber der Kauf aus eigenen Mitteln wohl in den Hintergrund trat. Das Rodeland stand aber in praktisch unbegrenztem Ausmaße frei zur Verfügung. Und hier dürfen wir wohl, wenn auch keine ausdrücklichen Äußerungen darüber vorliegen, unbedenklich annehmen, daß auch in unserem Rechtsgebiet der in dem gesamten westfränkischen Rechtsgebiet anzutreffende Satz galt, daß Gewinnland den Ehegatten gemeinsam gehörte 1 ). Und wenn das alte Thüringer-Recht in dieser Hinsicht tatsächlich anderen Anschauungen gehuldigt haben sollte, dann dürfte in den Gebieten südlich und westlich des Waldes, in dem ja nach und nach fränkisches Recht Eingang fand und aus dem ja fast alle unsere Urkunden stammen, sich auch diese Rechtsgewohnheit durchgesetzt haben. So dürfen wir unbedenklich annehmen, daß so manches geschenkte Land aus solchem Neuerwerb stammt. Und aus der gleichen Quelle dürfte ein großer Teil des Landes stammen, das ausdrücklich von den beiden Ehegatten als gemeinsamer Besitz geschenkt worden ist. Dieses Moment kommt zu dem anderen hinzu, aber damit sind zweifellos nicht alle Möglichkeiten erschöpft. Daneben müssen wir doch wohl auch eine Wandlung in den Vererbungssitten nach der Richtung hin annehmen, daß die zurückgebliebene Frau (also die Witwe) im Rahmen der ihr zustehenden „Ehegabe" mehr und mehr auch eine Ausstattung in Land erhielt 2 ), und zwar muß das nach den Wendungen in den in Betracht kommenden Schenkungsurkunden schon in Kultur genommenes Land sein, nicht etwa erst gerade in Besitz genommene Capturen, die nur an einer Stelle vorkommen 3 ), was im übrigen ja auch schon daraus hervorgeht, daß in der übergroßen Mehrzahl aller Fälle Grundbesitz und Mancipien zusammengehören und zusammen verschenkt werden. Also auch auf diesem Wege werden Frauen in den Besitz von Land gekommen sein. Und noch ein letzter Weg stand offen: Nach dem Erbrecht der Lex Thuringorum ging zwar bei Fehlen eines Sohnes der Grund und Boden (terra) in die Hand des nächsten männlichen Verwandten über, aber die Tochter erhielt die Fahrhabe (pecunia) und die Man1) Näheres bei J U L I U S F I C K E R , a. a. O., Bd. IV, S. 532. 2) Vgl. hierzu auch R U D O L F H Ü B N E R , Grundzüge des Deutschen Privatrechts, 5. Aufl., 1930, S. 776. — 3) D R O N K E , Codex, Nr. 520.
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cipia. Daß diese Regelung nicht ganz außer Übung gekommen war, geht daraus hervor, daß, wie schon erwähnt, relativ die Zahl der Frauenschenkungen, bei denen nur Mancipien übergeben werden, erheblich größer ist als bei Männerschenkungen. Nun aber scheint es, als wenn diese Regelung indirekt zu einer Vermehrung des Landbesitzes in der Hand von Frauen geführt hat, und zwar auf dem Wege, daß die Mancipia ganz deutlich schon im 9. Jahrhundert, aus dem die meisten der hier in Betracht kommenden Traditionen stammen, zu Grundhörigen werden, d. h. fest mit ihrem Landbesitz, ihrer Hufe zusammenwachsen, also fast in die Stellung einrücken, die die Liten anderswo haben. Das ist noch keineswegs allgemein der Fall, und man kann auch noch nicht sagen, daß eine Trennung dieser Unfreien von ihrem Lande nicht oder kaum mehr möglich gewesen sei; so weit war die Entwicklung noch nicht. Aber sie war doch dabei, sich anzubahnen, und die jetzt zur Einführung kommende Hufenordnung, die ja von den Grundherren ausging, mag das ihre dazu beigetragen haben1). Einen Übergang stellt in gewisser Weise der Fall dar, daß Bruder und Schwester gemeinsam von den Eltern das geerbte Gut erben und verschenken (der Bruder zugleich im Namen der Schwester)2). Wenn nun der Fall vorlag, daß ein Hausvater ohne Hinterlassung von Söhnen starb und die Mancipia an die Tochter (bzw. Töchter) gingen, dann hat man den Mancipia in der Regel ihr Land gelassen3), das sie bebauten, und so kamen Frauen (Töchter) auf diese Weise mit in den Besitz von Land, den sie dann später, zumal wenn sie kinderlos blieben, wohl da und dort an das Kloster schenkten oder aber es auch mit in die Ehe brachten und dann mit ihrem Ehemann gemeinsam die Schenkung vornahmen. Eine Stütze für diese Ansicht darf man wohl darin erblicken, daß — wenn wir von den Schenkungen absehen, die nur Unfreie betreffen — alle Traditionen von Frauen mit Ausnahme von drei Land und Mancipien gemeinsam zum Objekt haben. Und das ist durchaus auffallend, denn bei den Schenkungen, die von Männern gemacht worden sind, ist das Verhältnis eindeutig anders; die Zahlen der Schenkungen von Land ohne dazugehörige Unfreie und die von Unfreien mit Land verhalten sich hier wie 2% z u Ü 4 ) Das sind 1) Darüber vgl. Näheres unten S. 237 ff. 2) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 400. 3) So wie man ihm von jeher schon sein Erworbenes gelassen hatte (s. oben S. 114ff.). 4) Das ist sehr beachtlich, auch wenn, was nachweislich vorkommt, da und dort einmal die Aufführung der Mancipien in der Urkunde unterlassen worden ist, sie also eigentlich in die andere Rubrik zu zählen ist. Auf drei derartige Fälle habe ich in meinem Aufsatz „Die Hufe in der thüringisch-hessischen Agrarverfassung der Karolingerzeit", „Schmollers Jahrbuch", 61. Jahrg., 1937, S. 55f. hingewiesen.
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also durchaus andere Verhältnisse als bei den Schenkungen, die von Frauen stammen. Und es ist nicht uninteressant, daß wir auch dort, wo Mann und Frau gemeinsam schenken, die Fälle, in denen Land und Mancipien zusammengehören, um das Doppelte so zahlreich sind wie die Fälle, in denen Land für sich geschenkt wird. So ist es denn wohl berechtigt, zu sagen, daß von allen Momenten, die dazu führten, die Frauen gleichfalls in den Besitz von Grund und Boden zu bringen, dieses an letzter Stelle genannte das bedeutungsvollste ist, also die Verwurzelung des Unfreien mit seinem Land in Verbindung mit der Erbregelung des Thüringer-Rechtes, die die Unfreien der Tochter zuschreibt, wenn kein Sohn da ist. Dazu gehört das freie Roderecht, das auch den Frauen, die Mancipia ohne Landbesitz erbten, die Möglichkeit gab, diese Unfreien ansässig zu machen mit dem Endergebnis, daß die Frau das Eigentum an diesen von ihren Unfreien durchgeführten Rodungen erhielt, wodurch sie zur Grundherrin wurde. H. B R U N N E R hat einmal gesagt: „Die Volksrechte wollen das geltende Recht nicht in erschöpfender Weise darstellen, sie sind nicht Codifikationen im Sinne unserer modernen Gesetzbücher, sondern beschränken sich nur auf solche Rechtssätze, welche zu fixieren eine besondere Veranlassung vorlag" 1 ). Wenn dies stimmt — und das ist wohl kaum ernsthaft in Zweifel gezogen worden —, dann könnte man vielleicht sagen: Veranlassung zu einer verhältnismäßig so genauen Kodifizierung des thüringischen Erbrechtes hat wohl nicht zuletzt die Tatsache ergeben, daß das praktische Leben begann, von der überlieferten Sitte abzuweichen, und eine solche Abweichung kann nur in einer stärkeren Berücksichtigung der Frauen bestanden haben. Das würde unsere sonstigen Beobachtungen eindeutig ergänzen und bestätigen, und es würde dann auch hier wieder ein Beweis dafür vorliegen, daß eine gesetzliche Fixierung durchaus nicht in der Lage war und ist, eine andersgerichtete Entwicklung des Rechtsgefühls und des Rechtsgebrauches aufzuhalten. Denn „nicht beim positiven Recht, sondern bei den Rechtsnutzern oder Rechtsbrechern ist die Dynamik der Entwicklung, die Fortbildung des Rechts . . . zu suchen"2). Indirekt enthält die Lex ja auch einen Beweis für das stärkere Hervortreten der Frau insofern, als es eingehende Bestimmungen darüber formuliert hat, an 1) H. B R U N N E R , Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, 1. Aufl., S. 291. Zitiert nach O. OPET, a. a. O., S. 1, Anm. 1. Sperrung von mir. 2 ) O . v. ZWIEDINECK-SÜDENHORST, Rechtsbildung, Staatsgewalt und Wirtschaft. „Jahrbücher i. Nationalök. u. Stat.", 143. Bd., 1936, S. 28.
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wen die terra geben soll, wenn sie stirbt (s. oben S. 136). Das hätte man wohl kaum getan, wenn diese Frage nicht eine gewisse Bedeutung gehabt hätte. Haben wir vorstehend die Bedingungen besprochen, unter denen die Vererbung im Falle des Todes der Eltern vor sich ging, sowie die Abwandelungen, die sich im Laufe der Zeit ganz offenbar durchzusetzen begannen, so dürfen wir nicht übersehen, daß neben all diesen Erbvorschriften der lapidare Satz steht: „libero homini liceat hereditatem suam cui voluerit tradere"1). Über diesen Titel gibt es eine ganze Literatur, die sich mit seiner Auslegung befaßt und vor allem sich bemüht, ihn mit dem den alten germanischen Rechten supponierten „Warterecht" in Einklang zu bringen, d. h. der Beschränkung der Verfügungsfreiheit jedes Besitzers von Grund und Boden zugunsten der präsumptiven Erben2). Aber JULIUS FICKER hat nachgewiesen, daß dies ganz unberechtigt ist. Er sagt: „Hat man in verschiedenster Weise . . . versucht, das mit einem Warterecht der Erben in Verbindung zu bringen, so liegt dafür doch nur ein Bedürfnis vor, wenn man von vornherein davon ausgeht, daß das Warterecht schon urpriinglich ein gesamtgermanisches Institut gewesen sei"8). Das aber, weist FICKER nach, ist überflüssig, denn es gibt mehrere germanische Rechte, in denen es nicht bekannt ist, und bei dem westgotischen und burgundischen Recht ist es erst nachträglich eingeführt!4). Neuere Erklärungen haben etwa, wie F E L I X DAHN6), gemeint, daß dieser Titel eine nachträgliche Aufhebung der Beschränkungen zugunsten der Kirche gebracht hätte. Das ist jedoch zu bezweifeln, denn auch eine solche Auslegung geht davon aus, daß ursprünglich eine solche Beschränkung dagewesen sein müsse. Aber dies anzunehmen liegt absolut keine Notwendigkeit vor, wenn man die Vorstellungen, die etwa ein MEITZEN sich von der ältesten Form der Ansiedlung gemacht hatte, als unzutreffend erkannt hat und einsieht, daß schon in der ältesten Zeit Privateigentum des Einzelnen eine große Rolle spielt, weil eben auch die Ansiedlung sich zum großen, ja überwiegenden Teil in Form von Einzelsiedlungen, 1) Lex Thuringorum, Titel 5 1 (zitiert nach der Ausgabe von CL. F R H R . V. SCHWERIN in den „Fontes juris germanici antiqui", Hannover/Leipzig 1918, S. 65). 2) Vgl. Näheres bei v. RICHTHOFEN, Mon. Germ., Leges, Bd. V, S. 138ff.; J U L I U S FICKER, Untersuchungen zur Erbenfolge der ostgermanischen Rechte, V. Bd., 1. Abtig., Innsbruck 1902, S . 167f.; F E L I X D A H N , a. a. O . , S . 130ff. 3)
JULIUS FICKER, a . a . O . , S .
167.
4) Ebenda, S. 168. 5) FELIX DAHN, a. a. O.. S . 1 3 2 f .
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allenfalls Weilern vollzogen hat1). Die Lösung dürfte nach der Richtung hin zu suchen sein, daß der Freie eben tatsächlich das Recht hatte, sein Gut beliebig zu verschenken; die Erbschaftsbestimmungen regeln lediglich das, was der Name sagt, nämlich die Frage, nach welchen Regeln der Besitz vererbt werden sollte, wenn der Besitzer verstorben war. Auch hier ergab sich übrigens die Möglichkeit, daß Frauen zu Grundeigentum kamen, also durch Schenkungen von Seiten eines Mannes (Ehegatten, Vater, Bruder usw.). 1) Vgl. darüber den letzten Hauptteil. wiedergegebene Zitat von G . W A I T Z .
Vgl. auch das oben S. 96, Anm. 1
Dritter Hauptteil:
Die Grundherrschaft.
I
A. Historischer Rückblick: Das Alter der Grundherrschaft.
n dem Augenblick, in dem unsere schriftlichen Überlieferungen einsetzen, begegnen wir in unserem Gebiet einer voll ausgebildeten Grundherrschaft mit einem größenmäßig außerordentlich stark abgestuften Besitz, der zudem oft genug, im besonderen natürlich bei den größeren Grundherrschaften, weithin zerstreut ist, über 20, 30 und mehr Dörfer und über mehrere Gaue hin. Eine große Zahl von Unfreien (Mancipia) lebt und arbeitet auf diesen Besitzungen. Das alles macht den Eindruck einer Institution von hohem Alter. Aber damit taucht die Frage auf, wie alt diese grundherrlichen Herrschafts- und Nutzungsformen sind. Eines steht fest: ein Ergebnis der Karolingerzeit sind sie nicht. Zweifellos werden sie in dieser Periode weiter ausgedehnt, nicht zuletzt durch das Hinzutreten der kirchlichen Grundherren, insbesondere der Klöster Fulda und Hersfeld, und dann durch ausgedehnte Rodungen; aber man darf das nicht überschätzen, da ja gerade die Schenkungen an die kirchlichen Grundherren zu einem nicht geringen Teil von dem König oder einem anderen weltlichen Grundherren gemacht wurden, also lediglich ein Wechsel des Herrn, nicht aber ein Wechsel in der sosialen Struktur vorliegt. Nun gehört aber die Frage nach dem Alter der Grundherrschaft in der germanisch-deutschen Sozialgeschichte zu den ältesten und umstrittensten Problemen, und die Erörterung darüber ist noch nicht zur Ruhe gekommen. Es erscheint daher erwünscht, in diesem Zusammenhange und unter Beschränkimg auf unser in vieler Hinsicht so eigenartiges Gebiet dieser Frage nachzugehen. Dabei ist es unmöglich, zunächst eine Darstellung und Kritik der verschiedenen sich zwischen ganz entgegengesetzten Polen bewegenden Anschauungen zu bieten, die über diese Frage geäußert worden sind. Es genügt der Hinweis, daß die extremen Standpunkte, wie sie etwa durch die Namen M E I T Z E N und W I T T I C H bezeichnet werden, heute vielfach aufgegeben sind, daß es aber doch etwas an neuen, ohne Bindung an eine bestimmte Ansicht rein vom Material ausgehenden L Q t g e, Agrarverfassung. 10
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Untersuchungen fehlt. GEORG V. BELOW, der dieser Frage allerdings auch keine eigenen eindringenden Untersuchungen gewidmet hat, faßt wohl mit Recht die heute herrschende Ansicht so zusammen: „Die Grundlage des Volkes bildeten in der deutschen Urzeit . . . die Freien; die Zahl der Unfreien war gering. Von den Freien lebte ein kleinerer Teil als Grundherren, überwiegend aber als Grundherren bescheidener Art, der weitaus größere Teil als freie Bauern" 1 ). Schwierig ist es dabei, die „Urzeit" zu begrenzen. Man muß darunter wohl die Zeit verstehen, die vor der großen Völkerwanderung des 4 . / 5 . Jahrhunderts hegt, und sich nicht nur auf die Zeit von CAESAR und TACITUS beschränken, an die GEORG V. B E L O W wohl ausschließlich denkt, und man muß vor allem die früheren Jahrhunderte mit heranziehen, die uns durch die Ergebnisse der Vorgeschichtsforschung immer mehr erhellt werden. Wie wir wohl sagen dürfen, trifft die obige Kennzeichnung G. v. BELOWS schon für den Ausklang der Merovingerzeit auf unser von provinzialrömischem Einfluß ja eigentlich ganz verschontes Gebiet nicht mehr zu. Die Zahl der Grundherren ist wesentlich größer, und auch die Zahl der Unfreien ist recht beträchtlich; auch ist die Größe der Grundherrschaften ausgedehnter, als mit jener Formulierung verträglich ist. Daß diese Verhältnisse nicht von heute auf morgen entstanden sein können, sondern das Ergebnis einer langen, wohl jahrhundertelangen Entwicklung sind, war auch schon gesagt. Aber es ist die Frage: wie sah es in der „Urzeit" aus ? Wie anläßlich des siedlungsgeschichtlichen Rückblickes gezeigt wurde, sitzen die Germanen mindestens seit dem 5./6. Jahrhundert v. Chr. in den hier untersuchten Gebieten. Unsere Frage muß also lauten: Was ergeben die Ausgrabungen zur Beantwortung des hier aufgeworfenen Problems ? Dabei sei die weitergespannte Frage, in welcher sozialen Ordnung die Germanen einst von Norden her in diese Lanstriche eingedrungen sind, ausgeschaltet; hierüber läßt sich wohl kaum etwas Abschließendes sagen. Haben sie, wie man es vielfach annimmt, bei der Seßhaftwerdung in Sippenverbänden oder genossenschaftlich gesiedelt, d. h. also zu durchgehend gleichem Recht und mit weithin gleichem Besitzstand? Ich wage diese Frage nicht zu bejahen. Manches spricht dafür, daß die Einzelsiedlung des Hausvaters — allenfalls einige in kleinen Weilern zusammengefaßt — im Vordergrund gestanden hat 2 ). 1 ) G E O R G V. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters. S. 2 f. 2) Vgl. den fünften Hauptteil am Schluß.
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Wie diese Frage aber auch einst beantwortet werden mag: eines steht fest, daß wir schon sehr bald nicht unbeträchtliche soziale Unterschiede vorfinden, und da eine Vorrangstellung Einzelner — wenn man will eines „Adels" — in naturalwirtschaftlicher Zeit nicht denkbar ist ohne Naturalleistungen von Seiten vorwiegend landwirtschaftlich tätiger Menschen, zu denen diese verbunden sind, kann man daraus auf irgendwie grundherrliche Verhältnisse schließen. Es gibt nun zwei Grundlagen für solche grundherrlichen Verhältnisse. Die eine ist der Besitz von unfreien Menschen und damit die Ausnutzung von deren Arbeitskraft, und zwar, mangels Ausbildung anderer Produktionszweige1), in erster Linie in Kombinierung mit Landbau und Viehzucht, und die andere besteht in der gegebenen reinen Verfügungsmacht über Grund und Boden. Die erstere Form ist eigentlich so alt wie die Menschheit selbst, jedenfalls die Institution der unfreien Arbeitskraft, wenn diese auch nicht auf jeder Kulturstufe und nicht in jedem Klima in landwirtschaftlicher Weise genutzt wurde. Die zweitgenannte Form setzt voraus, daß sich Menschen finden, die ohne persönlichen Zwang, also als persönlich Freie sich bereit finden, an einen anderen Menschen für die Benutzung von Boden einen Preis, eine Rente, d. h. zumeist : Abgaben zu zahlen oder bestimmte Arbeitsverpflichtungen als Gegenleistung zu übernehmen. Das wird aber nur der Fall sein, wenn der Boden relativ knapp ist oder wenn die Gewinnung neuen Kulturbodens (durch Rodung, Entsumpfung usw. mit eigener Kraft) dem Landsuchenden soviel Mühe verheißt, daß er es vorzieht, gegen Übernahme grundherrlicher Abgaben aus der Hand eines anderen anbaureifes Land zu übernehmen2). Auf dieser letzten Basis beruhen die grundherrlichen Verhältnisse, wie sie sich in unserem Gebiete in der Karolingerzeit neu herausbildeten, die ältere Grundherrschaft dagegen beruht auf der persönlichen Abhängigkeit, 1) Keinesfalls darf natürlich übersehen werden, daß schon in ältester Zeit gewerbliche Produktion in Lostrennung rein bäuerlicher Tätigkeit und auch ein gewisser Handel bestanden hat. Vgl. dazu z. B. P A U L G R I M M , Die vor- und frühgeschichtliche Besiedlung des Unterharzes und seines Vorlandes auf Grund der Bodenfunde. Phil. Diss. Halle, Halle 1931; er erwähnt dort S. 58 Werkstätten für Steinwerkzeuge, wahrscheinlich auch für Töpfereien, ebenso einen Handel mit bestimmten Arten von Beilen; für die frühgermanische Zeit vgl. die Bemerkungen auf S. 100, 104 usw. Ebenso: F R E N Z E L - R A D I G - R E C H E , Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 181 ff. u. 266ff. 2) Damit wird nicht bestritten, daß die geistig-seelische Einstellung hier viel bedeutet nach der Richtung, daß die geltende Sitte hemmend oder fördernd wirken kann, ebenso das Beispiel angesehener Dritter usw.
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zumeist Unfreiheit1). Die Grundherrschaft in unserem mitteleuropäischen Kulturgebiet beruht also auf einer Kreuzung und gegenseitigen Vermischung beider Prinzipien. An Gelegenheiten, persönliche Unfreiheitsverhältnisse zu begründen, hat es nun auch in der älteren Zeit nicht gefehlt. Als die Germanen in unser Gebiet (und zugleich in die östlichen Gebiete, wie Sachsen usw.) eindrangen, waren diese Landstriche j a nicht menschenleer. Wenn man von etwaigen Resten einer noch älteren Bevölkerung (der Bronzezeit) absieht, kommen Angehörige des keltischen und illyrischen Volkstums in Frage, die von den Germanen hier angetroffen und langsam zurückgedrängt wurden. Teilweise ist ja auch durch die Ausgrabungsbefunde das Vorhandensein einer germanischkeltischen Mischbevölkerung festgestellt. Es würde nur einem Vorgang entsprechen, dem wir in der Geschichte der germanischen Stämme (wie aller früheren Zeiten) immer und immer wieder begegnen, wenn man auch hier annimmt, daß die unterworfene Bevölkerung in unfreie Verhältnisse herabgedrückt wurde, und dann doch nach und nach in dem Volkstum des Siegers aufging2) (wie später auch die ja gleichfalls volksfremden Slaven). Von diesem ersten Eindringen germanischer Stämme an durch die ganzen Jahrhunderte hindurch bis zu der Einwanderung der Angeln und Warnen hat es nicht an solchen Gelegenheiten gefehlt, angesessene, jetzt besiegte Bevölkerung in die Unfreiheit herabzudrücken. Und dazu kamen all die sonstigen Gründe, die zu dem gleichen Los führen konnten und führten: lokale Fehden, Gewalt in der verschiedensten Form, Leichtsinn, Schuld, unfreie Geburt usw. Und daneben haben wohl auch Sippenhäuptlinge oder sonstige „principes" ihre Gewalt zur Herausbildung grundherrlicher Machtstellungen ausgenutzt. Auf diesen Fragenkreis kommen wir noch zurück. Nun haben wir es nicht nötig, uns auf diese Ableitungen und Rückschlüsse zu beschränken, sondern wir finden bei der Durchsicht des Materiales, das uns die Vorgeschichtsforschung zur Verfügung gestellt hat, daß schon in der ältesten Zeit einwandfrei erhebliche soziale Differenzierungen zu erkennen sind. Von der aunjetitzer Kultur (ältere Bronzezeit), die auch in unserem Gebiete herrschte, sagt z. B. P. G R I M M : „Das Bild von der sozialen Schichtung 1) Bei dieser Trennung darf nicht übersehen werden, daß die ältere Form in die Karolingerzeit hineinreicht und mit der anderen Form langsam verschmilzt. Hier kommt es ja aber nur auf das Grundsätzliche an. 2 ) So auch A L F R E D MIRTSCHIN, Germanen in Sachsen, im besonderen im nordsächsischen Elbgebiet während der letzten vorchristlichen Jahrhunderte, Riesa 1933, S. 190.
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des aunjetitzer Volkes, wie es die Bodenfunde zeigen, ist sehr merkwürdig. Auf der einen Seite stehen die reichen Fürstengräber wie Helmsdorf, Leubingen und Nienstedt, auf der anderen Seite armselige Gräber mit nur einem Tongefäß als Beigabe; auf der einen Seite Häuser in Form großer Viereckbauten schwieriger Konstruktion, wie sie uns der Innenbau der Fürstengräber vermuten lassen, und auf der anderen Seite unter anderem langjährige Höhlensiedlungen, wie die in der Diebeshöhle bei Uftrungen. Reiche Goldund Bronzegeräte einerseits, Knochen- und Steingeräte andererseits"1) 2). Die mittlere und jüngere Bronzezeit ist für unser Gebiet noch weniger erforscht3). Hügelgräber und Steingräber (Kisten usw.) nehmen die Leichen bzw. den Leichenbrand der Vornehmen des Volkes mit z. T. reichen Beigaben auf. Das gleiche gilt für die Eisenzeit. Die ethnographische Zugehörigkeit der Völker, die damals unser Gebiet und die ja noch nicht abgeschiedenen östlichen Landstriche bewohnten, ist ein noch nicht völlig gelöstes Problem. Erst mit der Frühlat^nezeit sind eindeutig Germanen bzw. deren Vorfahren in unserem Gebiet nachweisbar4), wie auch für das Land östlich der Saale6). Jedenfalls können wir feststellen, daß die Bronzezeit eine reiche soziale Gliederung aufweist, und auf diese Bevölkerung stieß in der Latenezeit die germanische Welle. Man darf wohl annehmen, daß dieses Zusammentreffen mit einer Kultur, die solche Differenzierungen aufwies, auch bei den Germanen in Richtung einer 1) P A U L GRIMM, a. a. O., S. 67. Auf den Streit über die Entstehung dieser Kultur, insbesondere zwischen NIKLASSON und G. N E U M A N N können wir hier nicht eingehen; vgl. dazu P. GRIMM, a. a. O., S. 63ff., und G. NEUMANN, Die Entwicklung der aunjetitzer Keramik in Mitteldeutschland, „Prähistorische Zeitschrift", Bd. XX, 1929, S. 70 ff. (genannt ist diese Kultur nach einem Fundort in Böhmen, südlich Prag). — Auch R U D . KÖTZSCHKE betont die reiche wirtschaftliche und soziale Differenzierung, die in dieser Kultur herrschte: „Die eindrucksvollste Fundstätte dieser Kultur ist das „Fürstengrab" in Leubingen bei Erfurt, ein Zeugnis des großen Reichtums und schon einer zusammengefaßten politischen Macht" (KÖTZSCHKEKRETZSCHMAR, Sächsische Geschichte, Bd. I, S. 17). Über diesen Grabhügel vgl. HÖFER, Der Leubingen Grabhügel, in „Jahresschrift f. d. Vorgeschichte der sächs.t h ü r . L a n d e " , 1 9 0 2 ; GÖTZE-HÖFER-ZSCHIESCHE, a . a . O . , S . 1 4 1 f f . ; W I L K E , i n FRENZEL-
RADIG-RECHE, Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 239 f. 2) Auch die noch ältere Zeit zeigte schon derartige Unterschiede; vgl. dazu P. GRIMM, a. a. O., S. 13ff.; ARMIN Möller, Der Derfflinger Hügel bei Kalbsrieth (Festschrift zur XLIII. Allg. Versammlung d. Deutschen Anthropolog. Gesellschaft, 1912, Heft 3), Jena 1912. 3) P A U L GRIMM, a. a. O., S. 78. — 4) Oben S. 11. 5) Vgl. z. B. A L F R E D AUERBACH, Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Ostthüringens, Jena 1 9 3 0 , Karte I und I I ; ¡RADIG, in F R E N Z E L - R A D I G - R E C H E , Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 146 ff.
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Förderung dieser Differenzierung gewirkt hat, soweit sie selbst damals noch weniger stark gegliedert wairen, ganz ähnlich, wie später das Auftreffen der Germanen auf die römische Kultur. Das ist um so eher anzunehmen, als ja das Auftreffen sich durchaus in kriegerischen Formen abspielte und mit dem Siege der Germanen endete1). Langsam dringen sie aus dem Gebiete östlich des Harzes weiter nach Süden vor in das mittlere und südliche Thüringen, wo sich keltische Bevölkerung noch länger behauptete, offenbar im besonderen als (vielleicht unfreie?) Kunsthandwerker2). Um Christi Geburt herum und hinterher sind die thüringischen Gebiete recht fundarm; das Volk hat sich über die Saale hin ostwärts verzogen (s. oben S. 13). So finden wir denn auch in diesen östlichen Gebieten neben zahlreichen Gräberfeldern gewöhnlicher Art einzelne künstlich aufgeworfene größere Grabhügel mit Einzelbestattung reichen Charakters, also Männern (und Frauen) gehobener sozialer Stellung3). Erst nach dem 2. nachchristlichen Jahrhundert wird die Besiedlung der Gebiete westlich der Saale wieder dichter, wohl nicht zuletzt infolge der neuen Zuwanderungen, unter denen namentlich die Züge der Angeln und Warnen zu nennen sind. Schon im 3. Jahrhundert treffen wir wieder reichere Funde an, auch solche, die auf hervorragende Stellung einzelner, also eines Adels, schließen lassen; hierher gehört namentlich das „Fürstengrab" zu Haßleben bei Erfurt4). Durch diese Zuzüge ist die soziale Differenzierung ganz offenbar stark vorangetrieben und dort, wo sie etwa in der vorangegangenen menschenarmen Zeit verlorengegangen sein sollte, erneut begründet. Zu welchem Anteil diese Differenzierung auf Unterwerfen der vorgefundenen Bevölkerungsreste beruhte oder inwieweit Unfreie bereits auf dem Zuge mitgeführt wurden, ist eine Frage, die man wohl offen lassen muß, nur die Tatsache als solche steht fest. Und dies ist für uns von höchster Bedeutung, da dies die letzten großen Bevölkerungsbewegungen waren und die Bevölkerung unseres Gebietes in dem Zustand in das hellere Licht der durch 1) Das zeigt die Anlage der Wallburg auf dem Questenberg und die Errichtung der Hasenburg als keltische Schutzburg (P. G R I M M , a. a. O-, S. 93 u. 94). 2) W. S C H U L Z , Keltische Bevölkerung und keltisches Gewerbe in Mitteldeutschland, in „Tagungsbericht der Deutschen Anthropolog. Gesellschaft, Köln 1927", Leipzig 1928, S. 105 ff. 3) A L F R E D A U E R B A C H , a. a. 0., S. 117, 215, 216 f., 235 (Nr. 59), 272. Betreffs Nachweis der Hermunduren in diesen östlichen Sitzen vgl. auch R A D I G in F R E N Z E L R A D I G - R E C H E , Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 152 ff. 4)
KÖTZSCHKE-KRETZSCHMAR,
a . a. O.,
S.
23.
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schriftliche Überlieferung erleuchteten Zeit eintritt, den sie in dieser Zeit gewonnen hat. Da treffen wir schon im 3.—4. Jahrhundert auf durch Reichtum der Beigaben hervorragende Grabstätten. „Gräber mit kostbaren Beigaben sind besonders an den wichtigsten Punkten, wohl den Sitzen der Adligen, gefunden worden. Kunstgewerbe und Handwerk blühten" 1 ). Eine solche Kultur ist nur auf grundherrlicher Basis möglich, denn entweder waren diese Handwerker Unfreie auf den Höfen der Herren, die für ihre Leistungen ernährt und gekleidet werden mußten, was nur durch dazu verpflichtete Landsassen möglich war, oder aber die Handwerker waren persönlich frei, und dann konnten (und mußten) sie ihre Erzeugnisse gegen Wohnimg, Kleidung und Ernährung eintauschen, und dies in erster Linie von reicheren Herren, die über diese Mittel auf Grund ihrer grundherrlichen Machtstellung verfügten. Auf diese Zeit folgt ein Rückschlag, der nicht recht verständlich wird, möglicherweise mit einem Abzug des Gros der Angeln nach Südwestdeutschland zusammenhängt 2 ). Aber dann ist im 5. Jahrhundert ein neuer großer, noch größerer Aufstieg nachzuweisen, die „Kultur der Thüringer" 3 ), besser wohl „warnischthüringische Kultur" 4 ). Diese Kultur stellt eine hohe Blüte dar, die erst 531 durch die Zerstörung des Thüringer Königreiches jäh geknickt wurde. Es ist eine höfische Kultur mit zahlreichen großen Herrensitzen; reich ausgestattete Gräber bergen die Beigaben, die man den Vornehmen (Männern und Frauen) auch nach dem Tode mitgab 5 ). Am bekanntesten geworden sind die Funde von Obermöllern, Mühlhausen und namentlich Weimar, an welchem Orte 1) P A U L GRIMM, a . a . O . , S .
103.
2) Vgl. darüber oben S. 17 ff. War der Abzug der Angeln ein freiwilliger oder durch die stärkeren Warnen erzwungen ? Manches spricht für die letztere Auffassung, wie z. B. auch die Abdrängung der den Angeln zuzuschiebenden Siedlungen in ungünstigere Lagen (oben S. 21). Dann hatte es auch im Verlauf dieser Kämpfe neue umfangreiche Gelegenheiten zur Neubegründung von Unfreiheitsverhältnissen und zum Erwerb großer grundherrlicher Besitzungen gegeben. 3 ) P A U L GRIMM, a . a . O . , S . 1 0 7 ; W .
SCHULZ, G e s c h i c h t e d e r
Bevölkerung
Mitteldeutschlands, a. a. O., S. 25. 4) RADIG, in FRENZEL-RADIG-RECHE, Grundriß der Vorgeschichte Sachsens, S. 156. 5) Vgl. Näheres bei A. GÖTZE, Die merovingischen Altertümer Thüringens, Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, 1894; W. SCHULZ, Zur Merovingerzeit Mitteldeutschlands, „Mannus", Bd. 18, 1926, S. 285 ff. (hier weitere reiche Literaturangaben); H. F. K. HOLTER, Das Gräberfeld von Obermöllern, „Jahresschrift f. d. Vorgeschichte d. sächs.-thür. Länder", Bd. XII, Heft 1, Halle 1925; A. GÖTZE, Die altthüringischen Funde von Weimar (5.—7. Jahrhundert n. Chr.), Berlin 1912.
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A. GÖTZE auf Grund der gemachten Funde den Sitz des letzten Thüringerkönigs HERMINAFRIED und seiner Gemahlin AMALABERGA, Nichte THEODORICHS D. GR., mit großer Wahrscheinlichkeit vermutet1). Auch hier sind überall durch besonders reiche Ausstattung mit Beigaben einzelne Männer und Frauen aus der Reihe der übrigen Toten hervorgehoben, die man wohl als Edle bezeichnen darf. Wurde durch die Niederlage von 531 und die Zerstörung des Königreiches auch die politische Machtstellung dieser Herrenschicht und zu einem Teil auch ihr Reichtum vernichtet, — an der sozialen Struktur wurde damit wohl nichts geändert. In den ersten urkundlichen Nachrichten (Schenkungsurkunden) um 700 treten uns die sozialen Unterschiede deutlich entgegen, die oben S. 86 ff. näher geschildert sind: ein mächtiger, zahlreicher und reich begüterter Adel mit ausgedehntem grundherrlichen Streubesitz mit zahlreichen Unfreien, die auf diesem Landbesitz angesiedelt sind. Es war schon früher gesagt, daß diese Zustände eine lange Geschichte gehabt haben müssen. Die vorstehenden Ausführungen lassen erkennen, daß sie direkt in die Zeit der Angeln- und Warnenzuwanderung zurückgehen und jenseits darüber hinaus, wenn auch nicht in so ausgeprägter Form, in die Frühgermanenzeit, ja vielleicht sogar in den Anfängen auf die Zeit, in der die Germanen hier in unserm Gebiet auf eine gleichfalls schon sehr starke soziale Differenzierungen aufweisende Kultur auftrafen. Die Ergebnisse der Archäologie zwingen uns also, eine starke soziale Differenzierung des Volkes anzunehmen, auch gerade schon in der Zeit, in der man in (vermeintlich richtiger) Auslegung von TACITUS glaubte, eine weitgehende soziale Gleichheit aller Volksgenossen annehmen zu müssen2). Ich möchte, um nur auf die jüngere Zeit zurückzugreifen, den kriegerischen Ereignissen nicht nur bei der Einwanderung der germanischen Stämme, sondern auch bei den verschiedenen Zuwanderungen, die zur Bildung von immer erneuten „Herrenschichten" (SCHULZ) führten, und den sonstigen kriegerischen Ereignissen einen nicht geringen Anteil, ja den entscheidenden Anteil an der Herausbildung des Adels mit seinem reichen Besitz einräumen. Ob die Zuwanderung der Angeln und Warnen3) so friedlich verlaufen ist, wie man mangels jeder Nachricht über das Gegenteil stillschweigend zu unterstellen geneigt ist, dürfte zu be1) A. GÖTZE, ebenda, S. 30. Ihm zustimmend F. S C H N E I D E R und A. T I L L E , a. a. O., S. 2. 2) Im besonderen die Vertreter der Lehre von der „altdeutschen Hufe" und zahlreiche Rechtshistoriker sind hier zu nennen. — 3) S. oben S. 21 f.
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zweifeln sein. M A X W E B E R sagt gelegentlich: „Es wird bei den verschiedensten Volkskriegen der Germanen mit den Galliern und untereinander nirgends von erheblichen Versklavungen berichtet"1). Das ist schon richtig, aber es liegt kein stichhaltiger Beweis darin, daß uns Berichte fehlen. Von wievielen hochwichtigen Ereignissen und Verhältnissen dieser Zeit haben wir auch keine Berichte oder nur ganz unzulängliche Nachrichten! Wir wissen erst später von den benachbarten Sachsen, daß sie die überwältigten germanischen Völkerschaften des von ihnen okkupierten Raumes in ein Litenverhältnis herabdriickten. Sollten die Angeln und Warnen ganz auf Ähnliches verzichtet haben? Nichts spricht für, aber mehreres gegen eine solche Annahme. Einmal: Wir haben in anderem Zusammenhange gesehen, daß in unserem Gebiet die Zahl der Unfreien (Mancipia) außerordentlich groß ist, viel größer, als daß ihre Zahl nicht mit außergewöhnlichen Vorkommnissen erklärt werden müßte. Die heute herrschende auf die ganzen deutschen Stämme bezogene Ansicht: „die Zahl der Unfreien war nur gering"2), trifft für unser Gebiet kaum zu, auch schon nicht für diese ältere Zeit. Und überall finden wir, daß der Besitz einer größeren Anzahl von Unfreien in Verbindung steht mit dem Besitz ausgedehnter Landflächen, wie das ja auch nicht zu verwundern ist. Zum andern muß auch noch eine andere Überlegung hier Platz greifen: Als die Hermunduren mit den Chatten um die Salzquellen an der Werra3) kämpften, weihten jene diese schon vor der Schlacht den Göttern4). Das war im Jahr 59 n. Chr. Soll man aber wirklich annehmen, daß die siegreichen Hermunduren nachher ihre ganzen Gefangenen auf dem Opferstein verbluten ließen? Doch wohl schwerlich! Man wird einigen dieses harte Schicksal in Stellvertretung für alle bereitet und dann die anderen als Sklaven verwendet haben, d. h. man wird sie zum größten Teil in die Hände der Führer und Vorkämpfer als Siegesbeute gegeben haben. Das was die Sachsen später taten, d. h. wovon wir genauere Kunde haben, geschah hier zweifellos auch, nur daß das Schicksal der Unterlegenen noch härter war: sie wurden zu völlig Unfreien (Mancipia), nicht zu Liten herabgedrückt, denn diese Rechtsform kannten die Thüringer und wohl auch ihre Vorgänger, die Hermunduren, nicht. Und ebenso wissen wir, daß es Ende des 5. Jahrhunderts, also 1—1 y2 Menschenalter 1) MAX WEBER, Zum Streit um den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung, a. a. O., S. 457. 2) G. v. BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 3. 3) Nicht an der Saale, wie z. B. STUHLFAUTH, a. a. O., S. 8 meint. 4 ) M A X W E B E R , a . a . O . , S . 4 5 7 f.
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vor dem Fall des Thüringerreiches, harte Kämpfe zwischen Franken und Thüringern um das Werragebiet und die Gegenden südlich des Waldes gegeben hat, bei denen die letzteren Sieger blieben1). Dürfen wir uns also wundern, wenn die Zahl der Unfreien gerade in diesen südlichen und westlichen Gegenden so besonders groß ist ? Diese Kämpfe waren auch nicht von der Art, wie die Eroberung der linksrheinischen Gebiete und Galliens durch die Franken. Mit Recht hat MAX WEBER2) einer solchen massenhaften kriegerischen Umsiedlung stark demokratisierende Tendenzen zugesprochen und damit, neben der Politik der Merovinger, auch das Verschwinden des alten fränkischen Adels erklärt; er hat aber auch deutlich gesehen, daß dies nur für diese Art des Volkskrieges und nicht für andere kriegerische Züge gilt, also auch nicht für die Kämpfe zwischen Thüringern und Franken. Daß die Stellung der Nobiles stieg und ihr Besitz an Land und Unfreien im Laufe dieser ganzen kriegerischen Ereignisse sich ständig vermehrte, ist also kein abwegiger Schluß3). Eines muß nur festgehalten werden: die ökonomische Differenzierung hat nicht im Anfang der Entwicklung gestanden, und insofern hat die alte grundherrliche Theorie zweifellos die Dinge falsch gesehen4). Die älteste soziale Differenzierung ist „vorzugsweise politisch und teilweise religiös bedingt"5). Eine andere Betrachtungsweise, die von dem Ökonomischen ausgeht, ist nicht nur im Prinzipiellen falsch, sondern konnte auch gerade hier in dieser historischen Situation als unrichtig nachgewiesen werden. Aber das Ökonomische kam doch sehr bald hinzu, war so gut wie von Anbeginn an dabei, zunächst als,,Folge und Begleiterscheinung", sozusagen als „Funktion". Aber wie alles, was historisch geworden ist, erhielt dann auch bald dieses ökonomische sein eigenes Schwergewicht und entfaltete eigene, ihm immanente Antriebskräfte für die weitere Entwicklung, wobei es zunächst wohl darauf ankam, ob der Einzelne seinerseits mehr das Politische oder das ökonomische seiner Stellung wollte8), bis dann 1) H. B.
WENCK,
Hessische Landesgeschichte, II. Bd., S. 145 ff.
2) MAX WEBER, a. a. O., S.
469.
Wenn R U D . KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S . 6 3 generell meint: „eine gewisse Mischung von Germanen mit stammesfremden Leuten kann nicht gefehlt haben und ist auch in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht nicht ohne Wirkung geblieben", so gewinnen solche Äußerungen erst durch derartige Überlegungen und Nachweise Fleisch und Blut. 4) Neben anderen, hier nicht zu erörternden Irrtümern. 3)
5) M A X W E B E R , a . a . O., S .
469.
6) Ähnliches erlebten wir ja um die Wende des 18./19. Jahrhunderts in dem allmählichen Übergang vom Gutsherrn (Ritter) zum G u t s b e s i t z e r , eine Entwick-
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die Institution als solche auf Grund der ihr innewohnenden Kraft die Gestaltung und die weitere Entwicklung beeinflußte. Und dann erfolgt auch hier wieder vom ökonomischen her der Eingriff in die Sphäre des Politischen, d. h. das Ökonomische will nicht im eigenen Bereich bleiben und greift daher auf die anderen Lebensgebiete über, versucht namentlich in die Sphäre des Politischen einzudringen. Die Entstehung der Grundherrschaft und ihre machtvolle Stellung in der Karolingerzeit, ihre innere Entwicklung, die ja dahin ging, vom Ökonomischen (d. h. der Grundherrschaft) her über das Lehnswesen zum Träger der neuen politischen Entwicklung zu werden, all das ist nicht zu verstehen, wenn man sich der Einsicht in dieses Wechselspiel verschließt. Erst von hier aus scheint die Grundherrschaft der Karolingerzeit voll verständlich und die Entwicklung unseres Sondergebietes vermag das wohl besonders deutlich zu zeigen.
B. Die grundherrlichen Gewalten; der große grundherrliche Besitz. Vorbemerkung. Wie der vorhergehende Abschnitt gezeigt hat, haben wir bereits in vorgeschichtlicher Zeit mit einem großen Besitz der Vornehmen des Volkes zu rechnen. Die Zeit, in der die urkundlichen Überlieferungen einsetzen, weist nun insofern ein anderes Bild auf, als der grundherrliche Besitz seinen früheren homogenen Charakter verloren hat. Neben die eine Gruppe der Mächtigen im Volke war durch die Eingliederung Thüringens in das Großreich der Franken als grundherrlicher Faktor eigenartiger, dem Lande bisher fremder Struktur das Königsgut, das Reichsgut, getreten, und als dritter Faktor trat von der Mitte des 8. Jahrhunderts ab die Kirche hinzu. So muß man jetzt diese drei Arten von grundherrlichen Gewalten auseinanderhalten und berücksichtigen, daß sie jeweils besonderen Charakter tragen. Es ist darum notwendig, diese drei verschiedenen Gruppen gesondert etwas eingehender zu betrachten. lung, die der zum Durchbruch kommende Liberalismus ja mit allen Mitteln bejahte und förderte, während die sog. „Reaktionäre", wie etwa v. D. MARWITZ, um den hervorragendsten und einsichtsvollsten zu nennen, sich mit Leidenschaft gegen diese ökonomisierung und Entpolitisierung auflehnten. Vgl. meinen Aufsatz , , F . A. L . VON DER MARWITZ, der große Gegner S T E I N - H A R D E N B E R G S " , in „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat." 139. Bd., 1933, S. 481 ff.
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Der ganzen Ausrichtung dieses Buches entsprechend wird dabei das wirtschaftliche und soziale Moment im Vordergrund stehen: die Tatsache eines Großbesitzes auf der einen Seite und das Vorhandensein von Unfreien auf der anderen Seite schuf ganz bestimmte wirtschaftliche und soziale Formen, die unter dem Namen „Grundherrschaft" zusammengefaßt werden. Darüber dürfen wir aber nicht vergessen, von welch gewaltiger Bedeutung diese Grundherrschaft zugleich für das politische Leben der Nation war, ja daß es unmöglich ist, das Phänomen Grundherrschaft zu verstehen, wenn wir nicht davon ausgehen. Schon das vorige Kapitel hat gezeigt, in welchem Ausmaße politische Vorgänge (Unterwerfung usw.) zur Begründung grundherrlicher Verhältnisse beigetragen haben. In der Karolingerzeit erfolgt die Ausdehnung der Grundherrschaft auf Wegen, die nicht diesen Charakter tragen, ja in der Tatsache, daß sich jetzt die Grundherrschaft auch auf persönlich Freie ausdehnt, müssen wir nicht zuletzt das Charakteristikum des Zeitalters der karolingischen Grundherrschaft erblicken1). Aber doch ist auch hier das politische Moment nicht zu übersehen. Und dies ist die Begründung des Frankenreiches, in dessen Aufbau die Grundherrschaft auf einmal eine ganz besondere politische Bedeutung dadurch erfuhr, daß Grundherren zu Trägern des ganzen Staatsapparates wurden. Und das ist das Neue, daß in unserem Gebiet namentlich von K A R L D. GR. an das Staatsleben mit seinen Forderungen und Gestaltungskräften neben die bisherigen mehr rein volksmäßigen Mächte tritt. Auch gerade das Wirtschaftsleben ist von jetzt ab ohne dieses neue politische Moment nicht mehr zu verstehen. Die Aufstellung eines (relativ) großen Beamtenapparates (Grafen, Missi) und der Umschwung in der Kriegsverfassurig, der sich durchsetzte, erfolgten beide notwendigerweise auf grundherrlicher Basis, und das konnte natürlich nicht ohne Rückwirkung auf die Ausdehnung, aber auch auf die qualitative Stellung der grundherrlichen Institution bleiben. Ohne Einblick in diese Zusammenhänge, die hier nur kurz angedeutet werden konnten, ist die karolingische Grundherrschaft nicht zu verstehen. Die weltlichen wie die neugegründeten geistlichen grundherrlichen Gewalten werden Bestandteile der staatlichen Organisation und tragen diesen Staat mit (bis sie ihn später von innen her auflösen). Dies an die Spitze der nachfolgenden Betrachtungen über die Grundherrschaft zu stellen, erscheint historische Pflicht. 1) Vgl. darüber Näheres oben S. 106fi.
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Die Eigentumsverhältnisse vor Okkupation des Landes durch die Franken lassen sich mit wenigen Worten dahin charakterisieren, daß das Privateigentum der einzelnen Bauern, der Edlen und Fürsten neben großen Gebieten steht, die sich in niemandes Eigentum befinden. Wie uns die Ausführungen über die Marken unten S. 279ff.noch im einzelnen zeigen werden, muß man den in der älteren Literatur oft vertretenen Gedanken an agrarkommunistische Verhältnisse mit Gemeineigentum, getragen von einem mehr oder weniger großen Kreis von Markgenossen, ablehnen. An ein Obereigentumsrecht der alten Thüringerkönige von B I S I N U S bis H E R M I N A F R I E D an dem gesamten Lande kann man nicht glauben1), ganz abgesehen davon, daß auch keinerlei Zeugnisse dafür vorliegen. Ganz anders sind die Verhältnisse in dem Augenblick, in dem uns urkundliche Quellen Näheres erkennen lassen. Wir treffen da neben der Masse des privaten Eigentums der freien Bauern von grundherrlichen Gewalten abhängigen Besitz und im besonderen einen außerordentlich umfangreichen Güterkomplex, der in der Hand des Königs ist. Da das königliche Eigentum (man kann auch sagen: Staatseigentum) die Quelle eines nicht unbeträchtlichen Teiles des geistlichen und weltlichen Grundbesitzes und direkt oder indirekt auch die Quelle eines großen Teiles des Besitzes abhängiger Bauern ist und eine wesentliche Basis der königlichen Machtstellung bildete, ist es notwendig, sich einen, wenn auch nur ganz knappen Überblick über den Besitzstand der fränkischen Könige zu verschaffen, dem ein ähnlicher über den Besitzstand der weltlichen und geistlichen Grundherren zu folgen hat.
I. Der König als Grundherr. Das Königsgut in unserem Gebiete ist ganz beträchtlich gewesen, aber es ist kaum möglich, dies einigermaßen vollständig aufzuzählen. Mit Recht konnte DOPSCH sagen: „Es ist nicht leicht, sich ein genaues Bild von dem Umfange des tatsächlich in königlicher Nutzung befindlichen Krongutes zu bilden, weil wir zumeist in den Quellen erst dann über dasselbe Nachrichten erhalten, wenn es dieser eben durch Schenkung oder Verleihung des Königs entzogen wurde. Man darf doch auch nicht übersehen, daß diese Güter auch nachher noch gelegentlich als fisci bezeichnet wurden"2). 1) Auch die früher vielfach vertretene Ansicht, die alten Merovingerkönige hätten ein Obereigentum an dem gesamten Grund und Boden besessen, hat B R Ü N N E R mit Recht abgelehnt. (H. BRUNNER, Die Landschenkungen usw., a. a. O., S. 1201.) 2) A. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung, B d . I, S. 127.
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Das gilt im besonderen für unser Gebiet. Woher ist diese Fülle des Landbesitzes in den Händen des Königs gekommen? Zweifellos spielt die Inbesitznahme der Güter der bisherigen Herrscherfamilie auch in dem Gebiete des alten Thüringer Königreiches eine große Rolle, wie das ja überall zutrifft1). Aber welche der Güter, die wir später in der Hand des Königs finden, gehen darauf zurück ? Das ist schwer oder gar nicht zu sagen. Neben diesen Besitz tritt die Verfügung über den „eremus", d. h. über jene weiten Gebiete (meist Urwald), die sich in niemandes Eigentum befanden. Und wenn man fnit BRUNNER den Gedanken an ein für sich bestehendes Obereigentumsrecht des Königs an der „wilden Mark" ablehnt, so hinderte das Fehlen eines solchen Rechtes den König nicht, daß er jederzeit durch Verfügung über Niemandsland Eigentumsrechte begründen konnte, d. h. also aus Niemandsland Königsland (Staatsgut) zu machen in der Lage war. Und von dieser Möglichkeit ist über unser ganzes Gebiet hin, namentlich natürlich in den Waldgebieten, weitreichender Gebrauch gemacht worden. Daneben steht als dritte Quelle, aus der das Königsgut gespeist wurde, die Möglichkeit der Konfiskation der Güter von Hochverrätern und politischen Gegnern, von EGGERS als die „vorzüglichste und häufigste Gelegenheit" zu Neuerwerbungen bezeichnet2). Auch in unserem Gebiete hat es an derartigen Gelegenheiten nicht gefehlt; es sei nur — um ein Beispiel anzuführen — erinnert an die große Aufstandsbewegung gegen Kaiser KARL, die in den 80er Jahren in Thüringen und Franken ausbrach, getragen in erster Linie von thüringischen Grafen und Edlen3). Die der Zeit entsprechend harte Strafe der Rädelsführer bestand in Blendung, Verbannung und Einziehung des Vermögens. Wo diese Güter gelegen haben, wissen wir wiederum nicht, auch über ihren Umfang ist nichts Näheres bekannt. Wohl aber kann man annehmen, daß sie beträchtlich waren, jedenfalls nach der Größe der Besitzungen, die wir sonst im allgemeinen in den Händen von thüringischen Großen dieser Zeit finden4). An sich brauchte es sich, um die Einziehung der Güter zu rechtfertigen, gar nicht um politische Gegner und Hochverräter handeln, sondern die Tatsache, daß der Beschenkte sich nicht so X) H. BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, S. 293. 2 ) EGGERS, a . a . O . , S .
2.
3) Berichtet in E I N H A R D S „Vita Caroli" c. 20, ebenso in den Lorscher Annalen u. a. Vgl. TH. KNOCHENHAUER, Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit, Gotha 1863, S. 4f. Vgl. oben S. 88. 4) Siehe unten S. 167 ff.
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verhielt, wie der König als Schenker dies „nach Treu und Glauben", wie wir heute sagen würden, erwarten konnte (mangelnde Erfüllung der Treuepflicht usw.), berechtigte nach germanischer Rechtsauffassung den König — oder überhaupt jeden Schenker —, das einst geschenkte Land zurückzunehmen, soweit die Schenkung unter solchen Voraussetzungen gestanden hatte1). Aber natürlich wurden von einer solchen Einziehung nur diese Güter betroffen, während das sonstige Eigentum dem Betreffenden verblieb. So konnte ehemaliges Königsgut immer wieder an den Herrscher zurückfallen, auch schon, bevor das eigentliche Benefizialwesen ausgebildet war. Will man zu einem Einbück in die Verteilung des Grundbesitzes kommen, so hat man, da unsere fast einzige Quelle in den Traditionsurkunden besteht, bei der Auswertung dieses Materials immer zwei Möglichkeiten: man kann die geschenkten Güter entweder beziehen auf den Schenker oder aber auf den Beschenkten; im ersteren Falle stellt man rückwärtsblickend den bisherigen Besitzstand des Schenkers fest, im zweiten Fall vorwärtsbückend das, was der Beschenkte nunmehr in Händen hat. Es hätte gewiß seinen Reiz, hier im Hinbück auf die Schenkungen des Königs den ersteren Weg zu gehen und alles zusammenzutragen, was an Schenkungsurkunden aufzufinden ist. Aber doch ist es besser, davon abzusehen und den zweiten Weg zu gehen. Einmal gelingt es doch nicht, allen Königsbesitz auf diese Weise zu erfassen2). Dazu ist das Urkundenmaterial in der frühen Zeit doch zu lückenhaft, und vor allem fehlt es an Nachrichten über Schenkungen und Verlehnungen an weltüche Große3). Diese haben nur sehr wenig für 1) H. B R U N N E R , Die Landschenkungen usw., a. a. O., S. 1189f. 2) Über die Problematik derartiger Aufstellungen und die früheren Versuche dieser Art vgl. B B N N O STEINITZ, a. a. O . , S . 5 0 2 ff. Es erscheint in diesem Rahmen überflüssig, diese ganzen kritischen Einwendungen zu wiederholen und uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch gegen die Methode von EGGERS erheben sich Bedenken; er geht so vor, daß er von dem im 9./10. Jahrhundert feststellbaren Königsgut das Hausgut der späteren Königsgeschlechter (im besonderen der Ludolfinger) und den sonstigen nachweisbaren Zugang abzieht. P A U L HÖFER, Die Frankenherrschaft in den Harzlandschaften, a. a. O., S. 132, hat darauf hingewiesen, daß in der nachkarolingischen Zeit in den von ihm behandelten Gegenden kein Geichsgut mehr geschaffen sei; man könnte demnach für dieses Teilgebiet auch spätere Quellen heranziehen und rückschließen, daß die darin erwähnten Güter auch zur Karolingerzeit schon Reichsbesitz gewesen sind; aber es hat doch ein Zugang durch Konfiskationen usw. stattgefunden, und den auszusondern ist nach Lage der Quellen schlechterdings unmöglich. 3) Vgl. einige Beispiele unten S. 164 f. Nach Fertigstellung des Manuskriptes erscheint der Aufsatz von DIETRICH v. GLADISS, Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen (800—1137) ,in „Deutsches Archiv f. Geschichte des
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die Aufbewahrung der betreffenden Urkunden Sorge getragen, im Gegensatz zu den Klöstern und Bistümern. Und dann ist es auch deswegen besonders schwierig, einen klaren Eindruck von dem Besitzstand zu einer bestimmten Zeit zu gewinnen, weil auch wieder Nachrichten über den Erwerb an Königsgut auf dem Wege der Konfiskation von Gütern ungehorsamer Vasallen, Hochverrätern, oder der Rücknahme von Schenkungen bei Fortfall der Voraussetzungen usw. aus dieser Zeit weitgehend fehlen. Wenn wir also spätere Urkunden heranziehen, aus denen hervorgeht, daß der König etwa im 11. Jahrhundert diese und jene Güter in unserem Gebiet besessen hat, können wir zumeist nicht feststellen, ob diese Güter bereits in der Karolingerzeit in den Händen des Königs waren. Wir gehen hier also so vor, daß wir von den Beschenkten ausgehen und so nur indirekt einen Überblick über den Umfang des königlichen Gutes gewinnen, den wir durch sonstige Nachrichten abrunden können. Wenn wir die unten verzeichneten Schenkungen an Hersfeld, Fulda, Würzburg usw. überblicken, gewinnen wir einen Begriff davon, wie umfangreich das Königsgut in der Karolingerzeit war und wie sehr es damals vermindert wurde, und zwar, wie gesagt, besonders durch Schenkungen an kirchliche Stifte. Gewiß ist es richtig, daß im großen gesehen die Schenkungen für die im Verlauf der Entwicklung festzustellende Einbuße an Königsgut nicht die Rolle gespielt haben wie die Entfremdungen über das Lehensrecht, und ebenso ist nicht zu bestreiten, daß die verschenkten Güter weitgehend aus bisher unbenutztem Land bestanden1), aber das darf nicht den Blick dafür trüben, daß die Einbuße an Königsgut auch infolge der Schenkungen beträchtlich war. Gerade in unserem Gebiet bestanden die Schenkungen übrigens, wie wir sehen werden, zu einem gar nicht so kleinen Teil aus landwirtschaftlich bereits genutzten Besitzungen (königlichen Villen mit allem Zubehör); und mit der Ubergabe unkultivierter Wälder und sonstigen Ödlandes verminderte der König die Landreserve, auf die er sonst hätte zurückgreifen können. So sieht sich dieser Zusammenhang unter rein wirtschaftlichem Blickpunkt an. Vom staatspolitischen Gesichtspunkt aus muß gesagt werden, daß der König durch die freigebigen Verschenkungen zu einer schnelleren Mittelalters", 1. Jahrg., 1937, 1. Heft, S. 80ff. Auch dieser Autor weist darauf hin, wie lückenhaft im besonderen unsere Nachweise über die Schenkungen der Könige und Kaiser an Privatpersonen (also auch weltliche Große) sind. 1) D a r a u f h a t DIETRICH V. GLADISS m i t R e c h t in der „Vierteljahrsschr. f. S o z . -
u. Wirtschaftsg.", Bd. 30, 1937, Heft 2, S. 163, hingewiesen.
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Kultivierung des Reichsgebietes, gerade hier im gefährdeten Osten, beitrug und zudem seine eigenen Machtmittel stärkte (solange die Königsgewalt Herr über die Großen des Reiches blieb). Unter Vorwegnahme der Ergebnisse der weiter unten gebotenen Überblicke läßt sich hinsichtlich der Lage der Königsgüter etwa folgendes feststellen: Sie sind keineswegs gleichmäßig über das ganze Gebiet verbreitet, sondern häufen sich im nördlichsten Teil Thüringens, ebenso in den nach der Rhön zu gelegenen Waldgebieten und schließlich auch in den Waldgebieten, die von Süden her an den Thüringer Wald heranstoßen. Im Süden sind die Zentralpunkte die Königshöfe Hallstadt, Königsfeld und Forchheim1) sowie Salz2). Hierzu gehörten recht ausgedehnte Besitzungen. So nennt z. B. eine spätere Urkunde als althergebrachtes Gut des königlichen praediums Forchheim folgende Ortschaften: Weigelshofen, Untertrubach, Thuisbrunn, Hetzelsdorf, Kirch- und Oberehrenbach, Wellerstadt, Klein-Seebach, Möhrendorf, Hausen, Heroldsbach, Ober- und Unter-Wimmelbach, Slierbach8). Im Norden reichte das Königsgut in einer langen Kette von Höfen und Waldungen von dem alten Mühlhausen bis an die Saale hinüber, später allerdings auch gerade hier noch ergänzt durch das Hausgut der Liudolfinger (das aber möglicherweise z. T. auch aus altem Königsbesitz stammt). Nach Mittelthüringen greifen einige der Orte hinüber, die wir in dem berühmten Hersfelder Zehntverzeichnis (zwischen 881—899 zu datieren) als „in potestate caesaris" stehend angegeben finden (nur die Zehntrechte hat Hersfeld)4); es sind dies: Wennungen, Balgstedt, Spielberg, Schwabsdorf, Gebstädt, Stercinloch (?), Biscofestat (?), Salza, Utenbach, Leutra, Jena5), Mittelhausen und Leobolvesdorpf (?). Im Westen unseres Gebietes lag der große Buchenwald, aus dem u. a. Fulda dotiert wurde, ebenso treffen wir hier eine größere 1) STUHLFAUTH, a . a . O . , S . 3 2 u . 3 4 . 2) B .
STEINITZ, a . a . O . ,
3) STUHLFAUTH,
a. a.
S. 547 u.
O., S. 32;
549.
die Urkunde stammt aus der Zeit
HEIN-
RICHS I I . ( v o m 1. N o v . 1007).
4) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 37; zur Deutung der Namen vgl. DOBENECKER, Regesten, I, N r . 287.
5) Die Deutung dieses Ortes war besonders lange unklar, da man früher glaubte, Lani lesen zu müssen, während erst neuere und neueste Untersuchungen die Lesung Jani als die richtige ergeben haben. Vgl. dazu im besonderen Urkundenbuch der Stadt Jena, Bd. III (Thür. Geschichtsquellen, N. F., 3. Bd.), Jena 1936, Nr. 1. Allerdings ist nicht ganz ausgeschlossen, daß an Groß- oder Klein-Jena bei Naumburg gedacht werden muß. Lütge, Agrarverfassung. 11
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Zahl von Königshöfen an, die dann aber zumeist geschenkweise an Fulda übergehen (vgl. unten S. 176ff.). Zentral liegen Gotha, Erfurt und Arnstadt, vielleicht gedacht als Stützpunkt an dem Beginn der Paßstraße (über Oberhof) nach Süden (Franken). Die von R Ü B E L SO ausführlich entwickelte These ist insofern berechtigt, als die Frankenkönige hier überall ganz offenbar systematisch einen großen Besitz zusammengebracht hatten, von dem sie zehren und spenden konnten. Müssen wir uns doch darüber klar sein, daß auch die Ausstattung der Grafen mit Dienstlehen aus diesem Königsgut erfolgt, und das kann, so wenig Nachrichten wir auch darüber haben, nicht gering gewesen sein. Die militärische, wirtschaftliche und politische Bedeutung dieser Königsgüter ist gleich groß. Ebenso wie man vermutet hat, daß die Königshöfe in Nordthüringen nach Einverleibung Sachsens als Stützpunkt für den Kampf gegen die Slaven gegolten haben1), könnte man wohl das gleiche angesichts der Ausbreitung der Slaven vom Egerland bis zur Regnitz hin2) auch für den Königsbesitz im Süden behaupten. Über die Organisation der Königshöfe gibt es in der Forschung Meinungsverschiedenheiten, v. MAURER hatte gemeint, jeder Königshof sei einer nahen Pfalz untergeordnet gewesen3). Demgegenüber hat B. STEINITZ bestritten, daß es eine derartige Zwischeninstanz zwischen Herrscher und einzelnem Königshof gegeben habe4). „Palatium heißt, wie FUSTEL DE COÜLANGES schon betonte, nichts anderes als .Hofhält', personal gedacht, gar nicht auf bestimmte Burgen bezogen"8). Aus unserem Material gewinnt man die Überzeugung, daß STEINITZ die Dinge richtig beurteilt hat. Das gilt auch für die Frage, ob das Königsgut (die fisci) aus geschlossenen Bezirken bestanden oder auch Streubesitz enthalten habe. Bekanntlich hatte LAMPRECHT hierin den Hauptunterschied zwischen königlichen Fisci und den privaten Grundherrschaften sehen wollen6). STEINITZ bezeichnet demgegenüber „Fiscus" als eine rein wirtschaftliche Einheit (im Gegensatz zur räumlichen); die einzelnen 1) H A N S E B E R H A R D T , a . a. O . ,
S. 3.
2) Noch kurz nach 800 begründete die Äbtissin EMHILT die Übergabe des von ihr dotierten Klosters Milz an Fulda damit, daß die Slaven aus Böhmen häufig Einbrüche machten und die Menschen wegschleppten. Allerdings ist die Urkunde als gefälscht anzusehen. Aber die Angaben an sich dürften wohl stimmen. DOBENECKER, R e g e s t e n , I , N r .
67.
3) v. MAURER, Geschichte der Fronhöfe, Bd. I, 1862, S. 230. 4) B .
STEINITZ, a . a . O . ,
S. 327/329.
5) Ebenda, S. 328. 6) K. LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I, S. 738 f.
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villae sind Vorwerke, Einzelbetriebe1), auch spricht er von Streubesitz in der Hand des Königs2). Es dürfte so sein, daß in dieser Hinsicht beträchtliche Unterschiede zwischen der Ost- und der Westhälfte des Reiches bestanden haben. Von den 72 Orten, die als „fiscus" oder „palatium" bezeichnet werden, liegen nur 13 auf rechtsrheinischem Boden, alle anderen links des Stromes3), wo ja die Möglichkeit des Erwerbs geschlossener Herrschaftsbetriebe durch Okkupation der Besitzungen der römischen Kaiser und provinzialrömischer Großer leicht gegeben war. Im Osten, namentlich auch in unserem Gebiet, lagen die Verhältnisse etwas anders. Hier gab es auch Streubesitz in der Hand des Königs, wie die Schenkungen beweisen, im besonderen auch die Angaben des Brevariums St. Lulli4). Die vereinzelten Hufen usw., die wir als Gegenstand königlicher Schenkungen antreffen, sind wohl wenigstens z. T. als solcher Streubesitz aufzufassen, dessen Nutzung mit gewissen Schwierigkeiten verbunden war, und darum leicht weggegeben wurde. Diese kurzen Ausführungen in Verbindung mit den nachfolgend erwähnten Schenkungen, namentlich an Hersfeld und Fulda, führen zu dem Ergebnis, daß unser Gebiet über einen ausgedehnten Bestand an Königsgütern verfügt. Es liegt auf der Hand, daß diese auch im Hinblick auf die Begründung grundherrlicher Verhältnisse und Ausdehnung des Siedlungsraumes von beträchtlicher Bedeutung sein mußten.
II. Die weltlichen Grundherren. Wie ein Blick auf die Ergebnisse der Ausgrabungen zeigt5), müssen wir davon ausgehen, daß schon seit undenklichen Zeiten, im besonderen aber seit der Einwanderung der Germanen in unser Gebiet, starke soziale Unterschiede im Volke bestanden haben, zumindest derart, daß es eine politische und militärisch führende Herrenschicht gab, die man „Adel" nennen kann. Der naturalwirtschaftlichen Zeit entsprechend bestanden diese Reichtümer aus Grundbesitz (und Unfreien). So sehr diese Tatsache feststeht, so unmöglich ist es, ein Urteil über die genauere Größe und Lage dieses Besitzes zu gewinnen. Ebenso liegt auch über den Familien, 1) B . STEINITZ, a. a. O., S. 326. — 2) E b e n d a , S. 4 8 5 u. 486, A n m . 2.
3) Ebenda, S. 486f.; s. auch S. 505. 4) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 38. Hier in zahlreichen Orten nur einzelne Hufen und Mansen als Geschenke K A R L S D . G R . bezeichnet; ebenso ebenda Nr. 17. Auch D. v. GLADISS weist a. a. O., S. 159 auf Streubesitz in der Hand des Königs hin. 5) Vgl. darüber oben S. 145 ff.
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die wir als dem Adel zugehörig zu betrachten hätten, bis in das 9. Jahrhundert hinein und z. T. weit darüber hinaus ein schwer aufhellbares Dunkel. Mit dem Beginn der schriftlichen Überlieferung erfahren wir einzelne Namen, aber den Besitzstand dieser Familien nach rückwärts zu festzustellen fehlt jede Möglichkeit. Wir können auch noch für das 9. und 10. Jahrhundert, geschweige denn für die frühere Zeit, nichts darüber aussagen, inwieweit der Besitzstand der einzelnen Familien im zeitlichen Verlauf gewechselt hat, also auch nichts darüber, in welchem Umfange Familien aufstiegen und absanken, Besitz gewannen und verloren. Aber das für uns Wesentliche steht immerhin fest, daß wir schon vor der Karolingerzeit und ebenso in dieser selbst mit einem sehr umfangreichen, größenmäßig stark abgestuften Besitz weltlicher Großer zu rechnen haben, ein Grundbesitz, der oft weithin, über mehrere Gaue und zahlreiche Ortschaften hin, verstreut liegt mit einer Größenausdehnung, die in den einzelnen Orten zwischen ganz kleinen Stücken (ein oder einige Morgen) und einem großen Areal schwankt. Als Quelle des Grundbesitzes der Großen des Volkes, wie er uns mit dem Beginn der schriftlichen Überlegungen entgegentritt, kommen in Frage: Vererbung, Okkupation aus den weiten, nicht unter Privatbesitz stehenden Waldgebieten und königliche Schenkung. Es ist schwer, die Rangfolge, in der diese Gründe eingereiht werden müßten, festzulegen. Gewiß war der ererbte Besitz groß und nahm wohl im Durchschnitt den ersten Platz ein, aber groß waren auch die Wälder, aus denen jeder Freie sich Privatbesitz aussondern konnte1). Und namentlich in der Karolingerzeit ist nach dem Bilde der Urkunde anzunehmen, daß diese Art der Besitzerwerbung stark zugenommen hat, denn immer wieder wird neben dem ererbten Land anderweitig erworbener Besitz bezeugt, und darunter nahmen die Erwerbungen dieser Art unbedingt die erste Stelle ein, wie auch die zahlreichen in den Händen von Grundherren bezeugten Capturen beweisen. Schenkungen der Könige an weltliche Große sind in dieser Zeit relativ selten, wenn allerdings gerade hier die Zahl der verlorengegangenen Urkunden als besonders groß anzunehmen ist. So ist z. B. von K A R L D. GR. nur eine einzige Schenkung an eine Privatperson bezeugt2), die überdies nicht in unser Gebiet fällt. In diesem tauchen Schenkungen an Privatleute, 1) Näheres in dem Kapitel über die Markgenossenschaften unten S. 308 ff. 2) DIETRICH V. GLADISS, Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen (800—1137), „Deutsches Archiv f. Geschichte d. Mittelalters", 1. Jahrg., 1937, 1. Heft, S. 83.
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im besonderen weltliche Große, erst später auf. So schenkte König ARNULF i. J . 8 8 8 einem Vasallen seiner Base HILTIGART, namens WIGANT, Güter zu Taft in der Buchonia, mit denen bisher zwei andere Vasallen belehnt gewesen waren1). Im gleichen Jahr übergibt er einem Ministerialen, namens EPO, Güter zu Krautheim zu freiem Eigen2). Aus einer in ungefähr die gleiche Zeit fallenden Urkunde geht hervor, daß schon LUDWIG DER DEUTSCHE einem gewissen MEGINFRID Güter zu Beinerstadt (bei Themar) und in der Captur Trostadt geschenkt hatte 3 ). 8 9 1 schenkt König ARNULF einer Frau FRIDARUN einen Hof zu Rügshofen im Volkfeldgau und einen Wald in der Sulzheimer Mark zu freiem Eigen4). Der letzte deutsche Karolinger, LUDWIG DAS K I N D , schenkt 9 0 8 dem Kaplan MARTIN das königliche Gut zu Wallrabs im Grabfeldgau zu freiem Eigen5). Altes Königsgut haben wir auch weitgehend anzunehmen bei den Besitzungen, die wir in den Händen der Markgrafen und Grafen finden6). Aus alledem folgt, daß über den Umfang der Besitzungen der weltlichen Großen schwer ein Bild zu gewinnen ist. Es gibt darüber ja keine Aufzeichnungen, ähnlich den späteren Summarien usw. der geistlichen Grundherrschaften. Urkunden von Schenkungen an diese Herren kommen als Quelle nur für einen Bruchteil in Frage. So sind also die einzigen Quellen, aus denen wir Näheres entnehmen 1) D R O N K E ,
2)
Codex, N r . 6 2 9 . Regesten, I, Nr. 271 (Mon. Boica, X X V I I I , Nr. 63). Codex, Nr. 6 3 1 . Nicht zu verwechseln m i t dem nachfolgend
DOBENECKER,
3) D R O N K E ,
genannten M A G I N F R E D . 4) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 282 (Mon. Boica, X X X I , Nr. 63). 5 ) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 3 1 4 (Mon. Boica, X X V I I I a , Nr. 1 0 0 ) . 6) E s sei hier nur erinnert an die E r b g ü t e r des Grafen P O P P O , die dieser von den Vorgängern des Kaisers A R N U L F „iure hereditario in proprietate" erhalten hatte, ihm aber von A R N U L F auf Grund von als unberechtigt e r k a n n t e n Klagen entzogen waren, nun aber i. J. 899 von dem genannten Kaiser zurückgegeben werden, und zwar unter Bestätigung zu vollem freien Eigen mit dem R e c h t der freien Veräußerung und Vererbung auf Nachkommen. Hier werden uns Rahanvelde ( ? ), Poppen-Lauer, Chiolvesheim ( ? ), Rodach, Königshofen, Wechmar, Saalfeld, Apfels t e d t g e n a n n t ( D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 2 8 6 ) . Wir sehen hier einen der oben S. 158 f. e r w ä h n t e n Fälle vor uns, daß eine Schenkung zurückgenommen wird, weil (wenn hier auch in falscher Annahme) die einstigen Voraussetzungen hinfällig wurden. Bemerkenswert ist die Ausweitung des Besitzrechtes durch A R N U L F — wir sahen ja, daß „iure hereditario in p r o p r i e t a t e " keineswegs ein volles Eigentum in unserem Sinne bedeutet, sondern die Möglichheit einer R ü c k n a h m e der Schenkung enthielt —, was übereinstimmt mit der Beobachtung D I E T R I C H V . G L A D I S S ' (a. a. O . , S. 1 3 7 ) , d a ß nämlich von Kaiser A R N U L F , j a schon von L O T H A R a b die früher üblichen Beschränkungen hinsichtlich der Vererbung geschenkter Güter in Fortfall kommen.
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können, Urkunden von Schenkungen, die diese Herren gemacht haben (und zwar an geistliche Stifte, besonders Fulda und Hersfeld), also ganz ähnlich wie bei dem königlichen Grundbesitz. Es sind also z. T. die gleichen Quellen wie die, aus denen wir unsere Kenntnisse von dem Umfang der Besitzungen der Klöster schöpfen, nur daß einmal der Schenker, das andere Mal der Beschenkte derjenige ist, der im Vordergrund steht. So kommt es, daß uns aus älterer Zeit urkundliche Nachweise über den Grundbesitz weltlicher Großer vollkommen fehlen und erst einsetzen, als mit der Christianisierung die Sitte der Schenkungen an die Kirche aufkommt. Daraus, daß diese weltlichen Großen ganz frei über ihr Gut verfügen, es teilweise oder geschlossen frei verschenken oder vererben, geht hervor, daß es sich um alodialen Besitz handelt, nicht um Dienstgüter oder Lehensbesitz. In der Handlungsweise des Kaisers angesichts der Schenkung seines Vasallen MAGINFRED an Hersfeld1), wo der Kaiser ausdrücklich diese Schenkung als nicht rechtsgültig bezeichnet, ,,ideo quia servus noster errat"2), haben wir ein Beispiel dafür, daß zumindest KARL D. GR. keineswegs gesonnen war, seine oberherrlichen Rechte an irgendwelchen Gütern aufzugeben. Und ebenso hören wir von einem Presbyter MARTIN 3), dessen Schenkung an Fulda von der Zustimmung seines Herren, des Grafen BOBBO, abhängig ist („cum consensu sui domini Bobbonis"), wobei es nicht klar ist, ob jener in persönlicher Abhängigkeit steht, oder ob er Lehngut von seinem Herrn innehat, zu dessen Weggabe ja auch Erlaubnis erforderlich ist, oder ob es sich um eine Schenkung zu Eigentum handelte, mit der nur nicht das Recht der freien Veräußerung verbunden war, wie dies ja in dieser Zeit vorkam4). Das hohe Alter des weltlichen Grundbesitzes, die Tatsache, daß es sich dabei weitgehend um Allodialbesitz5) handelt — daß die Grafen und sonstigen Beamten daneben mit Dienstgütern ausgestattet wurden, ist selbstverständlich —, trägt also ebenfalls mit dazu bei, daß uns nur ein so geringes urkundliches Material über diesen Besitz zur Verfügung steht. Das Material, das wir haben, stammt im wesentlichen aus geistlichen Traditionsurkunden, namentlich Fuldas, weniger zahlreich erhalten aus Hersfelder u. a. Besitz. Aus ihnen können wir 1) Vgl. Näheres unten S. 175. 2) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 23. — 3) DRONKE, Codex, Nr. 628. 4) H. BRUNNER, Die Landschenkungen usw., a. a. O., S. 1174ff. 5) Das W o r t allodium kommt, soweit ich sehe, zum erstenmal in der Urkunde DRONKE, Codex, Nr. 68 (zwischen 744 und 779 zu datieren) vor.
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aber auch nur z. T. Rückschlüsse auf den Besitz eines der Grundherren ziehen, weil ja in den meisten Fällen der Schenker nicht allen Besitz tradiert. Das war auch gar nicht möglich, weil er ja trotz der Schenkung weiter leben mußte, schon aus diesem Grunde also sich gar nicht von allem Besitz trennen konnte. Das wäre nur möglich gewesen, wenn er sich selbst für seine Person mit tradiert oder aber, wenn er in das Kloster tritt, und drittens, wenn er ohne Erben (namentlich also ohne Kinder) stirbt. Der erste Fall, Selbsttradition eines Grundherren (oder auch Bauern) spielt in unserem Gebiete keine Rolle1). Das gleiche gilt hinsichtlich der Männer für den Eintritt in das Kloster; nur hinsichtlich einiger Frauen ist eine Ausnahme festzustellen, wie z. B. für die unten S. 168 erwähnte EMHILT, die Nonne wurde und als Äbtissin das von ihr auf Eigengut gestiftete Kloster leitete. Der Fall, daß anscheinend kinderlose Erblasser das Kloster zum Erben ihres gesamten Besitzes einsetzten, ist auch einige Male vertreten2), aber als häufig kann er nicht bezeichnet werden. Vollkommen überwiegend sind also die Fälle, in denen Grundherren (mit oder ohne Rückgabe zu Leihbesitz) einen T e i l ihrer Güter tradieren. Auch wenn die Rede davon ist, daß der Schenker a l l e s gibt, was er an dem genannten Ort (oder den genannten Ortschaften) besitzt, muß stets, wenn nicht Rückgabe als Benefizium ausbedungen ist, daran gedacht werden, daß er dann eben noch in anderen Ortschaften Besitzungen hat, von denen er leben kann. All diese Fragen sind weiter unten noch näher zu behandeln, wenn es darum geht, die mit der Grundherrschaft zusammenhängenden Probleme aufzuhellen. Hier kommt es zunächst einmal darauf an, sich einen gewissen Eindruck zu verschaffen von der Größe des Besitzes, der sich in den Händen weltlicher Grundherren befindet. Es dürfte am zweckmäßigsten sein, hier zunächst einmal, um eine lebendige Vorstellung von der Größe des weltliches Großbesitzes dieser Zeit zu vermitteln, einige der wichtigsten uns erhaltenen Angaben aneinanderzureihen3). 1. Der erste weltliche Grundbesitz, von dem wir aus unserem Gebiete hören, ja der erste überhaupt, ist der schon mehrfach erwähnte Besitz des Thüringerherzogs H E D E N . Er schenkt gemeinsam mit seiner Gemahlin THEODRADA 7 0 4 an 1) Darüber ist oben S. 97 ff. noch Näheres gesagt. Codex, Nr. 466, 517, 553, 611. 3) Auch hier werden der Einfachheit halber lediglich die Nummern in D O B E NECKERS Regestenwerk angegeben, wo ja weitere Nachweise leicht nachgelesen werden können. 2) DRONKE,
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den Bischof W I L L I B R O R D von Utrecht seine Curtis zu Arnstadt mit allem Zubehör (Gebäuden, Feldern, Mancipien, Hirten, Vieh usw.), drei Höfe (casatas) bei der Mühlburg mit Unfreien, deren Vieh sowie 100 Tagewerke Ackerland, und schließlich auf der Curtis in Monra 7 Hufen, 7 Unfreie, 400 Tagewerke Ackerland, ein Drittel des zu der Curtis gehörigen Waldes, Wiesen mit 50 Fuder Ertrag, Hirten, Schweine und Kühe (Nr. 5). Man könnte annehmen, das sei sein ganzer Besitz, wenn man nicht wüßte, daß die Urkunde auf seinem Herzogssitz in Würzburg ausgestellt ist und er also hier weiter südlich auch noch Besitz haben mußte. Von einem Teil dieses weiteren Besitzes hören wir dann aus einer 12 Jahre später ausgestellten Urkunde (716), mit der er dem gleichen Bischof sein väterliches und mütterliches an der fränkischen Saale im Saalgau und zu Hammelburg gelegenes Erbgut schenkt (ohne nähere Größenangaben). (Nr. 7.) Wo sein sonstiger Besitz nach seinem Tode geblieben ist, bleibt unbekannt. 2. A L W A L A C H vermacht (zwischen 744 und 779) gegen lebenslänglichen Nießbrauch dem Kloster Fulda seinen Besitz; dieser liegt über 8 Gaue (teils außerhalb unseres Gebietes) hin verstreut in 22 verschiedenen Orten. Wenn auch über die Größe nichts gesagt ist, so zeugen diese wenigen Angaben doch für einen ausgedehnten Besitz (Nr. 42). 3. Graf M A T T O und sein Bruder M E G I N G O Z schenken 788 dem Kloster Fulda zur gleichen Bedingung einen Teil der ererbten Güter und sonstigen Besitz. Dieser liegt in 27 verschiedenen Dörfern durch mehrere Gaue hin verstreut (Nr. 57). 4 . Die Schenkung E G I L O F S an Fulda 7 9 5 betrifft den dritten Teil seiner ererbten Besitzungen in 15 verschiedenen Orten, die in 5 verschiedenen Gauen liegen (Nr. 59). Dazu vermacht er noch testamentarisch die Hälfte seiner Güter in einem weiteren Ort (Nr. 60). Also die erste Aufzählung umfaßt noch nicht einmal alle Orte, in denen er Besitz hat; ob die Liste mit der zweiten Schenkung erschöpft ist, vermag man nicht zu sagen. 5 . Im Jahr 801 schenkt A D E L H E R E , gleichfalls an Fulda, Güter die in 8 verschiedenen Dörfern liegen (Nr. 72). 6 . Die Güter E N G E L R I H S , die er 8 1 2 dem Kloster Fulda übereignet, verteilen sich auf 8 verschiedene Orte (Nr. 86). 7 . Die Schenkung, die R E G I N O L T i. J . 8 1 9 an Fulda macht, erstreckt sich über die Gaue Grabfeld, Volksfeld, Gozfeld und Weringgau (Nr. 109). 8. Die Güter, die nach dem Tode des Grafen Asis an Fulda kommen, liegen über mehr als 12 Orte verstreut (Nr. 165 u. 173). 9. Auf 33 Orte verteilen sich die Besitzungen, die Graf E R P H O dem Kloster Fulda und dem Bistum zu Würzburg vermacht (Nr. 222).
Auch Frauen finden wir in dem freien Besitz reicher Güter; auch dafür einige markante Beispiele: 1. Die Äbtissin E M H I L T schenkt dem Kloster Fulda die von ihren Eltern ererbten Besitzungen in 37 südthüringischen Orten sowie das von ihr erbaute Kloster Milz (Nr. 66). 2. Die Nonne S E S S A und ihre Schwester W A L T U N übergeben mit Vorbehalt lebenslänglicher Nutznießung dem Kloster ihre Güter in 5 verschiedenen Orten und 30 Unfreie (Nr. 63). 3 . 8 2 4 übergibt H I L T I B U R G dem Kloster Fulda 5 3 Mansen und 1 6 Unfreie in der Mark Sondheim v. d. Rh. und zu Nordheim im Baringgau und läßt im nächsten Jahre noch ihre Güter in 3 anderen Orten samt 20 Unfreien folgen (Nr. 132 u. 135).
— 4 . Der Besitz der vermacht, besteht aus 7 5. Die Schenkung familien von zusammen
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Nonne SIGILOUG, den sie auf Todesfall dem Kloster Fulda Hufen und 22 Mancipia (Nr. 140). der RETUN an Hersfeld umfaßt 15 Unfreien- und 15 Liten112 Köpfen mit 30 Hufen in mehreren Orten (Nr. 157).
Das mag genügen; es kann hier ja nicht darauf ankommen, eine irgendwie vollständige Liste der großen grundherrlichen Besitzungen unseres Gebietes zu geben, sondern nur einige charakteristische Beispiele sollen verdeutlichen, mit welch ausgedehntem grundherrlichen Besitz gerechnet werden muß. Dabei wissen wir bei derartigen Schenkungen zumeist gar nicht, wie groß der Besitz ist, den die Schenker sich noch zurückbehalten oder den sie bei anderer Gelegenheit vergeben haben oder der an Erben gegangen ist. Ja, es ist auch möglich, daß besonders reich begüterte Vornehme in diesen Schenkungsurkunden gar nicht auftauchen, weil sie ihren Besitz zusammenhalten. Auch dafür noch ein Beispiel: Als ganz besonders reich begütertes und mächtiges Geschlecht tritt in der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts ziemlich unvermittelt das nach L I U D O L F benannte Geschlecht in die Geschichte ein, also jene Familie, die berufen sein sollte, zunächst die Macht der Frankenkönige in Sachsen und Thüringen auszuschalten und dann mit 1 H E I N R I C H I. den Königsthron zu besteigen ). Im Besitz der sächsischen neugeschaffenen Herzogsgewalt und mehrerer Grafenämter griff es nach Thüringen über. In dem Hersfelder Zehntverzeichnis2) treten uns die folgenden Orte und Marken als in dem Besitz OTTOS 3 DES E R L A U C H T E N entgegen: Gazloheno marca (?) ), Mark Hassenhausen, Mark Lißdorf, Mark Rödigsdorf, Pamuchestorpheno marca (?), Albuuuinestat4), Alach5), Vuicstat (?), Lachstedt, Hol ( ?), Sacharedi6), Kirch-Scheidungen. Seit 901 bekleidete Herzog OTTO auch das Amt eines Laienabtes von Hersfeld und hat so seine Macht und wohl auch seinen Besitz in Thüringen erweitert7). Un1) Vgl. dazu 2) WEIRICH, 1,
Nr.
H A N S E B E R H A R D T , a. a. O., S. 7ff. Urkundenbuch Hersfeld, I , Nr. 3 7 7 ;
DOBENECKER,
Regesten,
287.
3) Das Fragezeichen (?) bedeutet, daß der Ort nicht feststellbar ist. 4 ) Nach D O B E N E C K E R ist an Alperstedt nicht zu denken, vielleicht ist Ammelstedt nordwestlich Rudolstadt zu verstehen. 5) Westlich Erfurt. 6) D O B E N E C K E R hält ein Verschreiben in der Urkunde für möglich und will an Dachrieden (AG. Mühlhausen) denken. 7) Vgl. die Bemerkungen von W E I R I C H ZU Nr. 37 und 39 des Urkundenbuchs Hersfeld. Um Derartiges zu verhüten, verliehen L U D W I G D A S K I N D 9 0 8 und K O N RAD I. 913 dem Kloster erneut freies Abtswahlrecht und Immunität (WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 39 und 40), was H E I N R I C H I. 925 bestätigte (Nr. 41).
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gefähr zu gleicher Zeit heiratete OTTOS Sohn, H E I N R I C H I . , in erster Ehe die reich begüterte Tochter H A T H E B U R G des Grafen E R W I N von Merseburg und vermehrte so, zumal er deren Erbgut auch nach der Trennung der Ehe behielt, das Besitztum seines Hauses, und ebenso durch die von H E I N R I C H als Herzog vorgenommene Einziehung der Güter des Erzbistums Mainz und der ihm feindlichen Grafen B U R C H A R D und BARDO1). Wären wir auch in diesem Falle nur auf Schenkungsurkunden angewiesen, so würden wir nicht entfernt eine Vorstellung von der Besitzfülle dieses Geschlechtes haben. Das reiche aus der fränkischen Zeit stammende Königsgut, das sich gerade in Nordthüringen findet, wurde nach der Thronbesteigung H E I N R I C H S I . mit dem Hausgute des Geschlechtes vereinigt und bildete jetzt einen einheitlichen, im einzelnen nicht mehr voneinander zu trennenden Block, bis dann später neue Zersplitterungen einsetzten. Was uns hier interessiert ist nun nicht die Tatsache des Aufstieges solcher zu Macht und Besitz gekommenen, teilweise schon seit Jahrhunderten zum hohen Grundadel zu zählenden Familien zu Landesherren (Dynasten), sondern wir sehen lediglich auf die Tatsache, daß wir in der ganzen hier behandelten Zeit ausgedehnten grundherrlichen Besitz in den Händen weltlicher Großer finden, der, da er in der Regel ausgedehnte Wälder oder Ödlandstrecken umschloß, die Tendenz zu weiterer Ausdehnung grundherrlicher Macht in sich trug, auf dem Wege der Rodung, Siedlung und Verlehnung. Denn so sehr G E O R G VON B E L O W mit seiner immer wieder temperamentvoll verfochtenen Ansicht Recht hat, daß die spätere Landesherrschaft sich nicht auf die Grundherrschaft, sondern auf die Gerichtsherrschaft gründet2), so sehr muß betont werden, daß K A R L D . G R . hatte Hersfeld bereits durch die Urkunde vom 5. Jan. 775 (Nr. 5/6) in seinen Schutz genommen und ihm das Recht der freien Abtswahl und Immunität verliehen. Doch enthielt dieses Privileg noch nicht die voll ausgebildete Immunität, es fehlte namentlich die Ausschaltung des öffentlichen Gerichtes. Das holte L U D W I G D . D E U T S C H E mit der Urkunde vom 3 1 . Okt. 8 4 3 nach (ebenda, Nr. 3 3 ) . Vgl. dazu auch P H . H A F N E R , a. a. O., S. 5f. u. 69, und E. H Ö L K , a. a. O., S. 20ff. 1) H A N S E B E R H A R D T , a. a. O . , S. 9 ; dies Ereignis fiel in die Zeit seines Konfliktes mit König K O N R A D . 2) G. v. B E L O W , Laüdständische Verfassung in Jülich und Berg, II, in „Zeitschrift d. bergischen Geschichtsvereins", Bd. 22, S. 46; Der Ursprung der Landeshoheit, in: Territorium und Stadt, 2. Aufl., München/Berlin 1923; Zur Frage nach dem Ursprung der ältesten deutschen Steuer, in „Mitteilungen d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung", Bd. 25, 1904, S. 455ff., bes. S. 461 ff.; vgl. auch v. B E L O W S Besprechung von L A M P R E C H T S „Wirtschaftsleben", in „Histor. Zeitschrift", Bd. 63, 1889, S. 294ff., bes. S. 296ff. usw.
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weitgehend ein ausgedehnter grundherrlicher Besitz erst die Vorbedingung dafür schuf, daß deren Besitzer gerichtsherrliche Rechte erhalten konnte (z. B. auf dem Wege über die Vogtei).
III. Die geistlichen Grundherrschaften. Vorbemerkung. Die geistlichen Grundherrschaften haben ihren Besitz auf dem Wege des Geschenkes erhalten. Besonders umfangreich waren an diesen Schenkungen andere Grundherren beteiligt, der König und weltliche Große. Soweit dies der Fall ist, ist mit der Tradition an ein kirchliches Stift keine Strukturänderung verbunden: an die Stelle eines großen Grundherren trat lediglich ein anderer1). Dank der Eigentümlichkeit des uns erhaltenen Urkundenmaterials sind wir über keine der beiden Gattungen des nichtköniglichen Großgrundbesitzes so gut unterrichtet wie über die hier zu behandelnden geistlichen Güter. Wenn wir an Hand dieser Quellen versuchen, einen ungefähren Überblick über die Größe des geistlichen Gutes in unserem Bezirk zu geben, so erhalten wir rückschließend infolge der Nennung des Schenkers in den Urkunden zugleich Kunde über diesen. Und in der Tat war ja auch der Überblick über den großen Bestand an weltlichem Herrenbesitz im vorhergehenden Abschnitt auf diesen Schenkungsurkunden aufgebaut, nur daß dort von dem Schenker ausgegangen war, während wir uns hier dem Beschenkten zuwenden. Die in der östlichen Reichshälfte gelegenen Klöster hatten Unterstützung namentlich des Königs ja besonders notwendig, wenn sie nicht hinter den reichen Stiftern der westlichen Reichshälfte für immer zurückbleiben sollten2). Als solche Gründungen kommen in unserem Gebiet für die Karolingerzeit fast ausschließlich die beiden großen Reichsabteien Hersfeld und Fulda in Frage3). 1) Vgl. dazu auch G. CARO, Die Hufe, a. a. O., S. 268. 2) Vgl. dazu auch B. STEINITZ, Die Organisation und Gruppierung der Krongüter unter KARL D. GR., a. a. O., S. 485. 3) Erst später treten immer mehr daneben. Für Thüringen in weiterem Umfange hat R. HERMANN in der „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", V I I I . Bd., 1871, ein genaues Verzeichnis der in diesem Gebiet vorkommenden Stifter, Klöster und Ordenshäuser geboten, soweit sie bei der Reformation vorhanden waren. In dem ersten Teilgebiet, das die Ernestinischen, Reußischen, Schwarzburgischen Lande sowie die preußischen Kreise Schmalkalden und Schleusingen umfaßt, weist seine Liste 121 Nummern auf, darunter 95 Klöster; das zweite Teilgebiet erstreckt sich auf die übrigen preußischen Gebiete, Mansfeld und Halle mit Saalkreis und weist 150 solcher Gründungen nach, darunter 100 Klöster. Allein
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Der sonstige kirchliche Besitz tritt demgegenüber, wie wir sehen werden, ganz in den Hintergrund. Besonders waren es die Könige, die diesen beiden Stiftungen ihre Gunst zuwandten und sie mit Geschenken und Privilegien auszeichneten1). Unter ihnen stand KARL D. GR. an erster Stelle.
1. Die Reichsabtei Hersfeld. Hersfeld war 7 6 8 oder 7 6 9 von LULLUS, Erzbischof von Mainz (als Nachfolger des BONIFATIUS), an der Stelle neubegründet worden, die STURMI ursprünglich i. J . 7 3 6 für eine Klostergründung in Besitz genommen hatte, als er von BONIFATIUS ausgesandt worden war, eine solche ausfindig zu machen. BONIFATIUS hatte diesen Ort wegen der Nähe der Sachsen, die weithin Einfälle in dieses Gebiet machten, aufgegeben und dann zunächst Fulda an seiner heutigen Stätte begründet. Der zuerst ausgesuchte Ort war Eigenland des LULLUS geworden, und auf diesen griff er wieder zurück, als er Fulda, auf das er zunächst Ansprüche erhoben hatte 2 ), aufgeben mußte8). dem Zisterzienserorden, der sich j a im besonderen mit Rodungen und Urbarmachungen abgab, gehörten im ersten Teil 31, im zweiten Teil 25 Klöster an. Hinsichtlich der weiter westlich und südlich gelegenen kirchlichen Gründungen vgl. P H . H A F N E R , a. a. O . , S. 126ff. Vgl. ferner im besonderen W I L H E L M D E R S C H , Hessisches Klosterbuch (Veröff. d. Histor. Kommission f. Hessen u. Waldeck, XII.), Marburg 1915, mit genauen Angaben über alle Stifte, Klöster und geistlichen Niederlassungen im Reg.-Bezirk Kassel, Provinz Oberhessen und Fürstentum Waldeck; ebenso A. H U Y S K E N S , Die Klöster der Landschaft an der Werra, Regesten und Urkunden (Veröff. d. Histor. Kommission f. Hessen u. Waldeck, I X , 1), Marburg 1916. 1 ) Das so bedeutsame Recht der freien Abtswahl hat K A R L D . G R . außer an Hersfeld und Fulda nur an Ansbach und Lorch verliehen (HAFNER, a. a. O., S. 6, Anm. 15). 2 ) J . G E G E N B A U R , Das Kloster Fulda, I, S . 2 8 ff. Zwei Jahre war L U L L U S auch tatsächlich vom König anerkannter Herr des Klosters gewesen, während S T U R M I in der Verbannung weilte. 3) Die klösterliche Ansiedlung des S T U R M I hatte gemäß der „Vita Sturmi" (Kap. 4) aus kleinen, mit Baumrinden bedeckten Zellen bestanden. Über die Ausgrabungen, die man 1922 durchgeführt hat, vgl. J . V O N D E R A U , Die Ausgrabungen an der Stiftskirche zu Hersfeld im Jahre 1922, in „Mein Heimatland", Bd. VI, 1923, Nr. 3, S. 12. Diese Niederlassung steht, „wie der Ausgrabungsbefund unwiderleglich zeigt", mit der eigentlichen Klostergründung im Zusammenhang, so daß P H . H A F N E R , a. a. O., S. 5 u. 138, sich nicht ohne Grund dafür einsetzt, das Jahr 736 als das der Gründung des Klosters anzusehen. Im übrigen hat an der Stätte des späteren Stifts Hersfeld schon in der jüngeren Lat&nezeit eine germanische Ansiedlung bestanden ( E L I S A B E T H Z I E G L E R , Das Territorium der Reichsabtei Hersfeld von seinen Anfängen bis zur hessischen Kreisordnung von 1821, phil. Diss. Marburg 1928, S. 1). Vgl. außer den genannten Schriften über die Gründungsvorgänge auch S. A B E L , Jahrbücher des Fränkischen Reiches unter K A R L D . GR., Bd. I, S. 157.
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übergab i. J . 7 7 5 das auf seinem Eigenland erbaute Kloster König K A R L 1 ) , der es in seinen Schutz nahm und mit Privilegien ausstattete4). Ihm wandte er bis an sein Lebensende seine ganz besondere Gunst zu. Von den 12 in Deutschland gelegenen Klöstern, die K A R L D. GR. überhaupt mit Gütern ausstattete, steht Hersfeld an der Spitze8). Und andere weltliche Große folgten ihm darin. Auch Kirchen und Kapellen wurden der Abtei geschenkt4). Ein auffallender Unterschied hinsichtlich der Lage dieser Güter ist gegenüber Fulda festzustellen: Lagen die Besitzungen dieses an sich ja noch reicheren Stiftes über ganz Deutschland hin verstreut, vom Bodensee bis an die Nordsee, so war Hersfeld mehr auf Mitteldeutschland beschränkt, und zwar im besonderen auf Thüringen. Der Besitz in Hessen trat demgegenüber ganz zurück, namentlich in der Karolingerzeit5). Beschränken wir uns nur auf Mitteldeutschland, d. h. auf das hier von uns untersuchte Gebiet, so fällt auf, daß Hersfelds Besitzungen und Rechte mehr im Norden und Osten Thüringens liegen, wie es denn auch später über die Saale hinübergriff, während Fulda mehr im Süden und Westen begütert ist; natürlich gibt es keine scharfe Trennungslinie, aber im großen gesehen verteilt sich so der Einfluß- und Machtbereich. LULLUS
Um uns eine gewisse Vorstellung von dem Grundbesitz und den grundherrlichen Rechten zu verschaffen, die Hersfeld in der Karolingerzeit besaß, stellen wir nachstehend die wichtigsten uns bekannten Schenkungen8) an diese Abtei ganz kurz zusammen, beginnend mit den königlichen Verleihungen. 1) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, Nr. 4, I. 2) Ebenda, Nr. 5/6. Vgl. hierzu ergänzend die Bemerkungen oben S. 169, Anm.7. 3) P H . H A F N E R , a . a . O . , S . 6 , A n m .
16.
4) So x. B. die reiche Kirche in Kölleda, die 802 von Grafen, wohl den Stiftern, an Hersfeld geschenkt wurde. Vgl. WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, N. 21; vgl. auch T H . KNOCHENHAUER, a . a . O . , S. 1 6 2 . Ferner die Kirche des heiligen W I G B E R T in Göllingen a. d. Wipper (ebenda, S. 162 f. u. 166). Weitere Kirchen sind in der folgenden Aufstellung (S. 174) unter Nr. 5 u. 6 genannt. 5) So auch ELISABETH ZIEGLER, a. a. O . , S . 3 ; T H . KNOCHENHAUER, a. a. O . , S. 167. Nur die Wetterau, die beiden Lahngaue und der Wormsgau sind neben Thüringen noch zu nennen. 6) Über dem archivalischen Material Hersfelds hat leider ein sehr unglücklicher Stern gewaltet. Ungeheuer viel ist verlorengegangen, namentlich fast alle Privaturkunden. Leider auch die alten Hersfelder Annalen, wenn diese sich auch z. T. aus anderen Quellen rekonstruieren lassen. Vgl. dazu PH. HAFNER, a. a. O., S. 79ff.; H. LORENZ, Die Annalen von Hersfeld, Leipzig 1885.
K A R L D. GR.
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schenkte an Hersfeld1):
im J a h r 1. 775 Den zehnten Teil der Villa S a l z u n g e n a. d. Werra mit Zubehör, insbesondere den Salzpfannen. Bisher gehörten diese Güter zum Lehensbesitz des Erzbischofs LULLUS (Nr. 7). 2. 775 Den Zehnten von Gebiet und Wald von dem Fiskalgute M i l i n g a östlich der Werra, meist als Mihla gedeutet (DOBENECKER)2), und von dem Fiskalgute T e n n s t e d t im Altgau (Nr. 8). 3.
775
4.
775
Den Zehnten von Feld und Wiesen des Fiskalgutes A p f e l s t e d t (?) 3 ), sowie von Feld, Wiesen, Wald und Wasser der von Franken bewohnten Villa M ü h l h a u s e n (Nr. 9). Den Zehnten von den Ländereien, Wald und Wiesen der Villen Z i m m e r n . G o t h a und H a s e l (Nr. 10). Alle diese Schenkungen (vorwiegend von Zehnt-Einkünften) fallen in das J a h r , in d e m KARL das i h m v o n LULLUS a u f g e t r a g e n e
Kloster
in seinen besonderen Schutz genommen hatte (Nr. 5/6). In den folgenden Jahren kamen hinzu: 5.
777
6.
779
7.
779
8.
780
9.
782
10.
786
Die Kirchen zu A l l s t e d t , R i e s t e d t und O s t e r h a u s e n samt dem ganzen Zehnten von Friesenfeld und Hassegau (Hochseegau) (Nr. 1.1). Die Peterskirche auf dem Fiskus L u p n i t z samt Zubehör (bisher Lehnbesitz von LULLUS), sowie den Zehnten von Flur und Wald des gleichen Gutes und die Hälfte der Fiskalzehnten von den Villen W ö l f i s und H o c h h e i m (Nr. 12). Ein Gut (Mansum dominicatum) in A u l a mit einem Waldbezirk im Umkreis von 2 leugae (Nr. 13)*). Den Zehnten, den die Grafen ALBERICH und MARKWARD in ihren Grafschaften im Hassegau (Hochseegau) von den freien Leuten („ab ingenuis hominibus") erhielten (Nr. 14). Zwei Unfreie, die in der Buchonia an der Geisa ansässig sind, mit ihrem Land (Nr. 17) 5 ). Die VUla D o r n d o r f a. W. samt Zubehör (Nr. 20).
1) Die Nummern hinter den einzelnen Posten bezeichnen die betr. Urkunde in WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld. E s stellt sich durch Vergleich mit den Angaben von STEINITZ, a . a . O . , S. 490ff. heraus, daß bei diesem mehrere Posten fehlen. Vgl. auch PAUL HÖFER, Die Frankenherrschaft in den Harzlandschaften, a . a. O., S. 115 ff. (erbietet, wenn auch in allzu strenger Abhängigkeit von RÜBEL, einen Überblick über die Besitzungen der Könige im Harzgebiet, allerdings nicht auf die Karolingerzeit beschränkt). Vgl. auch TH. KNOCHENHAUER, a. a. O., S. 157ff. 2) DOBENECKER, R e g e s t e n , I , N r . 3 4 .
STEINITZ, a . a . O . , S . 5 2 8 , d e n k t a n
Mellingen, das jetzt mit Creutzburg a. W . verschmolzen ist. Falsch ist auf jeden Fall die Deutung als Mellingen (zwischen Weimar und Jena), die u. a. STECHELE, a . a. O., S. 123 vertritt und der sich O. FÖRTSCH, Geschichte der Gemeinde Mellingen, Weimar 1898, S. 17, angeschlossen hat. 3) Im Text steht das Wort Apl.°,st; die Deutung auf Apfelstedt ist nicht sicher. Vgl. auch DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 35. In dem Brevarium St. Lulli wird aber Apfelstedt aufgeführt, was für diese Deutung spricht (s. unten). 4)
=
4,4 k m
(PH. HAFNER, a. a. O.,
S.
7).
5) „commanentes in silva Buchonia super fluviolo Geazaha."
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im Jahr Kaiser K A R L bestätigt seinerseits die Schenkung seines Dienstmannes weiland M A G I N F R E D , betreffend Güter zu K ö r n e r und zu S a l z a , die jener unberechtigterweise („ideo quia servus noster erat") getätigt hatte, und macht sie so rechtsgültig (Nr. 23). ca. 800 In dem großen Brevarium des LULLUS1) werden außerdem die folgenden Güter als von K A R L D . G R . geschenkt aufgeführt: 12. Die Villa G e b e s e e (mit 70 Hufen und 44 Mansen). 13. Die Villa W e c h m a r (mit 40 Hufen und 33 Mansen). 14. Die Villa B i s c h h a u s e n (mit 30 Hufen). 15. In dem gleichen Brevarium werden noch einzelne Hufen und Mansen in den folgenden Orten als von dem gleichen Herrscher geschenkt aufgeführt: Milinge*), Salzungen, Lupnitz, Mechterstedt, Sonneborn, Erfa (jetzt Friedrichswerth), Remstedt, Gotha, Sundhausen, Wölfis, Zimmern, Uffhausen, Molschieben, Apfelstedt, Curicheslebo (?), Rettbach (?), Frienstedt, Hochheim, Mulnhusun ( ? ) , Remda, Rudolstadt, Tennstedt, Brachstedt, Schwebba, Westari (?), Schwerstedt, Krautheim, Buttelstedt, Daasdorf, Buttstädt, Tüngeda, Schwabhausen, Kömer, Griefstedt, Kindelbrück, Helmbrahtesdorf (?), Ringleben, Voigtstedt, Artern, Edersleben, Kastedt, Borxleben, Brücken, Tilleda, Bretleben, Reinsdorf, Eberhardesdorf ( ? ) , Gehofen, Erineslebo ( ? ) , Dondorf, Hechendorf, Wiehe, Allerstedt, Wollmirstedt, Memleben, Häseler, Scheidungen und Bibra. 11.
802
In allen diesen Orten haben wir also älteren königlichen Besitz anzunehmen. Die folgenden Könige und Kaiser haben das Kloster Hersfeld, jedenfalls soweit die erhaltenen Urkunden darüber Auskunft geben, nicht weiter beschenkt. Aber daneben haben natürlich zahlreiche weltliche Große und wohl auch freie Bauern das Kloster mit Geschenken bedacht. In dem genannten Brevarium St. L U L L I ist der Gesamtbesitz Hersfelds z.Zt. der Abfassung (zwischen 802 und 815)3) mit 1095 Hufen und 698 Mansen aufgezählt; er verteilt sich auf 195 Ortschaften, von denen 132 Ortschaften mit 824 Hufen und 501 Mansen auf Thüringen ent1) Brevarium Sancti Lulli, abgedruckt von G. L A N D A U in „Zeitschrift d. Ver. f. hess. Geschichte u. Landesk.", 10. Bd., 1865, S. 184ff., neuester Druck bei W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 38. Vgl. dazu E D W A R D S C H R Ö D E R , Urkundenstudien eines Germanisten, „Mitteilungen d. Instit. f. österr. Geschichtsforschung", Bd. X X , 1899, S . 361 ff.; U. S T E C H E L E , Die 700—900 vorkommenden thüringischen Ortsnamen, „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", 9. Bd., 1878, S. 117ff.; D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 70; P H . H A F N E R , a. a. O., S. 11 ff.; E L I S . Z I E G L E R , a. a. O., S. 3 f . Uber die Unterscheidung von Hufen und Mansen vgl. meinen Aufsatz „Hufe und Mansus usw.", in „Vierteljahrschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte", 30. Bd., 1937, Heft 2. Wo die Namensdeutung unsicher ist, ist oben die urkundliche Form mit einem Fragezeichen eingesetzt. 2) Wohl identisch mit dem Milinga in der Schenkung oben Nr. 2. So auf Grund ausführlicher Untersuchungen W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I, S. 70. Um 900 ist wahrscheinlich eine Überarbeitung erfolgt. 3)
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fallen1). Privaturkunden aus unserem Gebiet sind ja leider so gut wie gar nicht erhalten. Als wichtigste ist die zwischen 835 und 863 zu datierende Schenkung der Retun von 15 Liten- und 15 Unfreienfamilien mit je einer Hufe zu nennen2). Eine gewaltige Vergrößerung erfuhr der Hersfelder Besitz durch die Übergabe des ganzen Klosters Memleben mit dessen gesamten Liegenschaften und sonstigem Besitz i. J. 1015 durch Kaiser HEINRICH II. 8 ). Eine große Anzahl von Ortschaften aus dem nordöstlichen Thüringen (Friesenfeld), die Hersfeld zehntpflichtig sind, wird uns in dem Hersfelder Zehntverzeichnis genannt4). Wir erhalten daraus einen Eindruck davon, wie stark die Position Hersfelds in diesem Gebiete war. 2. Die Reichsabtei Fulda. Das Kloster Fulda wurde 7 4 4 von STURMI im Auftrage des „in eremo" errichtet, nachdem die von ersterem ausgesuchte Stelle (auf der später Hersfeld erstand) wieder aufgegeben war5). Die materielle Grundlage bildete die Schenkung KARLMANNS, die eine große Mark aus dem gewaltigen Buchenwalde, der den ganzen Südwesten unseres Gebietes bedeckte, herausschnitt8), und so das Fundament für diese bedeutende Stiftung legte, das von BONIFATIUS besonders begünstigt wurde, und, da sich sein Grab hier befand, später ungemein reichlich von allen Teilen Deutschlands aus bedacht wurde7). Des BONIFATIUS Nachfolger als Erzbischof von Mainz, LULLUS, schenkte BONIFATIUS
1) I,
Nr.
PH. HAFNER,
a . a . O . , S.
12.
2) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 35; DOBENECKER, Regesten, 157.
3) WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 82. Über diesen schwer erklärbaren Vorgang vgl. KNOCHENHAUER, a. a. O., S. 160f. Vgl. neuerdings die Schrift: Das tausendjährige Memleben (Forschungen zur thür.-sächs. Geschichte, Heft 11), Halle 1936. 4) Ebenda, Nr. 37. Vgl. dazu P. GRÖSSLER, in „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", Bd. VII, 1874; HÖLK, a. a. O., S. 76 passim; DOBENECKER, Regesten, I, N r . 2 8 7 .
5) Die Quelle für diese Vorgänge ist die „Vita Sturmi" des EIGIL. Vgl. JAKOB GEGENBAUR, Die Gründung Fuldas, in „Jahresbericht über das kgl. Gymnasium zu Fulda", 12.—13. April 1878, Fulda 1878. Ausführlich darüber auch KARL RÜBEL, Die Franken, S. 42ff. 6) Grenzbeschreibung dieser Fuldaer Mark u. a. bei J . GEGENBAUR, Das Kloster Fulda, II, S. 16ff. und speziell S. 30ff., sowie bei STENGEL, Urkundenbuch des Klosters Fulda, I, Nr. 5. Ebenda S. 1, Anm., Grenzbeschreibung der Buchonia. Auf die Übertragung etwaiger Eigentumsansprüche der Großen des Grabfeldes an dieser Mark wird unten S. 309 in anderem Zusammenhang kurz eingegangen. 7 ) V g l . a u c h TH. KNOCHENHAUER, a . a . O., S. 1 6 8 f .
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Fulda zu seinem ewigen Gedächtnis 785 seine (zusammengekauften) Besitzungen in Vargula (an der Unstrut) und bewog seine vier dort ansässigen Getreuen (nobilissimi viri) WALTO, REGINOLD, WARMUND und BURCHARD, ihre gleichfalls in der Mark Vargula („in confinio") gelegenen Güter dem Kloster zu schenken1). Das ist nur eine von vielen hunderten von Schenkungen, die dieser Abtei zuflössen. Unmöglich ist es, hier auch nur einen Auszug aus diesen zahlreichen Traditionen zu bringen, die im Einzelfall von ausgedehntem Großbesitz bis zu wenigen Joch reichten2). Einige besonders große grundherrliche Schenkungen waren bereits oben S. 167ff. in anderem Zusammenhange aufgeführt. Wir beschränken uns darauf, nachstehend wenigstens die Schenkungen der Könige aus unserem Gebiet zusammenzutragen, um einmal Fulda gegenüber Hersfeld nicht hintanzustellen, und um andererseits auf diese Weise zugleich unseren Überblick über den Umfang der Besitzungen, die der König ursprünglich hier hatte, zu vervollständigen. Im Gegensatz zu Hersfeld war es nicht nur KARL D. GR., der seine milde Hand auftat, sondern mehrere seiner Nachfolger eiferten ihm nach. Im Jahr ca. 7 4 4
1.
2. 3.
K A R L M A N N schenkte außer der Mark Fulda noch sein Eigengut G e r s t u n g e n mit Zubehör und Unfreien 3 ). Es folgen dann die Schenkungen K A R L S D . G R . : 777 H a m m e l b u r g im fränkischen Saalgau mit den dazu gehörigen A s c h e n b a c h , D i e b a c h (Thyupfbach) und E r t h a l (Nr. 38) 4 ). 776—779 schenkt er den „locum" W e s t e r a mit den Salzquellen und unfreien Salzarbeitern und sonstigen Rechten (Nr. 44).
1 ) D R O N K E , Codex, Nr. 75. 2) Das Fuldaer Urkundenmaterial gehört zu den umfangreichsten und wertvollsten Sammlungen, die wir überhaupt haben. Der Codex von D R O N K E umfaßt 872 Nummern, davon entfallen 728 in das 8. und 9. Jahrhundert, überwiegend Traditionsurkunden. Und dabei ist nur ein Teil der Schätze erhalten. Die Originalurkunden sind zwar zumeist verloren, aber bereits im Anfang des 9. Jahrhunderts wurde der gewaltige Stoff in Abschriften in großen Kartularen gesammelt. Von diesen ist uns einer in der Urschrift erhalten, zwei andere vor dem Untergang von P I S T O R I U S durch Druck gerettet. Die untergegangenen Bände enthielten ungefähr die doppelte Anzahl von Urkunden, wie die drei uns erhaltenen Bände. Vgl. dazu E D M U N D E . S T E N G E L , Fuldensia, ,,Arch. f. Urkundenforschung", 7. Bd., 1921, S. 2ff. Als wichtiges Quellenwerk für die Frühzeit Fuldas vgl. namentlich J A K O B G E G E N B A U R , Das Kloster Fulda im Karolinger-Zeitalter, 2 Bücher, 1871—1874. 3 ) D R O N K E , Trad., Kap. 3 9 , Nr. 7 9 ; D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 25; T H . K N O C H E N H A U E R , a. a. O . , S. 1 6 9 , schiebt diese Schenkung L U D W I G D . D . zu; das ist unrichtig, da die in Frage kommende Urkunde, wie D O P S C H nachgewiesen hat, gefälscht ist (vgl. dazu D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 25, Anm. 1 ) . 4) Für die Deutung von Thyupfbach als Diebach spricht sich S T E N G E L , Urkundenbuch Fulda, I, Nr. 77, aus. Das Protokoll über die Vestitur vom 8. Okt. 777 gibt eine genaue Grenzbeschreibung (abgedruckt ebenda, Nr. 83). Lfitge, Agrarverfassung. 12
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Im Jahr 4. 781 Villa R o s t o r p 1 ) . 5. 781 Besitz in H ü n f e l d („campo qui dicitur Unofeit cum silvis suis")*). 6. Auf K A R L D. G R . geht auch die Schenkung des „locus" H ü n f e l d „cum terminis ac mancipiis suis" zurück"). Die Schenkungen von Königsgut an Fulda brechen nun aber nicht, wie bei Hersfeld, mit K A R L D. G R . ab. L U D W I G D . F R . schenkt: 7. 839 Die Villen G e i s m a r und B o r s c h mit ihren Fluren (Nr. 178)*). 8. vor 840 Die Villa S a l z u n g e n (Nr. 186)s)»). 9. 814—817 Im Tausch gegen Ipistat a. Rh. gibt L U D W I G dem Kloster Fulda die drei „villicationes" zu V a c h a , G e i s a und S p a h l (Nr. 98 u. 99). L U D W I G D E R D E U T S C H E schenkt: 10. 849 Dem Vorstand der Klosterschule Fulda, der gleichzeitig Beichtvater des Königs ist, und seinen Nachfolgern die Kolonen, die auf Fuldaer Land sitzen, aber an den Königshof Zins zahlen, sowie den von diesen gezahlten Zins (Nr. 197). 11. 845 Derselbe tauscht königliche Güter, die in der Mark E i t e r f e l d (Kreis Hünfeld) liegen, gegen andere Güter an Fulda ein, bestimmt aber, daß diese nach seinem Tode an das Kloster fallen sollen (Nr. 194). 12.
885
13.
897
Kaiser K A R L D E R D I C K E schenkt: Die Besitzungen zu B e c h s t e d t , die sein Vasall M E G I N W A R D bisher zu Lehen gehabt hatte (Nr. 268). Kaiser A R N U L F bestätigt : einen zwischen Fulda und seinem lieben Grafen C H U N R A D geschlossenen Vertrag, nach welchem die im Eichsfeldischen in den Fluren von Amm e r n , G ö r m a r und den Orten L e n g e f e l d , E m i l i n h u s e n (Wüstung bei Mühlhausen), D i e d o r f und D a c h r i e d e n gelegenen königlichen Lehngüter (gegen Übergabe anderer, entfernt liegender Güter) an das Kloster kommen (Nr. 284).
König K O N R A D schenkt: Drei Königshufen zu H e l m e r s h a u s e n im Gau Grabfeld und das ehemalige Lehensgüt des R A M U O L T in der Mark P f e r s d o r f (Nr. 3 1 7 ) . 14. 912 Den Königshof (curtis) T r e b r a mit Gebäuden, Unfreien, Land usw. (Nr. 3 1 8 ) . 15. vor918 Die von seinen Eltern ererbten Güter zu H a i n a und S ö m m e r d a mit allem Zubehör (Nr. 237). 14.
912
1) Es kommen mehrere Roßdorf in Frage. 2) Mon. Germ.Hist., Dipl. Karol. I (1906), Nr. 139. S T E I N I T Z , a . a . O . , S . 500. 3) D R O N K E , Trad. et ant., Kap. 39, Nr. 147; vgl. a. B Ö H M E R - M Ü H L B A C H E R , Regesten (1809), Nr. 248. Womöglich handelt es sich dabei um die vorstehend genannte Schenkung. 4) Sie stammen beide aus dem Lehnsgut des Grafen P O P P O ; es handelt sich um den oben S. 165, Anm. 6 geschilderten Zusammenhang. 5 ) War bisher Lehnsgut des Vasallen S I G I F R E D . 6) Einer gefälschten Urkunde gemäß hat L U D W I G D . F R . in den letzten Jahren seines Lebens dem Kloster Johannisberg bei Fulda (zur Abtei gehörend) seine Villa U r s p r i n g e n geschenkt. Es sei dahingestellt, ob der Vorgang als solcher wahr ist, deswegen mag lediglich anmerkungsweise auf diese Urkunde verwiesen werden ( D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 1 8 4 ) .
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179
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Diese königlichen Schenkungen sind, wie gesagt, nur ein kleiner Ausschnitt. Neben dem Kaiser schenkten und vererbten Grafen und Edle, Männer und Frauen, Priester und Nonnen, Bauern und Grundherren, Freie und Vasallen; die tradierten Besitzungen bestehen in Kirchen und Kapellen, in Feld und Wald, Weiden und Wiesen, in Mühlen und Fischteichen, in Hofstätten und Gebäuden, teils mit teils ohne dazugehörige Mancipia, öfter auch Mancipia ohne Landbesitz. Nicht selten sind es Capturen, die geschenkt werden, ein Beweis dafür, in welchem Ausmaße es freies Siedlungsland war, das in den Besitz der Abtei überging und von ihr dann mit abhängigen Bauern besetzt wurde. Man schenkte mit sofortiger Wirkung oder mit Nießbrauchvorbehalt, mit und ohne sonstige Auflagen. KNOCHENHAUER meint, und das sicher nicht zu Unrecht, daß die Angabe des Mönches EBERHARD, der Besitz Fuldas in Thüringen hätte sich auf 3000 Mansen beziffert, für die sächsische Zeit eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sei1). In der Tat kann man sich die Wirtschaftsmacht (und auch die politische Machtstellung) dieser Abtei schon in der späteren Karolingerzeit kaum richtig vorstellen, eine Wirtschaftsmacht, angewachsen in wenigen Jahrzehnten, die sich ja keineswegs auf den Bereich der Landwirtschaft allein beschränkte, wenn dies natürlich auch die Grundlage war. Das Schwergewicht dieses gewaltigen Baues lag in dem Südwesten unseres Gebietes und beruhte auf den Schenkungen, die von allen Seiten kamen. Wie sehr übrigens die Entwicklung einer geistlichen Gründung davon abhängig war, daß bald größere Stiftungen einsetzten, beweist, um noch außer dem unten erwähnten Kloster Ohrdruf eine andere Stiftung des BONIFATIUS heranzuziehen, z. B . die Geschichte des Bistums Eichstätt in Bayern, das sehr stiefmütterlich behandelt wurde und sich nur langsam behaupten und durchsetzen konnte und noch heute das kleinste aller deutschen Bistümer ist2). 3. Das Kloster Ohrdruf. Stehen also, um zu unserem Gebiete zurückzukehren, im 8./9. Jahrhundert auch Hersfeld und Fulda unbestritten mit weitem Abstand im Vordergrunde und sind so Träger des wesentlichen Teiles der geistlichen Siedlungstätigkeit, so ist es doch nicht angängig, die anderen geistlichen Grundherren ganz zu übersehen. 1) T H .
KNOCHENHAUER,
a. a. O.,
S.
170.
2) HERMANN NOTTARP, Die Bistumserrichtung in Deutschland im 8. Jahrhundert. (Kirchenrechtliche Abhandlungen, 96. Heft.) Stuttgart 1920, S. 84—86. 12*
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180
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Da ist z. B. das älteste der thüringischen Klöster überhaupt, Ohrdruf, von BONIFATIUS gleich nach seiner Ankunft in Thüringen erbaut (724 oder 725). Den Grund und Boden dafür hatten zwei thüringische Edle, HUGO und ALBOLD, gespendet1) 2). Es handelt sich dabei um ,,die erste Bildungsstätte", wie RETTBERG sagt, „für die thüringische Geistlichkeit. Aber es ist auffallend, wie wenig wir in der Folge von der Hauptstiftung des großen Schotten in Thüringen hören"3). Der Erzbischof LULLUS weiht zwar noch 7 7 7 die Ohrdrufer Kirche zu Ehren des heiligen PETRUS4). Sonst aber sind die Nachrichten, die uns über Ohrdruf erhalten sind, sehr spärlich. In dem Brevarium des LULLUS5) finden wir es bereits als in hersfeldischen Besitz übergegangen, bezeichnet als „cellula", die mit 8 Hufen von Privaten (Freien) an Hersfeld geschenkt worden sei. Diese Schenker dürften wohl die beiden Obengenannten sein; sie hatten die Stiftung also als Eigenkloster begründet und betrachtet und konnten so darüber verfügen, nicht die geistliche Stelle6). Weitere Schenkungen in Ohrdruf selbst innerhalb unserer Zeit kommen nicht mehr vor. Noch Ende des 12. Jahrhunderts wird es uns als Hersfeldische Abtei bezeichnet, aber zu irgendeiner Bedeutung ist es nie gekommen7). 4. Das Bistum Erfurt. Die zweite der beiden ältesten geistlichen Gründungen in Thüringen, nämlich Erfurt, hat in mancher Hinsicht ein ähnliches Los gehabt. 1 ) R U D . H E R R M A N N , a. a. O . , S. 29; A. H A U C K , Kirchengeschichte Deutschlands, I. Teil, 6. Tausend, Leipzig 1922, S. 445. Der oben genannte A L B O L D ist sicher identisch mit jenem A L V O L D , den Papst G R E G O R II. in seinem an ihn und andere treugläubige Thüringer am 1. Dez. 722 gerichteten Brief erwähnt hatte ( D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 10). A L B O L D S Name ist womöglich in Alboldrode (jetzt Reifenstein) erhalten. Vgl. dazu oben S. 87, Anm. 1. 2) Gleichzeitig wurde eine Kirche in Altenberga in der Flur Asolverode errichtet; dies beides wären also die ältesten Kirchen nördlich des Waldes ( S T U H L F A U T H , a. a. O., S. 31.) Aisoverode (Alsoveroth) ist der frühere Name des heutigen Georgenthal. In diesem Namen ist womöglich der des Edlen A S U L F erhalten, der gleichfalls zu den Männern zählte, an die G R E G O R II. den in der vorigen Anmerkung erwähnten Brief gerichtet hatte. (Vgl. auch darüber D O B E N E C K E R , ebenda, im Anschluß an KOCH, „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", Bd. VI, S. 34f.) Vgl. auch hier oben S. 87, Anm. 1 3) T H . KNOCHENHAUER, a . a. O . , S.
4)
DOBENECKER,
6)
RUD.
157.
Regesten, I , Nr. 40a; T H . K N O C H E N H A U E R , a. a. O . , S . 1 5 7 . ; R U D . H E R R M A N N vermutet a. a. O . , S. 5 9 , daß das Chorherrenstift zu St. Peter in Ohrdruf, von dem wir urkundlich erst 1156 hören, auf diese Zeit zurückgeht. 5) W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I , Nr. 70. HERRMANN,
a. a. O.,
S. 2 9 f .
—
7) T H . K N O C H E N H A U E R ,
S.
157.
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181
—
Nach einer Urkunde, deren formale Echtheit wohl mit Recht in Zweifel gezogen wird1), hat der Merovingerkönig DAGOBERT III. (711—716) im Jahre 711 auf dem Petersberge bei Erfurt ein Kloster gegründet, das er reich begabte („omnia quae habuit in Thuringia sancto Petro fratribusque ibidem deo servientibus tradidit"). Die merovingische Stiftung des Erfurter Petersklosters war in der mittelalterlichen Erfurter Überlieferung unbezweifelt2). Später wurde sie jedoch mit nicht ungewichtigen Argumenten bestritten8). Es dürfte aber doch wohl richtig sein, im Anschluß an NOTTARP davon auszugehen, daß die Gründung in diese Zeit zu verlegen ist, trotzdem die uns erhaltene Urkunde zweifellos gefälscht ist4). Die spätere Gründung durch Erzbischof SIEGFRIED von Mainz (1060) ist nur als Reformierung im Sinne der Hirschauer Regel aufzufassen5). Aus der gleichen merovingischen Zeit „stammt möglicherweise auch das Frauenkloster St. Paul auf dem Severihof, das erstmals im 9. Jahrhundert erwähnt wird" 6). So wäre nach dieser wahrscheinlich zutreffendsten Deutung der spärlichen ältesten Quellen die Lage gewesen, als BONIFATIUS als Missionsbischof nach Hessen und Thüringen kam und zunächst die Klöster Amöneburg und Fritzlar in Hessen und Ohrdruf in Thüringen gründete. Erst später, nachdem längere Verhandlungen mit dem Papst voraufgegangen waren, erfolgte dann die Gründung des Bistums Erfurt7). Die Grenzen dieses neuen Bistums deckten sich mit der thüringischen Stammesgrenze, gebildet im Norden durch Unstrut, Helme und Harz, im Süden durch die Nordgrenze des Bistums Würzburg, die 1) D O B E N E C K E R , R e g e s t e n , I , N r . 6 . ; K .
ZIERFUSS, a . a . O . , S . 6 f .
2) N O T T A R P , a . a . O . , S . 89.
3) Auch von NICOLAUS VON SIEGEN. Aber doch ist die Ablehnung des hohen Alters, zu der sich TH. KNOCHENHAUER, a.a. O., S. 155, veranlaßt sieht, unberechtigt. 4) NOTTARP, a. a. O., S. 90. Es kommt ja oft vor, daß durch eine zurechtgemachte oder völlig gefälschte Urkunde nur etwas schriftlich „bewiesen" werden sollte, was tatsächlich vorhanden war und worüber nur keine Urkunde, dieses so ungeheuer hoch eingeschätzte Beweismittel, vorlag. 5) Vgl. hierzu auch G. KRAUTH, Das merovingische Alter des Petersklosters zu Erfurt, in „Jahresbericht des Realgymnasiums zu Erfurt", 1911—1912; MAX PAUL BERTRAM, Die ältesten Spuren der Erfurter Benediktiner in Thüringen, in „Zeitschrift d. Ver. f. Kirchengeschichte d. Prov. Sachsen", VII, 1910, S. 197f.; DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 1458; RUD. HERRMANN, Thüringische Kirchengeschichte, S. 25, hat sich auch dieser Ansicht angeschlossen. 6) NOTTARP, a. a. O., S. 90. legt R U D .
Daß es sich um ein Frauenkloster handelt,
H E R R M A N N , a . a . O . , S . 30, d a r .
7 ) D O B E N E C K E R , R e g e s t e n , I , N r . 16, 18, 20, 23. V g l . a u c h M I C H A E L T A N G L ,
Das Bistum Erfurt, in „Geschichtliche Studien", HAUCK zum 70. Geburtstage gewidmet, Leipzig 1916, S. 108ff; K. ZIERFUSS, a. a. O., S. 7.
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182
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südlich Salzungen-Dorndorf-Vacha verlief, im Osten durch die Grenze gegenüber dem heidnischen Slavenlande. Unklar ist nur, ob im Nordwesten das Eichsfeld zu Erfurt oder Buraburg gehörte1). Es ist als sicher anzunehmen, daß das Peterskloster der Sitz des Bischofs wurde. Schon die Tatsache, daß sonst keinerlei Dotierung erfolgte, die ja notwendig und auch sonst überall nachzuweisen ist, spricht dafür, ebenso die mittelalterliche Überlieferung 2 ). Die Gründe, die zur Wiederaufhebung und Vereinigung mit Mainz führten, sind nicht eindeutig zu erkennen. Während R U D O L F H E R R M A N N die Ansicht vertritt, daß B O N I F A T I U S selbst die Einziehung kurz vor seinem Tode vorgenommen habe, um, da sein Nachfolger L U L L U S nach der Lage der Dinge lediglich auf Mainz beschränkt sein würde, die beiden Bistümer Buraburg und Erfurt durch Einverleibung vor dem Schicksal zu bewahren, in die Hände von verweltlichten, reformfeindlichen Bischöfen zu fallen3), geht die Meinung anderer dahin, daß L U L L U S selbst das gerade verwaiste Erfurt (und ebenso Buraburg) eingezogen habe 4 ). Für unser Problem ist es gleichgültig, wie einst diese Frage beantwortet werden wird, denn das Schicksal des Grundbesitzes, den Erfurt besaß, steht eindeutig fest: „Die reichen Schenkungen, die hier für kirchliche Zwecke gemacht waren, flössen teils dem K o l l e g i a t s t i f t zu St. M a r i e n 5 ) in Erfurt, teils unmittelbar dem E r z s t i f t Mainz zu" 6 ). So kam es also, daß das Bistum zwar unterging, aber der große, zu Anfang aus königlichen Schenkungen stammende Landbesitz des alten Klosters zum größten Teil an Mainz fiel und die Grundlage abgab für eine große grundherrliche Organisation hier im Herzen Thüringens. Außer bei Erfurt finden wir das Erzstift begütert bei Weimar, Mühlhausen, Langensalza, Sondershausen und im Eichsfeld 7 ), ebenso in Monra8) und überhaupt mit Streubesitz im nördlichen Thüringen9). 1) R U D . H E R R M A N N , a. a. O., S. 33. Auf Grund der kümmerlichen und wenig tragfähigen urkundlichen Grundlage ist die Existenz dieses Bistums häufig angezweifelt worden, so auch noch von P H . H A F N E R , a. a. O., S. 12. Aber die Frage ist jetzt wohl endgültig im positiven Sinne entschieden. 2)
NOTTARP,
a.
a.
O.,
S. 1 0 4 .
4)
NOTTARP,
a.
a.
O.,
S. 1 1 0 f .
5)
Die höchst wahrscheinlich von
6) E . DEVRIENT, a . a . O., S. 1 5 .
—
3)
RUD.
BONIFATIUS
HERRMANN,
a . a. O.,
S.
31.
begründete Domkirche zu Erfurt.
R U D . HERRMANN, a. a. O., S . 32.
Bis
zum
Reichsdeputationshauptschluß 1803 gehörte das „Fürstentum" Erfurt zum Kurfürstentum Mainz. Vgl. auch M A N F R E D S T I M M I N G , Die Entstehung des weltlichen Territoriums des Erzbistums Mainz. (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, I I I . ) Darmstadt 1915. — 7 ) S C H N E I D E R - T I L L E , a. a. O . , S . 6. 8) Vgl. unten S. 186 Anm. 3. — 9) R U D . H E R R M A N N , S. 4 4 .
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183
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5. Weitere alte Klöster. Weitere Klöster, die in der karolingischen Zeit erwähnt werden, sind R o h r (östlich Meiningen), das durch den Grafen CHRISTIAN und seine Gemahlin zwischen 815 und 824 auf Königsgut begründet wurde1); bis 867 wird es mehrfach erwähnt und ist dann verschwunden2). Im Jahr 813 wird eine Urkunde im Kloster F i s c h b a c h (an der Felda, Amt Kaltennordheim) ausgestellt, womit unser Wissen um diese Gründung erschöpft ist3). Schließlich wäre noch das Kloster Milz im Süden des Thüringer Waldes aufzuführen, das von der Äbtissin E M H I L T begründet4) und 783 und später reich bedacht wurde, und das 800 an das Kloster Fulda überging5). Hier werden uns die alle in der Gegend RömhildMeiningen usw. gelegenen Ortschaften Milz, Hendungen, Höchheim, Sülzdorf, Jüchsen, Berkach, Wielantesheim, Hellingen, Behningen Römhild, Hindfeld, Döringstadt (?), Widarogeltesstat (?), Themar, Beinerstadt, Trostadt, Dingsleben, Streufdorf, Norddorf, Seidingstadt, Greisdorf, Eßfeld, Euershausen, Herbstadt, Ottelmannshausen, Irmelshausen, Gerwiheshus (wohl Wüstung Germeishausen), Wichtshausen, Wullinastat (?) und Grimdeostat (?) genannt. Es ist ein großer grundherrlicher Streubesitz, der hier geschlossen aus weltlicher in geistliche Hand übergeht. Doch hören wir später nie wieder etwas von diesem Kloster. Es wird wohl von Fulda eingezogen sein6). Wir sehen also, daß alle sonstigen Klostergründungen dieser Zeit wieder eingegangen sind, überschattet und dann aufgesogen von den beiden Reichsabteien Hersfeld und Fulda, woraus ihre überragende Bedeutung als Grundherrschaften zur Genüge hervorgeht. Noch in der sächsischen Zeit hielt dieser Expansionsdrang dieser beiden Stifte an, wie das Schicksal der Klöster Göllingen und Memleben beweist. 1)
R U D . HERRMANN, a . a . O . , S . 5 9 f .
2) DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 134, 1 7 5 u. 2 3 9 .
(DRONKE, Codex, Nr. 4 5 3 ,
516, 598). Im 1. und 3. Fall ist Kl. Rohr nur Ausstellungsort einer Urkunde, im 2. Fall läßt der Abt von Fulda zwei Mägde frei gegen die Verpflichtung, einen jährlichen Zins an Kl. Rohr zu zahlen, woraus wohl auf eine enge Abhängigkeit Rohrs von Fulda zu schließen ist. Vgl. auch TH. KNOCHENHAUER, a. a. O., S. 166. 3) RUD. HERRMANN, ebendort. Vermutlich ist es von Fulda oder Würzburg übernommen. 4) „quod ego ipsa propria labore construxi et aedificavi." DRONKE, Codex, Nr. 157. 5) DOBENECKER, R e g e s t e n , I, N r . 4 8 u. 6 6 ; die B e s t ä t i g u n g s u r k u n d e KARLS
D.GR., ebd., Nr.67, ist gefälscht; es sei daher auf die Aufführung der hier noch zusätzlich genannten Ortschaften verzichtet. Vgl. auch KNOCHENHAUER, a. a. O., S. 166. 6)
R U D . HERRMANN, a . a . O . , S .
59.
—
184
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Der Hauptgrund für dieses Zurücktreten der meisten geistlichen Gründungen gegenüber Fulda und Hersfeld ist wohl darin zu erblicken, daß es jenen nicht gelang, die Gunst der karolingischen Herrscher zu erringen1). Ohrdruf wurde zur Zeit K A R L M A R T E L L S begründet; zwischen ihm und B O N I F A T I U S bestand aber aus politischen Gründen ein recht kühles Verhältnis, so daß er sich um diese Gründung nicht kümmerte2). Auch die anderen frühen Gründungen blieben gleichsam private Angelegenheiten und gingen daran wieder zugrunde. Die Zeit, in der Klöster von Dynastenfamilien begründet und ausreichend dotiert wurden, war noch nicht gekommen. Das Schicksal Erfurts wurde durch die erwähnten Sonderverhältnisse bestimmt. So blieben Fulda und Hersfeld als ganz überragende geistliche Grundherren übrig.
6. Grundbesitz auswärtiger Kirchen und Klöster. Unter den auswärtigen kirchlichen Stiftungen, denen wir in dieser Zeit als Grundherren in unserem Gebiete begegnen, seien noch W ü r z b u r g , R e i m s , C o r v e y , C h a l o n s , E c h t e r n a c h und G a n d e r s h e i m erwähnt. Das W ü r z b u r g e r Gebiet war bei der Ankunft des B O N I FATIUS, der 722 zum Bischof von Ostfranken geweiht war, schon in gewissem Ausmaße christlich, wenn er auch erst i. J . 741 das Bistum errichtete. In der Herzogsburg auf dem Frauenberg in Würzburg stand eine Marienkirche3); Martins- und Remigiuskirchen in diesen Landstrichen, so z. B. auch in Mellrichstadt, Hammelburg, Sonderhofen, gehen wohl auch auf diese frühe Zeit zurück4). Hier bestand überall wohl kleinerer kirchlicher Besitz. Würzburg selbst bzw. die Domkirche wurde bei der Begründung des Bistums durch K A R L MANN reich dotiert; 2 6 königliche Güter zählt die Urkunde auf 5 ), die aber zu einem großen Teil aus unserem Gebiet herausfallen. Im Radenzgau wird Hallstadt genannt, das jetzt also würzburgisch 1) Wie sehr dies für diese Zeit notwendig war, sahen wir bereits oben S. 171 ff. 2) A. HAUCK, Kirchengeschichte Deutschlands, I. Teil, S. 449. Den Grund sieht H A U C K wohl zutreffend in dem harten Tadel des B O N I F A T I U S an den kirchlichen Zuständen im Frankenreich. So mußte sich B O N I F A T I U S „mit den geringen Hilfsmitteln behelfen, die ihm die Neubekehrten zur Verfügung stellten." 3 ) 7 0 6 von Herzog H E D E N I I . errichtet. D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 7 ; STUHLFAUTH, a . a . O.,
S. 30 f.
4) NOTTARP, a . a . O . , S .
94.
5) Die Urkunde selbst ist verloren, wir kennen ihren Inhalt aber aus späteren Bestätigungen, so unter L U D W I G D. F R . (am 19. Dez. 822), L U D W I G D. D. (am 5. Juli 845) u n d ARNULF (am 21. N o v . 889).
V g l . STUHLFAUTH, a . a . O., S .
32f.
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wird. Die Kirche Würzburg finden wir ferner begütert im Tullifeld in den Orten Fischbach a. Felda, Assia (?) und Pontigerna (P) 1 ); ca. 860 vermachte ihr Graf ERPHO seine Besitzungen u. a. zu Tüngeda, Schwabhausen (bei Ohrdruf), Zimmern, Gottern, Seebach, Dorla, Wanenreodum ( ? ) , Burschla, Saxahu (?), Tonna und andere Güter in Thüringen und im Grabfeld2). KARL D. DICKE desgleichen 883 zu Vachdorf 22 Hufen und zu Schwabhausen (Wüstung bei Römhild) 9 Hufen3). Also auch hier zum großen Teil alter Königsbesitz, der in kirchliche Hände übergeht. Von dem Besitz des Bistums R e i m s in Thüringen hören wir zum ersten Male in dem Testament des Bischofs REMIGIUS (vor 533)*), ohne daß Näheres darüber bekannt wäre. Auch in dem im Original nicht erhaltenen Briefwechsel des Erzbischofs HINCMAR von Reims mit König LUDWIG D. D. (etwa 845—876) ist Wesentliches über die Güter nicht zu ersehen5). Wir erfahren lediglich, daß solche Güter in Schönstedt bei Langensalza und in (dem nicht ganz klaren) Helisleba gelegen haben 6 ). Als Lehensinhaber dieser Güter wird ein gewisser AMALRICH genannt 7 ). Zwischen 856 und 876 sind diese dann an Corvey gekommen8). C o r v e y hatte auch sonst Güter in Thüringen. So hatte ein gewisser EILHARD an dieses Kloster zwischen 826 und 853 seine Besitzungen in dem in der Germaramarka gelegenen (nicht zu bestimmenden) Ort Haanstedihus9) geschenkt. Ebenso erfahren wir aus einem Tauschvertrag, der zwischen 856 und 877 zu datieren ist, daß es in einem gleichfalls nicht zu bestimmenden Orte Honesleue ,,in pago Thuringia" Güter besaß10), sowie von einer Traditition in dem auch ungeklärten Uffenleua11). Von Corveyer Besitzungen in Memleben und Hansleben hören wir später 12 ). 1) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 166. — 2 ) Ebenda, Nr. 2 2 2 . 3) Ebenda, Nr. 267. — 4) Ebenda, Nr. 3. — 5) Ebenda, Nr. 253—257. 6) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 253. G. W A I T Z hatte an Eisleben gedacht; D O B E N E C K E R lehnt diese Deutung ab und bezeichnet folgende Orte als in Frage kommend: Illeben bei Langensalza, Eischleben bei Ichtershausen, Elleben oder Elxleben bei Kranichfeld oder auch Elxleben bei Erfurt. 7 ) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 258. 8) Ebenda, Nr. 258—262. Daß Reims tatsächlich hier Güter und Rechte besaß, geht auch aus den Angaben in dem Polyptyque de l'abbaye de Saint-Remi de Reims par M. B. G U £ R A R D , X I I I , 52 (p. 31) und X X I X , 17 (p. 110) hervor. 9) D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 211. 10) Ebenda, Nr. 263. — 11) Ebenda, Nr. 298—300. 1 2 ) Monum. Germ. Hist. Dipl. OTTO I . , Nr. 4 8 ; T H . K N O C H E N H A U E R , a. a. O . , S . 1 5 8 u. 1 7 6 .
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Der thüringische Besitz des Klosters E c h t e r n a c h stammt indirekt von dem letzten Thüringerherzog H E D E N II. Dieser hatte dem Bischof W I L L I B R O R D von U t r e c h t 1 ) — „vielleicht daß er ihn an sein Land fesseln wollte, um es durch ihn kirchlich zu organisieren" 2 ) — zunächst 704 große Besitzungen in Arnstadt, Mühlberg und Monra gemacht 3 ), um 716 sein väterliches und mütterliches Erbgut an der fränkischen Saale und bei Hammelburg, wo er ein Kloster zu errichten gedacht hatte, folgen zu lassen4). Den Arnstädter Besitz vermachte W I L L I B R O R D dem Kloster Echternach, dem er selbst vorstand, zugleich mit anderweitigem Besitz; jedoch ist wohl noch im gleichen Jahrhundert Arnstadt an Hersfeld gekommen 5 ). Acht Orte im Wering- und Saalegau, die Echternach 907 im Tausch (gegen Güter im Moselgau) an Fulda gibt, mögen auch aus dem einstigen Besitz des Herzogs H E D E N stammen 6 ). Das Kloster G a n d e r s h e i m wird 8 7 7 von König L U D W I G I I I . mit dem königlichen Gut in den Villen T e n n s t e d t und G r o ß e n E h r i c h im Gau Südthüringen bedacht 7 ). Im Jahr darauf bestätigt derselbe König einen Tausch zwischen dem Erzbischof von Mainz und dem Bischof v o n C h a l o n s , demzufolge letzterer (gegen Germinon bei Chalons) die alten thüringischen Besitzungen seines Bistums in der Villa Töpfleben (Wüstung bei Gotha) „seu in ceteris locis in eodem ducatu iacentibus" mit allem Zubehör dahingab 8 ). „Dieser Besitz steht vielleicht im Zusammenhang mit der Missionstätigkeit, die wahrscheinlich der Bischof H I L D I G R I M von Chalons im Auftrag K A R L S D. GR. nach der Unterwerfung der Sachsen in den Gebieten östlich und südöstlich des Harzes ausübte" 9 ). Seine Einziehung bedeutete eine dem Erzstift Mainz sicher sehr willkommene Abrundung seines Besitzes im inneren Thüringen. 1 ) W I L L I B R O R D war der erste Bischof des zur Bekehrung der Friesen bestimmten Bistums Utrecht. „Das Kloster Echternach . . . war ihm z. T. von P I P P I N DEM M I T T L E R E N , dem damaligen Machthaber im Frankenreich, übereignet worden" ( R U D . H E R R M A N N , a. a. O . , S . 8). 2 ) N O T T A R P , a. a. O . , S . 9 5 f . Ähnlich R U D . H E R R M A N N , a. a. O . , S . 7 . 3 ) B U R K H A R D T , Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1 ; D O B E N E C K E R , Regesten, Nr. 5. Monra begegnet uns später im Besitz des Erfurter Petersstifts, ohne daß man weiß, wie es in dessen Hände gekommen ist (vgl. die Erläuterungen D O B E N E C K E R S ZU dem genannten Regest). 4) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 7. K . Z I E R F U S S , a. a. O . , S . 5 f. 5) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 15. — 6) Ebenda, Nr. 312. 7) Ebenda, Nr. 2 6 4 . OTTO I . U . O T T O I I . vermehrten diesen Besitz(TH. K N O C H E N H A U E R , a. a. O . , S. 176f.). Auch Hersfeld hatte hier Königsgut erhalten (oben S. 175). 8) Ebenda, Nr. 265. — 9) R U D . H E R R M A N N , a. a. O., S. 45.
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Die Ortspfarren und -kirchen hatten wohl meist ihren kleinen Grundbesitz, auch wenn es nur relativ wenige Urkunden gibt, die ausdrücklich davon berichten1). Das liegt in der inneren Notwendigkeit derartiger Gründungen selbst enthalten. Allerdings handelt es sich dabei kaum um das, was wir als Grundherrschaft zu bezeichnen pflegen, dafür ist der Besitz, wie diese Beispiele zeigen, zu geringfügig. Die Ausstattung dieser Kirchen, die wohl in der Mehrzahl Eigenkirchen von Großen gewesen sein werden, soweit sie nicht in Königshöfen standen, hat man sich also in dieser ersten Zeit als sehr ärmlich vorzustellen; mehrfach ist bezeugt, daß der Priester sein Ackerstück mit eigenen Händen bestellen mußte2) Als Grundherrschaften kamen sie jedenfalls nicht in Betracht. Daß auch BONIFATIUS sich zum großen Teil mit den geringen Gütern begnügen mußte, die ihm die Neubekehrten zur Verfügung stellten, erwähnten wir schon3). Ob die Bestimmung K A R L S D . GR., daß für jede Kirche eine von jeglicher Belastung freie Hufe das Mindestmaß sein solle4), in unserem Gebiet durchgeführt ist, erscheint zweifelhaft, so wird z. B. 836 an Kloster Fulda eine Kapelle in Sondheim v. d. Rhön geschenkt, wobei wir unter dem aufgezählten Zubehör, zu dem 9 Mancipia gehören, Landbesitz vermissen8). Es fehlt allzusehr an Einzelangaben, als daß wir hierüber Näheres aussagen könnten. Als Ergebnis dieser Überschau können wir feststellen, daß den geistlichen Grundherren gerade in der Zeit K A R L S D. GR. und der späteren Karolinger ein großer Besitz an Land und auch an Unfreien (mancipia) zugeflossen ist. Das geschenkte Land bestand, wie die Schenkungsurkunden zeigen, nur zu einem Teil aus bebauten Feldern, fast überall werden auch Wälder und Weiden mit genannt, die eine erhebliche Reserve an Siedlungsland darstellen. Diese wurde vermehrt durch die zahlreichen Capturen (bifänge), die in den Schenkungen an die geistlichen Stifte, namentlich an Fulda, vorkommen. Es ist kein Wunder, daß Fulda mit solchen Capturen in besonderem Ausmaße begabt wird: liegen doch die Schenkungen, die an dieses Kloster flössen, wie wir schon sahen, vornehmlich in den westlichen und südlichen Landstrichen, d. h. in den großen Waldflächen im Stromgebiet der Werra und Umgebung, und weniger in den alten dichter besiedelten „Gefilden". In jenen Wäldern stand mehr Fläche, die noch nicht in Privatnutzung genommen war, zur 1) Einige Beispiele waren oben S. 173, Anm. 4 genannt. 2) R U D . H E R R M A N N , a. a. O., S. 28 f. — 3) Siehe oben S. 184, Anm. 2. 4)
RUD.
5)
DOBENECKER,
HERRMANN,
a. a. O.,
Regesten, Nr.
S.
54.
160;
DRONKE,
Codex, Nr. 492.
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Verfügung. Auch konnten hier die geschenkten Stücke an Wald usw. größer sein als dort, wo es sich um altes Kulturland handelte. Etwas Ähnliches, was wir heute in der entwickelten Geldwirtschaft auf dem Gebiete der Bodenpreisbildung beobachten können, spielte sich damals auch schon ab: derartiges unkultiviertes Land war gleichsam „billiger", die davon geschenkten Stücke entsprechend größer. So bot sich Fulda hier die Möglichkeit zur Anlage von großen Gutshöfen (Villicationen) und vor allem die Möglichkeit zur Ansetzung von abhängigen Siedlern. Die Mancipia, die Fulda in so besonders großer Anzahl geschenkt wurden, dienten zu beidem, als Gutsarbeiter und als Siedlungsbauern, wie ja auch die Slaven, die wir gerade auf fuldaischen Besitzungen in nicht geringer Zahl antreffen1). Ebenso diente dieser Besitz zur Ausstattung von Vasallen mit Lehnsgütern. Wenn man sich dies nicht klar macht, versteht man nicht die Gründe, die dahin führten, daß schon einige Jahrhunderte später die Trennung in der Agrarverfassung dieser westlichen und südlichen alten Waldgebiete von dem inneren Thüringen klar vollzogen ist. In ersteren herrscht die „südwestdeutsche", in letzteren die „mitteldeutsche" Form der Grundherrschaft vor2). Die große Zahl von Unfreien und slavischen Knechten verbunden mit großen Eigenwirtschaften auf Klostergütern und Ansetzung unfreier Bauern zu entsprechenden Bestimmungen hat daran nicht zuletzt einen maßgeblichen Anteil. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sowohl in der Hand des Königs wie in der der weltlichen Großen sich mit Einsetzen der schriftlichen Überlieferung ein beträchtlicher Landbesitz befindet; erst im 8., dann namentlich im 9. Jahrhundert tritt daneben in großem Umfange die Kirche, die geistliche Grundherrschaft, in erster Linie von jenen beiden, dann aber auch vom gläubigen Volke, d. h. von den Freien, reich bedacht. Der große Güterkomplex aller drei grundherrlicher Gewalten wird im 8./9. Jahrhundert so gut wie vollständig von Unfreien bewirtschaftet. Insofern besteht, wie schon in anderem Zusammenhange hervorgehoben, zwischen Adel (Grundherren überhaupt) und Unfreien ein Entsprechungsverhältnis3) . 1) Vgl. oben S. 117 ff. 2) Vgl. mein Buch „Die mitteldeutsche Grundherrschaft". »0 Vgl. oben S. 91 f., 124.
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So bedeutsam die Besitzungen des Königs und des Adels auch sind, die uns aus den Quellen entgegentreten, sie wären doch nach und nach teils durch die Schenkungen an die Kirche, teils durch Erbteilung zusammengeschrumpft, wenn die grundherrlichen Gewalten sich nicht in größerem Umfange in den Rodungs- und Neusiedlungsprozeß eingeschaltet hätten. Neben den ererbten alodialen Besitz tritt die Okkupation von Niemandsland als weitere Erwerbsquelle. Später erst tritt daneben und allmählich an die Stelle dieser letzteren Erwerbsmöglichkeit die Annahme von Lehensbesitz, der dann nicht selten den Lehnsherren, sei es der König, seien es auch geistliche Fürsten, entfremdet wurde. Diese Entwicklung bahnt sich bereits unter den letzten schwachen Karolingern an, nimmt dann aber erst später ein größeres Ausmaß an. Durch die Entfremdungen von Kirchen- und Klosterbesitz namentlich durch die weltlichen Großen kam auf einem Umweg im Laufe der späteren Entwicklung ein Teil jener Güter, die die weltlichen Grundherren früher geschenkt hatten, an diese wieder zurück.
C. Die verschiedenen Gruppen der grundherrlichen Bauern. Immer wieder war schon die Frage gestreift worden, mit welchen menschlichen Arbeitskräften die Grundherren ihre Güter bewirtschafteten. Es ist notwendig, darauf noch einmal einzugehen und eine systematische Gruppierung zu geben. Im Hinblick auf die persönliche Rechtslage zerfallen die Bebauer grundherrlichen Bodens in zwei Gruppen: persönlich Freie und persönlich Unfreie (wozu im Laufe der Entwicklung in den Einflußgebieten sächsischen und fränkischen Rechtes noch die Liten kamen). Gegenüber diesem rein rechtlichen Gesichtspunkt tritt aber, sozial und wirtschaftlich gesehen, die Bedeutung dieser Unterscheidung immer mehr zurück. Im Hinblick auf die Rechtslage des Grund und Bodens ergeben sich drei Kategorien: 1. Hofgesinde, d. h. Männer und Frauen (wohl ausschließlich Unfreie), die auf dem Herrenhof wohnen und Knechtsdienste tun. 2. Damit im Zusammenhang stehen Leute, die auf dem Hoffeld angesetzt worden sind, also im Gegensatz zu jenen eine eigene Wirtschaft führen, also Inhaber von Mansen in dem unten S. 259ff. entwickelten Sinne. Schon TACITUS hatte ja von einer solchen Verwendung von Unfreien gesprochen, und um ursprünglich Unfreie handelt es sich ja wohl auch
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zumeist bei dieser Kategorie. 3. An dritter Stelle stehen die rein grundherrlichen Bauern, die außerhalb des eigentlichen Hoffeldes sitzen, sei es auf grundherrlichem Zinsland, sei es auf altem Eigentum, das auf dem Umwege über die precaria oblata in grundherrlichen Besitz gekommen war. Neben der precaria oblata gab es auch zweifellos Verleihungen ohne eine voraufgegangene Tradition, auch wenn wir keine diesbetreffende Urkunde erhalten haben. Wir können das jedoch daraus schließen, daß gerade den Klöstern Fulda und Hersfeld umfangreiche Besitzungen geschenkt worden sind, die nicht in Eigenbewirtschaftung genommen waren, und wir auf der anderen Seite als grundherrliche Bauern auf diesem Lande nicht nur Unfreie, sondern auch Freie finden. Weichende Erben oder nachgeborene Söhne kamen dafür in Frage, auch solche Bauern, denen — vielleicht durch voraufgegangene Erbteilungen — das eigene Ackerland zu klein geworden war und die sich nun auf diesem Wege (als Leihegut) ein Stück dazu erwarben (gerodet oder noch ungerodet). Gerade diese letztere Möglichkeit darf man nicht so sehr übersehen, wie das meist geschieht, und man darf infolgedessen nicht annehmen, daß der Bauer, von dem uns grundherrliche Abgaben bezeugt sind, nun nur grundherrlichen Besitz gehabt habe und ein „grundherrlicher", „abhängiger" Bauer schlechthin gewesen sei.1). Als B a u e r n kann man demnach nur die oben an 2. und 3. Stelle aufgeführten Landsassen bezeichnen. Es interessiert uns nun im speziellen die Frage: Was für einzelne Gruppen von Bauern — unter Zugrundelegung ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Lage — finden wir auf den großen Grundherrschaften? Wir greifen ein besonderes markantes Beispiel heraus, nämlich ein Verzeichnis von grundherrlichen Bauern und deren Leistungen, die dem Kloster Fulda zustehen, und das sich im Rahmen des Codex E B E R H A R D I vorfindet2). Dieses Verzeichnis ist zwar in jüngerer Zeit aufgeschrieben, aber doch auf Grund älterer Unterlagen; wir gewinnen daraus ein Bild, das bereits dem Stande der Entwicklung zu Ende der Karolingerzeit, ja vielleicht auch schon der Nachkarolingerzeit entspricht, das aber hier herangezogen werden darf, weil wir in ihm das Resultat der Entwicklungstendenzen erkennen, denen wir in der Karolingerzeit begegnen. 1) Das spätere häufige Vorkommen von „Wandeläckern" zeigt ein ähnliches Bild, nur ist jetzt das Bild umgekehrt: im Laufe der Entwicklung ist der freie, eigene Acker das fluktuierende Element geworden. 2) Abgedruckt bei D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 43, S. 115—125.
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Und überdies finden wir in einer aus dem Jahre 815 stammenden Urkunde1) fast alle die Gruppen von grundherrlichen Bauern, die uns bei E B E R H A R D entgegentreten, auch schon genannt, nämlich lidi, triduani, liberi, coloni und sclavi (Slaven), und daneben Ministeriale auf Beneficien. Die eigentlichen Traditionsur künden sind in dieser Hinsicht recht unergiebig; das liegt in ihrem Charakter begründet, demzufolge sie ja lediglich die gemachten Schenkungen bezeugen sollen, aber nichts darüber aussagen, was der Empfänger mit dem Geschenk macht und welche Leistungen er von ihnen bezieht. Bei E B E R H A R D spielt dies die Hauptrolle und er bietet eine klare Ordnung der einzelnen Gruppen der Verpflichteten und deren Leistungen; daher ist diese Quelle auch so wertvoll. In dem genannten Fuldaer Verzeichnis finden wir Unfreie und Freie nebeneinander und dazwischen Gruppen, deren rechtliche (ständische) Zugehörigkeit schwer zu erkennen ist. Die U n f r e i e n werden nicht mehr „Mancipia" genannt, sondern werden unter den verschiedensten Bezeichnungen, die wir nachher kennenlernen werden, aufgeführt. Das erscheint symptomatisch: die Tatsache der Unfreiheit, als rechtlich-ständisches Phänomen, verliert an Bedeutung, es tritt zurück gegenüber dem Bezug auf die rein sachliche Stellung im Rahmen der Grundherrschaft, auf die sachlichen Leistungen. Das wird, ja ist bereits jetzt, das Wesentliche, demgegenüber der Rechtsstand dessen, der die Leistungen darbietet, in den Hintergrund tritt; soziale und wirtschaftliche Momente werden stärker als das überkommene, geltende Recht und drängen es nach und nach beiseite. Die Tatsache, daß wir sonstige rechtsständische Gruppen noch ausdrücklich erwähnt finden, wie namentlich die liberi und die liti, ist kein Widerspruch, wie es zunächst den Anschein haben könnte. Einmal war die Entwicklung, die zum Verschwinden der alten Ständegliederung führte, ja noch nicht beendet, sondern noch im Werden, und dann sind es die Gruppen, die noch eher ihre Bedeutung hatten, die „Freien", zu deren Rechtslage hin ja die Entwicklung strebte, und die Liten, die die im fränkischen Recht enthaltene Zwischenstufe darstellte, die gerade den Status rechtlich fixierte, den eine große Zahl der Unfreien in ihrer Entwicklung bereits praktisch erreicht hatten. Fast überall, d. h. fast in allen in dem genannten Verzeichnis aufgeführten Orten2), treffen wir L i t e n an. Sie zahlen in der Regel 1) DRONKE, Codex, Nr. 323. 2) Es sind weit über 80 Orte. Das Kapitel 43 umfaßt zwar nur 79 Nummern, aber unter nicht wenigen Nummern ist mehr als ein Ort behandelt.
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bestimmte, genau festgelegte Abgaben, wie Getreide, Schafe, Schweine, Hühner, Eier, Leinengewebe, in mehreren Fällen auch Geld oder beides zusammen1). Dagegen kommt es nur ausnahmsweise vor, daß die Liten auch zu bestimmten Diensten verpflichtet sind2). Die gehobene Stellung der Liten ersieht man auch daraus, daß sie selbst ihrerseits im Besitze von Unfreien sind8). Das Wort Liten (in der Regel „lidi" gechrieben) hat einen doppelten Sinn. Es bezeichnet nämlich nicht nur die Person, also diesen „halbfreien" grundherrlichen Bauern, sondern steht in diesem Verzeichnis oft genug auch für den Besitz dieses Liten, die Litenhufe4). So kann denn auch von halben lidi die Rede sein5). Ganz unvermittelt daneben wird das Wort dann wieder mit Abzielung auf den Menschen gebraucht, z. B. „IUI lidorum hübe"®). Die sozial tieferstehende Gruppe sind die Frondienstpflichtigen, zuweilen kurz a l s , , s e r v i t o r e s " bezeichnet7), oder auch, im Hinblick auf das Ausmaß ihres Dienstes, „triduani", d. h. Leute die drei Tage in der Woche zu dienen haben8); zuweilen kommt auch die Zusammenstellung „triduani servitores" vor9). Wenn sie täglich zum Dienst zu kommen (oder ein Familienmitglied zu schicken) hatten, sprach man dementsprechend von „servitores cottidiani"10). Auch zweitägige und viertägige Verpflichtungen werden uns bezeugt (biduani, quadriduani)u). Neben den Frondiensten sind aber in der Regel auch noch Abgaben zu leisten, und sehr oft wird auch noch von den Frauen dieser abhängigen Bauern eine bestimmte 1) Zum Beispiel Kap. 43, Nr. 35, 36, 37, 40 usw. — 2) Nr. 1 u. 43. 3) Bei D R O N K E , Trad. et Ant., Kap. 48 ff. findet sich eine ganze Reihe von Belegen.; ebenso D R O N K E , Codex, Nr. 120. 4) Diese Gleichstellung von Person und Besitz wird besonders deutlich, wenn in der Aufzählung erst die Liten kommen (was die Regel ist) und es dann heißt: ,, . . . et alie hübe", wie das sehr häufig anzutreffen ist (z. B. Kap. 43, Nr. 4, 22, 24, 26, 27, 28, 35 usw.). Dieser Ausdruck „et alie hübe" (also die Litenhufen und die anderen Hufen) spricht wohl auch für die in anderem Zusammenhang vertretene Auffassung, daß die Hufe in unserem Gebiet ihre Entstehung der Organisierung des grundherrlichen Besitzes und der Ansetzung abhängiger Bauern verdankt (s. unten S. 240ff.). 5) Zum Beispiel Kap. 43, Nr. 1, 16, 69, 72, 74 usw. In Nr. 69 werden umgekehrt 12 lidi ausdrücklich als voll (pleni) bezeichnet, ebenso in Nr. 57. Es geht daraus übrigens auch hervor, wie irrtümlich es ist, wenn W O P F N E R meinte, die Unfreien hätten ein halbes Los erhalten im Gegensatz zu den Freien, denen man ein volles Maß (Hufe) zuteilte, eine Ansicht, der G. v. B E L O W bereits mit Recht widersprochen hat (Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, S. 8f.) 6) Kap. 43, Nr. 73. — 7) Zum Beispiel Nr. 3, 47, 48, 49, 75 usw. 8) Nr. 1, 2, 70, 73 usw. — 9) Zum Beispiel Nr. 74, 78. 10) Nr. 72. — 11) Nr. 9, 22, 63.
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Leistung verlangt, seien es Dienste oder die Ablieferung von Hühnern, Eiern oder Geweben1). Auch diese Fronbauern, deren Arbeitsleistungen wohl in erster Linie zur Bewirtschaftung des Eigenlandes, das Fulda ja in vielen Orten hatte, genutzt werden, hatten Hufen 2 ), und oftmals ist dieser unfreien Hufenbauern überhaupt nur so gedacht, daß nicht eine Namensbezeichnung gewählt wird, sondern bloß die in dem betreffenden Ort vorkommenden Hufen mit ihren Dienst- und Abgabeverpflichtungen aufgeführt werden3). Das Verhältnis der Dienstzu den Abgabeverpflichtungen ist sehr verschieden, bald steht das eine, bald das andere im Vordergrund. Wenn lediglich Abgaben gefordert werden, greift die Bezeichnung „ t r i b u t a r i i " Platz 4 ). Nicht sicher ist es dagegen, ob auch die „ c e n s u a l e s " , die ganz selten erwähnt werden5), hierher gehören, oder ob wir in ihnen nicht persönlich Freie erblicken müssen, was mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat; wird doch z. B. in den Urkunden, wenn Freie Land gegen Rückverleihung oder mit Vorbehalt lebenslänglichen Nießbrauches schenken und dabei ein Zins ausgemacht wird, das Wort census und nicht tributum gebraucht 6 ). Die Unterscheidung zwischen den „servitores" und den „tributarii" auf der einen und den Liten auf der anderen Seite ist einmal noch ein ständischer, rechtlicher. Ein großer Teil der alten Mancipia ist in den Stand der Liten emporgestiegen, wobei man wohl weniger an eine ausdrückliche Freilassung denken darf — jedenfalls enthalten die Quellen keine Belege dafür —, als an ein allmähliches Hineinwachsen, derart, daß Mancipia in ähnliche Rechte und Pflichten durch den ganzen Entwicklungsgang hineinrückten und dann als Liten behandelt und bezeichnet wurden, wozu das eindringende fränkische Recht die Handhabe bot. Damit soll nicht ausgeschlossen werden, daß auch andere, neu Hinzugezogene, von Grafen mitgebrachte Unfreie usw. von vonherein Land zu diesem Recht erhalten hatten. Im großen ganzen muß aber eine Entwicklung der gedachten Art vorliegen, da wir in den früheren Quellen kaum auf Liten stoßen. — Neben diesem rechtlichen Unterschied 1) Da ist dann jedesmal genau bemerkt, ob der Flachs dazu von den Pflichtigen geliefert werden muß oder ob ihn die Herrschaft zur Verfügung stellt. Vgl. z. B. Nr. 12, 13, 15, 16, 17, 20, 24 usw. 2) Zum Beispiel „VII triduani cum suis hubis" (Nr. 73). 3) Zum Beispiel Nr. 5, 7, 8, 10, 11, 15 usw. 4) Zum Beispiel Nr. 21, 47, 48, 49, 50, 59, 60, 61, 62, 67, 72, 78, 79 usw. 5) Nr. 3 u. 4. — 6) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 454, 517. Lütge, Agrarverfassung. 13
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gibt es auch einen wirtschaftlichen, dahingehend, daß die Lasten der Liten niedriger sind als die der anderen Gruppe1). Für diese Servitores und Tributaxii gilt gleichmäßig, wie natürlich für die Liten erst recht, daß die Dienst- und Abgabenverpflichtungen schon zu Reallasten geworden sind. Das beweist auch die Tatsache, daß Kopfzinspflichtige, soweit sie noch vorkommen, ausdrücklich hervorgehoben werden2). Diese beiden Gruppen, die innerlich zusammengehören, da sie ja beide von persönlicher Unfreiheit ausgehen, sind eindeutig zu unterscheiden und zu erkennen. Das Gleiche gilt für die F r e i e n (liberi), die wir öfter unter den grundherrlichen Bauern finden3). Sie haben in der Regel Abgaben zu leisten, geringere als die Liten, etwa 5 denarien pro Jahr 4 ) oder etwas Naturalabgaben und ein wenig Geld6). Nur ausnahmsweise finden wir für Freie auch einmal Ackerdienste ausgemacht4), ein Beweis dafür, daß schon damals die Übernahme auch von Fronden mit dem Rechtsstand als Freie verträglich war, wenn dieser Fall auch ausgesprochen selten vorkommt und bei den Freien Abgaben im Vordergrund stehen. Zuweilen werden „ a c c o l a e " erwähnt7); nach der herrschenden Ansicht8) bezeichnet dieses Wort landlose Freie. Wenn das zutrifft, würden wir hier weitere Belege dafür haben, daß es landlose Freie gab, die unter grundherrlichen Formen Land übernahmen, also unbeschadet ihrer persönlichen Freiheit zu grundherrlichen Bauern wurden. Außer den freien und den unfreien Bauern gab es nun aber mehrere Gruppen, deren Stellung nicht leicht zu erkennen ist. 1) In der Tatsache, daß die Liten stets v o r den anderen genannt werden, möchte ich keinen Beweis für diese Besserstellung erblicken, denn die Freien (liberi) und ebenso die Slaven, die sich auf den meisten Gütern und in den meisten Dörfern finden, werden immer erst später genannt, trotzdem sie noch geringere Lasten zu tragen haben und zumindesten die Freien auch den Liten an rechtlicher Stellung überlegen sind. 2) Zum Beispiel Nr. 43: „Insuper X I X viri quisque de capite suo siclum reddens. Mulieres vero X I I I sunt de se siclum vel camisiale unaqueque reddens" (siclum = Säckel, eine kleine Münze). D R O N K E , ebenda, Kap. 48ff. bringt auch öfter solche Kopfzinsabgaben; doch fallen diese Orte z. T. schon aus unserem Gebiet heraus. 3) Zum Beispiel Kap. 43, Nr. I, 2, 17, 70, 75; Kap. 45, Nr. 19. — 4) Nr. 2. 5) Nr. 75: „ovem unam et III modios avene et II siclos." — 6) Nr. 1. 7) D R O N K E , Codex, Nr. 57, 157 u. a.; W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 23. 8) R U D . K Ö T Z S C H K E , Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S . 195.; A . D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Bd. I, S. 274 u. 359.
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Da sind zunächst die K o 1 o n e n als die zahlenmäßig bedeutendste dieser Gruppen grundherrlicher Bauern. Wir finden sie überall in beträchtlicher Anzahl, und zwar nicht nur auf den fuldaischen Gütern, sondern auch sonst, im besonderen in Nordthüringen1). Ihre wirtschaftliche Lage ist aus den Angaben des schon vorstehend herangezogenen Fuldaer Verzeichnisses leicht zu ersehen. Sie haben ziemlich geringe Abgaben zu entrichten8), einige Schweine oder Schafe jährlich oder da und dort auch etwas Geld3). Nur in wenigen Fällen werden uns Dienste von Kolonen bezeugt (Coloni triduani)4). Wirtschaftlich gesehen gehören sie zu den gehobensten Schichten der grundherrlichen Bauern; ihre Lasten sind ungefähr die gleichen wie die der Freien. Aber sind sie „frei" oder „unfrei" im Sinne des alten Standesunterschiedes? Diese Frage ist weniger leicht zu beantworten. Gelegentlich werden die Kolonen ausdrücklich als frei bezeichnet (Coloni liberi)5). Aber kann man daraus folgern, daß sie sonst überall unfrei sind, wie man es vielleicht zunächst annehmen möchte (denn was soll sonst die ausdrückliche Hervorhebung) ? Das erscheint unmöglich. Denn die Art der Aufführung dieser „freien" Kolonen in diesem einen Fall und die Höhe ihrer Belastung unterscheidet diese nicht im geringsten von den sonstigen Kolonen. Man müßte auf alle Fälle, wenn man in der Masse der Kolonen Unfreie sehen will, zugeben, daß in wirtschaftlicher Hinsicht zwischen freien und unfreien Kolonen kein Unterschied besteht. Nim sprechen aber mehrere Gründe dafür, daß die Kolonen durchgehend frei sind. Das eine Moment — geringe Belastung — hatten wir schon erwähnt. Sie ist sogar geringer als die der Liten, geschweige denn der unfreien „servitores" und „tributarii", ja sie gleicht der der Freien. Weiterhin aber werden die Unfreien in den Quellen unserer Zeit regelmäßig als mancipia, servi, servitores usw. bezeichnet, auch gerade die aus dem Stande der Unfreien kommenden grundherrlichen Bauern, die schon bodensässig geworden waren; es wäre also kein Grund vorhanden gewesen, die Kolonen, wenn sie auch unfreie Bauern waren, anders zu benennen. Man kann auch den Unterschied nicht darin erblicken, daß die Kolonen diejenigen Unfreien waren, die auf neugerodetem Land angesetzt wurden, im Gegensatz zu den Mancipia, die auf älterem Kulturland gesessen 1) Urkunde 2) 3) 4)
Vgl. dazu namentlich das Brevarium des ST. LULLUS. Auch in der kaiserl. DRONKE, Codex, Nr. 247 vom Jahr 810 finden wir Kolonen erwähnt. Zum Beispiel Kap. 43, Nr. 6, 9, 10, 11, 12, 13, 21, 22, 26 usw. Zum Beispiel in Salzungen 16 Säckel. Zum Beispiel Nr. 71 u. 72. — 5) Zum Beispiel Nr. 8. 13*
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hätten, denn wir finden ebensogut Mancipia auf Neurodungen1), wie uns dies auch von Kolonen bezeugt ist2). Greifen wir einmal ein konkretes Beispiel heraus: in Creuzburg a. W. finden wir neben Liten, Slaven und unfreien Hufenbauern eine ganze Reihe von Kolonen mit verschieden abgestuften Abgaben"), nämlich: 6 Kolonen geben jeder 11 „ „ „ 26 „ „ teils 2 „ „ je 29 „ „ „
4 Schweine und 4 Schafe 3 „ 3 „ 2 „ teils 2 2 „ und 2 1 Schwein „ 1 Schaf.
Alle diese Kolonen sitzen auf bereits kultiviertem Lande, denn neben ihnen werden noch ausdrücklich auf Neurodungen sitzende Kolonen genannt („in novalibus XII coloni"), die ersteren sitzen also nicht auf Neuland. Bezeichnend ist auch, daß die letzteren geringere Abgaben zu zahlen haben als alle anderen4). Nach dem allen muß man wohl zu der Ansicht kommen, daß die Kolonen aus persönlich Freien bestehen, denen grundherrliches Land zugeteilt ist. Es gibt kein Argument, das für das Gegenteil spräche. Wenn wir nur ganz selten die ausdrückliche Bezeichnung „coloni liberi" finden, dann ist das eben nicht als Hervorhebung einer seltenen Ausnahme aufzufassen, sondern ihre Freiheit war etwas derartig Selbstverständliches, daß man das zu erwähnen in der Regel für überflüssig hielt. Auf der anderen Seite müssen sie sich aber auch von den gewöhnlichen liberi unterschieden haben, denn sonst hätte man sie nicht gesondert zu bezeichnen brauchen. Man kann auch nicht sagen, daß die Kolonen zu dem herrschaftlichen Bauernland (im Gegensatz zu dem ausgetanen Zins- und Benefizialland) im Sinne GERHARD SEELIGERS oder zu den Hofgütern im Sinne KÖTZSCHKES gehörten, während die Freien (liberi) auf „außerhalb der Fronhofsverfassung ausgetanem Land" (KÖTZSCHKE) saßen5). In dieser 1) Vgl. oben S. 114ff. — 2) Zum Beispiel Nr. 13 u. 22. — 3) Nr. 22. 4) Aus der Tatsache, daß (nicht nur hier, sondern) in den meisten Orten die Kolonen in verschiedene Gruppen mit unterschiedlicher Belastung zerfallen, was übrigens auch bei den Liten und den unfreien Hufenbauern zu beobachten ist, kann man wohl annehmen, daß die Ansetzung nicht in einem Akt unter Zugrundelegung eines gleichen Maßes für alle stattgefunden hat, sondern in mehreren Etappen und wohl auch unter Zuteilung verschieden großer Besitzungen. Das gilt entsprechend für die Liten und unfreien Hufenbauern. 5) Vgl. hierzu statt weiterer Angaben meinen Aufsatz „Hufe und Mansus" usw. in der „Vierteljahrsschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte", 30. Bd., 1937, S. 122ff.; vgl. auch unten S. 263 f.
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Hinsicht tragen die grundherrlichen Besitzungen der Liberi wie der Coloni gleichen Charakter, was vor allem — abgesehen von den sonstigen Ähnlichkeiten — auch dadurch bewiesen wird, daß die Kolonen überall auf H u f e n und nicht auf M a n s e n sitzen, eine Unterscheidung, die im besonderen in dem Brevarium ST. L U L L I außerordentlich charakteristisch ist1). Sie saßen, ebenso wie die Slaven, auf diesem gleichsam „entfernteren", rein grundherrlichen Zinsland 2 ). Aber doch muß ein Unterschied gegenüber den Freien bestanden haben. Diesen wird man mit v. MAURER und KÖTZSCHKE darin sehen dürfen, daß sie „schollenpflichtig" sind bei persönlicher Freiheit 3 ). Das Recht, zu dem sie ihr Land besaßen, war zunächst möglicherweise uneinheitlich. Jedenfalls spricht die Schenkung König LUDWIGS an seinen Beichtvater und gleichzeitigen Vorsteher der Klosterschule Fulda vom 27. Jan. 849 von solchen Kolonen, die das von ihnen bebaute Land ohne jedes Eigentumsrecht besitzen, und solchen, die daran ererbtes Eigentum haben („sive absque ullo proprietatis iure terram eorum tantum possidentes sint seu proprie hereditatis agros deo et sanctis eius traditos usu fructuario ut fieri moris est in beneficio tenentes sint") 4 ). Nun ist diese Urkunde allerdings als Fälschung nachgewiesen5). Die Frage ist nur, ob rein materiell eine solche Unterscheidung berechtigt ist und den Tatsachen entsprach. Es könnte auch so sein, daß unter der letzten Gattung, also unter denen, die Eigentum haben und in einem Lelmsverhältnis stehen, bäuerliche Lehensgüter zu verstehen sind oder solche, bei denen eine precaria oblata dem ganzen Verhältnis zugrunde lag. Die Sache bleibt auf alle Fälle unklar und läßt nur die Möglichkeit offen, daß Unterschiede in dem Besitzrecht bestanden haben. Im großen gesehen trifft die Charakterisierung: persönliche Freiheit aber Schollenpflichtigkeit, wohl den Kern des Kolonenverhältnisses. Allerdings scheint hier in unserem Gebiete diese reale Bin1) Vgl. dazu den in vorstehender Anmerkung genannten Aufsatz; ich glaube darin nachgewiesen zu haben, daß die Unterscheidung von Hufen und Mansus in diesem Brevarium unter diesem Gesichtspunkt erfolgt ist. Auch in DRONKE, Trad., Kap. 43, Nr. 57, heißt es „hübe colonorum", was hier allerdings keine Beweiskraft hat, weil hier zwischen Hufen und Mansen nicht (wie so oft) unterschieden wird. 2) Vgl. über diesen Unterschied unten S. 263 f. 3) „Sie lebten nach persönlich freiem Recht, doch abgabe- und scholienpflichtig" (KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, S. 197). G. L. v. MAURER, Geschichte der Fronhöfe, I. Bd., S. 27, S. 29 ff. 4) DRONKE, Codex, Nr. 556.
5) DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 197 (dort nähere Nachweise).
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dung sehr viel milderen Charakter getragen zu haben, als in den westlichen Teilen Deutschlands und besonders in den ehemals provinzialrömischen Gebieten1), und ebenso ist die damalige Schollenpflichtigkeit wohl in ihrer sozialen Bedeutung nicht mit jener Gebundenheit zu vergleichen, die z. B. die nachmittelalterliche Agrarverfassung in Holstein, Mecklenburg usw. hervorgebracht hat. Aber immerhin kommt es vor, daß Kolonen mit dem ihnen gehörigen Lande verschenkt werden. So z. B. in den nordthüringischen Ortschaften, die in dem Brevarium S T . L U L L I aufgeführt sind, nämlich Bretleben, Reinsdorf, Gehofen, Eberhardesdorf2) und Erineslebo2), Donndorf, Hechendorf, Wiehe, Allerstedt, Wollmirstedt, Memleben, Häseler, Scheidungen und Bibra („et colonos, habitantes in illis"3)). Daß ausgerechnet auf den reichen königlichen Besitzungen in Nordthüringen (die in Hersfelder Besitz übergingen) solche Kolonen vorkommen, ist nicht verwunderlich. Hier galt es, das Land, das durch die Einfälle der Sachsen und die Kämpfe mit den Slaven verwüstet war, wieder aufzubauen, und daneben sprach möglicherweise auch der Gedanke mit, eine Grenzwehr zu schaffen. In den sonstigen Schenkungsurkunden fehlen Kolonen merkwürdigerweise so gut wie ganz4), was doch beweist, daß sie eben in der Regel nicht verschenkt wurden und man sie doch wohl nicht als verschenkbar betrachtete, und das spricht gegen eine strenge Auffassung der Schollengebundenheit. Auf den Fuldaer Besitzungen finden wir sie in großer Zahl5). Neben diesen bisher behandelten Gruppen finden wir Vertreter fremden Volkstums und hier in erster Linie S l a v e n , die im besonderen auf den Fuldaischen Besitzungen reichlich vertreten sind. Über deren grundherrliche Abhängigkeit — teilweise auch unter Beibehaltung der persönlichen Freiheit — ist in anderem Zusammenhange ausführlich gehandelt; darauf muß hier, um Wiederholungen zu vermeiden, generell verwiesen werden6). 1 ) Man vgl. z.B. in welcher gedrückteren Lage die Kolonen sind, die A . D O P S C H , Karolingerzeit, II. Bd., S. 27f., 34f. usw. erwähnt. 2 ) Nach Vermutung von D O B E N E C K E R Wüstungen zwischen Reinsdorf und Gehofen (Regesten, I, Nr. 70). 3 ) W E I R I C H , Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld, I , Nr. 3 8 . 4 ) Die Urkunde D R O N K E , Codex, Nr. 556 ( D O B E N E C K E R , I , Nr. 197) wird als Fälschung betrachtet, und außerdem ist die Erwähnung ganz untypisch; das gleiche gilt von der Aufführung von Kolonen auf den thüringischen Gütern des Erzbistums Reims ( D O B E N E C K E R , I , Nr. 2 4 8 ) in einem Brief des Erzbischofs H I N C M A R ; hier könnte diese Bezeichnung von der Lage der Kolonen ausgehen, wie sie im westlichen Teil des Reiches sich durchgesetzt hatte. 5) Vgl. das o f t genannte Kapitel 43. — 6) Vgl. oben S. 58 ff.
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Aber auch Sachsen treffen wir in einigen Orten an1). Sie stammen wohl aus den Umsiedlungen, die K A R L D. G R . vorgenommen hatte. Dem Anschein nach sind sie im Sinne des alten Ständerechts persönlich frei, waren nur mit Abgaben belastet, die wohl ursprünglich dem Fiskus zustanden — also eine Art politischer Tribut —, dann aber z. T. irgendwie dem Kloster Fulda geschenkt worden sind. Eine nennenswerte Belastung stellten diese Abgaben nicht dar.
D. Zur Frage der Entstehung der bäuerlichen Lasten und deren Bedeutung. Vorbemerkung. Wie wir wissen, ging in ganz Deutschland, ja in ganz Europa, die Entwicklung dahin, den alten gemeinfreien Bauern in Abhängigkeit von einem „Herrn" zu bringen, und auch in Mitteldeutschland war dies so, trotzdem der Bauer, was sonst durchaus nicht überall der Fall war, weitgehend freies Eigentum an seinem Hof und Land behielt oder zumindest zu Erbzinsrecht auf seinem Grund und Boden saß2). Ganz allgemein wird die Karolingerzeit als die große Wende in der Entwicklung angesehen. Und das mit Recht, nur sind, wie sich ergab, der Umfang der Ausdehnung der Grundherrschaft sowie der Charakter dieser Umgestaltung oft falsch gesehen worden. Es sei hier noch einmal folgendes betont: Wesentlich für die Ausbildung der Grundherrschaft ist nicht die Herabdrückung des freien Bauern in die Unfreiheit oder eine als solche bezeichnete Abhängigkeit, sondern die Änderung der sozialen-politischen Struktur des ganzen Volks- und Staatslebens. Der Aufbau eines großen, umfassenden Reiches unter den Karolingern (und z. T. schon den Merovingern) mit der Folge, daß die nur in wesentlich kleinerem Rahmen mögliche volksmäßige Selbstverwaltung durch die Gemeinde und Principes ersetzt wurde durch eine starke Zentralgewalt, ist das Entscheidende gewesen. Und diese Zentralgewalt, die sich zudem weitgehend zunächst nur auf dem Wege der Gewalt durchgesetzt hatte, erforderte einen umfangreichen Apparat an „Beamten", d.h. Mittelspersonen, mit der Exekutive betraute Zwischenglieder. Diese aber konnten nicht anders als bei der gegebenen naturalwirtschaftlichen Grundlage auf Landbesitz fundiert werden, und das bedeutete, da 1) DRONKE, Trad., Kap. 43, Nr. 50; Kap. 45, Nr. 15 u. 19. Auch in Oberfranken sitzen sie in mehreren Dörfern (vgl. STUHLFAUTH, a. a. O., S. 66). 2) Vgl. dazu die einschlägigen Kapitel meiner „Mitteldeutschen Grundherrschaft".
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die römische, auf Sklavenscharen sich begründende Gutswirtschaft in den germanischen Gebieten sich nicht hatte durchsetzen können, die Basierung dieses „Zwischenstandes" auf Grundrente, also auf Grundherrschaft. Die weltlichen Großen, die von dem Herrscher (auf beiden Seiten zuweilen wohl nicht ganz freiwillig) neben den von ihm eingesetzten Dienstmannen mit herangezogen wurden, hatten, wie wir sahen, zumeist schon einen bedeutenden Landbesitz; die Dienstmannen und die geistlichen Gewalten wurden erst damit ausgestattet, aber alle drei wurden in gleicher Weise politisch bevorrechtigte Träger des Reichsbaues und lebten von dem Landbesitz, d. h. von Abgaben und Diensten, die ursprünglich Unfreie oder aber auch ursprünglich Freie von dem ihnen überlassenen Land zu leisten hatten. Das ist die wichtigste Rentenquelle, neben die noch einige andere traten, so einige Abgaben, die in der alten persönlichen Unfreiheit ihren Ursprung hatten, und ferner solche, die mit der den Großen verliehenen Immunität, also der Gerichtsbarkeit, zusammenhingen, welch letztere später immer wichtiger wurden. Es ist nun unsere Aufgabe, dieser Entstehung der bäuerlichen Lasten etwas näher nachzugehen. Das ist oft nicht ganz leicht, da die Nachrichten über diese Entstehung der Lasten spärlich sind. Die Grundherren, die Aufzeichnungen über diese Lasten hinterlassen haben — d. h. praktisch für unser Gebiet Fulda und in einigem auch Hersfeld —, hatten nur ein Interesse an der Festhaltung der Art und dem Umfang der Leistungen, nicht aber an der aktenmäßigen Festlegung des Entstehungsgrundes. Wir sind auf gelegentliche Nachrichten, die gleichsam ganz nebenbei erfolgen, angewiesen. Aber immerhin genügen sie, um uns die Möglichkeit zu geben, einigermaßen klar zu sehen. Wir haben im Prinzip zu unterscheiden zwischen den Lasten, die mit der persönlichen Unfreiheit zusammenhängen, und solchen, zu deren Übernahme auch ursprünglich Freie veranlaßt wurden.
I. Die Entstehung der Belastung bei den alten Unfreien. 1. Reallasten. Darin, daß die persönlich Unfreien zu Lasten verpflichtet waren, liegt kein Problem. Sie gehörten ja ursprünglich mit all ihrer Arbeitskraft und den Ergebnissen und Erträgnissen dieser Arbeitskraft dem Herren. Von g r u n d h e r r l i c h e n A b g a b e n zu sprechen, ist, so überraschend das zunächst klingen mag, erst mög-
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lieh, wenn diese alte strenge Form der Unfreiheit aufgegeben ist, d. h. also, wenn der Unfreie (als solcher zunächst zwangsweise) auf einem bestimmten Landgut (Hufe, Manse) angesetzt worden ist, von dem aus er nunmehr b e s t i m m t e Abgaben zu leisten hat und nicht mehr alles als dem Herren erworbenes Eigentum abliefern muß (ausgenommen das, was ihm der Herr von sich aus läßt, um das Leben zu fristen). Und ebenso stehen personale (leibherrliche usw.) A b g a b e n unter der logischen Voraussetzung, daß der ehemalige Unfreie jetzt f ü r sich erwerben kann und von dem Erworbenen nur einen bestimmten Anteil abzugeben hat, mag dieser nun prozentual oder absolut bemessen sein. B e s t i m m t e Abgaben und Dienste sind also bereits das Ergebnis der Tatsache, daß die alte völlige Unfreiheit aufgegeben ist, daß also ein wesentlicher Aufschwung in der sozialen Lage stattgefunden hat, wobei es zunächst unter diesem Gesichtspunkt gleichgültig ist, ob an der alten Rechtsform noch festgehalten wird oder nicht. Dieser Ü b e r g a n g v o m rechtlosen U n f r e i e n zum abgabe- und e v e n t u e l l d i e n s t v e r p f l i c h t e t e n Bauer ist eins der w i c h t i g s t e n E r e i g n i s s e der K a r o l i n g e r z e i t . Der Vorgang ist nicht ohne ältere Vorläufer (schon T A C I T U S berichtet im Kapitel 25 der „Germania" ja ähnliches), wird aber doch in dieser Periode das schlechthin entscheidende Ereignis für die Unfreien und die ganze Agrarverfassung, und die Hinwendung zur grundherrlichen Nutzung des Landes gemeinsam mit der Ausdehnung dieses grundherrlichen Landes durch die grundherrliche Rodungstätigkeit gab zu einem wesentlichen Teil die wirtschaftliche Grundlage für die große soziale Wandlung ab. Dabei ist es, um das noch einmal klar hervorzuheben, nicht so neuartig, daß der bisherige Unfreie gegen Abgaben auf einem Stück Land sitzt, sondern daß, wie schon oben S. 123ff. betont, jetzt ein festes, beiderseits verbindliches Rechts- und Pflichtenverhältnis entsteht, also auch mit fest abgegrenzten Rechten und Pflichten des bisherigen Unfreien. Er ist also nicht mehr ein Unfreier, dem der Herr gerade einmal die Bewirtschaftung eines Landgutes übertragen hat, die ihm jeden Augenblick wieder abgenommen und durch eine andere Obliegenheit ersetzt werden kann, sondern er hat jetzt einen Anspruch auf den Besitz und die Bewirtschaftung dieses Landes, er ist, in einem Wort gesagt, zu einem Bauern geworden, wenn auch in grundherrlicher Abhängigkeit. Und in dieser H i n s i c h t bedeutet dieser ganze V o r g a n g die S c h a f f u n g v o n (allerdings abhängigem) Bauerntum, und das gerade in unserem Gebiet,
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wo ja, wie wir sahen, ein umfangreicher Stand an Unfreien vorhanden war. Die Bedeutung dieses Vorganges und diesen Vorgang selbst darf man nicht etwa deswegen übersehen, weil das Quellenmaterial keine direkten Nachrichten darüber enthält. Wir finden vorerst noch die alten Worte „mancipium", „servus" usw. verwendet, aber — und das ist das entscheidend Neue — der innere Gehalt dieser Worte hat sich geändert. Wir haben hier die gleiche Erscheinung vor uns, wie sie später bei dem Übergang zur persönlichen Freiheit in den östlichen und nördlichen Gegenden unseres Gebietes wiederum auftritt 1 ), daß das Wesentliche nämlich ganz im stillen vor sich geht, ohne merkliche Spuren in den Urkunden, und vielleicht auch ohne daß es den Zeitgenossen bemerkenswert genug erschien, davon Notiz zu nehmen. Der Wandel tritt erst deutlich in Erscheinung, wenn wir in Quellen, die aus der Zeit kurz nach der Karolingerzeit stammen, überall solchen „unfreien" Bauern begegnen, denen bestimmte feste Lasten als Gegenleistung für die Überlassung einer Hufe aufgelegt sind. Davon war oben bereits die Rede, und es ist überflüssig, darauf hier noch einmal zu sprechen zu kommen. Die früheste Mitteilung über solche feststehende Verpflichtungen von abhängigen Bauern in unserem Gebiet enthält, wenn ich recht sehe, das Popyptyque de l'abbaye de Saint Remi de Reims, das in die Mitte des 9. Jahrhunderts zu datieren ist und in dem auch die Besitzungen dieser Abtei in Thüringen aufgeführt werden samt den davon einkommenden feststehenden Abgaben2). Es ist damit natürlich nicht gesagt, daß diese Erscheinung nicht noch älter ist; wenn wir aus früheren Zeiten darüber aber noch nichts hören, dann deswegen, weil die Traditionsurkunden, auf die wir in dieser früheren Zeit fast ausschließlich angewiesen sind, ihrem Charakter nach darüber nichts enthalten. Ein beträchtlicher Teil der späteren bäuerlichen Abgaben und Dienste geht also im Kern auf die alte Unfreiheit zurück, wobei charakteristisch die Umwandlung zu Realverpflichtungen ist. 2. Personallasten. Neben der allgemeinen Festsetzung solcher bestimmten grundherrlichen Abgaben ist der Entstehung p e r s o n a l e r A b g a b e n zu gedenken, die wir ganz deutlich verfolgen können. 1) Vgl. dazu meinen Aufsatz „Die Unfreiheit usw.", a. a. O., S. 274ff. 2) Vgl. dazu DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 253, Anmerkungen. Besitz von Reims vgl. oben S. 185.
Über den
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a) Da ist zu B. die viel behandelte M o r t u a r i u m - A b g a b e . H. B R U N N E R hatte diese Abgabe zurückgeführt auf die mit dem gleichen Wort bezeichnete Totenausstattung (Seelgerät) der noch älteren Zeit 1 ). „Er konnte zeigen", sagt H Ü B N E R , „daß es am frühesten da vorkam, wo ein Freier sich freiwillig in den Schutz einer kirchlichen Anstalt ergab oder ein Freigelassener in ihn überwiesen wurde; die Anstalt übernahm damit nicht bloß die Fürsorge für den Kommendierten bei seinen Lebzeiten, sondern auch die besondere Fürsorge nach seinem Tode für das Heil seiner Seele" 2 ). In unserem Materiale treffen wir in der hier behandelten Zeit lediglich einen Fall an, in dem direkt eine Mortuariumabgabe dieser Art begründet wird, und zwar durch Selbsttradition einer Freien. Allerdings fällt dieses Ereignis bereits in das 10. Jahrhundert. Es handelt sich um die Selbsttradition der verarmten Freien HIMIZA 3 ), die für sich und ihre etwaigen Nachkommen (wohl als Gegenleistung für den ihr gewährten Lebensunterhalt) die Verpflichtung übernimmt, jährlich 4 denarios zu zahlen; dazu kommt als Mortuarium bei Männern das „caput optimum" (Besthaupt) und bei Frauen das „vestimentum optimum" (Bestkleid)4). Das ist aber ein vereinzelter Fall 8 ). Wir treffen sonst wohl einmal die Bestimmung, daß drei Mägde freigelassen und dem Kloster Fulda übergeben werden und dabei die Verpflichtung übernehmen müssen, jährlich 2 Denare zu zahlen und bei ihrem Tode ihre ganze Habe („res vero quascunque acquisieritis vel elaboraberitis") dem Kloster zum Seelenheil für den Freilasser zu überlassen6). Aber das ist kein Mortuarium in dem üblichen Sinne. Auch diese Abgabe setzt ja voraus, daß sie eben eine A b g a b e ist, daß also n i c h t a l l e s genommen wird. Und in der Tat pflegt man ja sonst gemeinhin das Mortuarium auch so zu erklären, daß es an die Stelle der bei 1) H. BRUNNER, Zur Geschichte der ältesten deutschen Erbschaftssteuer, in: Festschrift der Berliner jurist. Fakultät für F . v. MARTITZ, Berlin 1911. 2) RUD. HÜBNER, Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. Aufl., Leipzig 1930, S. 784. Dieses „Seelgerät" hat nichts zu tun mit dem auch so bezeichneten Anteil an dem irdischen Besitz, den man damals testamentarisch oder schon vor dem Tode der Kirche zuwies; hier war der Wunsch maßgebend, Christus zum Miterben einzusetzen. Vgl. hierzu ALFRED SCHULTZE, Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechtes. (Abhandl. d. sächs. Akademie d. Wiss., Phil.-hist. Klasse, Bd. 38, Nr. 4), Leipzig 1928. 3) 4) 5) 6)
Vgl. darüber oben S. 100 u. 113. Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 53. Eine spätere Begründung im Verein mit einer Heiratsabgabe s. unten S. 206. DRONKE, Codex, Nr. 466 (aus dem Jahr 826).
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den Unfreien sonst eigentlich rechtmäßig verfallenen ganzen Habe tritt 1 ). Da es ganz an Nachrichten darüber fehlt, läßt sich aus unserem Material nichts dazu sagen. Nur kann man sich eigentlich schwer vorstellen, daß diese Abgabe allgemein den Unfreien auferlegt worden sei, denn sonst wäre es kaum zu erklären, daß, auch später, Nachrichten so gut wie ganz darüber fehlen. Wir finden in den späteren Jahrhunderten das Mortuarium als allgemeine Erscheinung in den Landstrichen nördlich unseres Gebietes, der Grafschaft Wernigerode, dem Fürstentum Halberstadt usw.2), in unserem Gebiete selbst aber nur als ganz sporadisch verstreute Einzelfälle im fränkischhessischen Südwesten3). Das spricht indirekt für die Richtigkeit der Ansicht von B R U N N E R - S C H U L T Z E und gegen die landläufige Ansicht, denn Unfreie sind in unserem Gebiet an sich überall sehr häufig gewesen (wenn auch besonders im Südwesten), und wenn man auch annehmen darf, daß da und dort die Abgabe untergegangen oder mit dem allgemeinen Erbzins verschmolzen ist, so heischt das fast generelle Fehlen in unserem Gebiete doch eine Erklärung, und die bietet sich in Richtung der B R U N N E R - S C H U L T Z E schen These, also in Verbindung mit Vorkommnissen wie Selbsttradition und Freilassung zugunsten einer Kirche, welche beiden Akte in unserem Gebiete nachweislich nur ganz selten vorkamen. Wenn wir dagegen in den erwähnten nördlich gelegenen Gebieten diese Abgabe als allgemein obliegende Last antreffen, wie ja auch sonst da und dort in Deutschland, dann erfordert dies einen anderen Erklärungsgrund, der entweder darin zu suchen ist, daß hier — wo die Sachsen einst die einheimische Bevölkerung zu Liten herabdrückten — ausgedehnte Freilassungen stattgefunden haben, nun aber nicht zugunsten einer Kirche, sondern als direkter Rechtsakt zwischen Herren und Liten, oder aber, daß die Begründung dieser Abgabe gar nicht mit einem Freilassungsakt in Verbindung ge1) R U D . KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 238. Vgl. auch G. v. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 105 f. Über eine ältere Kontroverse, ob das Mortuarium auf Unfreiheit zurückgehe oder nicht, vgl. meine „Mitteldeutsche Grundherrschaft", S. 154. 2) Vgl. meine Arbeit, Die Bauernbefreiung in der Grafschaft Wernigerode, „Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", 56./57. Bd., 1923/24, S. 25ff.; E C K E R L I N , Die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse im Fürstentum Halberstadt, ebenda, 35. Jahrg., 1902, Heft 2, S.340; L.A.W. L E N T Z E , Provinzialrechtdes Fürstentums Halberstadt usw. (Provinzialrechte. Hrsg. von F. H. v. STROMBECK, I. Teil, 1. Bd.), Leipzig 1877, S. 30. 3) Zum Beispiel im Meiningischen; vgl. meine „Mitteldeutsche Grundherrschaft'*, S. 20.
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bracht zu werden braucht, sondern als eine Gegenleistung, die im Zuge der Besserstellung durch den Herren übernommen wurde1). Im ersteren Falle ist ja auch wieder eine Verbindung zu einer älteren strengeren Form von Abhängigkeit hergestellt, die jetzt verbessert wird. Das so häufige Vorkommen des Mortuariums in diesen Gegenden nördlich des Harzes könnte möglicherweise auch damit in Verbindung stehen, daß hier (wie auch in sonstigen Gebieten Deutschlands) eine strenge hofrechtliche Gebundenheit bestanden hat und die Festlegung dieser Abgabepflicht in diesem Rahmen erfolgte. Demgegenüber ist in dem hier speziell behandelten mitteldeutschen Gebiet von einer solchen hofrechtlichen Gebundenheit eigentlich wenig zu spüren. Wir können hier auf diese Frage, die nicht ohne ausgedehnte Vorarbeiten möglich ist, nicht näher eingehen, sondern müssen uns mit der Feststellung begnügen, daß in unserem Gebiet das Mortuarium so gut wie ganz gefehlt hat und daß die vereinzelten Fälle seines Vorkommens im allgemeinen ihre Erklärung in der Richtung finden, die BRUNNER und SCHULTZE gewiesen haben. Beobachtungen in der engsten Nachbarschaft sprechen aber dafür, daß man diese Deutung nicht auf ganz Deutschland erstreckt, sondern anderweitige Entstehungsgründe für diese Abgabe zuläßt2). Im großen Ganzen muß gesagt werden, daß das Mortuarium für die spätere Höhe der bäuerlichen Lasten keine Rolle spielt. Nach dieser Richtung hin hat die ehemalige Unfreiheit sich also nicht ausgewirkt, und der Übergang zur persönlichen Freiheit, der in der Nachkarolingerzeit einsetzt, ist in der Regel in den Gebieten südlich des Harzes erfolgt, ohne eine solche persönliche Abgabe zu begründen. b) Eine ganz ähnlich geringe Rolle spielte in unserem Gebiet die H e i r a t s a b g a b e (Beithemunt). Diese Abgabe ist ja, und dies wohl mit Recht, als einwandfrei auf dem Boden der Unfreiheit erwachsen anzusehen. Sie hat natürlich mit dem sagenhaften „jus primae noctis" nichts zu tun3). Es handelt sich vielmehr um eine Entschädigungszahlung dafür, daß das unfreie Mädchen mit ihrer 1) So offenbar bei der Begründung des Mortuariums im Coburgischen, wovon oben S. 124, Anm. 3, die Rede war. 2) Auch G. v. B E L O W vermag sich mit einer generellen Geltung der B R U N N E R ScHULTZEschen Erklärung nicht abzufinden (Geschichte d. Deutschen Landw. d. Mittelalters, S. 105, Anm. 1). 3 ) Wie wir dies noch heute bei J . B E C K E R - D I L L I N G E N , a . a. O . , S. 4 6 6 , behauptet finden.
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Heirat dem Herren als Rentenzahlende oder Arbeitskraft verlorenging. Und so gehört jene Abgabe in die Nähe des Abzugsgeldes, wie wir es auch in bezug auf Männer überall finden, bei Fortzug aus dem Gerichtsbezirk eines Gerichtsherren, später sogar aus dem Territorium eines Landesherren1) 2). Wir finden diese Abgabe in den Urkunden unserer Zeit nur selten erwähnt, so z. B. in einem zu Anfang des 10. Jahrhunderts aufgestelltem Fuldaer Verzeichnis. Da heißt es z. B. von Ettenhausen (zwischen Salzungen und Marksuhl) „solvant mancipia antequam nubant censum intra XXX annorum spacium, qui census vulgariter beitemunt nuncupatur"8), und zwar besteht er aus 5 solidi oder dem besten Kleid4). Die gleiche Abgabe wird noch aus einigen anderen Orten bezeugt. Bei zwei Gebern könnten die recht unklaren, allzusehr abgekürzten Bemerkungen des Schreibers so ausgelegt werden, daß die Verpflichteten diesen Zins ablösen, und da die Geber Männer sind, müßte man annehmen, daß sie diese Ablösung im Interesse ihrer Töchter und Enkel vornehmen. Doch ist dies, wie gesagt, nicht klar. Es handelt sich um vereinzelte Angaben, aber doch werden es mehr Fälle gewesen sein. Die Begründung einer solchen Heiratsabgabe finden wir sehr viel später, d. h. in der Mitte des 12. Jahrhunderts, einmal bezeugt; da es der einzige Fall dieser Art ist, mag er angeführt werden, trotzdem er aus der hier im allgemeinen behandelten Zeit herausfällt. Es handelt sich um eine Frau, die sich in den Schutz (Altarhörigkeit) des Klosters Hersfeld begibt und dabei nicht nur für ihre etwaigen Nachkommen die Mortuariumspflicht festlegt, sondern desgleichen für jede Jungfrau, die heiratet, die Pflicht zur Zahlung einer Heiratsabgabe (bethemunt) an den Altar des heiligen WIGBERT5). Auch später sind noch in den südwestlichen Gegenden unseres Gebietes verein1) Ganz etwas anderes ist es natürlich, wenn eine Gemeinde eine Heiratsabgabe erhebt, wie z. B. die als „Brautschilling" bezeichnete Heiratsabgabe, die in den „Mansfelder Blättern", 9. Jahrg., 1895, S. 18, erwähnt wird. 2) Vgl. dazu G. v. B E L O W , a. a. O., S. 106 f. Übrigens wurde dieses Abzugsgeld generell erst 1815 durch die Deutsche Bundesakte (Art. 18) aufgehoben! 3)
DRONKE,
Trad., Kap. 34 (dazu
DOBENECKER,
Regesten, I, Nr. 328).
4) Daß auch hier das „Bestkleid" vorkommt, ist sehr bemerkenswert. Die Worte „intra X X X annorum spacium" wollen wohl besagen, daß die Zahlung nur fällig wird, wenn sie in dem Zeitraum von 30 Jahren heiraten, wobei es nicht klar ist, ob das ein als generelle Begrenzung zu betrachtender Zeitraum ist, oder ob das Alter jeder einzelnen Braut gemeint ist. 5) K. F.
STUMPF,
Acta Maguntina Seculi XII, Innsbruck 1863, Nr. 58.
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zelte Spuren solcher Heiratsabgaben festzustellen1). Aber alles in allem kann man dieser Abgabe keine große Bedeutung für unser Gebiet beimessen. Ob sie einst selbstverständliche Pflicht aller unfreien Frauen war, muß bezweifelt werden; man kann das nur schwer annehmen, da die Nachrichten darüber zu mager sind. Auf alle Fälle ist sie aber in dem Gebiete nördlich des Waldes und östlich der Werra, also in dem Gebiete, das später zu dem Geltungsbereich des mitteldeutschen Typs der Agrarverfassung gehörte, schon in frühester Zeit spurlos verschwunden, wenn und soweit sie hier überhaupt erhoben wurde, und in den südlichen und westlichen Gebieten spielte sie auch nur eine unbedeutende Rolle. Zum Teil mag sie abgelöst sein; im übrigen könnte man sich denken, daß sie mit den sonstigen Zinsverpflichtungen verschmolzen ist und den alten Charakter ganz verloren hat. c) Die W a c h s z i n s i g k e i t ( A l t a r z i n s i g k e i t ) ist die dritte der Abgaben, die in vielen Gegenden Deutschlands, namentlich im Nordwesten, als persönliche Last im Gefolge der Unfreiheit auftrat 2 ). Die Begründung dieser Abgabe und des ganzen diese Abgabe bedingenden Verhältnisses erfolgte bei der Freilassung, die aber keine volle Freiheit gewährte, sondern so erfolgte, daß der (die) Unfreie von dem Herren zwar freigelassen, aber dabei einem Kloster oder einer Kirche übergeben wurde mit der Auflage, diesem bzw. dieser hinfort einen gewissen laufenden Zins zu .zahlen, der zumeist in Wachs bestand (daneben wurde zuweilen bei dieser Gelegenheit, wie wir sahen, auch die Mortuarium- oder Beithemunt-Verpflichtung begründet). Es handelt sich also um eine „Halbfreiheit". Sie spielt, wie gesagt, in unserem Gebiet keine nennenswerte Rolle, und die wenigen Fälle, in denen uns eine Begründung dieser Verhältnisse bezeugt wird, betreffen lediglich Frauen 8 ). In dem einen Falle ist festgelegt, daß der Zins in Geld (2 Denar) oder aber in dem Gegenwert in Wachs gezahlt werden solle 4 ); hier finden wir also einmal die Wachsabgabe, die der ganzen Institution ihren Namen gegeben hat. 1) W I L H E L M E N G E L , Wirtschaftliche und soziale Kämpfe in Thüringen (insonderheit im Herzogtum Meiningen) vor dem Jahre 1848, in „Zeitschrift d. Ver. f. thür. Geschichte u. Altertumsk.", N. F., 11. Beiheft, Jena 1927, S. 49. 2) Vgl. die Literaturangaben in meiner Herausgeber-Anmerkung bei G. v. BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft usw., S. 91. 3) D R O N K E , Codex, Nr. 466, 516; D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 1534. Natürlich bedeutete nicht jede Unfreienschenkung an eine Kirche oder Kloster ein solches Verhältnis, sondern nur, wenn damit die Freilassung verbunden war.
4) DRONKE, Codex, N r . 4 6 6 .
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II. Die Entstehung der Belastung bei ursprünglich Freien. A . Nicht-grundherrliche Entstehungsgründe. 1. U m w a n d l u n g e i n s t f r e i w i l l i g e r in p f l i c h t m ä ß i g e .
Abgaben
E s gab manche Gründe, aus denen heraus Freie abgabenoder dienstpflichtig werden konnten, ohne deswegen aus ihrem Stande auszuscheiden oder in ihrem Ansehen und ihrer sozialen Stellung — zunächst wenigstens —, Schaden zu erleiden. Berichtet doch schon T A C I T U S von f r e i w i l l i g e n A b g a b e n an den Stammesfürsten1). Natürlich tragen diese Abgaben keinen grundherrlichen Charakter 2 ), sondern eher einen politischen, wenn man überhaupt freiwillige Spenden so charakterisieren will. Die Frage ist nur, wielange diese Freiwilligkeit aufrechterhalten werden konnte! Der Zug, der durch das germanische Recht dieser Zeit hindurchgeht, alle Verhältnisse erblich werden zu lassen und sie zugleich zu „objektivieren", d. h. ihre Basis vom Persönlichen zum Sachlichen hin zu verschieben, hat schwerlich vor diesem Abgabenverhältnis haltgemacht, ebenso wie später „Bittfronen" auf Grund nachbarlicher Hilfeleistungen nicht selten zu Zwangsfronen wurden. So steht zu vermuten, daß in einigen Generationen nach T A C I T U S die ganze Sache schon ein anderes Gesicht hatte. Auch wenn die rechtliche Freiheit der Abgabeleistenden unangetastet blieb, verlor diese selbst doch den Charakter der Freiwilligkeit. — Wir wissen nun, um speziell auf unser Gebiet zu sprechen zu kommen, nicht, inwieweit derartige Verhältnisse, wie wir sie doch wohl auch in Mitteldeutschland während der 1. Siedlungsperiode annehmen dürfen, die Zuwanderung der Angeln und Warnen überdauert haben. Aber ob das nun der Fall war oder nicht: auch diesen beiden Stämmen war dieser Gedanke schwerlich fremd, und so brachten sie diese Institution mit in das Land, und die reichen „Fürstengräber" usw. dieser Epoche sind denn auch als Grabstätten solcher „principes" aufzufassen, die mit politischem Führertum einen großen materiellen Besitz verbanden. Es ist uns nicht bekannt, inwieweit die Thüringerkönige noch eine selbständige Stellung dieser Principes geduldet oder inwieweit sie alle Macht bei sich konzentriert haben. Auf alle Fälle 1) Germania Kapitel 15: „mos est civitatibus ultra ac viritim conferre principibus vel armentorum vel frugum, quod pro honore acceptum etiam necessitatibus subvenit." 2) Darin ist MAX WEBER, Der Streit um den Charakter usw., a. a. O., S. 453, unbedingt zuzustimmen.
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haben die Frankenkönige damit nach der Unterwerfung des Landes (531) Schluß gemacht in dem Sinne, daß sie der autarken politischen Führerstellung dieser Fürsten endgültig ein Ende bereiteten (wenn die soziale Führerstellung auch unangetastet blieb). Ob nun diese politische Entmachtung früher oder später anzusetzen ist, eine Folge hat sie gehabt: sie hat dafür das ökonomische in den Vordergrund treten lassen, als den Teil der alten Position, der jetzt allein noch übriggeblieben war. Das heißt in diesem Zusammenhange, daß gesteigerter Wert auf die Darreichung von Abgaben gelegt wurde, und daß so der an sich schon vorhandene Drang, die Freiwilligkeit in ein Muß zu verwandeln, gesteigert werden mußte. Dieser Intensivierung des Wirtschaftlichen begegnen wir ja in dieser Zeit allgemein, in der Verbesserung der Agrartechnik, in den wirtschaftspolitischen Anordnungen K A R L S D. G R . und in der Klosterwirtschaft, und ebenso in der ausgedehnten grundherrlichen Siedlungstätigkeit, die zum großen Teil von den weltlichen Großen getragen wird und ja auch durch die Umwandlung von unbenutztem Waldland zu zinstragendem Ackerland eine wirtschaftliche Bereicherung mit sich brachte. 2. P o l i t i s c h b e g r ü n d e t e A b g a b e n . Wir haben auch noch andere Abgaben, die rein politisch begründet waren und dann zu grundherrlichen wurden. Ganz deutlich ist dies der Fall bei dem T r i b u t , der den Slaven in unserem Gebiet auferlegt wurde, worüber oben S. 61 f. Näheres gesagt ist. Das gleiche gilt für den Zins, der den zwangsweise umgesiedelten Sachsen auferlegt worden war, auf den wir gleichfalls schon in anderem Zusammenhang stießen (oben S. 199). Offen bleiben muß die Frage, ob bei der doch wohl nicht ganz friedlich verlaufenen Zuwanderung der Angeln und Warnen auch derartige Verpflichtungen gegenüber Angehörigen der bereits ansässigen Bevölkerung begründet worden sind (wenn nicht gar Herabdrückung in volle Unfreiheit stattfand). Ebenso bleibt im Dunkeln, in welcher Form der Schweinezins, der Thüringen bei seiner Unterwerfung durch die Franken 531 auferlegt wurde (erst spätere Quellen nennen die Zahl etwa 500) und 1002 in Fortfall kam1), aufgebracht wurde. Zahlten ihn die Großen des Landes allein oder wurden auch die kleineren freien Bauern in irgendeiner Form mit herangezogen, um dann auch weiterhin den ursprünglich lediglich als Einzugs1)
SCHNEIDER-TILLE,
Lütge, Agrarverfassung.
a. a. O.,
S.
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organe wirkenden Großen gegenüber in alter Weise belastet zu bleiben? Wenn dies zutrifft, haben wir auch hier den Vorgang, daß aus politisch bedingten Abgaben solche rein grundherrlichen Charakters wurden. Schließlich wäre in diesem Zusammenhange noch auf die Umbildung des alten Gefolgschaftswesens hinzuweisen. Ursprünglich war der Eintritt in die Gefolgschaft eines Großen ja in keiner Weise mit einer Minderung der sozialen Stellung verbunden, ja, konnte besondere Ehre bedeuten1). Die Gefolgschaftsleute traten in die Muntschaft des Herren ein, in der ja alle Hausgenossen standen. Damit war aber automatisch eine Verminderung der rechtlichen Stellung verbunden, und das wirkte sich weiter aus. Hat doch diese Einrichtung für die spätere Entwicklung der SozialVerfassung eine erhebliche Bedeutung gehabt, denn an sie knüpft die spätere Schutzherrschaft (tutela) an2). Den Übergang vom alten Gefolgschaftswesen zur Schutzherrschaft können wir ganz gut verfolgen. Er stellt sich dar in der Auflockerung der ersteren Institution im Verlauf des 6.—8. Jahrhunderts derart, daß das ursprüngliche Erfordernis, daß nämlich der Gefolgsmann in die Hausgemeinschaft des Herrn aufgenommen wird, verlassen wurde, und man sich mit dem Akt der Inschutznahme begnügte unter Verzicht auf die Hausgemeinschaft, also zugestand, daß der Schützling auf seinem eigenen Hofe sitzenblieb. Als Gegenleistung hatte er vereinbarte Dienste zu leisten oder bestimmte Abgaben zu entrichten. Wir wissen aus dem 64. Kapitel der Lex Saxonum, daß sich in Sachsen seit der Karolingerzeit ein sehr beträchtlicher Teil der Frilinge in der Schutzherrschaft der Nobiles befand3). In welchem Umfange Ähnliches auf unser Gebiet übergegriffen hat, ist aus dem erhaltenen Quellenmaterial nicht zu ersehen. Auf alle Fälle aber darf diese Möglichkeit nicht übersehen werden. Wenn einmal dieser Schritt getan war, war es nur eine Frage der Zeit, und der auf seinem Hof sitzende, aber abgabepflichtige „Gefolgsmann" wurde zum abhängigen Vasallen oder Bauern, und konnte dabei wohl oft genug auch nicht einmal die persönliche Freiheit wahren, da er ja in der „Muntschaft" (tutela) des Herren stand. 1) TACITUS, Germania, Kap. 13. Vgl. hierzu auch G. WAITZ, Über die Bedeutung des Mundium im Deutschen Recht, in „Sitzungsberichte d. kgl. preuß. Akademie d. Wiss. zu Berlin", Jahrg. 1886, I. Halbbd., S. 375ff. 2) Vgl. d a z u 3) M A X
GERHARD
WEBER,
a. a.
SEELIGER, O.,
S.
457.
a. a. O.,
S . 6 5 f.
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B. Entstehung auf rein grundherrlicher Basis. So bedeutungsvoll alle diese Momente auch im Einzelfall und im Zuge der Gesamtentwicklung gewesen sein mögen, um eine dauernde, nach und nach zur Reallast werdende Zinsverpflichtung herzustellen, so sehr treten sie, im großen gesehen, doch vor der rein grundherrlichen Begründimg von Abgaben und in einzelnen Fällen auch von Diensten zurück. Dieser letzteren Erscheinung ist es also, wenn auch nicht ausschließlich, so doch in erster Linie zuzuschreiben, daß auch die breite Schicht der freien Bauern nach und nach in irgendeiner Form „grundherrlich" wurde und so neben die einstigen Unfreien trat, die zu grundherrlich abhängigen Bauern aufgerückt waren. Die Entwicklung in unserem Gebiet (im besonderen in den Landstrichen östlich der Werra und nördlich des Waldes) wurde nun dadurch bestimmt, daß diese unfreien Bauern nach und nach persönlich frei wurden, und daß auf der anderen Seite die einst freien Bauern zwar verpflichtet wurden, Abgaben und da und dort Dienste zu übernehmen, daß sie aber dabei ihr freies Eigentumsrecht an ihrem Hofe nicht einbüßten. Über alle diese Fragen ist bereits in anderem Zusammenhange gesprochen worden1). Die Gründe, die zu einem Emporsteigen der einstigen Unfreien in die persönliche Freiheit verbunden mit sehr gutem Besitzrecht (Erbzinsrecht) führten, kamen entsprechend auch den alten Freien zu Hilfe und verhüteten ein weiteres Absinken. Ohne eingehende Teiluntersuchungen, die hier zu weit führen würden, ist nicht zu ersehen, ob die Kolonen, jene bedeutende Gruppe unter den persönlich freien, aber grundherrlich angesetzten Bauern, ihr Besitzrecht bis zum freien, lediglich abgabebelasteten Eigentum (schlichtes Zinsgut) steigern konnten, oder aber auf Grund der mit dem Kolonenrecht verbundenen Schollenpflichtigkeit in die Sphäre des Erbzinsrechts gerieten. Neben diesen Kolonen sind es auch Liberi, die wir in grundherrlichen Verhältnissen treffen 2 ), zuweilen auch mit Diensten belastet3). Landnot auf der Seite des Bauern, Verfügung über großen Landvorrat auf seiten der Grundherren trafen hier aufeinander. Dabei brauchte, wie schon betont, der Fall gar nicht so zu liegen, daß ein Bauer von seinem gesamten Besitz Zins an einen Grundherren zu zahlen hatte, sondern es konnte sich auch um Zupachtungen lediglich von Teilstücken handeln. Schon damals 1) Vgl. oben S. 97ff.; 123ff. 2) D R O N K E , Trad., Kap. 43, Nr. 3) Ebenda, Kap. 43, Nr. 1.
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17, 70, 75; Kap. 45, Nr. 19.
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mögen auch Kaufverträge derart vorgekommen sein, wie sie uns aus späterer Zeit als landläufig überliefert sind1), der Art nämlich, daß der Käufer einen Teil des Kaufpreises, die Hauptsumme, sofort bezahlt, und für den Rest, den er nicht bar zahlen kann oder will, eine Zinsverpflichtung im Sinne einer ewigen Rente übernimmt, wobei die Gegenleistung auch in Frondiensten bestehen kann. Die Hinwendung zum ökonomischen, von der oben die Rede war, hat ja nicht nur bei dem Grundherren stattgefunden, sondern auch bei dem Bauern. Das prägt sich nicht nur so aus, daß wir damals eine beträchtliche Belebung der Intensität des Landbaues und der Wirtschaftsführung zu verzeichnen haben, sondern liegt auch logisch in der sozialen Differenzierung beschlossen, die wir für die Karolingerzeit feststellen können. Durch die stärkere Berücksichtigung des Ackerbaues (gegenüber Jagd, Viehzucht und Krieg usw.) und wohl auch durch die um sich greifende Rodungstätigkeit wurde der Mann mehr und mehr an die Scholle gefesselt und auch zu intensiverer wirtschaftlicher Arbeit gezwungen; er wurde erst jetzt nach und nach Bauer in dem eigentlichen engeren Sinne des Wortes, d. h. im Sinne einer Berufsausübung, eines Berufsstandes. Und das um so eher, als er aus dem politischen und soldatischen Leben der Nation immer mehr und mehr ausschied. Es muß auch in diesem Zusammenhange wieder darauf hingewiesen werden, daß in dieser stillen, gleichsam unsichtbaren und unhörbaren Entwicklung, für die der große politische Wandel ja zu einem nicht geringen Teil veranlassend und fördernd gewirkt hat, ein ganz entscheidender Zug dieses karolingischen Zeitalters zu erblicken ist, und daß vor allem eine solche Ausprägung der Grundherrschaft, wie wir sie, auch unter Vermeidung der Überschätzungen der älteren Schule (v. I N A M A - S T E R NEGG usw.), vor uns sehen, nicht ohne die geschilderte innere Entwicklung denkbar gewesen wäre. Bei der Erörterung der Differenzierungsvorgänge dieser Zeit formulierte M A X W E B E R einmal die folgenden Sätze, die ihrer prägnanten Hervorhebung des Kernes wegen wörtlich angeführt seien: „Für den Edeling, der einmal in den Besitz einer zureichenden Zahl von Hufen gelangt war, bedeutete die steigende P r o d u k t i v i t ä t der Arbeit die Möglichkeit steigender Renten. Für die Masse der Gemeinfreien aber bedeutete die steigende I n t e n s i t ä t der Arbeit steigende Bindung an wirtschaftliche Tätigkeit. Mit steigender Kultur der Vornehmen stieg naturgemäß auch 1) Vgl. die Beispiele in meiner „Mitteldeutschen Grundherrschaft", S. 166f.
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der Bedürfnisstand der Massen. Mag man sich die Lebenshaltung etwa der Sachsen1) im 8. Jahrhundert als eine für unsere Begriffe noch so niedrige vorstellen, gegenüber den Zuständen von Wohnung, Hausgerät und — namentlich — Kleidung, welche TACITUS teils schildert, teils andeutet, war sie doch sicherlich ungemein gestiegen. Dagegen waren mit der dichteren Siedlung die durchschnittlich mögliche Viehhaltung sowohl als der Ertrag der Jagd sicher stark zusammengeschrumpft. Je unentbehrlicher die ständige persönliche Mitarbeit des Mannes in der Wirtschaft geworden war, desto weniger war er für Kriegs- und Beutezüge abkömmlich, desto seltener für ihn die Gelegenheit für derartigen Erwerb, desto mehr saugte er sich gewissermaßen am Boden fest, wurde im wirtschaftlichen Sinne ,,schollenfest" und — natürlich nur relativ gesehen — unkriegerisch. Die s t ä n d i s c h e Differenzierung in Krieger und Ackerbauer ist nicht der Anfang, sondern ein Produkt einer Entwicklung, die mit der bloß faktischen Differenzierung beginnt"2). Charakterisiert MAX WEBER damit — sicher im großen ganzen ganz richtig — die Entwicklung, die zur sozialen Differenzierung führte, so ergibt sich für uns unter dem uns hier interessierenden Gesichtspunkt aus diesem gleichen Sachzusammenhang der Tatbestand, daß hier zugleich nicht zuletzt die treibenden Kräfte für die Ausbreitung der Grundherrschaft auch über persönlich freie Bauern zu suchen sind, also jenen Vorgang, der, wie wir schon in anderem Zusammenhange sahen3), den entscheidenden Grundzug der Entwicklung der Grundherrschaft in der Karolingerzeit darstellt und der auf alle Fälle als erheblich wichtiger und wesentlicher angesehen werden muß als die rein quantitative Ausweitung der grundherrschaftlichen Besitzungen und Verhältnisse. Wir dürfen also sagen: Aus dieser ganzen vorstehend geschilderten neuen Lage und neuen Einstellung heraus ist es verständlich, daß der freie Bauer geneigt wurde, gewisse Abgaben zu übernehmen, wenn er nur Land erhielt, während ihn dieses auf der anderen Seite aber auch erst befähigte, die (an sich j a nicht sehr hohen) Abgaben zu leisten; trotz dieser Belastung stand er sich nun doch noch besser als vorher, er gab damit nur einen Bruchteil des zusätzlich erzielten Gewinnes ab, den er auf der übernommenen Ackerfläche erzielte. Die größere Arbeitsbelastung, die ihm damit erwuchs, rechnete er nicht mehr; er war ein anderer geworden, als ihn uns noch TACITUS 1) Wir können das gleiche für Thüringen und Ostfranken/Hessen annehmen. 2) MAX WEBER, Zum Streit um den Charakter usw., a. a. O., S. 457. 3) Vgl. oben S. 106.
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schildert, er war B a u e r . Auch wenn wir an die Tatsache denken, daß mit dem 10. Jahrhundert die Landschenkungen an die Kirchen und Klöster sehr stark zurückgehen1), namentlich seitens der freien Bauern, dann darf man das wohl nicht nur darauf zurückführen, daß das Land knapper wurde (im 10. Jahrhundert gab es immer noch Überfluß), sondern sicher auch darauf, daß der Bauer mehr an dem Boden hing, weil er mehr Arbeit an ihn wandte und weil die stärkere Betonung des Ökonomischen in dem Denken der Menschen ihn gefühlsmäßig dem Boden höheren Wert beilegen ließ als früher. Das Schenken fiel schwerer und erfolgte nicht mehr so frei ohne Nebenabsichten, wie sie bei den späteren herrschaftlichen Klostergründungen ja doch mitsprachen (Vermehrung des Ansehens, der Macht, Versorgung der Töchter usw.). Der normale Freie war eben nicht mehr, wie in der Urzeit, ein freilebender Mann, der Krieger, Jäger, Hirte, Handwerker und sonst alles auf einmal war und dabei auch Landbau trieb, sondern er war jetzt Bauer im vollen Sinne des Wortes geworden. Gewiß kann man den alten Germanen auch Bauer nennen, und die ganze Kultur der breiten Volksschicht war ja durchaus bäuerlich, aber zwischen dem Bauern des 1. und 9. Jahrhunderts bestand eben doch ein großer Unterschied. Alles in allem haben wir also in dieser „Verbauerung" ein Moment zu sehen, daß im Verein mit der Tatsache, daß König, Kirche und Grundherren über ausgedehnte Ländereien und Waldungen verfügten, wesentlich zur Ausdehnung grundherrlicher Verhältnisse beigetragen hat. Zum Schlüsse ist noch der Tatsache zu gedenken, daß auch mit der Übergabe von Schenkungen an ein kirchliches Stift, d. h. praktisch bei unserem Material in erster Linie an Fulda, die Begründung von Abgaben verbunden sein konnte. Wir haben schon mehrfach gesehen, daß viele Traditionen nicht mit sofortiger Wirkung erfolgten, sondern unter Bedingungen, die dem Tradenten für längere oder kürzere Zeit den Weiterbesitz ermöglichten, sei es, daß es sich um Rückübertragungen (precarie) handelte, sei es, daß lebenslänglicher oder anderweitig befristeter Besitz ausgemacht wurde 2 ). Man könnte eine gewisse Naturalgegenleistung bereits darin erblicken, daß in manchen Urkunden der Schenker sich lebenslänglichen Nießbrauch vorbehält, aber mit der ausdrücklichen Verpflichtung, daß der Besitz nicht vermindert, sondern v e r m e h r t werden soll. So heißt es z.B. in der Schenkung des O T F R I D v. J . 823 1) Bis dann erst später die großen Dynastenfamilien ihre Hausklöster begründeten und ihrem Ansehen gemäß ausstaffierten. — 2) Vgl. auch unten S. 218 ff.
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„ad usus meos non minuendo sed augendo excolere"1), in der Tradition des H R I H H A R T und seiner Gattin A L T B U R G V. J . 8 2 7 heißt es „post obitum quoque nostrum amborum aucta et meliorata haec omnia redeant in potestatem sancti Bonifatii"2) usw.3). Ganz eindeutig ist die Lage, wenn der Tradent sein geschenktes Land zu lebenslänglichem Nießbrauch zurückerhält, aber dabei die Verpflichtung übernehmen muß, einen Zins zu entrichten. Das fällt auf, denn man sollte annehmen, daß die Überlassung des Gutes nach dem Tode des Schenkers eine reichliche Gegengabe für die zeitweise Überlassung des Gutes darstellt. Und dabei kommt eine derartige Vereinbarung von Zins auch vor, wenn es sich um Grundherren handelt, die von ihrem Besitz schenken4). Man wird wohl annehmen dürfen, daß dieser Zins dann auf die Unfreien (mancipia), die bei diesen Schenkungen miterwähnt werden, umgelegt worden ist und er dann als Reallast auf ihren Gütern liegenblieb. Daneben finden wir aber auch Schenkungen offensichtlich bäuerlichen Charakters, bei denen der Schenker sich den Besitz (etwa auf 30 Jahre) vorbehält und in dieser Zeit einen Zins zahlt5). Das alles fällt um so mehr auf, als es sich um Ausnahmen handelt, denn der überwiegende Teil der Schenkungen, bei denen lebenslängliche oder zeitlich festgelegte Nutzung vorbehalten wird, kennt daneben keinen Zins. Wir dürfen wohl aus diesem Vorgange schließen, daß im Laufe des 9. Jahrhunderts die Zinszahlung für Überlassung von Landbesitz sich einzubürgern begann und in Einzelfällen auch bei Schenkungen mit Nießbrauchsvorbehalt in Aufnahme kam. War nun die vereinbarte Frist abgelaufen und kam das geschenkte oder vererbte Gut damit in die freie Verfügungsgewalt des Klosters, so tat dieses das Land ja in der Regel anderweitig aus, und es überrascht nicht, daß das Kloster jetzt erst recht Zins verlangte, gleichgültig, ob die neuen Besitzer Freie oder Unfreie waren. Ebenso wurden auch die Güter zu Zins ausgetan, bei deren Tradition zwar Nießbrauch, aber keine Zinsverpflichtung vereinbart war, und erst recht diejenigen, die bedingungslos mit sofortiger Wirkung geschenkt waren. So ist denn bald der Zustand erreicht, daß aller ausgegebener Besitz des Klosters Fulda und ebenso der anderen Grundherren Zinsen oder Dienstleistungen oder beides einbrachte, so wie wir 1) D R O N K E , Codex, Nr. 420. — 2) Ebenda, Nr. 4 7 3 . 3) Vgl. auch ebenda, Nr. 457, 563, 635. 4) Wie z. B. in den Fällen D R O N K E , Codex, Nr.454u.517; Trad., Kap. 8, Nr.2. 5 ) D R O N K E , Trad., Kap. 8 (enthält mehrere solche Fälle).
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das in dem vorigen Kapitel über die verschiedenen Gruppen der grundherrlichen Bauern als allgemeine Erscheinung sahen, wenn auch die Höhe der Lasten nach dem sozialen Rang der betreffenden Bauern abgestuft war.
III. Der Zehnte. Eine besondere Abgabe für sich stellt der Zehnt dar. Dieser alte kirchliche Brauch war von P I P P I N und K A R L D. G R . in dem Frankenreich geboten worden1), und so treffen wir ihn auch in unserem Gebiet überall an. Zweifellos hat ihn ursprünglich K A R L D. G R . und vielleicht auch schon sein Vater selbst eingezogen. Darauf lassen die zahlreichen Verschenkungen von Zehnten namentlich an das Kloster Hersfeld durch K A R L D. G R . schließen2). Und zwar befinden sich darunter nicht nur Zehnten von Fiskalgütern, sondern auch von ganzen Gauen3). Bekanntlich verfügen wir über ein großes Hersfelder Zehntverzeichnis aus dem Ende des 9. Jahrhunderts, das im besonderen auch durch die zahlreichen Namensnachweise äußerst wertvoll ist4). Hersfeld, Fulda und der erzbischöfliche Stuhl in Mainz waren die wichtigsten Bezieher von Zehnten. An dieser Stelle kann eine Geschichte des Thüringer Zehnten, der ja zu ausgedehnten Streitigkeiten Anlaß gegeben hat, nicht eingegangen werden; das würde zu weit führen, und zudem fallen diese Streitigkeiten zum großen Teil in spätere Zeit5). Wesentlich ist für uns nur, daß durch Verleihungen, später auch durch Usurpationen, Kauf, Verpfändung, Tausch usw., die Zehnten zu einem großen Teil in die Hände privater Herren, auch Bürger, Städte, Stifter usw. gekommen sind, und so zwar nicht der Entstehung, wohl aber der praktischen Handhabung nach grundherrlichen Charakter erhielten. Das Eigenkirchenwesen hatte überdies zu dieser Verweltlichung des Zehnten in nicht unbeträchtlichem Ausmaße beigetragen. 1) R U D . KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 177; G. v. B E Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, S . 8 1 ; A . DOPSCH, Karolingerzeit, II. Bd., S. 23ff. 2 ) Vgl. W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I , Nr. 8 , 9 , 1 0 , 1 1 , 1 2 , 1 4 . 3) Zum Beispiel Nr. 14. Über die sehr unsichere angebliche Schenkung des Zehnten in ganz Thüringen vgl. ebenda, Nr. 15 u. 34, und HÖLK, a. a. O., S. 7ff. 4 ) Ebenda, Nr. 3 7 ; D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 2 8 7 ; GRÖSSLER in ,,Zeitschrift d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", 7. Jahrg., 1874. 5 ) Vgl. dazu A U S F E L D , a. a. O . , und H Ö L K , a. a. O . , sowie F . P H I L I P P I , Zehnten und Zehntstreitigkeiten, in „Mitteilungen d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung", Bd. 33, 1912, und kurz auch K. Z I E R F U S S , a. a. O., S. 9f. Wichtige Urkundenstellen über die Herausbildung des Zehnten von einer religiös bestimmten Sitte zu einer Verpflichtung bei J . B E C K E R - D I L L I N G E N , a. a. O., S. 327ff. LOW,
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IV. Gerichtsherrliche Lasten. Ais weiterer Faktor, der zur Begründung bäuerlicher Abgaben führte, ist schließlich die Gerichtsherrschaft zu nennen. Doch fällt die Ausbildung dieser Institution und der von ihr nach und nach entwickelten Belastungen überwiegend in die nachkarolingische Zeit, und ihre Behandlung muß daher in diesem Rahmen unterbleiben ; es sei hier lediglich ganz kurz darauf hingewiesen, denn die ersten Grundlagen dieser Entwicklung fallen ja immerhin schon in die Karolingerzeit. Diese Grundlagen bestehen zum ersten in der Tatsache, daß die geistlichen Stifte — für unser Gebiet also in erster Linie Hersfeld und Fulda — für ihren großen Besitz Immunitätsrechte erhielten1), aber doch durch Kirchensatzung daran gehindert waren, selbst die höchste Gerichtsbarkeit auszuüben. Sie bestellten für diesen Zweck Vögte, und zwar, um an ihnen zugleich einen Schutz zu finden, mit Vorliebe mächtige Herren. Das alles ist j a bekannt, wie auch die allgemeine Entwicklung, die dahin führte, daß aus den Beschützern Unterdrücker wurden2) und die Übergabe der Vogtei oft alles andere als freiwillig geschah, wie auch die Vergebung der großen Lehen3). Erinnert sei daran, daß Herzog OTTO DER ERLAUCHTE sich bereits 901 zum Laienabt von Hersfeld aufgeschwungen hatte und bei dieser Gelegenheit Besitz und Rechte der Abtei minderte4). Durch Schenkung, Verlehnungen, Tausch, Okkupation usw. kamen dann die Abgaben, die der Vogt als Gerichtsherr erhob, in private Hände und verloren so zweifellos in zahlreichen Fällen ihren eigentlichen Charakter, zum mindesten im Bewußtsein der Menschen. Die andere Quelle, die zum gleichen Ziele führte, war der Verfall der königlichen Gerichtsbarkeit, nun nicht, wie im vorstehenden Fall, durch Verleihungen und Privilegierungen durch den obersten Gerichtsherrn selbst, sondern durch Okkupation der alten königlichen Rechte durch die Grafen und 1) Fulda durch K A R L D. G R . i. J . 774 (vgl. S T E N G E L , Urkundenbuch von Fulda, I, Nr. 68), Hersfeld durch den gleichen Herrscher im darauffolgenden Jahr (vgl. dazu oben S. 169, Anm. 7). 2) Das Schicksal Hersfelds zeigt das ja aufs Deutlichste: Die Landgrafen von Thüringen und Hessen als Schutzherren drückten die Reichsabtei schließlich zu einem abhängigen Territorium herab, das dann hessische Provinz wurde ( H A F N E R , a. a. O., S. 132f.). Vgl. auch T H . K N O C H E N H A U E R , a. a. O., S. 172f. 3 ) Schon E B E R H A R D klagte über die großen thüringischen Lehensträger: „Insuper decimationes es familiam sei Bonifacii invadunt, ita ut non defensores sed impugnatores ecclesie, a qua didati, sunt, esse iudicentur" (DRONKE, Trad. et ant., Kap. 62). 4) W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 37 u. 39. T H . K N O C H E N H A U E R , a. a. O., S. 172.
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sonstigen Vasallen. Diese schwangen sich zu Dynasten, Territorialherren auf und übten die Gerichtsbarkeit in eigenem Namen und vergaben gerichtsherrliche Rechte an ihre Vasallen. So kamen die gerichtsherrlichen Abgaben, die im Laufe des Hochmittelalters zumeist erst neu begründet wurden, auch auf diesem Wege in private Hände1). Die Belastungen, die dem Bauer aus der Gerichtsherrschaft erwuchsen, waren jedenfalls später oft schwerer als die rein grundherrlichen. Beide sind dann oft nur schwer auseinanderzuhalten und in der Praxis wohl oft auch nicht mehr auseinandergehalten worden. Es sei hier lediglich auf eine Urkunde verwiesen, die ein recht gutes Beispiel davon gibt, wie solche gerichtsherrlichen Rechte und Einkommen in andere Hände geraten können, in diesem Fall geschenkweise. Es handelt sich um die Schenkung König L U D W I G S an seinen Beichtvater und Orator R U D O L F , der zugleich Vorsteher der Klosterschule in Fulda ist. Er schenkt diesem nicht nur den Zins, den Kolonen, die auf Fuldaer Land sitzen, bisher an die „regia curia" zu zahlen hatten2), sondern tritt auch die Gerichtsherrlichkeit über diese an R U D O L F und dessen Nachfolger ab (unter strengem Verbot an alle königlichen Beamten „conturbare aut constringere").
E. Verschiebungen in den Besitzverhältnissen durch die Ausweitung der Grundherrschaft in der Karolingerzeit. Daß durch die beträchtliche Ausdehnung, die die Grundherrschaft im Verlaufe des frühen Mittelalters namentlich im 8. und 9. Jahrhundert unstreitig erfahren hat, eine Umänderung in der gesamten sozialen und wirtschaftlichen Struktur erfolgen mußte, ist völlig selbstverständlich. Das Problem liegt darin, wie weitgehend diese Umgestaltung war. Und diese Frage wiederum ist abhängig von der Beantwortung zweier Vorfragen: 1. Welcher Art waren die Verhältnisse vorher (also in der sog. Früh- oder Urzeit) ? 1) Vgl. z. B . die sorgfältige Teiluntersuchung v o n HANS EBERHARDT. Die
Anfänge des Territorialfürstentums in Thüringen, Jena 1932. Generell G. v. BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 81 ff.; Der deutsche Staat des Mittelalters, Leipzig 1914, S. 244ff. u. 295 f. 2) Auf welchen historischen Fundamenten diese Zinspflicht von Kolonen, die auf Fuldaer Grund und Boden sitzen (,,qui agri prefati monasterii colunt"), beruht, läßt sich nicht mehr erkennen, ist ja aber in diesem Zusammenhange auch gleichgültig. DRONKE, Codex, Nr. 556. Auf diese Urkunde war schon oben S. 197 in anderem Zusammenhange hingewiesen.
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2. In welchem Ausmaße griff die Grundherrschaft auf das Leben der Nation über ? In der Beantwortung dieser beiden Fragen gehen nun aber die Ansichten der Forscher weit auseinander, und so ist es nur natürlich, daß auch hinsichtlich der Beantwortung der ersten Frage keinerlei Übereinstimmung erzielt worden ist. Uns entsteht hier die Aufgabe, von dem Material ausgehend zu prüfen, welche Ergebnisse sich für den mitteldeutschen Raum gewinnen lassen. Dabei ergeben sich mehrere Teilprobleme.
I. Der Rückgang des freien Besitzes. Prekarie. Über die Frage des Schwindens der Freiheit und die damit im Zusammenhang stehende Frage, welche Änderung in dem Inhalte des Wortpaares frei-unfrei sich in der Karolingerzeit durchzusetzen begann, ist oben S. 106ff. eingehender gehandelt worden. Hier steht lediglich zur Erörterung, inwieweit durch die Landschenkungen von Freien an Grundherren — und das heißt für unser Gebiet praktisch: durch Schenkungen an Fulda und Hersfeld — freier bäuerlicher Besitz gemindert worden ist. Die ältere, namentlich durch v. INAMA-STERNEGG repräsentierte Auffassung ging ja dahin, daß die Karolingerzeit ein Wachstum der Grundherrschaften mit sich gebracht habe, das jenen zu einem völligen Übergewicht verholfen und zu einem völligen Zusammenschrumpfen der Zahl der freien Bauern geführt habe. Dieser Frage gilt es auch, im Rahmen der hier gebotenen Untersuchungen nachzugehen. Sie hat sogar für unser Gebiet ein besonderes Interesse, weil ja feststeht, daß die Unfreiheit — sowohl was deutsche, wie was slavische Unfreie anbetrifft — in unserem Gebiete mit dem 12./13. Jahrhundert völlig geschwunden ist und daß hier auch keine Umbildung zu Leibeigenschaftsverhältnissen stattgefunden hat, wie im Westen, Südwesten und Norden (Schleswig-Holstein), und ebenso keine Umbildung zu gutsherrlichen Formen, wie sie im preußischen Osten, Böhmen-Mähren usw. zu verzeichnen sind. Ja, wir haben hier schon bei Ausgang des Mittelalters nachweisbar eine ausgedehnte Gruppe von Bauern, die auf freiem Eigentum sitzen (schlichtes Zinsgut), neben den Bauern, die gleichfalls bei persönlicher Freiheit zu Erbzinsrecht ihre Güter innehaben, lediglich mit Realverpflichtungen grund- und gerichtsherrlichen Charakters behaftet 1 ). Unter den Schenkungen an die genannten beiden großen Abteien befinden sich gewiß viele, ja die Mehrzahl, die eine sofortige 1) Vgl. dazu die entsprechenden Abschnitte meiner „Mitteldeutschen Grundherrschaft".
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Übergabe des tradierten Gutes zum Gegenstande haben. Es ist nun, im besonderen eindringlich von DOPSCH (gestützt auf Vorarbeiten anderer) darauf hingewiesen worden, daß wir damit nicht ohne weiteres anzunehmen haben, daß diese Güter sämtlich in den Händen von Grundherren verblieben und damit den Anteil der bäuerlichen Kreise an dem Besitz des Grund und Bodens im gleichen Ausmaße verminderten, indem die Grundherren es zum Hofland schlugen oder in hofrechtlicher Leihe an Unfreie ausgaben1). Nur in einigen Fällen ist uns das ausdrücklich im Zusammenhang mit der Traditionsurkunde bezeugt, was nach anderen Beweisschlüssen sehr viel häufiger vorgekommen ist, daß nämlich ein Teil dieser Güter sofort wieder in die Hände der alten Eigentümer zurückgelangte, und zwar auf dem Wege der Prekarie. Man hat hinsichtlich der Schenkungen, die an Kirchen gemacht wurden, zu unterscheiden zwischen solchen, die mit sofortiger Wirkung erfolgten, und solchen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt, meist mit dem Tode des Schenkers in Kraft traten. Diese letzteren waren „keine letztwilligen Verfügungen im technischen Sinne des Wortes, d. h. bis zum Tode des Erblassers widerrufliche Rechtsgeschäfte"2), sie waren vielmehr, um mit GIERKE ZU reden, „Rechtsgeschäfte unter Lebenden mit Wirkung auf den Todesfall"3), demnach hatten sie keinen erbrechtlichen, sondern einen sachenrechtlichen Charakter, und man hat in ihnen nicht einseitige, sondern zweiseitige Rechtsgeschäfte, also Verträge, zu erblicken. Die rechtlichen Formen für diese Art von Schenkungen waren einmal die Schenkung auf Todesfall (donatio post obitum) und zum anderen die Schenkung mit Vorbehalt des Nießbrauches, die beide wohl eine verschiedene rechtliche Form darstellten, in der wirtschaftlichen Wirkung aber gleichwertig waren. An die Schenkung mit Vorbehalt des Nießbrauches — sei es zugunsten des Schenkers selbst, sei es zugunsten noch anderer ausdrücklich benannter Personen —• knüpft nun die Precaria an, denn durch eine derartige Schenkung mußte sich ja notwendig ein Leiheverhältnis entwickeln, da ja das Eigentum (Eigengewere) sofort an den Empfänger gelangte, der Schenker somit lediglich ein Nutzungsrecht behielt. Eine Prekarie ohne vorangegangene Übertragung eigenen Besitzes treffen wir auch in unserem Materiale nicht mehr an, wir 1) A. DOPSCH, Karolingerzeit, Bd. I, S. 102ff. 2) RUD. HÜBNER, Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. Aufl., I^eipzig. 1930,
S.
785.
3) Zitiert bei RUD. HÜBNER, ebenda.
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haben es also nur mit der precaria oblata zu tun 1 ) 2 ). Aber diese Rückverleihung hat — und das ist für die Wirtschaftsverfassung von entscheidender Bedeutung geworden — doch nicht nur dort stattgefunden, wo uns das ausdrücklich bezeugt ist. Das ist ja nur ganz ausnahmsweise der Fall 3 ). DOPSCH hat gemeint, daß dieser Fall uns unter den rund 600 Urkunden aus der Fuldaer Sammlung, die in die Karolingerzeit gehören, nur dreimal bezeugt sei, nämlich in den Nummern 186, 191, 535*), von denen nebenbei bemerkt nur die erste in unser Gebiet (und zwar Grabfeldgau) fällt. Es handelt sich dabei um zwei Schwestern, die an Fulda Besitzungen geschenkt hatten und nun diese — allerdings ein Teil davon umgetauscht gegen anderen Klosterbesitz — wieder auf Lebenszeit zurückerhalten. Man kann aber noch auf einige weitere Urkunden hinweisen, die diesen Vorgang bezeugen und die insofern noch von besonderem Interesse sind, als wir hier Traditionsurkunden (gekürzte) und Prästationsurkunden (Vestitio) gemeinsam zusammengefaßt und erhalten haben, während die von DOPSCH bezeichneten Fälle nur die Prästationsurkunden bringen. E s handelt sich einmal um die Schenkung eines großen grundherrlichen Streubesitzes, den THEO1) Noch Ende des 9. Jahrhunderts treffen wir auf Wendungen, die entsprechend dem alten Sinn des Wortes „Precaria" noch die Bitte zum Ausdruck bringen; allerdings wird dabei die Form „precatio" gebraucht. So übertragen i. J . 789 F R I C C O und seine Gemahlin der Abtei Fulda ihr im Baringgau gelegenes Gut, aber unter der Bedingung „ita ut per precationem nostram et per vestram beneficium nos illam rem usuario modo excolendam tenere permittatis usque obitum vitae nostrae." ( D R O N K E , Codex, Nr. 93.) Im Jahre zuvor hatte M A T T O (in D R O N K E , Trad., Kap. 5, Nr. 15, als „comes" bezeichnet) gemeinsam mit seinem Bruder eine große Schenkung gemacht, unter der gleichen Bedingung, daß sie nämlich diese Güter auf Lebenszeit zu Nießbrauch „sub usu beneficio" behalten wollten; hier heißt es aber nicht „per precationem nostram", wie in der vorstehend genannten Urkunde, sondern „per vestram precariam", also auf Grund der Leihe des Abtes; hier wird also das Wort in der neuen Bedeutung verwandt. (DRONKE, Codex, Nr. 87.) Da die Traditionen aus unserem Gebiete im allgemeinen erst später einsetzen, läßt sich die Entwicklung von der Schenkung mit sofortiger Wirkung zu der precaria oblata, die B E C K E R - D I L L I N G E N , a. a. O . , S . 323f., an Hand des Fuldaer Materials glaubt besonders gut herausstellen zu können, an dem unser Gebiet betreffenden Material nicht so glatt nachweisen. Hier ist von vornherein der Anteil der Schenkungen, die lebenslänglichen Nießbrauch vorbehalten oder gleich in der Form der precaria oblata stattfinden, recht beträchtlich. 2 ) So bestätigt sich das, was R U D . K Ö T Z S C H K E generell sagt: „In karolingischer Zeit pflegte prekarische Leihe, namentlich von Seiten einer geistlichen Anstalt, nur durch Hingabe von liegendem Gut des Prekaristen erwirkt zu werden" (Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, S. 233f.). 3) Näheres vgl. A. D O P S C H , a. a. O., S. 102f. 4) Ebenda, S. 103, Anm. 5.
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TRAT, EWIH und WITDERPF gemeinsam machen 1 ). Hier ist erst die
Traditionsurkunde in der üblichen Form aufgesetzt, und dann folgen in einem besonderen angehängten Absatz nach den einleitenden Worten: „Testes iterum vestitionis eiusdem traditionis . . . " die Namen der Zeugen für die Rückübertragung dieser Güter an die Schenker, entsprechend der Bedingung, die die Schenker gleich ausgesprochen hatten, und diese Zeugen, weichen von denen völlig ab, die als Zeugen der voraufgegangenen Tradition angeführt werden. Ähnlich findet sich auch am Schluß der Schenkungsurkunde des WIDAROLT und ALTMANN (anno 838), die als Beauftragte eines
Dritten zu dessen und seiner Frau Gunsten dem Kloster Fulda einen größeren Besitz samt 8 Mancipien übereignen, wobei lebenslänglicher Nießbrauch (gegen Zins) für die Frau vereinbart wird, die Zeugenreihe für die Vestitio (,,isti sunt testes vestitionis")2). Ganz ebenso in der Tradition des OTFRID vom Jahr 8233). Die Spur einer Vestition finden wir auch bei der verstümmelten Traditionsurkunde des ADALBRAHT („in praesenti vestituram")4). Eine Andeutung von einer Prästationsurkunde treffen wir auch noch in der Schenkung des RIHHART und seiner Frau an5); auch sie behalten sich lebenslänglichen Nießbrauch vor, und zwar mit dem sonst nicht vorkommenden Satz „earatione ut per vestram p r a e s t a t i o n i s kartulam 8 ) ea quae tradimus ad vitam nostram habere liceat." Von ganz besonderem Interesse ist die Schenkung, die i. J. 866 NORDMANN im Auftrage seines verstorbenen Herren, des Grafen HESSO, in drei Dörfern des Grabfeldgaues macht, umfassend alle Gebäude, Hofstätten, Felder, Wälder usw. und Mancipia, die jener in diesen Ortschaften besessen hatte"). All das wird mit sofortiger Wirkung auf den Abt des Klosters Fulda übertragen, nichts wird dabei gesagt von Vorbehalt des Nießbrauches oder Rückverleihung oder dgl. Und doch hat eine solche stattgefunden! Denn gleich im Anschluß an die Zeugen der Tradition folgen die Zeugen für die Vestition: „Isti sunt qui vestitionem viderunt et audierunt", und zwar für jedes Dorf extra. Es ist dabei nicht gesagt, wer damit beliehen ist, aber man darf wohl annehmen, daß dies der genannte NORDMANN, ein Dienstmann des Grafen HESSO, war. Eine solche Vestitio, ohne daß in der Traditionsurkunde eine Beleihung oder 1) Ebenda, Nr. 520, vom 2. Okt. 838, im Gau Grabfeld und Cozfeld. Näheres darüber s. unten S. 268. 2) D R O N K E , C o d e x , N r . 517. —
3) D R O N K E ,
Codex,
Nr.
420.
4) Ebenda, Nr. 664. — 5) Ebenda, Nr. 380. — 6) Sperrung von mir. 7) D R O N K E ,
Codex,
Nr.
589.
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dgl. ausgemacht war, überrascht und führt natürlich zu der Frage, in wieviel Fällen sonst noch eine solche Verleihung stattgefunden hat. Ferner darf man hier wohl zum großen Teil jene zahlreichen Traditionen einreihen, bei denen die weitere lebenslängliche Nutznießung „per beneficium" des Klosters (bzw. Abtes) dem Schenker verbleiben soll, wie das gar nicht selten vorgesehen ist1). Das Gleiche dürfte der Fall sein, wo die gleiche Bedingung mit den Worten „per precariam"2) oder „per praestationem"3) oder „per praestariam"4) des Abtes oder ähnlich festgelegt wird. Es scheint beinahe so, als wenn man mit Einfügung dieser Klausel in die Traditionsurkunde sich begnügen zu können glaubte. Ebenso gehören praktisch hierher alle die Fälle, in denen die Übergabe eines Gutes unter Vorbehalt lebenslänglichen Nießbrauches erfolgte, ohne daß eine derartige Prästationsklausel in die Traditionsurkunde aufgenommen ist, wie das sehr häufig vorkommt5). Generell ist zu sagen, daß fast alle Rückleihen oder Vorbehalte des Nießbrauchs auf Lebenszeit abgestellt sind, und zwar auf Lebenszeit des Spenders oder der Spender (Ehepaar, Mutter und Sohn usw.) (Vitalleihe). In seltenen Fällen kommt es auch vor, daß noch ein dritter mit einbezogen wird; so erfolgt z. B. die Schenkung des W I T M A R an Fulda unter der Bedingung, „ut per vestram precariam illud filius meus LIUTMAR possideat usque ad obitum vitae suae"8); oder einer Frau wird lebenslänglicher Nießbrauch „per benificium" des Abtes ausgemacht'). Eine Prekarie auf Zeit (etwa 5 Jahre) oder auf Widerruf, wie sie sonst in der Anfangszeit dieses Rechtsgebrauches vorkam8), treffen wir also im 8./9. Jahrhundert in unserem Gebiete nicht mehr an. Muß man nun aber annehmen, daß überall dort, wo in den Urkunden nichts von beneficium, precaria oder praestatio oder von einem Nießbrauchsvorbehalt gesagt ist — und das ist immerhin die Mehrzahl aller hier in Betracht kommenden Urkunden —, eine 1) Beispielweise D R O N K E , Codex, Nr. 68, 93, 127, 420, 454, 457, 472, 473, 491, 492, 517, 519, 562, 571, 583. 2) Beispielsweise D R O N K E , Codex, Nr. 87, 342. 3) Beispielsweise D R O N K E , Codex, Nr. 409, 563. 4) D R O N K E , Codex, Nr. 215, 409, 563. 5) Beispielsweise D R O N K E , Codex, Nr. 383, 452, 455, 458, 507, 598, 599, 607, 635; „Zeitschrift f. hess. Geschichte u. Landesk.", Bd. VI, S. 352ff. u. a. m. 6) D R O N K E , Codex, Nr. 342. — 7) Ebenda, Nr. 517. 8) R U D . K Ö T Z S C H K E , Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, S. 233.
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sofortige Übergabe an den Empfänger (also Kloster) erfolgte und der Schenker alles, auch das Nutzungsrecht, verlor? Eine solche Annahme würde in die Irre gehen. Die Aufmerksamkeit des Klosters richtete sich erklärlicherweise allein oder doch überwiegend auf die Tradition. Diese jederzeit nachweisen zu können, war ja Sinn und Zweck der Urkundensammlungen. Die Prästationen (Vestitionen) nachzuweisen, war Sache der Empfänger. Und bei diesen gingen die Urkunden leicht verloren, leichter als in den wohlbehüteten Klosterarchiven. Das ist bei der Beurteilung dieses ganzen Fragenkreises in Rechnung zu stellen. Wir können daher nicht nur nach dem gehen, was uns direkt urkundlich bezeugt ist, d. h.: man hat durchaus mit der Möglichkeit zu rechnen, daß oftmals lediglich die Traditionsurkunde erhalten ist; die Prekarie-Urkunde hat man „eben wegen der textlichen Übereinstimmung bei der Abschrift der Traditionsurkunden ganz weggelassen" 1 ). Wir haben demnach Rückverleihungen in einem sehr viel größeren Ausmaße anzunehmen, als dies aus dem Urkundenmaterial direkt hervorgeht. Alles in allem ergibt sich also, daß ein großer Teil der Schenkungen nicht direkt in unmittelbaren klösterlichen (großgrundherrlichen) Besitz kam, sondern in den Händen der Schenker verblieb, zumindesten für deren Lebenszeit. Der Beschenkte erhielt lediglich ein Obereigentum, das praktisch in dem Recht zur Entgegennahme bestimmter Abgaben bestand. Bei dem fast völligen Mangel an Prästationsurkunden ist es gar nicht möglich, abzuschätzen, welcher Anteil davon nach dem Tode des Tradenten, jetzigen Prekaristen, wirklich eingezogen wurde und welchen Anteil man wiederum unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen an bäuerliche Wirte, etwa auch Verwandte des Schenkers, ausgab. Wären wir hierüber urkundlich genau unterrichtet, so würde es sehr viel leichter sein, zu übersehen, in welchem Ausmaße die kirchlichen Stifte durch die Schenkungen zu wirklich freier Verfügung über Grund und Boden gekommen sind. Das wäre für die Beurteilung der sozialen Struktur von Bedeutung, denn es ist wohl für das soziale Bild nicht gleichgültig, ob durch derartige Schenkungen angesessene Edle oder Bauern lediglich für einen Teil ihres Besitzes — Schenkungen des ganzen Besitzes sind ja ganz außerordentlich selten2) — oberherr1) A. DOPSCH, Karolingerzeit, Bd. I , S . 1 0 4 . Vgl. auch das von DOPSCH im Anschluß an oben zitierten Satz abgedruckte Zeugnis aus dem Lorscher Material, daß dies ganz deutlich sagt. 2) Darüber unten S. 232 ff. Ausdrückliche Zeugnisse dafür, daß auch bei Schenkungen von Teilen des Erbgutes der Vorbehalt lebenslänglicher Prekarie vorkommt, enthalten die Urkunden DRONKE, Codex, Nr. 87 u. 342.
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liehe Rechte eines Stiftes und damit für jetzt oder später die Möglichkeit zu Realleistungen begründeten, oder aber, ob sie dem Kloster völlig freie Hand gaben und die Möglichkeit zur Nutzimg von Land zu einem diesem beliebigen Modus. Damit hängt es dann auch zusammen, inwieweit die Klöster (als die ja hauptsächlich in Frage kommenden Empfänger) die Möglichkeit bekamen, große oder größere Eigenbetriebe zu schaffen. Dies ist vor allem dort wichtig, wo die Schenker Freie geringeren Besitzstandes waren, denn wenn der König oder ein sonstiger großer Grundherr Besitzungen schenkte, wurde damit die soziale Struktur ja wenig geändert, es trat dann lediglich ein Großgrundherr an die Stelle eines anderen. Es lassen sich mangels genauer Angaben in den Quellen nur allgemein gehaltene Sätze aufstellen. Diese müssen zunächst einmal das eine deutliche zum Ausdruck bringen, daß die Entwicklung in dieser Hinsicht in dem hier betrachteten Gebiet nicht einheitlich verlaufen ist. Wir begegnen z. B. im Westen unseres Gebietes, etwa von Eisenach aus in Richtung nach Westen und Südwesten zu eine besonders starke Ausdehnung des klösterlichen Eigenbetriebes; namentlich die großen fuldaischen Klostergüter sind hier hervorzuheben. Wie wir noch in anderem Zusammenhange sehen werden, hat diese Erscheinung im Zusammenklang mit anderen (der großen Zahl der Unfreien, Ansiedlung von Slaven, relativer Höhe des großgrundherrlichen Anteiles an der Gesamtfläche, relativ später Besiedelung u. a. m.) dazu geführt, daß schon in den nächsten Jahrhunderten die Entwicklung zu einem endgültigen Auseinandergehen der Agrarverfassung in diesen Gebieten von der in den weiter östlich gelegenen Gebieten (im besonderen Thüringer Becken) geführt, derart, daß der Westen und Süden im großen ganzen zum Bereich der südwestdeutschen Agrarverfassung gerechnet werden muß, während das Thüringer Becken zum Kemland des mitteldeutschen Typus der Grundherrschaft wurde, die sich von hier nach Osten und Norden weiter ausdehnte. In Nordthüringen gewann die weltliche Großgrundherrschaft eine besondere Stellung; wir treffen hier auf alten Königsbesitz, der dann vermehrt wurde durch die reichen Hausgüter des sächsischen Herzogshauses, das mit HEINRICH I . den deutschen Königsthron bestieg. Die Gebiete nördlich des Thüringer Waldes wurden, ebenso wie die Waldgebiete im Westen, z. T. auch erst in verhältnismäßig später Zeit besiedelt (5. Rodungsperiode). Aber im Unterschied zu letzteren hat sich hier doch nie eine so starke Zusammenballung von Besitz in einer Hand mit verhältnismäßig zahlreichen und Lii t g e , Agrarverfassung.
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größeren Eigenbetrieben herausgebildet, wie es im Westen die Klöster Fulda und Hersfeld durchzusetzen vermochten. Es gab auch hier (später) nicht unbedeutende Klöster, wie Georgenthal, Reinhardsbrunn usw., und Königshöfe (Saalfeld), und es gab ferner überall Rittersitze, namentlich auch an der alten Ostgrenze des Reiches, aber sie vermochten die oben skizzierte Sonderentwicklung dieser Osthälfte unseres Gebietes nicht zu hemmen. Neben den anderen Gründen, die zur Ausbildung der „mitteldeutschen Grundherrschaft" führten, kam für diese wohl noch hinzu, daß es sich bei diesen Klöstern um spätere Gründungen handelte, die zumeist von Grundherren oder Dynasten vorgenommen wurden, die dann auch für die Ausstattung sorgten. Die Periode, in der, wie es einst Hersfeld und Fulda erging, der König gewaltige Strecken gerodeten und ungerodeten Gebietes schenkte und weltliche Große wie freie Bauern damit wetteiferten, waren ja vorbei, als diese ganzen im inneren und nördlichen Thüringen gelegenen Klöster begründet wurden. Sie waren also von vornherein nicht nur wesentlich ärmer, sondern traten dabei zu einem Zeitpunkte ins Leben, in dem der Charakter der Agrarverfassung dieses Gebietes bereits feststand, jedenfalls so fest, daß er nicht mehr wesentlich beeinflußt werden konnte. Die Bauern, die ihnen mit dem geschenkten Land zugeteilt wurden, waren in ihrer großen Mehrzahl persönlich freie Männer, auf freiem Eigentum oder Erbzinsland sitzend, und daran etwas zu ändern war bei der Lage, die sich nun einmal in diesen Landstrichen herausgebildet hatte, nicht mehr möglich. Doch kehren wir wieder zurück zur Karolingerzeit, in der solche Änderungen ja möglich waren. Es läßt sich auf Grund dessen, was wir exakt festzustellen in der Lage waren, auf alle Fälle sagen, daß das Vordringen der Grundherrschaft nicht so einfach zu beurteilen ist, und zwar vor allem nicht unter einfacher Anlehnung an das vorhandene Material. Viel wichtiger als das, was uns erhalten geblieben ist, scheint mir das Material zu sein, das verlorengegangen ist; mit anderen Worten: das erhaltene Material, für sich allein genommen, ergibt kein richtiges, ja eigentlich ein gänzlich falsches Bild, weil dieses eben fast ausnahmslos nur aus den Händen der Grundherrschaften, und zwar zumeist der klösterlichen Grundherrschaften, stammt. Die Ergänzungen, die notwendig sind, machen zweifellos Schwierigkeiten, aber diese Schwierigkeiten betreffen nur die Einzelheiten und das Ausmaß, nicht aber die Notwendigkeit an sich und auch nicht die Richtung, nach der hin sie einzuschalten sind, und um diese gilt es, sich zu bemühen.
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II. Der Rechtsstand des Prekarielandes. Aber es ist ja nicht nur die eine Frage, ob und inwieweit durch solche Schenkungen von Land die Grundherren, also namentlich die beiden Klöster, in der Lage waren, einen großen Eigenbetrieb aufzubauen, sondern es entsteht daneben die nicht minder wichtige Frage, inwieweit durch die Bedingungen, zu denen die Schenkungen erfolgten, zugleich der spätere rechtliche Charakter des Landes — und zwar auch, soweit er wieder ausgeliehen wurde — festgelegt war. Leiheland und Leiheland ist ja nicht dasselbe! Wie wir in anderem Zusammenhange noch eingehender sehen werden, ist bei dem Besitz des Grundherrn zwischen dem zum engeren Gutsverband gehörigen und dem außerhalb dieses Herrschaftsverbandes stehenden Land zu unterscheiden; und besonders wichtig ist es dabei, klar auseinanderzuhalten, das an die abhängigen Bauern des Hofverbandes ausgetane Land (Hofgüter) und das außerhalb der Fronhofsverfassung zur Leihe ausgetane Land (Benefizialland) 1 ). Über Schenkungen, die sofort und bedingungslos gemacht wurden, konnte der neue Besitzer, der Grundherr, frei bestimmen; er konnte es zum Eigenbetrieb ziehen oder als Hofgüter austun. Anders bei den Schenkungen, bei denen der Schenker sich sofort den weiteren prekären Besitz sicherte oder bei denen er sich die Nutzung als Benefizium für Lebenszeit vorbehielt und der Grundherr dann nach dessen Tode den Rechtsstand des Landes — dieser Ausdruck erscheint durchaus passend — nicht änderte. Dieses Moment ist bei der Bewertung der Traditionen auf keinen Fall zu übersehen, und man kann es nur beklagen, daß das oft geschehen ist. Wie wir sahen, war der Anteil der Schenkungen, durch die der günstigere Rechtsstand der geschenkten Güter begründet wurde, sehr viel größer, als es nach dem Wortlaut der gewählten Formulierungen zunächst scheint. Es ist schwer zu sagen, welcher Anteil bei den Schenkungen überwog, das Land, das damit zu Benefizialland wurde, oder das, das den Klöstern vom König, von Großen und von Bauern zu freier Verfügung zufloß. Und diese Übersicht wird noch erschwert durch die dem Herren offenstehende Möglichkeit, durch lehensrechtliche Vergabung Hofland in Benefizialland zu verwandeln, eine Möglichkeit, die gleichfalls nicht übersehen werden darf und deren praktische Auswirkung abzuschätzen gleichfalls ein fruchtloses Bemühen ist. Wesentlich ist, daß die geschenkten Güter, die zufolge der bei der Tradition vereinbarten Bedingungen Benefizialland wurden, 1) Näheres zu dieser Unterscheidung vgl. unten S. 263f.
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wenig von ihrem Charakter als freie Güter verloren, wobei „frei" in dem alten Sinne des Wortes verstanden werden muß: auf die Person und ihren Rechtsstand bezogen. Hier muß man nämlich unterscheiden zwischen der Auswirkung auf die Person und auf das Gut. Die Persönlichkeit des Besitzers wurde durch ein solches Prekarieverhältnis nicht berührt, seine persönliche Freiheit nicht angetastet. Anders bei dem Gut; für dieses trat nicht lediglich ein Wechsel in der Person des Eigentümers ein, sondern es wurde jetzt der freien Verfügungsgewalt des Tradenten entzogen, ohne aber in die freie Verfügungsgewalt des Beschenkten zu geraten. Der Boden wurde in einer eigentümlichen, für dieses Rechtsverhältnis charakteristischen Weise gebunden. Der Beschenkte hatte die Eigengewere, aber kein Nutzungsrecht, der Prekariemann umgekehrt. Auch wo es sich um Hofländereien handelte, die in hofrechtlicher Leihe ausgeliehen wurden, trat eine Trennung von Eigengewere und Nutzungsrecht ein, aber hier auf der grundsätzlich anderen Basis, daß hier von demjenigen, der ursprünglich beides besessen hatte (der Grundherr nämlich), die Eigengewere behalten und das Nutzungsrecht weggegeben wurde, während es bei der Precaria oblata, wenn man nicht auf die juristische Form, sondern den inneren Kern der Handlung sieht, genau umgekehrt war: hier behielt derjenige, bei dem bisher beides vereinigt war, das Nutzungsrecht und gab lediglich die Eigengewere einem anderen. Die spätere Entwicklung ging nun in unserem Gebiet, namentlich in seinen östlichen und nördlichen Teilen, dahin, daß die Inhaber der ausgeliehenen Hofländer nach und nach das erhielten, was die anderen nie verloren hatten, nämlich die persönliche Freiheit. Doch zurück zu dem Tradenten und nunmehrigen Prekaristen: für ihn persönlich änderte sich zunächst nur das eine, daß er eine Abgabe bezahlen mußte, einen Zins. Jedenfalls bahnte sich dieser Gebrauch in der Karolingerzeit an und setzte sich wohl so ziemlich lückenlos durch. Festzustellen ist nur, daß dieser Zins von Anfang an als (wie man später sagte) Reallast angesehen wurde und nicht als persönliche Abgabe des Inhabers. Man geht wohl kaum fehl, wenn man dies damit in Zusammenhang bringt, daß eine Belastung der Person wohl mit der unangetastet gebliebenen persönlichen Freiheit als im Widerspruch stehend aufgefaßt worden wäre. Diese Abgaben waren zunächst sehr gering, stellten mehr eine Anerkennungsgebühr dar (während die Abgaben der unfreien Hofbauern recht beträchtlich waren)1). Sie wurden später erhöht durch 1) Näheres oben S. 189.
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die hinzukommenden gerichtsherrlichen Lasten und dann auch im Hochmittelalter durch die Einführung des Laudemium1), das sich übrigens später auch für die Besitzer der schlichten Zinsgüter durchsetzte, die wirkliches Eigentum an ihrem Lande hatten. Die hofrechtlichen Leihen stiegen zu wirklichen Erbzinsgütern auf mit ihrer Teilung von dominium directum und dominium utile, wie man später sagte. Alles in allem haben wir also hier in unserem Gebiet eine Entwicklung vor uns, die so geradlinig und ungebrochen verlief, wie sonst kaum in Deutschland und — namentlich in dem Gebiet der späteren „mitteldeutschen Grundherrschaft" — vor allem nicht ein Aufkommen der Leibeigenschaft und Leibherrschaft kannte, wie wir das im Westen und Süden unseres Gebietes, und dann später namentlich auch in Schleswig-Holstein und Ostelbien erlebten.
III. Veränderungen des Anteiles des freien Bauerntums am Boden durch die Schenkungen. Hatten wir bisher unsere Aufmerksamkeit der Frage zugewandt, welche Wirkung die getätigten Schenkungen auf die Verteilung von bäuerlichem und herrschaftlichem Land — wobei wir unter ersterem Ausdruck das in bäuerlicher Wirtschaftsform bebaute Land verstehen und unter letzterem Ausdruck das gutswirtschaftliche Eigenland und die Hofgüter zusammenfassen — gehabt haben, so hat uns nun die Frage zu beschäftigen, inwieweit durch die Traditionen in der Karolingerzeit der Anteil des freien Bauerntums am Boden verändert worden ist. Bei den Schenkungen großgrundherrlichen Besitzes handelte es sich nicht um freibäuerliches Land, sondern die dabei mitgeschenkten Bauern waren unfrei, ja waren erst im Begriff, zu Bauern im eigentlichen Sinne des Wortes zu werden. Durch diese Traditionen konnte also der Anteil freibäuerlichen Landes nicht vermindert werden, und so scheiden diese hier aus der Betrachtung aus. Um dieser Frage näherzukommen, müssen wir zunächst einmal versuchen festzustellen, woher die Schenker überhaupt das Land genommen haben, das sie tradierten. Bei der Beantwortung unserer Frage können wir daran anknüpfen, daß, wie wir schon sahen, als Objekte der Schenkung einmal ererbtes Land (hereditas) und zum anderen neuerworbenes Land verwendet wird. In letzterer Hinsicht sind namentlich die Capturen zu nennen, die ja im allgemeinen neue Erwerbungen sind, wenn es natürlich 1) Vgl. meine „Mitteldeutsche Grundherrschaft", S. 67 u. 172 f.
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auch zuweilen vorkommt, daß eine Captur, ehe sie den Charakter als solche verliert, im Erbgang an den Sohn gelangt 1 ). Die übergroße Anzahl der Urkunden gibt leider keinen näheren Aufschluß darüber, ob die geschenkten Güter aus Erbgang oder aus Neuerwerb stammen, da heißt es dann einfach „quicquid proprietatis visus sum habere" oder ähnlich. In einer Anzahl von Fällen sehen wir aber darin klar. Es wird da entweder ausdrücklich erwähnt, daß es sich um ererbtes Gut handelt2), oder es wird Gegenteiliges ausgesagt3). In einer Reihe weiterer Fälle sind beiderlei Ursprungsquellen nebeneinander angegeben4). Es heißt dann etwa: „donamus atque tradimus . . . portionem hereditatis nostrae et quicquid proprium habere videbatur" 8 ) usw., oder „quicquid proprietatis habemus ex jure parentum et alio quocunque modo acquisitum" usw.6). Bezeichnend ist auch die Schenkung des Herzogs HEDEN vom Jahre 7047). Er gibt dabei gemeinsam mit seiner Gemahlin „aliquid de rebus nostris", ohne daß dabei gesagt ist, ob es sich um Erbgut handelt oder nicht. Diese Ungewißheit wird aber geklärt durch eine weitere Schenkung aus dem Jahre 716, mit der er dem gleichen Kirchenfürsten, dem Bischof WILLIBRORD, sein im südthüringischen Saalgau und bei Hammelburg gelegenes väterliches und mütterliches Erbgut schenkt8). Hier südlich des Waldes lagen also seine Erbgüter; die Besitzungen im Norden, von denen er Teile bei der ersteren Schenkung fortgab, darf man daher wohl als später auf irgendeinem anderen Wege erworben ansehen. Später hat, wie ja bekannt, das Wort „ E r b e " oder „hereditas" nur die Bedeutung von Gut schlechthin gehabt 9 ). Wie schon aus den vorhergehenden Beispielen10) hervorgeht, muß man in der Karolingerzeit noch daran festhalten, daß dieses Wort zumindest in der Regel tatsächlich in der alten, hergebrachten Bedeutung Verwendung findet. Aber dafür entsteht eine andere Schwierigkeit: 1) Beispielsweise
DRONKE, Codex, N r .
415.
2) Beispielsweise DRONKE, Codex, N r . 22, 44, 66, 124, 125, 292, 342, 353, 393, 400, 415, 451, 515, 518 usw. 3) Z u m Beispiel gekaufte Güter wie DRONKE, Codex, N r . 75, oder von anderen erhalten, wie ebenda, N r . 294. 4) Z u m Beispiel N r . 68, 87, 93, 157. 5) DRONKE, Codex, N r . 87 (aus dem Jahr 788). 6) E b e n d a , N r . 93 (aus dem Jahr 789). 7 ) BURKHARDT, U r k u n d e n b u c h der Stadt Arnstadt, N r . 1. 8) M o n u m e n t .
G e r m . Hist., Script.,
9) V g l . meine „Mitteldeutsche
Bd.
XXIII,
Grundherrschaft",
60. S. 70.
10) die noch vermehrt werden könnten, z. B . DRONKE, Codex, N r . 66, 301, 607 usw.
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Wie soll man alle jene Schenkungen einreihen, bei denen eine Formulierung gewählt ist, die man als unbestimmt bezeichnen muß — und das ist die bei weitem überwiegende Mehrheit aller Schenkungen —, wo also einfach vom Eigentum (proprietas) die Rede ist oder eine Wendung gebraucht wird wie: „omnia quaecunque mihi contingunt"1). Wenn man auch annehmen kann, daß die Schenkungen zu einem großen Teil aus neugerodetem oder sonst irgendwie neu erworbenem Land, nicht aus dem alten Erbgut bestand, so wird man doch zögern, dies bei der überwiegenden Mehrheit aller Schenkungen anzunehmen. Die unbestimmt gehaltene Formulierung in der erstgenannten Schenkung des H E D E N (S. oben), die, wie sich aus der Formulierung der zweiten Schenkung ergibt, nichtgeerbtes Gut zum Gegenstande hat, darf uns nicht dazu verleiten, in allen ähnlich unbestimmten Formulierungen gleichfalls Nicht-Erbgut zu sehen. Aber immerhin ist es berechtigt, davon auszugehen, daß ein ganz erheblich großer Teil der Güter, die durch Schenkungen in die Hände von Klöstern kamen, nicht aus altem Erbgut bestanden hat, sondern daß die Geber solches Gut verschenkt haben, das neu hinzuerworben worden ist; der große Anteil von Capturen an den Traditionen spricht allein schon eine deutliche Sprache. Und da auch sonst in großem Ausmaße durch die Begründung von Capturen, d. h. also durch Rodungstätigkeit, die Bauern ihren Besitz ausweiteten, wird man zu der Folgerung genötigt, daß, im ganzen gesehen, durch die Schenkungen an die geistlichen Grundherren2) der Anteil des Bauernstandes (wenngleich man in dieser Zeit eigentlich diesen Ausdruck noch nicht gebrauchen kann, da eine berufliche Aussonderung des Bauern noch nicht erfolgt ist und der persönliche Rechtsstand ausschlaggebend war), d. h. also der Freien an dem Grund und Boden überhaupt nicht oder wenigstens nicht in einem sehr stark ins Gewicht fallenden Ausmaße vermindert worden ist, und das erst recht nicht, wenn wir das Ergebnis des vorhergehenden Kapitels berücksichtigen. Weitgehend hat der Bauer (der Freie) anderweitig für einen Ausgleich gesorgt. Die größeren weltlichen Grundherren, die Mitglieder des Adels, haben dies gleichfalls getan, aber wir treffen doch auf eine gewisse Anzahl von Fällen, in denen der gesamte große grundherrliche Streubesitz weltlicher Großer an die Klöster (namentlich Fulda) übergegangen ist 3 ), so daß man unter 1) DRONKE, Codex, Nr. 173.
2) Schenkungen an weltliche Grundherren (einschl. den König) ja nicht in Betracht. 3) Vgl. die Angaben über weltlichen Großbesitz oben S. 168.
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dem Eindruck der Quellen geneigt ist, die Einbuße des Adels als höher denn die der Gemeinfreien einzuschätzen, auch wenn man bedenkt, daß auch dem Adel neue Ländereien zuflössen durch königliche Verleihung, durch eigene Rodungsarbeit, Okkupation von noch nicht in Privatbesitz befindlichem Land (Capturen) und dgl. Und wie dem Bauernstande ein großer Teil der Güter, die den Klöstern geschenkt waren, als Zinsbesitz (also als abhängige, grundherrliche Güter) wieder zuwuchs, so auch dem Adel zu einem größeren Teil auf dem Umwege über das Lehensrecht; besonders denen, die man zu Klostervögten erkor, wurden Güter großen Umfanges als Benefizien ausgeliehen, und diese oft genug mehr oder weniger umfangreich und schnell entfremdet1). Damit im Zusammenhang steht noch eine weitere, da und dort schon gestreifte Frage, auf deren Bedeutung z. B. DOPSCH mit vollem Rechte hinweist2), die nämlich, ob die Grundherren und freien Bauern bei ihren Schenkungen ihren g a n z e n Besitz fortgegeben haben, oder aber, ob die Schenkung nur einen Teil ihres Besitzes ausmachte. Die vorausgehenden Ausführungen haben da und dort ja auch schon Anhaltspunkte dafür gebracht, daß die Schenkungen nur einen Teil des Gesamtbesitzes betrafen (s. z. B. die erste Schenkung des Herzogs H E D E N ) , aber wir können uns damit nicht genügen lassen, sondern müssen diesem Problem noch einige Überlegungen widmen. Zunächst ist es klar, daß die Tradierung des Gesamtbesitzes eigentlich nur in Frage kommen konnte, wenn der betreffende Schenker sich selbst damit zugleich tradierte. Wie wir oben3) sahen, kommt diese Autotradition, die auch sonst in Deutschland nur in ganz wenigen Fällen nachweisbar ist, in dem hier untersuchten Gebiet überhaupt nur einmal vor, spielt also gar keine Rolle. Das ist nicht nur wichtig für die Frage, in welchem Ausmaße etwa im Zusammenhang mit dem Aufstreben der Grundherrschaft der persönliche rechtliche Stand der breiten Schicht der Freien eine Einbuße erlitten hat, sondern auch für unser hier erörtertes Problem. Dieser Weg, auf dem der freibäuerliche Besitz in radikaler Weise hätte dahinschwinden können, wenn die Inhaber dieser Stellen diesen Weg gegangen wären, ist also nicht beschritten worden. Eine andere Möglichkeit hätte darin bestanden, daß die freien Bauern ihren Besitz übertragen und sofort als Leihegut (Prekarie) 1 ) R U D . H E R R M A N N , Thüringische Kirchengeschichte, S. 4 3 f. A. D O P S C H , Karolingerzeit, Bd. I, S. 224 u. 233ff. Hier ausführliche Angaben über die Entfremdung von Kirchengut auf diesem Wege. 2) A. D O P S C H , ebenda, S. 307 ff. — 3) S. 97 ff.
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wieder erhalten hätten. Wie unsere Untersuchungen ergaben1), ist von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden in einem Ausmaße, das näher nicht bestimmbar ist, das aber doch beträchtlich über das hinausgeht, was nach den spärlichen Berichten über die Anwendung der Prekarie zunächst anzunehmen ist. Soweit dies der Fall gewesen ist, hat der Tradent wohl in der Regel seinen gesamten Grundbesitz tradiert, aber doch nur unter der Bedingung sofortiger Rückübertragung. Damit ist zwar eine Änderung in dem Rechtstand dieser Bauern eingetreten, sie kamen damit in grundherrliche Abhängigkeit, zumindest in ein Zinsverhältnis, aber der bäuerliche Charakter der Stelle (des Hofes) wurde und blieb gewahrt. Der Hauptteil der Schenkungen enthält aber derartige Traditionsbedingungen nicht, und die Frage spitzt sich dahin zu, was wir in diesen Fällen anzunehmen haben. Da läßt sich zunächst einmal urkundlich nachweisen, daß ein sehr beträchtlicher Prozentsatz der Schenkungen ausdrücklich Angaben nach der Richtung hin enthält, daß lediglich ein Teil des Besitzes übergeben worden ist 2 ), und zwar ist diese Angabe häufiger als die, daß alles geschenkt sei zuzüglich der unbestimmten Fälle. Aber auch die Fälle, in denen nicht ausdrücklich gesagt ist, daß nur ein Teil geschenkt wird, sind deswegen noch immer nicht so auszulegen, als ob alles geschenkt sei. In den Schenkungsurkunden werden ja normalerweise die Orte aufgezählt, in denen die Güter liegen. Und wenn es nun heißt, daß er alles Gut in den und jenen Orten geschenkt habe, so ist damit noch nichts dagegen bewiesen, daß der Tradent nicht noch in anderen Ortschaften Besitz hat, den er im Rahmen dieser Schenkung nicht antastet. Wäre uns z. B. nicht die erste Schenkung des Herzogs H E D E N durch die zufällig überlieferte Urkunde bezeugt, sondern nur die zweite, so würden wir nie auf den Gedanken kommen, daß er auch hier nördlich des Waldes so beträchtliche Besitzungen gehabt hat 3 ). Wir können aber Ähnliches auch aus sonst erhaltenen Quellen nachweisen. So führt die Urkunde D R O N K E 124 eine ganze Reihe von Orten auf, aus denen Schenkungen an Fulda gemacht werden; da in allen Dörfern nur ein Drittel des Besitzes geschenkt wird, würde man an sich ja zufrieden sein können in der Annahme, daß der Schenker ja überall zwei Drittel behält und so — es handelt 1) Oben S. 219ff. 2) BURKHARDT, Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1; DRONKE, Codex, Nr. 37, 87, 124, 125, 133, 157, 165, 257, 276, 292, 294, 301, 302, 311, 342, 353, 354, 383, 388, 393, 4 0 0 usw. 3)
DOBENECKER, R e g e s t e n , N r . 5 u. 7.
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sich um einen großen grandherrlichen Streubesitz — in seinem Stande nicht geschmälert wird. In der Urkunde Nr. 125 ist aber eine weitere Schenkung von ihm registriert, und zwar in einem Orte, der in der vorhergehenden Urkunde n i c h t genannt war! Unwillkürlich taucht die Frage auf: Ist mit diesem Orte nun tatsächlich die Liste der Dörfer, in denen er Besitz hat, erschöpft? Das vermag niemand zu sagen, aber nicht nur hier, sondern die gleiche Frage taucht überall dort auf, wo die Urkunde nichts weiter besagt, als daß der Besitz in den nachstehend bezeichneten Orten geschenkt wird. Interessant ist auch folgender Fall: FRUOCHANGER und seine Gemahlin schenken gemeinsam dem Kloster Fulda ihre Besitzungen zu Mäßfeld (mit Urkunde vom 15. August 837) 1 ). Wenn wir nichts weiter über dieses Schenkerpaar wüßten, müßte man also nach der herrschenden Lehre annehmen, daß sie eben ihren Besitz tradiert haben, wie so viele andere auch. Zufällig ist uns nun aber noch eine weitere Urkunde des gleichen Paares erhalten: ungefähr 1 Jahr später schenken sie die Hälfte ihrer Besitzungen in Marisfeld unter Vorbehalt lebenslänglichen Nießbrauches4). So wissen wir durch diese zufällig gleichfalls erhaltene zweite Urkunde, daß diese Spender zumindest noch an einem zweiten Ort begütert waren. Aber haben wir damit allen ihren Besitz erfaßt ? Hatten sie nicht etwa Söhne, die bereits ausgestattet waren? — Man sieht aus dem allen, wie schwierig diese Fragen zu beantworten sind, und wie unrichtig es ist, im Hinblick auf diese Schenkungsurkunden zu sagen, daß sich die Edlen ihres Besitzes entäußerten 3 ). Überhaupt wird man sich ja stets sagen müssen, daß überall dort, wo der Schenker seinen tradierten Besitz nicht als Prekarie wieder zurück erhält, die in der Urkunde genannten Güter gar nicht seinen ganzen Reichtum ausmachen k ö n n e n , da der Spender ja notwendig so viel zurückbehalten haben muß, wie er für sein eigenes Leben benötigt. Auch wenn wir auf Frauen treffen, die — nach dem Wortlaut der Urkunde — alles schenken4), wird man davon auszugehen haben, daß diese Frau eben irgendwie anderweitig versorgt sein muß. Daß tatsächlich alles geschenkt ist, wird man lediglich vielleicht bei solchen Schenkungen vermuten können, wie sie bei D R O N K E Nr. 9 3 verzeichnet ist, wo die Rückverleihung des gesamten Besitzes auf Lebenszeit des Schenkers und seiner Gemahlin 1) DRONKE, Codex, Nr. 503; DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 163. 2) DRONKE, Codex, Nr. 519; DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 172. 3)
So z. B . K . ZIERFUSS, a. a . O., S.
4) DRONKE, Codex, Nr. 402.
10.
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für deren Unterhalt in ungemindertem Ausmaße vorsorgt und wo als Gegenstand der Schenkung neben dem von den Eltern ererbten Gütern auch der Besitz „alio quocunque modo acquisitum" aufgeführt ist; aber auch hier ist es nicht unbedingt ausgeschlossen, daß das Ehepaar noch in anderen, in dieser Urkunde nicht aufgeführten Orten Besitz hat. Auch unter den Schenkungen, in denen eine Rückübertragung als Prekariegut auf Lebenszeit stattgefunden hat, sind nur wenige, bei denen man wirklich mit Bestimmtheit zu sagen oder besser: zu vermuten berechtigt ist, daß hier aller Besitz geschenkt ist. Man wird dies wohl nur bei kinderlosen Frauen annehmen können oder in einzelnen besonders gelagerten Fällen. Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß durch die zahlreichen und umfangreichen Schenkungen, die in der Karolingerzeit an die geistlichen Stifte gemacht wurden, nicht solche Auswirkungen erzielt wurden, wie der erste Eindruck glauben machen könnte. Auch hier ergibt sich also die Berechtigung der von G. v. BELOW, A. DOPSCH u. a. vorgenommenen Zurückführung der Vor-
stellungen, wie sie z. B. VON INAMA-STERNEGG von der Ausdehnung der Grundherrschaft hatte, auf ein gesundes Maß. Gewiß sind die Klöster, die zu Beginn der Karolingerzeit erst gegründet wurden, binnen 100 Jahren zu einem gewaltigen Besitz gekommen, das steht außer Zweifel. Aber dieser Besitz stammte zu einem sehr großen, wohl dem größeren Teile aus den Händen des Königs oder anderer (weltlicher) Grundherren. E s wechselte also lediglich der Eigentümer, nicht aber veränderte sich die soziale Struktur dieses Besitzes und der damit in irgendeiner Form verbundenen Menschen. Es blieb nach wie vor grundherrlicher Großbesitz. Es traten also lediglich Verschiebungen ein, aber keine Umwandlungen. Diesen Verschiebungen stand aber eine Gegenbewegung gegenüber, der Art, daß die Grundherren, die hierBesitz abgegeben hatten, sich durch Rodung usw. Ersatz zu schaffen verstanden und im übrigen auf dem Wege über das Lehensrecht einen erheblichen Teil des einst geschenkten Landes (und oft mehr als dieses) wieder in die Hände bekamen. Gerade von unserem Gebiete, und im besonderen von Thüringen, kann man nicht sagen, daß der Adel sich durch die Schenkungen an die Klöster selbst entmachtet und an Lebenskraft und Wirtschaftsmacht eingebüßt hätte! Der Adel spielt noch auf lange Zeit hinaus eine bedeutende Rolle in unserem Gebiet und ist ja nicht zuletzt mit Träger der großen Ostbewegung gewesen. Manche Familien sind wohl ausgestorben und haben sich ihres Besitzes zum großen Teil oder gar ganz entäußert, aber für den Adel in seiner Gesamtheit
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läßt sich solches keineswegs sagen. Durch die Schenkungen der gemeinfreien Bauern an die Klöster ist der Anteil bäuerlichen freien Landes natürlich beschränkt worden; aber im allgemeinen trifft für den Bauernstand das gleiche zu wie für den Adel: man verstand sich durch Rodungen usw. Ersatz zu schaffen. Allerdings hatten diese Schenkungen an die Klöster für den Bauern noch eine andere Wirkung: sie verstärkten den noch aus anderen Quellen gespeisten Strom, der dahin ging, den Bauern in grundherrliche Abhängigkeit zu bringen. Gewiß ist genau der gleiche Zug auch beim weltlichen Adel zu bemerken: auch er geriet weitgehend in Lehensabhängigkeit. Aber doch bedeutete die grundherrliche Abhängigkeit, in die der Bauer kam, immerhin eine weniger rechtlich als vielmehr politisch sehr viel bedeutsamere Veränderung des alten Standes, als das bei der Lehensabhängigkeit des Adels der Fall war. Daß die soziale Lage auch gerade der abhängigen (grundherrlichen) Bauern, im besonderen in Thüringen, von Anfang an und dann durch die vollkommene Realisierung aller Lasten auf die Dauer so besonders günstig wurde, ist dem Zusammenkommen einer Reihe von Umständen zu verdanken, auf die weiter unten hingewiesen werden soll1). Aber immerhin wurde der Bauernstand als solcher, so günstig er auch im allgemeinen im Vergleich zu anderen deutschen Gauen dastand, aus dem politischen Leben ausgeschaltet. Das steht fest. E s wäre nur falsch, dafür, wie das meist geschieht, die Grundherrschaft allein verantwortlich zu machen; hinzu kommt, was hier nur angedeutet sei, das Aufsteigen der Städte, d. h. also des Bürgertums, zu einem privilegierten Stand, hinter dem die Bauern als die Nicht-Privilegierten zurückblieben. 1) Vgl. unten S. 252ff. u. 265ff. sowie oben S. 123ff.
Vierter Hauptteil:
Hufen, Marken, Markgenossenschaften. A. Hufe und Manse. Hufenordnung').
W
I. Das Problem.
as ist die Hufe und welche Stellung nahm sie innerhalb der alten deutschen Agrarverfassung ein ? — Diese Frage gehört zu den ältesten und doch bis heute noch nicht befriedigend beantworteten der geschichtlichen Forschung. Jeder Beitrag, der zur Lösung dieser Frage dienen kann, muß daher herangezogen werden. So entsteht auch hier die unausweichliche Aufgabe, diese Frage aufzuwerfen und aus dem Material heraus eine Antwort zu suchen. Dabei liegt der Ton durchaus bewußt auf dem Worte „Material", und damit soll zum Ausdruck gebracht werden, daß nicht von einer bestimmten Lehre ausgegangen wird. Gerade hier hat die Sucht zu verallgemeinern, also allgemein gültige, mehr soziologisch als historisch begründete Thesen aufzustellen, die zu einem nicht geringen Teil von dem Glauben an ein rationales Entwicklungsschema getragen sind, sich außerordentlich breitgemacht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß oft genug mit einer vorgefaßten, soziologisch fundierten Vorstellung an das Material herangegangen worden ist und man dieses dann lediglich soweit heranzog, wie es tauglich war, die aufgestellten Thesen zu stützen. Die alte Vorstellung der Aufklärungszeit, daß das Alte irgendwie primitiv, aber doch naturnah und damit gut war und von hier aus dann eine gerade Entwicklungslinie des Fortschritts zur Gegenwart führe, hat zweifellos, zumeist wohl im Unterbewußten, mitgewirkt, und da im 19. Jahrhundert 1) Vgl. zu diesem Kapitel generell meine beiden Abhandlungen: „Die Hufe in der thüringisch-hessischen Agrarverfassung der Karolingerzeit", in „Schmollers Jahrbuch", 61. Jahrg., 1927, Heft 1, S. 43 ff., und „Hufe undMansus in den mitteldeutschen Quellen der Karolingerzeit, im besonderen in dem Brevarium St. Lulli", in ,.Vierteljahrsschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte", 30. Bd., 1937, Heft 2, S. 105 ff. Hier sind nähere, materialbelegte Ausführungen geboten, die hier nicht alle wiederholt zu werden brauchen; ich beschränke mich daher mehr auf eine Wiedergabe der Ergebnisse dieser Untersuchungen unter Hinzuziehung weiteren inzwischen erarbeiteten Materials, abgesehen von der Einarbeitung weiterer Gesichtspunkte.
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in übersteigerter Form das Individuum Trumpf war, was man doch in dieser Form irgendwie als dämonisch empfand, sah man dann in der naturnahen Vorzeit, die ja noch „gut" war, allzu leicht ein mehr oder weniger kommunistisches Ideal verwirklicht, ohne sich darüber klar zu sein, daß man nicht die Wirklichkeit sah, sondern nur ein rückwärts projeziertes theoretisches Gebilde, das zuweilen auch Wunschbild im Sinne der als hoffnungslos verloren zu betrachtenden „schönen Jugendzeit" war. Auch in dieser Weise können die Gegensätze sich berühren! Die Hufe war nach dieser Ansicht der Anteil des Einzelnen, so wie er sich nach und nach aus dem agrarkommunistischen Urzustand herausgesondert hatte. In dieser Entwicklungslinie sah man die Entstehung der Hufe eingebettet. Neu aufgerollt wurde das Problem durch den Streit darüber, ob die Hufe freien, aus der Volkssiedlung entwachsenen Ursprunges oder aber grundherrlichen Ursprunges sei. Dieser Streit hat bis in die Gegenwart hinein keine Entscheidung gefunden. Dabei ist allerdings festzustellen, daß ein solcher Streit erst mit Ende des 19. Jahrhunderts auftauchte 1 ). Bis dahin wurde die auf J . M O S E R zurückgehende Ansicht von der Sozialverfassung der alten Germanen in einer uns heute erstaunenden unkritischen Bereitwilligkeit fast als Axiom hingenommen (lediglich über Einzelheiten entstanden Meinungsverschiedenheiten). Die Hufe war kein Problem mehr, das stets erneut in Frage gestellt wurde, sondern war ein fester Begriff geworden, mit dem man arbeitete 2 ). Man sah natürlich, daß in den Urkunden oftmals Hufen als in den Händen grundherrlicher Bauern befindlich auftauchten, aber darin erblickte man auf Grund des angenommenen Vordersatzes dann eben den Beweis für den Untergang des alten Standes der Gemeinfreien in der Karolingerzeit ( W A I T Z , v. I N A M A - S T E R N E G G u. a.). Erst mit der Jahrhundertwende 1) R . HILDEBRANDT, Recht und Sitte auf den verschiedenen Kulturstufen, Jena 1896; ferner die Arbeiten von WITTICH (unten S. 239, Anra. 3), dessen „Grundherrschaft in Nordwestdeutschland" sogar im gleichen J a h r erschien; 1901—1903 folgen dann die Untersuchungen von GEORG CARO, Studien zu den älteren St. Galler Urkunden, in,, Jahrbuch f. Schweizerische Geschichte", Bd. 26 (1901), Bd. 27 (1902); Die Grundbesitzverteilung in der Nordostschweiz und angrenzenden alemannischen Stammesgebieten zur Karolingerzeit, „Jahrbücher f. Nationalök. u. S t a t . " , Bd. 76 ( 1 9 0 1 ) ; Die
Hufe,
„Deutsche Geschichtsblätter",
I V . B d . (1903), S. 257ff.
2) Wohl mit Recht h a t G. CARO gesagt: „WAITZ ist, entgegen seiner sonstigen Arbeitsweise, bei der Betrachtung der urkundlichen Quellenzeugnisse von dem ihm von vornherein feststehenden Begriff der Hufe ausgegangen, den er nur aus dem reichlich vorhandenen Material näher zu erläutern suchte" (Die Hufe, a. a. O., S. 266).
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setzte hier entscheidend die Kritik ein, und jetzt gingen die Ansichten bald weit auseinander. Im Jahr 1 9 0 8 konnte B R A N D I 1 ) sagen: „Es sind nun in der neueren Literatur glücklich alle vier Möglichkeiten einer Erklärung der Hufe vertreten: Die Hufe ist urgermanisch und allgemein (MAX WEBER)2), urgermanisch aber unfrei (WITTICH)3), fränkisch allgemein (RÜBEL)4), oder endlich fränkisch aber grundherrlich (CARO)5)". Von diesen Ansichten ist die von R Ü B E L heute wohl allgemein abgelehnt, wobei nicht übersehen werden soll, daß seine kühnen und geistvollen, aber eben doch weitgehend verfehlten Konstruktionen — nach denen nicht freibäuerliche Siedlung oder grundherrliche Ansetzung, sondern Teilung der alten Volksmarken im Zuge der angeblich von den Franken zwecks Sicherung ihrer Herrschaft vorgenommenen Markensetzung und Flurregulierung als Ursache der Entstehung der Hufen anzusehen seien — anregend gewirkt haben. Mit ihr brauchen wir uns 1) G. B R A N D I in seiner Kritik des Buches von R Ü B E L , in „Göttingische Gelehrte Anzeigen", 170. Jahrg., I. Bd., 1908, S. 32. 2) Gemeint ist die Arbeit von MAX WEBER, Zum Streit u m den Charakter der altgermanischen Sozialverfassung, „ J a h r b ü c h e r f. Nationalök. u. S t a t . " , Bd. 83, 1904. Namen wie J . M O S E R , O L U S S E N , H A N S S E N , W A I T Z , L A N D A U , V . M A U R E R , M E I T Z E N , L A M P R E C H T , V. I N A M A - S T E R N E G G , B R U N N E R , V . B E L O W U. a. m . sind hier noch zu nennen. 3) W . W I T T I C H , Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, Exkurs I I , S. 104*ff. D e r s e l b e , Die Frage der Freibauern, „Zeitschrift d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte", Germ. Abtlg., Bd. X X I I , 1901; D e r s e l b e , Epochen der deutschen Agrargeschichte, in „ G r u n d r i ß der Sozialökonomik", VII. Abtlg., Tübingen 1914; D e r s e l b e in „Historische Zeitschrift", B d . 79, 1897, S. 45ff. Gerade hier k o m m t sein Anknüpfen an die Stufentheorie von R. H I L D E B R A N D g u t zum Ausdruck. Auf die Stütze, die diese Lehre in der gleichzeitig auftauchenden These P H . H E C K S von der I d e n t i t ä t der „Gemeinfreien" mit den „Nobiles" erfahren hat, weist bereits M A X W E B E R , a. a. O., S. 438 f. hin, trotzdem H E C K ja eine Verbindung seiner Ansicht mit der grundherrlichen Theorie W I T T I C H S ablehnte. K A R L R Ü B E L , Die Franken, bes. S. 219ff. 5) G E O R G C A R O , Die Grundbesitzverteilung in der Nordostschweiz, „ J a h r bücher f. Nationalök. u. S t a t . " , Bd. 76, 1901; mit anderen Abhandlungen gemeinsam wieder abgedruckt in: G. CARO, Beiträge zur älteren deutschen Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte, Leipzig 1905. D e r s e l b e , Die Hufe, in „Deutsche Geschichtsblätter", Bd. IV, H e f t 10. Es ist nicht ganz klar, was B R A N D I mit der Kennzeichnung „fränkisch aber grundherrlich" meint. Keineswegs kann m a n C A R O so verstehen, daß er die E n t s t e h u n g der H u f e im Gefolge der Ausdehnung der Frankenherrschaft behauptet und hier einen Zusammenhang sieht, wie R Ü B E L das wollte. Er bringt sie lediglich mit der Herausbildung der Grundherrschaft in Zusammenhang, die allerdings von ihm wohl vorwiegend in die fränkische Zeit verlegt wird, während wir sahen, daß sie, wenigstens in unserem Gebiet, schon in früheren Zeiten eine beachtenswerte Verbreitung h a t t e . Vgl. auch G. C A R O S Besprechung der Schrift von R Ü B E L in „Westdeutsche Zeitschrift", 24. Jahrg., 1905, S. 60ff., bes. S. 69f. 4)
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hier nicht weiter auseinanderzusetzen. Dafür ist aber eine neue Ansicht aufgetaucht, nämlich die von ALFONS DOPSCH1) ; er nimmt eine vermittelnde Stellung ein. Einmal gibt er zu, was übrigens auch schon WAITZ 2) gesagt hatte, daß die Hufe besonders häufig bei abhängigem Besitz vorkomme, meint aber, daß sie doch auch in freibäuerlichen Verhältnissen nachzuweisen sei; er behauptet also einen doppelten Ursprung. Wir werden zu prüfen haben, was unser Material für Auskunft gibt.
II. Begriff der Hufe und der Hufenordnung. Mögen auch die Ansichten über die Entstehung der Hufe und ihre Bedeutung innerhalb der alten deutschen Agrarverfassung auseinandergehen, in dem, was die Hufe eigentlich ist (oder sein soll), ist man sich im wesentlichen einig3). Es handelt sich dabei nicht um den Besitz eines (freien oder grundherrlichen) Bauern schlechthin, sondern um einen sowohl rechtlich wie wirtschaftlich genauer umzirkelten Besitz. R e c h t l i c h erfolgt die nähere Bestimmung dahin, daß die Besitzung samt dazugehörigen Nutzungsrechten eine Einheit bildet, wobei nach der einen Lehre die die Einheit konstituierende Instanz die Gemeinde oder Genossenschaft ist, die dem einzelnen seinen Anteil zumißt, während diese Instanz nach der anderen Lehre der Grundherr ist. W i r t s c h a f t l i c h erfolgte die Bemessung dahin, daß sie in ihrer Größe der Arbeitskraft einer bäuerlichen Familie angepaßt war. Die freibäuerliche Lehre sagt: „Sie bedeutet den normalen Besitz des freien Germanen, so viel, als nötig ist, ihm den Unterhalt zu sichern"4). Die grundherrliche Theorie sagt, es ist das vom Grundherrn zugemessene, der Arbeitskraft der Familie angepaßte Gut, das so zugeschnitten sein muß, daß der Bauer außer seinem und der Seinen Unterhalt auch die grundherrlichen Abgaben herauswirtschaften kann. Daß bei einer solchen grundherrlichen Zumessung durch das vorbehaltene Obereigentum die Ge1) A. DOPSCH, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, I. Teil, 2. Aufl., bes. S. 329ff. Anders in dem späteren Buch „Wirtschaftliche und soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung", 2 Bde., 2. Aufl., Wien 1923/24. Hier führt er die deutsche Hufe zurück auf ähnliche Bildungen bei den Griechen, Römern und Galliern und behauptet so eine Kontinuität der Entwicklung (bes. Bd. I, S. 351 ff.). 2) GEORG WAITZ, Über die altdeutsche Hufe, a. a. O., S. 219. 3) A b g e s e h e n
von WITTICH
und
DOPSCH u n d d e r e n
Anhängern.
4) G.V.BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, S.18.
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schlossenheit des Gutes 1 ) besonders sicher gewährleistet war, liegt auf der Hand. Sehr unterschiedlich sind in der älteren Literatur die Ansichten darüber, ob die Hufe lediglich eine betriebstechnische Größe oder aber ein maßgebliches Glied im Rahmen des gesamten deutschen Verfassungslebens sei. Hier bilden vielleicht WITTICH und MEITZEN die Extreme. WITTICH betont wiederholt, die Hufe sei „nur eine betriebstechnische Größe, keineswegs aber das Normalmaß eines dem Vollfreien zustehenden Grundbesitzes" 2 ). MEITZEN dagegen hat die Theorie einer besonderen Hufen Verfassung ausgebildet. Er sagt: „Die Sitte, alle privaten und öffentlichen Zinsungen, Abgaben und Leistungen bis zum Heerbann hinauf nach der Wirtschaftseinheit der Hufe oder deren Bruchteilen festzustellen, beherrschte das gesamte deutsche Agrarwesen vom frühen Mittelalter bis auf die Neuzeit" 3 ). G. WAITZ und andere Forscher wollten zumindest Beziehungen zwischen Wert einer Hufe und dem Wergeid des Freien sehen, derart, daß beide Größen aufeinander abgestimmt waren4). Diese Ansicht ist insoweit richtig, als manche öffentlichen oder auch privaten (grundherrlichen) Lasten auf die Hufe als solche gelegt waren — man denke aus späterer Zeit an den brandenburgischpreußischen Hufenschoß —, aber die Heeresverfassung hat nie auf der Hufe beruht, und so ist die Bezeichnung „Hufenverfassung" leicht irreführend und besser zu vermeiden5). Hier wird, wenn das der Zuteilung von Hufen zugrunde liegende soziale Ordnungsprinzip und das Ergebnis dieser Zuteilung bezeichnet werden soll, von „Hufenordnung" gesprochen werden, ein Ausdruck, der wohl derartige Mißverständnisse nicht aufkommen läßt. Wir treffen auch in unserem Materiale zahlreiche Abgaben und sonstige Verpflichtungen an, die keineswegs auf Hufen begründet sind, und zwar nicht nur Beithemunt- und Mortuariumabgaben oder auch rein personale Zinsen6). Wie steht es aber mit der anderen, namentlich von WITTICH 1) Vgl. hierzu auch W. W I T T I C H , Art. „Hof", in „Handwörterbuch der Staatswissenschaften", 4. Aufl., Bd. V, Jena 1923, S. 268 ff.; hier betont er besonders das Moment der Geschlossenheit, auch für die Hufe. Natürlich verficht er auch hier die grundherrliche These, bes. S. 270. 2) W . W I T T I C H , Epochen der deutschen Agrargeschichte, a. a. O., S. 4 ; ähnlich in dem Art. „ H o f " , a. a. O., S. 270. 3) Zitiert bei G. v. B E L O W U. F U C H S , Art. „Hufe, Hufenverfassung", „Wörterbuch der Volkswirtschaft", 4. Aufl., Bd. II, Jena 1932, S. 367. 4) G E O R G W A I T Z , a. a. O., S. 217. — 5) So auch v. B E L O W - F U C H S , ebendort. 6 ) Man vgl. beispielsweise nur einmal Kapitel 4 3 bei D R O N K E , Trad. et Ant. fuld. Lütge, Agrarverfassung. 16
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vertretenen Ansicht, daß die Hufe lediglich als betriebstechnische Größe aufzufassen sei ? Da überall, meint er, gleichartige natürliche und technische Bedingungen vorlagen, sei eben überall die gleiche Betriebsorganisation, die Hufenverfassung, entstanden1). In der gleichen Richtung ist nun A L F O N S D O P S C H weitergegangen; er hat den neuen Gedanken, der bei W I T T I C H auftaucht, konsequent zu Ende gedacht2). Anknüpfend an die Ansicht von CARO — der die Hufe, wie die Vertreter der älteren Lehre, als ein Landgut mit dem entsprechenden Zubehör auffaßte, nur daß er in dem Gutsherrn die Instanz sah, die die Hufe dem Einzelnen zumaß — sagt er kritisierend: „ C A R O ist in denselben Fehler verfallen, den er mit vollem Rechte der älteren Forschung zum Vorwurf machte, die Schematisierung", worunter er das Festhalten an dem alten Kerngedanken meint. Er glaubt weiterzukommen, wenn er von diesem Grundgedanken völlig abgeht und das Wirtschaftliche in den Vordergrund stellt und dieses zur Grundlage der Begriffsbestimmung macht. Bei dem Blick auf diese wirtschaftliche Seite tritt ihm nun als entscheidend entgegen, daß eine außerordentlich große Mannigfaltigkeit in der Besitzgröße besteht. Daraus folgert er, daß „Hufe" ein allgemeiner, neutraler Ausdruck ist, so wie unser heutiges Wort „Hof" oder „Gut" oder „Landlos"3). Hufe ist also „der zusammenfassende Sammelbegriff für die verschiedenen Gutsstücke, die sich in einheitlichem Besitze einer oder auch mehrerer Personen befinden"4). Ganz ähnlich auch R. S C H R Ö D E R und F R H R . v. K Ü N S S B E R G , die zwischen Hufe als Flächenmaß und Hufe als „Gesamtbestand eines Landgutes" unterscheiden5). Mit diesem Problem gilt es nun, sich auseinanderzusetzen. Zunächst ist zu sagen, daß diese Begründung von D O P S C H sich von vornherein nur auf freibäuerliche Hufen beziehen könnte, nicht aber auf grundherrliche. Denn wenn ein Grundherr mehrere Hufen in seinem Besitz hat, so ist er ja lediglich Obereigentümer, und über die Zahl der Unfreien, d. h. ihr Verhältnis zu der Zahl der Hufen, ist aus den meisten Schenkungsurkunden dieser Art nichts zu entnehmen, der Schenker konnte das zudem halten so wie er wollte8). Demnach würde sich das, was D O P S C H sagt, eigentlich 1) 2) 3) 5)
W. WITTICH, Epochen der deutschen Agrargeschichte, S. 4. A. DOPSCH, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Bd. I, S. 332 ff. Ebenda, Nr. 339. — 4) Ebenda, Nr. 338. SCHRÖDER-V. KÜNSSBERG, Lehrbuch, 7. Aufl., S. 221. Über diese auf
RICHARD SCHRÖDER zurückgehende Ansicht vgl. a u c h JOH. REICHEL, a . a. O., S. 1 0 .
6) Vgl. dazu unten S. 269.
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nur auf die freibäuerlichen Hufen beziehen können, jedenfalls haben seine Ausführungen nur von diesen aus Berechtigung. Aber da er freibäuerliche und grundherrliche Entstehung der Hufe als nebeneinander vorkommend anerkennt, hätte seine Begriffsbestimmung, wenn sie zutrifft, wenigstens für den einen Sektor erklärenden Wert. Gehen wir daher einmal von der freibäuerlichen Hufenlehre aus, um von hier aus einen Maßstab zu finden, mit dem die Begriffsbestimmung von D O P S C H auf ihre Richtigkeit hin untersucht werden kann. Die Theorie von der altdeutschen freien Hufe betrachtet als regelmäßige Bestandteile der Hufe die Hofstatt, dann Ackerland, Wiesen, Weinberge oder andere Spezialkulturen, und schließlich Anrecht an der Allmende. Aber n a t ü r l i c h kann man doch nicht umgekehrt folgern: wo Hofstatt, Acker und Allmendenutzung im Besitz eines Bauern zusammenkommen, haben wir eine Hufe vor uns. Diese Umkehrung verhilft zu leichterem Erkennen dessen, worauf es ankommt. Dieses Erkennen muß zunächst einmal davon ausgehen, daß alle die vorstehend genannten Elemente gar nicht spezifisch wesentlich für die Hufe sind, sondern daß sie schlechthin technisch erforderliche Bestandteile einer jeden bäuerlichen oder ü b e r h a u p t ländlichen W i r t s c h a f t sind. Ohne Äcker, Wiesen, ohne Haus, Ställe und Scheunen und schließlich ohne Eigentum oder Nutzungsrecht an Wegen, Gewässern, an Weiden und im besonderen am Walde als dem Spender so lebensnotwendiger Dinge (und als Rodungsreserve) ist weder ein Bauer (noch ein Gutsherr) dieser Zeit im allgemeinen überhaupt zu denken. Das gilt ganz unabhängig davon, ob der Bauer frei oder unfrei ist. Wenn man die Hufe allein auf das Vorhandensein dieser Elemente abstellt, würde man sagen müssen, daß jede bäuerliche Wirtschaft im weitesten Sinne des Wortes, wenn man von der in die moderne Geldwirtschaft eingegliederten Landwirtschaft absieht, die das kauft, was ihr fehlt, eine Hufe wäre. Das zu sagen, hieße aber, das Problem in sich aufheben, dann wäre eben Hufe gleich Bauerngut schlechthin. Man kann auch nicht den Unterschied darin sehen, daß man, von der alten freibäuerlichen Lehre ausgehend, sagt, Hufe sei dort, wo das Privateigentum des Bauern nur einen bestimmten Sektor der bäuerlichen Wirtschaft umfasse (nämlich Hof und Ackerland), während der andere Sektor nur durch Nutzungsansprüche an der gemeinen Mark (Wald, Weide usw.) gebildet wird. Denn dann würde 16*
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man die ganze Frage auf ein völlig nebensächliches Gleis abschieben und die Hufe leugnen müssen, wo diese genossenschaftliche Nutzung in Eigentumsrechte verwandelt ist oder gar überhaupt nicht bestanden hat! Und wenn man der Ansicht ist, daß die Hufe eine Schöpfung der Grundherrschaft sei, dann kann man doch, um an die obige Kennzeichnung anzuknüpfen, nun nicht sagen, daß die Gnmdherrschaft Hofstatt, Acker und Gemeinlandnutzung zusammengebracht habe. Wohnsitz, Acker und Wald usw. als Lieferant der wichtigsten Rohstoffe und Gewährer der Weide usw. gehören von Natur zusammen, wobei die Frage der Rechtsform, zu der dem Bauern die wirtschaftlichen Güter zur Verfügung stehen, ganz untergeordnet ist, und man wird nie sagen können, daß der Grundherr diesen Dreiklang geschaffen habe, sondern muß dabei bleiben, daß dieser schlechthin naturbedingt ist. Über all dies muß man sich klar werden, wenn man die richtige Distanz zu dem ganzen Streit um die Hufentheorie gewinnen will. Wesentlich für die Hufe, so wie sie Gegenstand dieses Meinungsstreites geworden ist, ist j a nicht das Agrartechnische oder Betriebswirtschaftliche, sondern das Soziale, d. h. das V e r f a s s u n g s mäßige, das Konstitutive1). Daß Hof, Acker und Gemeindelandnutzung in bestimmten, objektiv zwar verschiedenen, wirtschaftlich aber doch annähernd gleichmäßigen — jedenfalls örtlich gesehen — Größen zusammengefaßt sind zu einer höheren Einheit, nicht summenmäßig, sondern funktionsmäßig, daß diese Einheit einen sozial und wirtschaftlich feststehenden und von Nachbar zu Nachbar daher gleichwertigen Komplex aus privatem Besitz und Anrechten gegenüber der Gesamtheit der Genossen darstellt, daß demzufolge sich die Nachbarn nicht nur auf gleicher Ebene gegenüberstehen, und zwar nicht nur rein materiell-wirtschaftlich, sondern auch durch Anerkennung oder eigentlich sogar durch Setzung seitens der übergeordneten Instanz — sei dies nun die Sippe oder Genossenschaft, sei es der Grundherr —, daß also diese Einheiten Bestandteile sind der sozialen und schließlich auch der politischen Verfassung, das alles m a c h t erst die H u f e aus, jenseits alles bloß Agrartechnischen. Noch anders ausgedrückt: Nicht in dem Zusammenklang der drei 1) Dies scheint A. D O P S C H in seinen ,, Grundlagen" zu übersehen, wenn er z. B. S. 354 die Kontinuität der Entwicklung daran erkennen will, daß der materielle Inhalt der spätrömischen „sortes" der Kolonisten auf Staatsgütern und der germanischen Hufe der gleiche ist. Ebenso bedeutet es doch eine Verschiebung des ganzen Themas, wenn er S. 352 sagt: „Die Bezeichnung sors für Hufe, bzw. das Sondereigentum des Einzelnen finden wir in der Lex Rib . . .". Hufe und Sondereigentum sind doch nicht gleichzusetzen!
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Momente, sondern in der Tatsache, daß sie unter einem bestimmten Gesichtspunkt zusammengefügt werden, nicht in dem Naturgegebenen, sondern dem Sozialen, das die Hufen von dem sonstigen Landbesitz abhebt, in dem also, was aus der Willenssphäre des Menschen stammt, der die Hufe schafft, ist das Wesen der Hufe zu suchen! Und wenn man das Betriebstechnische so in den Vordergrund stellt, wie WITTICH, kommt man in Gefahr, dies zu übersehen oder doch mißverstanden zu werden1). Die Geschlossenheit, die die Hufe ihrem Wesen nach hat, die Einheit, zu der in ihr die verschiedenen Bestandteile zusammengefügt sind, ist so bedeutsam, daß sie auch bei einer etwaigen Teilung nicht verlorengeht und ebensowenig nicht bei einer Addierung. Wenn nun aber Hufe bloß ein rein betriebstechnisches Gebilde wäre, dann ist es schwer verständlich, wie man dann davon sprechen kann, daß ein Bauer zwei oder drei Hufen besitzt, was die Urkunden doch tun. Wenn Hufe nichts weiter ist als ein Landgut (in dem unverbindlichen Sinne, den wir heute diesem Worte beilegen), dann hat derjenige, der noch eine zweite Hufe dazu erwirbt oder erhält, jetzt eben ein doppelt so großes Gut! Aber man sagt das nicht, sondern spricht von zwei Hufen! Das beweist, daß die Hufe eine in sich gegebene Einheit ist, die mit ihresgleichen, wenn zwei in der Hand eines Mannes zusammenkommen, nicht zu einer dementsprechend größeren Einheit zusammenfließt, sondern die auch in der Summierung eine auch nach außen hin so bezeichnete eigenständige Größe bleibt. Und das Gleiche gilt, solange dieser Begriff überhaupt noch lebendig ist, bei Teilungen. Man spricht von y 2 , 1 / 8 usw. Hufe, aber nicht von 15 oder 7% usw. Morgen2). E s sei auf ein besonders bezeichnendes Beispiel aus dem Kreise Schleusingen verwiesen. Dort rechnete man nach „Gütern" (ganz im Sinne von Hufen); die Zahl der Besitzer war aber dank der freien Erbteilung, die sich hier durchgesetzt hatte, sehr viel größer als die Zahl der Güter in dortiger Flur. So gab es z. B. in Bischofrod 11 y2 Güter, die sich sehr ungleichmäßig auf 32 Besitzer verteilten; manche hatten Anteile an mehreren „Gütern", eben auf Grund der 1) Es ist eigenartig bei W I T T I C H ; er sieht sonst nämlich das Soziale wie im besonderen das Moment der Geschlossenheit ganz deutlich (so besonders in seinem Art. „Hof", a. a. O., S. 268), dann geht er aber wieder in dem hier erörterten Zusammenhang darüber hinweg. 2) Ausgegangen von der allgemein als Durchschnitt angenommenen Größe von 30 Morgen pro Hufe.
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Erbteilungen. Hier haben wir genau die gleiche Erscheinung! Die ideelle, konstitutive Einheit erhielt sich, wenn auch nur noch schemenhaft, über die ganzen Jahrhunderte hin, bis man infolge des Schwindens der Menschen im 30 jährigen Kriege die ganze Flur zu einem Rittergutareal machte! 1 ). Es ist, um diese Erörterung abzuschließen, eben nicht möglich, eine soziale Bildung rein vom Wirtschaftlichen aus verstehen zu wollen! Es war ja keine wirtschaftliche Überlegung, die die Hufe geschaffen hat, sondern das Wirtschaftliche war dabei ganz in die Rolle des Sekundären gedrängt, es wurde seinerseits durch das soziale Moment bestimmt. Aber davon abgesehen, auch sonst entspricht diese Ansicht nicht dem Quellenbefund. Nirgends wird das Bauerngut schlechthin als Hufe bezeichnet, sondern das Hufenland ist, wie wir noch sehen werden, durchaus streng von dem NichtHufenland, das lediglich nach Joch oder Acker bemessen wird, getrennt, ganz deutlich schon in der frühesten Urkunde, die in unserem Gebiete überhaupt Hufen erwähnt, der Schenkung des Herzogs H E D E N vom Jahre 704. Was bedeutet nun aber eigentlich das Wort Hufe dort, wo wir es zuerst antreffen (in unseren Quellen wie gesagt 704, in westdeutschen Quellen bereits im 7. Jahrhundert) ? DOPSCH sagt darüber: „Die älteste fränkische Form für Hufe ist houa. Dies bedeutet ursprünglich ein .Stück', also dasselbe, wie das lateinische ,sors'. Ferner versteht man in Schleswig unter houwe oder hawe noch jetzt ebenso ein Stück" 2 ). Hierzu ist zu .sagen, daß diese Bedeutung als „Stück", mit der D O P S C H sich S C H I L L E R - L Ü B B E N anschließt3), doch wohl nicht den Kern trifft. Schon WAITZ hat das Wort Hufe mit Haben zusammengebracht, und andere namhafte Forscher haben sich dieser Deutung, die sich auch auf J . GRIMM berufen kann, angeschlossen4). Die Hufe ist also das, was in der Habe eines Mannes ist, von ihm besessen wird. Das lateinische Wort „sors" heißt aber „Stück", „Los", „Anteil", und in dieser Bedeutung erscheinen auch „pars" 1) H E R M A N N W A H L E , Das ehemalige Dorf und nachherige Rittergut Keulrod im Kreise Schleusingen bis zum Jahre 1868. (Schriften der Hennebergischen Geschichtsvereins, Nr. 17.), Schleusingen 1932, S. 8f. Schließlich kann die Entwicklung so weit gehen, daß die Hufe zu einer rein ideellen Belastungseinheit herabsinkt (G. CARO, Die Hufe, a . a. O., S. 269); da ist dann der alte Gehalt der Hufe ganz verschwunden, und nur noch das fiskalische Interesse läßt die äußere Form weiter bestehen. 2) A. D O P S C H , Grundlagen, Bd. I. S. 353. — 3) Vgl. ebenda, Anm. 122. 4) R U D . K Ö T Z S C H K E , Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 263.
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und „portio" in den Quellen; im Fränkischen finden wir Hlut, althochdeutsch Hluz 1 ). Das Wort „sors" tritt uns bezeichnenderweise zuerst entgegen bei den Ansiedlungen der Ostgoten auf römischem Boden, wie dann überhaupt bei den Ansiedlungen der germanischen Stämme auf provinzialrömischem Gebiet, wobei in der Regel den Römern zwei Drittel ihres Landes abgenommen, ein Drittel aber belassen wurde2). B e i d e Teile nannte man „sors". Kann man aber unter all diesen Ausdrücken wirklich Umschreibungen für die Hufe im Sinne der Hufenlehre erblicken ? Doch wohl nicht! Auch wenn diese „sortes", wo es sich um die Ansiedlung einer größeren Anzahl von Germanen in geschlossenen Siedlungen handelte, ungefähr gleichgroß gewesen sein sollten3), sind es noch keine Hufen! Der Gegensatz zu Anteil ist das Ganze, aber nicht Nicht-Hufenland. Daß sowohl die Ostgoten als „hospites", der unterworfenen Römer, wie auch die Kolonisten auf den gallischen Staatsgütern, bei denen wir das Wort auch antreffen, und ebenso die Germanen, die sich dort niederließen, stets nur einen Anteil des Ganzen erhielten, nicht aber das Ganze, ist klar, und das rechtfertigt Ausdrücke wie „pars", „portio", „sors" usw. So kommen wir zu dem Schluß: Hufe ist offenbar n i c h t ohne weiteres das gleiche wie „portio", „sors" usw.; diese Worte mögen da und dort, namentlich in späteren Quellen, einmal im Sinne von Hufe verwandt werden, aber das ist dann schon etwas anderes4). Im Ursprung sind sie nicht dasselbe, und wenn man 1) L A N D A U , a. a. O . , S . 11; G . W A I T Z , a. a. O . , S . 187; H . B R U N N E R , Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I , S. 285. C L . F R H R . V. S C H W E R I N , Art. „ H u f e " in Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hrsg. von J O H . H O O P S , Bd. I I , Straßburg 1913/15, S. 565. K A R L L A M P R E C H T , Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I, S. 332f. Das altertümliche Wort hluz kommt, soweit ich sehe, in unserem Material nirgends vor; es findet sich in den „Traditiones" von D R O N K E , Kap. 41, Nr. 112, bei einer nach Sachsen fallenden Tradition. Hier werden „luzzi" von Hufen u n t e r s c h i e d e n (!). 2 ) A. D O P S C H , Grundlagen, Bd. I, S . 2 1 3 . R. S C H R Ö D E R - F R H R . V. K Ü N S S Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7 . Aufl., S. 1 0 8 f . Wenn W. W I T T I C H im Art. „ H o f " im „Handwörterbuch d. Staatswissenschaften", 4. Aufl., Bd. V, S. 270, meint, Hufe sei auch mit aratrum wiedergegeben, so ist das wohl ein Irrtum, zurückzuführen auf die starke Betonung des betriebstechnischen Momentes bei ihm. Aratrum heißt Pflug, und damit zusammenhängende Bildungen wie terra araturia usw. bedeuten Pflugland, aber nicht Hufe. (Vgl. auch R. S C H R Ö D E R - v . K Ü N S S BERG,
BERG, L e h r b u c h , S . 221, A n m . 11.) 3)
R.
SCHRÖDER-V. K Ü N S S B E R G ,
a. a. O.,
S. 109, A n m .
5.
4) Typisch für die Einstellung einer bestimmten Zeit ist in dieser Hinsicht z. B. das Vorgehen von K A R L L A M P R E C H T , Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I, S. 331 ff. Er muß hier feststellen, daß die Bezeichnung „ m a n s u s "
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ihre Gleichheit annehmen wollte, würde man damit den Hufenbegriff innerlich auflösen. Man würde den Hufenbegriff dann darauf abstellen, daß der Bauer mit seiner Hufe nur einen Teil der Flur besitzt. Das ist aber eine völlige Selbstverständlichkeit, und zwar trifft das für jeden Ort und jede Zeit, für jeden Besitz, sei es Hufenoder Nicht-Hufenland, zu. Bei den „sort.es", die sich die Ostgoten von ihren „hospites" mit Gewalt nahmen, und umgekehrt bei den „sortes", die sie ihnen beließen, trat das Moment des Anteiles bestimmend in den Vordergrund, und ebenso auch bei den Franken, die unter sich einen römischen Großbesitz im eroberten Gallien aufteilten. Nur in dem sozialen, konstitutiven Moment, wie es oben näher ausgeführt worden ist, liegt das, was die deutsche Hufe ausmacht und was die Hufe von sonstigem Land trennte. Nur soweit es gelingen könnte, ein ähnliches Moment bereits bei älteren „sortes" nachzuweisen, etwa bei grundherrlichen Ansiedelungen von Kolonen in Gallien, könnte man diese „sortes" als Vorläufer der deutschen Hufe bezeichnen. Hier liegt auch der tiefste Grund, aus dem heraus es notwendig ist, die von A. DOPSCH versuchte Ableitung der deutschen Hufe aus „entsprechenden" Gebilden in Ägypten, Griechenland, Rom, Gallien usw. abzulehnen. Schon G. v. B E L O W hatte es gelegentlich als „mißlich" bezeichnet, „die Hufe in Vergleich mit den gleichen Ackerlosen zu stellen, welche die alten Spartiaten wirklich oder angeblich unter sich verteilt haben"2). Aber DOPSCH tut ja noch viel mehr als dies, er stellt nicht in Vergleich, sondern bringt beides in engste Verbindung —, nur zu verstehen aus seiner völligen Unterhöhlung des Hufenbegriffes heraus, die diesen zu einer Bezeichnung für jedes beliebige bäuerliche Ackergut werden läßt, so daß jeder Unterschied zwischen bäuerlichem Hufenland und NichtHufenland wegfallen würde. Hier müssen wir, wie des näheren begründet, DOPSCH widersprechen. (genommen als lateinischer Ausdruck für Hufe) erst im 8. Jahrhundert auftaucht. Vorher findet er in den Quellen Ausdrücke wie domus, sors, sessus, curtis, curtilis, von denen er ohne irgendeinen Beweis behauptet, daß dies Umschreibungen für die Hufe wären! J a wieso denn? Das kann man nur sagen, wenn man mit der Meinung an das Material herangeht, daß Hufen da sein müssen, wenn man es also ganz aufgibt, zu f r a g e n ! 1 ) A. DOPSCH, Grundlagen, Bd. I , S. 3 5 8 passim. An dieser Stelle zählt er unter den Völkern, die auf römischem Boden sich niederließen, außer Franken, Alemannen und Bayern auch die Thüringer auf! Das ist natürlich ein Irrtum. 2) G. v. BELOW, Art. „Hufe, Hufenordnung", im „Wörterbuch der Volkswirtschaft", 4. Aufl., Bd. II, S. 366.
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Berechtigt ist also an der alten Lehre von W A I T Z USW., daß er die Hufe n i c h t als reine betriebstechnische Größe auffaßte, wie W I T T I C H es wollte, und sie nicht rein „wirtschaftlich" als Landgut schlechthin definierte, wie D O P S C H das versucht. So wertvoll sonst die Kritik gerade dieser beiden Forscher an den älteren Gedankengängen gewesen ist und so viel wir heute gerade davon als berechtigt anerkennen: in diesem einen wichtigen Punkte ist den Älteren Recht zu geben. Die historische Entstehung der Hufe hat sich anders abgespielt, als diese dargelegt hatten, sie ist auch keineswegs die allgemeine Norm gewesen, wie sie glaubten, aber daß die Hufe als ein Faktor der Sozial Verfassung anzusehen sei, im letzten also politisch bedingt ist, dieser Gedanke war an sich richtig und ist, wie wir sahen, nach Vornahme einer notwendigen Vertiefung auch heute fruchtbar zu verwerten. Durchaus zu unterscheiden von dem bisher behandelten Begriff der Hufe ist die Verwendung dieses Wortes einfach als F l ä c h e n m a ß , also als R e c h e n g r ö ß e 1 ) . Als solche war sie also nichts weiter als eine Recheneinheit, die eine bestimmte Anzahl von Morgen mit einem Sammelnamen belegte, oder, wie man gesagt hat, „die, ohne Rücksicht auf räumlichen Zusammenhang, nicht selten den reinsten Streubesitz zusammenfaßte" 2 ). Man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß der Ausgangspunkt für die hier verwendete Flächengröße die durchschnittliche Hufengröße des betreffenden Ortes ist 3 ). Wie in allen deutschen Gegenden, so kommt auch in dem hier untersuchten Gebiet und seinen Urkunden das Wort „Hufe" in dieser Bedeutung vor. Ganz deutlich ist es, wenn A D E L O in Auleben dem Kloster Fulda eine Captur „et holzmarcham ad X hubas", also eine Holzmark von zehnfacher Hufengröße, schenkt 4 ) ®). Die Sache 1) A . DOPSCH, a . a . O . , S . 3 4 3 . 2) R . SCHRÖDER-V. KÜNSSBERG, a . a . O . , S. 2 2 2 .
3) Auch das ließe sich übrigens gegen DOPSCH einwenden. Denn wenn die Hufe einmal diese, einmal jene Größe hat, dann läßt sich doch ein Durchschnittsmaß gar nicht angeben, und dann kann man auch nie auf den Gedanken kommen, Hufe als Flächenmaß zu verwenden! Irgendeine wenigstens einigermaßen feste Größenvorstellung muß man damit doch verbunden haben! 4) DRONKE, Trad., Kap. 38, Nr. 20. Auch G.CARO, Die Hufe, a. a. O., S. 258, hatte betont, daß die Anwendung von „Hufe" in diesem Sinne gerade im Hinblick auf Land erfolge, ,,das noch nicht in Kultur genommen war". Vielleicht ist es aber nur so, daß man dies hier am deutlichsten erkennen kann. 5) Übrigens wird später das Wort „Holzmarcha" in gleicher Bedeutung mit ,,silva" gebraucht. Vgl. J. GRIMM, Weistümer, Bd. III, S. 617, in dem Weistum von Monra.
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ist völlig eindeutig. Wir brauchen uns damit nicht mehr näher zu befassen und scheiden diesen Begriff der Hufe bei den nachfolgenden Betrachtungen aus.
III. Das Bild der Quellen. Wenn wir uns fragen, wie es denn überhaupt möglich ist, daß über eine solche relativ einfach erscheinende Frage, wie die nach der Entstehung der Hufe, trotz einer ein Jahrhundert umfassenden Forschung keine Einmütigkeit erzielt werden kann, so lautet die Antwort: lediglich infolge der Schwierigkeiten, die im Material liegen. Die Forschimg ist in erster Linie auf Traditionsurkunden angewiesen. Diese sind aber einmal nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten abgefaßt, woraus schon verschiedene Möglichkeiten der Deutung hervorgehen. Sie verwenden ferner des öfteren, und gerade in späterer Zeit, in der sie ja auch zahlreicher vorkommen, formelhafte Ausdrücke, die all das aufführen, was Gegenstand einer diesbetreffenden Tradition sein könnte, sich aber nicht an den konkreten Einzelfall halten. Sie bezeichnen ferner den geschenkten Grundbesitz nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten, besonders nicht mit einheitlichen Benennungen, und dann vor allem: nur ein B r u c h t e i l dieser S c h e n k u n g s u r k u n d e n e r w ä h n t ü b e r h a u p t Hufen, Mansen usw., ein anderer Teil verwendet Bezeichnungen wie Joch (jugera), Tagewerke (diurnales) usw., und der größte Teil vollends gibt überhaupt keine nähere Bezeichnung an. Da heißt es, um einige Beispiele zu nennen, etwa: „quicquid mihi parentes iure hereditario reliquerunt"1), oder „quicquid proprietatis habeo"2), oder „villam . . . cum omni integritate, id est terris, domibus, mancipiis, vineis, sylvis, campis, pratis, pascuis"3), oder einfach „bona sua"4). Es erhebt sich nun die Frage, ob man in all den Fällen, in denen Hufen nicht ausdrücklich genannt sind — sei es, daß von Joch, Acker oder Morgen (Tagewerke) die Rede ist, sei es, daß umschreibende Ausdrücke der eben zitierten Art verwendet werden —, gleichwohl Hufen (oder das Vielfache oder Teile von ihnen) annehmen 1) DRONKE, Codex, Nr. 3 0 1 . 2) Ebenda, Nr. 302. 3) H. B. WENCK, Hessische Landesgeschichte, Bd. I I , Frankfurt/Leipzig 1789, Urk.-Buch, Nr. XI. 4 ) So meist oder ähnlich in den Traditiones, z. B . DRONKE, Trad. et ant. fuld., Cap. 38, Nr. 7, 8, 65, 127, 137 usw.
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darf, wie das von vielen Forschern gemacht worden ist. Allgemeine Überlegungen führen da nicht zu einem einwandfreien Resultat, sondern lediglich genaue Untersuchungen des Quellenmaterials. Und da finden wir nun von der ersten Traditionsurkunde, die wir in unserem Material haben, der Schenkung des Herzogs HEDEN vom Jahre 704 1 ), an über zahlreiche andere Traditionen hin die ganz eindeutige Tatsache, daß Hufen und anderer Grundbesitz genau unterschieden werden; in ein und derselben Urkunde sind beide Arten oftmals nebeneinander genannt, und zwar nicht nur dort, wo man eine geringe Anzahl von Joche, die neben vollen Hufen genannt werden, als Teile von Hufen auffassen könnte, sondern auch gerade dort, wo die Zahl der Joche so groß ist, daß eine volle Hufe gegeben gewesen wäre, und gar kein Grund vorlag, diese Bezeichnung nicht zu wählen, z. B. 1 Hufe und 40 Joch 2 ), 8 Hufen und 44 Joch 8 ), 3 Hufen und 30 Joch 4 ) usw. Warum sagt der Schreiber, um beispielsweise von der zumeist als normal angesehenen Hufengröße von 30 Morgen auszugehen5), nicht: 2 Hufen und 10 Joch, 9 Hufen und 14 Joch und 4 Hufen? Oder warum werden, wenn man nicht nach Hufen, sondern nach Joch (Morgen usw.) rechnen will, nicht die Hufen nach ihrer Jochzahl hin aufgelöst ? Die Antwort kann nur lauten: Deswegen, weil beides nicht das gleiche ist: J o c h l a n d i s t n i c h t H u f e n l a n d ! Und das was wir hier besonders deutlich sehen, wiederholt sich immer wieder. In zahlreichen Urkunden treffen wir ausdrücklich neben Hufen anderen Besitz an, eben Nicht-Hufenland. Ohne Grund hat man diese Trennung doch nicht vorgenommen 6 ). Die Hufe ist keine betriebstechnische Größe, sondern ein Sozialgebilde, wohl aber Joch, Morgen usw. Die Hufe läßt sich also 1) Druck in: C. A. H. BURKHARDT, Urkundenbuch der Stadt Arnstadt. N r . 1 ; DOBENECKER, R e g e s t e n , I , N r .
5.
2) DRONKE, Trad., Kap. 8, Nr. 4. 3) Ebenda, Nr. 5. — 4) Ebenda Nr. 6. 5) Wenn man von einer Größe von 4 0 Morgen pro Hufe oder irgendeiner anderen Größe ausgehen würde, ergibt sich mit veränderten Zahlen genau das gleiche Bild. Damit nun nicht eingewendet werden kann, es handele sich hier um 60 Morgen große Königshufen (trotzdem sie als solche nicht bezeichnet sind), sei darauf verwiesen, daß ich in meinem Hufen-Aufsatz in „Schmollers Jahrbuch", S. 49, mehrere Beispiele beibringen konnte, in denen die Morgenzahl größer als 60 ist, nämlich, 70, 80, 90, 120, 130, 134, 152 usw. 6 ) V g l . z. B . DOBENECKER, R e g e s t e n , I , N r . 4 1 , 1 0 5 , 1 4 9 , 1 6 5 , 1 7 3 , 1 8 9 , 2 4 4 ,
323 usw. Und auch die Schenkung der RETUN zeigt das ja (ebenda, Nr. 157); sie hat neben den Hufen, die sie jetzt anlegt, noch anderen Besitz, und der liegt nicht in Hufen!
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ohne weiteres in eine entsprechende Anzahl von Morgen einteilen, und dann kann man sagen: die Hufe ist so und so groß (in Morgen gerechnet). Hufe ist aber noch etwas anderes als eine Fläche von so und soviel Morgen Größe, es kommt das Soziale hinzu, von dem wir oben gesprochen haben, und das erst die Hufe zu einer Einheit, einer selbständigen Größe macht. G. W A I T Z irrt, wenn er meint, daß man in den Morgen-(Joch-) Angaben Hufen erblicken müsse; er übersieht dabei das, was vorstehend auseinanderzusetzen versucht wurde 1 ). Das ist um so auffallender, als er sich ja selbst gerade um die Aufzeigung dieser anderen nichtquantitativen Seiten der Hufe besonders bemüht hat. Was unsere obige allgemeine Untersuchung über den Begriff der Hufe ergab, eben daß sie mehr sei als bloß eine betriebswirtschaftliche Größe, daß gleichsam ein konstitutiver Akt hinzutreten muß, um aus einer Fläche Landes oder einem wirtschaftlichen Betrieb eine Hufe zu machen, das bestätigt die Untersuchung unseres Materiales; in diesem wird genau danach unterschieden. Daß jedes Land, ob Hufenland oder nicht, in Joch (Morgen) eingeteilt werden konnte, ist natürlich selbstverständlich, das entspricht dem Charakter des Joch als einer betriebstechnischen Größe. Aber wie es kommt, daß solches Land sich neben Hufen in gleichem Besitz ein und desselben Mannes befindet, ist noch ein weiteres Problem. Doch darüber läßt sich erst Klarheit gewinnen, wenn wir wissen, welches der Entstehungsgrund der Hufe ist, d. h. also, wenn wir — um bei dem gebrauchten Ausdruck zu bleiben — wissen, von wem jener erforderliche konstitutive Akt ausgeht, der aus einem ländlichen Besitz eine Hufe macht.
IV. Grundherrliche oder freie Hufe? Zunächst haben wir uns mit der Frage zu befassen, ob man auf Grund unseres Materials freibäuerlichen oder grundherrlichen Ursprung der Hufe in unserem Gebiete annehmen muß. Die Entscheidung dieser Frage ist deswegen so schwierig und hat ja auch aus diesem Grunde zu so zahlreichen Debatten Gelegenheit gegeben, weil wir irgendwelche Urkunden aus der Zeit der Landnahme oder der davor liegenden Zeit nicht haben. Die in dieser Hinsicht sehr unklaren, so unendlich verschieden gedeuteten Ausführungen bei T A C I T U S sind eine allzu schwache Basis. Wir müssen sehen, aus dem späteren Material Rückschlüsse zu gewinnen. 1) Vgl. dazu auch JOH. REICHEL, a. a. O., S. 43.
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Nun ist unser Gebiet, wie wir in anderem Zusammenhang1) sahen, dadurch gekennzeichnet, daß von einem einmaligen Landnahmeakt nicht gesprochen werden kann, so wie er für die von den Franken, Bayern und Alemannen eroberten Gebiete charakteristisch ist, sondern es ist ein Jahrhunderte, ja eigentlich ein Jahrtausend währendes Hin und Her festzustellen, mit Zuwanderungen und Abwanderungen, mit Verschiebungen und starkem Wechsel der Bevölkerungsstärke und besonders einem mehrfachen SichDarüber-Schieben von Herrenschichten oder Herren Völkern über den sitzengebliebenen Stamm der Bevölkerung. Wir sahen auch, daß diese ganzen Bewegungen, die erst mit der Zuwanderung der Warnen im 4. Jahrhundert zum Abschluß kamen, das Entstehen einer ausgedehnten Grundherrschaft auf der Basis eines großen Bestandes von Unfreien gefördert haben. Da die Grundherrschaft in unserem Gebiet eine so hervorragende Rolle spielt, wird man nicht erstaunt sein, wenn man in den Urkunden immer und immer wieder Hufen in dem Besitze von Unfreien findet. Das ist auch kein vereinzelter Fall, denn schon G. W A I T Z , der ja an dem Gedanken der freibäuerlichen Entstehung der Hufe unbedingt festgehalten hat, mußte auf Grund seiner umfassenden Quellenkenntnisse sagen: „Unzählige Male wird aber der Besitz des Hörigen oder Knechtes geradezu Hufe, hoba genannt, ja dieser Ausdruck wird sogar mit einer gewissen Vorliebe dafür verwandt"2). Aber eines ist doch festzuhalten, was auch für unser Gebiet gilt: Wenn die Hufe freibäuerlichen Ursprungs ist, dann müßte man doch in den Urkunden des 8.—9. Jahrhunderts auch noch Hufen finden, die in freibäuerlichem Besitz stehen. Es gibt keinen Grund, der uns zu der Annahme berechtigt, anzunehmen, daß inzwischen alle Hufen in grundherrlichen Besitz übergegangen sind oder daß ausgerechnet eine solche freibäuerliche Hufe in den vielen Traditionsurkunden nie erwähnt wird. Und in der Tat hat auch A L F O N S D O P S C H bei seiner Kritik der „grundherrlichen Theorie" von W I T T I C H , CARO, R E I C H E L usw. dieses Argument in den Vordergrund gestellt und hat seine Behauptung, es gäbe sowohl einen grundherrlichen wie einen freibäuerlichen Ursprung der Hufe, darauf gestützt, daß sich Hufen sowohl in den Händen von Grundherren3) wie von freien Bauern nachweisen lassen4). 1) 2) 3) 4)
Oben S. 8 f f „ bes. S. 12ff. G. W A I T Z , Über die altdeutsche Hufe, a. a. O., S. 219. Ausgetan zur Bewirtschaftung an Unfreie. A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Bd. I, S. 330f.
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Und darauf muß sich nun unsere Untersuchung richten, ob dies tatsächlich der Fall ist. Es sind an sich gar nicht so viele Urkunden, die DOPSCH als Beweis für freibäuerliche Hufen aufzeigen kann, und ein überzeugter Verfechter der Ansicht, daß die Hufe grundherrlichen Ursprunges sei, würde möglicherweise geneigt sein, sie als Ausnahmefälle abzutun gegenüber der Fülle des Materiales, das für die grundherrliche Hufe zeugt1). Aber ein solches Verfahren wäre doch wohl als etwas leichtfertig abzulehnen; wir müssen uns jede einzelne Urkunde unseres Gebietes, die von Hufen spricht, genau ansehen, ehe wir ein Urteil aussprechen. Und das um so mehr, als DOPSCH sich nicht speziell mit unserem Gebiete befaßt. Von den beiden einzigen Fuldaer Urkunden, die er nennt, bezieht sich die eine auf einen Ort, der am Rande unseres Gebietes liegt 2 ), während der andere weit ab liegt 3 ). Sie kommen also nur z. T. als Beweismaterial für unser Gebiet in Frage. Aber — was sehr überraschend ist — bei näherer Betrachtung fallen sie vollkommen aus! Denn im ersten Falle handelt es sich um 2 Hofstätten und 5 Hufen, also doch wohl um einen grundherrlichen Besitz, und im zweiten Fall werden 4 Mancipia mitgeschenkt, was gleichfalls gegen die Annahme von freibäuerlichen Hufen spricht, denn diese Mancipia sind doch wohl die Bebauer der Hufen4). Wenden wir uns nunmehr mit unserer Frage an das Material, das speziell für das hier untersuchte Gebiet vorliegt. Da tritt uns schon bei einem ganz flüchtigen Überblick die Tatsache entgegen, daß die Schenkung von Hufen in weitaus der überwiegenden Anzahl von Fällen mit der Schenkung von Unfreien (Mancipia) verbunden ist, die zu diesen Hufen hinzugehören, — angefangen von der Schenkung des Herzogs HEDEN5) über alle anderen Schenkungen von Hufen im 8. Jahrhundert hinweg bis fast in die Mitte des 9. Jahrhunderts4), ob es sich nun um Schenkungen an den Bischof WILLIBRORD handelt, wie im Falle des Herzogs HEDEN, oder an 1) E t w a wie JOH. REICHEL, a. a. O., S. 39, der davon spricht, daß die U r kunden in dieser Hinsicht vielleicht vom Verfasser nicht zureichend genug gekennzeichnet seien, also nur gleichsam Schein-Ausnahmen zugeben will. 2) DRONKE, Codex, N r . 637. fränkischen Saalegau.
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E s handelt sich um Kizicha ( = Kissingen) im
3) Ebenda, N r .
25.
4 ) E s ist mir nicht recht klar geworden, w a r u m DOPSCH diese beiden U r k u n d e n in dem genannten Zusammenhange anführt. 5) BURKHARDT,
Urkundenbuch
der S t a d t Arnstadt, N r .
1;
DOBENECKER,
Regesten, I, N r . 5. 6) DRONKE, Codex, N r . 66, 120, 292, 389, 402, 425, 452, 458, 476, 493, 520.
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das Kloster Fulda, wie in den meisten Fällen, oder an das Kloster Hersfeld, wie in den Fällen der Tradition der RETUN1) und der ganzen im Brevarium des LULLUS zusammengefaßten Schenkungen2). Ganz gleich ebenso, ob es Teile eines ausgesprochen großen Grundbesitzes betrifft3), oder Teile eines möglicherweise kleineren Besitzes4) oder schließlich den ganzen Besitz, wie im Falle der Schenkung der THEOTRATA5) oder der Nonne SIGILOUG6). Das gleiche gilt in den wenigen Fällen, wo der Ausdruck Mansen vorkommt7). In der Mitte des 9. Jahrhunderts finden sich aber doch fünf Schenkungen von Hufen, die wir nicht ohne weiteres als grundherrlich ansehen können, während das hinsichtlich der darauf folgenden letzten in die Karolingerzeit gehörenden Fälle wieder ganz klar ist 8 ). Auf die erwähnten fünf Fälle müssen wir daher näher eingehen9). Hängt doch von ihrer richtigen Erkenntnis die Entscheidung der Frage ab, ob die Vertreter der grundherrlichen Theorie recht haben oder obDopsCH mit seiner vermittelnden Position das Richtige trifft. 1. Im Jahr 838 schenkt W A L D P R A H T dem Kloster Fulda in Stetten im Grabfeldgau (bei Ostheim v. d. Rhön) „huobam unam" 10 ). Nichts ist dazu gesagt, was die Schenkung näher kennzeichnen könnte. Auch von Unfreien ist nicht die Rede. Das spricht dafür, daß hier tatsächlich die Schenkung einer nicht-grundherrlichen Hufe vorliegt. Natürlich besteht die Möglichkeit, daß W A L D P R A H T auch sonst noch größeren Besitz hat, er also doch ein Grundherr ist; aber nichts zeugt davon. Nach der Fassung der Urkunde haben wir es also mit einer nicht-grundherrlichen Hufe zu tun. Und doch i s t diese V e r m u t u n g f a l s c h ! Die Schenkung ist nämlich auch in den Fuldaer „Traditiones", die zur Gegenkontrolle herangezogen wurden, notiert, und hier steht: ,,hubam unman . . . cum omnibus a p p e n d i c i i s e t f a m i l i i s e t prole eorum" 1 1 ). Man kann über diese Angabe nicht ohne weiteres Urkundenbuch Hersfeld, I , Nr. 3 5 ; D O B E N E C K E R , Regesten, I , Regesten, I , Nr. 7 0 . 3 ) Zum Beispiel D R O N K E , Codex, Nr. 1 2 0 , 3 8 9 , und die Schenkung R E T U N . 4) Zum Beispiel ebenda, Nr. 66, 292, 402, 425, 452, 476. Man kann ja, da der n i c h t geschenkte Besitz nicht angegeben ist, nur von dem Ausmaß der Schenkungen ausgehen, — ein an sich recht wenig ausreichender Maßstab. 5 ) D R O N K E , Codex, Nr. 5 2 0 : 1 0 Hufen, 5 5 Mancipia usw. in einer ganzen Reihe von Orten. 6) Bestehend aus 7 Hufen und 2 2 Mancipia; D R O N K E , Codex, Nr. 458. 7) D R O N K E , Codex, Nr. 379, 451, 524, 554, 611, 629; ferner D R O N K E , Trad., Kap. 38, Nr. 187 und 244. In mehreren dieser Fälle dürfte „mansus" übrigens in der alten Bedeutung von Hofstätte verwendet worden sein. 8) Monumenta Boica, X X X V I I I , II, 67, No. 52; D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 267; D R O N K E , Trad., Kap. 41, Nr. 64; Ders., Codex, Nr. 657, 662. 9) Vgl. auch meinen Hufen-Aufsatz in „Schmollers Jahrbuch", S. 54ff. 1 0 ) D R O N K E , Codex, Nr. 512. 11) J . D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 39, Nr. 187. Sperrung von mir. 1) WEIRICH,
Nr.
157.
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2)
DOBENECKER,
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hinweggehen1). Sind die Formulierungen — wie in einem Summarium nicht anders zu erwarten — auch knapp, so machen sie doch nicht den Eindruck einer nichtssagenden Formel, was übrigens zweifelsfrei durch einen Vergleich mit den sonstigen Nummern dieses Kapitels hervorgeht. Wir stehen damit also vor der Tatsache, daß sogar die Originalurkunde in dem „Codex" mangelhaft ist und für eine nicht-grundherrliche Tradition sprechen würde, daß dies aber dennoch nicht zutrifft. So fällt diese Urkunde also aus. Sehen wir weiter: Im gleichen Jahr schenkt ein gewisser O T P R A H T dem Kloster Fulda Hufen (die Zahl ist nicht gesagt, wohl zwei®)) „in Nordheimero marcu et in Theodorphero marcu" 8 ), also in der Nordheimer und der Diedorfer Mark. Schenkungen von Mancipien werden nicht erwähnt, wie übrigens auch hier jede nähere Kennzeichnung des geschenkten Gutes fehlt; es heißt lediglich „huobas". Sie werden anscheinend gleichsam in jungfräulichem Zustand, ohne Mancipien, dem Kloster geschenkt. Denn auch dieser Tradent hat natürlich noch weiteren Besitz, von dem er leben kann. So können wir diese Urkunde von vornherein nicht als unbedingt überzeugend an2.
1) Dies möchte ich sagen, trotzdem E D M U N D E. S T E N G E L , derzeit wohl einer der besten Kenner des Fuldaer Materials, die Mängel und die Unzuverlässigkeit E B E R H A R D S , auf dessen Summarium diese Notiz zurückgeht, stark hervorhebt ( S T E N G E L , Fuldensia, im „Archiv, f. Urkundenforschung", Bd. 7 , 1 9 2 1 , S. 4f.). Aus S T E N G E L S Ausführungen geht nicht klar hervor, ob E B E R H A R D nicht etwa die Originalurkunden (und sei es auch nur zu einer Nachprüfung) herangezogen hat, statt allein der Abschriften in den Cartularen, so daß es sich bei den tatsächlichen oder vermuteten Hinzufügungen um Berichtigungen von Auslassungen usw. des Cartular-Abschreibers handeln würde. Welcher Grund sollte E B E R H A R D bewogen haben, solche Angaben hinzuzudichten ? Daß er sonst da und dort oberflächlich und flüchtig gearbeitet hat, wird damit nicht bestritten. Aber kann man ihm solche Erfindungen zutrauen ? Mir will das nicht einleuchten. Und im übrigen ist E B E R H A R D von einem so guten Kenner wie D R O N K E warmherzig in Schutz genommen gegen ganz ähnliche Angriffe, die seinerzeit schon W E N C K U. a. gegen ihn gerichtet hatten. Es muß doch stutzig machen, daß ein Mann wie D R O N K E da und dort vorkommende Einschiebungen usw. von E B E R H A R D ganz anders beurteilt und gerade die Zuverlässigkeit seiner Arbeit hervorhebt! Vgl. dazu T H . K N O C H E N H A U E R , a. a. O., S. 1 6 4 f . Er zitiert ebenda S. 1 6 5 , Anm. 1 die folgenden Worte E B E R H A R D S : ,,sicut ab antiquis scedulis accepimus, summatim his litteris expressimus; ne aliquis error per oblivionem negligentie vel posteris nascatur, ideo noticie tradimus." Vgl. D R O N K E S Vorrede zu seiner Ausgabe der „Traditiones". Schließlich darf ich auf folgende Äußerung eines so sachkundigen Mannes wie O . D O B E N E C K E R hinweisen: „Eine nähere Nachprüfung der Summarien in c. 3 9 nach dem gerade über Schenkungen aus dem Grabfelde in größerer Anzahl erhaltenen Urkunden zeigt, daß die Summarien keineswegs so unzuverlässig sinu, wie man annimmt" (Regesten, I, Nr. 25, Anmerkung). Dieses Urteil ist um so wertvoller, als es sich im besonderen auf das Kapitel 39 bezieht, mit dem wir es hier und in den folgenden Fällen zu tun haben! Alles in allem glaube ich die Angaben von E B E R H A R D nicht einfach als unglaublich beiseite lassen zu dürfen. 2) Jedenfalls spricht D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 174, von zwei. 3) D R O N K E , Codex, Nr. 522.
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sehen. Doch ist es auch in diesem Falle möglich, zu einem unbezweifelbaren Resultat zu kommen, nämlich gleichfalls durch eine Vergleichung mit den „Traditiones". Hier findet sich bei der Aufzeichnung dieser Schenkung der Zusatz: „et I I m a n c i p i a " 1 ) . Auch diese Tradition trägt also grundherrlichen Charakter, was man nach der Urkundenfassung nicht annehmen, höchstens vage vermuten konnte. 3. In dem dritten der hier zu erwähnenden Fälle — der Schenkung des ARN v. J . 8422) — werden dem Kloster Fulda „infra terminos uillae quae dicitur Ibistati" (Eibstadt b. Königshofen, Franken) 9 Hufen „de terra arabili" geschenkt, und ein Ambitus (bifang) in der Mark Jüchsen. Die Größe der Schenkung und die weite Streuung der Lage spricht unbedingt für einen größeren Grundherren, so daß die Hufen grundherrlichen Charakter tragen dürften, auch wenn keine Mancipien dabei übergeben werden (auch in den „Traditiones" steht nichts davon3)). 4. Auch den vierten Fall führen wir hier nur auf, um die Schwierigkeiten erkenntlich zu machen, die mit der Beurteilung der urkundlichen Nachrichten gerade hinsichtlich dieses Problemkreises verbunden sind. In der Urkunde, wie sie sich in dem „Codex" findet4), steht, daß ZAZO in Wohlmuthhausen „aream unam et duas hobas" (unter Vorbehalt lebenslänglichen Nießbrauches) schenke. ZAZO tritt uns noch einmal als Zeuge in einer etwas neueren Urkunde entgegen6), aber sonst würde alles dafür sprechen, daß es sich hier um eine nicht-grundherrliche Hufe handelt. Nun aber ist diese Schenkung auch in den „Traditiones" enthalten'), und hier stehen auch die Hofstätte und die beiden Hufen aufgeführt, aber mit dem Zusatz „cum m a n c i p i i s " , — also genau so wie in der ersten und zweiten der hier aufgeführten Schenkungen. Auch hier würde man in die Irre gehen, wenn man sich an die Urkunde allein halten wollte. 5. Schließlich käme als letzter der zu untersuchenden Fälle die Schenkung des A L B R I H und des S I G W A R T in Frage7). Hier sind weder in der Urkunde noch in dem Traditionsverzeichnis Mancipia erwähnt. Aber die Tatsache, daß die geschenkten Güter über drei Orte in den zwei Gauen Grabfeld und Tullifeld verbreitet sind, zwingt zur Annahme eines größeren grundherrlichen Streubesitzes. Und überdies ist eine H u f e nur in einer C a p t u r erwähnt (sonst handelt es sich um Nicht-Hufen-Besitz), und diese Hufe wird charakterisiert durch den Zusatz „de inculta terra". Es handelt sich also um eine noch unkultivierte, also wohl noch gar nicht gerodete Hufe in einer Captur. Auch diese Urkunde kann also im Gegensatz zum ersten Anschein nicht als Beweis für die Annahme eines freibäuerlichen Ursprunges der Hufe im Sinne von W A I T Z dienen.
Das Ergebnis unserer Untersuchungen ist nun dieses: Der größte Teil der Urkunden bedarf überhaupt gar keiner näheren Betrachtung, weil es sich nach dem Wortlaut der Diplome ganz offensichtlich um Schenkungen von grundherrlichen Hufen handelt, die von Unfreien (Mancipia) bebaut werden. Deren Anzahl ist so groß, daß an eine allein freibäuerliche Entstehung der Hufe von vornherein nicht gedacht werden kann; zur Debatte steht lediglich 1)
Kap.
3)
DRONKE,
Nr. 1 8 0 ; Sperrung von mir. — 2 ) D R O N K E , Codex, Nr. 5 4 2 Trad., Kap. 39, Nr. 169. — 4) D R O N K E , Codex, Nr. 571. 5 ) Ebenda, Nr. 5 9 8 . — 6 ) D R O N K E , Trad., Kap. 3 9 , Nr. 1 9 4 . 7) D R O N K E , Codex, Nr. 605; Trad., Kap. 39, Nr. 195/196. Lütge, Agrarverfassung. 17 39,
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die Frage, ob man von einem zweifachen Ursprung — grundherrlichen und freibäuerlichen — ausgehen kann, wie DOPSCH das will. Das Ergebnis unserer sorgfältigen Untersuchung der überhaupt zweifelhaften Urkunden läßt sich in den Satz zusammenfassen: Es gibt in dem gesamten Material unseres Gebietes n i c h t e i n e e i n z i g e U r k u n d e , die f ü r die These von der freibäuerlichen Hufe spräche! Es ist auch keine Urkunde aüfzufinden, die unklar wäre und eine Deutung sowohl nach dieser als nach jener Richtung hin zuließe. Nein: a l l e N a c h r i c h t e n s p r e c h e n d a f ü r , daß d i e H u f e n l e d i g l i c h g r u n d h e r r l i c h e n C h a r a k t e r t r a g e n . Mit Ausnahme von zwei Fällen sind b e i allen S c h e n k u n g e n v o n M a n s e n und H u f e n zugleich Unfreie (Mancipia) mit übergeben, wobei in drei von diesen Fällen sogar die im Fuldaer „Codex" wiedergegebenen Schenkungsurkunden sich darüber ausgeschwiegen hatten und durch die „Traditionen" ergänzt werden mußten. Bei den beiden einzigen Fällen, in denen Unfreie in Verbindung mit Hufen nicht nachweisbar sind, handelt es sich um größeren grundherrlichen Besitz. Es war also noch nicht einmal notwendig, einige Ausnahmen, ,,die die Regel bestätigen", auszusondern. Solche Ausnahmefälle würden das gewonnene Ergebnis auch nicht so ohne weiteres erschüttern können, nicht nur wegen der Lückenhaftigkeit und Unklarheit des urkundlichen Materiales, sondern auch im Hinblick auf die Erscheinung, daß oftmals nachweislich größere Schenkungen von bedeutenden Grundherren vorkommen, in denen Mancipien nicht erwähnt werden, wo man, wenn man nicht an ein Unterlassen der Aufführung glauben will, nur annehmen kann, daß der Grundherr sie zurückbehalten und das Land ohne Unfreie verschenkt hat. Das Recht dazu hatte er ja ohne weiteres, und wir werden unten S. 269f. in anderem Zusammenhange sehen, welche Bedeutung dies für unser Problem hat. Man darf wohl sagen, daß dies Ergebnis unserer Untersuchung die Ansicht von der freibäuerlichen Entstehung der Hufe in Deutschland erschüttern muß. Der Verf. darf gestehen, daß ihm dies Resultat selbst überraschend gekommen ist 1 ), aber eine Möglichkeit oder auch nur der Wunsch, es abzuleugnen oder wegzudiskutieren besteht ja nicht. Und dies um so weniger, als auch die anderen, aus entfernteren Teilen Deutschlands stammenden Belege A. DOPSCHS, die er für freibäuerliche Entstehung der Hufe anführt, zum größten Teil auch einer genaueren Untersuchung nicht Stich halten 2 )! 1) Vgl. auch G. CARO, Die Hufe, a. a. O., S. 265. 2) Vgl. dazu meinen Hufen-Aufsatz, a. a. O., S. 59ff.
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Wenn man eine grundherrliche Entstehung der Hufe annehmen muß, so ist das n i c h t i d e n t i s c h mit „Unfreiheit". Grundherrlicher Besitz und grundherrliche Bauern trugen mannigfachen Charakter, und darauf ist auch die Unterscheidung von Hufe und Mansus mit zurückzuführen, auf die wir noch kurz einzugehen haben. Nur wenn wir diese Entstehung der Hufe im Auge haben, erklärt sich uns auch die Tatsache, daß wir in dem unserem Gebiet benachbarten Kolonialland überall die Hufenordnung antreffen. Die übliche Erklärung führt das darauf zurück, daß die alten freien Hufenbauern in Altdeutschland in der Karolingerzeit „unfrei" geworden und ihre Hufen in die Grundherrschaft eingegliedert seien. Und so hätte man denn diese Regelung mit nach dem Osten übernommen. Diese Beweisführung ist aber wenig eindrucksvoll, sobald man zugeben muß, daß der freie Bauernstand in der Karolingerzeit nicht geschwunden ist, wie wir ja gesehen haben. Aber die Hufe trägt nicht diesen Charakter; sie ist ein Produkt der Grundherrschaft; sie ist ein Ordnungsprinzip des Herren, das dazu dient, den Besitz in feste Untereinheiten einzuteilen; von ihm geht der oben als erforderlich angesehene „konstitutive Akt" aus. Und da nun die Besiedlung des kolonialen Ostens durchweg nicht auf Grund genossenschaftlicher Landnahme freier Bauern erfolgte, sondern unter der Leitung von Dynasten und Grundherren, überall in grundherrlichen Formen, ist es nicht zu verwundern, daß man dieses Prinzip, das man diesseits von Saale und Elbe ausgebaut hatte und das bewährt war, mit über die Grenze nahm und es hier nun zur Anwendung brachte, vielleicht etwas übersichtlicher, rationaler zugeschnitten als im Westen, wo eine lange Entwicklung durchzumachen gewesen war, aber im Grunde doch in der gleichen Weise1).
V. Hufe und Manse2). In der Regel wird „mansus" als das lateinische Wort für Hufe betrachtet3) und zweifellos mit einem gewissen Recht, d. h.: in zahlreichen Fällen trifft diese Deutung zu, und das auch in einigen Urkunden aus unserem Gebiete. Aber ebenso war man sich schon seit langem darüber klar, daß diese Deutung nicht immer zutrifft, vor 1) Vgl. auch G. CARO, Die Hufe, a. a. O., S. 271. 2) Vgl. hierzu im besonderen meinen Aufsatz „Hufe und Mansus" in der „Vierteljahrsschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte", Bd. 30, 1937, Heft 2, mit ausführlicheren Untersuchungen und Belegen zu diesem Thema. 3) Zum Beispiel H. B R U N N E R , Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl., S . 284f.; CL. F R H R . V. S C H W E R I N , Art. „Hufe" inHoops Reallexikon, Bd. II, S. 565. 17*
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allem nicht in älterer Zeit. LANDAU1) und WAITZ2) hatten bereits in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Beispiele dafür gebracht, daß „mansus" zuweilen mit „Hofstatt" zu übersetzen sei, eine Bezeichnung, für die sonst in unseren Quellen in der Regel „area" gebraucht wird3). Als Hofstatt samt Hoffeld deutet dasWortBECKER-DILLINGEN, allerdings bezogen auf die Quellen des Klosters Lorch4). ALFONS DOPSCH hat darauf hingewiesen, daß unter „mansus" zuweilen ein Teil einer Hufe verstanden wird6), ja es begegnet sogar als Grenzfall die Gleichstellung von Manse und Joch6). Wir dürfen, ja wir müssen also davon ausgehen, daß Hufe und Manse durchaus nicht ohne weiteres als identisch anzunehmen sind. Wenn uns in unseren Quellen also Mansen entgegentreten, haben wir diese nicht als Hufen anzusehen, sondern haben in der Verwendung dieses Wortes ein Sonderproblem zu erblicken, das nicht beiseite geschoben werden darf, sondern Klärung verlangt. R. KÖTZSCHKE hat einmal ganz treffend gesagt: „Die Wörter Hufe und Mansus decken sich später in Tausenden von Fällen; doch trifft dies keineswegs immer zu, gerade bei den ältesten Zeugnissen nicht: Die Forschung wird also scheiden müssen, was bisher ganz ungenügend geschehen ist" 7 ). Hierum wollen wir uns unter Zugrundelegung unseres Materials bemühen. Bei näherem Zusehen stoßen wir nämlich auf Quellenzeugnisse, bei denen nicht nur Hufe und Mansus als nicht identisch betrachtet werden müssen, sondern auch eine Gleichsetzung von Mansus mit Hofstatt oder mit einem Teil einer Hufe in die Irre gehen würde. So, wenn es z. B. von Abgabepflichtigen heißt: ,,Isti non habent mansos nec hubas", sondern haben Zins von ihrem Leib zu zahlen8), dann ist damit doch wohl deutlich ausgedrückt, daß man zwischen beiden unterschied. Die wichtigste Urkunde ist aber das als Brevarium ST. LULLI bekannte Hersfelder Güterverzeichnis9). Dies müssen wir uns daher näher ansehen. 1)
GEORG L A N D A U , D i e T e r r i t o r i e n ,
S. 4 f f .
2) GEORG WAITZ, Über die altdeutsche Hufe, a. a. O., S. 188. 3) Vgl. S. 113 meines obengenannten Aufsatzes mit zahlreichen Belegstellen. 4)
J . B E C K E R - D I L L I N G E N , a . a . O . , S. 495.
5) A . DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung, Bd. I, S. 348; Die Landesherrlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs aus dem 13. u. 14. Jahrhundert, herausg. von A . DOPSCH, B d . I , 1, W i e n - L e i p z i g 6)
G. LANDAU,
a. a. O.,
1904, S.
S. 10, A n m .
CXX. 5.
7) RUD. KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 260, Anm. 4. 8) DRONKE, Trad., Kap. 48, S. 134 oben. 9) Neuester Abdruck im Urkundenbuch Hersfeld, herausg. von WEIRICH, I, Nr. 38; sonst bei G. LANDAU, in „Zeitschr. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landesk.",
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Dieses Brevarium des LULLUS—als Erzbischof von Mainz (Nachfolger des BONIFATIUS) und Abt des Klosters Hersfeld einer der bedeutendsten Kirchenfürsten seiner Zeit — besteht aus drei Teilen. In dem ersten werden die Geschenke des Kaisers K A R L aufgeführt (zusammen 420 Hufen und 290 Mansen), im zweiten Teil die Güter, die noch unter LULLUS dazugekommen sind (gest. 7 8 6 ) (zusammen 421 Hufen und 343 Mansen), und der dritte Teil bringt dann das, was von diesem Zeitpunkt ab bis zur Niederschrift, die Anfang des 9. Jahrhunderts anzusetzen ist, hinzugeschenkt wurde (zusammen 205 Hufen und 113 Mansen). Etwa vier Fünftel dieser Besitzungen entfallen dabei auf Thüringen, und zwar vorwiegend auf den Teil nördlich des Waldes. In diesem Brevarium steht nun jeweils hinter den namentlich angegebenen Ortschaften der hier vorhandene Besitz verzeichnet, wobei zuweilen auch mehrere Dörfer gruppenweise zusammengefaßt sind. Bei allen Orten finden wir eine gewisse Anzahl von Hufen aufgeführt, und bei der Mehrzahl daneben auch eine gewisse, im Durchschnitt kleinere Anzahl von Mansen (was nicht ausschließt, daß sie an einzelnen Orten jene zahlenmäßig übertreffen). Das bedeutet also, daß bei einer gewissen Anzahl von Orten wohl Hufen, nicht aber Mansen Eigentum des Klosters sind. Es ist nicht verwunderlich, daß diese zweifellos mit voller Überlegung durchgeführte Unterscheidung von Hufen und Mansen an einer so wichtigen Stelle schon wiederholt die Aufmerksamkeit des Historikers erregt hat. Aber die bisherigen Erklärungsversuche können nicht befriedigen. DOBENECKER wollte ,,mansus" mit „curtis" gleichsetzen, wobei er wohl an die Bedeutung Hofstatt dachte1), und K U R T Z I E R F U S S ist ihm darin gefolgt2). P H . H A F N E R 3 ) meint, unter „mansus" sei die mit Haus und Hof besetzte Hufe zu verstehen, während „Hufe" nur ein Flächenmaß sei. Daß Hufe in diesem Sinne gebraucht wird, haben wir schon oben S. 249 gesehen, aber das kommt hier nicht in Frage; bei HAFNER läuft es darauf Bd. X , 1865, S . 184ff. mit Namenserklärungen. Fehlerhaft bei H. B. W E N C K , Hessische Landesgeschichte, Frankfurt-Leipzig 1789, Bd. II, Urkundenbuch, Nr. 12. Ausführliche Regestenwiedergabe bei D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 70. Hinsichtlich der Erklärung der Ortsnamen vgl. neben L A N D A U und D O B E N E C K E R noch H. S T E CHELE, in „Zeitschr. d. Ver. f. thür. Gesch. u. Altertumsk.", Bd. I X , S. 125ff. 1) Hat doch auch C L . F R H R . V. S C H W E R I N in seinem Art. „Hufe", a. a. O . , S . 565,,,mansus" gleich „curtis" gesetzt und mit Hof verdeutscht. Ähnlich K. R Ü B E L , a. a. O., S. 361ff.; Ders., Fränkische Siedelungen, „Zeitschr. d. Ver. f. thür. Gesch. u. Altertumsk.", Bd. 29, 1913, S. 249ff. 2)
K . ZIERFUSS, a . a . O., S.
3)
PHILIPP HAFNER,
hunderts, S. 10 f.
8.
Die Reichsabtei Hersfeld bis zur Mitte des
13.
Jahr-
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hinaus, daß „Hufe" ein Teil von „mansus" wäre, nämlich das Ackerland. Diese Deutungen können nicht stimmen ; sie übersehen vollkommen, daß an zahlreichen Orten mehrere Hufen genannt sind, aber keinerlei Mausen, namentlich nirgends dort, wo Kolonen2) und Slaven angesetzt sind. Nach diesen beiden Deutungsversuchen würde sich also die Folgerung ergeben, daß an allen diesen Orten zwar Ackerland vorhanden wäre, nicht aber eine Hofstatt; dann hätten also an diesen Orten, und namentlich dort, wo Kolonen und Slaven angesetzt waren, die Bauern ihr Land bebauen sollen, ohne über eine Hofstatt als Grundstock des landwirtschaftlichen Betriebes zu verfügen! Die Hufen hätten also vollkommen in der Luft gehangen! Eine unmögliche Vorstellung. Nur wenn man annehmen will, daß an diesen Orten ein gutswirtschaftlicher Eigenbetrieb des Klosters gelegen hätte, wäre das Fehlen von Hofstätten zu erklären, wenn man nämlich davon ausgeht, daß die bezeugten Hintersassen als Gesinde auf dem Herrenhofe leben und die Zahl der bezeugten Hufen die Größe des Gutslandes wiedergibt. Aber ein solcher Gedanke ist von vornherein abzulehnen. Die Quelle sagt nichts von einem Herrenhof (Curtis, domus usw.), und auch die Verwendung des Wortes „Hufe" spricht dagegen; und drittens würden wohl Slaven als unfreies Hofgesinde zu denken sein, wenn sie uns auch meist als lediglich abgabepflichtige Bauern entgegentreten, nie und nimmer aber Kolonen! Auch nach dieser Richtung hin bietet sich uns also keine Erklärung. Doch weiter: Wenn man die Hofstätte, wie es ja die herrschende Hufenlehre tut, als regelmäßigen Zubehör (Bestandteil) einer Hufe ansieht. — was ja durchaus in den meisten Fällen zutrifft —, dann wäre es hinwiederum nicht zu verstehen, wenn der Verfasser des Brevariums in so und so vielen Fällen die Hofstatt besonders aufführt und in so und so vielen Fällen überhaupt keine Hofstatt verzeichnet. Man könnte nichts sagen, wenn die Zahl der Hufen größer ist als die der Hofstätten des gleichen Ortes, denn dann könnte man annehmen, daß manche Bauern eben mehrere Hufen besitzen, was ja durchaus vorkommt. Aber undenkbar sind so und so viel Hufen an einem Ort ohne jede Hofstatt. Ein einheitliches Prinzip und ein bewußtes Unterscheiden beider Ausdrücke kann man dem Verfasser des Brevariums schon zubilligen. 1) Daß RUBELS Ansicht, in diesem Brevarium ließe sich der Fortschritt der fränkischen Markensetzung und Hufenbildung erkennen, nicht stimmt, hat schon G. CARO in „Westdeutsche Zeitschr.", Bd. 24, 1905, S. 69, gezeigt. 2) Das Grundsätzliche über Kolonen vgl. oben S. 195 ff.
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Kurzum: wir stehen vor der Tatsache, daß in diesem Brevarium und auch noch in anderen Quellen Hufen und Mansen unterschieden werden, also nicht, wie sonst ja öfter, identisch sind, daß aber die bisher gegebenen Erklärungsversuche als unbefriedigend, ja falsch abgelehnt werden müssen. Auf die richtige Spur bringt uns die Beobachtung, daß fast überall, wo Mansen erwähnt werden, diese im Besitz des Königs, eines Klosters (namentlich Fulda und Hersfeld), eines Grafen oder sonstigen größeren Grundherren sind1). Das soll natürlich nicht heißen, daß nur große Grundherren Mansen haben oder daß der Grundbesitz der großen aus Mansen besteht, der der kleinen nicht (sondern aus Hufen); eine solche Behauptung würde sofort hundertfach zu widerlegen sein. Aber wir denken daran, daß bei diesen großen Grundherren die hier besonders wichtige Unterscheidung zwischen grundherrlichem und gutsherrlichem Land besteht 2 ). Hufen sind unbestreitbar eine grundherrschaftliche Institution; und ebenso sind Kolonen und Slaven durchaus zu den wirtschaftlich und sozial bessergestellten Gruppen der grundherrlichen Bauern zu rechnen. Beides veranlaßt, ja zwingt uns, die Manse in dem anderen Bereich zu suchen. Der „mansionarius" muß in einer strengeren Abhängigkeit stehen als der grundherrliche Hufenbauer, was ja auch mit der Ableitung von manere (bleiben) unschwer in Verbindung zu bringen wäre. Eine solche Unterscheidung braucht nun keineswegs ad hoc konstruiert werden, sondern sie gehört zum wohl allgemein anerkannten Bestände sozialhistorischen Wissens3). G E R H A R D S E E L I G E R und R U D O L F KÖTZSCHKE haben sich um die Aufhellung dieses Problems besondere Verdienste erworben. Ersterer fordert eine deutliche Unterscheidung zwischen dem Land, „das zum eigentlichen und engeren Gutsverband gehörte und der herrschaftlichen Gutswirtschaft diente", und jenem, „das außerhalb dieses engeren Herrschaftskreises stand". Bei dem ersteren haben wir nun — und das ist wichtig — in der „terra indominicata" das selbstbewirt1) DRONKE, Codex, Nr. 379, 451, 524, 554, 611, 629; WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 7, 13, 21 usw. Bei DRONKE, Trad., ist in dem großen Kap. 43 lediglich in Nr. 4 von Salland die Rede, und daneben sind — sicher nicht zufällig — Mansen bezeugt. Das Salland liegt natürlich in agri, nicht in Hufen oder Mansen. 2) Dieses Wortpaar ist hier nicht in jenem spezifischen, die Gegensätze zwischen Guts- und Grundherrschaft bezeichnenden Sinne gebraucht, sondern nur in der Unterscheidung von ausgeliehenem und selbstbebautem Land. 3) Vgl. hierzu im besonderen meinen Aufsatz „Hufe und Mansus", a. a. O., S. 123f., wo ich darauf schon in ähnlicher Weise hingewiesen habe.
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schaftete Herrengut, das Salland, und in dem „herrschaftlichen Bauernland, die mansi". Demgegenüber steht dann das Zins- und Beneficialland, also derjenige Teil des grundherrlichen Besitzes, der auch dann nicht zum Gutsverband in dem oben gekennzeichneten Sinne gehört, wenn die auf ihm angesetzten Bauern wirtschaftliche Dienste als Gegenleistung zu entrichten haben1). Wir sahen schon S. 196f. u. 227, daß diese Unterscheidung für das Verständnis der grundherrlichen Verhältnisse schlechthin unentbehrlich ist. Hier sehen wir, wie bedeutsam diese Unterscheidung auch gerade für die Erkenntnis des Hufenproblems ist. Die Mansen gehören in die erste Gruppe, die Hu f en dagegen in die zweite. In den Ortschaften, in denen Kolonen und Slaven angesetzt sind, gibt es nur Hufen, im übrigen überwiegen sie im Durchschnitt. Dank des in dieser Urkunde einmal klar durchgeführten Sprachgebrauches — der sonst ja immer und immer wieder durcheinandergeht — gewinnen wir einen deutlichen Einblick in die quantitative und örtliche Verteilung dieser beiden Arten grundherrlichen Landes. Noch stärker differenziert RUDOLF KÖTZSCHKE, und die Anwendung seiner Unterscheidung erhellt unser Problem vielleicht noch deutlicher. Er hält auseinander: 1. „das beim Hauptsitz des Grundherrn und bei den Fronhöfen in Eigenwirtschaft gehaltene Herrenland oder Salland"; 2. „das an die Bauern des Fronhofsverbandes ausgetane Land (die Hofgüter)"; 3. „die der Fronhofsverwaltung nur in loser Angliederung an den Fronhofsverband unterstellten (einläufigen) Grundstücke"; 4. „das außerhalb der Fronhofsverfassung zur Leihe ausgetane Land"2). Von dieser Unterscheidung ausgehend hat man die Mansen unter Nr. 2 und die Hufen unter Nr. 4 (vielleicht auch unter Nr. 3) zu suchen. Schwierig ist die Frage zu entscheiden, wieweit das Kloster Hersfeld die Verhältnisse, wie sie uns aus dem Brevarium entgegentreten, erst geschaffen hat oder inwieweit sie bereits durch die Schenkungen festgelegt waren. Beides mag zusammenkommen, vielleicht hat aber die Gestaltung durch das Kloster, das ja über viele Unfreie und große Flächen geschenkten Landes (einschließlich Capturen) verfügte, mehr im Vordergrund gestanden3). 1) GERHARD SEELIGER, Die soziale und politische Bedeutung der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, a. a. O., S. 41. Vgl. dazu auch A. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Bd. I, S. 256f. 2) R. KÖTZSCHKE, Grundriß der deutschen Wirtschaftsgeschichte bis zum 17. Jahrhundert, 2. Aufl., Leipzig 1923, S. 85. 3) Vgl. dazu im einzelnen meinen Aufsatz „Hufe und Mansus", a. a. O. S. 124—126.
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Wie schon betont, fehlt es sonst weitgehend an einer klaren Unterscheidung von „Hufe" und „Manse", wenn wir auch darauf verweisen konnten, daß letztere auffallend bei grundherrlichen Großbesitzungen vorkommen, bei denen man mit einem ausgedehnterem Eigenbetrieb rechnen darf1). Auch in dem großen von DRONKE abgedruckten Verzeichnis der Fuldaer Güter2) wird nur an drei Orten „terra salica" bezeugt, und bei diesen werden Mansen genannt, was sicher nicht zufällig ist3). Auch scheint es so, daß man, wenn man das Wort „Hufe" dort verwendete, wo eigentlich „Mansus" angebracht gewesen wäre, oft durch einen erklärenden Zusatz die eigentliche Rechtslage verdeutlichen wollte, indem man etwa „servilem hubam" sagte4). Aber Klarheit besteht nicht. Möglicherweise hat die Ausbreitung der Hufenordnung von der späteren Karolingerzeit an mit dazu beigetragen, das Gedächtnis an die einstige Unterscheidung beider Bezeichnungen zu verwischen. So verstehen wir auch, daß, worauf oben bereits hingewiesen wurde, mit dem Worte Mansus sich leicht ein Sinn verbinden konnte, der ein Landgut bezeichnete, das kleiner als eine Hufe war; denn dem Unfreien, der auf dem Hoffeld angesetzt wurde, hat man sicher oftmals ein kleineres Stück zugemessen als dem vielleicht persönlich freien Hufenbauern oder Kolonen, und vielleicht war in den Gegenden, in denen sich eine solche Bedeutung von „mansus" nachweisen läßt, ein solcher Gebrauch besonders hervorgetreten5).
VI. Die Größe der Hufen; Größe des Hufenbesitzes (Normalmaß); Bedeutung der Hufenordnung. а) An Angaben über die Größe einer Hufe — ausgedrückt in anderen Maßen — fehlt es in unserem Material völlig, mit der einen Ausnahme der Schenkung des ARNDEO an Fulda vom Jahre 788; da heißt es: „una arialis et una hoba quod est X X X iugera terrae araturiae" 6). Es tritt uns hier diejenige Morgenzahl entgegen, die als die häufigste angesehen wird, wenngleich sich sämtliche Forscher 1) So finden wir Mansen typischerweise in den Urkunden DRONKE, Codex, Nr. 379, 451, 524, 554, 611, 629; WEIRICH, Urkundenbuch Hersfeld, I, Nr. 13. 2) DRONKE, Trad., Kap. 43. — 3) Ebenda, Nr. 4. 4) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 476; D e r s . , Trad., Kap. 39, Nr. 130 u. Nr. 152. 5) Vgl. auch ROBERT LATOUCHE, Agrarzustände im westlichen Frankreich während des Hochmittelalters, „Vierteljahrschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch.", Bd. 29, 1936, S. 110, der darauf hinweist, daß gerade der Kleinpächterhof (bordagium) mit mansio (mansus) bezeichnet wurde. Б) DRONKE, Codex, Nr. 66.
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darin einig sind, daß diese Größe nur in beschränktem Ausmaße als Regel angenommen werden kann, da uns noch eine ganze Anzahl anderer Größen bezeugt sind und zudem die dadurch gegebene Mannigfaltigkeit noch durch z. T. beträchtliche Unterschiede in den Größen der Morgen, Acker, Fuß usw. verstärkt wird 1 ) 2 ). Königshufen (hobae regales), die z. T. 120 und 160 Morgen groß angenommen werden3), kommen, soweit ich sehe, in unserem Material gleichfalls nur einmal vor, nämlich in der Schenkung des Königs K O N R A D an Fulda vom 12. April 912 4 ). Die Tatsache, daß diese Hufenart sonst keinerlei Rolle spielt weder in dem erwähnten königlichen Besitz bzw. Schenkungen noch bei den Rodungsvorgängen, zwingt zu der Annahme, daß die Königshufe in keiner Weise das übliche Maß für aus der Hand des Königs stammendes Siedlungsund Rodungsland bildete. b) Auf einer ganz anderen Ebene liegt die Frage, ob der normale Besitz des Bauern in dieser Zeit aus einer Hufe 5 ) besteht. Nach der älteren Lehre von der Agrarverfassung der alten Germanen war dies der Fall; man sah ja in der Hufe das einem jeden zugemessene Normalmaß; ein jeder erhielt, hatte W A I T Z gesagt, „genug, um die Arbeit eines Landbauers mit einem oder zwei Knechten in Anspruch zu nehmen und um ihn und die Seinen ausreichend, wie es die Gewohnheit erforderte, zu ernähren" 8 ). Von anderen Forschern, wie z. B. DOPSCH, ist demgegenüber darauf hingewiesen worden, daß nach den Quellenzeugnissen die eine volle Hufe keineswegs als der übliche Besitz eines Bauern angenommen werden könne, daß vielmehr manche Bauern mehrere Hufen, manche auch wieder nur einen Teil einer Hufe besitzen7). 1 ) Vgl. dazu u. a. R U D . KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 2 6 1 ; J O H . R E I C H E L , a. a. O., S. 42ff., bes. S. 46ff., S. 59; A. D O P S C H , Karolinerzeit, B d . I, S. 341 f. Einige Größenangaben aus unserem Gebiete, allerdings aus späterer Zeit, s. in meiner „Mitteldeutschen Grundherrschaft", S. 4 2 f . 2) Später setzte sich die Hufengröße mit 30 Morgen weitgehend als Regel durch, vgl. z. B . schon die Urkunde des Grafen von Honstein vom Jahre 1217, in der es im Hinblick auf die Manse (hier gleich Hufe) heißt: „triginta iugerum quae secundum communem legem mansum constituunt" (DOBENECKER, Regesten, I I , Nr. 1766). 3) R U D . K Ö T Z S C H K E , a. a. O., S. 261; Normalgröße: 60 Morgen (G. W A I T Z , Über die altdeutsche Hufe, a. a. O., S. 208. — 4) DRONKE, Codex, Nr. 657.
5) Wenn hier nachfolgend von Hufe gesprochen wird, ist stets die Möglichkeit eingeschlossen, daß es sich auch um eine Manse im Sinne des vorstehenden Abschnittes handeln kann. 6) G. WAITZ, Uber die altdeutsche Hufe, a. a. O., S. 187f. Ähnlich auch A. M E I T Z E N , Art. „ H u f e " , im Handwörterbuch d. Staatswissenschaften, 2. Aufl., B d . I V , J e n a 1900, S. 1232.
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7) A. DOPSCH, Karolingerzeit. I, S. 332f.
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Wenn wir eine Beantwortung dieser Frage aus unserem Material heraus versuchen, müssen wir uns vergegenwärtigen, daß wir lediglich grundherrliche Hufen bezeugt finden. Der Obereigentümer, d. h. also der Grundherr, kann demnach also ohne weiteres eine große Anzahl von Hufen in seiner Hand vereinigen, und vereinigt sie auch, ohne daß dies für unser Thema etwas zu sagen hat. Die Frage geht ja dahin, welcher Besitz in der Hand des Bauern ist, was weitgehend darauf hinauskommt, ob der Grundherr dem abhängigen Bauern in der Regel eine Hufe zugewiesen hat oder ob hier unterschiedlich vorgegangen ist. Diese Frage scheint leicht zu beantworten, wenn man, so wie DOPSCH das tut, die Schenkund Tauschur künden daraufhin durchsieht, in welchem Zahlenverhältnis die in ihnen vorkommenden Hufen (Mansen) und Mancipia stehen. Wenn man einmal sich auf diesen Standpunkt stellt und die ca. 16 Urkunden, die aus unserem ganzen Material überhaupt zahlenmäßig angegebene Hufen und Unfreie1) nebeneinander nennen — also sehr wenig Urkunden —, herausstellt, dann bekommt man ein sehr buntes Bild. Gehen wir einmal so vor: 1. In der schon wiederholt erwähnten Schenkung des Herzogs HEDEN von 704 entsprechen sich die 7 Hufen und die 7 unfreien Bauern völlig*). 2. Die Schenkung des ARNDEO V. J . 779 zeigt ein anderes Bild: neben einer Hofstatt und einer Hufe stehen 9 Mancipia (männliche und weibliche) 3 ). 3. Zu der Schenkung des GRIUZING V. J . 796 gehören 4 Hufen und 9 Mancipia, teils männlichen, teils weiblichen Geschlechts, von denen einer seinerseits übrigens einen servus besitzt 4 ). 4 . M i t d e r S c h e n k u n g des SIGIHART und seines Sohnes GOTETHANC V. J . 8 1 3
werden „duo huoba servi" sowie ein Mancipien-Ehepaar und 4 andere, teils männliche, teils weibliche Mancipia tradiert 5 ). 5. GERTHRUD schenkt i. J . 819 u. a. an Fulda in Teutleben „duas mansas vestitas", woraus wohl entnommen werden kann, daß auf jeder Manse eine (unfreie) Bauernfamilie sitzt"). 6. In der Tradition der REGINGUND v. J . 822 werden neben 1 Hufe 5 Mancipia genannt, darunter eine Frau 7 ). 7. Unter dem Geschenk der INGUHILD V. J . 824 finden sich neben 2 Hufen 4 Mancipia, 2 männliche und 2 weibliche, was auf eine völlige Entsprechung schließen lassen könnte, da man wohl Ehepaare annehmen darf 8 ). 1) d. h. unter Ausscheidung der Urkunden, die rein formelhaft von Hufen (Mansen) und Mancipien sprechen, ohne konkrete Zahlenangaben, wie etwa DOBENECKER, R e g e s t e n , I, N r . 1 7 8 , 1 9 4 , 2 4 7 , 271 usw.
2) BURKHARDT, Urkundenbuch der S t a d t Arnstadt, Nr. 1. 3) DRONKE, Codex, Nr. 66. — 4) Ebenda, Nr. 120. — 5) Ebenda, Nr. 292. 6) Ebenda, Nr. 379. In einem anderen Orte schenkt sie noch „quicquid proprietatis visa sum habere" und 40 Mancipia; der Landbesitz ist also hier, wie j a zumeist, nicht in Hufen oder Mansen gegliedert. 7) Ebenda, Nr. 402. — 8) Ebenda, Nr. 425.
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8. Ganz anders das Bild bei der großen Schenkung des Grafen H A H H O und des A D A L P R A H T V. J . 824, bei der diese im Auftrag der H I L T I B U R G an Fulda 53 Mansen „cum X V I mancipiis" beiderlei Geschlechtes übereignen 1 ). 9 . In der Schenkung des R E O N O L F vom gleichen Jahre heißt es „servum unum cum sua hoba" 4 ). 10. Die Nonne S I G I L O U G schenkt i. J . 825 7 Hufen „cum" 22 Mancipia, darunter ein Ehepaar 3 ). 1 1 . H E L M W A R T schenkt i. J . 8 2 8 eine halbe Captur, „unam servilem huobam" und 2 „pueri" 4 ). 12. In der bekannten Schenkung der RETUN gehören zu den 30 Liten- und Sklavenfamilien je 1 Hufe, die jeder Familie jetzt zugemessen wird6). 13. V O D I L H I L T schenkt im J . 836 dem Kloster Fulda 3 Mancipia (darunter 1 Frau), 1 Kirche und 1 Hufe«), 14. Schwierig ist in dieser Hinsicht die Formulierung bei der ausgedehnten Schenkung der T H E O T R A T V . J . 8 3 8 . Sie schenkt in einer ganzen Reihe von Orten und Marken Güter, darunter mehrfach auch Hufen, im ganzen 10 an der Zahl, und dann schenkt sie in einem anderen Ort noch „totum quod ibi iuste et regaliter possidebat", „id est terris, domibus, . . . mancipiis", und dann folgen die Namen, nämlich 8 Familien (mit Frauen und Kindern) und noch weitere 14 Mancipia. Vermutlich ist die Stelle so zu verstehen, daß die Mancipien zu dem Gesamtbesitz gehören, nicht nur zu dem am letztgenannten Orte befindlichen; dann kamen auf eine Hufe wahrscheinlich mehr als 1 Bauernpaar'). schenkt in Beichlingen „ X X hubas cum mancipiis X X X V I I I " 8 ) . schenkt in Heringen eine Kirche und ferner „hubas tres cum prato et ambitu suo et insuper X X X mancipia"*). 15.
REGINO
16.
REGINHILT
Es ergibt sich nun die Frage: Kann man wirklich so vorgehen und aus den vorstehend beigebrachten Angaben schließen, daß der Bauer teils eine Hufe hat, teils mehrere, teils aber auch nur einen Teil einer solchen ? So könnte man nur verfahren, wenn sicher wäre, daß die geschenkten Unfreien zugleich diejenigen sind, die diese Hufen (Mansen) bebauen. Das wäre aber grundsätzlich falsch. Greifen wir z. B., um das näher zu beleuchten, die oben unter Nr. 6 wiedergegebene Schenkung der R E G I N G U N D heraus, die in dieser Hinsicht besonders klar ist. Sie tradiert: „quicquid proprietatis visus sum habere id est unam hobam cum omnibus ad eam pertinentibus et quinque mancipia". Gehören diese 5 Unfreie nun zu der Hufe? Doch ganz offenbar nicht, denn dann würde es doch wohl heißen „ . . . cum omnibus ad eam pertinentibus et (cum) quinque mancipiis", mit dem Ton auf „cum", während so die Hufe mit Codex, Nr. 4 5 1 . — 2 ) Ebenda, Nr. 4 5 2 . 3) Ebenda, Nr. 458. — 4) Ebenda, Nr. 476. 5 ) W E I R I C H , Urkundenbuch Hersfeld, Nr. 3 5 . Zu datieren zwischen 8 3 5 u. 6 8 3 . 6) D R O N K E , Codex, Nr. 493. — 7) D R O N K E , Codex, Nr. 520. 8 ) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 4 1 , Nr. 6 4 . 9) D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 38, Nr. 159. Eine genaue Datierung ist nicht möglich, wohl Ende des 9. Jahrhunderts. 1) DRONKE,
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ihren Pertinenzien für sich steht und ebenso die 5 Mancipia für sich zählen. Wir müssen also sagen: Bei allen solchen Formulierungen stehen Unfreie und Hufen beziehungslos nebeneinander, und es ist in keiner Weise gesagt, daß diese Unfreien nun auch auf dieser Hufe sitzen. Bestätigt wird diese Beobachtung, wenn wir sehen, daß oft auch eine größere Anzahl von Unfreien mit ganz wenig Land vergeben werden, wo ein Entsprechungsverhältnis auf keinen Fall angenommen werden kann. Wenn z. B. EGILOLF „ X iugera et X mancipia" schenkt1), dann wird man nicht behaupten können, daß jeder Unfreie ein Joch bewirtschaftet habe. Noch war der Prozeß der Schollenverfestigung der Unfreien nicht so weit vorgeschritten, daß diese nicht ohne Land hätten verschenkt werden können, auch mit Trennung von bereits von ihnen bebautem Land; die Umwandlung der Unfreien zu Bauern ist ja erst im Fluß, und Schenkungen von Land ohne Unfreie und von Unfreien ohne Land sind durchaus nicht selten2). Man schenkte doch das, was man wollte, und das heißt in der Praxis zumeist, was man am ehesten entbehren konnte; besaß man relativ viel Unfreie, so gab man von denen, hatte man Überfluß an Land, aber vielleicht Mangel an Unfreien, die es bestellen konnten, so schenkte man eben ersteres. Überall also, wo beide Vermögensbestandteile lediglich summenmäßig nebeneinander aufgezählt werden, und das ist die Mehrzahl der obigen Fälle, kann man überhaupt solche Beziehungen nicht konstruieren. Hier schenkt man Hufen und Unfreie, aber nicht Hufen mit den sie bebauenden Unfreien, und das ist ein Unterschied. Kann man ein Entsprechungsverhältnis nun aber überall dort annehmen, wo es etwa „cum" heißt und so die Zusammengehörigkeit ausgedrückt wird? Greifen wir den obigen Fall Nr. 8 heraus, wo 53 Mansen „cum" 16 Mancipien geschenkt werden. Wie will man ermessen, ob nicht der andere Teil der Unfreien, der dazugehören müßte, wenn Hufe (Manse) und Bauernpaar sich entsprechen sollen, von dem Schenker zurückbehalten ist, weil es ihm selbst an Mancipia fehlte ? Oder im Falle Nr. 11, wo 7 Hufen „cum" 22 Mancipia geschenkt werden ? Hier taucht die Frage auf, ob nicht etwa die Schenkerin noch weitere Unfreie hinzugefügt hat, also über die hinaus, die auf den Hufen sitzen. Und ferner müssen wir bekennen, daß die meisten Urkunden, wenn sie geschenkte Unfreie aufzählen, über ein etwa unter ihnen bestehendes Verwandtschaftsverhältnis nichts aussagen. Zuweilen werden zusammengehörige Ehepaare als solche genannt, 1) DRONKE, T r a d . , K a p . 38, Nr.
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2) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 257, 292, 409, 423, 479, 481 usw.
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aber durchaus nicht regelmäßig, öfter auch heißt es „et filii eorum" oder so ähnlich. Aber von welchem Alter an geht man etwa dazu über, statt dieser summarischen Bezeichnung die Namen der etwa halbwüchsigen Söhne und Töchter mit aufzuzählen ? Handelt es sich nicht da und dort auch um andere Familienangehörige (Schwestern, alte Eltern usw.), die mit verschenkt werden, um die Familien nicht auseinanderzureißen ? Über all das haben wir keine genügende Auskunft, aber die Einsicht in diese Unzulänglichkeiten der überlieferten Angaben zwingt uns doch, die Methode von DOPSCH fallenzulassen und uns zu hüten, aus solchen Angaben, wie wir sie beispielsweise oben aneinanderreihten, Schlüsse auf den Normalbesitz einer bäuerlichen Familie zu ziehen, also zu sagen, daß dieser bald in einer Hufe besteht, bald aus mehreren, bald aber auch nur aus einer halben. Wenn die Zahl der Hufen und der Unfreien-Paare nicht übereinstimmen, dann kann hier einer der obigen Momente vorliegen. Die Geschenke bestanden eben durchaus nicht aus fertig eingerichteten Hufen mit den dazugehörigen Hufenbauern, sondern der schenkte dies, jener das, und erst des Klosters Sache war es, jedenfalls in der Regel, diese Vielheit von Schenkungen zu „organisieren", d. h. also im wesentlichen, Land und (unfreie) Bebauer in das richtige Verhältnis zu bringen, was nicht unwesentlich für die Herausbildung der Hufenordnung war. Nur wenige der oben zusammengestellten Fälle sind wirklich klar, so wenn es heißt „servum unum cum sua hoba" (Fall 9), zumal hier neben diesem Hufenbauer noch ein anderer Unfreier (servus) genannt wird, der keine Hufe hat. Eindeutig ist die Lage auch bei Fall 1, also der Schenkung H E D E N S ; die 7 „Casata", die zu den 7 Hufen genannt werden, sind wohl die dazugehörigen Hufenbauern. Und noch andere der oben gebrachten Beispiele bezeugen ja eine Entsprechung von Unfreien und Hufen. Am deutlichsten ist aber die Schenkung der RETUN1). Hier werden aus dem großen grundherrlichen Besitz der Schenkerin dem Kloster Hersfeld 15 Litenfamilien 2 ) und 15 Servifamilien in Burgdorf tradiert, und dann heißt es wörtlich weiter: „et illis XXX huobunnas. Et si illae huobunnae plenae non sunt in Burgdorpf, restituentur in Ordon et in Enzingen" 3 ). Wir sehen hier ganz deutlich, wie die Hufenordnung Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld, I , Nr. 3 5 . 2) Auf dieses Vorkommen von Liten, das durchaus selten ist, war oben S. 84 bereits hingewiesen und seine Bedeutung herausgestellt. Die Namen der 30 Ehepaare werden hier aufgezählt; sie haben zusammen 52 Kinder. 3) Ordon ist unklar, vielleicht Horla bei Wippra; Enzingen ist Einzingen bei Allstedt ( D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 1 5 7 ) . 1) W E I R I C H ,
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zur Einführung kommt. Bisher lag der Besitz der R E T U N nicht in Hufen, das Land wurde von den Unfreien (und Liten) in einer nicht näher bezeichneten Art bebaut, vielleicht z. T. vom Herrenhofe aus als Salland, z. T . wohl auch so, wie TACITUS das beschrieben hat. Jetzt bei der Schenkung der 30 Familien an Hersfeld wird jeder einzelne mit einer Hufe ausgestattet, es ist nicht sicher, ob der Besitz, den die R E T U N bei Burgdorf hat, auch ausreicht, und so ist gleichsam sicherheitshalber in die Urkunde eine Bestimmung darüber aufgenommen, was dann geschehen soll, daß nämlich in diesem Falle weiterer Besitz der R E T U N in Ordon und Einzingen heranzuziehen ist, um die Hufen voll zu machen. Keine Urkunde unseres gesamten Materiales ist für die Frage der Entstehung der Hufe so aufschlußreich wie diese; wir erleben hier gleichsam ihre Konstituierung. In unserem Material ist dies der einzige Fall, aber aus den Kaiserdiplomen ist uns der gleiche Vorgang wiederholt bezeugt 1 ), woraus man schließen darf, daß es sich bei dem Vorgehen der R E T U N um keinen Ausnahmefall handelt. Sehr bezeichnend ist auch eine Formulierung, die wir in der Urkunde betreffend die Gründung des Bistums Bamberg finden (1007). Um den Würzburger Bischof zu entschädigen, wurde bestimmt, daß dieser den Zehnten von jenen Rodungen im Bamberger Gebiet, die bereits unter den Pflug genommen und in Hufen (Mansen) zugemessen seien, behalten dürfe (,,ea conditione, ut decimam in novalibus jam incisis et ad m a n s a s m e n s u r a t i s . . . Wirziburgensis aecclesia retinat" 2 ). Also nur soweit das neugerodete Land in Hufen (Mansen) zugemessen ist, bewahrt Würzburg die Zehntrechte! Dies zeigt uns — damit knüpfen wir an die oben S. 252 noch offengelassene Frage an —, daß auch der grundherrliche Besitz ursprünglich nicht in Hufen geordnet lag, was wir auch sonst ja immer und immer wieder antreffen, und zwar Königsgut, Grafenbesitz und sonstiges grundherrliches Land 3 ). Das 1) „Im Wortlaut der Schenkungsdiplome heißt es zu wiederholten Malen, die Absicht des Königs gehe dahin, dem Empfänger so und soviel Hufen an einem genannten Ort zu schenken, sofern dort soviel Land vorhanden sei, wenn es aber nicht ausreiche, solle der königliche Besitz an benachbarten Orten herangezogen werden, um dort die festgesetzte Hufenzahl aufzufüllen" ( D I E T R I C H V. G L A D I S S , Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen nach ihrem wirtschaftlichen Inhalt, ,,Vierteljahrsschr. f. Soz.- u. Wirtschaftsgesch.", Bd. 30, 1937, Heft 2, S. 153). Die Schenkungen, die v. G L A D I S S dann S. 157ff. mit einem ähnlichen Wortlaut anzieht, haben dann aber z. T. einen anderen Sinn, da hier die Hufe vielfach rein als Flächenmaß angeführt wird. 2) S. H I R S C H , Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II, Leipzig 1862, S. 76. (Sperrung von mir.) 3) Beispielsweise D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 7, 25, 38, 47, 57, 61, 63, 85, 109, 135, 165, 229 usw. Vgl. hierzu besonders meinen Hufen-Aufsatz, a. a. O., S. 74ff.
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Bestreben, den Besitz zu ordnen und klare Rechtsverhältnisse zwischen der Herrschaft und den abhängigen Bauern zu schaffen, führt zur Hufenordnung. Es scheint so, als wenn die Einrichtung von Hufen seitens der Grundherren für die Unfreien ein in seiner Bedeutung gar nicht zu unterschätzender und als solcher auch noch gar nicht erkannter Schritt in Richtung nach oben bedeutete. Das will besagen: die Zuerkennung einer Hufe als fester, geschlossener Besitz, in Verbindung natürlich mit der Festsetzung bestimmter Leistungen, bedeutete für den Unfreien einen vielleicht entscheidenden Schritt von der Rechtlosigkeit des Unfreien hin zu klar umrissenen Verpflichtungen. Aus dem rechtlich vollkommen Unfreien wird jetzt ein „Höriger", ganz gleich, ob er in dem Rechtsstande des Liten oder weiter in dem des Mancipium lebte; die tatsächliche und die rechtliche Lage ging nunmehr entscheidend auseinander. Er wurde jetzt abhängiger, d. h. grundherrlicher Hufenbauer. Daß bei dieser Entwicklung auch die Einbeziehung von Freien in die Grundherrschaft und dann überhaupt die ganze Umwandlung in der Vorstellung von „frei" und „unfrei" eine Rolle spielte1), braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Auch die Ansetzung auf einer Manse, worauf hier noch einmal zurückgekommen sei, brachte bereits einen solchen Schritt nach oben, wenn hier die Bindung auch enger blieb, da die Ansetzung im Hoffeld stattfand. Aber es war für den völlig Unfreien doch ein Wechsel zum Besseren, ein ganz entscheidender Schritt fort von der sehr viel härteren Realität des bisherigen Unfreien-Daseins, als der er bisher vielleicht eine Hofstätte besaß, sonst aber ganz nach Willkür des Herren genutzt wurde, während er nun als Mansenbauer in ein klar umrissenes Pflichten- und Rechteverhältnis eintrat (und damit, ohne daß er es damals ahnte, den Weg zur persönlichen Freiheit beschritt). Das alles deutet darauf hin, daß die Hufe doch so etwas wie ein Normalbesitz der Bauernfamilie war; in dieser Hinsicht ist der Ansicht der älteren Autoren von J . MOSER bis G . CARO zuzustimmen und die Ansicht von D O P S C H abzulehnen. Dafür sprechen nicht nur die allgemeinen Überlegungen, sondern spricht auch die Tatsache, daß in den einzigen drei Fällen, in denen wir aus den obigen Beispielen etwas wirklich Zuverlässiges über das Verhältnis von geschenkten 1) Es erhebt sich die Frage, ob das Verschwinden der klaren Unterscheidung zwischen Mansus und Hufe etwa damit zusammenhängt, daß die Unterscheidung zwischen dem herrschaftlichen Hofland und dem rein grundherrlichen Land im Laufe der Entwicklung unklarer wurde und schließlich verschwand, daß ersteres in letzterem mit aufging. Diese Frage kann nur — müßte aber auch einmal — in größerem Rahmen auf breitester Basis aufgegriffen und untersucht werden.
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Hufen und den geschenkten Unfreien erfahren können, sich Bauernzahl (Familie) und Hufen genau entsprechen. Wenn die Hufe nicht der normale Besitz des Bauern wäre, von hier aus seine Größenbestimmung erfahren hätte, dann wäre es auch nicht möglich gewesen, daß die Hufe zu einer Rechengröße wurde, sonst wäre es, was oben S. 245 bereits hervorgehoben wurde, ferner nicht möglich, daß, wenn zwei Hufen in der Hand eines Besitzers zusammenkommen, immer weiter von diesen beiden Hufen gesprochen wird, daß sie also nicht zu einer Einheit zusammenfließen. Der ganze Begriff der Hufe, ihr innerer Sinn ist nicht zu denken und zu verstehen, wenn man den Gedanken an eine Zumessung nach der Wirtschaftskraft einer bäuerlichen Familie fallen läßt. Das besagt nun nicht, daß in dieser Hinsicht nicht zahlreiche Ausnahmen vorkamen, daß man einem vielleicht verdienten Unfreien mehr zumaß, oder vielleicht auch einem Bauern, der über eine große Familie verfügte, seinen Anteil besonders groß zuschnitt, daß man aus entgegengesetztem Grund einem dritten und vierten nur etwas weniger zuerkannte ! Auch ist es möglich, daß ein Unfreier, dem der Herr besonders wohlwollte, außer der eigentlichen Hufe noch ein besonders großes Stück unkultiviertes Land erhielt, wodurch er rodend seinen Besitz vielleicht auf die Größe von zwei normalen Hufen bringen konnte. Aber gerade der Umstand, daß man dann von 2 Hufen oder y2 Hufe sprach, bestätigt — wie gesagt — wiederum die Behauptung, daß man doch eine Norm vor Augen hatte, und diese Norm kann nichts anderes gewesen sein, als die Wirtschaftskraft und der Bedarf einer bäuerlichen Familie, wobei man, das sei noch einmal gesagt, natürlich die verschiedensten Maßstäbe anlegen konnte und wohl auch angelegt hat, womit die feststellbaren großen objektiven Unterschiede — neben den Schwankungen in der Bodenqualität — ihre Erklärung finden. Für die alten „liberi" ist aber so etwas wie ein Normalbesitz nicht festzustellen. Die ältesten Quellenzeugnisse, die wir haben, sprechen für eine gänzlich unregelmäßige Besitzverschiedenheit, fern jeder Normung. Das ist nicht nur aus der ganzen Art der Ansiedlung heraus voll verständlich, ja logisch einfach erforderlich1), sondern hängt auch damit zusammen, daß der alte „Freie" ja gar nicht Bauer in dem schon für die spätere Karolingerzeit geltenden Sinne des Wortes war, sondern er war ja alles in einem: Krieger, Viehzüchter, Handwerker, Jäger, Landbebauer usw., und keineswegs, was auch aus den Schilderungen des TACITUS klar genug 1) Vgl. dazu die Ausführungen des letzten Hauptteiles, unten S. 333 ff. Lütge, Agrarverfassung. 18
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hervorgeht, schollenverbundener Landwirt. Das Ausmaß, in dem die Bodenbestellung zur Deckung des Lebensunterhaltes von dem Einzelnen herangezogen wurde, war wohl sehr unterschiedlich, der Feldbau war noch keineswegs d i e Lebensgrundlage schlechthin, und für diese Zustände bedeutet dann der Gedanke einer Zumessung einer Normalhufe etwas, das damit einfach gar nicht verträglich ist. Ebenso fehlte dem Besitz der Freien jener Charakter der geschlossenen Einheit, wie ihn die Hufe hatte. Für die Abhängigen aller Art: Liten, Kolonen, Mancipia, Slaven usw. wurde die Hufenordnung nach und nach durchgeführt; auch die zu grundherrlichen Bauern gewordenen Freien haben ihre Hufe. Dies geht z. B. aus den Angaben über den Besitz des Klosters Fulda in Schönstedt hervor 1 ). Da ist uns nämlich ein Freier mit bezeugt, neben 11 Liten, 19 „aliaehubae" (d. h. Unfreien), 13 Slaven. Das ergibt 44 Hufen Gesamtbesitz, genau wie es die Quelle besagt 2 ). Also hat auch der Freie seine Hufe. In dem genannten Kapitel 43, das für die Gliederung eines großen grundherrlichen Besitzes und die Abgabenhöhe sehr aufschlußreich ist, stimmen zwar die an manchen Stellen angegebenen Summen nicht recht mit den Einzelangaben überein, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß manche Kolonen oder andere grundherrliche Bauern eben nicht immer genau eine Hufe, sondern mal zwei, dann wohl auch mal wieder eine halbe haben, wenn nicht etwa nur ein Flüchtigkeitsfehler des Schreibers vorliegt, wie sie ja durchaus nicht selten sind, und diese geringen Abweichungen darin ihre Erklärung finden 3 ); aber wir haben auch sonst noch Beispiele dafür, daß die Zahl der grundherrlichen Bauern und die Zahl der Hufen sich decken, z. B. in Heringen 4 ) und Lupnitz 5 ). Auch daß Dutzende von Kolonen oder Liten oder Slaven die gleichen Abgaben zu leisten haben, wie uns dies in 1) DRONKE, Trad., Kap. 43, Nr. 17. 2) Dazu kommen 2 Hufen, die der Kirche gehören, und 2 Hufen, die als Beneficien ausgegeben sind (wohl an Dienstmannen). 3) Solche Additionsfehler treffen wir z. B. auch in dem Brevarium ST. LULLI, und DOBENECKAR, Regesten, I, Nr. 70, S. 22, Anm. 1, sagt sehr richtig: ,,doch ähnlichen Fehlern begegnet man in Urkunden oft." 4) Kap. 43, Nr. 24. Hier sind 16 Liten, 34 andere (unfreie) Hufen, 6 Kolonen, 50 Slaven, weitere 23 Slaven, 30 Hufen ,,in novalibus" und weitere 16 Kolonen, zusammen 175. 5) Ebenda, Nr. 11. Hier sind 5 Liten, 55 unfreie Hufenbauern, 50 Slaven, 28 weitere Slaven, 55 Franken, 16 Kolonen, 23 weitere Kolonen, 99 weitere Kolonen, 1 „vir", weitere 22 Kolonen, ergibt 354 Hufen. (Wenn Kolonen usw. mehrfach aufgeführt sind, haben sie jeweils verschiedene Abgaben zu leisten.)
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dem genannten Fuldaer Summarium immer wieder bezeugt ist, läßt wohl auch auf planmäßige Austeilung des Landes und ungefähr gleiche Größe des Besitzes des Einzelnen schließen. Alles zusammengenommen stimmt die eingangs herausgearbeitete Begriffsbestimmung mit dem Quellenbefund überein, aus dem sie ja auch abstrahiert ist. Die Hufe in ihrem strengen Sinne ist eine Schöpfung der Grundherrschaft, ist auch nicht einfach Bauerngut schlechthin, sondern als solche ein Eigengewächs, ein Glied in der sozialen, ja letzten Endes politischen Ordnung. Es war die Ordnungsform, in die der Grundherr seinen abhängigen Besitz brachte, und es war für den Bauern zugleich eine feste Lebensbasis, ja der Unfreie wurde erst durch die Einführung der Hufenordnung zum Bauern im eigentlichen Sinne des Wortes, wenn auch zum grundherrlichen. Neben dem Hufenland gab es Nicht-Hufenland bei Bauern und bei Grundherren. Es waltet bei der Hufensetzung das gleiche Prinzip vor, das auch bei der Schaffung von Maxisen im echten Sinne des Wortes zugrunde lag und ebenso bei der Schaffung von Lehngütern (Beneficien); gerade hier wird das auch so recht deutlich, denn um aus einem bestimmten Stück Land ein Beneficium zu machen, bedurfte es ja auch eines „konstitutiven Aktes".
VII. Ausbreitung der Hufenordnung auf die freien Bauern. Nun ist aber die Einführung der Hufenordnung durch die Grundherren nicht der einzige Weg, auf dem die Hufe zum gleichsam eisernen Bestand der Agrarverfassung geworden ist. Sie ist zwar nicht, wie D O P S C H es will — soweit jedenfalls aus den hier vorgenommenen Untersuchungen hervorgeht — gleichzeitig im freibäuerlichen und im grundherrlichen Lager entstanden, sie hat sich aber von dem grundherrlichen Bereich aus auch auf das freie Bauerntum ausgedehnt. Und so ist es zu erklären, daß sie so schnelle Verbreitung fand. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, daß die Hufe diesen Expansionsdrang entfaltete, wenn wir daran denken, daß die grundherrlichen Gewalten nach und nach auf wohl jedes Dorf übergriffen und daß zu der Grundherrschaft im Verlaufe der nächsten Jahrhunderte noch die Gerichtsherrschaft trat. Die Überleitung dürfte durch die Anwendung der Hufe als Flächenmaß erfolgt sein. Allerdings müssen wir uns hüten anzunehmen, daß die Hufe sich auf alle freien Bauern ausgedehnt habe. Auch in den späteren Jahrhunderten finden wir immer noch freibäuerlichen Besitz bezeugt, der n i c h t in Hufen liegt; so ganz war 18*
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der Entstehungsgrund der Hufe doch wohl noch nicht in Vergessenheit geraten1). Wie wir schon sahen, taucht das Wort „Hufe" schon sehr früh auch in der Bedeutung eines reinen Flächenmaßes auf 2 ), wobei an die ortsübliche Größe angeknüpft wird. Da diese nun ihrerseits von der Wirtschaftskraft einer bäuerlichen Familie ausgeht, war es nicht verwunderlich, wenn der freie Bauer diese Maßbezeichnung übernahm, nachdem er gesehen hatte, wie der Grundherr, der, wenn er eine natürliche Person war (z. B. Adliger), ihm als gleichfalls Freigeborener nahestand und mit dem er täglich in Berührung kam, bei der Zumessung von Hufen dieses Maß zugrunde legte, und zwar auch schon, bevor die Hufe wirklich zu einem bäuerlichen Betrieb ausgestattet und mit einem Bauern besetzt war3). Bei der Verwendimg des Wortes in diesem Sinne, also rein als Größenmaß, fehlt der „konstitutive Akt", den wir als wesentlich für die Errichtung der Hufe im eigentlichen Sinne erkannt hatten. Aber man verwendet ein Wort, mit dem ein fester Begriff verbunden ist, nicht, ohne daß sich von dem inneren Gehalt unbewußt etwas einschleicht, d. h. also: wenn der freie Bauer anfänglich für sein Gut auch nur die Größenbezeichnung hatte übernehmen wollen, so konnte es nicht ausbleiben, daß etwas von dem eigentlichen Gehalt mit übernommen wurde, zum mindesten der Gedanke einer Geschlossenheit, einer Einheit. Diese Dinge sind noch wenig erforscht, und es geht nicht an, hier länger dabei zu verweilen, aber es sei zum mindesten auf die Möglichkeit hingewiesen, daß von hier aus der Gedanke der Geschlossenheit des Gutes (Hofes), der dann im bäuerlichen Erbrecht weithin eine so gewichtige Rolle spielte, gefördert, wenn nicht gar angeregt worden ist, auch gerade dort, wo es sich um Gebiete handelt, in denen sich freies Eigentum erhalten hat. War dieser Gedanke der Geschlossenheit des Gutes der alten Zeit doch fremd. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß gerade in dem thüringischen Gebiet nördlich des Waldes, in dem sich freies bäuerliches (lediglich real belastetes) Eigentum ununterbrochen ge1) Manchmal tritt das sehr deutlich zutage. In der Schenkung des W I G G E R an Hersfeld vom Jahr 1037 z. B. wird auch eine Schenkung des W I G G E R an seinen Sohn erwähnt, und diese Schenkung besteht aus 6 Mancipien (anscheinend 3 Paaren) und 3 Mansen. Daneben wird aber noch die Schenkung eines freien Mannes an Hersfeld genannt, und hier heißt es einfach „suum predium". (WEIRICH, Urkundenbuch, Hersfeld, I, Nr. 90.) 2) Vgl. dazu auch R U D . KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 261 f. 3) In D R O N K E , Codex, Nr. 605 ist von einer Hufe „de inculta terra" die Rede, die in einer grundherrlichen Captur liegt.
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halten hat, sich erst vom 14. Jahrhundert ab freie Realteilung in größerem Ausmaße durchzusetzen beginnt, wobei die ideelle Einheit der „Hufe" oder des „Gutes" zunächst beibehalten wurde1). Hier sind, wie gesagt, nähere Untersuchungen erwünscht. Zu vermuten ist aber, daß diese zu dem Ergebnis führen werden, daß nicht nur grundherrliches Interesse die Geschlossenheit der Güter herbeiführte, sondern daß auf dem Wege über die Rezeption der Hufe der gleiche Gedanke auch in freibäuerlichen Kreisen Platz fand, um dann erst später (teilweise wenigstens) wieder verlassen zu werden, als die Volksdichte zunahm. Dieses Übergreifen des Hufengedankens auf die freibäuerlichen Kreise wurde nun durch mehrere Momente gefördert. Da ist einmal die Gerichtsherrschaft zu nennen, die in der Nachkarolingerzeit immer bestimmter sich ausprägte und Abgabebelastungen mit sich brachte, die real auf den Besitzungen lagen und so von sich aus zu der „Geschlossenheit" des Gutes beitragen mußten. In gleicher Richtung wirkte das Anknüpfen der Hufengröße an die Wirtschaftskraft einer bäuerlich lebenden und wirtschaftenden Familie. Auch der freie Bauer konnte nicht mehr unter den Pflug nehmen, als eben etwa eine Hufe, soweit nicht anormale Verhältnisse vorlagen. Besaß er mehr, etwa durch eine Erbschaft usw., dann mußte er dieses „Mehr" liegenlassen, bis vielleicht ein Sohn oder Schwiegersohn darauf eine eigene Wirtschaft errichtete, oder aber er mußte, wenn dieser Weg nicht in Frage kam, das überschüssige Land ausleihen, womit er dann einem anderen Bauern gegenüber in ein grundherrliches Verhältnis trat. Hatte der Bauer aber weniger, als er mit seiner Familie bebauen konnte, so bestand für ihn damals ohne weiteres die Möglichkeit, durch Neurodung oder durch anderweitigen Erwerb, durch Kauf2), namentlich aber durch Leihe, seinen Besitz entsprechend abzurunden. Dieser letztere Weg mußte im Laufe der Zeit gegenüber dem der Rodung immer mehr in Vordergrund treten, je mehr das frei verfügbare Rodungsland aufgezehrt war. Sonach konnte der Fall eintreten, daß der freie Bauer einen Teil seines Besitzes zu Leiherecht hatte, wodurch er dann, bei oberflächlicher Betrachtung im Hinblick auf die als Gegenleistung übernommenen Verpflichtungen, als „abhängiger" Bauer erschien. Nur eine Möglichkeit gab es (und gibt es auch heute nur), einen größeren Besitz zu bewirtschaften, als es mit den Kräften der Familie möglich ist, die nämlich, fremde Kräfte zu beschäftigen. Hat 1) Vgl. meine „Mitteldeutsche Grundherrschaft", S. 47. 2) Bezeugt z. B . DRONKE, Codex, Nr. 75, und Trad., Kap. 38, Nr. 167.
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der Bauer derartige Kräfte zur Verfügung, gleich, unter welcher rechtlichen Form, so kann er 2, 3, 6 Hufen und mehr bewirtschaften, wie wir das später auch z. T. in unserem Gebiete sehen1). Nun fällt aber eines für die Hufenordnung und deren Ausdehnung entscheidend ins Gewicht: die Tatsache, daß in derZeit etwa von 800—1200/1300 eine Situation gegeben ist, in der familienfremde Kräfte kaum vorhanden waren. Die alten Unfreien (Sklaven) waren dabei, zu Grundhörigen aufzusteigen, unfreie Knechte als Mitarbeiter fielen also nach und nach fort; diese Grundhörigen brauchten ihre und der Ihrigen Arbeitskraft für ihre eigene Wirtschaft und die Bewältigung der Leistungen für den Grundherren. Auf der anderen Seite fehlte es aber damals noch an einem nennenswerten freien Landarbeiterstand, ebenso wie an einem Stand von Büttnern, Hintersassen, Kossäten (und wie die Bezeichnung sonst lautet), wie er dann vom Hochmittelalter ab sich herausbildet, als es die zunehmende Bevölkerung nicht mehr jedem tüchtigen Manne ermöglichte, sich durch Rodung oder Leihe selbständig zu machen, also zu einer eigenen bäuerlichen Wirtschaft zu kommen. Diese ganze Situation mußte, was zu wenig beachtet worden ist, dahin wirken, daß die bäuerlichen Betriebe, auch gerade die der freien Bauern, sich nach der Wirtschaftskraft der Familie richteten, und das ist das Ausgangsmaß für die Hufe! Es lag in dieser ganzen Situation ein Zwang — natürlich in wechselnder Stärke und nur relativ genommen — zu einer Uniformierung der bäuerlichen Betriebe, wie ihn keine andere Zeit jemals gehabt hat. Die Güter der Unfreien wurden nach diesem Maß zubemessen, und die B e t r i e b e der Freien mußten sich auch danach richten, da mehr nicht zu bewirtschaften war. War der B e s i t z größer, so konnte man ihn nur grundherrlich benutzen, jedenfalls das Mehr, und war der Besitz kleiner, so war der wichtigste Weg zur Abrundung nach und nach der, daß man selbst von einem Grundherren lieh. Es ist vielleicht nicht zuviel gesagt, wenn man der Meinung Ausdruck gibt, daß nur aus dieser ganzen Situation heraus die so weitgehende Verbreitung der Hufe erklärt werden kann. Die ganze sozialwirtschaftliche Situation erzwang, aber ermöglichte auch, die Einhaltung einer gewissen Norm für den bäuerlichen Betrieb. Diese Jahrhunderte sind die Zeit der Hufenordnung, nicht schon, wie man vielfach gemeint hat, die sog. „Urzeit". Diese wies vielmehr eine ganz außerordentliche Verschiedenheit in der Abstufung der Besitzgrößen und der Betriebsgrößen auf, da der freie Mann nicht nur auf die Kräfte seiner Familienmitglieder angewiesen war, sondern durch die Institution der persönlichen Unfreiheit grundsätzlich in 1) Vgl. meine ,,Mitteldeutsche Grundherrschaft", S. 41 ff.
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der Lage war, seine Wirtschaft soweit auszudehnen, wie es die damit gegebene zusätzliche Arbeitskraft ermöglichte*); an Rodungsland fehlte es ja nicht. So kommt es auch, daß diese ältere Zeit noch gar nicht einen so klaren Unterschied zwischen Bauernwirtschaft Die Verhältnisse und Herrenwirtschaft (Gutsbetrieb) kannte. zwischen Grundherr und Bauer sind, wie namentlich G. v. B E L O W 2 ) auch immer wieder betont hat, für diese Zeit als durchaus fließend anzunehmen, eines ging in das andere über. Erst später, vom 9./10. Jahrhundert ab etwa, läßt sich eine klare Linie ziehen. Abschließend müssen wir also sagen: die Hufenordnung ist grundherrlichen Ursprungs, hat sich dann aber von dort aus auch auf die freibäuerlichen Lebensformen ausgedehnt. Wenn wir also, was ja nicht in Abrede gestellt werden soll, da oder dort tatsächlich auf eine einwandfrei freibäuerliche Hufe stoßen — wie wir sahen, in unserem mitteldeutschen Material nirgends —, dann kann es sich um eine solche handeln, die einem Freien von einem Grundherren zugemessen worden ist (precaria), oder aber wir haben hier das Ergebnis der vorstehend in ihren Umrissen geschilderten Entwicklung vor uns. Eine dritte Möglichkeit besteht darin, daß der unfreie Hufenbauer freigelassen wird, wofür es einige Beispiele gibt 3 ). Diese Möglichkeit hat in unserem Gebiet kaum eine Rolle gespielt, wohl aber hat später das Aufsteigen der Unfreien zur persönlichen Freiheit im Rahmen des Erbzinsrechtes die eigentliche Herkunft für denjenigen, der nicht genau zusieht, verwischt.
B. Marken, Markgenossenschaften. Vorbemerkung. Mit der Behandlung des Fragenkreises, der durch die Stichworte Marken und Markgenossenschaften bezeichnet wird, kommen wir auf eine der heikelsten Streitfragen der ganzen Sozialgeschichte, über die eine kaum noch zu übersehende Literatur besteht. Die ganze von J . M O S E R , H A N S S E N , W A I T Z U. a. begründete und aus1) Es steht dem nicht entgegen, daß, wie aus T A C I T U S hervorgeht, die Großen der alten Zeit ihre Unfreien nicht auf großen Gutsbetrieben arbeiten ließen, im Gegensatz zu den römischen Plantagenbetrieben, sondern von ihnen vorwiegend Abgaben erhoben. Das Wesentliche ist aber dabei, daß diese Unfreien keine grundhörigen Bauern sind, sondern Mitglieder der „familia", denen diese bestimmten Lasten aufgelegt waren. Sie hatten wohl in den meisten Fällen eine eigene Konsumtionswirtschaft, aber ihre Produktionswirtschaft war nicht selbständig, sondern ein Teilglied der herrschaftlichen Wirtschaft. Übrigens bezweifelt R . MUCH, daß die Zahl der Haussklaven so gering gewesen sei (s. oben S. 124, Anm. 2). 2) Zuletzt in seiner „Geschichte der deutschen Landwirtschaft", S. 3f. 3)
V g l . z. B .
JOH.
REICHEL,
a. a. O.,
S.
37f.
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gebaute Schule, die mit namhaften Vertretern noch in der Gegenwart zu Worte kommt, geht von dem Kerngedanken aus, daß Feldgemeinschaft und Markgenossenschaft, basierend auf der mit „wilder Feldgraswirtschaft" bezeichneten Ackerbautechnik, am Anfang der geschichtlichen Entwicklung stehen, verbunden mit ungefähr gleichem Besitz der freien Volksgenossen, der in der Regel über die einzelnen Gewanne verteilt ist (Hufenverfassung). Wilde Feldgraswirtschaft, Feldgemeinschaft, Markgenossenschaft, Hufenverfassung, Gewanndorf, — mit diesen Worten läßt sich kurz diese Auffassung der sozialen Verhältnisse der sog. „Urzeit" charakterisieren. Man kann nicht behaupten, daß es an logischer Geschlossenheit dieses Gebäudes fehlt, aber der Historiker hat ja nicht auf logische Geschlossenheit eines gedanklichen Gebäudes zu sehen, sondern auf das Erkennen der historischen Wahrheit. Und von diesem Gesichtspunkt aus ist denn auch von einer jüngeren Generation von Forschern scharfe Kritik an jener Auffassung geübt worden. Diese Kritik ist in vielen Punkten wohl als berechtigt anzuerkennen, ist aber in anderen wohl auch ihrerseits wieder in die Irre gegangen. Hier hilft nur eines: sich selbst immer und immer wieder anhalten, ständig auf die Quellen zurückzugehen und sich nicht durch gedankliche Konstruktionen verleiten zu lassen, über Aussagen der Quellen hinwegzugehen oder auch vorschnell zu verallgemeinern. Das soll der Gesichtspunkt für die nachfolgenden Untersuchungen sein, die diesem Fragenkreis im Rahmen des mitteldeutschen Geltungsbereiches nachzugehen bestrebt sind. Wenn es dabei notwendig ist, über die an sich bei unserer Untersuchung im Vordergrunde stehende Karolingerzeit hinauszugehen, d. h. in erster Linie auf die älteren Jahrhunderte zurückzugreifen, so liegt das in der Materie begründet.
I. Marken, Fluren, Dörfer.
1. Kritik der Rübelschen Auffassung. Was ist eigentlich die Mark, die uns von den ältesten Quellen ab immer wieder unter verschiedenem Namen entgegentritt ? Es besteht wohl allgemeine Übereinstimmung darüber, daß in den alten Zeugnissen unter den Bezeichnungen,, marca", „fines" („in finibus"), „termini" („in terminis") zwei an sich verschiedene, aber innerlich doch zusammenhängende Dinge verstanden werden, nämlich sowohl die Grenzen wie d a s von diesen Grenzen eing e s c h l o s s e n e Gebiet 1 ). Das ist nie ernstlich bestritten, und 1 ) G . W A I T Z , Über die altdeutsche Hufe, geschichte, Bd. I, 2. Aufl., S. 282.
S . 2 X 8 ; BRUNNER,
Deutsche Rechts-
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schon in der Bibelübersetzung des U L F I L A S steht „marca" in der Bedeutung von Grenze und nicht Gebiet. Darin liegt also kein Problem, wohl aber darin, was jeweils unter dieser Grenze zu verstehen ist: eine Fläche oder eine Linie. Nun muß man allerdings das Problem begrenzen. Gewisse Grenzen waren von Anfang an Linien, wie Zaun und Graben, die den Hof des Einzelnen nach außen abgrenzten, die Linie, die zwei verschiedene Felder voneinander schied usw. Derartige Grenzen kommen hier in Fortfall, uns interessieren lediglich die Grenzen, die verschiedene Siedlungen — gleichgültig ob Einzelgehöfte, Weiler oder Dörfer — voneinander trennen, also zwischen ihnen liegen1). Nur mit diesen letzteren Grenzen haben wir es hier zu tun. Da diese Grenzsäume, wohl in der Regel wenigstens, aus Wald bestanden2), ist die Ansicht von J A K O B GRIMM verständlich, der als die Urbedeutung des Wortes „Mark" Wald verstehen wollte3). Wir haben also d i e M a r k a l s G e b i e t i n zweifacher Bedeutung: der Grenzsaum, der ja, da er keine Linie bildet, eine Fläche ist, und dann überhaupt der von dieser Grenze — sei es Saum oder Linie — eingeschlossene Bereich. Auch darin sind sich wohl alle Forscher einig, daß die Grenzsäume in historischer Zeit zu einer Grenzlinie wurden, wie wir es heutzutage für selbst verständlich halten. Umstritten ist aber die Frage, wann und wie das geschah. Hier hat die Ansicht von R U B E L ihre besondere Bedeutung und zu ausgedehnten Debatten Anlaß gegeben. Da R Ü B E L bei deren Darstellung vorwiegend an den thüringisch-hessischen Zuständen exemplifiziert, in dem Bewußtsein, daß hier die ursprünglichen Verhältnisse am klarsten zu erkennen sein müssen, da hier „römische Verhältnisse von vornherein ausgeschlossen sind"4), erscheint es zweckmäßig, bei R Ü B E L anzuknüpfen. R Ü B E L vertritt die Ansicht, daß die Umwandlung des Grenzsaumes — Mark im altgermanischen Sinne — in eine Grenzlinie ein Werk der Franken sei. Bei den Franken nämlich, die sich ja 1 ) G. L A N D A U , Die Territorien, S . 1 1 2 . 2) H A N S F. H E L M O L T , Die Entwicke lung der Grenzlinie aus dem Grenzsaume im alten Deutschland, Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft, XVII. Bd., Jahrg. 1896, S. 238, weist auf die gleiche Notwendigkeit hin. Es ist aber abzulehnen, die Grenzgebiete zwischen den einzelnen Siedlungen als „Allmende" zu bezeichnen und nur die zwischen Stämmen usw. als Mark, wie H E L M O L T das will (S. 237 u. 239). — 3) Ebenda, S. 238. 4) R Ü B E L , a. a. O . , S . 3 2 4 . Es sind also z. T . die gleichen Motive, die mich bewogen haben, diesem Gebiete besondere Beachtung zuzuwenden.
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weitgehend auf von den Römern kultivierten Boden niedergelassen hatten, weist nach R . SCHRÖDER und A. MEITZEN die Grenze schon von vornherein die Gestalt der Linie auf 1 ). Und diese Art der Grenzziehung haben die Franken nun von ihrer Heimat aus auf alle unterworfenen Völker und Gebiete ausgedehnt. Dadurch hätten sie die neue Mark geschaffen, eben durch genaue Grenzziehung zwischen den einzelnen Siedlungen. Diese Grenzziehung sei, worauf er besonderen Wert legt, durch einen wohlorganisierten Beamtenapparat systematisch überall dort durchgeführt worden, wo die Franken wirklich zur Herrschaft kamen. Es handelt sich dabei also um eine große Flurregulierung und -aufteilung. Wo dies durchgeführt ist, bedeutet hinfort „Mark" etwas ganz anderes, nämlich das genau abgemessene und abgegrenzte Gebiet, das zu der einzelnen Siedlung gehört. Hatte WAITZ also beispielsweise gesagt, daß die Grenze bei den alten Germanen häufig ein Streifen Ödlandes bilde und daß dieses innerhalb der Ödländereien gelegene Gebiet die altgermanische Mark sei2), ohne daß er den einzelnen in den Urkunden vorkommenden Ausdrücken für diese Mark eine besondere Bedeutung beimaß, so glaubte RÜBEL, hier streng unterscheiden zu müssen. Nach ihm wird in diesem Sinne nur die Bezeichnung „in terminis" gebraucht, wo man dagegen auf Ausdrücke wie „fines" oder „in finibus" oder „marca", trifft, da ist seiner Ansicht nach die Flurregulierung und Markensetzung bereits erfolgt 3 ). Die altgermanische Ödlandmark war in niemandes Eigentum. Auch dieser Zustand wird durch die von RÜBEL gelehrte Regulierung beseitigt. Hinter dieser Welle, die gleichsam das ganze Land überflutet, ist alles Land aufgeteilt und in irgend jemandes privatem Besitz, sei es in dem des Königs, in dem einer Kirche usw., der Gemeinde oder einer Privatperson. Gerade auf die Aussonderung des Privat- und des Königslandes wurde nach RÜBEL bei dieser Reform entscheidender Wert gelegt. Jetzt werden aus dem Walde auch Bifänge, Capturen, gebildet als Teilstücke der alten Mark, die in die Hände Privater kamen oder an denen Private wenigstens einen Rechtsanspruch erhielten. „Die Mark und der bifang gehören unzertrennlich zusammen. Wo der bifang gebildet ist, ist die neue Mark geschaffen, ist die fränkische Markgemeinde neu in das Leben gerufen, ist alles zum Privatbesitz als bifang angewiesen, was nicht 1) KÜBEL, a. a. O., S. 149. 2) G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl., S. 141. 3) RÜBEL, a. a. O., S. 145ff.
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in Gemeindebesitz überging und was der Staat oder Kirche sich nicht als eremus, als causa regis sicherte" 1 ). Es ist hier nicht möglich, sich eingehend mit den Ausführungen von R Ü B E L auseinanderzusetzen, und es fehlt ja auch keineswegs an eingehenden Kritiken 2 ). Wir müssen uns aber soweit mit ihm befassen, wie es unser hier behandeltes Thema gebietet, und das um so mehr, als er, wie gesagt, seine Beweisführungen zu einem großen Teil auf Fakta aufbaut, die er der Sozialgeschichte unseres Gebietes entnimmt. Richtig im Kern ist — um das zunächst einmal zu betonen — bei R Ü B E L die Einsicht in die innere Zielklarheit des Vorgehens der großen karolingischen Herrscher, besonders auch K A R L S D. G R . und seines Vaters P I P P I N . Ihre Methode, sich militärische Stützpunkte zu schaffen, durch Anlegung eigener Wirtschaftshöfe für die Bereitstellung ausreichender Verpflegung zu sorgen, die Ausbreitung der christlichen Lehre auch politisch auszunutzen und auch mit aus politischen — die religiösen sollte man nicht zu gering einschätzen — Gründen mit politischen Mitteln zu fördern, sieht R Ü B E L im großen ganzen richtig, wenn auch oft sehr einseitig. Aber die „Markensetzung" in dieser Form einer Flur- und Gebietsregulierung hat es nicht gegeben. Natürlich mußten Grenzlinien gezogen werden, wenn — um ein Beispiel zu nehmen — das Gebiet des Klosters Fulda in dem eremus abgesteckt wurde, wobei R Ü B E L so ausführlich verweilt3). Aber bestand die Notwendigkeit und der Wille, ü b e r a l l , namentlich also in den Gebieten der alten Volkssiedlung, in gleicher Weise mit einer umfassenden Grenzziehung und Flurregulierung einzugreifen ? Eine unvoreingenommene Betrachtung des Materials scheint mir zu einer Verneinung dieser Frage zu führen. R Ü B E L legt großen Wert auf die Unterscheidung von „fines" und „termini" und will in der ersteren Bezeichnung (meist in der 1) RÜBEL, ebenda,
S.
173.
2) Vgl. z. B. BRANDI, in ,,Göttingischen Gelehrten Anzeigen", 170. Jahrg., 1908, S. 1 ff. (mit zahlreichen anderen Literaturangaben). G. CARO, in „Westdeutsche Zeitschr.", 24. Jahrg., 1905; STUTZ, in „Zeitschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte", Germ. Abtlg., Bd. 26, S. 357ff.; G . v . BELOW, in „Zeitschr. f. Sozialwissenschaft", Bd. 9, S. 68ff.; REUTTER, in „Jahrbuch f. Landeskunde von Niederösterreich", N. F., Bd. X , 1912; A. DOPSCH, Karolingerzeit, Bd. I, S. 388ff. passim. 3) RÜBEL, S. 37 ff. Allerdings mit sehr viel Mißdeutungen und Irrtümern. So lag hier kein politischer Grund für die Ansiedlung im Urwald vor, sondern der religiöse, allen Klöstern und besonders den irischen ja gemeinsame Zug in die Weltabgeschlossenheit. Vgl. dazu BRANDI, a. a. O., S. 36ff. Ebenso G. CARO, „Westdeutsche Zeitschr.", Jahrg. 24, 1905, S. 68.
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Form „in finibus . . . " vorkommend) den Beweis dafür sehen, daß die Regulierung hier stattgefunden hat. Im Gegensatz dazu spricht nach seiner These die Verwendung des Ausdruckes „in terminis . . . " dafür, daß hier noch keinerlei Regulierung erfolgt ist. Wie dies sich z. B. in fränkischen Urkunden des Rheingebietes verhält, soll hier nicht untersucht werden; wohl aber zeigt bereits ein flüchtiger Blick in die Urkunden unseres Gebietes, daß die Anwendung beider Ausdrücke ohne jede Unterscheidung erfolgt1). Ja, auffallend ist eigentlich, daß die Bezeichnung „in finibus . . . " nur in dem Jahrzehnt von 858—869 vorkommt, in einer Reihe von Urkunden, die dicht beisammenliegen. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß es sich hier um einen von einem bestimmten Schreiber bevorzugten Ausdruck handelt, während sonst „in terminis" oder „in marcu" vorgezogen wird. Daß R Ü B E L sich hier übrigens selbst widerspricht und aus dem eigenen Material sich selbst widerlegt, hat BRANDI in seiner umfassenden Kritik des RüBELSchen Werkes bereits nachgewiesen, worauf hier verwiesen sei2). Aber auch bei einer näheren Durchsicht unserer Urkunden, also auch abgesehen von einem solchen generellen Überblick über das Material, stellt sich heraus, daß die Behauptungen R ÜBELS wenig solide begründet sind. Er behauptet z. B., daß der bifang (captura, comprehensio) in engstem Zusammenhang mit der fränkischen Markensetzung steht. Und in der Tat finden wir nicht wenige Urkunden, in denen „fines" oder „marca" zusammen mit einem bifang genannt werden, der Art, daß dieser bifang (captura) als in der Mark gelegen bezeichnet wird, so z. B., daß der Tradent „in finibus villae quae vocatur Rotmulti3) unius capturae partem" usw. schenkt4). Auch daß die Captur in einer bestimmten „marca" liegt, welcher Ausdruck nach R U B E L ja gleichbedeutend mit „in finibus" ist, wird erwähnt5), viel seltener allerdings als der Fall, daß in dieser Mark andere Güter verschenkt werden6). Aber immerhin kommt das vor. Man könnte allenfalls sagen, daß speziell in 1) „In terminis . . . " z. B. DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 115, 118, 120, 150, 155, 163, 171, 247, 273, 284, 302, 309, 322, 323, 327 usw.; „in finibus" ebenda Nr. 221, 231, 236, 237, 238, 239, 242, 244 (und die hier jeweils angegebenen Original-Urkunden). 2) BRANDI, in „Göttingischen Gelehrten Anzeigen", 170. Jahrg., 1908, S. 15f. 3) Römhild. 4) DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 238; DRONKE, Codex, Nr. 596; ähnlich DOBENECKER, R e g e s t e n I, N r . 2 3 7 , 2 4 2 (DRONKE, C o d e x , N r . 5 9 4 , 6 0 6 ) u. a .
5) Ebenda Nr. 95, 118, 134, 215 usw. (DRONKE, Codex, Nr. 570). 6) Ebenda Nr. 88, 107, 126, 127 u. v. a. m. (DRONKE, Codex, Nr. 292, 383, 436, 437 usw.).
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älterer Zeit das Wort „marca" gern im besonderen für das nicht der wirtschaftlichen Nutzung unterworfene Waldgebiet, aus dem man sich Capturen herausschneidet, verwendet wird. Aber eben durchaus nicht immer. Wenn dies ausnahmslos der Fall wäre, würde dies für RÜBEL sprechen. Daraus folgt: wenn der Bifang (die Captur) in gleicher Weise im Zusammenhang mit dem Ausdruck „in terminis" vorkäme, würde die von RÜBEL aufgestellte These, die ja den bifang nur mit der neugeordneten, regulierten Mark in Verbindung bringen will, widerlegt sein, da ja „in terminis" die alten Verhältnisse bezeichnen soll. Und in der Tat ist dem so. Wir finden i. J. 823 die Schenkung eines Teiles einer Captur „in terminis villae Sundheim"1), ebenso, um noch ein Beispiel heranzuziehen, in der Schenkimg eines Ehepaares vom Jahre 828 „unam capturam in terminis villae Sundheim comprehensam"2). Außerdem finden wir nicht nur „in finibus" in gleicher Bedeutung mit „marca" bezeugt3), sondern ebensogut auch „in terminis"4), ein weiterer Beweis dafür, daß zwischen beiden Ausdrücken nicht unterschieden wird. Und wie will es schließlich zu der RüBELSchen These passen, wenn noch i. J. 914 in einer Schenkung an Fulda in zwei Orten ausdrücklich von „terminus" die Rede ist 5 ), und ebenso in einem Tauschvertrag vom gleichen Jahre zwischen dem Kloster Fulda und dem Edlen GÜNTHER6), das alles in einem Zeitpunkte, in dem in diesen Gebieten nach RÜBEL längst die Regulierung hätte durchgeführt sein müssen und demnach der Ausdruck „in finibus" oder , in marcu" zu erwarten sein müßte! Nein, es besteht kein Zweifel: Die von RÜBEL behauptete Unterscheidung in der Bedeutung dieser beiden Ausdrücke ist — wenigstens in unserem Material — in keiner Weise vorhanden. Es ist nicht so, daß in der Kanzlei OTTOS I. diese Unterscheidung nicht mehr eingehalten wurden, wie RÜBEL sagt 7 ); sie hat überhaupt nie stattgefunden. Um beurteilen zu können, in welchem Ausmaße damit auch die von RÜBEL hiermit verbundenen Schlußfolgerungen entfallen, muß man zunächst noch einen Blick auf seine H u f e n lehre werfen8). Die „altdeutsche Hufe" lehnt RÜBEL mit aller Entschiedenheit ab, ebenso wie die grundherrliche These, und vertritt die Ansicht, daß Hufe eine fränkische Schöpfung sei, entstanden im Zusammen1) = Sondheim v. d. Rh.; DRONKE, Nr. 4X5. — 2) = Kalten-Sundheim; ebda., Nr. 472. 3) Besonders klar gesagt z. B. in DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 241 u. 244; DRONKE, Codex, N r .
605.
4) DRONKE, C o d e x , N r . 648. —
5) D R O N K E , C o d e x , N r . 6 6 2 .
6) DRONKE, Codex, Nr. 659. — 7) RÜBEL, S. 146. — 8) Ebenda S. 219ff.
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hang mit der Markensetzung1). Bei dieser Gelegenheit wurde eben alles Land aufgeteilt und zugemessen. Daß dies mit den tatsächlichen Vorgängen in Widerspruch steht, braucht nicht in großer Breite ausgeführt zu werden. Wir haben in anderem Zusammenhang gesehen, daß die Hufe eine Schöpfung der Grundherrschaft ist. Sicher ist es oft so gewesen, daß der Grundherr, der Hufen austeilte, ein Franke war (z. B. Graf). Auf der anderen Seite ist aber auch nicht alles grundherrliche Land in Hufen ausgetan, wie schon die älteste Urkunde unseres Gebietes, in denen Hufen erwähnt werden, zu erkennen gibt, nämlich die Schenkungsurkunde des Herzogs H E D E N I I 2 ) . Aber weiter: Wenn R Ü B E L recht hätte, dürften Hufen dort nicht vorkommen, wo noch die alte Grenzbezeichnung „in terminis" verwandt wird, und auf der anderen Seite müßte alles Land in Hufen ausgetan sein, wo die Markenregulierung Platz gegriffen hat, was an der Verwendung der Ausdrücke „marca" oder ,,in finibus" zu erkennen ist. Prüft man das nun an den Urkunden unseres Gebietes nach, so stellt sich heraus, daß dies in keiner Weise zutrifft. Wir haben Urkunden, wo Hufen innerhalb von „terminis" vorkommen 3 ), während sie auf der anderen Seite femer gerade überall dort fehlen, wo das Gebiet mit „in finibus" bezeichnet ist, also nach R Ü B E L bereits reguliert ist und das Land in Hufen aufgeteilt sein müßte. Gewiß kommen auch einmal Hufen in einer „marca" vor 4 ), aber dann wieder in so und so vielen Fällen nicht, wo man sie auch erwarten müßte 5 ). Es bleibt also dabei, daß R Ü B E L diese ganzen Zusammenhänge falsch deutet, wozu er verleitet wurde, weil er es seinem Leitgedanken zuliebe unterließ, unvoreingenommen das Urkundenmaterial durchzuprüfen. 2. Der Inhalt der „Mark". Aus den bisherigen Untersuchungen ergibt sich, daß ein Unterschied in der Bedeutung der Worte „marca", „in finibus" und „in terminis" nicht festzustellen ist. Man kann sie also als Synonyma ansehen6). 1) Vgl. oben S. 239. Ebenso die Bemerkungen von G. CARO, a. a. O., S. 62. B U R K H A R D T , Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1 . 3) Zum Beispiel D R O N K E , Codex, Nr. 425, 611, 662. 4) Zum Beispiel ebenda, Nr. 522 u. 542. 5 ) Bezeichnend vielleicht die Urkunde D R O N K E , Codex, Nr. 5 2 0 , bei der es sich um einen größeren grundherrlichen Streubesitz handelt und die Hufen einmal als in den Orten, zum anderen als in den Marken liegend bezeichnet werden. 6) Daß das Wort „limes" auch in der Bedeutung von Mark (als Gebiet) vorkommt („limes sorabicus"), ist gegenüber M E I T Z E N , der gerade bei dem „limes 2)
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Es entsteht nun aber die weitere Frage: Was wird denn, realiter, mit „Mark" in unseren Quellen gemeint ? Was wird denn mit diesem Worte belegt ? Oder, mit anderen Worten: Was ist denn eigentlich die Mark? Bei einer Durchsicht des Urmateriales unseres Gebietes ergibt sich, daß im Gegensatz zu dem, was man erwarten muß, der Inhalt der Mark oft ein ganz anderer ist; mit „Mark" wird keineswegs nur ein Grenzsaum oder das von diesem umgebene Gebiet bezeichnet. Sehen wir näher zu: 1. Gemeint ist damit zunächst einmal d e r O r t m i t s e i n e r g e s a m t e n F l u r . Die Wendungen, wie etwa „tradimus . . . infra terminos villae quae dicitur Mahesfeld quicquid ibidem proprietatis visi sumus habere in areis aedificiis agris pratis silvis pascuis aquis aquarumque decursibus . . . " x ) oder „trado in marcu Sundheim iugera XL" 2 ) oder „trado . . . in finibus iuchisono quicquid ibi proprietatis visus sum habere in areis aedificiis campis pratis pascuis silvis etc." 3 ), sagen in dieser Hinsicht alle das Gleiche aus. Derartige Formulierungen finden sich sehr häufig. 2. Daneben aber kommen die Bezeichnungen für die Mark in einem begrenzteren Sinne vor, indem nämlich diese M a r k ausdrücklich von dem O r t , nach dem sie genannt ist, unterschieden wird, was vorstehend nicht der Fall ist, da ja die in den Pertinenzformeln erwähnten Gebäude im Ort, die Wälder und Weiden aber in der Mark liegen. Hier bedeutet Mark dann etwa D o r f f l u r , also Felder, Wiesen, Wege, auch wohl Wälder 4 ), die zu diesem Dorfe gehören, nicht aber diesen Ort selbst eingeschlossen, also etwa die G e m a r k u n g in dem späteren Sinne dieser Bezeichnung. Eine deutliche Unterscheidung finden wir, um einige Beispiele herauszugreifen, dann, wenn es heißt: „trado . . . in villa Iuchisa et in terminis eius quicquid proprietatis visus sum habere in areis campis sorabicus" eine lineare Grenze annehmen wollte, besonders von PAUL HONIGSHEIM betont worden. Vgl. HONIGSHEIM, Der „limes Sorabicus", in „Zeitschr. d. Ver. f. thür. Gesch. u. Altertumsk.", 24. Bd., 1906, H e f t 2, S. 303ff. D a es sich speziell um die Bezeichnung einer bestimmten Grenzmark handelt, also einen besonderen Fall, brauchen wir hier nicht näher darauf einzugehen. 1) DRONKE, Codex, Nr. 503 (Maßfeld?). 2) Ebenda, Nr. 433 (Kalten-Sundheim). 3) Ebenda, Nr. 598 (Jüchsen). 4) Wenn die Mark nur aus Holzung besteht, treffen wir auf den Ausdruck „holzmarcha" (ohne allerdings behaupten zu wollen, daß man in dieser Hinsicht unbedingt konsequent ist). Vgl. DRONKE, Trad. et. Ant. fuld., Kap. 38, Nr. 201.
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pratis etc." 1 ), oder „trado .. . unam capturam in . . . marcu Sundheimono"2), wie ja überhaupt die Bezeichnung von geschenkten Capturen, Land und Wiesen als in der Mark gelegen sehr häufig ist, in Unterscheidung von dem Ort, in dem die Hofstätten und Gebäude liegen3). Deutlich ist diese Unterscheidung auch, wenn es heißt: ,,in villa Uuestheim in ipsa marca quicquid proprietatis habeo id est terris silvis pratis pascuis etc." 4 ), wo nämlich bezeichnenderweise in der Pertinenzformel nichts von Gebäuden gesagt ist, die ja in dem Orte liegen. Oder es wird in der villa Sundheim ein Obstgarten (pomerium) geschenkt und „in terminis eiusdem villae" 8 Joch Ackerland5), oder KARL D. GR. schenkt Fulda ,,locum Hunifelt cum terminis" (und Mancipien)8). Oder eine Schenkung erfolgt „in villa Marahesfelde et in illa marca quae ad illam pertinet villam" 7 ). Oder es werden „locus" und deren „termini" ausdrücklich nebeneinandergereiht („quicquid . . . in praefatis locis subnotatisque terminis proprietatis habuerunt")8). Auch wenn wir in Marken lediglich Felder, Wälder und Weiden geschenkt finden, also Häuser und Gebäude ausdrücklich fortgelassen sind, müssen wir wohl annehmen, daß der Schreiber der Urkunde diese hier besprochene Bedeutung der Mark im Auge gehabt hat9). Und schließlich sei auf Formulierungen wie „trado . . . duasvillas . . . cum terminis suis"10) hingewiesen, die auch von der Vorstellung ausgehen, daß der Ort und die dazugehörige Flur eben zweierlei ist und nur letzteren die Bezeichnung als Mark zukommt. 3. Drittens kann aber auch unter „marca", „in finibus" oder „in terminis" (auch „in termino" kommt vor) ein Gebiet gemeint sein, daß größer ist als die Gemarkung eines Dorfes. Das ist eben dann eindeutig zu erkennen, wenn in dieser Mark Orte vorkommen, die einen anderen, selbständigen Namen tragen. Auch hierfür wieder einige Beispiele: Zwei Männer schenken ihr Eigentum „in finibus Uestheimono in villa quae dicitur Elisba" 11 ); in „eadem marca" liegt noch ein weiterer Ort Rubenhus (?) 1 2 ) und weiter nördlich noch eine Captur mit dem selbständigen Namen „Clingison" 1) DRONKE, Codex, Nr. 579 (Jüchsen). — 2) Ebenda, Nr. 570 (Sondheim). 3) Ebenda, Nr. 436, 437, 440, 451, 479, 562, 570, 594, 596. Vgl. auch DRONKE, Trad. et. Ant. fuld., Kap. 38, Nr. 221. 4) DRONKE, Codex, Nr. 441 (Kalten-Westheim); ähnlich ebda., Nr. 562, 583 u. a. 5) Ebenda, Nr. 482. — 6) DRONKE, Trad. et Ant. fuld., Kap. 39, Nr. 147. 7) DRONKE, Codex, Nr. 457. Gemeint ist Marisfeld. 8) Ebenda, Nr. 648. — 9) Ebenda, Nr. 562. — 10) Ebenda, Nr. 524. 11) DRONKE, Codex, Nr. 605 (Mark Westheim, Ort Elzbach b. Bischofsheim); dieses Westheim ist unklar, wohl verschollene Wüstung. — 12) Nicht zu deuten.
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(das spätere Dorf Klings bei Kaltennordheim) 1 ). Der Ort Westheim selbst, nach dem diese ganze Mark genannt ist, wird uns bereits früher bezeugt, wie übrigens Elzbach auch 2 ). Ebenso gibt es in der Mark Roßdorf die „villa Orentileshus" 3) und in der Hoitiner Mark die „villa Wolfmuteshusun" (Wolfmuthausen) 4 ). Und schließlich gibt es, um auch den dritten Ausdruck in einem Beispiel noch anzuführen, „in terminis villae Sundheim" den „locus" „Sulzaha" 5 ). Fassen wir nun das Ergebnis der bisherigen Überlegungen zusammen, so ergibt sich einmal, daß die drei Ausdrücke „in marcu", „in terminis", „in finibus" unter sich gleichbedeutend gebraucht werden. Auf der anderen Seite muß man sich aber darüber klar sein, daß diese drei Ausdrücke je wieder drei verschiedene Bedeutungen haben können, indem jeder einmal die Dorfflur samt Ortschaft, zum anderen die Dorfflur in Unterscheidung von der Ortschaft (villa, locus) und zum dritten eine mehrere Ortschaften umfassende Fläche (Gemarkung) im Sinne haben kann 6 ). Diese eben erwähnte Ausdehnung der Bedeutung des Wortes Mark auf eine größere Fläche, als sie eine Dorfflur ist, kann dann sogar dahin führen, daß das der Grabfeldgau als „marca" bezeichnet wird7) oder daß man von Thüringen mit dem Ausdruck „in terminis thuringiae" spricht 8 ). Und ebenso hat man dann ungefähr gleichzeitig größere Grenzgebiete mit dem Ausdruck Markgrafschaften bezeichnet. Darin kommt dann noch einmal der alte Sinn der Mark als eines breiten Grenzsaumes zur Geltung, eine Bedeutung, die in den vorstehend angeführten Beispielen ja ganz in den Hintergrund tritt gegenüber der Bezugnahme auf einen Dieselbe Urkunde. — 2) D R O N K E , Codex, Nr. 3 8 9 . Codex, Nr. 5 0 6 (Urnshausen). — 4 ) D R O N K E , Codex, Nr. 5 7 1 . 5) D R O N K E , Codex, Nr. 472. ( D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 150, will darunter die Flur Dörrensolz verstehen). Es handelt sich um Kaltensundheim. 6) Noch nähere Untersuchungen über die Bedeutung der „Mark" sind hier nicht möglich. Vgl. dazu u. a. A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Bd. I, S. 363, und H. W O P F N E R , Beiträge zur Geschichte der älteren Markgenossenschaft. „Mitteilungen des Instituts f. österr. Geschichte", Bd. 34, 1913, S. 2ff. Letzterer bringt a. a. O., S. 4 den Nachweis, daß „marca" auch das Gebiet einer Hufe bezeichnen kann (aus Urk.-Buch St. Gallen, Bd. II, Nr. 560); auch A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung, Bd. I, S. 387, erwähnt die Bezeichnung von Mark für das zu einem Hof gehörige Gebiet. In D R O N K E , Trad. et Ant. fuld., Kap. 39, Nr. 161, findet sich folgende Formel „pomerium unum et de terra arabili VIII jugera cum terminis eorum"; auf diese letztere auffallende Verwendung des Wortes „termini" in bezugauf die Fläche von 8 Joch soll hier doch ausdrücklich hingewiesen werden, auch wenn man ihr vielleicht, da sie in dem stark abgekürzten Verzeichnis vorkommt, vielleicht keine allzu große Bedeutung beilegen kann. 1)
3) DRONKE,
Codex, Nr. Trad., Kap. Lütge, Agrarverfassung. 7) DRONKE,
497.
8) DRONKE,
39,
Nr.
236
u.
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von Grenzen umgebenen Bezirk schlechthin. In der Auswahl der Abgrenzung herrschte, wie wir sahen, eine beträchtliche Verschiedenheit, so sehr, daß man geneigt ist, ein einer klaren Bedeutung dieses Wortes „Mark" überhaupt zu zweifeln und ihm die ganz im verbindliche Bedeutung von ,,Gebiet" zuzuschieben mit jeweils im Einzelfall willkürlich abzusteckenden Grenzen. Jedenfalls ist wohl eines sicher: Wenn tatsächlich „Mark" ursprünglich nur das unbenützte, in niemandes privaten Eigentum stehende Gebiet (zumeist Wald) war, das, von den Siedlungen aus gesehen, jenseits des von der Besiedlung erfaßten Gebietes lag, so hat sich schon bis zu der Zeit, in der in unserem Gebiet urkundliche Nachrichten einsetzen, die Bedeutung dieses Wortes verschoben insofern, als mit diesem Wort in der Mehrzahl der Anwendungen gerade das in diesem bewohnten, der Kultur erschlossenen Bereich gelegene Gebiet, die Dorfflur usw. bezeichnet wird, ja z. T. die Dörfer mit einschließt. Das ist ein ganz anderer Inhalt des Wortes, und es ist nicht möglich, von „Mark" zu sprechen und dabei an den alten Sinn des Wortes zu denken und zu übersehen, daß in den urkundlichen Quellen ein ganz neuer Sinn vorherrschend geworden ist. Ein Moment des Ungemessenen, Unbegrenzten, das für den ältesten Inhalt des Wortes Mark als so charakteristisch angesehen wird, hat sich aber auch noch bis ins 9. Jahrhundert und darüber hinaus erhalten, dort nämlich, wo Siedlungen am Rande von großen Waldgebieten lagen, in die hinein die Besiedlung vorgetragen wird. Waldeinwärts konnte dabei die Grenze noch lange im Ungewissen liegen. Früher oder später — am frühesten sicher in den ältesten Siedlungsgebieten, den alten „Gefilden" — aber mußte der Tag kommen, an dem die Interessengebiete aufeinanderstießen und man dann freiwillig oder nach Anrufen des Königs oder Grafen mit obrigkeitlicher Beihilfe eine feste Grenze zog; damit wurde dann die Grenze als Saum zur Grenze als Linie 1 ). Es war dabei gar nicht gesagt, daß das Gebiet eines Dorfes dadurch mit einem Male nach allen Himmelsrichtungen hin fest begrenzt wurde; es sind sehr gut Übergangslagen denkbar, bei denen nach einer oder mehreren Seiten hin die Grenze noch im Unbestimmten verlief. Eine Lage an Waldessaum brachte eine solche Situation wohl am ehesten mit sich, denn bei ihr trat wohl als erstes das Bedürfnis auf, eine feste Abgrenzung nach den benachbarten Dorffluren hin zu unternehmen, und erst später kam die Grenzziehung im Walde hinzu, wenn von dort aus andere Siedlungen näher rückten. Besonders lange hielt sich dieser 1) Das hat HELMOLT, a. a. O., ausführlich geschildert.
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Zwischenzustand wohl bei den Siedlungen, die von Norden und Süden her in den Thüringer Wald und seine breiten vorgelagerten Waldstreifen eingriffen. Von der Entfernung, in der waldwärts eine neue Siedlung angelegt wurde, das Gebiet unter königlichen Bann kam oder ein Grundherr seine Hand darauf legte, hing es ab, wie weit sich später einmal die Gemarkung dieser Dörfer erstreckte. Eine derartige ungewisse Grenze auch nur nach einer Seite hin war dieser Zeit nichts Fremdes. Wir finden die gleiche Erscheinung z. B. auch bei den Abgrenzungen von neugegründeten Bistümern des östlichen Reichsgebietes, wo sie nach Norden oder Osten hin an heidnisches Land grenzten, wie etwa Bremen, Magdeburg und in Mitteldeutschland Würzburg, Buraburg und Erfurt x). Nach Westen und Süden, richtiger gesagt nach den christlichen Ländern zu, hatten sie feste Grenzen, sie stießen dort mit den Grenzen der dort gelegenen Bistümer zusammen. In Richtung auf das Heidenland fehlte aber diese feste Grenze; sie reichten soweit, wie das Christentum nach dieser Richtung hin reichte. Das ist im Kern genau das gleiche, nur daß, entsprechend dem Wesen des Christentums, das Kriterium nicht in geographisch-politischen Gesichtspunkten lag, sondern in geistig-religiösen Momenten. Eine Abgrenzung dieser Bistümer nach Osten zu war in dem Augenblick erforderlich, als dort im Osten neue Bischofssitze begründet wurden (Brandenburg, Gnesen, Meißen usw.). Also ganz entsprechend der gleiche Vorgang wie bei den Siedlungen. Erst dann, wenn nach allen Seiten hin feste lineare Grenzen gezogen sind, hat das Wort ,,marca" die ihm ursprünglich innewohnende alte Bedeutung endgültig verloren und ist zur Dorfflur geworden.
3. Die Bedeutung des Wortes villa. Ist das Wort Mark (einschl. termini, fines usw.) an sich also schon außerordentlich schillernd, so wird das Verständnis der Quellen noch weiter erschwert durch die durchaus nicht eindeutige Verwendung des Wortes v i l l a . 1. Dieses Wort kommt keineswegs nur in der Bedeutung von Königshof, Herrenhof (mit „villicus" und Villikationsverfassung) vor, so wie es ausführlich bei RÜBEL geschildert wird2). Nach ihm zerfällt diese „villa" in den Wirtschaftshof (,,curtis") mit dem Sitze der Verwaltung auf der einen und der Burg („urbs") als der mili1) N O T T A R P , a . a . O . , S . 9 8 .
2) RÜBEL, a. a. O., S. 14ff., bes. S. 24ff.
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tärischen Befestigung auf der anderen Seite. Wir haben in dem ganzen hier untersuchten Gebiet köngliche Höfe dieser Art, ohne daß man es als sicher betrachten kann, daß curtis und urbs s t e t s beide vorhanden waren. Es sind da Gebesee, Wechmar, Dorndorf a. W., Mihla, Salzungen, Gerstungen, Lupnitz, Gotha, Zimmern, Apfelstedt, Mühlhausen, Nordhausen, Artern, Allstedt, Memleben usw.). Auch einige Curtes in dem Besitze weltlicher Großer sind bezeugt, die, ebenso wie eine Reihe der Königshöfe, in den Besitz der Kirche, etwa des Klosters Fulda oder Hersfeld, übergehen. So u. a. die Curtis des Herzogs H E D E N in Arnstadt und in Monra1), den der GERTHRUD in der villa Teutleben2) u.a.m. Wie aber die Formulierung bei den Curtes in Arnstadt und Teutleben zeigt („in loco Arnestati" und „in villa Teitibelu"), liegt auch diese Curtis durchaus nicht als isolierter Herrenhof, sondern in einem Dorfe (Orte), in dem auch andere begütert sind, was auch in mehreren anderen Fällen nachweisbar ist. Auf der anderen Seite ist es aber öfter auch so, daß die Einzelsiedlung eines Bauern (freien Großbauern) mit,,villa'' bezeichnet wird. Es braucht sich also bei „villa" keineswegs um Villa im Sinne der Villikationsverfassung handeln. Villa ist oft einfach Siedlungsstätte, Ort, Niederlassung schlechthin, aus dem sich dann ein Dorf entwickeln mag3). 2. Schon aus dem ganzen Vorhergehenden ist zu ersehen, daß die Bedeutung von villa durchaus nicht einheitlich ist; in der gleichen Bedeutung, wie etwa auch „locus", das speziell in älteren Urkunden häufiger anzutreffen ist, oder auch später, ,vicus" 4). Schon in den ältesten Urkunden, die eine thüringische Ortschaft erwähnen, ist diese Übereinstimmung von villa und locus bezeugt, nämlich in der schon mehrfach erwähnten Schenkungsurkunde des Herzogs H E D E N , in der Arnstadt als „locus" bezeichnet wird (i. J. 704); in dem Testament des Empfängers, nämlich des Bischofs WILLIBRORD, vom Jahre 726, wird dann von Arnstadt als einer „villa" gesprochen, in der H E D E N ihm „suam portionem" geschenkt habe5). Es ergibt sich also, daß „villa" sowohl den Herrenhof wie eine Dorfsiedlung (einschließlich sämtlicher Zwischenstufen) bezeichnen kann. 1 ) B U R K H A R D T , Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1 ( D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 5). 2) D R O N K E , Codex, Nr. 379. 3 ) Vgl. die Beispiele von O S K A R B E T H G E , Fränkische Siedelungen in Deutschland usw., „Wörter und Sachen", Bd. VI, 1914, S. 62. Vgl. auch G. L. v. M A U R E R , Geschichte der Fronhöfe, Bd. I., Erlangen 1862, S. 3f. 4) D O N K E , Codex, Nr. 563 (v. J. 855). — 5) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 15.
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3. Diesen doppelten Sinngehalt des Wortes auseinanderzuhalten, macht in den meisten Fällen keine Schwierigkeiten. Nun kommt aber noch eine dritte Bedeutung hinzu. Villa kann nämlich — neben dem oben S. 289 schon herausgestellten Sinn als Ortschaft im Gegensatz zur Dorfflur — auch gerade diese letztere Bedeutung haben, also die von Gemarkung, eigentlich genau in dem gleichen Sinne wie „in terminis", „in finibus" und „in marcu" 1 ). Wir treffen — um auch hier wieder einige Beispiele zu nennen — Formulierungen wie: „trado . . . omnem proprietatem meam in pratis et unum jugerum in villa Sundheim"2), denn diese Wiesen und das Joch Ackerland liegen eben doch in der Dorfflur. Das gleiche kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn eine Captur als in der „villa Babarahu" (Bibra) gelegen bezeichnet wird8). Auch wenn 130 Joch in der „villa" Jüchsen geschenkt werden4), kann nur die Dorfflur gemeint sein, gleichermaßen bei „campis silvis pratis pascuis aquis aquarumque decursibus" und dgl. „in villa" Marisfeld5). J a wir treffen auf die Formulierung: „trado . . . in villa vocata Pleihfeld marcam in silvis iuxta ripam fluminis Moines", also die am Main gelegene Wald-Mark liegt in einer Villa!6). Auch diese dritte Bedeutung von „villa" ist also in Rechnung zu stellen7). Wie gleichsam in Parenthese eingeschaltet werden darf, beschränkt sich diese Bedeutung des Wortes „villa" durchaus nicht auf unser Gebiet. Ein so aufmerksamer Beobachter wie T H . I L G E N hat auch für den Niederrhein feststellen können, daß „villa" und „marca" in jener Zeit synonym gebraucht werden, ebenso wie „marca" ganz deutlich in dem Sinne von Dorfflur vorkommt8). Es ist also auch hier in keiner Weise angebracht, bei „marca" immer sofort an die Mark im Sinne der alten Theorie zu denken, wie man das so lange weitgehend tun zu können glaubte. Es kommt dann übrigens auch gelegentüch vor, daß „locus" im Gegensatz zu „villa" als Bezeichnung für ein Flurstück verwendet wird, wie etwa in der Schenkung des H E L M W A R T vom Jahr 8 2 8 , 1) Vgl. auch schon die Bemerkung bei G. LANDAU, Die Territorien, S. 115. 2) DRONKE, Codex, Nr. 411.
(Kaltensundheim.)
3) Ebenda, Nr. 462; ähnlich Nr. 4 7 6 ; Dorfflur wird hier in ganz allgemeinem Sinne gebraucht, als Flur schlechthin. 5) Ebenda, Nr. 518.
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4) Ebenda, Nr. 474; ähnlich Nr. 567.
— 6) Ebenda, Nr. 87. (Pleichfeld in Unterfranken.)
7) Einen Hinweis auf diese Gleichsetzung von villa und marca treffen wir auch bei A. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung, Bd. 1, S. 364 an. 8) TH. ILGEN, Die Grundlagen der mittelalterlichen Wirtschaftsverfassung am Niederrhein, „Westdeutsche Zeitschr.," Bd. 32, 1913, S. 53 u. 35.
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durch die das Kloster Fulda „dimidiam partem unius capturae quae est in loco qui dicitur Uuerinesbrunno" erhält 1 ). G. L. v. MAURER 2 ) spricht noch von einer weiteren Bedeutung des Wortes villa, nämlich in dem Sinne von Bauernhof (mansus, hereditas), und führt dafür auch Belege auf. Hier kann nur festgestellt werden, daß diese Verwendung von villa in unserem Material nicht anzutreffen ist; es handelt sich dabei wohl auch um seltene Ausnahmen. Alles in allem müssen wir sagen, daß die „Mark" noch schwieriger eindeutig zu bestimmen ist, als man dies wohl auch heute noch weitgehend annimmt 3 ) und ebenso „villa".
II. Markgenossenschaften. 1. Vorbemerkung. Erst nachdem wir uns genaue Rechenschaft darüber abgelegt haben, welche Ausdrücke die Quellen gebrauchen und in welchem Rahmen überhaupt derartige Bezeichnungen vorkommen, wenden wir uns dem so schwierigen und umkämpften Kapitel der Wirtschaftsgeschichte zu, das sich mit den sozialen Bildungen befaßt, die an die „Mark" anknüpfen. Alle Bestandteile der Gemarkung — die Ortschaft mit ihren Gebäuden, die aufgeteilte Flur und unaufgeteilte Flur — sind mit einbegriffen oder können jedenfalls gemeint sein, wenn in einer der drei Ausdrücke von der Mark die Rede ist. Das, was später aber im Vordergrunde der Lehre von den Marken stand, die Grundlagen, an die genossenschaftliche Bildungen anknüpfen, ist aber eigentlich nur der an dritter Stelle genannte Komplex, die unaufgeteilte Mark, an der in irgendeiner Form Gesamteigentum und Gesamtnutzung bestehe. Hinsichtlich der Nutzung des unbestritten in Privatbesitz befindlichen Ackerund Weidelandes gab es zwar feldgemeinschaftliche Ordnungen, die Aussaat, Ernte u. dgl. regelten — so lautet jedenfalls die herrschende Lehre4) —, aber mit Markgenossenschaft in dem eigentlichen Sinne des Wortes hat das nichts zu tun 5 ). Derartige Ordnungen 1)
Codex, Nr. 476. v. M A U R E R , Geschichte der Fronhöfe, Bd. I , S . 4 . 3 ) Auch J A K O B GRIMM, Deutsche Rechtsaltertümer, 4 . Aufl., Bd. I I , Leipzig 1899, S. 14, dürfte trotz allem die Dinge noch zu einfach angesehen haben. 4) R U D . KÖTZSCHKE, Grundzüge der deutschen Wirtschaftsgeschichte, S. 77 f. 5) Man hat dafür den Ausdruck „laxe" Feldgemeinschaft geprägt. Vgl. H . B R U N N E R , Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl., S. 280; G. v. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, S. 14, Anm. 1. 2)
DRONKE,
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waren durch die Natur der Sache, will sagen: die Gemengelage, gegeben (wo vorhanden), sind also auch dort notwendig, wo es keinerlei Mark im Sinne von unaufgeteiltem Gemeinland gibt, und umgekehrt beweisen sie aber auch nichts für das frühere oder gleichzeitige Bestehen einer strengen Feldgemeinschaft im Sinne eines Eigentumsrechtes der Genossen an der gesamten Mark. Auf eine längere dogmenkritische Darstellung der Lehre von den Markgenossenschaften können wir verzichten 1 ). Es genügt, daran zu erinnern, daß diese Frage zu den am heftigsten umstrittenen unserer Sozial- und Wirtschaftsgeschichte gehört. Diejenigen Forscher, die an der Vorstellung von agrarkommunistischen Urzuständen festhalten, mußten und müssen logischerweise diese Mark damit in Zusammenhang bringen; für sie ist „die echte freie Markgenossenschaft ein Verband von hoher Altertümlichkeit mit Gesamteigentum" 2 ); Haus und Hof, Garten, Feld und vielleicht auch Teile der Weiden und Wälder sind nach und nach zu Privateigentum geworden; das noch unverteilt verbliebene Weide- und Waldgebiet verharrte in Gemeineigentum und gemeinschaftlicher Nutzung der Markgenossen3). So z. B. MOSER, v. M A U R E R , G I E R K E , E I C H H O R N , GLASSON,
WOPFNER,
BRUNNER,
HAFF,
V . ERNST,
v.
SCHWERIN,
und viele andere. Auch G , v B E L O W steht noch im großen ganzen auf dem Boden dieser Anschauung 4 ). INAMA-STERNEGG hat im besonderen die Umbildung dieser alten freien Mark, von der er ausgeht, zu grundherrlichen Marken, die es neben der freien an sich schon in ältester Zeit gegeben hat 5 ), GRADMANN, F E L I X D A H N
1) Sie wird z. B. sehr breit geboten in dem Aufsatz von H E R M A N N W O P F N E R , Beiträge zur Geschichte der älteren Markgenossenschaft, in „Mitteilungen des Instituts für österr. Geschichtsforschung", Bd. 33 u. 34,1912 u. 1913; anschließend daran eine eingehende Replik von A. D O P S C H , Bd. 34, S. 411 ff., der durch seine Angriffe W O P F N E R S Arbeit ausgelöst hatte. Vgl. A. D O P S C H , Karolingerzeit, Bd. I, S. 361 ff. C A R L K O E H N E , Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit. (Schriften der historischen Gesellschaft zu Berlin. Herausg. von D I E T R I C H S C H Ä F E R , Heft 3.), Berlin 1928. Den agrarkommunistischen Ausgang der deutschen Agrargeschichte verteidigen im besonderen W A L T H E R SCHULTZ, Staat und Gesellschaft in germanischer Vorzeit, Leipzig 1926, und V I C T O R E R N S T , Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, Stuttgart 1926. Neuerdings dagegen ganz ablehnend und von den nordischen Quellen ausgehend K A R L W Ü H R E R , Beiträge zur älteren Agrargeschichte des germanischen Nordens, Jena 1935. Hierüberall dogmenhistorische Ausführungen. — 2) R U D . KÖTZSCHKE, S. 79. 3) A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung, Bd. I, S. 362. 4 ) G. v. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters, S. 12 ff. Da er sonst die These vor dem Agrarkommunismus der Urzeit ablehnt, kommt er damit in eine schwierige Lage. 5)
R U D KÖTZSCHKE, a . a . O . ,
S.
80.
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herausgestellt1). Dagegen erklären Forscher, wie FUSTEL DE COULANGES, R . HILDEBRAND U. a. sie für jüngere Bildungen. KARL R Ü B E L bringt sie in dieser Form mit der fränkischen Markensetzung in Verbindung, während er die altgermanische Markgenossenschaft ablehnt2). Die ältere Schule hat, nachdem früher schon FUSTEL DE COU3 LANGES und dann R. HILDEBRAND ihre Geltung bestritten hatten ), besonders gut fundierte Angriffe von A. DOPSCH erfahren müssen. Er lehnt mit gewichtigen Gründen die Ansicht von dem altgermanischen Agrarkommunismus, von dem die Markgenossenschaft ein Teil ist, und zwar derjenige Teil, der auch die Herausbildung von Privateigentum an den Feldern überdauert hat, ab, und ebenso die ganze vorstehend erwähnte Lehre von den Markgenossenschaften. Das, was uns in späteren Urkunden als Marken entgegentritt, sind sehr viel jüngere Bildungen, und das Objekt sind nicht Marken in dem alten Sinne, sondern Dorffluren und grundherrliche Marken, d. h. Nutzungsrechte an einem Grundherrn gehörigen Wäldern4). Forscher wie H. SCHOTTE, T H . ILGEN, F. STEINBACH U. a. haben gleichfalls unter Berücksichtigung eines bestimmten Sondergebietes Nachweise gegen die ältere Lehre zusammengetragen8). Das Bild ist jedenfalls verworren6). Aber darum ist es notwendig, immer wieder auf die Quellen zurückzugehen, auch dann, wenn man sein Augenmerk auf ein bestimmtes abgegrenztes Gebiet richtet. Es gilt zwar dabei, die Gefahr einer vorschnellen Verallgemeinerung der Ergebnisse zu vermeiden7), doch kann das ja 1) 2. Aufl., 2) 3) 4. Aufl., 4) Bd. I, S.
K. T H . v. I N A M A - S T E R N E G G , Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. I, S. 454 passim. Vgl. oben S. 280ff. G. v. B E L O W , Art. „Markgenossenschaft" im „Wörterbuch d. Volksw.", Bd. II, Jena 1932, S. 890. A. D O P S C H , Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, 2. Aufl., 361 ff. In seinen „Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung" hat D O P S C H dann nähere Verbindungen zu spätrömischen Verhältnissen herstellen wollen, was mit Recht abgelehnt worden ist. Darauf einzugehen, würde hier zu weit führen, denn unser Gebiet ist ja frei von römischem Einfluß. Vgl. dazu G. v. B E L O W , „Histor. Zeitschr.," Bd. 120 (1919), S. 329ff; Ders., Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 16f., und H. W O P F N E R , „Histor. Vierteljahrsschr.", Bd. 20 (1920), S. 49ff. 5) Vgl. darüber unten S. 340. 6) Daraus können dann solche Ausführungen entstehen, wie sie J . B E C K E R D I L L I N G E N a. a. O., S. 473ff. bietet. 7 ) Vgl. dazu auch Th. I L G E N , Die Grundlagen der mittelalterlichen Wirtschaftsverfassung am Niederrhein, „Westdeutsche Zeitschrift", Bd. 32, 1913, S. 2f.
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nicht schwer fallen, wenn man sich von Anfang an darüber klar ist, für welches Gebiet die Ergebnisse der Untersuchung Geltung haben sollen. Diese Geltung wird auch hier nur für das Gebiet behauptet, das diesem ganzen Buche zugrunde liegt. Eines steht jedoch fest: Die alte Lehre von den Markgenossenschaften meint nicht etwa einfach den Besitz einer Dorfgemeinde, der ihr privatrechtlich, wie wir heute sagen würden, zugehört und der neben dem privaten Eigentum der Dorfgenossen steht, sondern erkennt in ihnen die Reste eines ehemaligen Gesamteigentums der Genossen an dem ganzen Gebiet („Agrarkommunismus"). Es handelt sich also, quantitativ gesehen, bei der Fläche dieser Markgenossenschaften um ein weites Gebiet, in dem in der Regel auch eine Mehrheit von Dörfern liegt, die normalerweise als von dem einen „Mutterdorf" begründet angesehen werden, bei dem dann das leitende Organ dieser umfassenden Genossenschaft gebildet ist. Die Mark in diesem Sinne ist, wie es GEGENBAUR einmal im Anschluß an die ältere Lehre formuliert hat, „immerhin, wenn auch später mehrere Ansiedelungen und Dörfer auf dem Gebiete dieser Mark entstanden sind, in r e c h t l i c h e r B e z i e h u n g nur ein Dorf, so daß demnach die Mark einen rein ö r t l i c h e n , lediglich den Grund und Boden umfassenden und in sich abgeschlossenen einheitlichen Bezirk bezeichnet"1). Es fehlt zwar ganz an urkundlichen Nachrichten über solche Markgenossenschaften aus der Karolinger- oder einer noch früheren Zeit, sondern sie begegnen uns in seltenen Fällen frühestens im 12. Jahrhundert und sonst eigentlich erst im 15.—16. Jahrhundert, aber die ältere Lehre sieht darin eben lediglich Rudimente der alten Zeit, sieht auch in den relativ wenigen solchen Genossenschaften nur Überbleibsel eines Zustandes, der früher eben allgemein war. Auf all das wird im Laufe der folgenden Untersuchungen näher zurückzukommen sein. Im übrigen ist es erstaunlich, auf welch schmaler Basis eigentlich die Lehre von den alten Markgenossenschaften ruht, wenn man richtig hinsieht. Da ist einmal der berühmte Titel 45 der Lex Salica („de migrantibus"), der vorsieht, daß die Nachbarn oder Dorfgenossen (vicini) gegen die Niederlassung Fremder Einspruch erheben können; in diesen „vicini" sah man eben die Markgenossen und das Einspruchsrecht des Einzelnen als Ausfluß des Gesamteigentumsrechtes der Genossenschaft2). So konnte STÄBLER mit Recht sagen: „Die Stelle ist von jeher als Hauptbeweis für die 1) J. GEGENBAUR, Das Kloster Fulda im Karolinger Zeitalter, II. Buch, S. 37 f. 2) Vgl. darüber unten S. 299ff.
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Existenz der Markgenossenschaft in frühfränkischer Zeit betrachtet worden" 1 ). Und daneben steht das Edikt des Königs C H I L P E R I C H , der das Heimfallsrecht der Nachbarn, das diese bisher bei Fehlen eines Sohnes gehabt hatten, zugunsten der Töchter, Brüder und Schwestern des Verstorbenen aufhebt und es nur noch bestehen läßt, wenn Erben dieser Verwandtschaftsgrade fehlen2). Beide gehören dem 6. Jahrhundert an. Sie sind allein dem salischen Gesetzesbereich angehörig, ja C H I L P E R I C H S Gesetz ist nur für Neustrien erlassen3), sie haben daher für unser Gebiet primär keine Geltung, und es ist auch, nachdem von Süden her salisches Recht in den Südwesten unseres Gebietes eindrang, nichts davon zu entdecken, daß diese Bestimmungen hier Geltung erlangt hätten. Und überdies hat D O P S C H mit sehr triftigen Momenten sich dahin ausgesprochen, daß es schon von vornherein falsch ist, in diesen „vicini" Markgenossen zu sehen, sondern daß damit Dorfgenossen gemeint sind, also etwas ganz anderes, was der alten Lehre den Boden entziehen würde, und zwar gerade dort, wo sie ihr Hauptfundament sucht 4 ). Die Antwort auf die Frage, wie wir uns dazu zu stellen haben, wird mit den nachfolgenden Ausführungen gegeben. 2. Quellenbefund der Karolingerzeit: Nutzungsrechte oder Eigentum? Wir richten jetzt an unser Material die Frage, was sich aus ihm für ein Bild gewinnen läßt. Wir gehen also so vor, daß wir zunächst einmal nachsehen, wie es in der Zeit steht, aus der wir die ersten Urkunden besitzen, und versuchen dann erst, Rückschlüsse auf die noch ältere Zeit, die spg. „Urzeit", zu ziehen. Da stehen wir zunächst vor der Tatsache, daß die Quellen eigentlich über die Existenz einer Markgenossenschaft sich gänzlich ausschweigen. Darauf haben Forscher wie T H E V E N I N und S C H O T T E und D O P S C H in anderem Rahmen schon mit voller Deutlichkeit 1)
STÄBLER, a . a . O . ,
S.
710.
2) Edict. Chilp. c. 3. Vgl. SCHRÖDER-V. KÜNSSBERG, Lehrbuch, S. 224.; BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl., S. 281; A. DOPSCH, in „Mitteil, d. Instituts f. österr. Geschichtsforschung", Bd. 34, S. 408; A. DOPSCH, Karolingerzeit, Bd. I, S. 377ff. 3) RUD. KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 216. 4) A. DOPSCH, Karolingerzeit, Bd. I, S. 380 ff. Vgl. dort die Interpretation, die GIERKE als Vertreter der Markgepossenschaftstheorie diesem Edikt gibt, während DOPSCH zn dem Schluß kommt: „Die Erklärung der vicini als Markgenossen beruht lediglich auf der supponierten Analogie mit den Nachbarn mancher Weistümer des späteren Mittelalters" (S. 380f.). STEINBACH legt mit Recht großen Wert darauf, daß diese Unterscheidung von D o p s c p nicht wieder verwischt wird (a.a.O., S. 50).
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hingewiesen1), aber es ist direkt überraschend, bei eigenem sorgfältigem Quellenstudium zu sehen, wie sehr dies der Fall ist. Vor allem fehlt es, worauf DOPSCH im Anschluß an v. INAMA-STERNEGG verwiesen hatte 2 ), an Beweisen dafür, daß die Genossen von dem ihnen zugeschobenen Widerspruchsrecht gegen die Zulassung neuer Siedler, oder daß die Gesamtheit von dem von ihr behaupteten Recht der Erbschaft in bestimmten Fällen (Fehlen näherer Leibeserben usw.) Gebrauch gemacht hätten. Wir finden in unseren Quellen jedenfalls überall das freie und durchaus unbeschränkt ausgeübte Recht der freien Verfügung über den Besitz, und Stellen nachzuweisen, in denen das Erbrecht der Gesamtheit verwirklicht worden wäre, ist man vollends in Verlegenheit. Das, was feststeht, ist lediglich das häufige Vorkommen des Wortes „Mark" in der oben dargelegten, so mannigfaltigen Bedeutung (identisch mit fines und termini, oft auch mit villa). Wenn W A I T Z 3 ) sagt, daß mit dieser Bezeichnung oft gerade „mit Vorliebe" ungeteiltes Land bezeichnet würde, so hat er in der Sache recht, ohne daß man aber von unserem Material aus sagen könnte, daß diese Bedeutung im Vordergrund steht. Gerade die Dorfflur oder auch ein größeres Gebiet, wo Ackerfluren, Hofstätten usw. bezeugt sind, werden immer wieder so genannt 4 ). Da nun markgenossenschaftliche Bildungen, wenn sie überhaupt bestanden, an dem unaufgeteilten Lande haften müssen, ist es erforderlich, sich zunächst und vor allem anderen einmal Klarheit darüber zu verschaffen, was es an unaufgeteiltem Land, bei dem Gemeineigentum und markgenossenschaftliche Organisation hätte Platz greifen können, überhaupt in den Quellen unserer Zeit ge1) A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung, Bd. I, S.369; gelegentlich sagt D O P S C H zu diesem Thema kritisch gegen W O P F N E R gewendet: „Und darüber kommt auch W O P F N E R nicht hinweg. Es ist für alle, die nicht von vornherein die Markgenossenschaft der älteren Theorie als etwas auch ohne historische Zeugnisse Feststehendes betrachten, doch gewiß sehr bezeichnend, daß es selbst W O P F N E R , obwohl er seine ganze Arbeit lediglich auf die Verteidigung jener gerichtet hat, nicht gelungen ist, auch nur e i n e Quellenstelle ausfindig zu machen, die e i n w a n d f r e i im Sinne der Markgenossen gedeutet werden müßte." (Die Markgenossenschaft der Karolingerzeit, in,.Mitteil. d. Instit. f. österr. Gesch.", Bd. 34, S. 407). (Dieser letztgenannte Aufsatz ist wieder abgedruckt in „Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters", gesammelte Aufsätze, Wien 1928, S. 257ff. Hier wird nach dem Erstdruck zitiert.) 2) A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung, Bd. I , S . 368; v. I N A M A - S T E R N E G G , Die Ausbildung der großen Grundherrschaften, S. 10. — 3) A. a. O., S. 211. 4) Auch A. D O P S C H führt dafür gerade aus dem Fuldaer Material eine Reihe von Belegstellen an (a. a. O., S. 364, Anm. 9).
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geben hat. Dabei richten wir unser Augenmerk erklärlicherweise zunächst auf die Wälder und Weiden usw., die uns genannt werden. Unsere Frage muß also zunächst lauten: Sind jene Wälder, Weiden usw., die in den Pertinenzformeln der Schenkungsurkunden aufgeführt werden, p r i v a t e r B e s i t z jener Schenker, oder aber handelt es sich dabei lediglich um N u t z u n g s g e r e c h t s a m e , die hier weggegeben werden, so wie es nach der alten Lehre von den Hufen und Markgenossenschaften ja sein müßte? Da die Hufe, wie wir sahen, nur bei einem kleinen Teil der Schenkungen Erwähnung findet, ist es vielleicht zweckdienlich, wenn wir diese Schenkungen einmal im Hinblick auf die hier zur Debatte stehenden Frage gesondert durchprüfen und dann erst die gleiche Prüfung bei den Urkunden vornehmen, die sich auf Nicht-Hufenland beziehen. a) Q u e l l e n z e u g n i s s e bei S c h e n k u n g e n v o n H u f e n l a n d und N i c h t - H u f e n l a n d . d) Hufenland. Es ist außerordentlich überraschend, daß auch ein Forscher wie G . CARO, der doch sonst die Hufenlehre von W A I T Z , M E I T Z E N , L A M P R E C H T usw. scharf ablehnte, in diesem anderen Punkte mit jenen Schriftstellern übereinstimmt 1 ). Er unterscheidet sich von W A I T Z usw. lediglich darin, daß er aus seinem Material heraus die grundherrliche Entstehung der Hufe aufzeigt, während die ältere Lehre ja an dem Gedanken der freibäuerlichen Herkunft festgehalten hatte. In dem, was den sozial-wirtschaftlichen Untergrund der Hufe bildet, sieht er keine Veranlassung, die sonst von ihm bekämpfte Lehre anzuzweifeln. Da auch hier auf Grund des urkundlichen Materials die freibäuerliche Entstehung der Hufe abgelehnt werden mußte (s. oben S. 252 ff.), entsteht für uns im besonderen die Frage, ob CARO bei seiner Einstellung diesem anderen Problem (Markgenossenschaften) gegenüber recht hat oder nicht. Er sieht zwar auch, was gleichfalls bei einer Durchsicht unseres Materials sofort in die Augen springt, daß bei der Angabe dessen, was geschenkt wird, gar kein Unterschied gemacht wird zwischen Hofstatt und Ackerland, die beide privates E i g e n t u m sind, auf der einen Seite, und Wald, Weiden, Gewässern usw., an denen nach dieser Auffassung lediglich ein N u t z u n g s r e c h t besteht, auf der anderen Seite. Aber er sperrt sich doch dagegen, aus dieser Tatsache irgendwelche Folgerungen zu ziehen, weil er meint, Wald, Wiesen, Gel l G. CARO, Die Grundbesitzverteilung in der Nordostschweiz, in: Beiträge zur älteren deutschen Wirtschafts- u. Verfassungsgeschichte, Leipzig 1905, S. 14f.
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wässer usw. könnten gar nicht so zersplittert gewesen sein, daß man ihre Aufteilung in Privatbesitz anzunehmen habe (Ausnahmen zugegeben). In dem häufig gebrauchten Ausdruck „quicquid habere videor" statt des einfacheren „quicquid habeo" glaubt er dafür eine gewisse Bestätigung zu sehen. Ist das nun aber richtig? Sind Wald und Weide usw. tatsächlich Gesamteigentum, an dem der einzelne, auch der einzelne Hufenbauer, nur Nutzungsrechte hat ? Dies ist unsere Frage. Von den nicht allzu zahlreichen Urkunden, in denen von Hufen die Rede ist, bringt wiederum nur ein kleiner Teil Angaben über das, was zu dieser Hufe gehört, besser: woraus diese Hufe besteht. Aber schon daraus geht hervor, daß dies nicht einheitlich ist. Da heißt es einmal: „trado . . . quatuor hobas in silvis in pratis in pascuis in acquis aquarumque decursibus in molinariis in aedificiis in mancipiis"1). Aber gerade diese Formel, die so erschöpfend klingt, macht für die Deutung besondere Schwierigkeiten, ganz abgesehen von dem nicht ohne weiteres von der Hand zu weisenden Verdacht, daß es sich um eine rein floskelhafte Aufführung alles dessen handelt, was überhaupt geschenkt werden kann, wie sie nicht allzu selten ist. Aber gehen wir einmal von diesen Angaben aus, dann würde die Urkunde besagen, daß hier ein Grundherr vier Hufen mit den darauf sitzenden Unfreien2), den Gebäuden und Feldern, aber auch mit Wäldern usw. schenkt. Daß der Grundherr an Wäldern und Weiden usw. Eigentum haben kann und hat, geht aus einer Fülle von Urkunden hervor; das dürfte heute kaum noch bestritten werden. Wie aber ist die Lage für die Hufenbauern ? Sie haben ja bei diesem Stande der Entwicklung noch kein Eigentum, sondern haben an allem, auch an Häusern und Äckern, nur ein übertragenes Nutzungsrecht. Nichts spricht dafür, daß ihr rechtliches Verhältnis zu den Wäldern und Weiden usw. ein anderes ist als das zu den Häusern und Äckern. Alles ist ihnen zugeteilt, sie selbst gehen durch die Schenkimg mitsamt allen Pertinenzien in das Eigentum eines anderen Grundherren, des Klosters Fulda, über. Wenn der Grundherr an den Wäldern und Weiden usw. nur ein Nutzungsrecht verschenken wollte, so wie es der älteren Lehre entsprechend angenommen werden müßte, hätte er das doch wohl zu verstehen gegeben, zumal damit ja ein anderer Grundherr (Fulda) Obereigentumsrechte an ihm gehörigen Wald und Weide erhalten hätte, denn der neue Herr war ja auch Herr über derartige vergabte Rechte. 1) DRONKE, Codex, Nr. 120 (vom Jahre 796). 2) Mitgeschenkte Unfreie werden sehr oft am Schluß genannt.
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(Erst im 9. Jahrh. fangen sich festere Rechte der Unfreien an herauszubilden.) Schon an diesem einen Beispiel läßt sich ersehen, wie sehr in der WAiTzschen Lehre freie Hufenbauern und markgenossenschaftliche Nutzung am Gemeinland zusammenhängen, und daß die ganze Situation sofort anders aussieht, wenn wir berücksichtigen müssen, daß die Hufen grundherrliche Schöpfungen sind. Man muß dann, und das ist prinzipiell gegen die oben erwähnte Einstellung von CARO einzuwenden, auch das Problem der Markgenossenschaften neu durchdenken. Hätte, um einmal diesen Eventualfall anzunehmen, der Grundherr bei der Zuteilung von Wald und Weide usw. diese den vier unfreien Hufenbauern nicht einzeln in Stücken zugeteilt, sondern ihnen allen vier zu gesamter Hand gegeben und einem jeden von ihnen nur ein Nutzungsrecht, so hätten wir hier im Kern eine kleine (unfreie) Markgenossenschaft vor uns, die sich gegebenenfalls im Laufe der Jahrhunderte, wenn im besonderen der neue Herr ihnen gnädig war, zu einer größeren Genossenschaft hätte auswachsen können, — aber diese Markgenossenschaft hätte einen grundherrlichen Ursprung gehabt, würde also auf keinen Fall dem Bilde entsprechen, das die ältere Lehre entworfen hat. Doch kehren wir zur Betrachtung unseres Materials zurück. Wir verfügen über einige Urkunden, in denen als Inhalt der geschenkten Hufen ausdrücklich Ackerland 1 ) angegeben ist. Der Grundherr konnte ja unfreie Bauern auf Hufen ansetzen, zu denen er lediglich Ackerfläche gegeben hatte, denn er hatte ja die Möglichkeit, für den Holzbedarf und dergleichen dieser Bauern anderweitig zu sorgen (womit allerdings wieder der Keim zu einer möglichen Entstehung grundherrlicher Markgenossenschaften gelegt war), und ebenso konnte er die Hufen in dieser Form verschenken und es dem Empfänger (Fulda) überlassen, aus seinem großen Bestand an Wäldern, Weiden usw. die geschenkten Hufenbauern auszustatten. Umgekehrt gleich steht es dort, wo die geschenkte Hufe nur aus Wald bestand, wie etwa die eine aus der Schenkung des A S O L F , wo es heißt, „duas hubas, unam in campis et aliam in silvis" 2 ). Es geht aus diesen Belegstellen hervor, daß das Bild von dem Hufenbauer mit Nutzungsrechten genossenschaftlicher Art in der Mark nicht richtig sein kann; der Hufenbauer hatte das, was ihm der Herr zuerteilte. Für unsere eigentliche Frage, ob privates Eigen1) DRONKE, Codex, Nr. 425 (vom Jahre 425) („duas liobas terrae arabilis"); ebenda, Nr. 542 (vom Jahre 842) („huobas novem de terra arabili"); ebenda, Nr. 66 vom Jahre 779 (,,una hoba terrae araturiae"). 2) Ebenda, Nr. 310; ähnlich ebenda, Nr. 300.
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tum an Wald und Weiden usw. besteht, sind andere urkundliche Zeugnisse aufschlußreicher. So etwa die große Schenkung, die 1 T H E O T R A T und zwei andere zum Seelenheil des Asis machen ). Es handelt sich dabei um 55 Mancipia, mehrere Hofstätten in verschiedenen Dörfern, Capturen, Vieh, dann aber auch um Hufen oder Hofstätten mit Waldanteilen. Die Schenkung nennt in Heldburg ,,aream unam et huobam unam et totius silvae ad ipsam marcam pertinentis partem unam id est quartae partis tertiam partem", in der Hellinger Mark „areas duas et silvae similiter quartae partis tertiam partem", das gleiche in der Mark Hundshaugk und schließlich in der Mark Seßlach „areas duas huobas quatuor et de silva quartae partis tertiam partem". Die Frage, ob hier Nutzungsrechte oder privates Eigentum gemeint sind, kann auch wieder nur zugunsten des letzteren entschieden werden, denn diese Waldstücke stehen neben dem sonstigen Besitz, in der Aufzählung lediglich mit „et" verbunden, und im übrigen wird anläßlich dieser Schenkung der Wald, den der Grundherr an den verschiedenen Orten besitzt, zerstückelt, und dies doch wohl irgendwie in dem Verhältnis der geschenkten Hufen zu denen, die der Schenker in seiner Hand zurückbehielt. Gerade diese Zerstückelung ist im Hinblick auf die oben wiedergegebene Ansicht von CARO nicht unwichtig. So geringfügig, quantitativ gesehen, auch das Material ist, so eindeutig spricht es doch dagegen, daß es an Wald und Weide usw. nur ein markgenossenschaftliches Nutzungsrecht gibt und kein freies Eigentum. Aber immerhin muß man sich darüber klar sein, daß im ganzen gesehen diese Urkunden, die von Hufenschenkungen berichten, für unser Thema weniger bedeuten, weil die Hufen grundherrlichen Ursprunges sind und in diesen Schenkungen nur aus der Hand eines Grundherren in die eines anderen gehen, wobei der Schenker ja von sich aus bestimmen kann, was er schenken will, und wobei der Grundherr ja stets in der Lage ist, für die wirtschaftlich erforderlichen Wald- und Weidenutzungen anderweitig durch Zuweisung entsprechender Rechte zu sorgen2). Eigentümer der Hufe wie des Waldes ist der Grundherr. Wenn er der Hufe ein Stück Wald zuteilt, kann daraus mit Besserung der Lage der Hufenbauern privater Besitz werden. Wichtiger für die Beurteilung und 1)
Ebenda, Nr. 520
(DOBENECKER,
Hegesten,
I,
Nr.
173)
(vom Jahre 838).
2) Daß darin die Möglichkeit einer Bildung grundherrschaftlich fundierter Genossenschaften, die zu Markgenossenschaften im späteren Sinne werden konnten, lag, sei auch hier noch einmal hervorgehoben.
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Entscheidung des Markgenossenschaftsproblems sind aber die freibäuerlichen Verhältnisse, die wir nur näher kennenlernen können, wenn wir unser Augenmerk auf Schenkungen von Nicht-Hufenland lenken, bei denen neben grundherrlichen auch freibäuerliche Verhältnisse zutage treten. ß) Nicht-Hufenland. Die üblichen Formeln, mit denen u. a. Wald, Weide usw. verschenkt werden, lauten etwa: „trado . . . quicquid proprietatis habemus ex jure parentum et alio quocunque modo acquisitum totum et integrum cum terris silvis aedificiis campis pratis aquis aquarumve decursibus et omnibus adiacentiis et mancipia X I I I I " 1 ) oder auch „quicquid ibi proprietatis visus sum habere tarn terris quam silvis domibus aedificiis"2). So oder ähnlich heißt es immer wieder, wenn nicht einfach kurz von „bona mea" oder „predium meum" oder „proprietatem" die Rede ist, wie häufig in den Fuldaer „Traditiones " s ). Wenn die Lehre von den Markgenossenschaften richtig ist, müßte bei den Aufzählungen in den Pertinenzformeln keinerlei Unterschied zwischen Eigentum und Nutzungsberechtigung gemacht worden sein, man müßte also, um bei den Worten „tarn terris quam silvis domibus aedificiis . . . " zu bleiben, annehmen, daß der Schreiber erst Privateigentum, dann markgenossenschaftliches Nutzimgsrecht und dann wieder Privateigentum hätte bezeichnen wollen, ohne das auch nur im geringsten irgendwie zu kennzeichnen. Auch wenn man sich völlig darüber klar ist, daß der germanische Eigentumsbegriff sich von dem römischen unterscheidet, fällt es schwer zu glauben, daß man diesen wichtigen — auch im germanischen Recht wichtigen — Unterschied nicht zu bezeichnen für notwendig gehalten hätte. Auch unter den „omnibus adiacentiis" derartige Nutzimgsrechte verstehen zu wollen, dürfte nicht angängig sein, zumal vorher ja Wald und Weide usw. besonders aufgeführt sind. Die Befugnis zur Benutzung der durchgehenden Wege und Gewässer mag vielleicht unter solchen Formulierungen verstanden worden sein, wenn man nicht glaubte, dies als selbstverständlich im Rahmen einer Urkunde unberücksichtigt lassen zu können (was wohl das 1) DRONKE, Codex, Nr. 93 (vom Jahre 789). 2) Ebenda, Nr. 490 (vom Jahre 836). 3) Daß damit das gleiche gemeint ist, wie in den langen Formeln der eigentlichen Urkunden, geht klar hervor, wenn wir, wo das möglich ist, die betr. kurzen Angaben mit den Urkunden vergleichen, so z. B. DRONKE, Codex, Nr. 455 mit Trad., Kap. 3, Nr. 194, und Kap. 39, Nr. 2; DRONKE, Codex, Nr. 466 mit Trad., Kap. 39, Nr. 140 usw.
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Wahrscheinlichere ist). Es könnten auch unter solcher Wendung die Ackergeräte gemeint sein, die natürlich Zubehör eines Wirtschaftshofes sind, ferner Vorräte, Kleinvieh, Hürden usw. Aber Nutzungsrechte der gedachten markgenossenschaftlichen Art darunter anzunehmen, fällt doch allzu schwer, besonders wenn man berücksichtigt, daß Jagd- und Fischereirechte durchaus besonders aufgeführt werden, wenn sie als besondere Rechte mit geschenkt sind1). Auch darf man doch nicht übersehen, daß die Wälder und Weiden in diesen Pertinenzformeln ausdrücklich als E i g e n t u m (proprietas) bezeichnet werden und nicht von R e c h t e n an ihnen die Rede ist. Und wo das geschenkte Gut den in den Pertinenzformeln genannten Zubehör nicht aufweist, sondern nur einzelne dieser Dinge, da treffen wir dann so konkrete Angaben wie etwa in der schon mehrfach erwähnten Schenkung des Herzogs H E D E N in Monra, in der er Ackerland und Wälder mit den Worten schenkt: „ . . . quadringentos diurnales de terra et tertiam partem de silva ad eandem curtem pertinentem"2). Auch sonst fehlt es keineswegs an Urkunden, die, abgesehen von jenen summarischen Pertinenzformeln, die Schenkungen von Wald und Waldstücken bezeugen, also beweisen, daß an ihm Privateigentum bestand3). Ebenso konkret sind die Angaben auch bei den Urkunden, in denen lediglich Ackerland geschenkt wird, also anderes Gut ausgeschlossen ist4),. Wenn wir dann noch bedenken, daß einzelne Unfreie5), einzelne Wiesen*), Capturen7) usw. Gegenstand der Schenkung sein können, wird der Eindruck nur noch verstärkt, daß die Urkunden dieser Zeit durchaus deutlich das sagen, was sie an Gütern tradieren 8), und daß dies die Güter selbst 1) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 6 8 : die große, in grundherrlichem Streubesitz stehende Schenkung des ALWALACH. 2) BURKHARDT, Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1. 3) DRONKE, Codex, Nr. 408, 411, 506, 520, 594 usw.; DRONKE, Trad., Kap. 38, Nr. 201, 301; DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 179. Von „tria novalia proprie silve" ist DRONKE, Trad . Kap. 39, Nr. 77 die Rede; von „novalia" sonst noch z. B. ebenda, Nr. 77, 168; Kap. 43, Nr. 13, 22. Übrigens sagte auch JAKOB GRIMM, Deutsche Rechtsaltertümer, 4. Aufl., Bd. II, S. 16, bereits sehr treffend: „Ohne Zweifel gab es auch in frühester Zeit schon verteiltes Waldeigentum, zumal in den Händen der Edeln und vieler Freie, wie zahllose Urkunden dartun, worin Wälder veräußert werden." Dieses Zeugnis ist um so wertvoller, als GRIMM sich der markgenossenschaftlichen Theorie angeschlossen hatte. 4) Beispielsweise DRONKE, Codex, Nr. 473, 482, 573. 5) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 409, 423, 424, 452, 479, 481 usw. 6) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 411, 426. — 7) Vgl. unten S. 306, Anm. 2. 8) Natürlich werden die Pertinenzformeln oft, vor allem später, rein floskelhaft gebraucht. Man kann dann nicht in dem gegebenen konkreten Fall annehmen, daß das geschenkte Gut alle die Bestandteile umfaßt, die hier aufgezählt sind. Aber darum handelt es sich ja hier nicht, sondern im Gegenteil darum, ob die Urkunden wesentliche Dinge verschweigen. Und das muß verneint werden. L ü t g e , Agrarverfassung.
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und keine Nutzungsrechte sind, ganz gleichgültig, ob es sich um die Schenkungen von Grundherren oder freien Bauern handelt. Denn hier gab es keinen Unterschied. Die Zugehörigen des Standes der Edlen sind ebenso gemeint wie die Zugehörigen des Standes der „liberi", wenn es heißt: „libero homine liceat hereditatem suam cui voluerit tradere" 1 ). Von einer Zustimmung anderer (d. h. auch von Genossen) ist aber bei Schenkungen von Wald und Weide ebensowenig die Rede wie bei Schenkungen von Haus und Acker. Das ist nur erklärlich, wenn man annimmt, daß in der Rechtslage kein Unterschied zwischen beiden Kategorien besteht, d. h. also, daß auch Wald und Weide freies Eigentum derjenigen sind, die sie verschenken, und freies Eigentum derjenigen werden, die sie erhalten. b) Q u e l l e n z e u g n i s s e bei S c h e n k u n g e n v o n C a p t u r e n und R o d u n g e n . Aber vielleicht könnte man dagegen immer noch einwenden: es hat eben zweierlei Wald gegeben, nämlich Wald in Privatbesitz und dann solchen in markgenossenschaftlichem Besitz, in dem der Einzelne nur Nutzungsrechte hatte. Um dieser Frage näherzukommen, empfiehlt es sich, diejenigen Urkunden näher zu betrachten, die Schenkungen von Capturen zum Gegenstande haben. Denn wenn man davon ausgeht, daß auf den Wäldern der „Mark" ein Nutzungsrecht der Genossen haftet, müßte man erwarten, daß bei den zahlreichen Nachrichten, die Capturen betreffen 2 ), etwas über diese Nutzungsrechte gesagt ist, daß hier dann wenigstens eine Zustimmung der Genossen oder der leitenden Organe der Genossenschaft gefordert wird, denn in dem Augenblick, in dem ein Stück Wald zur Captur wird, kommen ja die behaupteten Nutzungsrechte der Genossen an ihr auf alle Fälle in Fortfall. Denn die Captur ist ja — unbestrittenermaßen — überall freies Eigentum, sei es eines Grundherren oder Bauern, eines Ehepaares oder auch zuweilen mehrerer Männer 3 ). Es ist falsch, wenn R Ü B E L annehmen will, daß anläßlich der fränkischen „Markensetzung" alles Land, das nicht in Königs- oder Gemeindebesitz überging oder als privates Eigentum anerkannt war, nun als Captur an Private überwiesen 1) Titel 51 der Lex Thuringorum; vgl. oben S. 143. 2) Zum Beispiel D R O N K E , Codex, Nr. 269, 311, 354, 415, 453, 462, 465, 471, 472, 474, 476, 479, 497, 542 usw.; D R O N K E , Trad., Kap. 38, Nr. 35, 168, 172, 201, 279; Kap. 39, Nr. 6, 111, 119, 125, 132, 133, 137, 151, 152, 154 usw. 3 ) Letzteres z. B . D R O N K E , Codex, Nr. 4 7 1 .
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worden sei1). Hier macht sich sein falscher Ansatzpunkt fehlererregend geltend. Es wird uns mehrfach ausdrücklich bezeugt, daß die Captur von dem Eigentümer „capta" 2 ) oder „comprehensa" 3) sei, ja, sie selbst wird „comprehensio" genannt4), und das ist doch das Gegenteil von Zuteilung. Diese Ausdrücke setzen eine Aktivität des Eigentümers voraus und kein passives In-EmpfangNehmen. Auch mit anderen Worten wird uns der Besitz gerodeter Waldstücke in Privatbesitz bezeugt. So ist z. B. in einer Schenkungsurkunde von ca. 817 die Rede von „tres laboraturas silvae quas nos dicimus thriurothe"5), oder es werden 826 dem Kloster Fulda 13 Joch „cum anariutu"6), also 13 Joch mit anliegender Rodung geschenkt. Es sind freie Bauern, von denen uns dies bezeugt ist, keine Grundherren. Auch ein Verkauf einer Captur ist uns bezeugt, ohne daß von einer markgenossenschaftlichen Genehmigung die Rede wäre, sondern die Kaufverhandlung findet vor dem Grafen statt 7 ). Und wenn man auch den Gedanken an besondere Genehmigungen fallen lassen wollte, so müßte man doch immerhin Angaben über Fruchtbäume (Eichen, Buchen usw.) erwarten, die ja in den späteren Quellen (auch gerade in den Weistümern) besonders geschützt sind, so hoch, daß z. T. ihre bloße Beschädigung mit grausamster Todesstrafe bedroht ist8). Dies müßte erst recht zutreffen, wenn es stimmt, daß auch der Besitzer eines Fruchtbaumes diesen nicht beschädigen durfte, wie H. STÄBLER, also ein besonders überzeugter Anhänger der alten Markenlehre, meint9). Mit der Anlage einer Captur gelangten ja zwangsläufig in der Regel eine ganze Reihe von Fruchtbäumen in privaten Besitz, nachdem sie vorher, gemäß dieser Lehre, im Gemeinbesitz gewesen waren. Es wäre nicht 1) K. RÜBEL, a. a. O., S. 173. Vgl. hierzu auch die Kritik von IMGRAM, a. a. O., S. 14. 2) DRONKE, Codex, Nr. 165, 631. — 3) Ebenda, Nr. 472. — 4) Ebenda, Nr. 479. 5) DRONKE, Codex, Nr. 354 (DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 100). Das sonst ganz unbekannte (!) Wort „thriurothe" bedeutet Holzrodung. Für die Erklärung dieses Ausdruckes wie auch des Wortes „anariutu" in der in folgender Anmerkung genannten Belegstelle habe ich dem Marburger Sprachwissenschaftler Dr. STEGMANN Dank zu sagen. 6) DRONKE, Codex, Nr. 469. — 7) Ebenda, Nr. 471. 8) H. STÄBLER, a. a. O., S. 711 ff., stellt eine ganze Reihe solcher Beispiele zusammen. Darauf, daß diese außerordentlich grausamen Strafen, die in spätmittelalterlichen Quellen auf Mark- und Grenzfrevel stehen, nicht auf die fränkische Markensetzung nach RÜBEL zurückgehen können, weil diese Zeit wesentlich mildere Strafen kannte, hat STÄBLER gegenüber RÜBEL mit Recht hingewiesen (a. a. O., S. 717). —
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STÄBLER, a . a . O . , S. 713.
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zu verstehen, daß man dann keine diesbezüglichen Regelungen getroffen haben sollte. Aber nirgends findet sich in den Urkunden unserer Zeit eine Andeutung nach dieser Richtung hin. Alles dies spricht gleichfalls dafür, daß es an dem Walde in dieser Zeit keine genossenschaftlichen Nutzungsrechte und genossenschaftliches Eigentum im Sinne der älteren Lehre gegeben haben kann. Und wenn man, wie K A R L H A F F , eine Erklärung dieses an sich nicht zu leugnenden Tatbestandes nach der Richtung hin versucht, daß man sagt, die alten Markgenossenschaften in der früheren Zeit seien eben nicht „als wohlorganisierte Genossenschaften im Sinne mittelalterlicher Markgenossenschaften aufzufassen"1), muß man sich die Gegenfrage gefallen lassen, ob denn nicht eine Genossenschaft mit Eigentumsrechten, wenn sie überhaupt da ist, auch wenn ihre Organisation noch so locker ist, irgendwelche Beweise ihres Daseins, und seien sie noch so geringfügig, geben muß. Und woanders hätten diese Lebensäußerungen erfolgen sollen, wenn nicht bei der Herausnahme von Land aus dem Gesamteigentum durch einen der Genossen ? Auch wenn man daran denkt, daß im deutschen Mittelalter und wohl auch in der Frühzeit der Gedanke besonders lebendig war, daß Arbeit Eigentum verschaffe2), muß man hier ganz besonders irgendwelche Lebensäußerungen der Markgenossenschaft vermissen. 3. Die Entstehung der Markgenossenschaft: Vom freien Nutzungsrecht zum Gemeinland. a) V o r b e d i n g u n g e n . Aber gab es auch kein Gemeineigentum und keine markgenossenschaftliche Organisation, so gab es doch allen Freigeborenen (Edlen und liberi) gemeinsame Rechte, und darunter im besonderen das Recht, sich privates Eigentum zu verschaffen durch den Akt der Okkupation in den Gebieten, die noch nicht in jemandes Eigentum standen, im „Niemandsland", im „eremus", in der „wilden 1) K. HAFF, Zur Geschichte des germanischen Grundeigentums, „Zeitschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgeschichte", Germ. Abtig., Bd. 49, 1929, S. 433. H A F F zitiert hier auch als Kronzeuge für seine Ansicht den Satz von K Ö T Z S C K E : „Völlig fest organisiert war er anfänglich noch kaum" (Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 216). K Ö T Z S C H K E spricht aber nicht von Markgenossenschaften im Sinne der älteren Schule, sondern in ausdrücklicher Absetzung davon von einer ,,Ortsflurgenossenschaft". E r drückt sich überhaupt sehr zurückhaltend aus, und man kann ihn kaum zu den Verfechtern der alten markgenossenschaftlichen Theorie zählen. Vgl. auch unten S. 310. 2)
SCHRÖDER-V. KÜNSSBERG,
Lehrbuch der Rechtsgeschichte, 7. Aufl., S . 2 2 2 f .
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Mark" und wie die Ausdrücke sonst lauten mögen. Dazu kamen Holz- und Weiderechte, Jagdrechte u. dgl. Aus diesem Niemandsland hatten sich die Frankenkönige große Gebiete gesichert, aus ihm dotierten sie Klöster (Fulda), aus ihm nahmen sich die Edlen und freien Bauern nach Bedarf und Vermögen Land, ohne damit irgendein anderes Eigentumsrecht zu verletzen, ohne die Genehmigung irgendeiner (ja nicht bestehenden) Genossenschaft zu benötigen1). Daß dieses Recht aller Freien, sich Niemandsland anzueignen, auch von den Königen anerkannt wurde, geht gerade auch aus der Schenkungsurkunde KARLMANNS für Fulda hervor. Darin werden die Großen des Grabfeldgaues ausdrücklich eingeladen, etwaige Eigentumsansprüche, die ihnen innerhalb der herausgetrennten Mark zustünden, an den neuen Herrn, BONIFATIUS, zu übertragen2). Privateigentum selbst bestand in dieser „Mark" noch nicht, wohl aber wollte man über Ansprüche, die etwa schon bestanden, nicht einfach hinweggehen. Es trifft ja auch nicht zu, daß, wie R Ü B E L behauptete, eine offizielle Markenregulierung stattfand, die alles Niemandsland beseitigte, sondern die Aufteilung dieses Niemandslandes war ein Prozeß, der sich über die Jahrhunderte hinzog, bis er dann mit der Erschöpfung des freien Landes in sich zusammenbrach, bis sich die Grenzen der Dorfgemarkungen herausbildeten und innerhalb dieser ein mehr oder weniger großes Stück, eine Mark, Allmende, reserviert wurde, an der Gemeineigentum der Dorfgenossen entstand. In d i e s e m neuen Sinne gab es von da ab Markgenossenschaften. Neu insofern, als es sich hier nicht um ein die Rechte des Einzelnen überschattendes Gesamteigentumsrecht handelte, als dessen Rest man ja die Markgenossenschaft im alten Sinne betrachtete, sondern um ein Eigentumsrecht der Gemeinde, das gleichrangig neben dem Eigentum der Einzelnen stand. Es braucht sich dabei auch nicht nur um solches Eigentum der Gemeinde an Grund und Boden zu handeln, sondern das Recht der Genossenschaft kann auch in irgendwelchen Holzungs- oder Weide1 ) Auch J A K O B GRIMM, Deutsche Rechtsaltertümer, 4. Aufl., Bd. II, S . 1 0 , sagt, daß „die großen Urwälder, ehe sie später Regal wurden, als unokkupierter Grund betrachtet werden, den sich Einzelne oder Gemeinden zusammen durch Niederlassung aneignen durften", wofür er zwei Urkunden aus dem 8. und 9. Jahrhundert, die den Buchenwald betreffen, anführt. Nur die Wälder „mäßiger Größe" möchte er als markgenossenschaftlichen Gesamtbesitz ansehen, wenn er auch dafür aus dieser alten Zeit keine Belege anzuführen vermag. 2) J. G E G E N B A U R , Das Kloster Fulda im Karolinger Zeitalter, II. Buch, Fulda 1873, S . 14 f. Voll Irrtümer ist die Darstellung dieses Vorganges bei R Ü B E L , Die Franken, S. 46 ff.
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gerechtigkeiten bestehen, die als Reallast auf fremdem Eigentum liegen, wie wir unten S. 324ff. sehen werden. Soweit war es aber in der Regel in der Karolingerzeit in unserem Gebiet noch nicht. Noch gab es herrenloses Land in großem Umfange, namentlich in den Waldgebieten, in das hinein gerodet und gesiedelt wurde, aus dem heraus sich jeder Capturen herausscheiden konnte. Die Tatsache, daß auch für solche Gebiete, wie wir sahen, das so vielfältig schillernde Wort „marca" vorkommt, darf nicht dazu verführen, ihm einen Sinn unterzuschieben, der aus der älteren Ansicht von der altdeutschen Markgenossenschaft abstrahiert worden ist. Denn darin scheint doch der Weg zu liegen, der aus dem Gestrüpp der entgegengesetzten Meinungen herausführt, d a ß man sauber unterscheidet zwischen solchen freien, ungereg e l t e n N u t z u n g s b e r e c h t i g u n g e n und d e r A n n a h m e eines G e s a m t e i g e n t u m s und e i n e r G e n o s s e n s c h a f t als T r ä g e r dieses G e s a m t e i g e n t u m s r e c h t e s ! Auch heute noch gibt es ja wirtschaftlich zu nutzende Räume, die in keines Eigentum stehen und an denen doch ein jeder Nutzungsrechte hat, nämlich das offene Meer 1 ). Es liegt ja auch weder ein historischer noch ein logischer Zwang vor, Eigentumsrechte irgendeines Subjektes anzunehmen, nur weil Nutzungsrechte da sind. Wenn, wie oben schon erwähnt, KARL HAFF bei grundsätzlichem Festhalten an der alten Markgenossenschaftslehre betont, daß man eben für die alte Zeit keine wohlorganisierte Genossenschaft, wie wir sie später bezeugt finden, annehmen dürfe, dann ist damit die Möglichkeit einer Verständigung gegeben, und auch die außerordentlich vorsichtigen Ausführungen von R. KÖTZSCHKE, der erst für die fränkische Zeit Ortsflurgenossenschaften annehmen möchte, bieten eine solche Brücke 2 ). In der Sache selbst, d. h. im Hinblick auf die Lage der Bauern, ist ja kein praktisch bedeutsamer Unterschied vorhanden; die Nutzungsrechte, die der Freie an der „Mark" hat, werden ja nicht bestritten, sondern bestritten wird hier nur das Vorhandensein einer Markgenossenschaft mit einem Gesamteigentumsrecht. Solange es kein solches Gesamteigentum und kein Organ gab, das, wenn auch noch so bescheiden und selten, im Namen aller zu handeln befugt war, solange kann man überhaupt nicht von einer Genossenschaft reden. Und vor der Karolingerzeit, und noch weit in diese ].) Wenn nach und nach einzelne Nationen beginnen, bestimmte Meeresteile als ihr spezielles Interessengebiet zu betrachten, so ist damit der Weg beschritten, auf dem es einmal zu einer Aufteilung der Meere oder jedenfalls gewisser Meeresgebiete kommen könnte. Die Parallele ist ganz deutlich! 2) RUD. KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 216.
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hinein und z. T. darüber hinaus, läßt sich dies in unserem Gebiet nicht nachweisen. Wenn H A F F auf die Stelle aus der Lex Romana Burgundionum 17,5 hinweist: „silvarum, montium et pascui ius, ut unicuique pro rata possessionis subpetit esse commune", und darin schlechthin einen Beweis für das Vorkommen von Markgenossenschaften sehen will1), so hat er damit in gewisser Hinsicht recht, nämlich unter Beachtimg der notwendigen örtlichen und zeitlichen Beschränkung. Das Gesetz stammt aus dem Ende des 5. Jahrhunderts (also noch keineswegs „Urzeit") und bezieht sich auf sehr entfernte Verhältnisse (nämlich die römischen Untertanen des Burgundenherrschers) 2 ), die den deutschen und besonders den mitteldeutschen ganz fern und in der Entwicklung weit voraus waren, aber einen Beweis für die generelle Richtigkeit der alten Markgenossenschaftstheorie kann man daraus nicht entnehmen. Übrigens hat K A R L H A F F , indem er großen Wert darauf legt, daß, wenn auch keine so ausgebildete, so doch eine primitive Organisation vorhanden gewesen sei3), damit indirekt zugegeben, daß eine Organisation Voraussetzung für das Bestehen einer Genossenschaft sei, und das ist es, worum die ganzen Auseinandersetzungen gehen. Eine solche Organisation ist in der ältesten Zeit eben nicht da und ist auch gar nicht notwendig, da ja freie Nutzung im Niemandsland bestand. Schon T H É V E N I N hatte bei der Erörterung dieser Frage das Vorhandensein einer genossenschaftlichen Nutzung verneint, weil die Nutznießer überall „sans cohésion, sans organisation" handelten, ohne gemeinsames, einigendes Recht, ohne Organisation 4 ), und ganz ähnlich hat sich STEINBACH neuerdings geäußert 5 ), von DOPSCH ganz zu schweigen6). Und das ist das Bild, das man aus den Quellen des hier .speziell untersuchten Gebietes gewinnt. 1)
K.HAFF, a.a.O.,
3)
K. HAFF, a. a. O.,
S. 4 3 3 . — S.
2) SCHRÖDER-V. KÜNSSBERG, a . A . O . , S . 2 5 7 .
433.
4 ) T H É V E N I N , Les communia dans les pays germaniques du VII. au XI. siècle (Bibliothèque de L'école des hautes études, 73), Paris 1887, S. 138ff. 5) F R A N Z S T E I N B A C H , Gewanndorf und Einzelhof, a. a. O., S. 50. 6) A. D O P S C H , Die Markgenossenschaften der Karolingerzeit, a. a. O., S. 405 passim. Er stellt hier die Frage in den Vordergrund, ob „die deutlichen und von niemand geleugneten Nutzungsrechte an noch unaufgeteiltem Grund und Boden (Weide, Wald, Gewässern) wirklich auch eine juristisch so geartete und mit solchen Rechten ausgestattete Markgenossenschaft zur notwendigen Voraussetzung haben müssen, wie die ältere Theorie annahm und W O P F N E R neuerdings wieder behauptet. Denn wenn unter einer echten Markgenossenschaft regelmäßig eine Vereinigung freier, vorwiegend bäuerlicher Grundbesitzer verstanden wird, denen die Mark als Gesamteigen und zu gesamter Hand gehörte, dann müßten wir doch auch bestimmte und unzweideutige Lebensäußerungen dieser Eigentumsrechte in den zahlreichen Übereignungsurkunden der fränkischen Zeit wahrnehmen können."
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Nun hatte CARO, wie wir schon oben S. 300 f. sahen, geglaubt, daran festhalten zu müssen, daß unter den Wäldern, Weiden usw., die in denPertinenzformeln genannt werden, in erster Linie Nutzungsrechte verstanden werden müßten, weil man sich eine so große Zersplitterung des Waldes und Ödlandes nicht denken könne 1 ). Darauf ist neben dem Einwand, daß die urkundlichen Nachrichten ganz eindeutig in größerem Umfange Privateigentum an Wald und Weiden usw. bezeugen 2 ), zu sagen, daß ein markgenossenschaftlich fundiertes Nutzungsrecht der Art nicht nur nicht nachweisbar ist, sondern auch gar nicht notwendig war, weil ja, zumal in den großen Waldgebieten und an deren Rändern, die freie, „wilde" Nutzung in eremo durchaus den an sich vorhandenen Bedarf befriedigen konnte. Wenn wir die auch noch von CARO vertretene Ansicht fallen lassen, sind wir damit ja auch gar nicht gezwungen, eine völlige Zersplitterung der Waldbestände in den Händen der vielen Bauern und Grundherren anzunehmen. Die freie Nutzung im Niemandsland machte das ganz unnötig, ebenso wie sie eine genossenschaftliche Regelung überflüssig machte (solange die Waldreserve als unbegrenzt empfunden wurde). Der Einzelne kam auch ohnedem zu seinem Bauund Brennholz, seiner Viehweide usw. Wo die Aneignung von Waldstücken erfolgte, geschah dies in erster Linie, um sich Siedlungsland zu sichern, seien es Capturen oder seien es an die Ackerflur angrenzende Waldstreifen; das seltene germanische Wort ,,anariutu", von dem oben S. 307 die Rede war, dürfte in dieser Hinsicht besonders aufschlußreich sein und vielleicht auch die „laboraturae silvae", die mit „thriurothe" bezeichnet werden (ebenda), und vielleicht sind überhaupt die „laboratus", die uns öfter begegnen 3 ), generell hier einzureihen. Es handelt sich um solche Streifen, die an das im Privatbesitz befindliche Ackerland angrenzen und zum Privateigentum gemacht sind, nicht so sehr der Nutzungsmöglichkeiten wegen — die besaß er ja frei überall in der herrenlosen Mark —, sondern als Siedlungsreserve und vielleicht auch als Aufenthaltsplätze für das Zuchtvieh oder dgl. Und diese Waldstücke dürften wohl in erster Linie gemeint sein, wenn in den floskelhaften Wendungen von den mit geschenkten „silvae" die Rede ist, womit zu1) G. CARO, Beiträge zur älteren deutschen Wirtschafte- und Verfassungsgeschichte, Leipzig 1905, S. 15. 2) Er will nur Ausnahmen zugestehen. 3) Vgl. z. B . B U R K H A R D T , Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1; D R O N K E , Codex, Nr. 423, 492, 517, 612. Schon S E M P E R T hat übrigens (a. a. O., S. 155), von einem ganz anderen Gedankengang aus und ohne das ganze hier verarbeitete Material zu kennen, diese Bedeutung vermutet.
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gleich ihre z. T. strenge Unterscheidung von den Capturen erklärt wird. Durch die Einbeziehung solcher am Rande gelegenen Waldstreifen in den Privatbesitz brauchte keine völlige Zersplitterung des Waldbestandes erfolgen, wie befürchtet wurde; es handelte sich dabei in dieser Zeit noch um geringfügige Bruchteile seines Areals, und durch die nachfolgend allmählich vollzogene Rodung wurden diese Waldstücke dann in Ackerland verwandelt und verschwanden als solche1). Es entspricht dem inneren Zusammenhang, wenn in diesem Rahmen daran angeknüpft wird, was oben (S. 243f.) bei Untersuchung des Hufenproblems gesagt wurde. Es war darauf verwiesen, daß Nutzung am Wald und an der Weide, an Gewässern und Wegen schlechthin für jeden bäuerlichen Betrieb dieser Zeit naturnotwendig zu dem einfach agrartechnisch Bedingten gehört, ebenso wie Ackerland und Hofstätte. Daraus folgt, daß man dann, wenn man dieses drei zusammen findet, nicht folgern kann, daß hier Hufen vorliegen, sondern daß dies erst der Fall ist, wenn zu diesem von der Natur bedingten Dreiklang noch das vom Menschen Geschaffene, das Organisatorisch-Verfassungsmäßige, das Soziale hinzutritt, das dies von der N a t u r Gegebene zum A u s g a n g s p u n k t einer von den Menschen getragenen sozialen Gestaltung macht. Dieser Gesichtspunkt heischt auch hier Berücksichtigung: Rein aus der Tatsache heraus, daß die Bauern, die irgendwo siedeln, den ringsherum gelegenen Wald nutzen, daß sie ihr Vieh hineintreiben, die sich wild bietende Weide gebrauchen, daß sie sich bei Bedarf Holz, Streu oder Futter aus der Mark holen, daß sie darin roden oder ihre nachgeborenen Söhne darin roden lassen, daß sie jagen und fischen, all d a s ist doch noch nicht ein Beweis für das Vorhandensein einer Markgenossenschaft. Voraussetzung dafür ist, ebenso wie wenn man von einer Hufe sprechen soll, daß zu diesem rein Naturbedingten das kulturelle, soziale Element hinzukommt, daß also so etwas wie eine rechtliche Organisation geschaffen wird, wenn auch in noch so loser Form, d. h. 1) Daß übrigens eine völlige Aufteilung des Waldes im Prinzip nichts Unmögliches ist, zeigen Beispiele aus dem Niederrheingebiet (vgl. T H . I L G E N , a. a. O., S. 34ff. u. 53f.). In der Meckenheimer Mark ist z. B. schon i. J . 854 der ganze Wald aufgeteilt, und jedes Lehn des Hofes von Bonn-Cassius verfügte über eine Waldparzelle von 12 Morgen I Mir sind Belege über ähnliche Regelungen im mitteldeutschen Raum nicht bekannt geworden, aber das schließt nicht aus, daß nicht ausnahmsweise Ähnliches da und dort in den dichter besiedelten Gegenden vorgekommen ist.
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also namentlich auch eine R e g e l u n g der N u t z u n g 1 ) . Damit zusammenhängend und das eben genannte Moment in gewisser Weise erst bedingend ist die andere Voraussetzung: das Entstehen eines E i g e n t u m s b e g r i f f e s . Man kann es so formulieren: Die M a r k g e n o s s e n s c h a f t setzt ein Lebendigwerden von E i g e n t u m s r e c h t e n an der Mark voraus, sei es, daß dieses Recht von dem König oder einem sonstigen geistlichen oder weltlichen Grundherren in Anspruch genommen und den Bauern verliehen wird, sei es, daß die freien Bauern eines Dorfes sich dieses Recht selbst beilegen. Auch H. S T Ä B L E R , der ja mit Entschiedenheit an der alten Theorie festhält, sagt: „Wir fassen . . . die Markgenossenschaft auf als die Verfassung der nach außen mehr oder minder deutlich abgegrenzten Gemarkung; ihr Inhalt und Zweck ist die Regulierung des gegenseitigen Verhältnisses von Privatbesitz und Gemeingut" 2 ). In der Tat! Privatbesitz und Gemeingut sind Voraussetzungen für die Markgenossenschaft und ebenso eine — doch vom Menschen bewußt-rational vorgenommene — „Regulierung des gegenseitigen Verhältnisses". Das ist genau die hier vertretene Ansicht. Wir müssen nur „Gut" als das nehmen, was es im Sinne der Wirtschaftswissenschaften ist, für das also das Knappheitsmoment eine Rolle spielt. Der Unterschied der hier vertretenen von der älteren Ansicht besteht nun darin, daß STÄBLER (und seine ganze Richtung) die Notwendigkeit einer solchen Regulierung vorwiegend auf Grund reiner Deduktionen als vom Anbeginn der Ansiedlung an als gegeben annimmt, während hier die Ansicht vertreten wird, daß dies dem schlichten Quellenbefund widerspricht und daß der Zwang oder wenigstens die Veranlassung zu einer solchen Organisation in der Regel erst im Laufe der Entwicklung entstand, wenn 1) W e n n WOPFNER (a. a . O., S . 34, S . 7) d i e A u f f a s s u n g v o n THÄVENIN a b -
lehnt, aber selbst sagt: „Für unsere Stellungnahme zu dieser Frage kommt vor allem der Umstand in Betracht, daß die Marknutzung als eine begrenzte erscheint", und wenn er diese Begrenzung in der Größe des Sonderbesitzes des Einzelnen gegeben sehen will, so verschiebt sich damit die Debatte, was nicht übersehen werden darf. In den Vordergrund tritt damit die reine Tatbestandsfrage: Gibt es solche Regelungen (Begrenzungen usw.) oder nicht? Ich behaupte: in unserem Gebiet gibt es diese in der Karolingerzeit noch nicht, sie entstehen erst in dem Ausklang dieser Epoche. Die (von DOPSCH in ihrer Beweiskraft bestrittenen) Belege für eine selbständige Veräußerung (und damit Existenz) solcher Nutzungsrechte, die WOPFNER, a. a. O., S. 8f. bringt, beziehen sich ja alle auf westdeutsche, meist rheinische Gebiete, wo die Entwicklung auch in dieser Hinsicht damals zweifellos schon weiter vorgeschritten war als in Binnendeutschland, und beweisen nichts für das Bestehen solcher Markgenossenschaften in alter Zeit. 2)
H.
STÄBLER,
a. a. O.,
S.
698.
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das Land knapper zu werden begann (zum Gut im wirtschaftlichen Sinne wurde) und die „Interessengebiete", um einen modernen Ausdruck zu verwenden, immer näher rückten, so das Verlangen nach Begrenzung und Regelung erweckend. Damit wurde naturgemäß die Vorstellung des „Niemandlandes" hinfällig. So steht denn die Ausbildung der Markgenossenschaften in Zusammenhang mit der Ausdehnung der Siedlungen, über die wir daher auch unter diesem Gesichtspunkte zu sprechen haben werden (s. unten S. 333ff.); sie steht weiter im Zusammenhang mit der Herausbildung der Grundherrschaften, da von diesen ja Expansionsbestrebungen ausgingen, denen gegenüber der Wunsch (sei es bei anderen Grundherren, sei es bei Dorfgemeinden) entstand und entstehen mußte, eine Abgrenzung zu finden, womit notwendig der Eigentumsgedanke auch auf der anderen Seite, wo man vielleicht bisher in der damit unverträglichen Vorstellung des Niemandlandes gelebt hatte, lebendig werden mußte. Um ein konkretes Beispiel zu nehmen: die Begründung von Fulda und die Abgrenzung dieser Mark ringsum in dem Urwald (eremus) setzte nicht nur dem Kloster, sondern auch dem Gebiet der ringsherum Wohnenden oder vielleicht besser: der von sonstigen entfernteren Siedlungen in das Ödland (Urwald) in Richtung auf dieses Kloster vordringenden Bauern und Grundherren eine Grenze, ja machte sie womöglich dadurch erst mit diesem Begriffe vertraut. Hierin liegt wohl der von R Ü B E L selbst gar nicht erkannte wahre Kern in der Bedeutung solcher Grenzziehungen. Und im besonderen kam es dort zu „Markensetzungen", will sagen Grenzbestimmungen, wo es bisher an solchen Grenzen fehlte, jetzt entstehende Streitigkeiten nun aber dahin drängten und königliche missi dieses Geschäft durchführten 1 ). Festzuhalten ist aber mit aller Entschiedenheit daran, daß die „karolingische Regierung noch den Verlauf des Besitzes in die Wildnis" kannte 2 ) und das gerade auch in unserem Gebiet. Die Herausbildung der linearen Grenze ist das Ergebnis einer Entwicklung, deren Beginn in das Karolingerzeitalter fällt, aber in dieser Periode noch längst nicht abgeschlossen ist. 1) Schon BRANDI sagte in seiner Kritik an der Lehre RÖBELS sehr richtig: „Immer dasselbe Bild: bei der wirtschaftlichen und technischen Anlage große Freiheit; erst bei Streitigkeiten ein Eingreifen der fränkischen Beamten oder des Königs" („Göttingische Gelehrte Anzeigen", 170. Jahrg., B d . I , 1908, S.16). Vgl. dazu auch A. DOPSCH, Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, Bd. I, S. 390 (wenn auch von einer anderen Auffassung der Mark her als BRANDT). 2)
BRANDI, a . a .
O.,
S.
12.
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Dabei muß man sich auch darüber klar sein, daß es durchaus möglich ist, die Abgrenzung nur nach einer bestimmten Richtung hin im Ungewissen zu lassen, während sie nach anderen Richtungen hin schon festgelegt ist. Aber es muß doch die Vorstellung von einem bestimmten Gebiet vorhanden sein, auf das sich die Rechte der Gemeinschaft erstrecken sollen, für deren Regelung die Genossenschaft geschaffen ist. Und das setzt, wirtschaftlich gesehen, ein Dichterwerden der Bevölkerung voraus, also ein Zusammenschrumpfen des freien Urwaldes. Die Genossenschaft, die sich dann herausbildete, war aber die des Dorfes, nicht eine größere, eine „Mark" in dem alten Sinne des Wortes umfassende Organisation. b) M a r k g e n o s s e n s c h a f t und D o r f f l u r . Und darin liegt das Neuartige der historisch tatsächlich nachweisbaren Genossenschaft gegenüber der bis heute behaupteten, aber nicht bewiesenen alten Markgenossenschaft, daß sie vom Dorfe ausgeht, nicht von einer weitausgedehnten „Mark". Sehr klug war die Bemerkimg, die D O P S C H den Vertretern der älteren Lehre entgegenhielt: „Quellenmäßig sicher bezeugt sind also die Dorfgenossen und andererseits Marken, die zu einem oder auch mehreren Dörfern gehören. Wenn nun, wie ja auch W O P F N E R wiederum sehr eingehend ausführt, diese Marknutzung eine Pertinenz des Sondrreigens der einzelnen Dorfgenossen gewesen ist, so sind wir berechtigt, die Dorfgenossenschaft der einzelnen Grundeigner in den Vordergrund zu rücken und kommen dann vollkommen auch ohne jene Markgenossenschaft aus, wie sie die ältere Lehre und W O P F N E R annehmen. Wir brauchen nicht erst etwas künstlich in die Quellen hineinzutragen, um eine Konstruktion zu ermöglichen, die — ganz entbehrlich ist" 1 ). Das entspricht ganz unserem Quellenbefund. Man muß nur noch ergänzend hinzufügen, daß damit das Alter dieser Markgenossenschaften, die vom Dorfe ausgehen, sehr viel jünger ist. Sie hat sich erst in historischer Zeit entwickelt, langsam und mit großen lokalen Unterschieden, als die Besiedlung sich so verdichtet hatte, daß sich die Abgrenzung der Dorfgemarken herausbildete und die Bereiche an Wald und Weide, Gewässer usw. usw., die innerhalb dieser Dorfgemarkung lagen und nicht Privateigentum waren, zur Allmende wurden, die im Gesamteigentum der Dorfgenossen stand, und nun von dieser Genossenschaft, die jetzt ins Leben trat, verwaltet werden mußte. Es hat Jahrhunderte gedauert, ehe dieser Entwicklungsprozeß sich allgemein durchgesetzt hatte, 1) A. DOPSCH, Die Markgenossenschaft in der Karolingerzeit, a. a. O., S. 409.
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und es ist auch vorgekommen, daß mehrere Gemeinden, wohl weil sie sich über die Zugehörigkeit eines bestimmten Waldes nicht einigen konnten, dazu kamen, diesen zu gesamter Hand zu besitzen und zu nutzen. Aber hier, ganz allein hier, sind die Anfänge für jene Markgenossenschaften zu suchen, die uns später in den Quellen entgegentreten, wozu noch die Nutzungsgeriossenschaften gerechnet werden können, die Rechte auf fremdem, d. h. grundherrlichem Boden eingeräumt erhalten hatten. Dieser Entwicklungsgang ist ein ganz anderer als der, den die ältere Lehre vertrat, nach dem sich die Dorfgemarkung ihrerseits aus einer größeren Gemarkung, die bereits genossenschaftlich verwaltet wurde und unter Gesamteigentum stand, herausgebildet hatte. Wo wir später eine Gruppe von Dörfern in dem gemeinsamen Besitz einer Mark finden, ist darin keine besonders alte, sondern eher eine jüngere Bildung zu erblichen. Hier sind von einem bestimmten Mutterdorf aus, das im Rahmen der geschilderten Entwicklung bereits über die Stufe der wilden Nutzung im Niemandsland hinaus zu einem genossenschaftlichen Eigentum an einem bestimmten mehr oder weniger klar abgegrenzten Gebiet gekommen war, Tochtersiedlungen in dieser Dorfmark angelegt worden unter Wahrung der genossenschaftlichen Rechte dieser Umgesiedelten (evtl. wohl auch unter Zuerkennung solcher Rechte an neu hinzugezogene Rodungswillige); oder aber ein großer Grundherr hatte einer Gruppe von Dörfern Nutzungsoder Besitzrechte verliehen oder sich in dieser Form mit Bauernschaften, die vielleicht auch Ansprüche auf ein bestimmtes Gebiet erhoben, verglichen. Zu einem bestimmten Dorf gehöriges Gemeinland ist somit in der Regel als die ältere Bildung aufzufassen, und gemeinsame Rechte einer Gruppe von Dörfern — also das, was man eigentlich unter „Markgenossenschaften" versteht — als jüngere, erst darauf aufbauende Form. Natürlich erfolgten diese Bildungen ganz in der Stille und ganz allmählich; es ist wohl selten ein genauer Gründungstag anzugeben, nicht nur, weil uns da unser Material im Stich läßt, sondern einfach weil diese Bildungen oft genug wohl so „leise" erfolgten1), daß auch die Zeitgenossen sich zumeist gar nicht klar darüber gewesen sein dürften, welche Konsequenz darin lag, wenn man anfing, feste Grenzen anzuerkennen und die „wilde" Nutzung zu regeln. Irgendein Anlaß — wohl oft genug ein Zwist — wird den 1) Es sei darauf verwiesen, daß ähnlich „leise" sich die Herausbildung der Landesherren vollzog, aus einer Wurzel (Grafenamt), aus der das zunächst auch nicht vermutet werden konnte.
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Anstoß gegeben haben, vielleicht erst zu Einzelregelungen von Fall zu Fall, zu Schlichtungsverhandlungen und Vorbeugungsmaßnahmen, bis dann allmählich sich ein Gebilde herauskristallisierte, das man Genossenschaft zu nennen berechtigt ist und dem dann auch ein Obereigentumsrecht zu gesamter Hand zukam, in einigen Fällen an einem Gebiet, in das mehrere Dörfer sich teilten, in den meisten Fällen wohl lediglich auf das ungeteilte Land der heimatlichen Dorfflur bezogen. Immer aber war die Dorfgemeinde der Träger, nicht aber eine überlokale Markgenossenschaft. Mit Recht kann man daher die Frage aufwerfen, welchen Sinn es haben soll, das Vorhandensein besonderer Markgenossenschaften als allgemeine Erscheinung zu konstruieren, wenn die Dorfgemeinde Trägerin der ganzen Rechte ist und bei den späteren, mehrere Dörfer umfassenden Bildungen als Glieder dieser Genossenschaft ja auch nicht die einzelnen nutzungsberechtigten Bauern auftreten, sondern die einzelnen dörflichen Gemeinden (mit der durch die Verfassung bestimmten Abgrenzung derer, die berechtigt sind). Die einzelnen nutzungsberechtigten Bauern usw. sind dies doch nicht auf Grund eines primären rechtlichen Zusammenhanges mit der großen Markgenossenschaft, sondern nur lediglich sekundär auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer Dorfgemeinde, also nicht als Individuen, sondern als Mitglieder ihrer Gemeinde. Diese Überlegung scheint nicht unwesentlich zu sein. Es ist — zu mindesten für unser Gebiet — unzulässig, die Dorfgemeinheiten (auch oft „Mark" genannt, Allmenden) abzuleiten aus einem größeren markgenossenschaftlichen Verband. Die Mehrzahl der Dörfer weist lediglich solche Allmenden auf, ohne je einer Markgenossenschaft im Sinne der Theorie angehört zu haben. So haben auch die Nordmänner, als sie Island besiedelten, keinerlei Markgenossenschaften gebildet, sondern sie sind von dem Privateigentum des Einzelnen ausgegangen und haben dann nur Allmenden als Kollektivbesitz für die gemeinsame Nutzung herausgeschnitten1). Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, daß die Auseinandersetzungen oft deswegen so oft unfruchtbar geblieben sind, weil Dorfmark und Mark im Sinne der alten Theorie nicht immer scharf voneinander getrennt worden sind. So tiefschürfende Arbeit DOPSCH auch in der Bekämpfung der alten Lehre von den Markgenossenschaften geleistet hat, einen nicht ganz unwesentlichen Bestandteil hat er doch übernommen, wohl ohne sich der Tragweite bewußt zu sein. Er deutet nämlich jenen umstrittenen Satz bei TACITUS: ,,agri pro numero cultorum 1) K. WÜHRER, a. a. O., S. 85; daselbst weitere Belege.
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ab universis in vices occupantur" (Kap. 26) so, daß diese gemeinsame Besitznahme, von der TACITUS spricht, die gesamte Dorfgemarkung umfaßt habe, also einschließlich der Wälder, Weiden, Ödland usw. Hier eine weitere Klärung herbeigeführt zu haben, ist das Verdienst von F. S T E I N B A C H 1 ) . Unter „agri" ist eben nicht die gesamte Dorfflur zu verstehen — ein Begriff, den es ja nach unseren Feststellungen zunächst auch gar nicht gibt —, sondern lediglich die dem Getreidebau unterworfenen Ackerfelder 2 ). Wenn man, wie DOPSCH es noch tut, an der Vorstellung einer solchen gleich bei der Niederlassung vorgenommenen Abgrenzung eines bestimmten alles umfassenden Bezirkes festhält, das aus dem Ödland ausgesondert wird, kann man sich zu einer wirklichen Klärung des Gesamtproblems nicht durchringen. Es würde dann ja am Anfang eine von der Gesamtheit oder einem von ihr herausgestellten Organ vorgenommene Handlung stehen, die die Grundlage für das ganze weitere soziale und wirtschaftliche Leben schafft. Eine solche Bezirksbildung „ist ohne die Annahme des Bestehens einer Gesamtheit, einer gegenüber Auswärtigen sich als Einheit fühlenden Nachbarschaft mit gemeinsamem, wenigstens ideellem Anspruch auf das Eigentum des Siedlungsbezirkes schwer denkbar" 3 ). Ja, man läßt damit die Begründung eines Ortes und seines Bezirkes von einer Stelle erfolgen, die dann sofort wieder verschwindet, oder aber, da man das nicht annehmen kann, müßte man sich auf den Standpunkt stellen, daß die örtliche, dorfgebundene Markgenossenschaft, von der vorstehend die Rede war, mit der Anlegung der Besiedelung begründet worden ist 4 ). Das würde aber in striktem Widerspruch mit den Ergebnissen der voraufgegangenen Untersuchungen stehen, nach denen eine freie, ungeregelte Nutzung am Niemandsland den Anfang gebildet hat und eine solche Orts-Markgenossenschaft sich erst allmählich herausbildete. DOPSCH macht hier — jedenfalls wenn man von dem hier durchgearbeiteten Material ausgeht — den gleichen 1) F. S T E I N B A C H , Gewanndorf und Einzelhof, a. a. O., S. 48ff. Hier kommt auch entscheidend über M A X W E B E R hinaus. (Zum Streit um den Charakter der altdeutschen Sozialverfassung, a. a. O.) STEINBACH
2) Diese Erkenntnis ist leider in der m. W. neuesten TAciTus-Ausgabe von H. R O N G E im Heimeran-Verlag München, 3 . — 4 . Tausend, 1 9 3 7 , noch nicht verwertet; hier wird „agri" farblos mit „Grund und Boden" übersetzt. R U D . M U C H läßt diese Frage in seiner großen Kommentarausgabe (Heidelberg 1937) offen. 3) F. S T E I N B A C H , ebenda, S . 50. An so etwas scheint K Ö T Z S C H K E zu denken, wenn er in diesem Zusammenhange von einer „Ortsflurgenossenschaft" spricht (Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 216). 4)
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Fehler, den er an WOPFNER mit Recht rügt, daß er etwas in die Quellen hineininterpretiert, was nicht nur nicht nachweisbar ist, sondern was auch gänzlich überflüssig für das Verständnis der gesamten Vorgänge ist. Es ist dabei aber zuzugeben, daß in E i n z e l f ä l l e n die Bildung einer solchen Ortsflurgenossenschaft (Gesamteigentum an einer Allmende) mit der Begründung einer neuen Siedlung erfolgen konnte, da nämlich, wo diese so dicht neben schon bestehende Gründungen gesetzt wurde, daß für herrenloses, wilder Nutzung überlassenes Land kein Raum mehr war, daß vielmehr jetzt die Notwendigkeit bestand, sich über die Grenzen zu einigen. Und sicher war im 9. Jahrh. die Entwicklung auch in unserem Gebiete, namentlich in den alten, von vornherein dichter besiedelten „Gefilden", so vorgeschritten, daß dieser Fall öfter praktisch wurde. Insoweit würde also DOPSCH recht behalten. Aber das ist ja schon ein späteres Stadium der Entwicklung und gilt nicht für die ältere Zeit und gilt nicht grundsätzlich. Es ist doch immerhin charakteristisch, daß der berühmte, immer wieder zitierte Titel 45 der Lex Salica „de migrantibus" das Einspruchsrecht gegen die Zuwanderung Fremder nicht einer Gesamtheit oder dem von dieser herausgestellten Organ zuschreibt, sondern jedem einzelnen Nachbarn! Das zeigt doch sogar für das salische Gebiet, bei dem eine größere Dichte der Bevölkerung schon zweifellos erheblich früher erreicht war als in unserem Gebiete, daß man auch damals noch keinerlei lebenskräftige genossenschaftliche Organisation kannte, der man dieses Einspruchsrecht hätte übertragen können. Noch stand man wohl am Anfange der Entwicklung; vielleicht war auch in dem und jenem Dorfe diese Entwicklung schon so weit ausgebildet, aber bis zu einem generellen Bewußtsein, das dann Niederschlag im Gesetz gefunden hätte, war dies noch nicht geworden. 4. Zusammenfassung und kritische Sicherung. Unser Ergebnis läßt sich in dem Satz zusammenfassen: Wohl hat es schon von frühester Zeit her Nutzungen an nicht im Privatbesitz befindlichen „Markland" gegeben, das erforderte einfach die bäuerliche Wirtschaft, die auf die Ergänzung durch das, was Wald nnd Weide boten, angewiesen war; aber es gab kein Eigentumsrecht einer Gesamtheit (Genossenschaft) und keine Regelung durch eine solche, wie es der Kerngedanke der alten Lehre ist. Diese Nutzungen waren frei, „wild", und von einer Genossenschaft kann keine Rede sein. Diese bildete sich erst später heraus, als die Besiedlung
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dichter wurde, die Marken fest abgegrenzt wurden und nun das Erfordernis auftrat, die Nutzung in dem Gebiete der Dorfflur, soweit sie sich nicht in Privateigentum befand, zu regeln. Diese Genossenschaft knüpfte also an das Dorf an, nicht an eine ältere, ein weiteres Gebiet umfassende Bildung. Dieses Ergebnis fällt gar nicht so sehr aus dem Rahmen heraus, wenn man bedenkt, daß schon von einer ganzen Reihe von Forschern das hohe Alter der Markgenossenschaft mit triftigen Gründen abgelehnt worden ist. Es sei erinnert an H. SCHOTTE, der Untersuchungen in Westfalen angestellt hat 1 ), an FEDOR SCHNEIDER, der für das Langobardenreich zeigte, daß die Markgenossenschaften ein Produkt der Königszeit, des staatlichen Eingreifens sind 2 ); erinnert sei an die Untersuchungen von CHABERT über die deutschösterreichischen Lande3), wobei sich ergab, daß hier keine selbständigen Markgenossenschaften nachzuweisen sind. Für den unteren Maingau kam L. IMGRAM zu dem Ergebnis4), man könne ,,im 8. und 9. Jahrhundert von einer organisierten Markgenossenschaft, die ein Eigentums- und Verfügungsrecht über die Mark geltend machen konnte, nicht reden", denn auch der Wald war in privatem Besitz. Auch am Niederrhein stellte ILGEN fest 5 ), daß jede Spur einer alten Markgenossenschaft, sogar jede Dorfallmende fehlt; es finden sich nur Nutzungsrechte von Umwohnenden an grundherrlichen Waldungen; die Marken sind z. T. schon sehr früh in Parzellenbesitz aufgeteilt. Und schließlich konnte für den niedersächsischen Venkigau DEERMANN ein relativ junges Alter der Markgenossenschaften nachweisen6). 1) H. SCHOTTE, Studien zur Geschichte der westfälischen Mark und Markgenossenschaft. (Münsterische Beiträge zur Geschichtsforschung, 29. Heft, Münster 1908, S. 31 passim.) Er verlegt deren Entstehung in das 9.—11. Jahrhundert, was mit unserem Ergebnis so ziemlich übereinstimmt. Anderer Ansicht K. H A F F , Markgenossenschaft und Stadtgemeinde in Westfalen, „Vierteljahrschr. f. Sozialu. Wirtschaftsgeschichte", Bd. VIII, 1910, S. 20ff. (geht dabei von einer m. E. irrtümlichen Hufenlehre aus). 2) F E D O R S C H N E I D E R , Die Entstehung von Burg und Landgemeinde in Italien, Berlin 1924, S. 70ff. u. S . 94ff. Vgl. auch F E D O R S C H N E I D E R , Staatliche Siedlung im frühen Mittelalter, in „Aus Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Gedächtnisschrift für G E O R G VON B E L O W " , Stuttgart 1928, S. 20 u. 32. 3 ) C H A B E R T , Bruchstück einer Staats- und Rechtsgeschichte der deutschösterreichischen Länder, in: „Denkschriften der Wiener Akademie", Bd. IV, S. 19. Vgl. dazu auch A. D O P S C H , Wirtschaftsentwicklung, Bd. I, S. 3 9 2 . 4 ) L . IMGRAM, a. a. O . , S. 1 2 . — 5) T H . I L G E N , a. a. O . , S. 34ff. u. 53f. 6) J. B E R N H . D E E R M A N N , Ländliche Siedelungs-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte des Venkigaues und der späteren Grafschaft Lingen. (Forschungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. IV, Heft 2). Hannover 1912. L ü t g e , Agrarverfassung. 21
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Sehr interessant und aufschlußreich sind ferner die Verhältnisse im germanischen Norden. Die Besitznahme der bis dahin unbesiedelten Insel Island, die 870—930 vor sich ging, ist in allen Einzelheiten bekannt 1 ). Wie allgemein anerkannt ist, wurden dabei keinerlei Markgenossenschaften errichtet, in keiner Weise zunächst ein Gemeinbesitz geschaffen, wie es der alten Theorie entsprochen haben würde; vielmehr wurde alles Land in Privateigentum genommen 2 ). Wohl aber wurden Allmenden im Besitz der Gemeinden, der Dorfgenossenschaften, g e s c h a f f e n 3 ) . Hier, wo man doch erwarten durfte, daß sich das den Germanen angeblich eigentümliche agrarkommunistische Element, das auf dem Festland lediglich durch angeblich fremde, vielfach hart kritisierte Einflüsse beseitigt worden sei, frei auswirken konnte, sehen wir also nichts dergleichen. Ganz zu den nämlichen Ergebnissen kommt auch die Untersuchung der gleichen Vorgänge in Skandinavien 4 ). Auch hier also keine Spur von jenem Urzustand, in dem man sich die Markgenossenschaften entstanden dachte. Wenn in Westdeutschland jene geschilderte Entwicklung so viel früher einsetzte als im Osten, dann dürfte der so stark ausgeprägte römische, am frühesten von den Saliern übernommene Privateigentumsbegriff neben der Dichte der Besiedlung dabei beteiligt sein5), wenn es auch im Westen natürlich nicht an „Niemandsland" gefehlt hat 4 ). Daß in unserem Gebiet diese ganze Entwicklung später einsetzte, ist nicht verwunderlich 7 ). Niemand ist je auf den 1) Vgl. das alte, von einem unbekannten Verfasser niedergeschriebene Landnamabok, das von W A L T E R B A E T K E unter dem Titel „Islands Besiedelung und älteste Geschichte" in deutscher Sprache herausgegeben worden ist (Jena 1928, Sammlung „Thüle", Bd. 23). 2 ) Vgl. neben anderer Literatur nur C L . F R H R . VON S C H W E R I N , Art. „Agrarverfassung (Norden)", in H O O P S Reallexikon der germanischen Altertumskunde, B d . I, S. 52, u n d
KARL WÜHRER, a. a . O., S.
3) Ähnlich auf Bornholm 4)
85.
(KARL WÜHRER,
KARL WÜHRER, a. a. O.,
S.
S. 91 f.).
87ff.
5) Darüber ähnlich G. v. B E L O W , Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 33 f. Aber auf der anderen Seite ist es doch berechtigt, wenn B R U N O K U S K E in der Kritik des vorgenannten v. BELOwschen Buches in den „Jahrbüchern f. Nationalök. u. Stat.", Bd. 146, 1937, S. 223, im besonderen zu den diesbetreffenden Ausführungen v. B E L O W S , die noch weitgehend auf dem Boden der älteren Lehre beruhen, sagt: „Daß die Beendigung der Völkerwanderung erst den Weg zum Privateigentum am Ackerland anbahnte, ist deshalb unsicher, weil über Deutschland hinweg nicht alle Volksgruppen in diese Wanderung einbezogen wurden." 6)
V g l . z . B . T H . I L G E N , a . a . O . , S . 3 4 f f . ; IMGRAM, a . a . O . , S .
10.
7) So war z. B. der Wald im südlichen Teil der Grafschaft Schwarzburg noch im 13./14. Jahrhundert unzugängliche Wildnis: S E M P E R T , a. a. O., S. 182. Es darf
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Gedanken gekommen, die Entstehung der Mark falle zusammen mit ihrer ersten urkundlichen Erwähnung 1 ). Aber das berechtigt doch noch immer nicht, diese Gebilde, von denen wir ja zumeist erst im späteren Mittelalter nähere Kunde haben 2 ), einfach ohne jede wirklich stichhaltigen Beweise in eine 1—iy 2 Jahrtausend ältere Zeit zu verlegen3). Auch treten uns die Markgenossenschaften in diesen ersten Nachrichten ja keineswegs als erstarrte, in ihrer Entwicklung abgeschlossene Gebilde entgegen, wie das bei Überresten aus grauer Vorzeit erwartet werden müßte, sondern es handelt sich um Bildungen, die durchaus im Fluß und im weiteren Ausbau begriffen sind4). Im Verlaufe dieses Entstehungsprozesses kam erst allmählich ein Zeitpunkt, an dem man das, was sich als Rechtsgebrauch herausgebildet hatte, niederschrieb, um diesen zunächst hier auch auf die Untersuchungen von K A R L H A F F , Geschichte einer ostalemannischen Gemeindelandsverfassung (Würzburger jurist. Diss. 1902) verwiesen werden, die gerade in diesem Zusammenhange sehr instruktiv sind. In den Alpentälern des Algäu nahmen die Dorffluren erst um die Wende des 14./15. Jahrhunderts bestimmte Formen an; die Interessensphären rückten durch Weiterschreiten der Rodung einander immer näher, es entstehen Streitigkeiten, die dann in „Grenzverträgen" und „Markungsbriefen" geschlichtet werden (a. a. O., S. 8f.). Hier geschieht also genau 5—6 Jahrhunderte später das gleiche, was wir in unserer Gegend in karolingischer Zeit antreffen. H A F F nimmt für das ganze Gebiet an, es sei eine alte „Hundertschaftsmark" (von der Einwanderungszeit her). Ob das so richtig ist, kann hier nicht untersucht werden, ist aber insofern ja auch gleichgültig, als es in dem von uns untersuchten Gebiet eine derartige Bildung nicht gegeben hat. Noch im 19. Jahrhundert eigneten sich (nach der Befreiung vom Türkenjoch) bulgarische Bauern herrenloses Land an (G. T H . D A N A I L L O W , Die soziale und wirtschaftliche Struktur Bulgariens, „Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", Bd. 145, 1937, S. 328). 1) Insofern geht die Polemik von S T Ä B L E R , a. a. O., S . 697, völlig ins Leere. 2) V A R R E N T R A P P , a. a. O., S. 11: „Von den bekannten Aufzeichnungen von hessischen Weistümern gehen nur wenige ins 13. Jahrhundert zurück, die älteste ist das Weistum von Wetter von 1239; aus dem 14. Jahrhundert kennen wir schon eine größere Zahl, die meisten stammen aus dem 15. Jahrhundert, etliche auch noch aus dem 16. Jahrhundert." 3) Das „Überspringen der Jahrtausende ist in Wahrheit das Ergebnis einer geschichtslosen Auffassung, über die spätere Zeiten sich einmal lustig machen mögen", sagt z. B. F R . S T E I N B A C H , Gewanndorf und Einzelhof, a. a. O., S. 47. 4) Auch A. D O P S C H faßt in seiner neuesten Untersuchung (Die freien Marken in Deutschland, Brünn 1933) die Ergebnisse seiner Untersuchungen dahin zusammen, „daß die Verfassung der Marken keineswegs durch die Jahrhunderte so unverändert geblieben ist, als die klassische Theorie ( O . G I E R K E ) und neuere wirtschaftsgeschichtliche Untersuchungen ( H . W O P F N E R und H . S T Ä B L E R ) angenommen haben. Vor allem stellt sich auch heraus, daß die vielfach eben dort angewandte retrograde Methode geschichtlicher Forschung schweren Bedenken unterliegt und ihr gegenüber die allergrößte Skepsis beobachtet werden muß" (S. 4). 21*
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einmal zu fixieren und dann durch Zusätze und Änderungen auf dem Laufenden zu halten1). Auch dies scheint für spätere Entwicklung zu sprechen, wie auch die Tatsache, daß die alten Volksrechte, die eine ähnliche Entstehungszeit hinter sich haben, gar nichts von ihnen wissen. Dieser Zeitpunkt, an dem man sich zu genauerer Fixierung gedrängt fühlte, ist erst später gekommen, meist, wie gesagt, erst am Ende des Mittelalters.- So kann man auch den Hinweis von STÄBLER auf die altertümlichen Gebräuche und Regelungen, mit dem er das Zurückreichen der Markgenossenschaften in die sog. Urzeit erhärten wollte2), nicht in dieser Tragweite als berechtigt anerkennen. Gewiß sind die Markgenossenschaften älter, als der Zeitpunkt, zu dem uns diese Bräuche bezeugt sind, aber sie sind eben doch nicht so alt, daß sie in die „Urzeit" zurückreichen. Vor dem 9./10. Jahrhundert frühestens wird man deren Ausbildung in unserem Gebiet in den ersten Vorkommen kaum ansetzen können. 5. Nachrichten über Markgenossenschaften in unserem Gebiet. Nach diesen mehr allgemeineren Ausführungen ist es erwünscht, einen Blick auf solche Markgenossenschaften zu werfen, die in unserem Gebiet vorkommen und eine bedeutendere Rolle gespielt haben. Es gilt, diese kurz zu bezeichnen und zu werten. Dabei lassen wir die Dorfmarkgenossenschaften (Allmenden), die es so wie überall in Deutschland auch in Mitteldeutschland vielerorts gab, außer Betracht, schon weil deren Entstehung nach den vorausgegangenen Ausführungen kein Problem mehr bildet und weil die ganze Diskussion um die Frage der Markgenossenschaften ja auch nicht an diese Dorfallmenden anknüpfte, sondern an die Gebilde, die über den Rahmen eines einzigen Dorfes hinausgehen, d. h. also mehrere Dörfer erfassen. a)
Zusammenstellung.
Beginnen wir mit der kurzen Schilderung einiger solcher Markgenossenschaften im Norden unseres Gebietes. 1. „Am vollständigsten haben sich erhalten die Nachrichten über den Siebengemeindewald"3). An ihm haben Anteil die Ge1) Vgl. ebenda S. llff.
2) H. S T Ä B L E R , a. a. O., S. 702ff. Der Helmegau, in „Mitteilungen d. Ver. f. Erdkunde zu Halle", Jahrg. 1889, S. 101 ff. Die Verfasser stehen vollkommen im Banne der alten Lehre, die sie völlig kritiklos übernehmen, aber mit der Zusammenstellung der Nachrichten über die markgenossenschaftlichen Bildungen im Helmegau haben sie sich ein Verdienst erworben, das anerkannt werden muß. 3)
K.
M E Y E R U. R .
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RACKWITZ,
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meinden Berga, Bösenrode, Görsbach, Thürungen, Rosperswenden, Uftrungen und Schwenda. Die ältesten Zeugnisse für diese Markgenossenschaft stammen aus dem Jahre 1506 und 1601, aus welchem Jahre eine Waldordnung erhalten ist. „Ein urkundlicher Nachweis über das Besitzrecht dieser Dörfer ist nicht vorhanden", d. h. über die Entstehung. In Berga tagte das Waldgericht jährlich am GALLUStage (16. Oktober); auf diesem wurden die vier Waldvögte (einer von der Ritterschaft, drei von allen Gemeinden aus den Einwohnern der beiden Dörfer Berga und Uftrungen) und der Waldförster gewählt oder bestätigt. Schon knapp 2 Jahrhunderte vor den beiden oben erwähnten Urkunden ist aber einmal in einer Urkunde aus dem Jahre 1341 von dem „holcz all der dorffer gemeyne" die Rede1), worin wir das älteste Zeugnis für diese Markgenossenschaft erblicken dürfen, die früher wahrscheinlich noch mehr Dörfer (nämlich die in den Fluren dieser 7 Gemeinden gelegenen Wüstungen) umfaßt hat 2 ). Alle Sagen und Berichte über die Herkunft dieses Waldbesitzes gehen, so unterschiedlich sie auch sind, darauf hinaus, daß der Wald den Dörfern von einer hohen Frau als Belohnung für besondere Dienste geschenkt worden sei. Über das Alter selbst ist nichts zu ermitteln; M E Y E R und RACKWITZ führen dieses aber, gemäß der alten Lehre, ohne weiteres bis in die graueste Vorzeit zurück, — was übrigens keine der sagenhaften Berichte tut, die alle auf spätere Persönlichkeiten zurückgehen, die heilige ELISABETH, eine nicht zu deutende Herzogin SYBILLE und eine Gräfin von Mansfeld. 2. Lediglich um die Berechtigung, Holz aus einem bestimmten Wald bei Questenberg zu holen und das Vieh darin zu weiden, handelt es sich bei der „Landgemeine", die 1492 zum ersten Male erwähnt wird3). Anteil daran hatten die Dörfer Rötha, Horla, Breitenbach, Hainroda, Wickeroda, Kleinleinungen. Näheres ist nicht bekannt. 3. Am Windehäuser Holze haben mehrere Dörfer Anteil, nämlich Windehausen 2 / s , Urbach 6/27, Leimbach 2 / 27 , Steigerthal 1 /« 4 ). (Früher waren es mehr, nämlich die zahlreichen in diesen Fluren gelegenen Wüstungen.) Windehausen, Urbach und Steigerthal haben aber daneben noch besonderen Gemeindewald, der teils am, teils im markgenossenschaftlichen Wald gelegen ist. Der Sage nach stammt der Wald aus dem Besitz eines Ritters, der ob seiner Grausamkeit von den Bewohnern der Dörfer erschlagen wurde. Die erste, inhaltlose Erwähnung stammt aus dem Jahre 1487. 1) Ebenda, S. 103. — 2) Ebenda, S. 106. 3) Ebenda, S. 107f. — 4) Ebenda, S. 108ff.
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4. Die Orte Heringen und Hamma besaßen gemeinsam einen Wald. Die ersten Zeugnisse dafür stammen aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Der Sage nach beruht dieser Besitz auf der Schenkung durch eine Fürstin 1 ). 5. „Auch die Dörfer Uthleben, Steinbrücken und Sundhausen haben in Waldgenossenschaft gestanden; jetzt ist alles geteilt und gerodet und keine Spur mehr davon vorhanden" 2 ). 6. Spuren einer alten Markgenossenschaft zeigen offenbar auch die Besitzverhältnisse am sog. Kammerforst bei Ellrich, und zwar bildete wohl der dem Grafen VON H O N S T E I N zugehörige Teil des Kammerforstes (altes Reichsgut) eine Gemeinschaft mit den Anteilen der Dörfer Woffleben, Wipotenrode (wüst), Gudersleben, Ellrich und Wülferode (wüst). Die älteste Nachricht, die dahin zu deuten ist, stammt aus dem Jahre 1328. Näheres ist nicht bekannt 3 ). 7. Nördlich des Harzes finden wir eine Genossenschaft von 9 Dörfern und Wernigeröder Bürgern, die gemeinsam Nutzungsrechte an einem größeren den Grafen von Wernigerode zugehörigen Waldgebiet besaßen („achtsword" genannt) 4 ). Es handelt sich um die Dörfer Hasserode (einst Herrenhof Hartzrode), Reddeber, Heudeber, Dannstedt, Ströbeck, Atenstedt, Aspenstedt, Sargstedt und Runstedt (wüst). Die früheste Nachricht besteht in einer Urkunde, in welcher Graf H I N R I C K , der letzte der alten Wernigeröder Grafen, die Gnade und Gewohnheit dieser Nutzungsberechtigung bekennt (gest. 1429) 5 ). Die Nutzungsberechtigten dürfen sich Holz nur für ihren Bedarf holen, aber nichts verkaufen usw. Eigentum an den Waldungen haben die Bauern also nicht. 8. Von einem „gemeinen Walde", an dem 11 Dorfschaften nutzungsberechtigt waren, erfahren wir durch einen Brief des Grafen W O L F G A N G zu Stolberg vom Jahre 1544. Es handelt sich dabei um die Gemeinden Riethnordhausen, Martinsrieth, Brücken, Holstedt, Wallhausen, Esperstedt, Ringleben, Udersleben, Ichstedt, Borxleben und Tilleda — Orte, die teils zum Helmegau, teils zum Nabelgau gehörten. „Die Waldung lag in der Herrschaft der Grafen von Stolberg, dicht an den Leinunger und Morunger 1) Ebenda, S. 111. — 2) Ebendort. — 3) Ebenda, S. 112. 4 ) PAUL H Ö F E R , D i e F r a n k e n h e r r s c h a f t in d e n H a r z l a n d s c h a f t e n ,
a. a. O.,
S. 175. Die Quelle ist: ED. JACOBS, Urkundenbuch der Grafschaft Wernigerode (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen, Bd. 25), Halle 1891, Nr. 3 6 8 ; abgedruckt auch in „Zeitschr. d. Harzver. f. Geschichte u. Altertumsk.", Bd. III, S. 119ff. 5) E r wurde von den Stolberger Grafen beerbt.
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Forsten" 1 ). Was wir aus dem erwähnten Brief entnehmen können, ist lediglich die Tatsache, daß dieser „gemeine Wald" damals bestanden hat. Der mansfeldische Amtmann zu Leinungen war dabei, „ein großes pflegk" in dem Walde niederzuschlagen und kohlen zu lassen, und dagegen erhebt der Stoiberger Graf, zu dessen Territorium die Dörfer gehörten, auf die Klagen seiner Untertanen hin Einspruch und verlangt Abstellung des Übergriffes. Außer dieser etwas dürftigen Nachricht wissen wir nichts von dieser Markgenossenschaft 2). 9. Die Markgenossenschaft von Monra (Großmonra), bezeugt aus der Zeit zwischen 1264 und 12683), bezieht sich nicht auf Wald oder Wiese, sondern auf einen Weinberg, den der Pfarrer von Monra testamentarisch der „ecclesia beati Petri apud Monra", d. h. nach GRIMM und DOPSCH dem Mainzer Petersstift, vermachte. Und dieser Weinberg, oder vielmehr der Grund und Boden, auf dem er angelegt war, war früher, jedenfalls nach der hier angezogenen Urkunde, gemeinsamer Besitz der Dorfleute gewesen. Das entnimmt man aus folgenden Worten der Urkunde: der Weinberg sei von dem Pfarrer vermacht „ideo, ut homines sive communitas ville in Monre, ad quos fundus pertinebat proprietatis titulo, in quo est plantata vinea, omni iuri, quod in predicto fundo habebant, nuntiarent". Auf die Deutung dieser Urkunde kommen wir gleich zurück; es war notwendig, den Wortlaut genau anzuführen, weil es sich um einen Beleg handelt, dem O. G I E R K E Z. B. bei der Verteidigung seiner Lehre ganz besondere Bedeutung beimißt. Wir erinnern uns, daß in Monra schon Herzog H E D E N ausgedehnten Besitz hatte, der dann z. T. an den Bischof WILLIBRORD von Utrecht kam, um später auf nicht näher bekannte Weise an das Petersstift überzugehen4). 10. Erwähnt sei schließlich noch aus der Nachbarschaft die ,,Zent"in der Wetterau, d.h. eine Genossenschaft von 8Ortschaften, die gemeinsame Holzberechtigungen in Wäldern bei Lauterbach hatten 5 ). Aber schon THUDICHUM sagt, daß man wohl keinen Be1) P A U L HÖFER, a . a . O . , S. 1 7 6 .
N ä h e r e s b r i n g t GUST. P O P P E , E i n b i s j e t z t
unbekannt gebliebener, vergessener Gemeindewald am Unterharze, „Zeitschr. d. Harzver. f. Gesch. u. Altertumsk.", 25. Jahrg., S. 389—391. 2) GUST. POPPE vermutet a. a. O., daß die Gemeinden schon im 30jährigen Krieg um ihren Besitz gekommen sind. 3) J . GRIMM, Weistümer, 3. Teil, 1842, S. 617. Vgl. dazu auch A. DOPSCH, Die freien Marken, S. 34. — 4) Vgl. oben S. 167f. 5) Vgl. darüber ausführlich F . THUDICHUM, Rechtsgeschichte der Wetterau, II. Bd., 1. Heft, Tübingen 1874. Das Weistum stammt aus dem Jahre 1341, es befindet sich bei J . GRIMM, Weistümer, Bd. III, S. 360ff. (nicht fehlerfrei).
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weis für eine altdeutsche Einrichtung darin sehen dürfe, da die Orte alle erst neueren Datums sind (sie werden nicht vor dem 10. und 11. Jahrhundert erwähnt), und es handelt sich um Gründungen Fuldas auf ihm gehörigem Boden. Fulda ist auch ursprünglich der Herr der Mark gewesen, erst nach und nach ist das Obereigentum an dieser großen „Mark" in die Hände der fuldaischen Vögte, der Herren VON R I E D E S E L , gelangt, um nach der Reformation endgültig in deren Besitz zu bleiben. b) W e r t u n g . Überschauen wir nun diese ganzen, vorstehend zusammengestellten Angaben einmal in dem Wunsche, die Züge herauszuarbeiten, die sich für die Beurteilung der Entstehung der Markgenossenschaften gewinnen lassen. Bei einigen ist dies ganz einfach. Die Entstehung aus der Grundherrschaft liegt offen auf der Hand, so namentlich bei Nr. 6 und 7. Aber auch die Sagen, die in den Fällen Nr. 1, 3 und 4 im Volke über den Ursprung des Besitzes in Umlauf sind, sprechen von einer solchen herrschaftlichen Herkunft. Und wenn die Sagen als solche natürlich nicht als historische Berichte gewertet werden können, so beweisen sie doch das eine, daß nämlich das Volk selbst damals gar nicht an eine Herkunft aus uralter Zeit und auf einer solchen Basis, wie die Markgenossenschaftstheorie sie behauptet, gedacht hat. Der grundherrliche Ursprung hat also im Rahmen der Entstehungsgründe keine geringe Bedeutung, was sich mit dem Ergebnis unserer allgemeinen Untersuchungen deckt. Schwierig ist die Entscheidung im Falle Nr. 9. O. G I E R K E hat, wie gesagt, gerade auf diesen besonders hingewiesen, um seine Lehre von der Entstehung auf freier volkstümlicher Grundlage zu stützen1). A. DOPSCH dagegen behauptete auch hier den grundherrlichen Ursprung, denn die „homines sive communitas ville in Monre", die von dem Pfarrer bewogen werden, ihre Rechte an diesem Weinberg aufzugeben, sind keine freien Bauern, sondern Gotteshausleute, grundherrlich abhängige Bauern2). Man muß wohl sagen, daß die Beweisführung von DOPSCH nicht unbedingt schlüssig ist, dazu sind die von ihm verwerteten Nachrichten zu dürftig. Aber die Ansicht von DOPSCH wird entscheidend gestützt 1) OTTO GIERKE, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. II, Berlin 1873, S . 1 5 7 , ANM. 5 5 .
2) A. DOPSCH, Die freien Marken in Deutschland, S. 34.
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durch andere Beobachtungen, einmal durch die schon oben hervorgehobene Tatsache, daß wir hier in Monra alten grundherrlichen Besitz haben; auch Markgraf DIETRICH von Meißen ist hier begütert, wie aus einer Urkunde vom Jahre 1219 hervorgeht1), und ebenso die Herren von Monra2). Aber, was entscheidend ist, dieser Weinberg wird bereits in einer früheren Urkunde erwähnt, was GIERKE und DOPSCH entgangen ist, nämlich in einer Tradition des dortigen Pfarrers vom Jahre 1224, und daraus geht hervor, daß dieser Pfarrer mit Genehmigung des Probstes diesen Weinberg auf Grund und Boden, der dem Petersstift Mainz b e r e i t s g e h ö r t , angelegt hat und ihm nun dem Stift zum Geschenk macht8). Damit dürfte der Fall klar sein. In dem Weistum, dessen Niederschrift man zwischen 1264 und 1268 annimmt, wird lediglich dieser jüngere Schenkungsakt angeführt, und offenbar hat sich hier die Erinnerung bereits etwas verwischt, wenn den Leuten von Monra Eigentum (proprietas) an diesem Fleck zugeschrieben wird, oder aber das Wort proprietas bedeutet eben, worauf 4 DOPSCH hinweist ), auch in diesem Falle nicht freies Eigen, sondern es hat sich um einen der Gemeinde von dem Grundherren verliehenen Besitz gehandelt. Aber davon abgesehen, würde es sich auch in diesem Fall ja gar nicht um einen Rest einer großen Mark handeln, sondern alles spricht lediglich für eine Dorfallmende, so wie sie nach der hier vertretenen Ansicht bereits in dieser Zeit zweifellos häufig verbreitet war. Also auch wenn allem Anschein zum Trotz doch hier freies Eigentum der Dorfleute vorliegt, würde das gegen die hier vertretene Ansicht keineswegs verstoßen und namentlich nicht für die alte Markgenossenschaftstheorie zeugen. Außer der grundherrlichen Entstehung für die uns später entgegentretenden Markgenossenschaften, die DOPSCH so stark betont 6 ), gab es, wie wir gesehen haben, durchaus auch eine X) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 1849; vgl. auch ebenda, Nr. 1459. 2) Ebenda, Nr. 156, 634, 709. 3) Ebenda, Nr. 2143. Urkunde abgedruckt von MONE, in „Zeitschr. z. Geschichte des Oberrheins", Bd. 10, 1859, S. 444. Da heißt es in Beziehung auf Pfarrer und Weinberg, „quam plantavit in fundo beati Petri". 4) A. D O P S C H , Die freien Marken, S. 33. 5) Im besonderen in seinem schon erwähnten Buch: Die freien Marken, S. 9 ff. Sehr richtig klärt er den später oft gebrauchten Ausdruck „freie" Marken dahin auf, daß damit lediglich Freiheit von Zwing und Bann oder auch das Fehlen eines Lehnsverhältnisses gemeint sei. Aber gegen die rein philologisch-textkritischhistorische Methode, der D O P S C H sich dabei bedient, hat R U D . K Ö T Z S C H K E in seiner Besprechung dieses Buches doch wohl nicht ganz unberechtigte Einwendungen erhoben („Jahrbücher f. Nationalök. u. Stat.", Bd. 142, 1935, S. 486ff.).
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Entstehung auf freibäuerlicher Grundlage 1 ). Aus dem Knapperwerden des Ödlandes entsprangen feste Grenzen, die wilde Nutzung hörte auf uiid wurde durch eine geregelte in der Dorfallmende ersetzt. Und dabei konnte es, wie ausgeführt, auch dahin kommen, daß bei der Grenzziehung sich mehrere Dörfer dahin einigten, einen bestimmten Wald, eine Mark (auf die vielleicht alle irgendwie Ansprüche erhoben, sie als ihre „Interessensphäre" betrachteten), nicht zu teilen und gemeinsam zu nutzen. Es brauchte sich dabei auch gar nicht um einen auf einen bestimmten Tag zu datierenden Vertrag handeln, sondern auch ein solcher Rechtszustand konnte sich allmählich herausbilden auf der Basis grenznachbarlicher Rücksichtnahme. Die oben unter Nr. 2, 5 und 8 aufgeführten Beispiele dürften nach dieser Richtung hin zu deuten sein. 6. Anhang: Die Hundertschaft. In diesem Zusammenhang sei noch ein kurzes Wort zu dem Problem der Hundertschaft (centena, huntari usw.) gesagt. Man hat ja zu unterscheiden zwischen dem personalen Verband und dem lokalen Verband (Bezirk). Den letzteren denkt man sich entstanden anläßlich der Landbesitznahme, wobei eine Gruppe von 100 Mann das ihr zugewiesene Stück besetzt habe, das nun als Unterteil des Gaues Bestandteil der sozialen Verfassung geblieben sei. Diese ältere These ist weitgehend fallen gelassen. Schon H. B R U N N E R sagt kurz und bündig: „Diese Ansicht läßt sich mit den Quellen nicht vereinigen" 2 ). Die römischen Schriftsteller kennen kein Zwischenglied zwischen Dorf und Gau. Wo dieser Hundertschaftsbezirk vorkommt, ist er eine erheblich jüngere Bildung; in diesem Sinne ist er bei den Schwaben, Franken, Angelsachsen und Nordgermanen anzutreffen 3 ). „Bei den übrigen germanischen Stämmen, insbesondere bei den Baiern, Friesen, Sachsen, Langobarden und Westgoten, ist ein Hundertschaftsbezirk nicht nachzuweisen" 4 ). Diese Liste kann nun um den Stamm der Thüringer einschließlich der angrenzenden chattischen Franken (Hessen) verlängert werden. Denn was das hier untersuchte Gebiet anbetrifft, so läßt sich mit der gleichen Kürze sagen: die Quellen enthalten 1) Insofern scheint mir die Prophezeiung von KÖTZSCHKE, die er am Schluß der vorgenannten Besprechung ausgesprochen hat, daß nämlich die noch ausstehende „völligere Klärung, vielleicht die Lösung" des Markenproblems „wieder bauernfreundlicher sein" würde, eingetroffen zu sein. 2) HEINRICH BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1, 2. Aufl., S. 159. 3) Ebenda, S. 160; LANDAU, Die Territorien, S. 192. 4) H. BRUNNER, a. a. O., S. 161 mit eingehenden Belegen.
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keinerlei Nachweis über eine Existenz dieser Hundertschaftsbezirke. Es scheint demnach auch nicht gerechtfertigt, wenn D O B E N E C K E R bei der Wiedergabe des Beschlusses der Reichsversammlung von Erfurt (Mitte Dezember 852) das Wort „quaestura" mit „Cent" übersetzt*). R ÜBEL wollte übrigens, gleichfalls unter Ablehnung einer Zurückführung auf altgermanische Zeiten, in der Centene eine fränkische Neuerung erblicken, entstanden durch Anlage von 100 resp. 120 neu geschaffenen oder regulierten Hufen2). Dies ist in keiner Weise durch den Quellenbefund begründet, wie G . CARO schon gezeigt hat 3 ). Schwieriger steht es mit der Hundertschaft als personalem Verband, von den Verfechtern dieser Lehre verstanden als personale Untergliederung im Rahmen der Heeres- und z. T. auch der Gerichtsverfassung. An ihr hält B R U N N E R noch fest 4 ). Andere Forscher lehnen auch dies ab. So z. B. F E D O R SCHNEIDER, der die betreffenden Stellen in der „Germania" desTAciTUS, Kap. 6 und 12, so verstehen will, daß die hier erwähnten „hundert" eine Auswahl aus einer größeren Körperschaft bedeuten 5 ). Auch R U D O L F KÖTZSCHKE lehnt es ab, sie als Bestandteil altgermanischer Heeresverfassung zu betrachten. „Nicht aus altgermanischer Gliederung des ganzen Heeres- und Gerichtsvolkes nach der Hundertzahl scheint sie hervorgegangen zu sein. Erst bei der erobernden Einwanderung in das provinzialrömische Grenzgebiet kam sie als eine Landes- und Volkseinteilung unter germanischen Stämmen auf, in der Form, wie sie in der frühmittelalterlichen Verfassung und Verwaltung Bestand gehabt hat" 6 ). 1) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 20. (Monum. German. SS., I, 368.) Es handelt sich darum, daß kein „Praefectus" und kein ,, Quaestionarius" im eigenen Amtsbezirk die Vertretung einer Rechtssache als Vogt übernehmen dürfe, sondern nur „in alienis . . . praefecturis vel quaesturis." M E Y E R - R A C K W I T Z , Der Helmegau, a. a. O., Jahrg. 1888, S. 60ff., konstruieren Cent-Grenzen, ohne auf irgendwelche Unterlagen verweisen zu können. Auch H A N S E B E R H A R D T , a. a. O., S. 21, stellt das Fehlen der Hundertschaftseinteilung für Thüringen fest. 2) RÜBEL, Die Franken, S. 464, 475 passim. 3) G. CARO, in „Westdeutscher Zeitschr.", Jahrg. 24, 1905, S. 68. 4)
H.
BRUNNER, a. a . O.,
S.
159.
5) F E D O R S C H N E I D E R , Staatliche Siedlung im frühen Mittelalter, in: Aus Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Gedächtsnisschrift für G E O R G VON B E L O W , Stuttgart 1928, S. 33. Er verweist auch darauf, daß eine solche Gliederung der sonst überlieferten Gliederung der alten Heere nach Sippen entgegenstünde. Mir scheint im besonderen eine solche Einteilung ein Maß an rationalem Denken und Ordnungswillen zu enthalten, das man der damaligen Zeit nicht unterschieben darf. Das Dezimalsystem vollends, uns heute so selbstverständlich, spielte damals noch gar keine Rolle, wie ja auch das Münzsystem und die Wergeidsätze zeigen. 6) R U D . K Ö T Z S C H K E , Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, S. 143.
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Nach unseren Quellen kann die Hundertschaft auch als personaler Verband nicht für das hier behandelte Gebiet nachgewiesen gelten, was sich mit der Ansicht von KÖTZSCHKE decken würde, da ja unser Gebiet nicht zu denen gehört, in die Germanenstämme erobernd einwanderten, so wie in die provinzialrömischen Länder. Wenn wir in späteren Quellen Centen begegnen, etwa im 15. Jahrhundert1), so tragen diese einen ganz anderen Charakter und sind erst erheblich später entstanden, sind also keinesfalls Reste dieser alten behaupteten Centverfassung im Rahmen der alten Gaugliederung. Von der auch sonst fast allgemein abgelehnten Zehntschaft als Unterabteilung der Hundertschaft — Landau wollte einst in ihnen das Dorf erkennen2) — ist natürlich erst recht keine Spur zu finden. R Ü B E L meinte, da er sie auch nicht finden konnte, sie sei inzwischen spurlos verschwunden3). Nein: sie hat in diesem Sinne nie existiert4). 1 ) Vgl. z. B . den Aufsatz von F R I T Z R O L L B E R G . Kulturgeschichtliches aus alten Zentgerichtsprotokollen, in „Thüringer Fähnlein", 6. Jahrg., 1937, Heft 6. Leider hat R. unterlassen, genaue Herkunftsangaben über seine Unterlagen zu machen. 2) G. L A N D A U , Die Territorien, S. 193. Auch L . IMGRAM, Zur Geschichte der Markgenossenschaften im unteren Maingau. (Phil. Diss. Münster 1913), S. 10 hält daran noch fest. 3)
RÜBEL, a. a. O.. S.
4) G.
CARO,
475.
„Westd. Zeitschr.", S. 69;
BRANDI,
a. a. O., S. 30.
Fünfter Hauptteil:
Zur Frage der Struktur der ältesten Siedlungen.
U
m die Gedankengänge der vorangehenden Kapitel, die immer
wieder zwangsläufig mit auf Probleme übergriffen, die im allgemeinen vor der Zeit liegen, die hier im Vordergrund des Interesses steht, abzurunden, erscheint es erwünscht, noch einmal in Anknüpfung an manches schon Gesagte kurz auf die Probleme einzugehen, die von der Diskussion um die ältesten sozialen Formen der germanischen Siedlungen, die nun schon durch Generationen hindurch geht, berührt werden. Nach der älteren Ansicht, wie sie namentlich von MEITZEN stark herausgestellt ist, aber wie sie im Kern auch heute noch in maßgeblichen Büchern der Wirtschafts- und Rechtsgeschichte vertreten wird 1 ), haben wir uns den Besiedlungsvorgang so zu denken, daß die Stämme und Stammesgruppen, Sippen usw., ihnen geeignet erscheinendes Land in Gemeinbesitz nahmen, eine „Mark" abgrenzten, und dann unter Einhaltung der Regeln der Hufenverfassung den Grund und Boden zur Nutzung (Ackerbau) teils aufteilten teils zur Gemeinnutzung zurückbehielten; es entwickelte sich dann auf der Flur dieses Dorfes eine Gewannflur mit Feldgemeinschaft, wenn auch nach und nach Privateigentum an Haus und Ackerflur sich durchzusetzen begann. Das Ganze erscheint als eine „Einteilung des neuen .Staats'-Gebietes in Distrikte, Gerichtsbezirke oder ähnliche Verwaltungsgebiete, z. T. auf Grund angenommener, fast moderner geodätisch-topographischer Verfahren" 2 ). Wie sich aus den vorstehenden Untersuchungen ergab, ist sowohl die Markgenossenschaft wie die Hufenordnung in dem vertretenen Sinne k e i n Bestandteil der alten Sozialverfassung gewesen, sondern es handelt sich bei ihnen um spätere Bildungen mit z. T. auch ganz anderem Charakter, als man ursprünglich annahm. Da1 ) Ich darf der Kürze halber auf die Übersicht bei C A R L K O E H N E , Die Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, Berlin 1928, S. 10, verweisen. Auch noch H A N S P L A N I T Z , in seiner „Germanischen Rechtsgeschichte", Berlin 1936, vertritt eigentlich unvermindert diese Ansicht. 2 ) K . W Ü H R E R , Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen Nordens, S. 19.
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mit sind zwei der wichtigsten Grundlagen dieser ganzen Lehre hinfällig geworden. Hier geht es nun um die dritte Stütze, und das ist die Lehre, daß die erste Ansiedlung in geschlossenen D ö r f e r n stattgefunden habe, eben in Form der Gewannverfassung, wobei man an eine Gruppe sippenmäßig verbundener freier Bauern mit ungefähr gleicher sozialer Rangstellung denkt1). Das erst später, ja eigentlich genau erst in den Flur karten des 19. Jahrhunderts nachweisbare, aber an sich aus den spätmittelalterlichen Weistümern bereits klar erkennbare Dorf mit Gewanneinteilung, feldgemeinschaftlichen Regelungen verschiedenster Art, z. T. auch mit genossenschaftlicher Allmendnutzung ausgestattete Dorf, dachte man sich so in der Urzeit anläßlich der sog. „Landnahme" geschaffen, wenigstens im Kern. Dabei wird, ganz logischerweise, auf die Siedlung in Dorfform entscheidendes Gewicht gelegt. Ein Forscher wie AUGUST MEITZEN hat die dorfmäßige Siedlungsweise bekanntlich
gerade als die für die Germanen charakteristische dem keltischen Einzelhof gegenüber herausgestellt. Und wenn die neuere Forschung auch die Verbindung zwischen Einzelhofsiedlung und dem Einfluß dieses keltischen Volkstums längst aufgegeben hat2), so ist die Ansicht, daß die dorfmäßige Siedlung, und zwar in der Norm des Gewanndorfes, schon für die alte Zeit als die Regel anzusehen sei, noch heute fast als die herrschende zu bezeichnen. Natürlich nicht unbestritten. In der Mitte steht in gewisser Weise GEORG v. BELOW. Er selbst hat mit gewichtigen Gründen die Lehre von der agrarkommunistischen Verfassung als die Eigentumsform der Urzeit zurückgewiesen3), hat aber für die germanische Frühzeit merkwürdigerweise großenteils daran festgehalten4). RUD. KÖTZSCHKE hielt gleichfalls noch weitgehend an der älteren Ansicht fest, meinte aber 1) So sagt z. B . HANS PLANITZ in dem erwähnten Buch, S. 142: „ D i e große Masse der freien Bauern bestand aus Kleinbesitzern, die in freien Markgenossenschaften zusammenwohnten." 2) Neuerdings hat sich STEINBACH, a. a. O., S. 45ff. d a z u geäußert.
Auch
A . DOPSCH sprach in seinen „ G r u n d l a g e n " ( B d . I, S. 291) v o n den ganz unmöglichen Konstruktionen, zu denen sichMEiTZEN verleiten ließ, um dieses eine These zu stützen. E s ist überflüssig, hier darauf noch einmal näher einzugehen. 3) V g l . Theorie",
namentlich den
abgedruckt
Aufsatz „ D a s
kurze
Leben
einer
viel
genannten
in „ P r o b l e m e der Wirtschaftsgeschichte", 2. Aufl., S. l f f .
4) So in seinem A u f s a t z „ D i e H a u p t t a t s a c h e n der älteren deutschen A g r a r geschichte", der an gleicher Stelle direkt anschließend an den vorher genannten Aufsatz veröffentlicht ist. schaft", S. 7.
E b e n s o in seiner „Geschichte der deutschen L a n d w i r t -
A u c h CARL KOEHNE hat schon a. a. O., S. 25, auf diese schwierige
Stellungnahme v. BELOWS
hingewiesen.
—
335
—
doch etwas einschränkend: „von wirklichem Agrarkommunismus volksmäßiger oder markgenossenschaftlicher Verbände ist bei dem ersten Auftreten germanischer Stämme kaum zu sprechen" 1 ). ALFONS
DOPSCH,
CARL
KOEHNE,
FRANZ
STEINBACH
und
KARL
haben dann neuerdings sehr ernsthafte Kritik geübt und auch positive Neuformulierungen geboten. Da hier im Zuge unserer Untersuchungen für unser Gebiet die beiden anderen Ecksteine der alten Lehre als brüchig nachgewiesen sind, soll nun zum Abschluß noch kurz der Frage nachgegangen sein, wie wir uns die frühe Besiedlung vorzustellen haben, namentlich ob man DorfSiedlungen als die Regel anzunehmen hat. Da ist zunächst an unsere Feststellung (oben S. 81 ff.) zu erinnern, daß gerade in unserem Gebiet keineswegs davon ausgegangen werden kann, daß eine weitgehende „demokratische" Gleichheit der Besitzverhältnisse bestanden hat. Wir haben im Gegenteil mit starken Besitzabstufungen zu rechnen schon in früh- und vorhistorischer Zeit, und namentlich treffen wir auf reiche Grundherren (Adel) mit der Grundlage einer größeren Schicht von Unfreien. Diese grundherrlichen Besitzungen kann man auf alle Fälle von vornherein nicht unter die bäuerlichen Dorfsiedlungen einreihen, jedenfalls nicht im Sinne dieser Lehre, wenn die Ansiedlung der Unfreien durch den Herrn auch weitgehend in Dorfform erfolgt sein mag. Aber haben wir uns, wenn wir davon einmal absehen, sonst dorfmäßige Siedlungen als die herrschende Regel vorzustellen ? Daß es an sich wohl an besonders wichtigen Punkten (politische Zentren, an Handelswegen usw.) größere Siedlungen, die man als Dörfer bezeichnen muß, gegeben hat, soll nicht in Abrede gestellt werden. Sicher gab es solche, und auch gerade in den fruchtbaren, seit Jahrhunderten, ja seit Jahrtausenden von Menschen bewohnten „Gefilden" mögen sie schon in der vormerovingischen Zeit, und zwar auf landwirtschaftlicher Basis, nicht so ganz selten gewesen sein. Aber auch die Regel ? Das erscheint zweifelhaft ! Einmal darf man sich diese „Gefilde" ja nicht als weite baumlose Ebène vorstellen, sondern nur als relativ waldarm, als ein Nebeneinander von offenen Stellen und kleineren Waldbeständen. Aber diese Waldbestände waren bei der damaligen Technik kaum zu verringern, bleiben also im großen ganzen stehen und verursachten damit eine starke Zergliederung, Zerklüftung der Siedlungsfläche. Die jetzigen weiträumigen Dorffluren sind erst das Ergebnis der in der Karolingerzeit einsetzenden Rodungsperiode und der sehr viel langsameren WÜHRER
1)
R U D . KÖTZSCHKE,
Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters,
S. 6 9
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336
—
Rodungstätigkeit auch in späteren Jahrhunderten. Die Vorstellung, daß man in den „Gefilden" großzügig über weite Flächen hätte disponieren können, ohne mühselige Arbeit, die nur Schritt für Schritt vor sich ging, würde irrig sein. Dazu kommt, daß die relativ offenen Räume auch wieder die Möglichkeit gaben, sich auszudehnen, sich rings herum von jeder Beengung durch die Nachbarn frei zu halten, sich z. B. den alleinigen Besitz einer Quelle, einer Lichtung, einer Erhöhung zu sichern. Gewiß machten sich, wo sich mehrere Siedler zusammentaten — vielleicht die Mitglieder einer weiteren Familie (Sippe) —, gewisse wechselseitige Verabredungen notwendig, etwa über die Reservierung einer gemeinsamen Weide für das Vieh oder gemeinschaftliche Nutzung eines bestimmten Waldes usw., aber es ist kein Grund zuerkennen, aus dem heraus man sofort ein so kompliziertes System hätte schaffen sollen, wie es das MEiTZENsche Gewanndorf ist. Wenn nach TACITUS die Saatfelder jährlich gewechselt werden und dann noch Ackerfläche übrigblieb (die als Brache lag) 1 ), dann ist damit nicht gesagt, daß die Dorfgenossen dies gemeinschaftlich in ihrer Flur so handhaben, sondern es kann auch auf Einzelne bezogen werden. Und wie man diese Stelle auszulegen hat, ist keine Frage der Philologie, sondern der historischen Forschung, die nachzuprüfen hat, welche dieser Möglichkeiten mit den geschichtlichen Funden übereinstimmt. Und diese spricht, wie wir noch sehen werden, für das Vorherrschen der Einzelhof- und Weilersiedlung, womit sich die später festzustellende Feldgemeinschaft und Gewannordnung als spätere Schöpfung erklärt, hervorgerufen durch Anwachsen der Bevölkerungszahlen, d. h. Herausbildung von Dörfern, durch das Entstehen von Gemengelage der Äcker infolge zahlreicher Besitzteilungen, Erbgänge, Veräußerungen usw. Wenn auch, soweit mehrere sich zusammengetan hatten, das Siedlungsland gemeinsam in Besitz genommen wurde, gemäß der Nachricht von TACITUS „agri pro numero cultorum ab universis in vices occupantur"2), so bildete das Land deswegen noch keinen Gemeinbesitz, sondern es wurde sofort als Privateigentum aufgeteilt, und zwar nicht in 1) „ A r v a per annos mutant e t superest a g e r " .
W i r schließen uns d a m i t der
D e u t u n g an, wie sie STEINBECH, a. a . O., S. 50ff., f ü r diese Stelle geboten hat.
Sie
findet sich übrigens ganz ähnlich auch bei C. KOEHNE, a. a. O., S. 23. KARL HAFF, Z u r Geschichte des germanischen Grundeigentums, a. a. O., S. 433f., lehnt diese Ansicht von STEINBACH a b , ohne d a ß m a n sich a b e r von seinen doch recht weit abliegenden G r ü n d e n überzeugt fühlen könnte. 2) Die L e s a r t „in vices" ist jetzt wohl als gesichert anzusehen; vgl. dazu CARL KOEHNE, a . a. O., S. 36f. ( A n h a n g ) .
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337
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„demokratischer" Weise zu gleichen Anteilen, sondern „secundum dignationem"1), womit ja gesagt ist, daß von vornherein Besitzunterschiede bestanden, und zwar daß diese Besitzunterschiede von der „dignatio" des Einzelnen herrührten, also seinem Ansehen, seiner politischen und militärischen Führerstellung usw. Wir sehen hier also, daß das, was die Germanen nach dem Berichte von CAESAR im Interesse des Kriegszuges vermeiden wollten, das Sichumsetzen politischer und militärischer Machtstellungen in wirtschaftliche Besserstellung, von TACITUS als die Regel beschrieben wird. Und sie ist in unserem Gebiet immer die Regel geblieben, da ja die „demokratisierenden Wirkungen"2) eines solchen Volkszuges und Volkskrieges, wie sie dann später auch die großen Völkerwanderungen darstellten, unserem Gebiete weitgehend fremd geblieben sind. Wichtiger als die Schilderungen des CAESAR, die sich nur auf einen kriegerischen Ausnahmezustand beziehen3), den man nicht verallgemeinern darf4), wichtiger auch als die leider so dürftigen Bemerkungen des T A C I T U S 5 ) , die so ungemein verschieden ausgelegt werden können, sind gerade auch für unser Gebiet die Zeugnisse der Vorgeschichtsforschung6). Sie erst geben uns die Anleitung dafür in die Hand, wie man die wenigen unklaren Worte des TACITUS auszulegen hat. Und zwar brauchen wir uns dabei nicht auf die Ergebnisse der Ausgrabungen in unserem hier speziell „ . . . q u o s mox inter se secundum dignationem partiuntur." Auch CARL sagt a. a. O., S. 23: „Gleiche Größe der Anteile, so häufig sie auch von Neueren angenommen wird, bestand jedenfalls nach den uns hier beschäftigenden Worten „secundum dignationem" nicht. Vgl. auch MAX WEBER, a. a. O., S. 463. 1)
KOEHNE
2) Vgl. dazu MAX WEBER, a. a . O., S. 4 6 9 .
3) G. v . BELOW, Geschichte der deutschen Landwirtschaft, S. 6; RUD. KÖTZSCHKE, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 65. 4) Das ist ein Vorwurf, den man V. ERNST, Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, Stuttgart 1936, S. l f f . , nicht ersparen kann. 5) Zur TACiTus-Kritik vgl. außer den hier genannten Schriften noch: E. NORDEN, Die germanische Urgeschichte in TACITUS' Germania, 3. Abdruck, Berlin 1923; E. MAYER, Das antike Idealbild v o n den Naturvölkern, in „Zeitschr. f. Deutsch. Alt.", Bd. 6 2 ( 1 9 2 5 ) ; W. STACH, ZU Caesars Nachrichten über den Ackerbau usw., in „Staat u. Persönlichkeit" (Brandenburg-Festschrift), Leipzig 1928. 6) Es geht nicht an, wie V. ERNST, a. a. O., S. 6, Anm. 18, zu sagen: „Die archäologischen Funde, die man zu Hilfe nimmt (A. DOPSCH, Grundlagen, Bd. 1, S. 61), sind in ihrem Ergebnis viel zu unsicher, als daß sie einem so klaren und bestimmten Zeugnis wie dem CAESARS gegenüber ins Gewicht fallen würden." Vgl. auch C. KOEHNE, a. a. O., S. 10, der euch vor den Überschätzungen der Berichte d e s CAESAR u n d TACITUS w a r n t , w i e s i e b e i V . E R N S T u n d e b e n s o b e i W .
zu bemerken sind. Lütge, Agrarverfassung.
22
SCHULZ
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338
—
untersuchten Gebiet beschränken, sondern können vergleichend und ergänzend die Funde heranziehen, die weiter im Norden und Nordosten gemacht worden sind. Und hier läßt sich zunächst ganz allgemein sagen: die hochentwickelte Kultur, die uns die Bodenfunde zeigen, die künstlerische Vervollkommnung von einfachen Gebrauchsgegenständen (z. B. Kämmen), das ausgebildete Kunstgewerbe in Schmuck, Metallgeräten und Keramik1), hätte kein Volk hervorbringen können, das sich auf Wander- und Kriegszügen befindet und sich nach jeder Richtung hin behelfsmäßig einrichten muß und um der kriegerischen Schlagkraft willen jede wirtschaftliche Differenzierung unterbindet. Solche hohen Leistungen, wie sie ja gerade heute auch weiteren Kreisen bekannt geworden sind, sind nur bei einem Volke möglich, das seit Generationen fest ansässig ist, das Gelegenheit gehabt hat, Reichtümer anzusammeln, Technik und Geschmack auszubilden, bei dem überdies soziale Unterschiede bestehen, nicht, nur was Kommandogewalt und Ansehen, sondern auch gerade den materiellen Besitz betrifft. Und wenn die Germanen bei CAESAR ihre Wirtschaftsweise damit begründen, daß eine größere Bodenständigkeit ihren kriegerischen Eifer abschwächen und zur Verweichlichung führen würde, daß fernerhin leicht die Mächtigen im Volke dann auch nach größerem Grundbesitz trachten würden, während jetzt auch der kleine Mann bei Zufriedenheit gehalten wird, wenn er sieht, daß der Mächtige auch nicht mehr hat als er selbst (,,ut animi aequitate plebem contineant, cum suas quisque opes cum potentissimis aequari videat")2), dann liegt darin doch indirekt eine Bestätigung der hier vertretenen Ansicht! Die germanischen Gewährsmänner des CAESAR und wohl auch CAESAR selbst sind sich bewußt, daß es sich dabei um einen von den genannten militärischpolitischen Gesichtspunkten bestimmten Ausnahmezustand handelt. So muß man wohl diese Stelle verstehen! Wir wissen heute auf Grund der Ergebnisse der Spatenwissenschaft, daß die Mächtigen sich früher durchaus nicht mit der politischen und militärischen Kommandogewalt begnügt hatten, sondern durchaus auch auf eine wirtschaftliche Macht- und Kraftentfaltung Wert gelegt haben3). Diese jetzt abgeschafften älteren Verhältnisse kannten CAESARS Gewährsmänner, und nur so sind sie zu verstehen; sie nennen ja auch die Gründe, die dazu geführt hatten, um des politisch-militärischen Erfolges willen diese alten, früher 1) Vgl. dazu die Ausführungen oben S. 149ff. und die dort angegebene Literatur. 2) CAESAR, De bello gallico, Liber VI, Kap. 22. 3) Das ist genau das Gegenteil, was V. ERNST, a. a. O., S. 4 behauptet.
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339
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auch bei ihnen heimischen Zustände mit hartem Entschluß zu beseitigen. Zu dieser Schlußfolgerung kommen wir auf Grund unserer prähistorischen Zeugnisse, die uns für die ältere Zeit ein ganz anderes Kultur- und Sozialbild zeigen. Hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur sind wir aber nicht nur allein auf den Analogieschluß beschränkt — daß die Gewährsmänner C A E S A R S in ihren Ablehnungsgründen auch gerade das indirekt angeben, was früher bei ihnen herrschend war —, sondern wir können uns auch für diese Frage auf Zeugnisse der Altertumswissenschaft berufen, auch gerade hinsichtlich der Siedlungsmethoden, — womit wir wieder zu unserem Hauptthema zurückkommen. Besonders wertvoll sind hier die Ergebnisse der diesbezüglichen Forschungen in der nördlichen Urheimat der Germanen und den angrenzenden skandinavischen Gebieten, über die wir dank der hohen Blüte dieses Wissenschaftszweiges besser orientiert sind als weithin noch über die deutschen Gaue, auch über Mitteldeutschland. Uns die Ergebnisse dieser Forschungen vermittelt zu haben, ist ein dankbar anzuerkennendes Verdienst K A R L W Ü H R E R S 2 ) . Gerade auch für das für unsere Vorgeschichte so bedeutsame heutige Dänemark ist die neuere dortige Forschung übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, daß die „typischen Dörfer des Mittelalters mit ihrer Agrarverfassung keineswegs aus der germanischen Vorzeit stammen"3). Vorher haben wir hier nur Einzelhof-, allenfalls Weilersiedlungen, und zwar auf der Grundlage von Privateigentum. Einzelhofsystem und Dorfsystem ist also im allgemeinen als ein Nacheinander aufzufassen. „Bis zum Beginn unserer Zeitrechnung hat es in Dänemark keine Dörfer gegeben, jede Familie war gesondert für sich angesiedelt"4). Erst aus der späteren Hälfte 1) Vielleicht sind die unzweifelhaft stärkeren Spuren feldgemeinschaftlicher Institutionen, die wir in der Lex Salica im Gegensatz zu anderen Volksrechten finden, als Reste einer solchen ähnlichen „Kriegsverfassung" zu deuten; was aber nicht zu falschen Verallgemeinerungen verleiten darf. Auf dieser Sonderstellung des salischen Rechtes hat vor zwei Generationen R I C H A R D S C H R Ö D E R bereits mit großer Betonung hingewiesen, ohne daß er damit genügend beachtet worden wäre. ( R I C H A R D S C H R Ö D E R , Die Ausbreitung der salischen Franken. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Feldgemeinschaft, in „Forschungen zur deutschen Geschichte", Bd. 19, 1879, S. 137ff.). 2 ) Vgl. auch die Besprechung von W Ü H R E R S Buch durch R U D . K Ö T Z S C H K E in den „Jahrbüchern f. Nationalök. u. S t a t " , Bd. 144, 1936, S. 239—241. 3)
K . WÜHRER, a. a. O.,
4)
ERIK
NIELSEN,
Jena
ARUP, 1933,
S.
27.
in: „Dänische Wirtschaftsgeschichte", herausg. von S.
9.
22*
AXEL
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340
—
der älteren Eisenzeit, die von Christi Geburt bis rund 400 n. Chr. angesetzt wird, sind die ältesten d ö r f l i c h e n Siedlungen ausgegraben worden1). Und in den beiden anderen skandinavischen Ländern ist es ganz ähnlich2). Es paßt durchaus in diesen Rahmen, daß die Besiedlung Bornholms im 6. Jahrhundert n. Chr. ausschließlich in der Form von Einzelhöfen erfolgte3). Ganz offenbar empfand man das damals noch als die natürliche, heimische Siedlungsweise, und das Sich-Ausdehnen von Einzelsiedlungen zu Dörfern ward noch als das Anormale angesehen, lediglich erzwungen durch den (relativen) Bevölkerungsüberschuß. Und wenn wir trotzdem auf Bornholm Brandgrubengräber aus dieser Zeit zu großen Friedhöfen von über 1000 dicht beieinanderliegenden Gräbern vereinigt finden, so beweist das, daß wir aus solchen Begräbnisplätzen nicht auf Dorfbesiedlung schließen dürfen, wie man das öfters getan hat 4 ). Ganz das gleiche hat schon früher T H . ILGEN 6 ) für die Gebiete am Niederrhein nachgewiesen, und F. STEINBACH hat diese Untersuchungen neuerdings bestätigt8). Es wird weiterer Untersuchungen darüber bedürfen, ob tatsächlich die Germanen bei ihrem Vordringen nach Westen und Süden „genossenschaftlich durchgebildete Siedelformen anwandten, wenigstens bevorzugt haben", wie 7 R . KÖTZSCHKE meint ), oder ob auch hier die zu erwartenden neuen Forschungen zu einem anderen Ergebnis kommen. An sich wäre es aus geographischen Gründen denkbar, daß bei offenem Lande eine mehr dorfmäßige Besiedlung Platz greift, wenn auch nicht in der Form des komplizierten Gewanndorfes, sondern wohl mehr in Form eines Zusammenrückens von Einzelhöfen, woraus dann das regellose Haufendorf entsteht, während die planmäßig angelegten Dörfer, wie wir sie dann aus der Kolonisationszeit kennen, von vornherein ein anderes Bild zeigen8). Alles in allem kann man also heute 1)
K. WÜHRER,
a. a . O.,
S.
27.
2) Ebenda, S. 28ff. — 3) Ebenda, S. 33. — 4) Ebenda, S. 34f. 5 ) T H . I L G E N , Die Grundlagen der mittelalterlichen Agrarverfassung am Niederrhein, „Westdeutsche Zeitschr.", Bd. 32, 1913, S. l f f . 6) F . S T E I N B A C H , a. a. O . , S . 56ff. 7) In der oben S. 329, Anm. 5 bezeichneten Besprechung von W Ü H R E R S Buch, S. 241; vielleicht spricht hier der Wunsch mit, die bisher vertretene Ansicht noch in Schutz zu nehmen. Auch R. G R A D M A N N behauptet für Württemberg, daß die zuwandernden Alemannen dort, wo sie offenes Kulturland antrafen, in Gewanndörfern gesiedelt haben (Das ländliche Siedlungswesen des Königreichs Württemberg, in: „Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde", Bd. 21, Stuttgart 1913, S. 94f.). 8)
F.
STEINBACH, a . a . O.,
S.
56.
—
341
—
kaum noch sagen, daß das Dorf als urwüchsig zu gelten habe und „daß seine Urwüchsigkeit nie bezweifelt "sei, auch wenn man diese Aussage auf „die größeren Teile Deutschlands" beschränkt1). Für unser Gebiet liegen die Verhältnisse nun so, daß hier in den „Gefilden" ein relativ offenes Land vorhanden war, und deswegen möchte ich auch annehmen, daß hier die Entwicklung zu Dörfern in dem eben gedachten Sinne (also nicht Gewanndörfern, die auf alle Fälle in spätere Zeit fallen) vielleicht früher eingesetzt hat als weiter im Norden, wo die Verhältnisse nicht so günstig waren, aber als Regel muß man doch wohl die Einzelhof- und Weilersiedlung annehmen. Das gilt auch gerade für die alten Siedlungen auf -stedt, -leben und -ingen, die in den mitteldeutschen Gefilden eine so große Rolle spielen. Sie sind in der Regel gebildet mit männlichen Personennamen und zeigen keinen Gruppenbesitz, sondern Einzeleigentum an2). Bei den in die Wälder hineingelegten Siedlungen kann man Einzelhof- und Weilersystem erst recht annehmen, denn „bei der Rodung, zumal unter primitiven Verhältnissen, geht man am besten schrittweise vor; um eine Gewannflur im Waldgebiet einzurichten, hätte eine große Waldflur auf einmal gerodet werden müssen, was einen großzügigen Plan und eine weitverzweigte Organisation schon zur Proviantierung der großen dazu nötigen Mannschaft voraussetzte''3). Wir müssen aber noch weiter gehen: Wenn man derartige Gewanndörfer in einem einmaligen Siedlungsakt angelegt hätte, müßte man doch wohl annehmen, daß auch die Anlage des Dorfes mit der gleichen Planmäßigkeit erfolgt wäre, so wie wir das spätestens bei den planmäßigen wohlorganisierten Kolonistensiedlungen finden. Das wird auch von Vertretern der Ansicht, daß das Dorf die altgermanische Siedlungsweise sei, im Prinzip zugegeben. Treffend sagt M A R T I N Y , den man immerhin mit geringer Einschränkung hierher rechnen kann: „Man sollte erwarten, daß die von vornherein bestehende Sozialordnung sich in geordnetem Anbau ausprägen müßte, um so mehr, als die zugehörige Feldflur als Gewannflur eine elastische, aber klare Ordnung aufweist"4). Diese Diskrepanz sieht MARTINY also und sagt selbst, daß „die Gestaltung dieser Dörfer das Gegenteil von planmäßiger Ordnung" aufweise. Die Erklärung für 1) W i e
es
MARTINY,
a. a. O.,
S. 15
tut.
2) So sehr ausführlich und einleuchtend K . W Ü H R E R , a. a. O., S. 46ff. 3) R. G R A D M A N N mit berechtigter Zustimmung zitiert bei S T E I N B A C H , a. a. O., S . 56. 4)
R.
MARTINY,
a. a.
O.,
S.
16.
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342
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diesen auf alle Fälle überraschenden Tatbestand findet er, da an dem Vordersatz nicht gerüttelt wird1), darin, „daß auf Ordnung bei der Niederlassung kein Gewicht gelegt wurde" 2 ). Das muß erstaunen, denn man versteht nicht, warum auf die Dorfanlage keine solche Sorgfalt verwandt worden sein soll, wenn man für die Anlage der Feldflur ein so kompliziertes Ordnungssystem annimmt. Aus dieser Zwangslage ist der sofort befreit, der den Vordersatz aufgibt, also die Vorstellung von der Sozialordnung, wie sie besonders M E I T Z E N dargelegt hat 3 ). Das ist aber die Position, zu der wir auf Grund der ganzen vorhergehenden Untersuchungen gekommen sind, kommen mußten. Wenn man sich darüber klar ist, daß diese Art der Sozialverfassung in dieser Form nie bestanden hat und ihre einzelnen Elemente mit anderem Charakter erst in späterer Zeit entwickelt worden sind, wird die Unregelmäßigkeit des Haufendorfes4) ganz zwanglos verständlich, nämlich als das Ergebnis einer allmählichen Vergrößerung der alten Einzel- und Weilersiedlungen im Wege des Anbaus weiterer Siedler (wohl vielfach Söhne usw., also als Auswirkung des Bevölkerungszuwachses), und in gleicher Weise wird so die unregelmäßige, zerstückelte Flurgestaltung erklärlich, die wir hier überall antreffen: schrittweise vorgetriebene Rodungen an geeigneten Stellen, angelegt wie die Gunst der Natur und die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte es ermöglichten (und zwar gleich, ob grundherrliche oder freie Bauern), Erbteilungen unter den Söhnen und Töchtern5), Teilungen, die aus Anlaß von Heiraten und Witwen Versorgungen erfolgten, Zerstückelungen durch Schenkungen einzelner Acker usw. an Kirchen, die diesen Besitz nun grundherrlich ausliehen, Teilungen von neugerodeten Waldstücken und Capturen unter die an der Rodung Beteiligten (seien dies Nachbarn oder Verwandte, etwa Brüder, denen das Dach über dem Hause des Vaters zu eng wurde) usw.6). — Diese Momente waren es, die im Laufe der Zeit, meist wohl erst nach Ausgang der 1) d. h. die Behauptung von dem Bestehen der agrarkommunistischen Sozialordnung. 2) Ebenda, S. 16. 3)
R . M A R T I N Y b e z e i c h n e t a. a . O.,
S . 15, A n m .
1 die A r b e i t e n
MEITZENS
noch als „grundlegend". 4) Wohl zu Recht sagt R . MARTINY, a. a. O., S. 23: „Überall in Deutschland westlich der Saalelinie sind die Dorfformen vom Haufendorf abzuleiten." 5) Vgl. oben das Kapitel über die Vererbung des Grundbesitzes S. 134ff. 6) Solchen Teilen von Waldstücken und Capturen begegnen wir häufiger, z. B. BURKHARDT, Urkundenbuch der Stadt Arnstadt, Nr. 1; DRONKE, Codex, Nr. 415, 455, 462, 471, 472, 474, 476, 479, 562, 596, 600, 605, 606, 663 usw.
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343
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Karolingerzeit, die alte Einzel- und Weilersiedlung, die ursprünglich im Vordergrund stand, zum Dorfe mit seiner zerrissenen Gewannflur machten, so wie es der älteren Lehre als Ausgangspunkt vorschwebt. Hier gab es dann Feldgemeinschaft, Gewanngliederung1) usw., hier standen die Gehöfte in unregelmäßigem Haufen zusammen, hier gab es dann auch, zumindest in einem Teil der Siedlungen, Allmenden in genossenschaftlicher Nutzung, denn mit dem Dichterwerden der Bevölkerung waren die oben herausgestellten Vorbedingungen erfüllt. Rund gerechnet dürfte diese Entwicklung in das 9.—12., ja z. T. bis ins 13. Jahrhundert fallen, mit zahlreichen lokalen Unterschieden, Abstufungen und Entwicklungshemmungen, wobei die „Gefilde" im allgemeinen vorangingen. So ist auch in dieser Hinsicht die Karolingerzeit eine solche von höchster Bedeutung für die Gesamtentwicklung unserer Volksgeschichte, denn in ihr wurde der Grundstein zu diesem ganzen Prozeß gelegt und ihm die Ausrichtung gegeben. Aber zu diesen ganzen Momenten kommt im Laufe der Zeit noch ein weiteres hinzu: die sog. „negative" Siedlung, d. h. das Wieder-Wüst-Werden von besiedelten Plätzen. Die ungeheuer angewachsene Wüstungsliteratur, auch für unser Gebiet, hier anzuführen, ist unmöglich, aber auch überflüssig. Es ist unbestritten, daß diese Wüstungen schon zu einem erheblichen Teil vor Ausgang des Mittelalters entstanden sind, und zwar derart, daß die Bewohner der aufgegebenen Siedlungen in eine andere verzogen. Auf diesen Vorgang selbst brauchen wir hier nicht näher einzugehen, es genügen einige, lediglich der Illustration dienende Hinweise. O. SCHLÜTER errechnet z. B. für das von ihm näher untersuchte nordostthüringische Gebiet einen Ortschaftsverlust von 40%2) und ERICH WINTER für das Eisenacher Land einen solchen von 36%3). Das sind bedeutende Zahlen. Bei diesem Wüst-Werden spielte die Zusammenlegung von kleinen Siedlungen zu größeren eine gewichtige Rolle. Als z. B. LUDWIG DER SPRINGER die Wartburg erbaut hatte (1067—1070),veranlaßte er nicht nur die Bewohner der Ortschaft Eisenach, die damals am Petersberg lag, diese Stätte zu verlassen und sich am Fuße der Wartburg neu anzusetzen, sondern er holte auch noch die Bewohner von 7 anderen benachbarten Ortschaften heran, die nun je eine Wüstung hinter sich ließen und von dem 1) Ob die Einteilung der Gewanne dann später einmal gemeinschaftlich nach einem überlegten Plan erfolgte, also eine Art Flurregulierung stattfand, wie manche Forscher meinen (z. B. KÖTZSCHKE, Thüringen i. d. d. Siedlungsgeschichte, S. 14), bleibe hier dahingestellt. 2) O . S C H L Ü T E R , a . a . O . ,
S . 204.
—
3)
ERICH W I N T E R ,
a. a.
O.,
S.
31.
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344
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neuen Wohnsitz aus aber natürlich ihre Äcker weiter bebauten1). Die Erinnerung an solche erzwungenen oder (meist) freiwilligen Umsiedlungen hat sich in Einzelfällen bis heute in der Erinnerung des Volkes lebendig erhalten. „Die Bewohner des Dorfes Gieboldehausen auf dem unteren Eichsfeld führen noch heute im Volksmunde den Namen der .Siebensinnigen', weil hier einst die Bewohner von sieben Dörfern zusammengezogen sind" 2 ). Dieser Vorgang als solcher ist nicht unbekannt, aber vielleicht doch nicht immer in seinen siedlungsgeschichtlichen Konsequenzen völlig durchdacht. Zweifellos liegt hier ein Geschehen vor, daß auch seinerseits zur Ausbildung des Dorfes beigetragen hat, denn die aufgegebenen Siedlungen können gar keine größeren Dörfer gewesen sein, sondern es kann sich nur um Kleinsiedlungen handeln. Die Gehöfte des Dorfes, in das man zuwanderte, vermehrten sich nicht nur, sondern auch die Flur bildete sich auf diese Weise völlig um, da ja die Neuhinzugezogenen von ihrem neuen Wohnsitz aus ihre Äcker weiterhin bebauten, die nun mit zu der Dorfflur gerechnet wurden. Infolge dieser Vorgänge mußte das Bild immer bunter werden, zumal diese neuen Teile der Dorfflur nun mit in die schon erwähnten Vorgänge wie Erbteilungen, Verkauf usw. usw. hineingezogen wurden, bis die Dorfflur ein so unregelmäßiges und zerstückeltes Gefüge bekam, daß ohne feldgemeindliche Regelungen eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung der einzelnen Felder gar nicht mehr möglich gewesen wäre. Daß dieses Zusammenfließen kleinerer verstreuter Siedlungen zu Dörfern in dieser Weise vor sich ging, hat auch M A R T I N Y gesehen, ja er sagt mit Recht, daß dieser Vorgang im besonderen „in den Fruchtebenen wie der Magdeburger Börde und Thüringen", zur Wüstungsbildung geführt habe3), aber er zieht daraus nicht die unumgänglich notwendigen Folgerungen für die Entwicklung der Sozialverfassung und die ursprüngliche Siedlungsform. Neben dem Zusammenlegen von kleinen Siedlungen zu einem Dorf treffen wir auch auf die Erscheinung, daß mehrere solcher kleinen Siedlungen so dicht nebeneinanderliegen, daß sie im Zuge 1 ) Ebenda, S . 3 1 f. Die Deutung dieses Vorkommnisses bei W I N T E R ist etwas schief insofern, als er den Charakter der „Stadt" Eisenach falsch einschätzt, es war eben doch wirtschaftlich gesehen damals noch ein Dorf, für dessen Bewohner die Bebauung ihrer Felder das Haupterwerbselement war. 2 ) F R . TAMS'S, a. a. O . , S . 7 , Anm. 1 . T A M S S spricht einfach von „Dörfern", die zusammengelegt worden seien. Daß dies aber wirkliche Dörfer waren, ist doch die Frage. Man sollte in solchem Zusammenhang lieber das neutrale Wort „Ortschaft" verwenden. 3)
R . MARTINY, a . a . O . ,
S.
17.
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der natürlichen Volksvermehrung und Raumausweitung gleichsam von allein zusammenwachsen. Es will schon etwas sagen, wenn, um einige Beispiele herauszugreifen, auf dem Gebiete des älteren Teiles der Stadt Jena noch bis in das Hochmittelalter hinein, ja darüber hinaus vier kleine Dörfchen bestanden haben und mitten zwischen ihnen noch als 5. Siedlung der Rittersitz der Herren von Jena, nach dem die Stadt dann ihren Namen erhielt, indem die Lobdeburger, die inzwischen hier als Territorialherren Fuß gefaßt hatten, diese Rittersiedlung mit Marktrecht und Mauer ausstatteten1). Wir dürfen, wenn wir uns das Siedlungsbild und das Flurbild jener frühen Zeit vorstellen wollen, niemals einfach von dem Bilde ausgehen, das uns die Gegenwart bietet, und zwar ist eben nicht nur die Waldbedeckung größer, sondern auch die Siedlungen selbst sahen anders aus, es fehlten ganz oder weitgehend die größeren Dörfer, und stattdessen überwog der Einzelhof und der Weiler, beides Siedlungsarten, für die eine Gewannflur von vornherein nicht in Frage kommt. Auf der gleichen Ebene liegt die Tatsache, daß wir von mehreren heute noch kleinen Orten urkundlich bezeugt wissen, daß sie im 8. Jahrhundert ihrerseits aus mehreren als selbständig betrachteten Siedlungen bestanden haben, die erst später zusammengewachsen oder zusammengezogen sind. So ist von den „tribus Geochusis" (Jüchsen), den „tribus Hoheimis" (Höchheim), den „tribus Percuhis" (Berkach) in diesem Sinne die Rede2), ebenso von den beiden Sezelacha (unbekannt)3) und den „duobus Marahesfeldum" (Marisfeld)4). Es bleibt noch übrig, ein Blick auf jene Siedlungen zu werfen, die als Neurodungen in dem weiten Waldgebiet entstanden sind, das ja neben den „Gefilden" eine bedeutende Ausdehnung hatte. Hier entsteht die Frage: Sind diese Siedlungen, die ja zu einem erheblichen Teil grundherrlichen Ursprungs sind, als Einzel- oder Weilersiedlungen entstanden, oder sind sie sofort als Dörfer (vielleicht gar als Gewanndörfer) angelegt worden ? Für die erste 1) Vgl. den Aufsatz von HERBERT KOCH, J e n a im Mittelalter, in , , 1 0 0 0 J a h r e
Bauen in Jena", Sonderbeilage zur „Jenaischen Zeitung", Jahrg. 1937. 2) DOBENECKER, Regesten, I, Nr. 48 u. 66. Es ist völlig abwegig, wenn RÜBEL, Die Franken, S. 186, darin einen Beweis für die Dreifelderwirtschaft sehen will, weil darunter die drei Schläge der Feldflur gemeint seien, eine Erklärung, die merkwürdigerweise in den „Bau- und Kunstdenkmälern Thüringens", Heft 34, Jena 1909, S. 277, übernommen worden ist. Würde sie stimmen, so wäre es schlechthin unverständlich, warum in den gleichen Verzeichnissen die anderen dort aufgeführten Orte im Singular benannt werden. 3) Ebenda, Nr. 67.
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4) Ebenda, Nr. 63.
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Lösung spricht von vornherein, daß diese im allgemeinen keine andere Grundform aufweisen, als die „Ursiedlungen" in den „Gefilden" 1 ). Die planmäßigen Kolonistendörfer fehlen in unserem Gebiet fast ganz 2 ). Überall herrschen die unregelmäßigen Haufendörfer vor 3 ). Nach dieser Methode sind also auch die grundherrlichen Gründungen in dem weiten Waldgebiet im allgemeinen nicht „angelegt" worden. Dafür spricht auch, daß bei diesen grundherrlichen Neugründungen keinerlei Einfluß auf die Gemeindeverfassung und Form des Dorfes festzustellen ist, und unbemerkt hätten diese ja nicht bleiben können. Aber darüber hinaus sehen wir ganz deutlich in unseren Urkunden, welchen Charakter die neuen Siedlungen trugen, die in das Waldgebiet hineingetragen wurden. Am Anfang steht, wenn es sich um eine grundherrliche Siedlung handelt, die Zumessung einer Hufe von noch ungerodetem Land 4 ) oder auch die Zuerteilung von Wald an eine Hofstätte, doch mit dem Gedanken, daß dieser gerodet werden soll5)6). Natürlich braucht es sich nicht um nur eine Hufe zu handeln, sondern auch Hofstätten und Felder treffen wir in einer Captur an 7 ), und wenn wir sonst auf Acker „de inculta terra" stoßen 8 ), dürfen wir wohl annehmen, daß es sich um noch nicht gerodetes, sondern erst vermessenes Waldland handelt. Um einen größeren Siedlungsakt handelt es sich wohl bei der Einhegung einer Captur, wie sie in den Schenkungsurkunden in großer Zahl als Objekte von Schenkungen auftreten. Eine genauere Grenzbeschreibung einer Captur liegt nur in relativ wenigen Fällen vor, und zwar — dahin geht doch der Eindruck bei der Durchsicht dieser Zeugnisse — dann, wenn es sich um Capturen handelt, die in größerer Entfernung von einem festbesiedelten Platz liegen9). Wenn diese Angaben fehlten, war 1) Damit im Grundsätzlichen übereinstimmend auch R. MARTINY, a. a. O., S. 16f. u. S. 23. 2) Einige Ausnahmen bringt ERICH WINTER, a. a. O., S. 30. Es handelt sich um drei Waldhufendörfer im Eisenacher Waldland. 3) V g l . d i e K a r t e n b e i I L S E V . W I T Z L E B E N
4) „de Nr.
300,
inculta terra" (DRONKE, Codex,
und
FR.
Nr. 605);
TAMSS.
„in silvis"
(ebenda,
310).
5) „arem unam et partem silvae ad illam pertinentem" (DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 179). 6) Vgl. dazu auch DIETRICH V. GLADISS, Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen usw., in „Vierteljahrschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte", Bd. 30, 1937, S. 162. 7) DRONKE, Codex. Nr. 663. — 8) Ebenda, Nr. 573. 9) Zum Beispiel DRONKE, Codex, Nr. 165, 453, 663, weniger genau Nr. 462, 465 u. 596, ebenso DRONKE, Trad. et Ant. fuld., Kap. 38, Nr. 168. In der Urkunde DRONKE, Codex, Nr. 628, ist eine Beschreibung so gegeben, daß die Capturen als zwischen zwei benannten Ortschaften liegend bezeichnet werden.
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wohl Lage, Abgrenzung usw. allen Beteiligten so gut bekannt, daß man es für überflüssig hielt, eine genaue Grenzbeschreibung in die Urkunde aufzunehmen. Da heißt es dann einfach: ,,in pago Grapfelde in villa Grazzesstat et in ipsa marca"*) oder „in terminis villae Sundheim . . . partem capturae illius talem mihi pater meus iure hereditavit" 2 ) oder „unum ambitum in iuchisero marcu" 3 ), um nur einige Beispiele herauszugreifen 4 ). Zuweilen finden wir Nachrichten darüber, daß eine Captur an eine andere schon begründete angefügt ist, woraus das schrittweise Vordringen in den Wald besonders klar erkennbar wird 5 ) 6). Von einem Orte aus werden öfter mehrere andere Ortschaften in der Umgebung begründet, sei es, daß man dies im Rahmen der „marca" des Mutterdorfes tut, sei es außerhalb dieser „marca" 7 ). Dieses Besitzergreifen („comprehendere" oder „capere") ist der erste Akt. Liegt die Captur in der Nähe eines bereits besiedelten Ortes, so wird sie von dort aus in Bewirtschaftung genommen 8 ). Daneben gibt es aber Capturen, die entfernter liegen (wie wir sahen, erfolgte dann öfter eine genauere Ortsbeschreibung). Und diese dienen dann oft als Ausgangspunkt für eine ganz neue Siedlung. Wir haben damit noch im 9. Jahrhundert die gleiche Erscheinung deutlich sichtbar vor uns, die sich in den früheren Jahrhunderten so oft abgespielt hat, daß nämlich eine Familie oder eine Gruppe von Familien (im Sinne von Kleinfamilien) in dem „eremus" Fuß faßte und einen Einzelhof oder ein kleines Dorf (Weiler) begründete. Früher oder später erhält dann diese Siedlung ihren eigenen Namen, oft nach dem Besitzer oder Rodeherrn 9 ). Felder und Waldungen bestehen innerhalb dieser Capturen dann womöglich noch längere Codex, Nr. 3 1 1 (es handelt sich um Grattstadt). Ebenda, Nr. 415 (es handelt sich um Sondheim v. d. Rh.). Ebenda, Nr. 542 (es handelt sich um Jüchsen). Vgl. weiterhin auch ebenda, Nr. 453, 455, 462, 472, 479, 562, 570, 594, 596, 628 usw. So z. B. bei der Schenkung des E G I L M A R und M E G I N O L T vom Jahr 825 ( D R O N K E , Codex, Nr. 458; vgl. auch ebenda, Nr. 497). 6) An sich ist natürlich jede Captur von allen Seiten begrenzt; das liegt schon in dem Begriffe einbeschlossen und gilt natürlich auch überall da, wo es nicht ausdrücklich gesagt ist. — 7) Vgl. die Beispiele oben S. 288 f. 8 ) Etwa im Falle der Urkunden D R O N K E , Codex, Nr. 4 1 5 , 4 6 2 , 4 7 4 , 5 4 2 usw. In der Nr. 354 werden gerodete Flecke erwähnt („tres laboraturas silvae quas nos dicimus thriurothe"). 9) Zum Beispiel D R O N K E , Codex, Nr. 269,605,631,662,663 usw. Auch die Orte in der Urkunde D R O N K E , Codex, Nr. 520 scheinen gerade erst aus Rodungen entstanden und benannt zu sein; es handelt sich um eine großgrundherrliche Siedlung und Begründung von mehreren Orten zugleich. 1) DRONKE,
2) 3) 4) 600, 606, 5)
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Zeit nebeneinander1). Zusammen mit den Unfreien werden dann auch Hofstätten und Gebäude bezeugt2). Ebenso treffen wir auch auf die Erscheinung, daß ein Grundherr einen Unfreien auf einer zwischen zwei schon bestehenden Ortschaften gelegenen Knechtshufe ansetzt, so siedelnd und urbarmachend in den Wald vordringend3). Einige konkrete Beispiele mögen das vorstehend Gesagte verdeutlichen : Da schenkt z. B. Graf POPPO i. J. 826 dem Kloster Fulda „capturam unam in silva Bochonia comprehensam iuxta fluvium qui dicitur Lutraha quod est in pago Grapfeld" 4 ). Ein Name dieser Captur oder des Ortes, in dessen Mark sie angelegt ist, wird dem sonst herrschenden Gebrauch zuwider nicht genannt, was man als Beweis dafür ansehen kann, daß sich noch kein feststehender Name durchgesetzt hat, daß also diese Captur erst neu begründet worden ist. Dabei hat POPPO auf ihr eine Ansiedlung von unfreien Bauern angelegt, denn er schenkt diese Captur ,,totum et integrum quicquid in ambitu illius capturae proprietatis visus sum habere in campis et silvis ariolis aedificiis pratis pascuis aquis aquarumque decursibus pecoribus ac mancipiis" (es folgen die Namen von 13 Männern und Frauen)5). Wir haben also eine grundherrliche Ansiedlung in einer „captura comprehensa" vor uns, die in die Hände der Abtei übergeht. Da ist ferner die Schenkung des Grafen ENGILRIH, der 812 eine Captur an die Abtei Fulda tradierte, die als zwischen den Flüßchen Haune und Lütter gelegen bezeichnet wird, mit dem Zusatz „et ipsam capturam nominamus Theotricheshus et Engilriches"6). Es ist auffallend, daß diese Captur nach zwei Männern, nach dem Stifter selbst und einem nicht näher zu bestimmenden DIETRICH, genannt ist; durchgesetzt hat sich auf die Dauer der erstere Name, denn wir dürfen wohl diese früheste Anlage mit Recht mit der Ortschaft Dietershausen an der Haune südwestlich Fuldas in Verbindung bringen. Auch die Captur Trostadt, die 889 in einer Tauschurkunde erwähnt wird, hat sich zu einer Ortschaft des ge1) Ebenda, Nr. 594, eventuell auch 600. 2) Ebenda, Nr. 472, 628, 662, 663 usw. — 3) Ebenda, Nr. 476. 4) DRONKE, Codex, Nr. 465 (Lutraha =
Lütter).
5) Auch wenn man eine etwas formelhafte Anwendung der Zubehörangaben annimmt, bleibt doch die Tatsache bestehen, daß es sich um eine mit allem ausgerüstete Siedlung handelt. Die Angabe von Vieh ist, nebenbei bemerkt, eine Seltenheit. 6) DRONKE, Codex, Nr. 269. Die Angabe „comes" findet sich bei DRONKE, Trad., Kap. 39, Nr. 64.
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nannten Namens entwickelt1). In einer Schenkung, die vor 869 zu datieren ist, wird eine Captur „quae dicitur Clingison" aufgeführt, das spätere Dorf Klings bei Kaltennordheim2). Die Captur Salzahu ist die später wieder wüst gewordene Siedlung Dörrensolz bei Unter-Katz3). Die Capturen Sigimareshuson und Hiltiriches haben sich zu den Ortschaften Simmershausen und Hilders ausgewachsen4). Auch sie sind nach dem Besitzer (Rodeherren) benannt. Ebenso nennt ein gewisser ADELBERT eine „villa" nach sich selbst „Adelberteshusen"5) und WIDEROLT ebenso eine „villa" nach sich „Wideroltesleba"6). Daß auch Asolveroth und Albolderoth nach Personen benannt sind, sahen wir bereits in anderem Zusammenhang 7 ), wie ja überhaupt die Ortsnamen auf -rode oft genug an Personennamen anknüpfen. Auch die Captur Neidhartshausen dürfte nach ihrem Besitzer benannt sein 8 ) 9 ). Wir sehen, wie hier die der 2. Periode angehörige Endung -leben, der wir oben schon als auf Privateigentum deutend begegneten, ebenso aber auch -hausen und -rode derartige Neusiedlungen bezeichnen, die von einer Person rodend in den Wald hineingetragen worden sind. Natürlich haben wir uns diese Ansiedler nicht als Art Einsiedler vorzustellen, sie haben nicht ganz allein da im Walde gehaust, und es werden uns in mehreren der aufgeführten Beispiele auch ausdrücklich Unfreie bezeugt, die hier mit wohnen und nun mit an Fulda verschenkt werden. Die Siedler und Ortsgründer sind z. T. größere Herren mit unfreien Hintersassen, die die Rodungsarbeit durchführen und dann möglicherweise allmählich zu Hufenbauern aufsteigen. Aber es sind keine Dörfer von freien oder grundherrlichen Bauern im Sinne der alten Lehre, und namentlich deutet nichts auf die Anlage von Gewanndörfern mit organisiertef Flurverfassung. Die jeweils in Kultur genommene Captur war erst der Grundstock für einen neu zu erstehenden Ort, eine Gruppe von einigen Gehöften oder gar ein Herrenhof mit den Katen der Unfreien war der Anfang, und erst daraus bildete sich dann nach Codex, Nr. 631 (Amtsgerichtsbezirk Themar). 2) Ebenda, Nr. 605 ( D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 2 4 4 ) . 3) Ebenda, Nr. 662 ( D O B E N E C K E R , Regesten, I , Nr. 323) (vor 915 zu datieren). 4) Ebenda, Nr. 663 ( D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 325) (beide bei Kaltensundheim). (Gleichfalls vor 915 zu datieren.) 5) D R O N K E , Trad., Kap. 38, Nr. 249. 6) Ebenda, Nr. 265. 7) Vgl. oben S. 87, Anm. 1. 8) D O B E N E C K E R , Regesten, I, Nr. 40 b 9 ) Weitere Beispiele bei F E L I X D A H N , a. a. O . , S . 7 7 F . ; vgl. auch O . B E T H G E , Fränkische Siedelungen, a. a. O., S. 62. 1) DRONKE,
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und nach ein Dorf, sofern es die Periode der Wüstwerdung (Zusammenlegung) überdauerte. Für den Umstand, daß diese frühen Orte ganz klein sind und gänzlich von dem Haupt der dort siedelnden Familie abhängig erscheinen, spricht auch die Tatsache, daß immer wieder Ortsnamen mit diesen wechseln, sie erhalten also neue Namen, wenn jene Person wechselt1). Ein solches Vorgehen würde bei volksmäßigen Dorf Siedlungen, wie sie sich MEITZEN vorstellte, nicht verständlich sein. Dieses Anlegen von Einzelhöfen und Weilern wurde auch später noch geübt und hat sich namentlich bei der Erschließung der Waldgebirge noch über das Mittelalter hinaus gehalten. So ist z. B. ein nicht geringer Prozentsatz der heute im Frankenwald vorhandenen Ortschaften als Einzelhof oder Weiler entstanden (im 14. Jahrhundert und später), um sich erst nach und nach zu Dörfern auszuwachsen2). Im übrigen ist es auffallend, fügt sich aber ohne Schwierigkeiten in dieses Bild mit ein, daß die Endung -dorf, die doch wohl die Tatsache einer dorfweisen Siedlung zum Ausdruck bringt (nachdem die älteren Endungen auf -leben, -stedt, -ingen und, wie wir sahen, zum großen Teil auch -hausen und -rode auf Einzelbesitz hinweisen), erst in späterer Zeit auftauchen 3 ). Sie stauen sich auffallend von der Saalelinie, und man hat sie daher mit Grund mit dem von dem Könige und den Großen geführten Kampf gegen das Slaventum und die dadurch erforderlichen Schutzmaßnahmen in Verbindung gebracht. Und damit berühren wir den letzten Faktor, der zur Ausbildung dorfmäßiger Siedlungen führte, der aber erst jetzt in dieser relativ jungen Zeit wirksam geworden ist. Setzte er doch für sein Wirksamwerden eine gewisse Volksdichte voraus, die vorher wohl nicht erreicht war, ebenso eine gewisse Ausbildung der Siedlungs- und Rodungstechnik und der grundherrlichen Organisation. Aber auch dies sind keine planmäßig angelegten Kolonistendörfer, wie wir sie aus späterer Zeit kennen, auch sie müssen wir uns in kleinerem Maßstab angelegt vorstellen4), und vielleicht sind gerade sie nicht selten durch Zusammenlegen mehrerer kleinerer Einzeloder Weilersiedlungen entstanden, womit sich das lockere, unregelmäßige Gefüge zwanglos erklärt. Das militärische Moment hat diese Entwicklung zweifellos begünstigt, wenn wohl auch nicht gerade ausgelöst; auch für die „Rundlinge" dürfte es eine größere Rolle spielen. 1) F E L I X DAHN, a . a . O., S. 7 8 . 2)
G.
v.
GELDERN-CRISPENDORF,
D o r t Beispiele. a. a.
O,
S.
40f.
3) Hier sind die Ausführungen oben S. 30f. heranzuziehen. 4) Dies wäre zu den Ausführungen bei O. BETHGE, Fränkische Siedelungen, a. a. O., S. 65, zu bemerken.
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Wir kommen damit zum Schluß. Unsere Untersuchungen haben uns gezeigt, daß unser altbesiedeltes Gebiet in enger innerer Verwandtschaft steht mit den Landstrichen, die wir als die germanische Urheimat anzusehen haben (Jütland, dänische Inseln usw.), und daß die Ausbreitung der Germanen bis nach Thüringen hinein, ja bis zur Mainlinie für uns nachweisbar in den Formen erfolgt ist, die als die altheimischen bezeichnet werden können, ebenso wie dies auch für Nordwestdeutschland1) und das Niederrheingebiet2) seine Geltung hat. Auch für die Karolingerzeit dürfen wir noch für unser Gebiet Einzelhof und Weiler als das vorherrschende Siedlungsbild ansehen3), wenn auch immer wieder betont werden soll, daß in den alten „Gefilden" die Dorfbildung auch schon früher eine gewisse Ausbildung erfahren haben dürfte. Ob und inwieweit die Siedlungen der Franken, Bayern und Alemannen in den den Römern abgenommenen Gebieten tatsächlich gleich in anderen Formen, nämlich unter Bevorzugung der Dorfform, und vielleicht auch gar mit Anwendung des Gewanndorfes erfolgt sind, kann hier nicht näher untersucht werden. KÖTZSCHKE behauptet z. B. für das sog. „Eroberungsland" (links des Rheines, aber auch in England) ein auffallendes Vorherrschen des Straßendorfes und des Platzdorfes, die sich ja beide grundsätzlich von dem echten Haufendorf unterscheiden4). Für unser Gebiet ist jedenfalls nach den Quellenzeugnissen der Karolingerzeit in der Regel ein Ausgehen von Einzelhofund Weilersiedlungen anzunehmen, und das stimmt mit den Feststellungen überein, daß noch in dieser Periode eine sehr starke Abstufung in den Besitzgrößen anzunehmen ist. Erst mit dem Sichdurchsetzen der Hufenordnung und der Umwandlung der Unfreien in (grundherrliche) Bauern kommen, wie des näheren ausgeführt6), Entwicklungskräfte zur Herrschaft, die zu einer weitgehenden „Demokratisierung" im Sinne einer Uniformierung führen und damit dann jene Weiterbildung mittragen helfen, die zu dem Siedlungsbild führt, das wir aus dem hohen und späten Mittelalter kennen. 1 ) Vgl. hierzu neben R . M A R T I N Y , a. a. O . , S. 1 8 , auch R U D . K Ö T Z S C H K E , Allgemeine Wirtschaftsgeschichte, S. 250: „in den sächsischen Gegenden von der Weser nach dem Niederrhein und von da in den niederfränkischen bis nach Flandern begegnet aufgelockerte Siedlungsweise nach Gehöftgruppen oder kleinen Dorfschaften, in bevorzugter Lage mit größeren untermischt." 2 ) Hierfür vgl. die Schriften von I L G E N und S T E I N B A C H . 3) Vgl. auch R U D . K Ö T Z S C H K E , a. a. O., S. 251. 4 ) R U D . K Ö T Z S C H K E , ebenda, S. 250f. — 5) Zum Beispiel oben S. 275ff.
Personen-, Orts- und Sachregister. Abgaben, bäuerliche 91, 126f., 192Ü., 199ff., 208ff., 228f.; s. a. Zins. Abterode 48. Abtswenden 42. Abzugsgeld 206. accolae 194. ADALBRAHT
222.
ADALPRAHT
268.
Allstedt 15, 39, 40, 41, 84, 174, 270, 292. Alperstedt 169 4. Altarzinsigkeit 113 f., 206, 207. Altburg 215. Altenberga 180». Altenburg 3. Altgau 174. Altengönna 44.
ALTMANN 2 2 2 . Erzbischof 40. Adel 82ff., 86ff., 147ff., 163ff., 231f., Altmark 18, 19, 22, 30, 35. Alt-Nebra 39. 2351, 335. Altsteinzeit s. Paläolithikum. ADELBERT 349. Alt-Wenden 42. Adelberteshusen 349. ADALBERT,
ADELHERE ADELO
168.
A E G I D I U S , Sankt 39. affa 15. Agezella 48. Agrarkommunismus 238ff., 295ff., 334f
agri (TACITUS) 319, 336.
Ägypten 248. aha 15. Alach 169. A L B E R I C H , Graf 89», 174. A L B O I N , König 26, 33. A L B O L D S.
ALVOLD.
Albolderoth ALPRIH
ALVOLD
(ALBOLD) 8 7
ALWALACH
249.
87180349.
257.
Albuuunestat 169. Aldionen 82, 83», 85 Alemannen 14, 17, 19, 66, 95, 136, 253, 351; s. a. Schwaben. Algäu 322'. Alkoveswenden 42. Allerstedt 175, 198. Allmende 243, 308ff., 343. Allodium 166.
180.
168.
Amalaberga 152. AMALRICH
185.
Ammelstedt 169*. Ammern 178. Amöneburg, Kloster 181. anariutu, cum 307, 312. ancilla 99f., 114f., 120, 122»; s. a. Mägde. Angelhausen 18, 131. Angeln 6, 12ff„ 130ff., 148, 150f., 152f., 208, 209. Angelrode 18, 131. Angelsachsen 92*, 136, 330; s. a. England. Anhalt 36. Ansbach 172 1 . Apfelstedt 165«, 174, 175, 292. Aplast 174». Apolda 3, 44, 62«. APOLLINARIS
23.
aratrum 247'. area 260. arianisches Christentum 71*. A R N 257.
—
353
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ARN, Bischof 61.
Beichlingen 39, 268. Beinerstadt 165, 183. Arnstadt 3, 15, 18, 43, 162, 168, 186, 292. Beithemunt s. Heiratsabgabe. Beizig 41. ARNULF, H e r z o g 7 2 . ARNULF, K a i s e r 6 1 , 7 3 , 165, 178, 184®. bemalte Keramik 9. Artern 15, 175, 292. Benediktiner, Erfurter 181 5 . Aschenbach 48, 177. Beneficia 62, 191, 232, 275; s. a. Lehen. Aschersleben 39 7 . Benefizialland 227 f. Ascherswenden 41, 42. Berga 325. Asis, Graf 168, 303. Berkach 183, 345. ASOLF 3 0 2 . Besiedlung l f f . , 146ff., 253, 333ff. Asolveroth 87 1 , 180«, 349. Besitzverhältnisse 218ff., 333ff. Aspenstedt 326. Bessingen 42. Assia 185. Besthaupt 203. ASULF 87», 180». Bestkleid 203, 206 4 . Atenstedt 326. Bethersdorph 42. Auerstedt 15, 40. Beuditz 41. Aula 174. Beulitz 41. Auleben 249. Beuna 41. Aunjetitzer Kultur 10, 148 f. Beutnitz 44. Ausrottungstheorie 65. Bibra 15, 39, 48, 175, 198, 293. Austrasien 32. biduani 192. Autotraditionen s. Selbsttraditionen. Bielen 41. Avaren 32ff., 53 1 , 65, 103», 132. Bischhausen 47, 175. Bischofsheim 2 8 8 u . Bischofrod 245. -bach 79 3 . Biscofestat 161. Bachra 15.
ARNDEO
265,
267.
Bachstedt 43. Badra 15. Balgstädt 39, 161. Ballhausen s. Klein-Ballhausen. Bamberg (Bistum) 73, 271. Bamberg (Ort) 46. Bandkeramik 9f., 11 ! . Barau I 41. Barau I I 41.
BISINUS, K ö n i g 2 4 ,
157.
Bittfronen 208. Blankenhain 44, 62". Blockflur 70. BOBBO, G r a f 166.
Boblas 38. Bochwitz 45. Bode 26.
Bodenfunde, slavische 51 ff. Bodfeld 76 3 . Böhlen 45. Barigau 45. Böhmen 12f., 46, 66, 219. Baringgau 168, 221 Bauern 129, 189ff., 212ff., 229ff., 265ff. Boier 12. Bauernsiedlungen 73; s. a. Besiedlung, Böllnitz 39. BONIFATIUS 7, 6 1 f., 6 5 , 68, Hufe, Volk. 176, 179ff., 184, 187, 309. Bayern 4 1 , 58, 66, 86, 91, 95, 99, 103', Bonn-Cassius 313 1 . 124, 248', 253, 330, 351. Borau 41. bayerisches Recht 136. bordagium 265®. Bechersdorf 41. Borgau 41. Bechstedt 178. Bornholm 322®, 340. Beesenstadt 24». Bornstedter Mulde 29. Behrungen 183. BARDO, G r a f 170.
L ü t g e , Agrarverfassung.
23
71®,
172,
—
354
Borsch 178. Borxleben 175, 326. Bösenburg 24«. Bösenrode 325. Böthen 39. Branchewinda 43. Brautschilling 206 1 . Breitenbach 49, 325. Bremen (Bistum) 291. Bretleben 23, 175, 198. Brevarium St. Lulli 39, 42, 44, 47, 89, 137, 163, 175, 180, 195», 197, 198, 255, 260ff., 274». Bronzezeit 3«, 4, 10, 148 f. Brachstedt 175. Brücken 175, 326. -brunn 79®. Brustwitz 41. Bucha 15, 44.
—
Edikt 298. Chiolvesheim 165*. C H R I S T I A N , Graf 183. Christianisierung 7, 41, 61, 70», 71, 78, 79», 91, 283, 291. C H U N R A D , Graf 178. Clingison 288; s. Klings. Closewitz 44. Codex Eberhardi s. E B E R H A R D . Commendatio s. Selbsttraditionen, comprehensio 307. Corbetha 41. Corvey (Kloster) 185. Cranewitz 39. Creutzburg a. W. 48, 174», 196. Cröllwitz 41. C U N I H I L T , Gräfin 87'. Cliricheslebo 175. curtis 261 f., 291.
CHILPERICH,
Buchenwald (Bukonia) 14, 76, 161, 174, 176, 348. Daasdorf 175. Buchholz 15, 41. Daberstedt 43, 62. Buraburg, Bistum 182, 291. Dachrieden 169«, 178. BURCHARD 177. D A G O B E R T , König 34, 35, 59, 181. B U R C H A R D , Graf 170. Damsla 39. Burgdorf 270 f. Dänemark 3*, 19, 339f., 351. Burgheßler 15. Dannstedt 326. Burgunder 14, 75, 311. Daspig 41. Burgwälle, slavische 34, 60. Delitz 41. Burgwardsystem 73 f. Deltz 40. Burschla 185. DERVANUS 3 2 5 , 3 4 . Bußreduktion des P I P P I N 9 5 * . Deutsche Ortsnamen und Slaven 49 ff. Buttelstedt 15, 175. Diebach 177. Buttstädt 15, 39, 175. Diedorf 178, 256. Caanawurf 39. Capitulare L O T H A R S von 825 104 f. Capitulare de exercitu promovendo K A R L S D. GR. 104». Capturen 30, 87«, 164, 179, 187, 229ff., 257, 282ff., 306ff., 342, 346ff. Cechen 65 f. censuales 193. Centena 330 ff. Chalons (Bistum) 186. CHAMAR
35.
Chamaven 86, 94. Chatten 153. Cherusker 13.
Dienstadel 86 ff. Dienste, bäuerliche s. Frondienste. Dienstgüter 162, 166. Dietershausen 348. DIETRICH
348.
Markgraf 329. Diluvium 2». Dinarischer Rassetyp 10'. Dingsleben 183. Dissau 45. Dittelstedt 43. diurnales 250 ff. Döben 39. Dobichau 38. Döbritschen 44. DIETRICH,
— Döcklitz I 39. Döcklitz I I 41. Dodendorf 41. Dölitz 39. donatio post obitum 220. Donau 14, 18, 22, 24, 130. Donndorf 175, 198. Doppudel 41. -dorf 30f., 76, 79», 80, 350. Dorfflur 287f., 293, 308ff., 316ff. Dorfgemeinde 297f., 308ff. Dorfsiedlung 334ff. Döringstadt 183. Dorla 185. Dorndorf a. W. 174, 182, 292. Dörnfeld 44, 62«. Dörrensolz 289», 349. Dörstewitz 41. Döschnitz 44, 45. Dresden 34. Dröbischau 45. Droissig 39. Drossig 41.
355
—
Eigenkirchen 187, 216. Eigentumsbegriff und 304ff.. 333 ff. EILHARD
-rechte
298 ff.,
185.
Einzelhofsiedlungen 30, 334 ff. Einzingen 270», 271. Eischleben 185«. Eisenach 84, 133, 225, 343, 344». Eisenzeit 4, 140, 340. Eisfeld 46. Eisleben 41, 185. Eiszeit 8. Eiterfeld 178. E K K E H A R D , Markgraf 66. Elbe 3, 11. 13, 33«, 65. Elbitz 40. E L I S A B E T H , Heilige 325. Elleben 185«. Ellrich 326. Elster 130 f. Elxleben 185». Elzbach 288 f. E M H I L T 73», 139f., 162», 167, 168, 183. DRUSUS 12. Emilinhusen 178. Duderstadt 25. Emsen 39. Dürren-Gleina 44. Engelin, Gau 18, 131. Engelmarestat 48, 62. E B E R H A R D , Codex des 4 8 " , 1 3 3 , 1 7 9 , Engelriches 348. E N G E L R I H , Graf 87', 168, 348. 190ff., 256 1 . Engerda 44, 50', 62«. Eberhardesdorf 175, 198. England 351; s. a. Angelsachsen. Ebukowe 45. Enkel (Erbrecht) 134«, 135. Echternach (Kloster) 186. Entfremdungen 189. Eckartsberga 39. Entstehung der bäuerlichen Lasten 199 ff. Edersleben 175. Enzingen s. Einzingen. Edle 82ff.; s. a. Adel. E P O 165. Edelsitze 29. Erbgut 130ff., 139f., 164, 229ff. Egerland 162. Erbrecht 90», 96», 130ff., 298. EGILOLF 168, 2 6 9 . Erbzinsrecht 110, 211, 219, 226, 229, 279. Ehegabe 140. eremus 280ff., 308ff. Ehrau 39. Erfa 175. Ehringsdorf 8. Erfurt (Stadt und Gebiet) 3, 42, 43, 44\ Eibstadt 257. 74, 149», 150, 162, 181 f., 185». Eichsfeld 1, 14, 16, 21, 30, 42, 47 f., 76, Erfurt (Bistum) 7, 133, 180 ff., 291. 84, 126, 131, 132, 178, 182, 344. Erfurt, Reichsversammlung (852) 331. Eichstätt, Bistum 179. Erineslebo 175, 198. Eichstedt 15. E R P H O , Graf 168, 185. Eigengewere 228. Eigenguter, grundherrliche; s. Hofgüter Erthal 177. E R W I N , Graf 170. und Villikationen.
23*
—
356
Erzgebirge 24. Eschwege 48. Esperstedt 326. Eßfeld 183. Ettenhausen 206. Ellershausen 183. Eulau 38. EWIH
222.
Fahrhabe 1 3 4 « . Farnstedt 40. Fehmarn 4 1 . -feld 75, 76 3 . Felda 183, 185. Feldengel 18, 131. Feldgemeinschaft 280, 294, 333ff., 343. Feldgraswirtschaft, wilde 280. Fichtelgebirge 38, 70, 72, 76, 79, 80, 130. „fines" 280 ff. Finne 3, 11, 14, 18, 38, 76. Fischbach (Ort) 185. Fischbach (Kloster) 183. Fischer, slavische 57, 58. Fiscus 162. flämische Kolonisten 57, 74, 77, 78. Flandern 351 1 . Flur s. Mark. Flurnamen 40, 44, 46, 47, 50, 56, 79». Folmaresdorf 48, 68. Forchheim 161. Franken 22, 23, 25, 31 f., 34ff., 46, 55, 73, 75, 83 ff., 116, 124, 132 ff., 154, 247f., 253, 330, 351; s. a. Oberfranken, Mittelfranken. Frankenhausen 29. Frankenreich 6, 25ff., 58, 64, 88f„ 93, 156. Frankenwald 14, 46, 56, 64, 72, 76, 77, 78, 350. Franken-Winheim 49. fränkische Kolonisation 28. fränkisches Recht 116, 126, 132 ff., 187, 193; s. a. Salisches Recht, Lex Ripuaria. Lex Salica. fränkisch-hessischer Teil Thüringens 117 ff. Vgl. a. Franken, Hessen, Werra. Frau (Erbrecht) 134ff. Frau (Wergeid) 86, 95. Frauen, Lasten unfreier 192 ff.
—
Frauenkloster St. Paul in Erfurt 181. Freckleben 41. „frei" (Begriff) 106ff., 126. freibäuerliche Hufe 238ff., 252ff. Freie 82ff., 94ff., 116, 189ff., 208ff., 219ff., 229ff., 273ff. Freie Slaven 62f., 65, 67f. Freigelassene 83f., 112ff. Freiheit, Untergang der 97 ff. Freilassung 112ff., 203ff., 207, 279. Freising 100. Freist 40. freiwillige Abgaben 208 f. FRICCO
221
FRIDARUN
165.
Friedensgeld 86\ 95. FRIEDRICH BARBAROSSA
40.
Friedrichswerth 175. Frienstedt 43, 175. Friesen 74, 86. 94, 114, 186 1 , 330. Friesenfeld 27, 89 l , 174, 176. Fritzlar, Kloster 181. Fröbitz 45. Frohnlach 15. Frondienste 91, 192ff., 199ff. Frondienste von Slaven 69. Fronhofaverfassung 227; s. a. Villikationen, Hofgüter. Fruchtbäume 307. FRUOCHANGER
234.
Fulda 7. 37, 43, 44, 47, 48, 62, 72, 73, 84, 87, 99f., 102, 107f., 127, 145, 161 f., 166, 168 f., 172f„ 176ff., 186, 187f., 190ff., 206, 214, 216, 217f., 2211, 222, 223, 225f., 231, 233f., 249, 254ff., 283, 285, 288, 294, 301, 302, 309, 315, 328, 348. Fürstengräber 149f., 208. Gallier, Gallien 153, 154, 247 f. Gandersheim (Kloster) 186. Gazloheno marca 169. Gebesee 175, 292. Gebstedt 15, 161. Geburtsstände 81 ff. „Gefilde" 3ff., 20f., 22, 24, 30, 76, 123, 187, 320, 335f., 341, 343, 345f., 351. Gefolgschaftswesen 210. Gehofen 175, 198.
—
357
Geisa (Ort) 15, 48, 178. Geisa (Fluß) 174. Geismar 178. Geißelröhlitz 41. geistliche Stifte 91, 171 ff., 224f., 231, 235; s. a. Klöster, Kirche, Gemeinfreie 94ff.; s. a. Freie. Gemeinland 298ff., 308ff. Gemengelage 295, 336. Georgenthal 87\ 180«, 226. Gepiden 33. Gera (Fluß) 18, 131. Gerichtsherrschaft 110, 112, 127, 206, 217f., 229, 277. Gerkwitz 41. Germanen, Auftreten der 5ff., 146, 148ff., 247, 332. Germaramarka 1, 185. Germeishausen 183. Germerode 48 14 . Germinon 186. Gernstedt 15. Gerstnitz 41. Gerstungen 48, 177, 292. GERTHRUD 2 6 7 ,
292.
Gerwiheshus 183. Gestewitz 39. Geunitz 44. Gewanndorf 280, 333 ff. Gewerbe 147 1 , 151. Gieboldehausen 344. Gillwitz 45. Gleina 38. Gliederung, soziale 81 ff. Globikau 41. Glockenbecherkultur 9, 10 s . Gödewitz 40. GODOLAV 8 7 1 .
Göhlitzsch 41. Gohritz 44. Göhritz 38. Gölbitz 38, Goldbach 48. Goldene Aue 21, 74. Goldisthai 45, 56. Göllingen 173*, 183. Golzen 38. Gorma 15. Görbitz 41.
—
Görmar 178. Görsbach 325. Göschwitz 44. Goseck 38. Gößnitz 38, 50'. Gostilitz 39. Gostnitz 39. Goten 83, 136; s. a. Ostgoten, Westgoten. GOTETHANC 1 1 6 ,
267.
Gotha 3, 15, 26, 42», 43 1 , 44, 48 14 , 62«, 162, 175, 186, 292. Gottern 185. Göttern 44. Gozfeld 168, 222 1 . Grabfeld 1, 47, 65, 126, 168, 185, 221, 222, 255, 257, 289. Grafen 87, 88f., 158, 162, 165f., 217. Grafenverfassung 28, 88 f. Granau 41. Grattstadt 347. Greisdorf 183. GREGOR I I . , Papst 87, 180 1 ». GREGOR I I I . , P a p s t 87. GREGOR VON T O U R S 2 3 .
Grenzland 33, 103F., 111, 128.
Grenzziehung 280 ff. Greuda 44. Griechenland 248. Griefstedt 175. Grimdeostat 183. Grimnitz 41. Griuzing 117, 267. Grochlitz 38. Groschwitz 44. Groß-Corbetha 41. Groß-Döben 39. Großen-Ehrich 186. Groß-Gölitz 45. Groß-Jena 38, 161«. Groß-Kayna 41. Groß-Lohma 44. Groß-Lüder 62. Großmonra s. Monra. Großruderstedt 43. Groß-Sömmern 43. Größnitz 38. Großwitz 45.
—
358
—
Grundherren, Grundherrschaften 90ff., Havel 24. 97 ff., 106 ff., 123 ff., 145 ff., 155ff., Hechendorf 175, 198. 252ff., 275ff., 301 ff., 335; s. a. Adel, H E D E N ( H E T A N ) , H e r z o g 7 , 8 9 1 , 9 3 , Königsgüter, geistliche Stifte, Hufe. 167, 184», 186, 230, 246, 251, 254, Grundherrliche Hufe 238 ff., 252 ff. 267, 270, 286, 292, 305, 327. Grundherrliche Siedlungen 41, 46, 53ff., Heeresverfassung 331, 337 f. 67 f., 71, 73 ff., 345 ff.; s. a. Hufe. Heereslast 102ff. Gudersleben 326. Heid 46. GUNDHAREUS
871.
GÜNTHER, E d l e r
285.
GUNZELIN, M a r k g r a f 6 6 .
Gutsherrschaft 200.
Heidentum der Slaven 41, 61. Heiligenstadt 42, 47. Heilingen 50 7 . -heim 30. Heimfallsrecht der Nachbarn 298.
Haanstedihus 185. HAHHO, G r a f 2 6 8 .
Haid 46«. -hain 75. Haina 48, 69, 178. Hainich 14, 21, 76, 131. Hainleite 3, 14, 18, 38, 76. Hainroda 325. „Hainwälder" 3 4 . Halberstadt (Bistum) 125, 204. Halle 1, 38, 41, 171». Hallstadt 161, 184. Hamma 326. Hammelburg 124», 168, 177, 184, 230. Handel 147 1 . Handwerk s. Gewerbe, Kunsthandwerker. Hansleben 185. H ARD RAT, Graf 88. -hardt 75. Harkerode 41.
HEINRICH
I.
62\
67,
72,
73,
107,
111,
126, 169f., 225. HEINRICH I I . , K a i s e r 1 7 6 .
Heiratsabgabe 203', 205 ff., 241. Helbe 21. Heldburg 303. Helisleba 185. Hellingen 183, 303. Helmbrahtesdorf 175. Helme 3, 16, 21, 181. Helmegau 324 f. Helmershausen 178. Helmsdorf 149. Helmstedt 3. Helmwart 268, 293. Hendungen 183. Henfstädt b. Themar 48. Hennebergsche Erbschaft 75. Herbstadt 183. Heringen a. d. Werra 48, 274. Harz 1, 4 » ' 3 , 14, 18, 19, 21, 26f., 38, 41, Heringen (Groß- oder Klein-Heringen zwischen Naumburg u. Apolda) 268, 76, 181, 186, 326. 326. Hasel 15, 174. Häseler 175, 198. HERMANN d e r C h e r u s k e r 13. Hasenburg 150 1 . HERMINAFRIED 24», 1 5 2 , 157. Hasgau s. Hochseegau. Hermunduren 13f., 23, 24», 32, 75, 130, Hassegau s. Hochseegau. 150», 153. Hasselfelde 76». Heroldsbach 161. Hassenhausen 169. Herrenhöfe 189f. Hasserode 326. Herrenkultur der Thüringer 18, 92, 151 f. Haßleben 150. Hersfeld 7, 73, 89 1 , 100f., 107, 113, 127, HATHEBURG 170. 145, 161, 166, 169f., 172ff., 186, 190, Haufendorf 340, 342, 346. 198, 206, 216, 217, 226, 261, 263 f., Haune 348. 270 f., 276'. Hausen 161. Hersfelder Güterverzeichnis s. Breva-hausen 29, 76, 349, 350. rium St. Lulli.
—
359
Hersfelder Zehntverzeichnis 161, 169, 176, 216. Heruler 22. Hessen 4», 5, 21, 75, 133, 173, 181, 330. hessisch-fränkischer Teil Thüringens s. fränkisch-hessischer Teil. H E S S O , Graf 222. Hetzelsdorf 161. Heudeber 326. Hildburghausen 29. Hilders 349. H I L D I G R I M , Bischof 1 8 6 . HILTIBURG
168.
HILTIGART
165.
Hiltiriches 349. HIMIZA
100,
113,
203.
Erzbischof 185, 1984. Hindfeld 183. H I N R I C K , Graf 326. Hlut, Hluz 247. Hochdorf 43. Hochheim 174, 175. Höchheim 183, 345. Hochseegau 1, 27, 89 1 , 174. Hofgesinde 189f. Hofgüter 69, 189, 196f., 220, 225 ff., 263f., 272. Hofstätten 254ff., 260ff., 346. Hoitiner Mark 289. Hol 169. Holstedt 326. HINCMAR,
Holstein 30, 35, 128, 198; s. a. SchleswigHolstein. Honesleue 185. Holzengel 18, 131. holzmarcha 249, 287«. Holznutzungen 325 ff. Holzthalleben 23. homo 114 f., 121, 122». homo mousteriensis 8. Honstein, Graf VON 266», 326. Horba 45. hörig 141, 272. Horke 41. Horla 270«, 325. Hosgau s. Hochseegau. Hosi 26. „hospites" 43f., 247f. HRIHHART
215.
—
Hübitz 40. Hufe 69, 80, 192ff., 237ff., 285f., 300ff., 346f., 349. Hufenschoß 241. Hufenverfassung 241 f., 333. HUGO 1 8 0 .
Hundertschaft 330 ff. Hundertschaftsmark 322'. Hundshaugk 303. Hünfeld 48, 178, 288. -ice 69. Ichstedt 326. Ichtenfeld 76». Ichtershausen 29, 185«. Ihlewitz 40. Ilfeld 76». Illeben 185*. Illyrier 10f., 148. Ilm 41, 44. Immunität 169', 217. -ingen 18ff., 341, 350. Innerthüringen 9, 11. ingenuus 89f., 94. INGUHILD
267.
Epistat a. Rh. 178. Irmelshausen 183. IRMINFRIED s.
HERMINAFRIED.
Island 318, 322. Italien 26f., 33. Jena 26, 43 1 , 44, 45, 161, 345; s. a. Großund Klein-Jena. Jenalöbnitz 74». Jestädt 47. Joch 250ff. Johannisberg (Kloster) 178». Jüchsen 183, 257, 287f., 293, 345, 347. Juden 66. jugera 250 ff. Jungsteinzeit s. Neolithikum, „jus primae noctis" 205. Jütland 351. Kaatschen 38. Kahla 44, 45, 62«. Kalbitz 38. Kaltennordheim 289, 349. Kalten-Sundheim 285,287, 289, 293, 349«.
—
360
Kalten-Westheim 288. Kammerforst bei Ellrich 326. Kämmeritz 41. K A R L D E R D I C K E , Kaiser 178, 185. K A R L D. G R . 5 , 7 , 2 6 , 2 9 , 4 7 , 5 5 , 5 8 , 6 3 « ,
66, 71«, 72, 88, 102, 156, 158, 163», 164, 166, 169', 172«., 177ff., 186, 187, 199, 209, 216, 261, 283, 288. KARL MARTELL 7 ' , 28, KARLMANN 6 1 ,
176,
89l.
177,
184.
184,
309.
Karolinger 65, 71 ff. Kastedt 175. Kauf 140, 212. Kayna 41. Kelbra 15. Kelten 11 ff., 148, 150, 334. K I L I A N , Sankt 71 3 . Kindelbrück 175. Kirche 145, 155, 166, 171 ff., 187, 203f., 214, 342. Kirchehrenbach 161. Kirchenbauten 71*. Kirchengel 18, 131. Kirchengüter s. geistliche Stifte, Klöster, Fulda, Hersfeld, Würzburg usw. Kirchhasel 48, 68. Kirch-Scheidungen 169. Kissingen 254*. Klein-Ballhausen 42. Klein-Döben 39. Klein-Gölitz 45. Klein-Jena 38, 1615. Klein-Kayna 41. Kleinleinungen 325; s. a. Leinungen. Klein-Lohma 44. Kleinschwabhausen 45. Klein-Seebach 161. Klimaoptimum 4, 9. Klings 289, 349. Kloschwitz 40. Klosewitz 44. Klöster 145, 167, 171 ff., 183ff., 214, 225f., 231 f. Knechte s. Unfreie. Kobolani 41. Ködderitzsch 41. Kölleda 15, 173«. Kolonen 178, 191, 195ff., 211, 262ff. Kolonisations-Siedlungen 340f., 346, 350.
—
Konfiskationen 158 f. Königsfeld 161. Königsgut, Königshöfe 29, 37, 41 f., 45, 61, 65, 73, 145, 155ff., 188f., 198, 225 f., 291 f. Königshofen 165«, 257. Königshufen 2514, 266. K O N R A D I., König 169', 178. Kopfzins 194. Koppanz 44. Kömer 175. Kösen, Bad 38«. Kösnitz 44. Kospeda 44. Kötschau 44. Kötzschen 41. Kräbitz 44. Krakau 41. Kranichfeld 185«. Kraßlau 41. Krautheim 165, 175. Kreipitzsch 38. Krewitz 41. Kriebitsch 39. Kriechau 41. Kriegsdienstverpflichtung 102ff., 156. Kriegsgefangenschaft 37, 66f., 153. Kriegsverfassung der Germanen C A E S A R S 337 ff. Kröllwitz 41. Krölpa 38. Kröppen 39. Krumpa 41. Küchendörfer, erzbischöfliche 43. Kühezins 35. Kunisch 39. Kunsthandwerker 150 f., 338. Kyffhäuser 38. Kymen 39. laboraturae silvae 307, 312, 347®. Lachstedt 169. Lahngau 1735. Landausbau in Karolingerzeit 71 ff., 77; s. sonst Rodungen, Capturen usw. Landbesitz, Vererbung von 130ff.; s. a. Erbrecht. Landesherrschaft 170, 217 f. Landnahme 294ff., 330f., 333ff.
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361
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LIUDOLF 169. Langensalza 3, 43, 182, 185. Langobarden 13, 22, 26f., 33, 82, Liudolfinger 85«, 161, 169. 852, 86, 136, 321. LIUTMAR 223. lar 15. Lobdeburger Grafen 345. Lasan 39. Lobitzsch 41. Laténezeit 149, 1723. Löbschütz 38. Laucha 38, 39. Lochwitz 40. Lauchstädt 40. Lockwitz 45. Laudemium 229. locus 292, 293f. Lauscha 56. „löfängar" 3*. Lautama 41. loh 15. Lauterbach 48, 327. Loisch 39. -leben 18ff., 341, 349, 350. Lönitz 39. Lehnsgüter 165f., 188, 232, 235. Löpnitz 39. Leibherrschaft, Leibeigenschaft 128, 219, Lorch 100, 172\ 260. 229. Los 246f. Leihegüter 127, 190, 227ff., 263ff.; s. a. Lossa 44. Grundherren. Loßnitz 44. Leimbach 325. Lötschen 44. Leine 16, 132. L O T H A R , Kaiser 104, 165«. Leinungen 326 f. L O T H A R I., König 35. Lengefeld 178. Lüder 48. Lehesten 44. L U D W I G III., König 186. Leibis 45. LUDWIG DER DEUTSCHE 72, 165, 1 6 9 7 . Leibolfes 48. 177», 178, 185, 197, 218. Leimbach 41. LUDWIG DER FROMME 6 1 , 178, 1 8 4 6 . Leobolvesdorpf 161. L U D W I G DAS K I N D 7 2 , 1 6 5 , 1 6 9 ' . Leubingen 149. LUDWIG DER SPRINGER 3 4 3 . Leuna 41. L U L L U S , Erzbischof 87, 172f., 174, 176f., Leutnitz 45. 180, 182, 261; s. a. Brevarium Leutra 161. St. Lulli. Lex Angliorum et Werinorum hoc est Lupnitz 48, 174, 175, 274, 292. Thuringorum 83ff., 112, 130ff. Lutter 42. Lex Ripuaria 83ff„ 114, 135. Lütter (Fluß) 348. Lex Romana Burgundionum 311. Lex Salica 83ff., 135, 297, 339 1 . Mägde, Freilassung 113 f. Lex Saxonum 83ff., 114, 1351, 210. Magdeburg (Ort) 19, 84. Liberi s. Freie. Magdeburg (Bistum) 40, 41», 126, 291. Libez 41. Magdeburger Börde 344. Lietschke 41.
limes 286«. Limes, rätischer 14. limes sorabicus 72, 286*. Lindeschu 39, 42. Lindescum s. Lindeschu. Lisgau 25. Lißdorf 39, 169. Liten 2, 25, 68f., 82ff., 91, 96, 104, 116, 125 f., 131, 133, 141, 153, 189, 191ff., 204, 270, 272.
MAGINFRED
117«, 166,
175.
Mahesfeld 287. Mähren 13, 219. Maichlitz 44, 51». Main, Maingebiet 14, 24, 46, 48, 76, 132f., 293, 321, 351. Maina 44. Mainwenden 71". Mainz, Erzbistum 170, 181 f., 186, 216, 261.
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362
Mancipia 68, 85, 91, 94, 112, 114ff„ 134ff., 187f., 189ff., 215, 253ff.; s. a. Unfreie, grundherrliche Hufe. Mansfeld 19, 21, 26, 36, 40, 41, 125, 171». Mansfeld, Gräfin von 325. Mansus, Manse 69, 197, 255, 259ff., 275. Mansus slavicus 40. mar 15. MARBOD, K ö n i g 13.
„marca" 280ff. Marienkirche in Würzburg 184. Marienstift zu E r f u r t 182. Marisfeld 234, 293, 345. Mark 80, 234f., 279ff„ 286ff., 333. Markfrevel, Bestrafung 307. Markgenossenschaft 80, 279ff., 294ff. Markgrafen 72. Markgrafschajten 289. M a r k e n s e t z u n g (RÖBEL) 280 ff.
Markkleeberg 8. Markomannen 12 f., 14. Markröhlitz 38. Marksuhl 48, 206. MARKWARD, G r a f 89 1 , 174.
Martbeche 42. MARTIN, K a p l a n 165. MARTIN, P r e s b y t e r 166.
Martins-Kirchen 184. Martinsrieth 326. M A R W I T Z , V. D .
154*.
Maßfeld 234, 287 1 . MATHILDE, K ö n i g i n 4 0 .
Graf 87, 168, 221. Maua 44. Mechtenstedt 175. Meckenheimer Mark 313. Mecklenburg 198. M A T T O (MANTO),
MEGINFRID MEGINGOZ
165. 168.
MEGINWARD
178.
Meilingen 174'. Meiningen 183. Meißen 50. Meißner 24. Mellrichstadt 184. Melchendorf 43. Mellingen 174«. Memleben (Kloster) 176, 183. Memleben (Ort) 41,112,175,185,198,292.
—
Merovinger 93, 103, 106, 154, 181, 199. Merseburg 170. Merseburger Legion 67. Metallverarbeitung 10. Meura 45. Mihla 174, 292. Milbitz I 44, 45. Milbitz I I 45. Milinga 174, 175. Milz, Kloster 162», 168, 183. Milzau 41. Ministeriale, Ministerialität 101, 115, 126, 129, 191. Mitteldeutsche Grundherrschaft 125 f., 128, 133, 188, 207, 225f., 229. Mittelfranken 36. Mittelhausen 29, 161. Mittelthüringen 42f., 161. Möckern 41. Mocks 41. Möhrendorf 161. Molschieben 175. Mölsen 44*. Mondsee 99. Monra (Ort) 15, 168, 182, 186, 2 4 9 \ 292, 305, 327, 328 f. Monra, Herren von 329. Morgen 250ff., 265ff. Mörla 44. Mortuarium 100, 124», 203ff., 241. Morungen 326. Moselgau 186. Müchel 39. Mühlburg 168, 186. Mühlhausen 3, 29, 42, 151, 161, 174, 178, 182, 292. Mulde 3, 11. Mulnhusun 44, 175. München-Gosserstedt 44. Muntschaft 210. Mutterdorf 317, 347. Nabelgau 326. Nahwinden 43, 45. Namensformen der Siedlungen 7f., 15f., 29, 49, 67, 348ff. Naristen 14. Nationalhaß 64«. Naumburg 3, 38«, 161.
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363
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Oberehrenbach 161. Nausitz 41. Neandertaler 8. Obereigentumsrecht des Königs 157 f. Nebra 38f., 581. Oberfranken 36, 46f„ 51, 54, 56, 60, Neckerode 43. 63, 65, 76«, 80. Neidschütz 38. Oberhof 162. Neithartshausen 48, 349. Ober-Köditz 45. Nenzelsrode 41, 42. Oberlöbnitz 74*. Neolithikum 3 ' ' 4 , 4, 10. Ober-Pörlitz 44. Nerkwitz 44. Obermaingebiet 12, 14, 55. Nertzsch 41. Obermöllem 28«, 151. Netzschkau 41. Oberpfalz 14, 36, 46. Neuen-Gönna 44. Ober-Schmon 38, 40. Neusitz 44. Ober-Suhl 48. Neustrien 298. Ober-Wimmelbach 161. Nieder-Österreich 30'. Obschütz 41. Niederrhein 321, 340, 351. Odal 90». Niedersachsen 18, 321; s. a. Sachsen. Oeblitz 39. Nieder-Schmon 38. Oelze 56. Niederspier 42. Oechlitz 41. Niemandsland 280ff., 308ff. Oeste 40. Nienstedt 41, 149. Ohmfeldgau 1. Nießbrauch 214f., 220ff., 227f., 234; s. a. Ohrdruf (Kloster) 179ff., 184. precaria. Ohre 18, 24, 25. Nißmitz 38. Ordon 270 f. nobiles s. Adel. Orentileshus 289. Nordbayrische Kolonisation 14. Orlagau 8, 45. Norddorf 183. Orlas 39. Nordfahner 44, 62«. Orlitz 39. Nordgau 46, 132. Omer 41. Ortsnamenforschung 17, 29, 49ff., 56. Nordgermanen 330. Ortspfarreien 187. Nordhausen 29, 41, 42, 61», 65, 292. Osi 27. Nordheim 256. Oßmaritz 44. Nordische Kultur 9. Oßnitz 41. NORDMANN 2 2 2 . „Ostarstuopha" 61. Nordschwaben 267 f., 33. Nordthüringen 21, 33, 37, 38ff., 57,161 ff., Osterhausen 29, 174. Österreich 30', 321. 169f., 197/., 225. Nordthüringgau 19, 25, 84. Ostfranken 28, 88. Nordwald 56, 77*; s. a. Franken- Ostgoten 247f.; s. a. Goten. wald. Ostheim a. d. Rhön 255. Nordwestdeutschland 2, 351; s. a. Ostsiedlung, Ostkolonisation 5», 45, 65, Sachsen. 73 ff. Norwegen 3*, 90«. Ostthüringen 11. novalia 305». OTFRID 214, 222. Nuenburc 48. Ottstedt 41. OTPRAHT 2 5 6 . Nutzungsberechtigungen 325 ff. Ottelmannshausen 183. Nutzungsgenossenschaften 317. Nutzungsrechte des Gemeinland 298 ff., Otterstedt 42. Ottmannshausen 97'. 308 ff.
—
—
Poppen-Lauer 165*. P O P P O , Graf 73«, 89, 165«, 178 4 , 348. OTTO I I . 112, 1 8 6 ' . P O P P O , Markgraf 72. portio 246f. OTTO I I I . 621, 85«. Pottlau 39. Prästationen 221 ff. Paläolithikum 8. Prekarie 100, 127 1 , 190, 197, 214, 219ff., Palatium 162 f. 227 ff. Pamuchestoipheno 169. Pretitz 38. „Parklandschaften" 3 4 . Prießnitz 38. pars 246f. Principes 93, 208 f. Pauls-Kloster in Erfurt 181. Prößig 39. pecunia s. Fahrhabe. puer 114f., 119f. Personallasten 201, 202ff., 241, 260. persönliche Abhängigkeit 147 f., 201; Punkewitz 38. Punschrau 38. vgl. a. Unfreiheit. Purtin 41. Pertinenzformeln 305 ff. Petersberg 48. Quadriduani 192. Peters-Kirche in Ohrdruf 180. Quillschina 40. Peterskloster zu Saalfeld 124®. Quedlinburg 40, 84». Petersstift in Erfurt 43, 181 f. Querfurt 3, 38f., 40. Petersstift in Mainz 327, 329. Questenberg 150», 325. Petersstift in Ohrdruf 1804. Pettstedt 41. Peutnitz 41. RADEGUNDIS 2 6 . Pfersdorf 178. Radenzgau 1, 54», 57 1 , 132, 184. P I P P I N D. K . 7, 6 1 f., 95«, 2 1 6 , 2 8 3 . Radenz-Wenden 71®. OTTO DER ERLAUCHTE, OTTO D. G R . 4 0 , 1 8 6 7 ,
PIPPIN D. M . PISTORIUS
Herzog
364
72,
169f.
285.
1861.
177!.
Plaue 18. Pleichfeld 293. Pleißmar 38. Plößnitz 38. Pödelist 38. Podelwitz 41. Polen 65 f. politische Bedeutung der Grundherrschaft 110, 123 ff., 154 f., 156, 199f. politische Stellung der Slaven 36f., 58ff., 65. politischer Wandel in der Stellung des Freien 108 ff. politisch begründete Abgaben 2091; s. a. Tribut, pomerium 288. Pomnitz 38. Ponitz 41. Pönitz 39. Pontigerna 185. Poppel 38.
R A D U L F 29«, 3 5 , 4 6 , 5 9 f . , 63, 6 6 ,
93.
Rahanvelde 165 6 . Ramuchesdorf 39. RAMUOLT
178.
Rani 41. Raschwitz 41. Rasdorf 48, 68. R A T O L F , Markgraf 72. Reallasten 200ff.; s. a. Abgaben, Frondienste, Zins, rechtliche Gliederung in Stände 81 ff. rechtliche Lage der Unfreien 114 ff. Reddeber 326. Redwitz 45. Regensburg 19. REGINGUND 2 6 7 , REGINHILT REGINO
268.
268.
268.
REGINOLD
177.
REGINOLT
168.
Regnitz 36, 46, 54, 162. Reichenbach 48 1 6 . Reifenstein 87», 1801.
— Reims (Bistum) 185, 198«. Reinhardsbrunn 226. Reinsdorf 175, 198. Reipisch 41. Reisdorf 40. Remda 44, 175; s. a. Stadtremda. R E M I G I U S (Bischof) 185. Remigius-Kirchen 184. Remstedt 175. REONOLF
268.
Rettbach 175. Rettwitz 44.
365
—
Röpzig 41. Rosperswenden 42, 325. Roßdorf 289. Rössen 41. Roßla 15. Rötha 325. Rothenstein 44. Rottdorf 44, 62«. RüBELsche Markenlehre 280 ff. Rubenhus 288. Rudersdorf 39. RUDOLF
101.
R E T U N 84«, 1 6 9 , 1 7 6 , 2 5 1 « , 2 5 5 , 2 6 8 ,
RUDOLF,
Vorsteher der Klosterschule 218.
Reurieth 48. Reußen 39. -reuth 75. Rhein 351. Rheingau 4 1 . Rhön 1, 14, 76, 131. Richenbahc 48. R I E D E S E L , Hen-en VON 328. Riesleben 23. Riestedt 174. Riethnordhausen 326. Rigsf>ula 82«.
R U D O L F VON F U L D A
82!.
353,
Rudolstadt 44, 45, 59, 175. Rügshofen 165. Rumpin 40. Rundlinge 70, 350. Runstedt 326. Rustenfelde 42.
Saale, fränkische 16, 131, 168. Saale, thüringische 1, 11, 13, 16, 17, 26, 30, 33ff., 44f., 53ff., 74, 130f., 150, 161, 350. RIHHART 222. Saalfeld 45, 124, 165«, 226. Ringgau 1. Saalgau 1, 48, 168, 177, 186, 230, 254». Ringleben 175, 326. Saalkreis 19, 35 f., 125, 171». ripuarisches Recht 83 ff.; s. a. Sacharedi 169. Ripuaria. Sachsen 8, 23, 25ff., 33, 34f., 58, 63», 75, Robschütz 44. 83ff., 98, 104f., 116, 153, 162, 198, Rodach 165«. 199, 204, 213, 330. -rode 75, 79», 349, 350. Sachsenkaiser 39, 77. Rödelwitz 44. Sachsenspiegel 25, 84». Rödigen 44. sächsisches Recht 116, 125f., 132ff., 136, Rödigsdorf 169. 139, 189; s. a. Lex Saxonum. Rodonwalli 41. salische Franken 322; s. sonst Franken, Rodungen 106ff., 127, 140, 142, 188f., salisches Recht 83 ff. ; s. a. Lex Salica. 231 f., 235f., 306ff., 335f., 342, 345ff. Salland 2631, 264f. Rodungsperiode 71 ff. Saltus Sclavorum 45 10 . Rohr (Ort) 48. Salz 161. Rohr, Kloster 183. Salza 161, 175. Rom 85». Salzaha 42. Römer 83», 248. Salzungen 24, 48, 174, 175, 178, 182, Römbild 183, 284. 206, 292. römischer Kultureinfluß 2. Samo 34, 46, 55, 59. römischer Privateigentumsbegriff 322. Sandersleben 41. Römisches Reich 247. Sangerhausen 29. Römstedt 44, 62«. Sargstedt 326.
—
366
Saröwe 72. Sattelhöfe 741. Saxahu 185. Schackstedt 41. Schalla 44. Scheibe 45, 56. Scheidungen 175, 198. Schellsitz 38. Schenkungen 91, 130ff., 139ff., 158ff., 163ff., 171 ff., 187f., 214f., 219ff., 298ff., 342. Scherwitz 39. Schieben 38. Schildmacher 69. Schimmel 38. Schirnewitz 44. Schlackwitz 41. Schlagwitz 39. Schlenze 26. Schlesien 4 1 . Schleswig-Holstein 18f., 104, 219, 229, 246; s. a. Holstein. Schlettau 41. Schleusingen 171', 245. schlichtes Zinsgut 110, 211, 219, 229. Schmalkalden 171». Schmiede, slavische 57. Schmon s. Ober- und Niederschmon. Schmücke 11, 18, 38. Schnurkeramik 9f. Schüblingen 45. Schochwitz 40.
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Schweinezins 28, 209. Schwenda 325. Schwerstedt 175. Schwiederswende 42. Schwötzdorf 41. „Sclavi" 581, 64', 66». scutatores 69. Seebach 185. Seebitzsch 39. „Seelgerät" 203'. Seena 38. Seidingstadt 183. Selbsttraditionen 97ff., 108, U l f . , 113, 167, 203f., 232. Seneca 124". servitores 192 ff. servus 114ff., 202; s. Unfreie. Sessa, Nonne 168. SeBlach 303. Sezelacha 345. SIBOTO
124».
Siedelhöfe 74». Siedlungen 333ff.; s. a. Besiedlung. Siedlungsfunde, slavische 52. Siedlungsperioden 5 ff. Siedlungswesen l f f . SIEGFRIED,
Erzbischof von Mainz 181.
SIGIBERT I . 3 2 f. SIGIBERT I I I . SIGIHART 1 1 6 ,
35,
63.
267.
SIGILOUG, Nonne 169, 255, 268. Sigimareshuson 349.
Schollenpflichtigkeit 197f., 211. SIGWART 2 5 7 . Schomlitz 41. Simmershausen 349. Schönstedt 43, 185, 274. Siptenfeld 76». Schöps 44. Sittendorf 42. Schorba 44. Skandinavier 83, 322, 340. Schoten .44. Sklaven 92; s. a. Unfreie. Sklavenhandel 37, 66. Schutzherrschaft 65, 69, 210. Slaven 6f., 25, 28, 30f., 32ff., 75ff„ 85, Schwaben 18, 21 f., 23, 83, 124, 330; s. 103,105,111, 131 f., 162,191 ff., 262ff., Nordschwaben, Alemannen. 350. Schwabengau 1, 26, 33, 891. Schwabhausen 26, 42, 43, 175, 185. „Slavenorte" 37ff., 79. Schwabsdorf 161. Slavenzins 61 f. Schwarzburger Oberherrschaft 67, i >, slavische Philologie (Wert) 49 ff. 322'. Slierbach 161. Schwarzburg-Rudolstadt 45. Smurdenhufen 40'. Schwebda 175. Söhne (Erbrecht) 134ff. Söllnitz 44. Schweden 3 4 ; s. a. Skandinavien.
—
367
Sömmerda 15, 42, 178. Sonderhofen 184. Sondershausen 29, 42, 182. Sondheim v. d. Rh. 168, 187, 285, 288, 347. Sonneborn 175. Sorben 326, 46», 47; s. a. Slaven. sors 246ff. Sotterhausen 29. soziale Gliederung 81 ff., 146 ff. soziale Lage der Slaven 37, 58 ff. soziale Lage der Unfreien 114 ff. Spahl 48, 178. Spanien 105*. spanische Juden 66. Sparta 248. Spergau 41. Spielberg 161. sprachwissenschaftliche Methode 49f., 54. staatliche Siedlungsmaßnahmen 26 ff., 31 f., 71 f. Staatskriege 103. Städten 15. Stadtilm 21. • Stadtremda 44; s. a. Remda. Stände 81 ff., 106ff., 191, 213. -stedt 15, 341, 350. Stedtfeld 48. Steigerthal 325. Steinbach 48. Steinbrücken 41, 42, 326. Steinthalleben 23. Steinzeitkultur 4, 9, 11'; s. a. Neolithikum u. Paläolithikum. „Steora" 61. Steppenböden 3 f. Stercinloch 161. Stetten 255. Stiebritz 44. Stöben 44. Stöbnitz 41. Stobra 44. S T O L L B E R G , Graf 326 f. Storchwitz 39, 41. Storkau 41. Stotternheim 43. Streubesitz, königlicher 162 f. Streufdorf 183. Ströbeck 326.
—
STURMI,
Abt
172,
176.
Südthüringen 12, 122, 127, 204. südwestdeutsche Grundherrschaft 126, 128; vgl. a. mitteldeutsche Grundherrschaft. Sueben 12 f. Suhl 48, 69. Sulaho 69. Sulza 15. Sulzaha 289. Sulzbach 44, 62«. Sülzdorf 183. Sulzheimer Mark 165. Sundhausen 175, 326. Sundheim s. Kaltensundheim. S Y B I L L E , Herzogin 325. Taft 165. Tagewerke 250 ff. -tar 15. T A S S I L O , Herzog 103". Taubach 8. Taugwitz 38. Tauschwitz 39. Tennstedt 15, 174, 175, 186. „termini" 280 ff. terra 134 ff. terra indominicata 263. terra salica s. Salland. Teutleben 44, 267, 292. Teutschental 41. T H A K U L F , Markgraf 6 7 , 7 2 . Thalwenden 42. Theiditz 39. Themar 46, 165, 183. THEODORICH
D.
THEODRADA,
Herzogin
GR.
THEOTRAT 2 2 1 f., 2 5 5 ,
198,
22,
23,
152.
167. 268,
303.
Theotricheshus 348. Thesnitz 39. Thor 23. Thoringia 23. thriurothe 307, 312, 347». Thuisbrunn 161. Thüring (Tiring) 7». Thüringen 9, 12ff., 32ff., 130ff., 171», 289, 344. Thüringer 5, 18, 23, 75, 81 ff., 103», 116, 153f., 248», 330.
—
368
Thüringer Recht 81 ff., 130ff.; vgl. a. Lex Angliorum usw. Thüringerreich 6, 19, 24ff., 84, 151 f., 208 f. Thüringer Wald 14, 21, 24, 30, 45, 47, 75ff., 88f., 122, 125f., 132f., 225, 291. Thurpfilin 46. Thürungen 325. Thyra 24. Thyupfbach 177. Tilleda 15, 41, 175, 326. Töchter (Erbrecht) 134ff. Tonna 185. Tonndorf 43. Töpfleben 186. Töttelstedt 43. Traditionen s. Schenkungen. Traditiones, Fuldaer 256 1 ; s. a. E B E R HARD, C o d e x d e s .
Trebitz 40. Trebra 28, 44, 178. Treppnitz 44. Tribur 28. Tribut der Sachsen 199. Tribut der Slaven 61 f., 209. tributarii 193. triduani 191 ff. Tromlitz 44. Trostadt 46, 165, 183, 348. Trunstadt 46'. Tschechen s. Cechen. Tullifeld 1, 126, 185, 257. Tultewitz 38. Tüngeda 42, 175, 185. tutela 1352, 210. Tütschewenden 41. Udersleben 326. Uffenleua 185. Uffhausen 175. Uftrungen 325. Ugesberg 48. Uichteritz 41. Umpferstedt 15. „unfrei" (Begriff) 106ff., 126. Unfreie, Unfreiheit 82ff., 97ff., 106ff., 114ff., 123 ff., 146 ff., 189 ff., 219, 253 ff., 335, 349; s. a. Mancipia. Ungarn 65 f., 111.
—
Unstrut, Unstrutgebiet 3, 10, 11, 18, 25, 2 6 , 3 3 , 3 8 ff., 63», 8 4 , 1 2 5 , 1 3 1 , 1 8 1 . Unterfranken 8 4 , 2 9 3 « . Unter-Köditz 45. Unter-Kotz 349. Untermain 4 1 . Unter-Pörlitz 44. Unter-Suhl 48. Untertrubach 161. Unter-Wimmelbach 161. Urbach 41, 325. urbs 291. Urkundenmaterial, Fuldaer 1772, 256 1 . Urkundenmaterial, Hersfelder 173 6 . Urnshausen
289».
Urspringen 178«. Urwald 4ff.; vgl. a. Rodungen. Urzeit 146, 238 f., 278, 280, 295, 324, 334. Utenbach 161. Uthleben 326. Utrecht (Bistum) 1 8 6 ; s. a. W I L L I B R O R D , Bischof. Uttrichshausen 48. Uuerinesbrunno 294. Vacha 15, 24, 178, 182. Vachdorf 185. Vandalen 12. Vargula 42, 177. Varisten 14. Vatterode 41. VEGETIUS VEIT,
23.
Sankt
40.
VENANTIUS FORTUNATUS
26.
Venkigau 321. Vererbung von Landbesitz 130ff., 158f., 1 6 4 f. Vestitio s. Prästationen. VIBELIUS, K ö n i g
13.
vicini 297 f. vicus 292. Viereth 46. villa 289, 291 ff. Villicationen 188, 291 f.; s. a. Hofgüter. Vincy 7*. Vitalleihe 223. VODIHILT
268.
Vogtei 217 f. Vogtland 46.
—
369
Voigtstedt 15, 175. Volk, soziale Gliederung 81 ff. Volk als Träger der Siedlungen 31 f., 71 f., 76 f. Völkerwanderung lf., 5. Volkfeldgau 165, 168. Volkmaritz 40. Volksadel 86 ff. Volkskriege 103 ff., 154, 337. Volksrechte 81 ff., 114. vorgeschichtliche Besiedlung 8ff., 145ff. Vuicstat 169.
—
Wenigen-Dosdorf 43. Wenigen-Haarhausen 43. Wenigen-Seebach 42. Wenigensömmern 42. Wenninge 39'. Wenningshausen 42. Wennungen 39, 161. Wergeid 82ff., 114, 241, 331 6 . Werinesbrunno 294. Weringgau 35«, 168, 186. Werinofeld 17, 19, 28, 35, 131. Wernigerode (Ort) 326. Wernigerode (Grafschaft) 204. Wernigerode, Grafen von 326.
Wachszinsigkeit 113f.; s. a. AltarzinsigWERNIHAR, A b t 40. keit. 1 Werra, Werragebiet 1, 15f., 18, 30, 76, Wagrien 4 . 84, 122, 131, 153f., 187, 207. Wald 4ff., 187f., 290f., 300ff., 345ff.; Westari 175. s. a. Mark, Rodung. Westengel 18, 131. Waldkappel 47, 4 8 " . Westera 48, 177. WALDPRAHT 2 5 5 . Westerhausen 29. Walkenried 74. Westfalen 114, 321. Wallhausen 29, 41, 326. Westgoten 330. Wallrabs 165. Westheim 288 f. Walternienburg-Bernburger Kultur 9f. Westpreußen 4 1 . Waltershausen 29. Wetterau 1735, 327. WALTO 177. Weyd 48. WALTUN 168. W I B I L O , König 13. Wandeläcker 1901. Wichtshausen 183. Wanenreodum 185. Wickeroda 325. WARMUND 177. Warnen 6, 12ff., 25, 26®, 27 3 , 28, 32, Widarogeltesstat 183. 25, 130ff., 148, 150f., 152f., 208, 209. Warterecht 143. Wartburg 343. Wasserthalleben 23. Weber, slavische 43, 68. Wechmar 165», 175, 292. Weichsel 33». Weigelshofen 161. Weilersiedlungen 339 ff. Weimar 3, 8, 24«, 26, 43», 45, 59, 151 f., 182. Weischwitz 38. Weißenburg 99. Wellerstadt 161. Wellwitz 41. Wendisch-Heiligen 42. Wendland, hannoverisches 35. Wenigen-Dornheim 43. L a t g e, Agrarverfassung.
WIDAROLT
222.
WIDEROLT
349.
Wideroltesleba 349. Wiehe 15, 175, 198. Wielantesheim 183. WIGANT
165.
WIGBERT, WIGGER, WILAREUS
Sankt 113, 173«, 206. Kleriker 101, 276 1 . 871.
Bischof 168, 186, 230, 254, 292, 327. Willimundesheim 48. Willnitz 45. Wilz 40. Windeberg 42. Windehausen I 41, 325. Windehausen I I 42. -winden, windisch- 42, 47, 52, 61. 24 WILLIBRORD,
— Windisch-Holzhausen 42, 52. Windisch-Reurieth 48. Winidoheim s. Franken-Winheim. Winningen 39'. Wipotenrode 326. Wipper 16. Wippra 270». wirtschaftliche Gliederung 81 ff. wirtschaftliche Lage der Slaven 58 ff.
370
Zabitz 40. Papst 61. Zaglitz 39, 41. Zatesdorf 39. ZACHARIAS,
ZAZO 2 5 7 .
37,
wirtschaftliches Moment, Bedeutung 154f., 209, 212f. WITDERPF WLTMAR
—
222.
223.
Witzenhausen 29, 47. Woffleben 326. Wohlmuthhausen 257. Wölbitz 39. Wolfenbüttel 3. Wolferstedt 15. W O L F G A N G , Graf 326. Wölfis 174, 175. Wolfmuthausen 289. Wolkramshausen 29. Wöllnitz 44. Wolmirstedt 3, 175, 198. Wormsgau 1735. Wülferode 326. Wullinastat 183. Wunsiedel 46*. Würzburg (Ort) 19, 71», 84, 132, 168, 183», 184. Würzburg (Bistum) 61 f., 73, 133, 168, 181, 184f., 271, 291. Wüstungen 39ff., 343f.
Zeckwar 38. Zedemich 39. Zehnt 43, 89\ 161, 174, 216, 271. Zehntschaft 332. Zehntverzeichnis, Hersfelder s. Hers felder Zehntverzeichnis. Zeitz 3. Zeitze 41. Zellewitz 40. Zeuchfeld 38. Zeutzsch 44. Zickeritz 40. Zieritz 39. Zimmern 174, 175, 185, 392. Zimmritz 44. Zimnitz 41. Zingst 38. Zinslasten, bäuerliche 91, 108f., 112, 215 228; s. a. Abgaben. Zinspflicht der Slaven 61 f., 65, 68 f. Zisterzienser 57. Zöbigker 41. Zorbau 41. Zörnitz 40. Zscheiplitz 38. Zscherben 41. Zurbewitz 41. Zwabitz 44. Zwanzig 41. „Zwischenland" 71, 79, 80. Zwokau 41.
Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte Herausgegeben von Prof. D r . Dr. FRIEDRICH LÜTGE, München, P r o f . Dr. G Ü N T H E R FRANZ, Stuttgart-Hohenheim, und Prof. D r . WILHELM ABEL, Göttingen Band X V I I I Geschichte der deutschen Landwirtschaft des Mittelalters in ihren Grundzügen V o n G E O R G VON BELOW f
Aus dem hinterlassenen Manuskript herausgegeben von Prof. Dr. Dr. FRIEDRICH LÜTGE, Mündien 2., unveränderte Auflage, 1966. VIII, 114 Seiten, Ganzleinen Band X I I I Vermögensverhältnisse braunschweigischer Bauernhöfe im 17. und 18. Jahrhundert Von Dr. WALTER ACHILLES, Hildesheim 1965. VIII, 117 Seiten, Ganzleinen D M 24,— Band X I I M A R T I N GROSSER • A n l e i t u n g z u der L a n d w i r t s c h a f t ( 1 5 9 0 ) ABRAHAM VON THUMBSHIRN
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schaftsschriften Herausgegeben von Dr. G E R T R U D SCHRÖDER-LEMBKE, Mainz 1965. VIII, 109 Seiten, Ganzleinen D M 34,— Band X I LSndliche Bevölkerung an der Schwelle des Industriezeitalters Der Raum Braunschweig als Beispiel Von Dr. ERNST WOLFGANG BUCHHOLZ, Stuttgart-Hohenheim 1966. X, 94 Seiten, 6 Abbildungen, Ganzleinen D M 26,80 Band X Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzelt Untersuchungen zur Agrar- und Sozial-Gesdiidite des hohen Mittelalters mit besonderer Berücksichtigung des südostdeutschen Raumes Von Prof. Dr. ALFONS D O P S C H f Mit einer Vorbemerkung von Prof. Dr. W. Abel, Prof. Dr. G. Franz, Prof. D r . F. Lütge 2., unveränderte Auflage, 1964. VIII, 272 Seiten, Ganzleinen D M 34,—
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Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. FRIEDRICH LÜTGE, München, Prof. Dr. G Ü N T H E R FRANZ, Stuttgart-Hohenheim, und Prof. Dr. WILHELM ABEL, Göttingen Band IX Die Bauernbefreiung in Hohenlohe Von Dr. ECKART SCHREMMER, München 1963. XIV, 208 Seiten, Ganzleinen DM 37,50 Band VIII Die Zisterzienserabtei Ebrach Eine Untersuchung zur Grundherrschaft, Gerichtsherrschaft und Dorfgemeinde im fränkischen Raum Von Dr. HILDEGARD WEISS, München Mit einem Vorwort von Prof. Dr. F. Lütge, München 1962. VIII, 147 Seiten, 1 Übersichtskarte, Ganzleinen DM 32,— Band VII Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Agrargeschichte Von Prof. Dr. G Ü N T H E R FRANZ, Stuttgart-Hohenheim 3., erweiterte Auflage, 1961. VIII, 115 Seiten, 16 Abbildungen und eine Falttafel, Ganzleinen DM 26,— Band VI Bauernwirtschaft und Gutsbetrieb in der vorindustriellen Zeit Von Dr. D I E D R I C H SAALFELD, Göttingen 1960. VIII, 167 Seiten, 10 Abbildungen, Ganzleinen DM 28,— Band V Landwirtschaft und Agrarverfassung im Fürstentum Osnabrück nach dem Dreißigjährigen Kriege Eine wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung staatlicher Eingriffe in die Agrarwirtschaft Von Dr. KLAUS W I N K L E R , Bramsche/Osnabrück 1959. XIV, 159 Seiten, 2 Abbildungen, Ganzleinen DM 21,— Band IV Die mitteldeutsche Grundherrschaft und ihre Auflösung Von Prof. Dr. Dr. FRIEDRICH LÜTGE, München 2., stark erweiterte Auflage, 1957. XIV, 317 Seiten, Ganzleinen DM 36,— Band II Die landesherrlichen Urbarsbauem In Ober- und Niederbayem Von Prof. Dr. FRIEDRICH LÜTGE, Leipzig (jetzt München) Jena 1943. XVI, 412 Seiten, 1 Karte, broschiert DM 33,— Band I Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters Von Prof. Dr. W I L H E L M ABEL, Göttingen 2., erweiterte Auflage, 1955. X, 180 Seiten, 8 Abbildungen, Ganzleinen DM 22,—
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